Ich vertraue dir
Ich kann mich kaum an den bisherigen Abend erinnern, obwohl dieser noch gar nicht vorbei ist. Das Einzige woran ich denken kann, ist das was nun kommt. Ich spüre einen kleinen Ruck und merke, dass das Auto bereits still steht. Mit einem leichten Schmunzeln sieht sie zu mir rüber und steigt aus. Ich warte, überlege noch, ob dies alles wirklich Realität ist oder lediglich ein schöner Traum. Die Autotür geht auf, und sie beugt sich über mich. Was hat sie vor, frage ich mich und fühle die prickelnde Anspannung in mir.
„Du bist noch angeschnallt.“, flüstert sie und reicht mir die Hand, nachdem die Gurthalterung ein klickendes Geräusch von sich gibt.
Ich folge ihr in das noble Haus vor uns. Der Eingang erinnert an eine kleine Lobby in einem Hotel. Ein Wachmann begrüßt uns, nein eher Sie und lässt uns passieren. Als ich das Läuten der Aufzugstür höre, spüre ich ihre Hand an meiner Taille, die mich näher an sich schiebt.
„Wenn du mit reinkommst, gibt’s kein Zurück mehr.“, haucht sie mir ins Ohr und leckt mir sogleich mit ihrer Zungenspitze über meinen Hals.
„Wer sagt, dass ICH zurück will?“, erwidere ich und begebe mich mit gespielter Entschlossenheit in den erstaunlich kleinen Fahrstuhl. Sie folgt, drängt mich sogleich zur Wand und positioniert ihre Hände links und rechts neben mir an der Wand. Das Licht spiegelt sich in ihrer Brille. Ihr Gesicht ist meinem ganz nah. Ich liebe ihren Blick, nein es sind ihre Augen, linkes grün und rechtes schimmert heute besonders auffällig blau. Mich überkommt der Drang sie zu küssen, jetzt sofort. Sie soll mich endlich an sich ziehen und etwas unternehmen, denk ich mir, aber sie fixiert mich weiterhin nur mit ihren Augen, durchdringt mich, zieht mich aus. Der Aufzug zählt bereits im zweistelligen Bereich die Etagen und immer noch steigen wir empor in die unbekannte Dunkelheit, zumindest ich.
„Vertraust du mir?“, höre ich sie fragen und spüre ihre rechte Hand meine Wange streicheln. Langsam schiebt sie meine Haare hinter das Ohr und berührt dieses ganz sanft mit ihren Lippen.
„Ja!“, rufe ich innerlich, und spüre ein kleine Lustwelle durch meinen Körper fahren. Woher weiß sie bloß, dass ausgerechnet dies mein Schwachpunkt ist, frage ich mich und greif automatisch nach der Halterung hinter meinem Rücken und wende mein Kopf noch mehr zur Seite.
„Das werte ich als ein JA.“, flüstert sie, ergreift meine linke Hand und zerrt mich energisch aus dem Fahrstuhl, der genau im selben Moment aufgeht.
Ein Labyrinth aus mehreren Fluren erstreckt sich auf der Ebene mit letztendlich nur einigen Türen, die hinter verschlossene Geheimnisse führen. Hier wohnen keine Personen meines Gleichen. Dieser Ort ist außerhalb meiner Welt.
Mit einem Zahlencode öffnet sich die eine Tür, hinter der sich mein Geheimnis verbirgt.
Ich höre noch wie das Schloss sich wieder verriegelt, bin aber betäubt von dem leichten Schmerz durch den harschen Druck an die Wand.
Ganz langsam öffnet sie meine Mantelknöpfe, lässt den schweren Stoff von meinen Schultern gleiten.
„Ab jetzt bin ich deine Mistress…“
„Ja“, sofort spüre ich ein leichtes Glühen meiner Wange.
„Hab ich dir die Sprecherlaubnis erteilt?“ Eine weitere Ohrfeige trifft mich für das Vergessen der richtigen Benennung. Nun verstehe ich ihre Vorwarnung unten in der Lobby.
Ich gehöre vollkommen ihr, höre ich sie flüstern mit einem teuflisch vergnügten Lächeln im Gesicht.
Sicherlich hatte ich Vorstellungen und Wünsche, aber diese kälte ihrerseits verunsichert mich urplötzlich. Das Sanfte in ihrer Stimme ist vollkommen verschwunden, der Blick herrschend, kalt.
Ich spüre nun ihre Zunge auf meinen Lippen, sie öffnet sie mit der Spitze, dringt in meinen Mund, lässt mich meine Furcht vollkommen vergessen. Sie nimmt sich fordernd einen Kuss nach dem Anderen, während ich weiter schwächer werde.
Mit festem Griff packt sie mich an meiner Bluse, zieht mich hinter sich her in das Schlafzimmer.
Sie setzt sich vor mir aufs Bett, die Beine verschränkt. Die Arme als Stütze nach hinten gelehnt.
Meine erste Anweisung lautet mich langsam vor ihr komplett auszuziehen. Ich fühle mich unbehaglich, denn noch nie hat mir jemand mit solch einem durchdringenden Blick dabei zugesehen und dennoch bereitet es mir eine ungewohnte Lust, weil SIE es ist.
„Schau mich dabei an.“, fügt sie hinzu und bindet ihre Krawatte auf, während ich mich leicht ungeschickt von meinen Klamotten befreie. Als mein Slip fällt, spüre ich eine bemerkbare Feuchte zwischen meinen Beinen und werde noch erregter, da ich weiß, dass sie es ebenfalls gleich spüren wird.
