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PROLOG

Homer Gold konnte nicht mehr. Außer Atem! Allein lebend in einem Single-Haushalt war er stundenweise durch den alten Wald gerannt. Kalt, dunkel. Was war passiert in der freien Hansestadt Lübeck? Er hatte einen Clochard, welcher an der Elbe kampierte versehentlich totgetreten und erschlagen. Warum? Homer Gold konnte es im Nachhinein nicht sagen. Irgendwelche Stimmen in seinem Kopfe hatten ihm die Bluttat befohlen. Er war nun tot, der Clochard. Mausetot. Toter als tot geht nicht. Nun könnte der aufmerksame Zeitgenosse einwenden, dass es um den Hirntod geht. Erst dann sei ein Humanismus unwiederbringlich. Aber seu es drum. Blut war aus dem Mund des wehrlosen Clochards gelaufen - am Boden sich krümmend. Ja, das Blut rann in Fontänen. BLUT. Der Homer wird sich stellen müssen, die Verantwortung übernehmend. Indes - erstmal setzte er sich auf eine Waldlichtung und begann, POETTSCHKES POST, sein Lieblingsmagazin durchzublättern. Seine Lippen formten die Sätze, Worte - folgendermaßen:

DIE TODESSTRAFE

Der 10. Oktober ist der internationale Tag gegen die Todesstrafe, der von der World Coalition Against the Death Penalty bereits zum 13. Mal in Folge ausgerufen wird. Dieses Jahr steht die Todesstrafe wegen Drogendelikten im Mittelpunkt. Damit wird der Schmuggel, aber auch der Besitz von verbotenen Drogen in 33 Staaten belegt.
Es sind sieben Staaten, die die Todesstrafe regelmäßig bei Drogendelikten verhängen: China, Iran, Saudi-Arabien, Vietnam, Malaysia und Singapur. Leider ist Indonesien auf dem Vormarsch: Alle 14 Hinrichtungen, die dort im Jahr 2014 ausgeführt wurden, waren aufgrund von Drogenschmuggel verhängt worden. Das Land geriet zuletzt im April dieses Jahres in die Schlagzeilen, als es erneut Ausländer, in diesem Fall zwei Australier, zwei Nigerianer und einen Brasilianer, wegen Drogenschmuggels hinrichtete.
Im Iran wurden im vergangenen Jahr 367 Menschen wegen Rauschgiftschmuggel hingerichtet, das ist vermutlich gut die Hälfte aller vollstreckten Exekutionen. In Saudi-Arabien wurden 2014 mindestens 41 Menschen nach einer Verurteilung wegen Drogendelikten geköpft.
Auch andere Zahlen sind wenig bekannt: So wurden in Malaysia die meisten Exekutionen nach Drogendelikten wegen des Besitzes von Haschisch und Marihuana vollstreckt. Von 2008 bis 2010 tötete der Staat wegen dieses Deliktes 77 Menschen.

 

Die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. verurteilt die Todesstrafe in allen Fällen. Auch bei Rauschgiftdelikten gibt es keinerlei abschreckende Wirkung. Alle Statistiken zeigen, dass die Todesstrafe die Drogenprobleme in keinem Land zu lösen, nicht einmal zu mindern im Stande ist. Sie rettet keinem Drogenabhängigen das Leben!
Zudem trifft die Todesstrafe auch bei Rauschgiftdelikten vor allem arme Menschen, insbesondere philippinische Arbeiterinnen und Arbeiter in Malaysia und Saudi-Arabien. Auf den Philippinnen ist die Todesstrafe seit 2006 abgeschafft.
Neben dem Aufruf zur Abschaffung der Todesstrafe appelliert die Vorsitzende der Initiative gegen die Todesstrafe e.V., Gabi Uhl, am 10. Oktober besonders der wegen Drogendelikten verurteilten Menschen in den Gefängnissen der Welt zu gedenken, es sind viele hundert.

RECHT AUF LEBEN

Amnesty Internationals Report "Death Sentences and Executions 2012" zufolge wurden vergangenes Jahr 682 Menschen weltweit exekutiert. Die Zahl der Hinrichtungen ist somit nahezu konstant geblieben, im Jahr 2011 waren es 680.

Wenngleich die Anzahl der Hingerichteten nahezu gleich geblieben ist, hat sich doch einiges geändert. Länder wie Japan, Indien, Pakistan, Botswana und Gambia haben nach mehrjähriger Pause wieder mit der Vollstreckung der Todesstrafe begonnen. Im Iran haben sich die Exekutionen von 2011 zu 2012 fast verdoppelt und zusammen mit Saudi-Arabien und dem Irak sind diese drei Staaten für drei Viertel aller offiziell bestätigten Hinrichtungen verantwortlich.

Wie viele Menschen in China jährlich zum Tode
verurteilt und exekutiert werden, ist nicht bekannt, doch laut Amnesty International darf man davon ausgehen, dass es Tausende sind. Das Land des ewigen Lächelns befördert demnach quasi Heerscharen in den Tod und steht weltweit auf dem traurigen Platz Nummer Eins der Hinrichtungen. Da China keine offiziellen Angaben zu Todesurteilen und deren Vollstreckungen macht, können diese zwar nicht im Jahresreport Amnesty Internationals zahlenmäßig erfasst werden, doch es sind wohl bedeutend mehr als alle anderen Länder auf unserem Globus zusammengefasst.

Auch im Iran mag die Zahl der getöteten Menschen weit höher liegen als angegeben, über Ägypten und Syrien lassen sich ebenfalls keine genauen Angaben machen. Lässt man China bei dieser grausamen Statistik außen vor, so hält mit Abstand der Iran (314) den Rekord der Hinrichtungen letzten Jahres, gefolgt vom Irak (129), Saudi-Arabien (79) und den U.S.A. (43). 2011 wurden noch 1923 Menschen in 63 Ländern zum Tode verurteilt, 2012 hingegen nur noch 1722 in 58 Ländern. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Todesstrafe abzuschaffen.

Trotz Rückschlägen, wie beispielsweise Japans Wiederaufnahme der Exekutionen, lässt sich doch laut Amnesty International der Trend zur Abschaffung der Todesstrafe nicht mehr umkehren. So hat Singapur weiterhin Hinrichtungen ausgesetzt, Connecticut schaffte als 17. Bundesstaat in den U.S.A. die Todesstrafe ab, Ghana möchte in seiner neuen Verfassung keinem Menschen mehr das Recht auf Leben nehmen und auch Vietnam führte vergangenes Jahr keine Exekutionen aus.

