(Foto: Doemges)
Paris, ein versteckts Zelt auf einem Friedhof im Jahr des Herrn 2021. Hier wohnt der Clochard Chester, welcher hochgebildet, indes auch den fleischlichen Genüssen nicht abgeneigt. Regelmäßig empfängt er seine 20 Jahre jüngere Geliebte Mariam, welche ebenfalls 'homeless', und fickt sie bis zur Besinnungslosigkeit. Rein und raus - so richtig durch. Atemlos liegen sie hernach in Chesters geräumigem Zehn-Mann-Zelt und der Chester beginnt zu fantasieren. Irgendwelche sinnlosen Fantastereien. "Soll ich dir ein Poem rezitieren, welches ich letzte Nacht schrieb?", fragt er schließlich zerstreut Mariam, und jene willigt, freudestrahlend und splitternackt, wie sie beide sind, ein. Also dann, beginnt der Chester mit sonorer Stimme, seine Verse aufzusagen:
"WOHNUNGSLOS
HOFFNUNGSLOS
ARBEITSLOS
EIN HELD INDES
TROTZ ALLEM
DEM ALKOHOL
NICHT ABGENEIGT
ALKOHOL
IST DEIN
LEBENSRETTER
RETTUNGSANKER
WEISS DER GEIER ..."
"Toll", schlingt Mariam die Arme um ihren Chester. "Wo du das nur alles herholst. Sie bittet ihn, ihr noch aus POETTSCHKES POST zu lesen, jener legendären Online-Bibel - und der Chester kommt dem Wunsch gerne nach, ebenfalls mit sonorer stimme. Mariam hält seinen großen Schwanz derweil:
(Foto: Pixabay)
Für den 16. November, soll nach dem Willen der Bundesregierung nach mehr-monatiger Pause erneut ein Sammelabschiebungsflug nach Kabul starten –mitten in der zweiten Coronawelle in Deutschland und auch in Afghanistan. Seit dem 11. März 2020 waren in Folge der Corona-Pandemie Abschiebungen auf Bitten der afghanischen Regierung ausgesetzt. Nun droht die Wiederaufnahme. PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern, dass die Abschiebungspläne so-fort gestoppt werden. „Bund und Länder müssen aufhören, die afghanische Regierung unter Druck zu setzen“, so Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW.Angesichts der grassierenden Corona-Pandemie halten PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte Ab-schiebungen nach Afghanistan für unverantwortlich.
„Mitten in der Pandemie Abschiebungen in ein Kriegsgebiet vorzubereiten ist lebensgefährlich und unverantwortlich“, meint Birgit Naujoks. Bei je-der Abschiebung ist mit einer Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen und der Weiterverbreitung des Virus zu rechnen.Das afghanische Gesundheitsministerium bestätigt derzeit wieder einen Anstieg der Covid-19-Fälle im Land. Expertinnen gehen davon aus, dass eine zweite Welle bevorsteht oder bereits begonnen hat, wie auch das BAMFam 02. November berichtete. Wie hoch die Infektionszahlen wirklich sind, lässt sich mangels flächendeckender Tests und chaotischer Lage im Land kaum feststellen. Schätzun-gen des afghanischen Gesundheitsministeriums zufolgekönnte inzwischen bis zu ein Drittel der Be-völkerung infiziert sein. Die Sicherheitslage im Land ist derweil ungebrochen desaströs.
Das Institute for Economics & Peace hat Afghanistan in seinem Global Peace Index 2020das zweite Jahr in Folge als das gefährlichste Land der Welt eingestuft. Weltweit sterbendemnach dort die meisten Menschen in Folge kriegerischer Auseinandersetzungen. Ende Oktober berichtete der US-Sondergeneralinspektor für den Wiederaufbau Afghanistans, dass die Zahl der Angriffe von Aufständischen zwischen Juli und September 2020 im Vergleich zum Quartal davor um 50 Prozent gestiegen ist. Die Zahl ziviler Opfer stieg in diesem Zeitraum um 43 Prozent, 876 Menschen wurden getötet und 1.685 verletzt. Der US-Beauftragte berief sich dabei auf Zahlen der NATO-geführten Resolute Support Mission und der US-Streitkräfte am Hindukusch.Erst Anfang November kamen bei einem schweren Anschlag der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) auf die Universität in Kabul mindestens 35 Menschen ums Leben, 22 wurden verletzt. Zuvor griff der IS eine Schule in Kabul an, mehr als 20 Schüler*innen starben. Die ohnehin schon desaströse wirtschaftliche Situation in Afghanistan verschärft sich durch die Co-vid-19-Pandemie drastisch: höhere Lebensmittelkosten, erschwerter Zugang zu Arbeit und Wohn-raum, steigende Rückkehrerinnenzahlen, insbesondere aus dem vom Corona-Virus schwer betroffe-nen Iran, mit denen Afghanistan kaum fertig wird. Selbst das Auswärtige Amt bestätigt diese Entwick-lung in seinem aktuellen Asyllageberichtzu Afghanistan. Hierzulande haben inzwischen etliche Verwaltungsgerichte in Urteilen bestätigt, dass sich die Lage in Afghanistan aufgrund der Pandemie derart verschlechtert hat, dass auch alleinstehenden jungen Männern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu erteilen ist (vgl. VG Kassel, VG Karls-ruhe, VG Arnsberg, VG Hannover, VG Sigmaringen, Urteil vom 24.06.2020, A 6 K 4893/17, VG Wies-baden). Die Regierung Afghanistans steht jedoch unter Druck, Abgeschobene auch in der noch so unzumutba-ren Lage zurückzunehmen.
Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttigvermutet, dass die Zustimmung Afghanistans zur Wiederaufnahme von Sammelabschiebungen darauf zurückzuführen ist, dass am 23./24. November eine Geberkonferenz stattfinden wird, bei der konkrete Geldzusagen für Afghanis-tans Entwicklungsfinanzierung für den Zeitraum 2021-2024 verhandelt werden. Schon in der Vergan-genheit habe es Anzeichen dafür gegeben, dass von den GeberländernDruck auf die afghanische Re-gierung ausgeübt wurde, Sammelabschiebungen zuzustimmen. Dies drohe sich nun zu wiederholen.
