Wir schreiben das Jahr 1942. Heute ist mal wieder einer dieser Tage an der Front, an dem man einfach nur abwarten kann. Ein Tag an dem man auf den nächsten Befehl wartet, das man endlich Gewissheit hat. Dieser Druck der einem auf den Schultern liegt, wenn man weiß man kann nicht mehr als kämpfen. Der Mann der vor einem steht, mit dem aufgerichteten Gewehr ist der Feind und es heißt entweder du oder er. Nur man vergisst in dem Moment, das der Mensch der vor einem steht, genau so eine Familie hat, die auf ihn wartet. Genau so ein Leben hat wie du, an dem er hängt. Durch den Krieg habe ich schon 5 meiner Kameraden verloren. Habe gesehen wie sie starben, wie das Leben der Menschen die mir nahe standen, einfach so von der einen Sekunden auf die andere ausgelöscht wurde. Manchmal denke ich, ob sie es nicht doch besser haben. Den sie müssen diesem Druck nicht mehr standhalten. Ich denke viel zu viel darüber nach. Bekomme den Kopf nicht mehr frei, da ich weiß das ich durch die Zeit hier, nie mehr mit einem reinen Gewissen nach Hause gehen kann. Immer mit dem Hintergedanken, das nun eine Frau mit Kindern zu Hause sitzt und noch nichts vom Tod ihrer Mannes weiß. Noch hofft das sie ihn in die Arme schließen kann.
Ich atmete tief ein, der Wind pfiff an den Holzwänden entlang. Ich und zwei weitere Kameraden versteckten uns in einer kleinen Holzhütte, am Waldesrand. Ein kleines Haus. Mit Holzdielen, die bei jedem Schritt knarrten, den man auf ihnen machte. Ich saß auf dem Boden, spürte die Kälte durch meine Hose bis an meine Haut. Ich hatte die Beine angewinkelt um mich besser vor der Kälte zu schützen. Mein Blick haftete auf dem Fußboden. Ich betrachtete die Musterung im Holz, die sich wie lange Fäden auf dem Boden entlang schlängelten. Ich atmete tief ein, spürte wie die Luft meine Lunge füllte. Es roch sehr stark nach altem, feuchten Holz. Hatte ein altes Kinderfoto von mir in der Hand. Ich in der Mitte, neben mir meine Eltern. Hinter uns der große Apfelbaum an dem eine kleine Holzschaukel angebracht war. Dies war das einzige Bild von mir und meinen Eltern. Alle anderen wurden verbrannt, nachdem sie starben. Manchmal wenn ich merkte, das ich alleine war, hilflos. Dann nahm ich das Bild und spürte wieder neue Hoffnung. Ich packte das Foto wieder in meine Hosentasche, als ich spürte wie eine kleine Träne meine Wange entlang lief. Mit einem Ruck richtete ich mich auf, der Boden knarrte bei jeder Bewegung. Ich lief ziellos durch den Raum, entdeckte dabei eine Tür, die einen Spalt offen stand. Meine Hand berührte das kalte Holz. Der Raum wurde beim öffnen der Tür mit hellem Licht durchflutet. Ich ging einen Schritt hinein. Erkannte Umrisse eines Waschbeckens, das an einer Wand angebracht war. Hörte das knacken von Glasscherben unter meinen Schuhen. Ging auf das Waschbecken zu, umklammerte es mit meinen Händen. Sie waren dünn und schmutzig. Ich sah wie sich meine Fingerknöchel durch meine Haut drückten. Spannte sie dabei mehr an. Dreht dann den Wasserhahn auf, beugte mich nach vorne und führte die Hand zu dem eiskalten Wasser. Führte sie zu meinem Gesicht. Spürte das kalte Wasser auf meiner Haut. Drehte dann den Wasserhahn zu und schaute auf. Ein alter, kaputter Spiegel hing an der Wand. Durch ihn blickte mich ein dünnes, fahles Gesicht an. Die Augen rot und gläsern. Meine Hände balten sich zu Fäusten. Mein Blick wanderte dann über den Boden. Glasscherben lagen überall verstreut. In jeder von ihnen schaute mich dieses Gesicht an, dünn und ohne Kraft. Beugte mich nach vorne und hob eine Scherben auf. Betrachtete sie genau. Sie war ein Teil vom ganzen. Ein Teil des Lebens, das durch einen Schlag aus ihm gerissen wurde. Meine Hand beugte sich auf einmal ganz automatisch zur Innenseite meines Armes. Setze an.
"Tu das nicht!" Ich schreckte auf, als ich diese Stimme hörte, die zu mir sprach. Eine mir sehr vertraute Stimme. "Du darfst das nicht so beenden." Ich blickte wieder in den Spiegel. Das Gesicht in ihm schaute mich direkt an. Das Gesicht, ein kleines Knabengesicht. Das selbe wie auf dem Foto. Dachte an die schöne Zeit zurück. Meine Hand senkte sich und die Scherbe rutschte langsam aus meiner Hand und fiel zu Boden. "Alle man raus hier, schnell!!" Hörte ich plötzlich wie einer meiner Kameraden schrie. Ich rannte aus dem Zimmer, meine Kameraden rannten aus der Tür nach draußen. Schüssen waren es die ich vernahm, dumpfe Schritte auf dem Erdboden. Ich rannte hinaus, dem Gewehr in der Linken. Schaute mich um. Sah feindliche Männer immer näher kommen. Hörte Schüsse. Plötzlich ein Schuss der sich so nah anhörte. Ich blieb starr, konnte mich nicht mehr bewegen. Meine Beine wurden immer schwerer, es war als ob mir jemand den Boden unter den Füßen wegzog. Mein Blick war leer und starr. Schaute geradeaus. Alles verschwamm um mich herum. Es kam mir alles so langsam vor, ich fiel auf meine Knie. Auf die nasse, kalte Erde. Mein Oberkörper schlug unsanft auf dem Boden auf. Mein Gesicht presste sich nun ganz auf den Boden, konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Atem wurde immer langsamer. Das Foto lag neben mir. Schaute es gebahnt an. Spürte wie eine nasse Träne über mein Gesicht lief. Meine Augen wurde immer schwerer, alles wurde so unscharf. Roch die nasse Erde. Mein Atem wurde schwerer. Alle was ich wollte war die Augen zu schließen. Ich wusste das ich nicht mehr aufwachen würde. Meine Augen schlossen sich, der Atem wurde langsamer. Bis ich ganz ruhig und reglos da lag. Alle Geräusche um mich herum verschwammen und ich wusste das ich es nun geschafft hatte. Wusste das ich nun nicht mehr alleine war.
Tag der Veröffentlichung: 20.03.2011
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