Die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. setzt sich aktiv für die Abschaffung der Todesstrafe ein. Selbst wenn die exekutierten Menschen Mörder sind und somit selbst Menschen das Leben genommen haben, so ist es dennoch auf keinen Fall eine Rechtfertigung diese Menschen umzubringen. Die Welt wird nicht besser, wenn wir zur Strafe Menschen töten. Es geht nicht darum, Taten von Menschen zu negieren, die tatsächlich Verbrechen begangen haben, doch die Todesstrafe ist schlichtweg grausam und gegen die Menschenwürde.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Zudem darf man nicht alles nur schwarz und weiß malen. Auch Menschen, die Verbrechen begangen haben, sind und bleiben Menschen, mit all ihren komplexen Eigenschaften. Es gibt nicht „den Verbrecher“, genauso wenig wie es „den unbescholtenen Bürger“ gibt, wir sind alle unterschiedlich und auch das macht das Menschsein aus. Jeder kann nach seinen Fähigkeiten dazu beitragen, die Todesstrafe endlich der Vergangenheit angehören zu lassen.

Anstatt sich über Mörder zu echauffieren oder das Thema Todesstrafe im Allgemeinen einfach auszublenden, sollten sich viele Menschen lieber konstruktiv verhalten. Es ist wichtig, dass man sich der zum Tode verurteilten Menschen annimmt, egal ob nun Mörder oder unschuldig verurteilt. Einfach wegsehen oder ein paar Sprüche klopfen führt zu keinem befriedigenden Resultat. Man muss nicht gleich der Anwärter für den Friedensnobelpreis sein, um für jemanden etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. vermittelt mitunter Brieffreundschaften zu Todestraktinsassen in den U.S.A. , es ist eine gute Möglichkeit, sich gegen die Todesstrafe zu engagieren. Menschlichkeit manifestiert sich auch darin, dass man anderen in der Not die Hand reicht und sie nicht einfach komplett verurteilt und vergisst.

TODESSTRAFE IM IRAN

Die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. (IgT) fordert die Bundesregierung anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember auf, das Thema „Einsatz von Baukränen bei Hinrichtungen“ bei Gesprächen mit Vertretern der iranischen Regierung auf die Tagesordnung zu setzen und Baukräne explizit vom Export auszuschließen, auch bei einer Lockerung bestehender Sanktionen. Die deutsche Wirtschaft darf nicht an Hinrichtungen verdienen.

Eine neue EU-Richtlinie gibt der Bundesregierung die rechtliche Möglichkeit, den Export von Gütern zu verbieten, die missbräuchlich für Folter und Hinrichtungen eingesetzt werden. Am 19. Februar 2014 erschien in der Online-Zeitung „The Washington Free Beacon“ ein Artikel über die deutsche Firma Atlas Maschinen GmbH, deren Baukräne Fotobelegen zufolge in Iran bei öffentlichen Hinrichtungen verwendet worden seien. Die IgT wandte sich daraufhin an Atlas mit der Bitte um eine Stellungnahme. Bis heute hat Atlas nicht geantwortet.

Das EU-Parlament hat Ende Oktober 2015 für neue Regelungen gestimmt, die im Zusammenhang mit Folter und Todesstrafe Anwendung finden. Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen demnach den Export von Gütern verbieten, sobald Beweise vorliegen, dass diese für Folter verwendet werden. Die Güter müssen nicht explizit auf der EU-weiten Liste für Exportverbote stehen, was ein kurzfristiges Ausfuhrverbot von gefährlichen Gütern deutlich vereinfacht. In einem Brief von September 2015 an das für die Anti-Folter-Verordnung zuständige Referat der EU-Kommission fordert die IgT: „Nach unserem Dafürhalten sollte in Betracht gezogen werden, Technologien und Geräte, die nachweislich missbräuchlich entgegen ihren bestimmungsgemäßen Verwendungszwecken zur Vollstreckung der Todesstrafe genutzt werden, in Anhang III der Anti-Folter-Verordnung aufzunehmen.“ Dies erscheint besonders dringend, da die Zahl der Hinrichtungen in Iran erneut stark gestiegen ist.

UN-Analysten rechnen mit über 1000 Hinrichtungen allein in diesem Jahr. Aktuell steigen die deutschen Exporte in den islamischen Staat, von 2013 auf 2014 um rund 30 Prozent. Es handelt sich vorrangig um Getreide-, Pharma- und Maschinenexporte. Hier sind Bundesregierung und Wirtschaft gefordert, den Export aller Güter zu verhindern, die missbräuchlich bei Folter und Hinrichtungen zum Einsatz kommen. Die Initiative gegen die Todesstrafe (IgT) e.V. setzt sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Am 10. Dezember wird am „internationalen Tag der Menschenrechte“ weltweit auf Unrecht, Folter und Todesstrafe aufmerksam gemacht.

DIE GRÜNEN

Zur Jahresbilanz von Amnesty International zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe erklärt Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:

 

Die Zahl der von Amnesty International dokumentierten Hinrichtungen ist im Vergleich zum Vorjahr weiter um 26 Prozent gesunken. Besonders ermutigend ist, dass immer mehr Länder die Todesstrafe abschaffen. Im Kampf gegen die Todesstrafe können wir uns aber erst dann zurücklehnen, wenn auch das letzte Land niemanden mehr zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe ist immer und ausnahmslos eine drakonische Verletzung fundamentaler Menschenrechte.

 

Die meisten Todesurteile wurden in China, Ägypten, Irak, Iran und Saudi-Arabien vollstreckt. Trauriger Spitzenreiter ist China. Da die chinesische Regierung die Informationen als Staatsgeheimnis behandelt, sind die genauen Zahlen nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass in China jedes Jahr Tausende von Hinrichtungen vollzogen werden. In Ägypten hat sich trotz der Corona-Pandemie die Zahl der dokumentierten Hinrichtungen auf 107 verdreifacht. Das ist ein Skandal. Die Bundesregierung muss dies aufs Schärfste verurteilen und ihre Ägypten-Politik endlich an Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit ausrichten.