BGH-URTEIL
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland die Veröffentlichung militärischer Lageberichte über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr durch die Presse nicht unter Berufung auf das Urheberrecht untersagen kann.
SACHVERHALT
Die Klägerin ist die Bundesrepublik Deutschland, die im vorliegenden Verfahren durch das Bundesministerium der Verteidigung vertreten wird. Dieses lässt wöchentlich einen militärischen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und Entwicklungen im Einsatzgebiet erstellen. Die Berichte werden unter der Bezeichnung "Unterrichtung des Parlaments" (UdP) an ausgewählte Abgeordnete des deutschen Bundestages, Referate im Bundesministerium der Verteidigung und anderen Bundesministerien, sowie dem Bundesministerium der Verteidigung nachgeordneten Dienststellen versendet. Sie sind als Verschlusssache "VS - Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. Daneben veröffentlicht die Klägerin gekürzte Fassungen der UdP als "Unterrichtung der Öffentlichkeit" (UdÖ).
Die Beklagte betreibt das Onlineportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie beantragte im Jahr 2012 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Einsichtnahme in sämtliche UdP aus der Zeit zwischen dem 1. September 2001 und dem 26. September 2012. Nach Ablehnung dieses Antrags gelangte die Beklagte auf unbekanntem Weg an einen Großteil der Berichte und veröffentlichte diese unter der Bezeichnung "Afghanistan-Papiere" im Internet. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil die Veröffentlichung ihr Urheberrecht an den Berichten verletze.
PROZESSVERLAUF
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (I ZR 139/15, GRUR 2017, 901 - Afghanistan Papiere I; dazu Pressemitteilung Nr. 87/17 vom 1. Juni 2017). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese Fragen durch Urteil vom 29. Juli 2019 (C-469/17, GRUR 2019, 934 - Funke Medien) entschieden. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin das Revisionsverfahren fortgesetzt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es kann offenbleiben, ob die UdP urheberrechtlich als Schriftwerke geschützt sind. Die Beklagte hat durch die Veröffentlichung der UdP jedenfalls ein daran bestehendes Urheberrecht nicht widerrechtlich verletzt. Zu ihren Gunsten greift vielmehr die Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) ein.
Eine Berichterstattung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor. Das Berufungsgericht hat bei seiner abweichenden Annahme, es habe keine journalistische Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten der jeweiligen UdP stattgefunden, nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte die UdP nicht nur auf ihrer Website veröffentlicht, sondern sie auch mit einem Einleitungstext, weiterführenden Links und einer Einladung zur interaktiven Partizipation versehen und in systematisierter Form präsentiert hat.
Die Berichterstattung hat auch ein Tagesereignis zum Gegenstand. Sie betrifft die Frage, ob die jahrelange und andauernde öffentliche Darstellung des auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Texte auf der Internetseite der Beklagten noch stattfindenden und damit aktuellen, im Auftrag des deutschen Bundestages erfolgenden Einsatzes der deutschen Soldaten in Afghanistan als Friedensmission zutrifft oder ob in diesem Einsatz entgegen der öffentlichen Darstellung eine Beteiligung an einem Krieg zu sehen ist.
Die Berichterstattung hat zudem nicht den durch den Zweck gebotenen Umfang überschritten. Nach der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG, deren Umsetzung § 50 UrhG dient und die bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten ist, darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, wenn die Berichterstattung über Tagesereignisse verhältnismäßig ist, das heißt mit Blick auf den Zweck der Schutzschranke, der Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit, den Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung unionsrechtlich bestimmten innerstaatlichen Rechts die Grundrechte des Grundgesetzes oder die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union maßgeblich sind, grundsätzlich darauf an, ob dieses Recht unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht ist (dann sind in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich) oder ob dieses Recht unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist (dann gilt primär der Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes).
Im letztgenannten Fall greift die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13, GRUR 2020, 74 Rn. 71 - Recht auf Vergessen I). Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass er keine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung der Reichweite der in ihm aufgeführten Ausnahmen oder Beschränkungen darstellt, ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anwendung des § 50 UrhG danach anhand des Maßstabs der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes vorzunehmen.
Im Blick auf die Interessen der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten ausschließlichen Verwertungsrechte zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Zugänglichmachung der UdP allenfalls unwesentlich betroffen sind, weil die UdP nicht wirtschaftlich verwertbar sind. Das vom Urheberpersönlichkeitsrecht geschützte Interesse an einer Geheimhaltung des Inhalts des Werks erlangt im Rahmen der im Streitfall vorzunehmenden Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt nicht das Interesse an der Geheimhaltung von Umständen, deren Offenlegung Nachteile für die staatlichen Interessen der Klägerin haben könnte. Dieses Interesse ist durch andere Vorschriften etwa das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, § 3 Nr. 1 Buchst. b IFG oder die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit gemäß § 93 ff. StGB - geschützt.
Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt allein das urheberrechtsspezifische Interesse des Urhebers, darüber zu bestimmen, ob er mit der erstmaligen Veröffentlichung seines Werkes den Schritt von der Privatsphäre in die Öffentlichkeit tut und sich und sein Werk damit der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aussetzt. Dieses Geheimhaltungsinteresse kann nach den Umständen des Streitfalls das durch die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützte Veröffentlichungsinteresse nicht überwiegen.
Dem Interesse an einer Veröffentlichung der hier in Rede stehenden Informationen kommt im Blick auf die politische Auseinandersetzung über die Beteiligung deutscher Soldaten an einem Auslandseinsatz und das damit berührte besonders erhebliche allgemeine Interesse an der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle von staatlichen Entscheidungen in diesem Bereich größeres Gewicht zu.
2016
Nach Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zwischen Deutschland und Afghanistan über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration am 2. Oktober 2016 ist heute, am 15. Dezember 2016, um 06:30 Uhr der erste Rückführungsflug mit 34 ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen an Bord sicher und planmäßig in Kabul gelandet. Dort sind sie von den afghanischen Behörden und Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Empfang genommen worden.
Hierzu erklärt Bundesminister Dr. Thomas de Maizière:
"In der Gemeinsamen Erklärung vom 2. Oktober diesen Jahres haben wir uns mit der afghanischen Regierung auf verlässliche Regeln für die Rückkehr nach Afghanistan geeinigt. Das hat genauso die gesamte EU gemacht.