Sie steht auf, ihre Bluse bereits aufgeknöpft. Sie trägt nichts drunter, mustert mich einmal in einer 360° Ansicht, während ich die Anweisung habe stramm, mit gespreizten Beinen und gesenktem Blick regungslos zu verharren.
Meine Mistress bleibt wieder direkt vor mir stehen, fährt mit ihren Fingern von meinem Kehlkopf, hinunter zwischen meine Brüste, tiefer zum Bauchnabel. Sie bleibt dort, zieht mit ihren kurzen, aber spürbaren Fingernägeln einen Kreis um diesen und gleitet noch ein Stück weiter hinab. Nur kaum berührt sie meinen Kitzler. Das reicht aber vollkommen aus und ein hörbares Aufatmen entweicht meinen Lippen, die ich sofort zusammenpresse.
Mit der linken Hand packt sie mein Unterkiefer, zieht meinen gesenkten Kopf wieder hoch, blick mich direkt an, während ihre Finger durch meine Nässe streifen. Das Blau in ihrem rechten Auge funkelt mir entgegen, obwohl das Licht kaum unsere Körper erhellt.
„Ich habe doch noch gar nicht begonnen und doch…“ Offen lässt sie den Satz im Raum stehen und schiebt mir lediglich die Finger in den Mund, die noch gerade eben zwischen meinen Beinen waren. Es ist nicht so, als wüsste ich meinen eigenen Geschmack nicht, und dennoch steigt eine Hitzewelle in mir auf, als ich mit der Zunge zwischen den Fingern leck.
Sie lässt wieder von mir ab, geht zum Schrank hinter mir. Ich höre die Schiebetüre zur Seite rollen, lausche sie sich selber Fragen mit was sie wohl beginnen soll. Es macht mich unglaublich an keine Ahnung zu haben, was mit mir passieren wird.
Ich soll meine Arme hinter dem Rücken ausstrecken, schon spüre ich weiches Material, das ganz eng an meine Handgelenke angelegt wird. Die Arme werden am Rücken zusammen verschränkt und fest verbunden. Ich fühl mich hilflos, unbeweglich und erregt. Sie flüstert mir etwas ins Ohr, ich konzentriere mich aber nur auf den heißen Atem und fühle die Gänsehaut auf meinem Körper. Was hat sie mir gerade gesagt? Dass ich es mir gemütlich machen soll, denn ich werde länger in dieser gefesselten Haltung verweilen?
„Knie dich nieder!“ Gehorsam und schweigend folge ich der Anweisung. Als nächstes soll ich meine Beine spreizen und den Körper aufrecht halten. Erneut geht meine Mistress zum Schrank, ich höre ein seltsames Geräusch, kann es nicht zuordnen, eher ich etwas Kühles meinen Nacken entlang streifen spüre. Bei den Armen unterbricht sie ihre Bewegung und setzt oberhalb meinem Po an. Der Berührungspunkt ist klein, der Gegenstand ist fest, kalt. Sie führt es zwischen meinen Backen. Ich spüre das Flache Ende an meiner Öffnung vorbeistreifen, tiefer, zwischen meine Beine. Ein Klaps auf meinen Kitzler und ich stöhne ungewollt auf. Ein kribbelndes Gefühl durchzieht meine Bauchgegend und wandert tiefer zu meinem Lustpunkt. Sie Wiederholt es noch mehrmals, jedes Mals etwas stärker, dann kommt sie zu mir vor, streift über meine Brüste. Meine Nippel ziehen sich vor Kälte sofort zusammen, zumal die Gertenspitze ganz mit meinem Saft bedeckt ist. Sie holt aus, führt gekonnt eine Peitsch Bewegung aus und trifft genau die harte Brustspitze. Ich beiße mir auf meine Unterlippe. Dies ist meine zweite Schwachstelle, die mir meine Sinne raubt, schon bei leichter Berührung. Die Andere Brust bekommt die gleiche Behandlung. Anschließend legt sie die Gerte unter mein Kinn, und signalisiert mir, dass ich meinen Blick erheben soll.
„Genug mit dem Vorspiel!“ Des Weiteren werde ich belehrt, dass jegliches Fehlverhalten von mir bestraft wird, mit Hieben auf diverse Körperstellen. Kalter Schauer läuft mir über meinen Rücken. Ein funken Reiz ist ebenfalls vorhanden es einmal drauf ankommen zu lassen. Noch traue ich mich nicht.
Endlich darf ich, immer noch kniend, vor zur Bettkante, werde unsanft geschubst, will mit den Händen den Fall bremsen, bin aber nach wie vor gefesselt und falle mit dem Gesicht in den weichen Stoff. Die Gerte schwingt zwischen meinen Schenkeln und ich spreize meine Beine noch ein Stück weiter. Ich höre ihre massive Gürtelschnalle klimpern, den Reißverschluss ihrer enganliegenden Hose. Bei unserer aller ersten Begegnung trug sie einen Anzug. Das was sie heute anhat, ist das komplette Gegenteil. Der Stil dieser Frau ist mir ein Rätsel, aber egal was sie trägt, sie sieht atemberaubend aus. Aber jetzt steht sie direkt hinter mir, hat lediglich ihre Bluse und Unterwäsche an, glaube ich zumindest.