 

Deutschland und die Europäische Union müssen die Beziehungen zu Staaten, in denen weiterhin die Todesstrafe verhängt wird, kritisch überprüfen und den Druck zu deren Abschaffung verstärken. Langfristig gilt es weitere Verbündete zu finden, damit eine Welt ohne Todesstrafe endlich Realität wird.

SPRECHER

Zum von Amnesty International veröffentlichten Bericht zur Todesstrafe erklärt Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:

Die Todesstrafe ist eine drakonische Verletzung elementarer Menschenrechte und absolut anachronistisch. Dass die Zahl dokumentierter Hinrichtungen zurückgeht, ist ermutigend. Für die Weltgemeinschaft muss dies ein Ansporn sein, die Todesstrafe überall zu ächten und abzuschaffen.

 

Dass Brunei die Todesstrafe für Homosexuelle einführt, muss zu massivem Druck der Staatengemeinschaft führen. Hier werden - wie in anderen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten -, elementare Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung verletzt. China, Iran und Saudi-Arabien richten weiterhin weltweit die meisten Menschen hin - eine erschreckend düstere Realität, die durch nichts zu rechtfertigen oder zu relativieren ist.

 

Deutschland muss sich aktiver für die Abschaffung der Todesstrafe und deren Vollstreckung einsetzen. Auch das staatliche Verschweigen zigtausender Hinrichtungen wie in China darf nicht hingenommen werden. Rechtsstaatliche Mindeststandards müssen eingefordert und die Todeszellen endlich abgeschafft werden.

AMNESTY

Die weltweite Hinrichtungsrate ist so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr, doch einige Länder halten weiter an der Todesstrafe fest. Abdulkareem al-Hawaj aus Saudi-Arabien ist einer von Tausenden Menschen, die im vergangenen Jahr hingerichtet wurden. Wir müssen weiter Druck auf diese Staaten ausüben, damit auch sie die Todesstrafe abschaffen.

 

Abdulkareem al-Hawaj aus Saudi-Arabien war 16 Jahre alt, als er vermeintlich an regierungskritischen Protesten in der überwiegend schiitischen Ostprovinz von Saudi-Arabien teilgenommen haben soll. Erst zwei Jahre nach den Protesten, im Januar 2014, wurde der Teenager festgenommen und in Verbindung mit seiner mutmaßlichen Teilnahme an den Demonstrationen angeklagt.

 

Berichten zufolge wurde Abdulkareem fünf Monate lang in Einzelhaft festgehalten. Er gab an, während der Verhöre geschlagen und eingeschüchtert worden zu sein. Zudem habe man damit gedroht, seine Familie zu töten, um ihn so zu zwingen, ein "Geständnis" abzulegen. Er hatte während seiner Untersuchungshaft und in den Verhören keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand.

 

Abdulkareem wurde am 27. Juli 2016 vor dem Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt und am 23. April 2019 in einer grausamen Massenhinrichtung gemeinsam mit 36 weiteren Menschen exekutiert. Die Familien der Hingerichteten erfuhren erst aus den Nachrichten vom Tod ihrer Angehörigen. Auch die Leichname wurden ihnen nicht übergeben.

Amnesty International betrachtet die Todesstrafe als die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Kaltblütig ein Leben zu nehmen, ob durch Erhängen, Stromstöße, Enthauptung, Erschießen oder eine tödliche Injektion, ist eine Handlung auf niedrigstem Niveau. Es verstößt gegen das Völkerrecht, jemanden zum Tode zu verurteilen, der zum Tatzeitpunkt minderjährig war.

 

Die Todesstrafe wird häufig eingesetzt, um kritische Stimmen oder Andersdenkende zum Schweigen zu bringen, Minderheiten oder andere marginalisierte Gruppen zu unterdrücken, und um den Anschein zu erwecken, entschieden gegen Kriminalität vorzugehen. Allerdings liegen keine glaubwürdigen Nachweise dafür vor, dass die Anwendung der Todesstrafe für mehr Sicherheit in der Gesellschaft sorgt, oder dass Hinrichtungen abschreckender wirken als Gefängnisstrafen.

 

Amnesty International setzt sich seit mehr als 40 Jahren für die Abschaffung der Todesstrafe ein – in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos. Es ist daher vielversprechend, dass unser jüngster Bericht für das vierte Jahr in Folge einen Rückgang in der weltweiten Hinrichtungsrate aufzeigt und dass diese so niedrig liegt wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Weltweite Abkehr von der Todesstrafe

Im Jahr 2019 wurden weltweit offiziell 657 Hinrichtungen erfasst, ein Rückgang von fünf Prozent gegenüber 2018. Dies bestätigt den globalen Trend hin zur Abkehr von der Todesstrafe, der seit 2015 anhält, als die Hinrichtungsrate noch bei 1.634 lag. Zum Teil liegt dieser Rückgang daran, dass in Ländern, in denen traditionell stark auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird, 2019 weniger Todesurteile vollstreckt wurden. In Japan wurden drei Hinrichtungen vollzogen (gegenüber 15 im Vorjahr), in Singapur vier (gegenüber 13 im Vorjahr) und in Ägypten etwa 32 (gegenüber etwa 43 im Vorjahr).

In Afghanistan wurden zum ersten Mal seit 2010 keine Todesurteile vollstreckt. Auch aus Taiwan und Thailand kamen keine Berichte über Exekutionen. In Kasachstan, der Russischen Föderation, Tadschikistan, Malaysia und Gambia galten weiterhin offizielle Hinrichtungsmoratorien.

 

Zwar schaffte 2019 kein Land die Todesstrafe für alle Straftaten ab, doch der Trend hin zu einer weltweiten Abschaffung dieser grausamen Strafe setzte sich weiterhin fort.

In mehreren Staaten südlich der Sahara wurden Maßnahmen ergriffen, die zur Abschaffung der Todesstrafe führen könnten, so zum Beispiel in Äquatorialguinea, Gambia, Kenia, Simbabwe und der Zentralafrikanischen Republik.

Unser Ziel ist die endgültige Abschaffung der Todesstrafe.