Ein erster Rückführungsflug wurde in der Nacht von gestern auf heute durchgeführt. Er ist heute Morgen mit 34 Personen an Bord sicher und planmäßig in Kabul gelandet. Die Personen wurden vor Ort vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), von einer nicht Regierungsorganisation für psychosoziale Betreuung und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Empfang genommen. Unter den 34 Personen waren rund ein Drittel Straftäter. Verurteilt unter anderem wegen Diebstahl, Raub, Betäubungsmitteldelikten, sogar Vergewaltigung und Totschlag. Sie wurden teilweise aus der Strafhaft abgeschoben.
Ich danke der afghanischen Regierung für die gute Zusammenarbeit bei dieser Rückführungsaktion. Ich danke auch den beteilgten Bundesländern sowie den Begleitkräften der Bundespolizei, die dafür gesorgt haben, dass dieser Flug reibungslos und sicher durchgeführt werden konnte.
An dieser Rückführungsmaßnahme haben sich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, NRW und Saarland beteiligt.
Solche Rückführungsmaßnahmen sind richtig und notwendig, um unser Asylsystem funktionsfähig zu halten. Ich halte es für richtig, dass wir solche Maßnahmen verantwortungsvoll und behutsam, aber ebenso bestimmt und konsequent durchführen und fortsetzen. Wenn jemand keinen Anspruch auf internationalen Schutz hat und ausreisepflichtig ist, dann muss er Deutschland wieder verlassen, es sei denn es liegen konkrete Abschiebehindernisse vor.
Integration für diejenigen, die hier einen Anspruch auf Schutz haben und Rückführungen derjenigen, die ausreisepflichtig sind, sind 2 Seiten ein und derselben Medaille - sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Das gilt grundsätzlich auch für Personen aus Afghanistan. Dieses Jahr sind schon über 3.200 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt. Das fördern wir. Wir werden unser Engagement zur Förderung der freiwilligen Rückkehr in Zukunft fortsetzen und sogar noch ausbauen. Das Instrument der freiwilligen Rückkehr funktioniert aber nur dann, wenn wir auch ausreisepflichtige Personen, die nicht freiwillig rückkehren, auch durch Abschiebung in ihr Heimatland zurückführen. Es bleibt zu hoffen, dass Bundesländer, die bislang noch zögerlich sind, auch dafür gewonnen werden können, dass Afghanen, die sich unrechtmäßig in Deutschland aufhalten, bei denen es keine Abschiebehindernisse gibt, nach Abschluss aller Verfahren, tatsächlich nach Hause gebracht werden."
Die Rückzuführenden wurden von 93 speziell für Rückführungen qualifizierten Polizeibeamten der Bundespolizei, einem Dolmetscher sowie medizinischem Personal begleitet. Die Kosten für diese Maßnahme werden von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex übernommen.
Derzeit leben ca. 12.500 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige in Deutschland. Afghanistan liegt sowohl 2015 als auch 2016 auf Platz 2 der Herkunftsländer. In 2015 wurden 154.000 Zugänge von Schutzsuchenden aus Afghanistan registriert, die zu 32.000 Asylanträgen führten. In diesem Jahr wurden bereits mehr als 115.000 Asylanträge von afghanischen Antragstellern registriert.
DIE GRÜNEN
Zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan erklärt Omid Nouripour, Sprecher für Außenpolitik:
Die Sicherheitslage in Afghanistan nach der Einnahme der Provinzhauptstadt Ghazni und den gestrigen und heutigen Anschlägen in Kabul ist alarmierend. Die Angriffe der Taliban auf Zivilisten und besonders Jugendliche zeugen von menschenverachtender Brutalität. Die Bundesregierung schiebt dagegen weiter abgelehnte Asylbewerber in das Land ab und lässt politisches Engagement vermissen: um einige wenige Dutzend afghanische Staatsbürger abschieben zu können, sieht die Bundesregierung beim Schicksal eines ganzen Landes weg. Die dramatische Eskalation der Lage Afghanistans aber darf die internationale Gemeinschaft nicht länger ignorieren.
Es ist gut, dass sich die Bundesregierung für die Sicherheit und den Aufbau des afghanischen Staats einsetzt. Fahrlässig aber ist es, die Diplomatie in einem Land, in dem auch Tausende deutsche Soldaten im Einsatz sind und waren, dem Scheckbuch zu überlassen. Die Bundesregierung muss endlich auch politisches Kapital dafür einsetzen, eine politische Lösung für die existenzielle Krise Afghanistans zu finden.
In Zeiten, in denen die US-Administration vor allem auf die Macht der Bomben setzt, ist europäische Diplomatie mehr denn je gefragt. Deutschland hat sich durch sein Engagement in Afghanistan in den letzten Jahren eine große Glaubwürdigkeit erarbeitet. Wenn die Bundesregierung ihre Bekenntnisse zu mehr deutscher und europäischer Verantwortung wahr machen will, muss sie auf dieser Grundlage jetzt an die Arbeit gehen. Sie muss die Einheitsregierung dazu drängen, auch tatsächlich geeint aufzutreten und aus einer Position der Stärke den blockierten Gesprächsprozess mit den Taliban wieder aufzunehmen. Sie muss ebenfalls darauf pochen, dass die geplanten Wahlen tatsächlich durchgeführt werden.
KHS GMBH
KHS bietet auf dem afrikanischen Kontinent und im Mittleren Osten Qualität „Made in Germany“ und lokale Serviceteams. Damit punktet der Dortmunder Systemanbieter bei globalen Key Accounts ebenso wie bei kleinen und mittelständischen Unternehmen und Neueinsteigern. Wir sprechen mit Markus Auinger, Executive Vice President Market Zone Middle East/Africa, und Jörg Thomas, Managing Director KHS South Africa.
Welche Bedeutung hat die Marktzone Afrika/Mittlerer Osten für KHS?