Ihre Hand streichelt meinen Po, wandert etwas runter und dringt kurz jedoch nicht tief genug in mich ein. Die Finger gleiten durch meine inzwischen stark nasse Scheide. Ich Spüre Ihre Lippen auf meiner rechte Pobacke. Sie küsst mich, beißt mich und schiebt mir gleichzeitig einen Finger in meinen Po.
„Nicht!“, keuche ich leise auf und vergrab auch schon mein Gesicht wieder im Bettlacken. Meine Muskeln ziehen sich zusammen, kämpfen gegen das fremdartige Gefühl des Eindringens an, das nach meinem leisen Protest unerwartet stoppt.
Sie erhebt sich. Die Gerte, die neben mir auf dem Bett liegt, wandert in ihre Hand und ich ahne, was nun kommt. Ein brennendes Gefühl erstreckt sich auf meinen Pobacken. Ein zweites folgt zugleich.
Sie beugt sich zu mir vor, packt mich an meinen Haaren und zieht mein Kopf ein Stück zu sich.
„Ich bestraffe pro Buchstabe.“ Ihre Worte sind kalt und distanziert. Sie lässt mich los und schon erreicht meinen Po ein weiterer Hieb.
Für die weitere Bestrafung soll ich mich auf meinen Rücken drehen. Die Schenkel weit gespreizt, in der Luft haltend. Das Gertenende erreicht meine Brust mit einer heftigen Stärke. Ich schließe meine Augen, denn meine Beine zucken bereits leicht. Der letzte und stärkste Hieb erreicht meinen Kitzler, lässt mich aufkeuchen. Wie gerne würde ich jetzt meine Beine eng aneinander pressen, doch schon bin ich wieder in der vorherigen Haltung und atme tief in das frische schwarze seidige Laken.
Ohne Vorwarnung führt sie erneut den Finger von hinten in mich ein. Tiefer als zuvor. Sie kann mein Gesicht nicht sehen, aber ich fühle die Hitze auf meinen Wangen. Bin beschämt, weil mir die kreisenden Bewegungen in mir drin ein unerwartetes Vergnügen bescheren. Bevor ich dieses neue Gefühl so richtig genießen kann, ist es bereits vorbei. Sie lässt mich zappeln.
Warme Flüssigkeit läuft zwischen meinen Pobacken. Ich will sie zusammenkneifen, sie öffnet sie aber mit beinen Händen weit auseinander. Ihre Lippen berühren meinen nassen Muskel und ich kann nicht anders als aufzustöhnen. Mit der Zungenspitze dringt sie in mich ein, leckt, saugt die sehr empfindliche Stelle meines Körpers. Ich will mich festhalten, mich mit den Händen irgendwo festkrallen, vergeblich, die Fesseln geben nicht nach. Ich spüre, wie der Speichel mir zwischen die Beine Läuft, vermischt mit meiner eigenen Flüssigkeit fallen die ersten Tropfen auf den kühlen Parkettboden unter mir. Ihre Hand streift durch meine erogene Zone und löst wie auf Knopfdruck einen stöhnenden Aufruf meinerseits aus. Zugleich dringen erneut Finger von hinten in mich ein, ich schätze zwei. Sie bewegt sie langsam, spielt in mir drin, rein und raus, kreist, dringt wieder tief ein. Lässt ab von allen anderen Stellen. Reizt mich nur noch auf diese Weise.
Ein weiterer Befehl. Ich darf nicht in das Laken Stöhnen. Ich soll jeden meiner Laute hörbar ausleben, was ich ungern tue, weil ich mich dabei zu laut und zu animalisch fühle.
„Du bist ein sehr unartiges Mädchen, Alice.“ Wieder hat sie aufgehört, genau dann, wenn ich so richtig in meiner Lust aufgehe. Sie setzt sich neben mir, betrachtet meinen bebenden Körper, das tiefe Atmen. Streicht zärtlich über meine Lippen mit zwei Fingern, öffnet diese und befielt mir die Finger, die mich gerade eben noch zum Erzittern brachten abzulecken. Ich bin beschämt über die Gier, mit der ich diese Tat vollbringe. Sie hat mich soweit. Ich bin verloren in der eigenen Lust und würde alles tun, um endlich zu dem genussvollen Höhepunkt kommen zu dürfen. Zugleich will ich mehr, mehr von ihr, von dieser Art, die mir bis zum heutigen Abend lediglich aus Büchern und virtuellen Unterhaltungen bekannt war.
„Nicht so gierig.“, betont sie meinen Gedanken und löst die Handfesseln voneinander.
Happy Birthday!
„Anja, Anja!“ Mehrmals hämmerte der sichtlich gestresste Mann auf die Tasten seines Telefons und schmiss letztendlich den Höhrer hin, stand auf und eilte zur Tür.
„Anja, komm sofort rein!“
„Herr Sommer, ich heiße nicht Anja!“
„Ja, Ja. Ich weiß, mir ist nur gerade der Name entfallen. Es war irgendwas mit A, oder?“ Ohne die Dame ausreden zu lassen, eilte der hektische Mann zurück in seinen Sessel.
„Hast du meine Anzüge aus der Reinigung schon geholt?“
„Nein, ich wollte es gleich nach dem Mittagessen tun.“
„Gut, gut. Bringe diese Umschläge umgehend zur Post, sie müssen noch heute raus, am besten per Eillieferung. Und im Verfahren Brunner gegen Hofbauer werden alle Mandanten Benachrichtigt. Die Dateien habe ich dir bereits diktiert. Es muss auch bis heute erledigt sein.“ Die Frau seufzte innerlich auf, denn diese Angelegenheit zog sich schon über eine lange Zeit und viele Mandanten waren beim Verfahren beteiligt. Es bedeutete also, dass neben dem normalen Arbeitspensum dies zusätzliche Arbeit war und somit winkten die Überstunden schon förmlich ihr entgegen.