Clara AlgarExpertin für "Research Advocacy and Policy" bei Amnesty International

Der Karibikstaat Barbados entfernte die Vorgaben zur zwingenden Verhängung der Todesstrafe für bestimmte Straftaten aus seiner Verfassung. In den Vereinigten Staaten verhängte der Gouverneur von Kalifornien ein offizielles Hinrichtungsmoratorium – in keinem anderen US-Bundesstaat sitzen so viele Menschen im Todestrakt wie in Kalifornien. New Hampshire schaffte als 21. US-Bundesstaat die Todesstrafe für alle Straftaten ab.

Eine Handvoll Staaten schwimmt gegen den Strom

Allerdings gab es neben diesen positiven Entwicklungen auch einige Staaten wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Irak, wo die Zahl der Hinrichtungen 2019 stark anstieg. Saudi-Arabien vollstreckte 2019 insgesamt 184 Todesurteile, gemessen an 149 Hinrichtungen im Jahr 2018.

 

Die meisten dieser Exekutionen beruhten auf Todesurteilen wegen Drogen- oder Tötungsdelikten. Amnesty International dokumentierte jedoch auch zunehmend die Verhängung von Todesurteilen aus politischen Motiven, zum Beispiel zur Unterdrückung kritischer Stimmen aus der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien.

Im Irak griffen die Behörden verstärkt auf die Todesstrafe zurück, um mutmaßliche Mitglieder der bewaffneten Gruppe "Islamischer Staat" zu bestrafen. Im Jahr 2019 wurden dort 100 Menschen hingerichtet, gegenüber 52 Exekutionen im Jahr 2018.

Fehlende Transparenz

Oft besteht große Geheimhaltung um die Anwendung der Todesstrafe. Trotz Anfragen von Amnesty International gaben viele Regierungen keine offiziellen Informationen über die Verhängung von Todesurteilen in ihren Ländern heraus. So veröffentlichte zum Beispiel Vietnam, eines der Länder mit den meisten Hinrichtungen im Jahr 2018, für 2019 nur teilweise Zahlen, während China, Nordkorea und Iran das wahre Ausmaß der dort verhängten Todesurteile weiterhin geheimhielten.

 

Dies spornt uns nur noch weiter an. Wir müssen weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um Druck auf die verbleibenden Länder auszuüben, die weiter an ihrer Hinrichtungspolitik festhalten. Unser Ziel ist die endgültige Abschaffung der Todesstrafe. Das Leben ist das höchste Gut - das dürfen wir niemals vergessen.

TODESSTRAFE 2019

​​​​​​Amnesty International sieht die Staatengemeinschaft insgesamt auf einem guten Weg zur Abschaffung der Todesstrafe, dennoch bleiben rund 20 Staaten dafür verantwortlich, dass auch letztes Jahr tausende Menschen hingerichtet wurden. Dies zeigt der heute veröffentlichte globale Bericht zur Todesstrafe 2019 von Amnesty International.

  • Niedrigste Anzahl dokumentierter Hinrichtungen seit zehn Jahren: Amnesty dokumentiert 657 Hinrichtungen in 20 Ländern - die Zahl der Hinrichtungen weltweit sank um fünf Prozent
  • Entgegen dem globalen Trend nahm die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien, Irak, Südsudan und Jemen stark zu
  • Nach China an zweiter Stelle: 251 Menschen im Iran hingerichtet – darunter vier Minderjährige
  • Mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern

Die saudischen Behörden haben im vergangenen Jahr 184 Menschen hinrichten lassen – das ist die höchste Zahl innerhalb eines Jahres, die Amnesty International je für Saudi-Arabien dokumentiert hat. Damit stellt sich Saudi-Arabien, wie auch der Irak, der Jemen und Südsudan, dem globalen Trend entgegen, denn weltweit nahm die Zahl der Hinrichtungen im vierten Jahr in Folge ab, von mindestens 690 im Jahr 2018 auf mindestens 657 im Jahr 2019 – die niedrigste Zahl seit zehn Jahren.

 

Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtungen 2019 waren China (Tausende), Iran (mindestens 251), Saudi-Arabien (184), Irak (mindestens 100) und Ägypten (mindestens 32). Amnesty registrierte im Laufe des Jahres 2019 mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern, im Vergleich zu 2.531 in 54 Ländern in 2018 (China jeweils ausgenommen).

Die Todesstrafe ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar und gehört endlich weltweit abgeschafft.

Markus N. BeekoGeneralsekretär von Amnesty International in Deutschland

Im Ländervergleich von Amnesty bleibt China unberücksichtigt, da die Zahl der Hinrichtungen, die Amnesty auf Tausende schätzt, dort nach wie vor als Staatsgeheimnis behandelt wird. Auch weitere Staaten mit einer hohen Zahl von Hinrichtungen, darunter Iran, Nordkorea und Vietnam, hielten 2019 das wahre Ausmaß der vollstreckten Todesurteile weiterhin geheim.

 

"Die Todesstrafe ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar und gehört endlich weltweit abgeschafft. Die überwiegende Mehrheit der Staaten erkennt dies an und wir müssen die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die kleine Gruppe von Staaten lenken, die Jahr für Jahr Menschen hinrichten", mahnt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. "Amnesty International beobachtet mit Sorge, dass trotz der weltweit geringeren Zahl von dokumentierten Hinrichtungen, einige Länder 2019 mehr Menschen hingerichtet haben: So wurde in Saudi-Arabien die Todesstrafe auch gezielt als Waffe gegen Oppositionelle eingesetzt und wir mussten im Irak im letzten Jahr eine sprunghafte Zunahme der Hinrichtungen beobachten" so Beeko.

Großteil der dokumentierten Hinrichtungen in der Region Naher Osten und Nordafrika

Nur 20 Länder waren 2019 für alle bekannten Hinrichtungen weltweit verantwortlich. China ausgenommen, fanden 88 Prozent aller Exekutionen in der Region Naher Osten und Nordafrika statt. 2019 wurden in Saudi-Arabien an 184 Menschen – sechs Frauen und 178 Männer – das Todesurteil vollstreckt, mehr als die Hälfte davon waren ausländische Staatsangehörige. 2018 lag die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien bei 149.

Die meisten Todesurteile in Saudi-Arabien ergingen wegen Drogendelikten und Mordes. Amnesty International musste jedoch auch den Einsatz der Todesstrafe als politische Waffe gegen Dissidenten aus der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien dokumentieren: Am 23. April 2019 fand eine Massenhinrichtung von 37 Personen statt, unter denen sich 32 schiitische Männer befanden. Sie waren auf der Grundlage von "Geständnissen" verurteilt worden, die sie unter Folter ablegten.