Auinger: Die Marktzone steuert 15 Prozent zum Gesamtumsatz von KHS bei. Speziell bei PET-Linien ist die Region aufgrund des starken Wachstums in diesem Segment der wichtigste Markt für uns. Anders als Leerdosen ist PET in ganz Afrika sehr gut verfügbar, und entsprechende Linien erfordern im Vergleich zu Glaslinien aufgrund der niedrigeren Investitionssumme eine deutlich geringere Kapitalausstattung. Kleine und mittelständische Neueinsteiger konzentrieren sich deshalb auf die Abfüllung in PET-Flaschen, die es ihnen ermöglicht, innerhalb kürzester Zeit Umsätze zu erzielen. Das Glassegment liegt fest in der Hand der finanzstarken Global Key Accounts wie AB InBev, Heineken, Coca-Cola, Diageo, Pepsi oder Groupe Castel, die seit Jahrzehnten in Afrika und dem Mittleren Osten präsent und etabliert sind.
Wie hat sich das Geschäft von KHS in Afrika und dem Mittleren Osten historisch entwickelt?
Thomas: Aus gutem Grund genießt KHS hier einen extrem guten Ruf: Schließlich waren wir der erste Maschinenbauer, der Abfüllanlagen auf dem Kontinent verkauft hat. Schon 1971 haben wir in Südafrika eine eigene Niederlassung eröffnet. Manche Maschinen sind seit über 30 Jahren in Betrieb – auch heute noch an sechs Tagen in der Woche und rund um die Uhr. Im Durchschnitt ist unsere Installed Base rund 17 Jahre alt. Die Maschinen werden von KHS-Technikern gewartet und wir können die Ersatzteile liefern, unabhängig vom Alter der Maschinen.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen der Region?
Auinger: Um die Herausforderungen unserer Marktzone zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass sie auf der einen Seite – zum Beispiel mit den Emiraten, Saudi-Arabien oder Mauritius – einige der reichsten Länder der Erde umfasst. Auf der anderen Seite weist sie aber auch die meisten armen und ärmsten Länder der Welt auf. Entsprechend groß ist das wirtschaftliche Gefälle. Es gibt viele grundlegende Probleme, mit denen man dort zu kämpfen hat. Dazu zählen klimatische, wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten, Kriege und Terrorismus, Hungersnöte, aber auch Importbeschränkungen oder die Zuckersteuer, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir müssen uns hier ständig an veränderte Situationen anpassen und neue Ideen entwickeln. Umso mehr müssen wir für unsere Kunden vor Ort immer ansprechbar sein und ihnen jederzeit die Unterstützung geben können, die sie benötigen.
In welchen Ländern ist KHS besonders stark vertreten und warum ist das so?
Auinger: Vor einigen Jahren gab es noch viele Regionen, die wir nicht abgedeckt haben. Heute sind unsere Anlagen in jedem Land des Vertriebsgebietes installiert und werden von unseren Technikern betreut. Überall dort, wo unsere Niederlassungen sitzen, sind wir sehr erfolgreich. Aber auch mit Kunden in Kamerun, Tansania, Mosambik, Irak, Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern mit bewegter Vergangenheit unterhalten wir sehr gute Geschäftsbeziehungen. Aktuell gibt es für uns aufgrund starken Marktwachstums in den Maghreb-Staaten viel zu tun. Bezogen auf die gesamte Region wächst der Markt jedoch weniger stark als man vielleicht vermutet. Das liegt daran, dass es einerseits immer Länder gibt, die boomen. Ihnen stehen jedoch andererseits Nationen gegenüber, die nach extrem positiven Entwicklungen einen Rückfall erleiden. Ein Beispiel ist Angola, das sich sehr lange gut entwickelt hat. Seit vier Jahren läuft hier praktisch nichts mehr. Auch in Saudi- Arabien wird aktuell wenig investiert.
Welche Maschinentypen sind in Afrika und dem Mittleren Osten besonders gefragt? Für welche Art von Getränken werden KHS-Anlagen genutzt?
Thomas: In unserer Marktzone machen wir 95 Prozent des Geschäfts mit ganzen Linien – anders als in Vertriebsregionen wie den USA, wo bis zu 50 Prozent mit Einzelmaschinen umgesetzt werden.
Auinger: Während im Mittleren Osten vor allem alkoholfreie Erfrischungsgetränke aus Dosen und PET-Flaschen konsumiert werden, haben auf dem afrikanischen Kontinent Glas-Mehrwegflaschen für kohlensäurehaltige Getränke eine lange Tradition. Das verändert sich deutlich: In Nordafrika und im Mittleren Osten sehen wir für uns einen stark wachsenden Markt für stilles Wasser in PET-Flaschen. Zusammen mit dem steigenden Bedarf an Softdrinks in Sub-Sahara erreicht das PET-Behältersegment hier inzwischen einen Marktanteil von rund 80 Prozent.
Wie unterscheiden sich die Anforderungen der Abfüller von denen in anderen Regionen?
Auinger: Unsere Kunden brauchen mehr Beratung in der Projektplanung und -umsetzung. In Afrika und dem Mittleren Osten werden wir als ein Garant für den Erfolg des Getränkeherstellers gesehen. Das erklärt, warum anstelle von Einzelmaschinen gesamte Linien angeschafft werden: Bei ihnen liegt die Verantwortung für das Funktionieren der Technik in einer Hand. Unsere Kunden legen Wert auf die Stabilität sowie die hohe Effizienz unserer Anlagen und belohnen diese Qualität mit großer Loyalität. Unsere Kunden wünschen sich auch viel mehr Unterstützung bei der Instandhaltung der Anlagen. Speziell in Zentral- und Ostafrika schließen wir deshalb sehr weit entwickelte Service-Level-Agreements ab, in denen wir über Jahre eine gewisse Effizienz unserer Anlagen festschreiben.
Welche Strategie verfolgt KHS in der Marktzone?
Auinger: 2013 fiel die Entscheidung, stark zu regionalisieren und vor Ort technische Kompetenz und Kapazität aufzubauen. Im selben Jahr haben wir eine eigene Niederlassung in Kenia gegründet. Entsprechend unserer Marktbearbeitung prüfen wir seitdem laufend, wo Niederlassungen oder Service-Hubs sinnvoll sind und bauen diese auf. Seit 2016 haben wir die Marktzone in sechs Cluster aufgeteilt, die von je einem Regional Center (RC) geführt werden. Die Betreuung von Westafrika und den Maghreb-Staaten erfolgt bisher von Europa aus, aber auch hier werden wir durch eine eigene Niederlassung sehr bald lokale Präsenz zeigen.