„Sonst noch irgendwas?“ Der Man musterte kurz seine Sekretärin.
„Ja, mach mir einen Kaffee, bevor du gehst.“
Die Angestellte blieb weiterhin im Raum stehen und wartete geduldig.
„Auf was wartest du denn, beweg deinen Hintern.“
„Wie wollen Sie ihren Kaffee heute?“
Der Rechtsanwalt winkte heftig mit der Hand und schnappte bereits mit der anderen erneut sein Telefon.
„Ohne Zucker!“, brummte er, bevor die Frau den Raum verließ.
Mit tiefem Seufzer machte sie die dunkle Holztür hinter sich zu und überlegte sich, ob ihr Chef ihr wiedermal auf den Hinter geglotzt hatte beim Verlassen des Büros, denn er tat es meistens.
„Vanessa, Mittagessen!“, rief die Sekretärin beim Betreten des kleinen Büchercafés, das nur wenige Straßen vom Rechtsanwaltbüro entfernt lag. Sogleich tauchte Vanessa hinter einem der unzähligen Bücherregale auf und lächelte ihren Besuch mit einem breiten Grinsen an.
„Was ist es heute?“
„China day!“, scherzte die Besucherin und wedelte mit den Tüten in ihrer linken Hand.
„Du versüßt mir immer wieder meinen tristen Tag in dem verstaubten Eck hier. Setz dich.“
„Tony, übernimmst du bitte für mich die Theke?“ Sogleich eilte der junge Aushilfskellner herbei mit einem Hüftschwung, bei dem sicherlich die eine oder andere Frau ziemlich neidisch wäre.
„Ist er nicht schnuggelig?“, flüsterte Vanessa ihrer Besucherin entgegen und kicherte sofort wie ein verliebtes kleines Mädchen.
Schnell wurde der übliche Tisch freigemacht und beide Frauen nahmen Platz in dem etwas dunklen Eck, das scheinbar genau deswegen nur als Ablage für etliche Bücher und Zeitschriften diente.
„Und, wie schlimm war der Arsch heute?“
„Frag nicht, ich bekomm schon schlechte Laune, wenn ich nur dran denk.“, Vanessa schaute mitfühlend ihre Freundin an und schüttelte mit dem Kopf.
„Wann kündigst du endlich?“
„Am liebsten schon vor einem Jahr, aber ich finde sicherlich keine andere Stelle, die so gut bezahlt ist.“ Unzählige Falten bildeten sich auf der Stirn, von der Sekretärin, während sie ihr Essen auspackte.
„Alicia! Scheiß auf das Geld. Du kannst dich nicht ständig von ihm so nieder machen lassen.“ Auch Vanessa öffnete ihre Box und schnupperte den entgegenkommenden warmen, dampfenden Geruch des erst kürzlich zubereiteten Essens.
„Abgesehen davon, hätte ich ihn an deiner Stelle damals angezeigt. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist keine Kleinigkeit.“ Der erste Happen Reis wanderte von den Stäbchen in Vanessas Mund.
„Lassen wir das Thema, okay? Ich werde bald etwas ändern in meinem Leben.“
„Das sagst du ständig und immer noch sitzen wir täglich hier in dem alten Laden. Ein Wunder, dass der überhaupt sich hält. Wohl nur wegen dir.“ , scherzte die Ladenbesitzerin, weil ihre Freundin in dem Laden schon etliche Stunden verbracht hatte und den größten Teil der Büchersammlung auswendig kannte.
„Wie geht es eigentlich Beatrix?“
„Sie ist wirklich sehr glücklich. Ich gönn ihr dieses Glück vom ganzen Herzen. Nach all den Jahren wurde es auch Zeit.“ Alicia atmete tief ein und dachte dabei an ihre frühere Chefin, die wirklich die netteste Person war, die sie getroffen hatte. Vor knapp zwei Jahren nun, zog die sehr erfolgreiche Rechtsanwältin weg, um bei der Frau zu sein, der ihr Herz gehörte.
Alicia fragte sich selber oft, ob irgendwo auch ihre Herzensdame rumschwirrte und nur darauf wartete endlich in ihr Leben reinzuplatzen.
Unerwartet sprang Vanessa von ihrem Stuhl, steckte die Stäbchen in ihren aufgehäuften Reis und rannte eilig hinter zur Kasse.
„Ich habe was für dich. Es ist endlich gekommen.“ Ganz aufgeregt hüpfte die quirlige Besitzerin des Cafés wieder vor zu ihrer Freundin und überreichte ihr ein verpacktes Geschenk.
„Ist es…“
„Ja!“, unterbrach mit einem euphorischen Aufruf die Ladenbesitzerin Alicias Satz und erntete dabei ein paar Neugierige Blicke der anderen Gäste.
„Das hättest du echt nicht tun müssen. Ich hätte es in paar Wochen online vorbestellt.“
„Schau rein!“ Nun hüpfte Vanessa noch ungeduldiger von einem Bein auf das andere und konnte es kaum erwarten den Ausdruck ihrer Freundin zu sehen, die gerade zaghaft das Geschenkpapier entblätterte.
Alicia öffnete das Hardcover des Buches und erblickte sofort die Widmung darin.