 

Zu den Personen, die am 23. April exekutiert wurden, gehörte auch Hussein al-Mossalem. Er war während der Einzelhaft Schlägen mit einem elektrischen Stock und anderen Formen der Folter ausgesetzt und erlitt zahlreiche Verletzungen, darunter eine gebrochene Nase, ein gebrochenes Schlüsselbein und einen Beinbruch.

Im Iran wurden im Jahr 2019 mindestens 251 Menschen hingerichtet, während es im Vorjahr mindestens 253 waren. Vier der Hingerichteten waren zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig. Mangelnde Transparenz erschwert zudem die Feststellung der genauen Anzahl von Hinrichtungen, die möglicherweise viel höher liegt.

 

In einem Fall haben die iranischen Behörden am 25. April 2019 zwei Jungen, Mehdi Sohrabifar und Amin Sedaghat, heimlich im Gefängnis von Adelabad in Shiraz in der Provinz Fars hingerichtet. Sie waren bei ihrer Festnahme beide 15 Jahre alt und wurden nach einem unfairen Verfahren wegen des mehrfachen Vorwurfs der Vergewaltigung verurteilt. Sie waren bis unmittelbar vor ihrer Hinrichtung nicht informiert worden, dass sie zum Tode verurteilt worden waren. Ihre Körper wiesen zudem Spuren von Peitschenhieben auf.

Im Irak hat sich die Zahl der hingerichteten Personen fast verdoppelt, von mindestens 52 im Jahr 2018 auf mindestens 100 im Jahr 2019. Diese dramatische Entwicklung ist weitgehend auf die fortgesetzte Anwendung der Todesstrafe gegen Personen zurückzuführen, die beschuldigt werden, dem "Islamischen Staat" anzugehören.

Positive Entwicklung zur Abschaffung der Todesstrafe

Weltweit haben 106 Länder die Todesstrafe per Gesetz für alle Straftaten abgeschafft. 142 Länder haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

Außerdem haben mehrere Länder positive Schritte zur Beendigung der Anwendung der Todesstrafe eingeleitet. So kündigte der Präsident von Äquatorialguinea im April 2019 an, dass seine Regierung ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe erlassen werde. Positive Entwicklungen, die zur Überwindung der Todesstrafe führen könnten, gab es auch in der Zentralafrikanischen Republik, in Kenia, Gambia und Simbabwe.

 

In den Vereinigten Staaten hat der Gouverneur von Kalifornien ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen eingeführt. Kalifornien ist der US-Bundesstaat mit der größten Zahl zum Tode verurteilter Häftlinge. Gleichzeitig wurde New Hampshire der 21. US-Bundesstaat, der die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft hat.

"Amnesty International fordert die verbleibenden Staaten auf, die Todesstrafe ohne "wenn und aber" abzuschaffen. Es braucht weiter den entschlossenen Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf diese letzten Staaten, die weiterhin an dieser grausamen unmenschlichen Praxis festhalten", so Markus N. Beeko.    

BLASPHEMIE

Am 10. März hat der High Court Lahore (Oberstes Gericht) eine Petition der Staatsanwaltschaft zum Supreme Court (Höchste Gericht) zugelassen mit dem Antrag, die lebenslange Freiheitsstrafe von Sajjad Masih Gill in die Todesstrafe umzuwandeln. Wann der Supreme Court darüber entscheiden wird, ist nicht bekannt. Gill war bereits 2013 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er SMS mit abwertenden Äußerungen über den Propheten Mohammed versandt haben soll (Tatbestand der Blasphemie).

Auf Blasphemie folgt in Pakistan die Todesstrafe
Weltweit berichten Medien über diesen Antrag. Auf Betreiben der Staatsanwaltschaft hat das Gericht nun den Antrag zu behandeln, die lebenslängliche Freiheitsstrafe in die Todesstrafe umzuwandeln, weil nur das eine angemessene Antwort auf die Lästerung des Propheten sei. Pakistan ist bekannt für seine strikte Blasphemiegesetzgebung. Der jetzige Fall steht in einer traurigen Reihe mit einer Vielzahl vergleichbarer Schicksale. In der Regel sind Angehörige religiöser Minderheiten betroffen – häufig Christen - , denen auf Grundlage von haltlosen Bezichtigungen der Prozess gemacht wird.
 

Weltweites Aufsehen hatte der Fall Asia Bibi erregt, die als erste Frau in eine solche Lage geraten war und erst nach vielen Jahren Haft letztlich in Freiheit kam. Es bleibt zu hoffen, dass auch für Sajjad Masih Gill noch etwas erreicht werden kann. Aber wieviel Lebenszeit wird ihm dann zerstört worden sein?
 

Internationale Kritik an Pakistans Vorgehen
Pakistan ist international stark für seine Gesetze gegen Gotteslästerung kritisiert worden. So hat sich das Europäische Parlament in einer Entschließung vom 27.11.2014 deutlich dazu positioniert. Leider ist es aufgrund der fragilen Mehrheitsverhältnisse in Pakistan und des Einflusses religiöser Extremisten bislang nicht möglich gewesen, an der unerträglichen Gesetzessituation etwas zu verändern. Selbst pakistanische Juristen und Politiker, die sich zugunsten von Betroffenen ausgesprochen haben, sind Opfer von Mordanschlägen geworden.
 

Aufruf zum Gebet für die Betroffenen
Der Jurist Dr. Harald Mueller, Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, hält es angesichts dieser Lage für wichtig, dass die Betroffenen nicht in Vergessenheit geraten. So könne jeder Einzelne für Mr. Gill, seine Rechtsanwälte, seine Familie und seine Kirche beten.  „Der Fall Sajjad Masih Gill zeigt, welches Unheil angerichtet werden kann, wenn Gesetze dazu dienen, eine Religion als solche zu schützen und nicht die Menschen, die – auch wenn sie einer Minderheit angehören – ihren Glauben ausleben und bekennen möchten.“
 

Institut für Religionsfreiheit in Friedensau
Seit den 1990er Jahren gibt es an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg ein Institut für Religionsfreiheit. Dessen gegenwärtiger Leiter, der Jurist Dr. Harald Mueller, forderte zuletzt Wachsamkeit bei den Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte in der Corona-Pandemie. Sie müssten die Ausnahme bleiben.