Thomas: Das Ziel dieser regionalen Hubs ist es, neben der Vertriebsorganisation unser lokales Service-Knowhow auf die gesamte Produktpalette der KHS Gruppe auszuweiten. So bieten wir Kundennähe und schaffen vor Ort die Kompetenz, mit den lokalen Teams neben der Instandhaltung auch Montagen und Inbetriebnahmen durchführen zu können. Teil unserer Regionalisierungsstrategie ist das Training sowohl für unsere eigenen Mitarbeiter als auch für die der vielen lokalen Kunden. Dafür haben wir in Südafrika bereits ein eigenes Trainingscenter eröffnet. Ost- und Zentralafrika werden folgen, sodass wir bis 2022 über eine flächendeckende Trainingsstruktur verfügen.
Auinger: Darüber hinaus haben wir ein einheitliches SAP-System aufgesetzt. Es erleichtert nicht nur die Verwaltung und das Controlling, sondern funktioniert auch als Kommunikationsplattform, um die Zusammenarbeit der verschiedenen KHS-Tochtergesellschaften vor Ort zu koordinieren. Weil wir Regionalisierung als den Schlüssel zu unserem Erfolg identifiziert haben, gibt es in unseren Bemühungen auch keinen Stillstand, sondern nur permanentes Weiterentwickeln und Optimieren.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter in Ihrer Strategie der Regionalisierung?
Auinger: Noch vor 10 Jahren mussten Techniker aus Europa anreisen – heute beschäftigen wir in der gesamten Region über 250 Mitarbeiter. Diese Zahl hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. 95 Prozent unserer Belegschaft sind lokale Fachkräfte. Es gibt hier viele Menschen, die ehrgeizig sind und über großes Potenzial verfügen. Wir fördern unsere lokalen Mitarbeiter ständig, indem wir sie zum Beispiel jedes Jahr zu mehrwöchigen Schulungen nach Deutschland einladen.
Welche Rolle spielen Müllvermeidung und Klimaschutz in Ihren Märkten?
Thomas: In Afrika ist man gewohnt, im Glasbereich mit wiederverwendbaren Flaschen zu arbeiten. Im stark wachsenden PET-Bereich gelingt die Umsetzung eines Kreislaufsystems oft noch nicht. Hier muss noch aktiver agiert werden. Unsere Großkunden setzen auf Themen der Nachhaltigkeit, solange es für sie kostenneutral ist. Die Bereitschaft, Verbesserungen umzusetzen, ist limitiert, solange Regierungen nicht eingreifen. Deshalb ist die internationale Politik gehalten, Druck auf die afrikanischen Länder auszuüben. Es gibt aber auch positive Beispiele: In Kenia etwa sind seit August 2017 die Produktion, Einfuhr und Nutzung von Plastiktüten verboten. Die Recycling-Rate von PET-Flaschen liegt in Südafrika bei über 70 Prozent, wobei der Großteil des recycelten Materials in die Bekleidungsindustrie geht.
Auinger: Unser Einfluss als Maschinenbauer ist beschränkt auf die Bereitstellung von entsprechenden Technologien. Wir treiben zum Beispiel die Reduzierung von Flaschengewichten und Verpackungsmaterialien aktiv voran. Aber auch die hohen Effizienzen und niedrigen Verbrauchswerte unserer KHS-Anlagen sind ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz.
Wie stellt sich die Corona-Krise besonders in Afrika und dem Mittleren Osten dar und was bedeutet das für das KHS-Geschäft?
Thomas: Die Infektionswelle hat unsere Regionen später erfasst als Europa. Trotzdem wurden teilweise frühzeitig sehr tiefgreifende Maßnahmen verhängt, etwa in Südafrika: Hier gab es nicht nur eine der weltweit strengsten Ausgangssperren, sondern auch Alkohol- und Tabakverbote – nicht nur für den Konsum, sondern auch für die Produktion.
Auinger: Die Corona-Krise trifft uns in unserer Marktzone hart. Während unsere Global Key Accounts ihre Investments zunächst ausgesetzt haben, investieren unsere eher regional tätigen Privatkunden weiterhin. Auch den Beschränkungen der Reisetätigkeit unterliegen wir selbst. Wir sind vor Ort viel stärker als bisher auf uns selbst gestellt. Wir können uns selbst viel mehr zutrauen und mit lokalen Kräften ‚einfach mal machen‘. So haben unsere Servicetechniker in Nigeria selbstständig komplexe Anlagen montiert und die Anlagenabnahmen bestanden. In Saudi-Arabien und Mosambik haben Mitarbeiter von Kunden mit unserer Remote-Unterstützung Inbetriebnahmen selbst abgeschlossen. In unserem Regionalisierungskurs der letzten Jahre sehen wir uns bestätigt. Er versetzt uns in die Lage, trotz der aktuellen Situation vor Ort Lösungen anzubieten und unsere Kunden zu unterstützen. KHS GmbH Die KHS Gruppe ist einer der führenden Hersteller von Abfüll- und Verpackungsanlagen in den Bereichen Getränke und flüssige Lebensmittel. Zu der Unternehmensgruppe zählen neben der Muttergesellschaft (KHS GmbH) noch die KHS Corpoplast GmbH sowie zahlreiche Tochtergesellschaften im Ausland mit Standorten in Ahmedabad (Indien), Sarasota und Waukesha (USA), Zinacantepec (Mexiko), São Paulo (Brasilien) und Suzhou (China).
Am Stammsitz in Dortmund sowie in ihren weiteren Werken in Bad Kreuznach, Kleve, Worms und am Standort in Hamburg, der die PET-Kompetenz der Gruppe bildet, stellt die KHS moderne Abfüll- und Verpackungsanlagen für den Hochleistungsbereich her. Die KHS Gruppe ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der im SDAX notierten Salzgitter AG. 2019 realisierte die Gruppe mit 5.149 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 1,260 Milliarden Euro.