‚Mit tiefster Zuneigung für meinen größten Fan Alice!‘
Drunter standen in einer wunderschönen geschwungenen Schrift die Initialen des Autors, R. B.
„Vanessa!“ Ganz aufgelöst, sprang Alicia auf und umklammerte ihre Freundin ganz fest.
„Alles Gute zum Geburtstag meine Liebe Alice! Du hast sicher gedacht, ich habe ihn vergessen, nicht wahr?“
Alicia, die sich selber oftmals nur Alice nannte, strahlte über das ganze Gesicht und umklammerte ihre Freundin noch fester. Kaum hatten sie sich voneinander gelöst, standen alle anderen Gäste unerwartet auf und wie abgesprochen, ertönte ein „Happy Birthday to you“ im ganzen Raum. Zugleich kam Tony mit einer kleinen Torte hervor, in der eine Kerze brannte.
„Ich wollte nicht den ganzen Kuchen mit so vielen Kerzen bestücken. Außerdem hatte ich nicht mal so viele.“ Wieder kicherte Vanessa in einem hohen Ton vor sich hin, tapste ihrer Freundin mehrmals auf die Schulter und umarmte sie schließlich erneut.
Völlig aufgewühlt und mit einem Lächeln auf den Lippen stand Alicia in dem kleinen Café und hielt ihr Geschenk ganz fest mit den Händen, denn es war nicht nur irgendein gewöhnliches Buch für sie, sondern das kostbarste Geschenk, dass sie je bekommen hatte.
Ich will mehr!
Hier liege ich nun. In dem Bett dieser Schönheit, stöhne vor Verlangen, weil jede ihrer Berührungen mich auf ein neues Level der Lust befördert. Wer ist sie bloß wirklich, frage ich mich und will es zugleich gar nicht wissen, aus Angst, dass mir die Wahrheit nicht gefallen könnte.
Nachdem meine Hände nun wieder befreit sind, darf ich mich für einen kurzen Moment entspannen, während sie erneut zum Schrank geht. Sie trägt lediglich ihre Bluse. Ich kann ihren Körper nun endlich ganz genau betrachten im schummrigen Licht der Nachttischlampen. Über ihr rechtes Bein erstreckt sich eine lange Narbe. Zu gern würde ich sie nun fragen, woher diese kommt, aber sie hat mir verboten zu sprechen ohne Erlaubnis, diese Lektion habe ich bereits gelernt.
Sie kommt wieder auf mich zu. Hat eine Augenbilde in der Hand. Sagt, dass heute meine Sinne getestet werden. Was sie wohl genau damit meint? Und schon sehe ich nichts mehr. Alles verschwindet in einer vollkommenen Dunkelheit. Ich fühle mich hilfloser als in der gefesselten Position, weil ich jetzt absolut Nichts vorhersehen kann, aber innerlich gefällt es mir.
Meine Mistress packt nun meine Hände, die immer noch die Lederhandfesseln dran haben. Ich höre ein klackendes Geräusch und spüre sogleich, dass ich erneut gefesselt bin, dieses Mal an den Gitterstäben des Kopfendes vom Bett. Meine Arme haben mehr Freiheit als zuvor, jedoch bin ich zu hoch angebunden, um mich entspannt in das Laken fallen zu können.
Ich höre einen weiteren Befehl. Ich soll mich wieder in eine kniende Position begeben. Ich darf mich aber nicht am Bettgestell festhalten, was mehr Kraft von mir erfordert, da die Fesseln Spiel haben. So halte ich mich nur an der Kette fest und schwanke leicht hin und her.
„Beine auseinander. Streck dein Hinter mehr raus.“ Ich befolge, stillschweigend und genieße endlich eine Berührung, die meinen Rücken erreicht. Sie wandert mit ihren Fingernägeln über meine Haut, runter zum Po. Ihre Hand trifft meine Backe. Nicht fest, aber ausreichend, dass ich noch mehr nach der Kette greifen muss, um mich festzuhalten.
Plötzlich lässt sie ab von mir, ich spüre, wie sie vom Bett runtergeht.
„Geht sie nun zum Schrank, um wieder eine neue Überraschung rauszuholen?“, frage ich mich innerlich und bebe leicht vor Neugier. Sie lässt mich warten.
Wenn einem die Sicht geraubt wird und man vollkommen ausgeliefert in einer entblößten Position verharren muss, ist jede einzelne Sekunde eine Folter für sich. Eine unerträglich schöne Folter, da ich mir jetzt alles Mögliche Vorstelle. Steht sie womöglich vor mir und betrachtet gerade meine Öffnungen? Es erregt mich und ich drück mein Becken noch ein Stück ihr entgegen, in der Hoffnung, dass sie es sieht.
„Ich will wissen, was dir gerade durch den Kopf geht.“
Ich kann überhaupt nicht zuordnen woher ihre Stimme mich erreicht, aber sie ist in meiner Nähe.
„Du hast die Erlaubnis mir zu antworten.“, fügt sie mit unerwartet ruhiger und sanfter Stimme hinzu.
„Beobachtest du mich gerade?“
„Keine Gegenfragen!“ Das Ende der Gerte, so denke ich zumindest, erreicht meinen Rücken und hinterlässt ein brennendes Gefühl auf der Haut. Ein zweiter Hieb gilt meinem Po, für das Vergessen der richtigen Anrede.