USA

Brandon Bernard (40), adventistischer Insasse im Todestrakt des US-Gefängnisses in Terre Haute, Indiana, wurde am Abend des 10. Dezember hingerichtet, wie der unabhängige journalistische Dienst „Adventist Today (AT)“ berichtete. Der Oberste Gerichtshof der USA lehnte diverse Gnadengesuche in letzter Minute ab.

 

Bernard wurde als 18-jähriger Teenager im Zusammenhang mit einem brutalen Doppelmord und Raubüberfall, die 1999 in Texas/USA begangen wurden, verurteilt. Christopher Vialva, Komplize bei der Tat, hatte dem überfallenen Ehepaar in den Kopf geschossen und wurde bereits in diesem Jahr durch eine tödliche Injektion hingerichtet. Brandon Bernards Hinrichtung war die erste von fünf bundesstaatlichen Hinrichtungen, die in den nächsten Wochen stattfinden sollen.

Adventistische Kirchenleitung in Nordamerika rief Mitglieder zum Gebet auf
Am 8. Dezember veröffentlichte die adventistische Kirchenleitung für Nordamerika (Nordamerikanische Division/NAD), zwei Tage vor Bernards Hinrichtung, einen Aufruf, in dem die Kirchenmitglieder gebeten wurden, für Bernard und diejenigen, die über sein Schicksal entscheiden, für die Familien der Opfer sowie seine Familie zu beten: „Bernard wurde für ein brutales Verbrechen verurteilt, das er 1999 begangen hat, aber jetzt bitten Leute, die in seine Verurteilung involviert waren, einschließlich einer der Staatsanwälte, - die dafür gekämpft hatten, Bernards Verurteilung und Strafe im Berufungsverfahren aufrechtzuerhalten -, um Gnade, damit sein Urteil von der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wird“, so die Erklärung der NAD.

 

Einleitend schrieb die nordamerikanische Kirchenleitung: „Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist eine vielschichtige Familie, die aus vielen verschiedenen Menschen besteht - die alle“ nicht dem entsprechen würden, was Gott gewollt habe, aber die Möglichkeit hätten, „Gnade durch seine erlösende Liebe zu empfangen. Wie die meisten Familien stehen wir manchmal vor unruhigen Zeiten. Eines unserer Mitglieder steht jetzt vor einer solch großen Herausforderung. Brandon Bernard ist ein Gefangener im Todestrakt, dem am Donnerstag, den 10. Dezember um 12:01 Uhr ET die Hinrichtung bevorsteht.“

Die Rolle von Präsident Trump
Laut den Ausführungen von Pastor Dwight Nelson, Seniorpastor der Pioneer Memorial Church an der Andrews University, Berrien Springs, Michigan/USA, wäre Präsident Trump bereit gewesen, das Todesurteil von Brandon Bernard in lebenslange Haft umzuwandeln, wenn eine der beiden Opferfamilien ihn gebeten hätte, Bernard am Leben zu lassen.

HEUSCHRECKENPLAGEN

In Ostafrika findet aktuell die schlimmste Heuschreckenplage seit Jahrzehnten statt. Milliarden von Insekten zerstören die Ernten in Äthiopien, Somalia und Kenia. Die Schwärme haben zwischenzeitlich Uganda erreicht und ziehen weiter in Richtung Südsudan. Milliarden von Euro werden für die Luftbekämpfung der Schwärme mit Insektiziden ausgegeben, aber es gibt derzeit keine sichere Methode, um vorherzusagen, wie und wann sich die Schwärme bilden, wohin sie sich bewegen und warum sie sich schließlich wieder auflösen. Ein Forschungsteam der Universität Konstanz unter Leitung der Neurobiologin Dr. Einat Couzin-Fuchs, Konstanzer Exzellenzcluster Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour, reist nun ins Kerngebiet der Heuschreckenplage, um vor Ort die kollektiven Verhaltensweisen der Schwärme und ihre Entscheidungsprozesse in freier Wildbahn zu erforschen. Ziel der Forschungsexpedition sind grundlegende Erkenntnisse zu den Mechanismen, wie sich große Schwärme bilden und welche Faktoren ihre Gruppendynamik beeinflussen.

WELTHUNGERHILFE

Die Heuschreckenplage am Horn von Afrika nimmt erneut Fahrt auf, da eine neue Generation von Schädlingen brütet und schlüpft. In Ländern wie Äthiopien, Somalia und Kenia ist die nächste Ernte bedroht. So geraten nach jahrelangen Krisen bereits verarmte und geschwächte Familien immer tiefer in eine Abwärtsspirale durch Hunger und Armut.

 

Laut der UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation (FAO) bedroht die nächste Generation von Heuschrecken die Existenzgrundlage von über 39 Millionen Menschen in Äthiopien, Jemen, Somalia, Sudan und Kenia. In den vergangenen Monaten wurden die Schädlinge am Horn von Afrika auf 1,3 Millionen Hektar Land bereits bekämpft. Doch allein in Nord- und Zentralkenia sind bereits über 15 Bezirke massiv von der zweiten Heuschreckenwelle betroffen, darunter auch viele neue Gebiete. Bereits vorher war die Ernährungslage von rund 1,9 Millionen Menschen prekär, jetzt könnte sie sich nochmals dramatisch verschlechtern.

 

„Glücklicherweise kommen inzwischen weniger Heuschrecken bei uns an. Dennoch rechnen wir mit dem Schlimmsten, wenn die Brut im März und April schlüpft“, erklärt Kelvin Shingles, Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kenia. Vor allem Viehhalter sind in ihrer Existenz bedroht. Nach jahrelangen Dürren, Überschwemmungen und nun der zweiten Heuschreckenplage fehlt ihnen das Futter für ihr Vieh und so auch das überlebensnotwendige Einkommen durch Milch- und Fleischverkauf. Auf diese Weise verschärfen sich Konflikte um Wasser und Land.

 

„Wir lassen diese Menschen nicht im Stich und bieten ihnen Unterstützung in der Krise an. Dafür sind wir auch auf Spenden angewiesen“, so Shingles. In Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen unterstützt die Welthungerhilfe in Kenia Gemeinden, die von der Heuschreckenplage besonders betroffen sind: Sie erhalten Bargeld, neues Saatgut, landwirtschaftliche Beratung und Trainings, um selbst durch den Einsatz umweltverträglicher Methoden die weitere Vermehrung der Heuschrecken besser zu kontrollieren.