(Foto: ADVD)
DIE GRÜNEN - Zum Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erklärt der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter:
Strukturelle Benachteiligung, Diskriminierung und Rassismus vergiften auch Deutschland. Es wird auch hierzulande noch immer viel zu wenig dagegen getan. Benachteiligung bei der Ausbildungsplatz- und Arbeitssuche, im Wohnungsbereich sowie Abwertung und rassistische Zuschreibungen in alltäglichen Situationen: das ist eine bittere Erfahrung, die viele Menschen viel zu häufig machen müssen - aufgrund ihres Aussehens, ihrer vermeintlichen Herkunft oder Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder sexueller Identität. Es muss uns alle alarmieren, dass die Zahl der Diskriminierungsfälle und insbesondere der Fälle rassistischer Diskriminierung in 2019 erneut stark gestiegen ist.
Es ist unerträglich, wie gerade menschenfeindliche Enthemmung Gift in unsere Gesellschaft treibt. Wut allein reicht dagegen nicht. Es braucht eine unmissverständliche Antwort: Wir dulden keine Form von Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Diskriminierung, Abwertung und Ausgrenzung müssen wir an jeder Stelle entschieden entgegentreten.
Das bereits bestehende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist leider nicht mehr als ein zahnloser Tiger. Es reicht bei weitem nicht aus, um Diskriminierung effektiv zu bekämpfen.
Wir fordern daher eine Reform des AGG. Wir brauchen ein AGG, das Betroffene in der Durchsetzung ihrer Rechte wirkungsvoll unterstützt und echten Rechtsschutz gewährleistet.
Das in Berlin verabschiedete Landesantidiskriminierungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, das Betroffenen unter anderem auch bei Diskriminierung durch öffentliche Stellen Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffnet.
Auch in Deutschland gibt es nicht aufgeklärte Fälle, beispielsweise von rassistisch motivierter Polizeigewalt. Das ist nicht akzeptabel. Es geht nicht darum, unsere Verwaltung unter Generalverdacht zu stellen, sondern darum, überall rechtzeitig hinzuschauen. Zudem wäre ein unabhängiger Polizeibeauftragter hilfreich, der als Ansprechpartner bei rassistischen oder rechtsextremen Vorfällen zur Verfügung steht.
Es ist auch an der Zeit für ein wichtiges Zeichen: der Begriff „Rasse“ sollte aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Er impliziert eine Unterteilung von Menschen in verschiedene Kategorien – es ist überfällig, das zu beenden.
Rassismus ist unser aller Problem. Unsere Gesellschaft muss Rassismus endlich verlernen.
ZUM JAHRESBERICHT DER ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE
Dringender Handlungsbedarf: Antidiskriminierungspolitik jetzt!
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht ihren Jahresbericht. Einmal mehr wird die Notwendigkeit effektiver Antidiskriminierungsmaßnahmen deutlich. Aktuelle Proteste unterstreichen die Dringlichkeit von Antirassismus. Zeit zu handeln!
Berlin, 09.06.2020. Zu einem Zeitpunkt, an dem Menschen weltweit auf die Straße gehen, um gegen Rassismus zu protestieren und institutionelle Veränderungen einzufordern, und gleichzeitig Polizeigewerkschaften gegen ein Antidiskriminierungsgesetz Sturm laufen, veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ihren Jahresbericht. Er macht deutlich, dass rassistische Diskriminierung nicht nur Alltag für viele Menschen ist, sondern dass immer mehr Menschen sich gegen Diskriminierung zur Wehr setzen und Beratung und Unterstützung suchen. Bund und Länder müssen hier und jetzt aktiv werden, um Rassismus und Diskriminierung abzubauen.
„Lippenbekenntnissen, man sei gegen Diskriminierung, müssen endlich Taten folgen. Antidiskriminierungsarbeit ist in einer Demokratie fundamental. Wenn Bund und Länder Diskriminierungsschutz ernst nehmen, dann muss sich das in tiefgreifenden Maßnahmen zeigen,“ so Eva Maria Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbands Deutschland.
Aus Sicht des advd erfordert ein konsequenter Diskriminierungsschutz:
1. Es braucht einen besseren Rechtsschutz bei Diskriminierung durch staatliches Handeln. Berlin hat mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz genau das getan und damit eine Vorreiterrolle für alle anderen Bundesländer eingenommen.
2. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss umfassend reformiert werden (u.a. Erweiterung der Diskriminierungsgründe, neue Fristenregelungen, Abschaffung der Sonderregelungen für Vermieter*innen und Kirchenverbänden…).
3. Sowohl staatliche Antidiskriminierungsstellen wie die ADS, als auch unabhängige Antidiskriminierungsorganisationen müssen mit Klagerechten ausgestattet werden, um Fälle von Diskriminierung vor Gericht zu bringen.
4. Betroffene von Diskriminierung müssen bundesweit niedrigschwellige und wohnortnahe Beratungs- und Unterstützungsstrukturen vorfinden.
5. Unabhängige Beschwerdestellen müssen auf der Grundlage weitreichender Befugnisse Diskriminierungsbeschwerden u.a. für die Bereiche Schule und Polizei untersuchen können.
NEGRO-RASSISMUS
In der Corona-Krise meldeten Antidiskriminierungsberatungsstellen die erhöhten strukturellen Diskriminierungsrisiken, die für People of Color und andere diskriminierte Gruppen bestehen. Nun werden Eindämmungsmaßnahmen zunehmend aufgehoben und die deutsche Gesellschaft kehrt stellenweise zur alltäglichen Normalität zurück.
Nun geht es aus antidiskriminierungspolitischer Sicht darum, Zwischenbilanz zu ziehen: Welche Diskriminierungen wurden verzeichnet? Mit welchen sozialen Herausforderungen sind Betroffene konfrontiert? Ein Blick auf Anti-Schwarzen Rassismus, an den uns die aktuellen Schwarzen Bewegungen kraftvoll erinnern, verweist auf erhöhte Interventionsbedarfe.
SOLIDARITÄT
Zahlreiche Meldungen erreichen die Beratungsstellen über diskriminierende Begegnungen im öffentlichen Raum. In Bussen, Bahnen, Parks, Geschäften werden Schwarze Menschen offen für die Corona-Situation verantwortlich gemacht. Dabei kommt es zu Beleidigungen, Androhungen, feindlichen Gesten und Zugangsverweigerungen (z.B. im Supermarkt).