„Ich habe mir vorgestellt, wie du mich beobachtest. Mit deinen Blicken tief in mich eindringst. Mistress.“
„Willst du, dass ich in dich eindringe?“ Ich fühle ihre Nähe, als sie diese Worte in mein Ohr flüstert. Ein kalter Schauer läuft mir über meinen Rücken, und zugleich steigt eine innere Hitze in mir hoch, wenn ich mir vorstelle auf welche Arten dieses Eindringen passieren könnte.
Sie packt mein Kinn, dreht mein Kopf leicht, küsst mich, berührt gleichzeitig mit der anderen meine Brust. Sie geht nicht grad sanft mit mir um, aber diese Prise Härte, ist genau das, was ich grad brauch.
Der Alltag ruft
Voller Hektik knöpfte Alicia ihre Bluse zu, bereits zum dritten Mal an dem Morgen. Aufgrund Schlaf- und Zeitmangel vergaß sie fast alles oder zog verkehrtherum an. Aber der eigentliche Übeltäter stand ganz unschuldig auf dem Nachttischchen, und zählte weiterhin die Minuten, die Alicia eindeutig nicht verschwenden durfte. Für Frühstück, geschweige denn vernünftiges Styling blieb erst recht keine Zeit.
Gerade noch so, schaffte sie es die U-Bahn zu erwischen, allerdings nicht zu ihrer üblichen Zeit. Sie nahm Platz, entspannte sich etwas und musterte kurz eine Frau ihr gegenüber, die vollkommen versunken in ihren Unterlagen rumwälzte und ihre Stirn ständig runzelte. Vor ihr klebte an der Haltestange ein kleiner Zettel. Zu gern hätte Alicia gelesen, was auf dem quadratischen Stück Papier geschrieben war, denn scheinbar hatte der Text eine große Wirkung auf die Dame ihr Gegenüber, als diese einige Stationen später den Zettel endlich wahrgenommen hatte.
Die ganze Beobachtungsaktion hätte aber fast dafür gesorgt, dass Alicia selber ihre Haltestelle beinahe verpasste. Im letzten Moment sprang sie noch aus der U-Bahn heraus und setzte ihren Wettlauf um die Zeit zum Büro fort.
„Halt, warten Sie bitte auf mich!“, rief Alice und quetschte sich an diesem Morgen schon zum zweiten Mal durch sich schließende Türen. Erleichtert atmete sie tief durch und nahm den dezenten Duft eines Parfüms wahr.
„Fast schon zu mild für einen Mann.“, dachte sich Alicia und wagte einen kurzen Blick zu ihrer linken Seite. Neben ihr stand ein junger Mann, zumindest hatte es den Anschein, wenn man nach der Kleidung urteilte. Anzug, Krawatte, eine silberne Uhr glänzte am rechten Handgelenk, doch das Gesicht war voller weicher Züge. Alice vergaß jegliche Etikette und starrte inzwischen ganz ungeniert die Person neben ihr an, bis diese ebenfalls einen direkten Blick entgegensetzte.
Rasch zog Alicia ihre Augen von der Person ab, konnte aber nur an die wunderschönen Augen denken, die sie gerade angeblickt hatten. Sie waren magisch. Eins glänzte in einem klaren Grün, während das andere mit einer blauen Tiefe verführte. Noch nie hatte Alice solches Herzrasen wegen einem flüchtigen Augenkontakt, und schon gar nicht, wenn es ein Mann war.
Endlich stoppte der Aufzug und der junge Mann verließ den Fahrstuhl mit einem neckischen Lächeln und erneutem direkten Augenkontakt.
„Ein schöner Rücken, kann auch entzücken“, flüsterte Alicia zu sich selbst, während ihre Augen fast schon magnetisch die fremde Person anvisierten. Der Gang war locker, beide Hände in den Hosentaschen. Allerdings wirkte die ganze Silhouette viel zu schmächtig für einen richtigen Mann.
„Könnte es womöglich sein, dass…“ Aber Alice verfolgte ihre Überlegung nicht weiter als sich die Türen des Aufzuges schlossen und lenkte ihre Gedanken wieder auf ihre eigenen Probleme.
„Anita! Wieso kommst du erst jetzt?“
„Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen Herr Sommer!“, antwortete Alicia etwas kühl und stellte ihre Handtasche auf ihrem Platz ab. Es war der einzige Schreibtisch, der in dem kleinen Vorzimmer stand. Eine weitere Tür trennte den Vorraum mit dem eigentlichen Büro des Rechtsanwaltes.
Mit einem Knopfdruck, startete sie den Rechner und holte tief Luft, eher der übliche Alltag seinen Lauf nahm.
„Wie auch immer. Ich habe dir die Liste gemailt mit den Akten, die ich in der nächsten halben Stunden auf meinem Schreibtisch sehen will. Ich warte auch dringend auf den Rückruf von Brennbauer, der Mistkerl geht mir seit Tagen aus dem Weg.“ Weitere Aufgaben folgten, fast schon im Minutentakt. Alice liebte ihren Job, zumindest war es so vor einigen Jahren, als sie von ihrer früheren Chefin eingestellt wurde, und jeden Tag mit einem Lächeln startete und mit einem guten Gefühl ihre Arbeitsstelle verließ.
Wie oft hatte sich Alicia schon gedacht, dass sie vielleicht doch das Angebot hätte annehmen sollen und einfach mit Beatrix weggehen. Aus der Kanzlei, aus der Stadt und weit weg von all dem Misserfolg, der hier auf ihr lastete. Aber sie lehnte ab, aus Liebe, die am Ende auch zum Fehlschlag wurde.