 

Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland; politisch und konfessionell unabhängig. Sie kämpft für „Zero Hunger bis 2030“. Seit ihrer Gründung wurden mehr als 9.830 Auslandsprojekte in 70 Ländern mit 3,95 Milliarden Euro gefördert. Die Welthungerhilfe arbeitet nach dem Grundprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe: von der schnellen Katastrophenhilfe über den Wiederaufbau bis zu langfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnerorganisationen. 

STROMNETZ DER ZUKUNFT

Das Energiewendeprojekt ENSURE (Neue EnergieNetzStruktURen für die Energiewende), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist – unter anderem im Kreis Steinburg – in seine heiße Phase eingetreten. „Wir gehen mit diesem Forschungsprojekt die Hauptherausforderung der Erneuerbaren Energien an: die schwankende Einspeisung und noch direktere Nutzung aus Wind und Sonne. Bei einem erfolgreichen Test sollen die Pilotanlagen Schleswig-Holstein-weit und später deutschlandweit zum Einsatz kommen können“, erläutert Jan Hansen, Leiter Operative Netzsteuerung und Prozessdatentechnik bei Schleswig-Holstein Netz und ergänzt: „Im besten Fall können wir mit den Innovationen, die in unserem Netz getestet werden, das Abregeln der EEG-Anlagen in Zukunft weitestgehend verhindern, da das Netz deutlich flexibler wird. Ein entscheidender Schritt für das Gelingen der Energiewende."

Ziel des Projekts ist es, Technologien für das Stromnetz der Zukunft sowie ihr Zusammenspiel zu testen und zu simulieren. Dabei steht im Mittelpunkt, die Flexibilität der Netzstrukturen zu erhöhen, um die Einspeisung Erneuerbarer Energien zu erleichtern. „Ziel aller Pilottests ist es, ausgewählte innovative Lösungen zu erproben oder zu simulieren, die bislang kaum oder gar nicht zum Einsatz kamen – um mehr grünen Strom aufzunehmen und die Netze effektiver nutzen zu können“, erläutert Dr. Malte Posewang, ENSURE-Projektleiter bei Schleswig-Holstein Netz.

Die 21 ENSURE-Projektpartner untersuchen aktuell fünf Pilotanlagen – für drei davon besteht die Möglichkeit, diese direkt im Kreis Steinburg zu installieren, eventuell ergänzt durch ein Pilotprojekt im Netzgebiet der Stadtwerke Kiel. Derzeit wird geprüft, an welchen Standorten die Pilottests durchgeführt werden könnten oder ob sie alternativ digital simuliert werden. Für die nun laufende Phase steht dem Konsortium aus Netzbetreibern, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein Forschungsbudget in Höhe von 30 Millionen Euro zur Verfügung. 

Die Pilotanlagen im Überblick

Erstmalig soll an verschiedenen Knotenpunkten im Stromnetz der sogenannte Adaptivschutz installiert werden. Solche Systeme schalten normalerweise bei einer Störung den Strom automatisch in Sekundenbruchteilen ab. Die neuen Systeme können – anders als ihre Vorgänger – flexibler auf die schwankende Einspeisung Erneuerbarer Energien reagieren. „Vergleichbar mit dem Elektronischen Stabilitäts-Programm beim Auto wird das Stromnetz dadurch flexibler, sodass es mehr grünen Strom aufnehmen kann“, so Jan Hansen.

Als zweite Pilotanlage ist ein sogenannter Solid-State-Transformer geplant, mit dem mehr grün erzeugter Strom zum Verbraucher kommt. Die neue Technik: EEG-Anlagen produzieren Gleichstrom, das Stromnetz funktioniert mit Wechselstrom, während Elektroautos wiederum Gleichstrom benötigen. Der Solid-State-Transformer verfügt daher über einen integrierten Umrichter, sodass entsprechende Anlagen oder Elektro-Autos mit weniger Netzverlusten direkt an das Netz angeschlossen werden können. „Wir bringen die Sonne so direkt und ohne Umwege in den Tank der E-Autos“, erläutert Dr. Malte Posewang.

Um den grünen Strom effizienter zum Verbraucher zu bringen, wird als dritte Pilotanlage die MVDC-Kurzkupplung (MVDC = Mittelspannungsgleichstrom) erforscht und simuliert. Malte Posewang: „Mit dieser Technik möchten wir erforschen, wie Überschüsse aus Grünstrom leichter zwischen einzelnen Teilnetzen ausgeglichen werden können. Der Strom kann damit noch effizienter von der Erzeugungsregion zum Verbraucher gebracht werden.“ Die Teilnetze könnten dennoch weiter unabhängig betrieben werden, so dass das bewährte Betriebskonzept erhalten bleibt.

Im Energiekosmos ENSURE werden darüber hinaus Vermaschungskonzepte untersucht, um die Transportkapazität durch dynamische Änderung der Netzstruktur zu erhöhen. Dies wird mitunter notwendig, wenn sehr viele EEG-Anlagen in das Netz einspeisen oder beispielsweise sehr viele Elektro-Autos zur gleichen Zeit geladen werden. So können die Investitionskosten in das Netz gesenkt werden, da größtenteils die bereits bestehende Infrastruktur genutzt wird.

Als Knotenpunkt im Energieversorgungsnetz sind Umspannwerke im Rahmen der Energiewende besonders gefragt. Im Pilotprojekt Digitales Umspannwerk untersucht der Energiekosmos ENSURE, wie moderne Kommunikationstechnik die Umspannwerke schlauer und flexibler im Umgang mit Erneuerbaren Energien und das Stromnetz somit flexibler machen kann.

Über ENSURE

Das Projekt ENSURE ist Teil der Kopernikus-Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Es entwickelt zentrale Bausteine für das Stromnetz der Zukunft. Zudem entwirft und testet ENSURE ein Gesamtkonzept für Stromnetze als Rückgrat der Energieversorgung. Die Konzepte aus ENSURE sollen auf ganz Deutschland übertragbar sein. Dazu analysiert ENSURE zunächst, welche Anforderungen Netze bis 2050 erfüllen müssen. Anschließend werden Lösungen entwickelt, mit denen sich diese Anforderungen erfüllen lassen.