„Auffällig ist vor allem das Dominanzverhalten in Form von Aufforderungen, den Hygiene- und Abstandsregeln zu folgen, bevor es überhaupt Grund gab, das Gegenteil anzunehmen,“ stellt Aissatou Binger von Diaspora Mittendrin (BDB e.V.), die Menschen Afrikanischer Herkunft berät, fest. „Auch in postmigrantischen Gesellschaften werden Menschen afrikanischer Herkunft noch auf der Basis kolonialer Ideen in die Position der zu Belehrenden gezwungen."
„Schwarze Menschen bemängeln, dass es wenig Öffentlichkeit darüber gibt. Eine Ratsuchende berichtete von eigenen Erfahrungen und auch derer anderer Schwarzer Frauen im öffentlichen Raum. Anwesende schauten dabei zu, aber ohne einzugreifen. Somit fühle sie sich in mehrfacher Hinsicht angegriffen und schutzlos,“ berichtet Sandra Karangwa, Antidiskriminierungsberaterin bei Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. in Köln. „Aufgrund der anonymen Situation im öffentlichen Raum ist es oft nicht möglich, im Nachhinein effektiv dagegen vorzugehen. Daher ist hier sofortige praktische Solidarität gefragt.“
INTERVENTIONDBEDARF
Ein weiteres wichtiges Feld sind die strukturellen Benachteiligungen, mit denen Schwarze Menschen durch die Corona-bedingte Rezession und institutionelle Maßnahmen konfrontiert sind, insbesondere, wenn sie zusätzlich von Migration, Flucht oder prekärer Arbeit betroffen sind: gesteigerter Jobverlust, unübersichtliche Fristenregelungen bei Asylanträgen, Home-Schooling ohne entsprechende Kapazitäten in den Familien.
So ergeben sich gesteigerte Interventionsbedarfe. Zentral hierfür sind u.a. der rechtliche Diskriminierungsschutz, die Förderung von Empowerment-Projekten zur Beratung, Begleitung und Zusammenkunft Schwarzer Menschen sowie effektive Gleichstellungsmaßnahmen zur Überwindung sozioökonomischer Ungleichheit.
MASSNAHMENPAKET
Das am 25.11.20 vorgestellte Maßnahmenpaket des Kabinettausschuss zur Bekämpfung gegen Rechtsextremismus und Rassismus enttäuscht in Bezug auf den Diskriminierungsschutz auf allen Ebenen. Der notwendige flächendeckende Aus- und Aufbau der unabhängigen Antidiskriminierungsberatung (ADB) sowie die dringende Novellierung des AGG und Stärkung der ADS werden nicht berücksichtigt. Weiterhin werden Betroffene von Diskriminierung allein gelassen und ihre Rechte gegen Diskriminierung können nicht durchgesetzt werden.
Berlin – Das Maßnahmenpaket des Kabinettausschuss zur Bekämpfung gegen Rechtsextremismus und Rassismus enttäuscht in Bezug auf den Diskriminierungsschutz auf allen Ebenen. Der notwendige flächendeckende Aus- und Aufbau der unabhängigen Antidiskriminierungsberatung (ADB) wird nicht berücksichtigt. Wer Diskriminierung erfährt, braucht oftmals professionelle und parteiische Unterstützung, um rechtliche und außergerichtliche Möglichkeiten nutzen zu können. Dies ist Aufgabe der Antidiskriminierungsstellen. Dieses spezialisierte Beratungsangebot gibt es nach wie vor nur punktuell und auf wenige Regionen und Bundesländer beschränkt sowie leider oft nur mit prekären personellen und materiellen Ressourcen ausgestattet. Betroffene werden weiterhin mit Diskriminierung allein gelassen.
“Das Maßnahmenpaket zeigt, dass der Kabinettausschuss das Thema Rassismus nicht vollends verstanden hat. Es geht bei Rassismus nicht nur um physische Gewalt und Rechtsextremismus. Der Alltag vieler Menschen ist von rassistischer Diskriminierung massiv eingeschränkt.“, sagt Eva Maria Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd).
Des Weiteren versprechen die 89 Maßnahmen des Kabinettausschusses keine wesentlichen Verbesserungen auf gesetzlicher Ebene. Die dringend notwendige Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGGs) bleibt aus. Die beschlossene Fristverlängerung ist allein nicht ausreichend, damit Betroffene ihre Recht auf Gleichbehandlung auch tatsächlich durchsetzen können. Seit Jahren fordern daher Expert:innen die Einführung eines Verbandsklagerechtes und weiterer Maßnahmen, um Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten. Der Schutz vor Diskriminierung muss zudem in Form eines Bundesantidiskriminierungsgesetzes ausgeweitet werden, um vor allem bei institutioneller Diskriminierung Rechtsschutz zu gewährleisten.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) findet außerdem keine Erwähnung im Maßnahmenpaket. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz hat in ihrem letzten Bericht zu Deutschland die Stärkung der ADS in Bezug auf Befugnisse und Ausstattung dringend empfohlen. Im europäischen Vergleich ist die ADS deutlich unterdurchschnittlich aufgestellt. Trotz ihrer stetig steigenden Beratungszahlen - gerade bei rassistischer Diskriminierung - und ihren Warnrufen, dass die aktuellen Ressourcen nicht annähernd reichen, um ihre Aufgaben zu erfüllen, wird die ADS in keiner Hinsicht bei den beschlossenen Maßnahmen mitgedacht. Mit der geplanten Beratungs-Hotline für Rassismusbetroffene bleibt auch das seit Jahren etablierte Beratungsangebot der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unberücksichtigt, das mehr umfasst als eine reine Erst- und Verweisberatung. Die Missachtung der Kompetenzen, Expertise und Erfahrung der ADS ist unerklärlich und fachlich nicht begründbar.
„Das Gegenteil müsste passieren: die ADS muss gestärkt werden hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, Befugnisse und Ressourcen, etwa nach dem Vorbild des Bundesdatenschutzbeauftragten. Aber in der Gesamtschau ergibt sich das Bild einer faktischen Demontage der ADS.“, sagt Eva Maria Andrades, Geschäftsführerin des advd.