„Wieder?“ Vanessa begrüßte ihre Freundin mit einem Küsschen auf die Wange und eilte wieder hinter die Theke, um beiden Kaffee einzuschenken.
Es war üblich, dass die beiden gemeinsam zu Mittag aßen, wenn Alice die volle Mittagspause genießen konnte, was immer wieder mal aufgrund der vielen Arbeit leider nur in Kaffee und Kuchen umgewandelt werden musste.
„Nein, heute war ich selber schuld. Habe verschlafen.“ Etwas erschöpft griff Alicia nach der Tasse und machte einen großen Schluck. Sie hatte den ganzen Vormittag keine Zeit gefunden, um wenigstens mal eine Minute aufzuatmen.
„Lass mich raten, die ganze Nacht durchgelesen?“
„Wie kommst du drauf?“
„Deine Augenringe verraten dich, meine Liebe!“ Etwas skeptisch griff Alice nach dem Tablett aus Edelstahl und betrachtete die leicht verschwommene Doppelgängerin im glänzenden Metall.
„Außer du hast endlich jemanden gefunden, der deine Nächte kurz und heiß hält?“, scherzte Vanessa und servierte zwei Stück Kuchen zum Kaffee dazu.
„Mach dich ruhig über mich lustig.“ Alice führte das Tablett noch näher an sich heran und kontrollierte ganz genau, ob der Schlafmangel sich so arg im Gesicht abgedruckt hatte.
„Jetzt hör schon auf, du nimmst alles viel zu ernst und pessimistisch!“ Und schon schnappte die Ladenbesitzerin nach ihrem Eigentum und verstaute es außerhalb der Reichweite von Alicia.
„Ich bin es nicht, die den Regenwolken nachjagt. Die jagen mich!“ Alice ließ ihre Augen durch das Café wandern. Aus irgendeinem Grund kam ihr ausgerechnet jetzt der junge Mann wieder in den Sinn.
„Ich habe heute eine heiße Begegnung im Fahrstuhl gehabt.“, sagte sie schon fast beiläufig.
„Ich bin ganz Ohr.“ Mit beiden Ellenbogen stützte sich Vanessa an der Theke ab und sah gespannt zu ihrer Freundin hinüber.
„Es war eigentlich nichts Besonderes, aber dieses Gefühl hatte ich schon seit langer Zeit nicht mehr.“
„Etwas konkreter bitte.“ Die sonst so quirlige Stimme von Vanessa, klang plötzlich etliche Stufen tiefer und durchdringender.
„Ich habe heute einen sehr femininen Mann…“ Alice stoppte kurz ihren Satz, um zu überlegen, ob sie ihren Gedanken aussprechen sollte.
„…oder doch eine sehr androgyne Frau getroffen.“ Wieder stoppte Alice und rief erneut das Bild in ihrem Kopf hervor.
„Lass dir doch nicht immer alles aus der Nase ziehen.“ Ein weiterer Happen Kuchen wanderte in Vanessas Mund.
„Sie hatte unterschiedliche Augen. Ich meine die Farbe.“ Flink wie ein Wiesel, griff Vanessa nach ihrem Smartphone und tippte bereits wild auf ihrem Display rum.
„Iris-Heterochromie.“ Vanessa schaut wieder zu ihrer Freundin rüber, als würde sie auf eine Bestätigung warten, welche sie auch durch ein zögerliches Nicken bekam.
„Ich habe aber natürlich nichts derartiges gefragt.“, verteidigte sich Alice und machte einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse.
„Und, was ist dann vorgefallen. Leidenschaftliches Knistern zwischen euch beiden?“
„Welches Knistern? Hast du mich heut mal genau betrachtet?“ Alicia sah kurz auf ihre Bluse, die sie nicht wirklich mochte. In der Früh hatte sie nicht drauf geachtet, nach was sie genau griff. Die Stoffhose war auch nur zweite Wahl in ihrem Kleiderschrank. Zum Schluss betrachtete sie die flachen Schuhe. Mit einem Absatz wollte sie nun wirklich nicht zur Arbeit eilen, denn ein schlechtes Erlebnis und mehrere Wochen Krücken hatten sie eines Besseren belehrt.
„Von der Frisur und Makeup ganz zu schweigen“, fügte Alicia noch leise hinzu, und strich sich mit der linken Hand die fast schulterlange blonde Haarpartie hinter das Ohr.
„Du bist wirklich eine Meckertante!“
Alicia warf einen flüchtigen Blick auf ihre Armbanduhr und stopfte sich hastig den letzten etwas größeren Bissen Kuchen in den Mund. Das ganze wurde mit dem inzwischen lauwarmen Kaffee nachgespült und schon stand sie bereits aufrecht, bereit wieder ins Büro zu eilen.
„Die Mimose muss jetzt ihrem tristen Job nachgehen.“, nuschelte sie mit vorgehaltener Hand vor ihrem Mund.
„Liebes, wir müssen dringend etwas an deiner Einstellung ändern.“ Mit wenigen Tippbewegungen, hatte Vanessa bereits wieder etwas in ihr allwissendes Gäret eingegeben und zeigte rasch das Ergebnis ihrer Freundin.
„Samstag. 20 Uhr. Du. Bei mir.“ Alicia überflog den Flyer auf dem kleinen Monitor.
„Das Phönix? Dein Ernst? Wie willst du uns da kurzfristig rein bekommen?“
„Lass das meine Sorge sein. Schließlich habe ich dir auch die Erstausgabe mit Widmung von deinem Lieblingsautoren besorgt.“ Frech zwinkerte Vanessa ihrer Freundin zu und Lachte dabei wieder in ihrer hohen Tonlage durch das ganze Café.