Im Projekt arbeiten 21 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen: Schleswig-Holstein Netz AG, TenneT TSO GmbH, SW Kiel Netz GmbH, Hitachi ABB Power Grids Ltd , Siemens AG, Maschinenfabrik Reinhausen GmbH, Deutsche Umwelthilfe e. V., Germanwatch e.V., RWTH Aachen University, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Bergische Universität Wuppertal, Technische Universität Dortmund, Technische Universität Ilmenau, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Fachhochschule Westküste, Öko-Institut e.V., FGH e.V., EWI an der Uni zu Köln gGmbH, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, DVGW, OFFIS e.V..

https://kopernikus-projekte.de/ensure

https://energiekosmos-ensure.de

Über die Kopernikus-Projekte

Die Kopernikus-Projekte bilden eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zum Thema Energiewende. Ihr Ziel ist es, eine saubere, sichere und bezahlbare Stromversorgung zu ermöglichen. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickeln sie ganzheitliche Lösungen zum Erreichen der Klimaziele: In allen Projekten arbeiten Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Über zehn Jahre erarbeiten sie klimafreundliche Lösungen bis zur Anwendbarkeit im industriellen Maßstab.

Die Schleswig-Holstein Netz AG im Kurzprofil

Die Schleswig-Holstein Netz AG (SH Netz) betreibt für rund 2,8 Millionen direkt oder indirekt angeschlossene Kunden Strom- und Gasleitungen in mehr als 900 Kommunen in Schleswig-Holstein. Über 400 schleswig-holsteinische Kommunen halten Anteile an SH Netz. Sie haben umfangreiche Mitspracherechte und erhalten eine Garantiedividende. Das Unternehmen beschäftigt ca. 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vielen Standorten in Schleswig-Holstein.

SH Netz hat als Partner der Energiewende bereits zehntausende Windräder und Solaranlagen an das Stromnetz angeschlossen. Darüber hinaus entwickelt das Unternehmen Energielösungen, wie Smart-City-Anwendungen und unterstützt den Ausbau der Elektromobilität. SH Netz engagiert sich in Innovationsprojekten für mehr Klimaschutz. Dazu gehören beispielsweise Einspeiseanlagen, mit denen Biogas- oder aus Windstrom produzierter Wasserstoff ins Erdgasnetz aufgenommen werden kann, oder staatlich geförderte Forschungsprojekte.

Bis 2030 wird SH Netz klimaneutral sein: Dazu wird sie ihre 25 Standorte, über 600 Fahrzeuge sowie den Strom- und Gasnetzbetrieb in mehreren Stufen bis 2030 auf Klimaneutralität umstellen. Außerdem unterstützt das Unternehmen seit vielen Jahren den regionalen Spitzen- und Breitensport in Schleswig-Holstein, zum Beispiel das härteste Ruderrennen der Welt auf dem Nord-Ostsee-Kanal.

Die SWKiel Netz GmbH, die Netzgesellschaft der Stadtwerke Kiel AG, im Kurzprofil

Die SWKiel Netz GmbH ist zuständig für die sichere und zuverlässige Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme in Kiel und den angrenzenden Gemeinden. Als 100%ige Tochtergesellschaft der Stadtwerke Kiel AG übernimmt die SWKiel Netz GmbH den Betrieb, Planung, Bau und Instandhaltung der Verteilungsnetze und -anlagen aller Energiesparten und sorgt somit für die bewährte netztechnische Verfügbarkeit.

Hierfür nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SWKiel Netz GmbH netzwirtschaftliche und regulatorische Aufgaben sowie das Konzessionsmanagement wahr und sind somit Ansprechpartner für Strom- und Gaslieferanten, Behörden und Kommunen. Darüber hinaus gewährleistet die Gesellschaft eine 24/7-Erreichbarkeit der Netzleitstellen und die umgehende Störungsbeseiti-gung im Falle einer Versorgungsunterbrechung.

Dank der langjährigen Erfahrung und Kompetenz wird die SWKiel Netz GmbH die hohe Versorgungs-sicherheit auch zukünftig erhalten und weiter ausbauen.

TenneT TSO GmbH im Kurzprofil

TenneT ist ein führender europäischer Netzbetreiber. Wir setzen uns für eine sichere und zuverlässige Stromversorgung ein – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Wir gestalten die Energiewende mit – für eine nachhaltige, zuverlässige und bezahlbare Energiezukunft. Als erster grenzüberschreitender Übertragungsnetzbetreiber planen, bauen und betreiben wir ein fast 24.000 km langes Hoch- und Höchstspannungsnetz in den Niederlanden und großen Teilen Deutschlands und ermöglichen mit unseren 16 Interkonnektoren zu Nachbarländern den europäischen Energiemarkt. Mit einem Umsatz von 4,5 Mrd. Euro und einer Bilanzsumme von 27 Mrd. Euro sind wir einer der größten Investoren in nationale und internationale Stromnetze, an Land und auf

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Poettschke
Bildmaterialien: FreePicturesPub
Cover: Bookrix
Lektorat: Doemges
Korrektorat: Meyer
Übersetzung: Poettschke
Satz: Doemges
Tag der Veröffentlichung: 18.06.2021
ISBN: 978-3-7487-8594-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
DER AUTOR: Sagenhaft - Tork Poettschke alias Christopher Doemges wurde anno 1980 in der westeuropäischen Westfalenmetropoly Dortmund geboren. Nach Besuch des Gymnasiums leben und arbeiten am imprägnierten Borsigplatz, Dortmund-Nord, jener unter Denkmalschutz stehenden 'Wiege des BVB 09', IM SPÄHENFELDE 21, als freier Publizist und Künstler. Studium der Tier-Naturheilkunde. 10jährige Tätigkeit als Brotjob in Callcentern in Köln, Essen und Dortmund. Reisen führten Uns-Tork-Poettschke durch Asien, Afrika und Europa. Poettschke will Spuren hinterlassen, wofür Vorliegendes nicht abträglich sein kann. Was bleibt? Die Kinder! Seine beiden halbafrikanischen Söhne, Joseph und Daniel, liegen Tork Poettschke aka Christopher Doemges am Herzen - der Mann im Dunkel. (www.doemgespress.webnode.com).

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