WOHNUNGSSUCHE
Rassistische Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist ein strukturelles Problem - das thematisieren betroffene Gruppen, ihre Verbände und Antidiskriminierungsberatungsstellen seit langem. Die heute erschienene Umfrage und das Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) belegen dies einmal mehr und bieten so die Chance für eine gesellschaftspolitische Debatte und den politischen Druck, der für eine konkrete Veränderung notwendig ist.
Was ist zu tun?
UNTERSTÜTZUNG
Die Umfrage zeigt, dass Betroffene häufig ihre Rechte nicht kennen und sich in den seltensten Fällen an Beratungsstellen wenden. Allerdings: Aktuell existieren entsprechende Unterstützungsangebote nur in wenigen Regionen und sind oftmals prekär finanziert. Es müssen mehr niedrigschwellige, wohnortnahe und qualifizierte Beratungsstellen, die Betroffene dabei unterstützen ihre Rechte wahrzunehmen, finanziert und aufgebaut werden.
VERBESSERUNG
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss reformiert werden. Neben der Streichung von Ausnahmeregelungen beim Diskriminierungsverbot braucht es vor allem ein Verbandsklagerecht für Verbände, um Betroffene zu entlasten und eine Sanktionierung von Diskriminierung, die abschreckend ist.
ANSÄTZE
Auch und insbesondere muss die Wohnungswirtschaft handeln. Gefragt sind Konzepte für eine diskriminierungssensible Wohnungsvergabe, die individuelle Vorurteilsstrukturen von Mitarbeitenden aber auch institutionelle Regelungen und Vergabekriterien ebenso beinhalten wie ein effizientes Monitoring und Beschwerdemanagement.
„Die Bundesregierung muss handeln und darf nicht weiter zuschauen, wie das rechtliche Diskriminierungsverbot in den meisten Fällen wirkungslos bleibt. Es ist inakzeptabel, dass Betroffene allein gelassen werden und nur mit großem Kraft-, Zeit und Kostenaufwand ihr demokratisches Recht auf Gleichbehandlung durchsetzen können,“ so Eva Maria Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverband Deutschland.
Der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) ist ein Dachverband unabhängiger Antidiskriminierungsbüro und -beratungsstellen, Selbstorganisationen und wissenschaftliche Einrichtungen. Seine Mitgliedsorganisationen verfügen über langjährige Erfahrungen in der Antidiskriminierungsarbeit.
VERSUS RASSISMUS
Das rassistische Attentat in Hanau am 19. Februar 2020 rief in Erinnerung, wie sehr People of Color hierzulande rassistischer Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Kurz darauf überschlugen sich mit dem Voranschreiten der Corona-Pandemie die Ereignisse, sodass die Aufarbeitung des Anschlags in den Hintergrund gerückt ist.
Rassismus und Diskriminierungen machen aber keine Pause, sondern sind als strukturelle Probleme immer präsent und müssen auch in Krisenzeiten bekämpft werden. Der erst kürzlich erschienene Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats macht deutlich, dass Deutschland wenig Fortschritte dabei macht und empfiehlt u.a. mehr in Antidiskriminierungsstellen zu investieren und ein stimmiges System von Organisationen aufzubauen, das Opfern von Diskriminierung effektive Unterstützung gewährt.
Die Anerkennung von Rassismus als strukturelles Problem bedeutet auch, genau hinzuschauen, wer wie von der Corona-Krise betroffen ist. So ist zu befürchten, dass People of Color im Rahmen der Pandemie-Eindämmungspolitik sowie der Versorgung von Covid-19 Infizierten benachteiligt werden: Aufgrund eines ungleichen Zugangs zu medizinischer Versorgung für Migrant*innen, wegen Informationsdefiziten für Menschen mit wenig Deutschkenntnissen und niedriger Anbindung an lokale Informationskanäle oder, wie in der PM der Geflüchteten-Selbstorganisation THE VOICE beschrieben, aufgrund einer Unterbringung in Geflüchteten-Wohnheimen, die den aktuellen Sicherheitsvorkehrungen in keiner Weise entsprechen. Auch langfristig werden Communities of Color aufgrund ihrer strukturellen Benachteiligung besonders mit den sozialen Folgen der Krise zu kämpfen haben.
„Für die Antidiskriminierungsarbeit bedeutet dies, weiterhin präsent zu sein unter den erschwerten Bedingungen und auf bestehende Ungleichheiten und ihre Folgen aufmerksam zu machen. Beratungsstellen, die People of Color u.a. bei Diskriminierung unterstützen, führen auch in der Krise ihre Arbeit fort.“, sagt Eva Andrades, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland.
PERSPEKTIVEN
In Rahmen der Corona-Pandemie muss die Situation vulnerabler Gruppen besonders berücksichtigt werden. Die im advd vereinten Antidiskriminierungsberatungsstellen haben sich den neuen Herausforderungen angenommen und ihr Beratungsangebot umgestellt und erweitert.
KRISENPOLITIK
Während der Corona-Pandemie ist eine antidiskriminierungspolitische Perspektive unerlässlich. Verschiedene Organisationen und Initiativen zeigen mit Nachdruck auf, wie Diskriminierungen sich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Doemges
Bildmaterialien: FreePicturePub
Cover: Bookrix
Lektorat: Poettschke
Korrektorat: Meyer
Übersetzung: Poettschke
Satz: Doemges
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2021
ISBN: 978-3-7487-7639-0
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Der legendäre Künstler und Reporter Tork Poettschke aka Christopher Doemges - *1980 in der westeuropäischen Westfalenmetropoly Dortmund. Nach Besuch des Gymnasiums leben und Arbeit in Dortmund. Unzählige Publikationen. Dichtet zum Leben, Gott & seiner Politik - und das in eiserner Junggesellichkeit, ja, klösterlicher Abgeschiedenheit zuweil.
Poettschkes Altruismus erstreckt sich international. Er malt, schreibt Bücher, rekordiert Discs. Reisen führten ihn nach Asien, Afrika und durch Europa. Was bleibt? Die Kinder. Seine beiden Söhne Joseph & Daniel liegen Uns-Tork Poettschke, dem Unbestechlichen, am Herzen. (www.doemgespress.webnode.com).