„Hab schon die ersten paar Kapitel hinter mir, wie du bemerkt hast!“ Wieder voller Hektik, schickte Alicia ihrer langjährigen Freundin einen Luftkuss zum Abschied und eilte hinaus aus dem kleinen Büchercafé.
Ich bin gefangen
Ihre Lippen berühren meine. Sie ist fast schon zu zart beim Küssen, finde ich. Ich genieße stillschweigend, denn ich will alle Seiten an ihr kennenlernen.
Wieder lässt sie unerwartet ab von mir. Allein. Meine Armen werden so langsam schwer und ich sehne mich danach, mich einfach fallen zu lassen. Aber das wird nicht passieren, ich weiß es.
Ganz sanft fährt sie auf einmal über meine Haut mit ihren Fingerkuppen. Über Meinen halben Rücken erstrecken sich sieben Rosenköpfe mit schwarzer Tinte auf meiner Haut verewigt. Eins meiner Jugendsünden, wie ich immer mit einem Schmunzeln betone.
Sie umkreist langsam die einzelnen Blüten, bedeckt meinen Rücken mit Küssen. Fährt mit ihren Fingern von meiner rechten Schulter diagonal runter zur linken Taillenseite, entlang am Motivrand.
Was hat sie nur vor, denke ich mir und bewege meinen Körper passend zu ihren Berührungen. Es folgt keine Strafe. Es wundert mich nun noch mehr. Ich will es wissen, was als Nächstes kommt.
Ihre Finger gleiten bereits durch meine Nässe, die sogar für mich ungewohnte Dimensionen angenommen hat. Langsam kreisen mehrere Finger um meine Lustperle.
Ich stöhne leise auf. Will etwas sagen, trau mich nicht. Greif nach der Kette, von der ich mit meinen verschwitzten Händen immer wieder fast abrutsche.
„Sprich!“ Ohne Unterbrechung führt ihre Hand weiter die massierende Bewegung fort. Mit der andern Hand spielt sie mit meinen inzwischen sehr empfindlichen Brüsten. Wieder küsst sie meinen Rücken, leckt über meine Haut. Kitzelt mich mit ihren kurzen Locken, welche sie sicherlich gerade ebenfalls sehr stören.
„Mistress, was hast du mit mir vor?“ Ein lustvolles Zucken durchfährt meine Innenschenkel und ich bin kurz davor nach den Gitterstäben zu greifen für einen bessern Halt. Im Letzten Moment des Gedankens halte ich mich jedoch zurück.
„Ich habe gehofft, dass du danach fragst.“ Sie schweigt, küsst meine Haut, bewegt ihre Hand sehr präzise und löst einen Impuls nach dem anderen in meinem Körper aus. Ich kann mich kaum noch auf meinen Knien halten.
„Ich werde deinen Körper jetzt an den Punkt bringen, der knapp vor dem Höhepunkt liegt und dann dich dir selbst überlassen. Es ist dir nicht erlaubt durch mich zu kommen.“
Ich zittere, nicht weil mir kalt ist, sondern weil ihre Hand mich zum Beben bringt. Meine Atmung wird schneller, flacher, ich bin bei dem besagten Punkt. Wie Angekündigt, jedoch unerwartet, lässt sie von mir ab. Ich kann nichts dagegen tun, mein Becken bewegt sich, der ganze Körper ist in Bewegung. Ich frage mich in einem winzigen Moment der Klare in meinem Kopf, woher sie genau den Augenblick wusste, in dem sie mich loslassen muss. Bin ich so offensichtlich?
Ich will mehr, will endlich all meine angestaute Lust befreien, bin gefangen in der eigenen Erregung, die gerade wieder abebbt, statt meinen Körper zu überfluten.
Innerlich schreie ich nach IHR! Bin vollkommen ausgeliefert und würde alles tun, was sie mir sagt, um nur diesen einen Schuss der Lust endlich genießen zu dürfen.
Ihre Hand streicht wieder zärtlich meine Rundungen, wandert hinab, taucht einmal tief in mich ein. Ich kann nicht anders, als laut aufzustöhnen, als ihre Finger in mir drin sich in Bewegung setzen. Zu kurz. Ich bin bereits wieder mir selber ausgeliefert. Meine Hände geben nach, ich sacke ab, baumele kraftlos an der Kette. Es vergeht wieder Zeit, aber ich habe absolut gar kein Zeitgefühl mehr.
Sie berührt mich erneut. Nun dringt sie von Hinten in mich ein mit ihren Fingern. Dieses Gefühl. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, will endlich kommen und flehe innerlich nach weiteren Stößen, die mich Körper erreichen. Bin wieder kurz davor. Nur noch einen Moment länger, aber sie lässt unerwartet von mir ab. Meine Beine zittern und ich habe kaum Kraft mehr, um mich aufrecht zu halten.
„Willst du kommen?“, fragt sie mich spöttisch und leckt mich mit der Zungenspitze am Ohr.
„Ja, Mistress!“ Ich atme immer noch viel zu schnell und schlucke schwer, weil mein Mund inzwischen so trocken wie die Sahara ist.
„Ich kann dich nicht hören!“
„Ja, Mistress!“, flehe ich und füge ein klägliches ‚Bitte‘ hinzu.
Ich höre das Rascheln der einzelnen Metallringe, an welchen ich mich gerade noch krampfhaft festhielt. Meine Arme fallen auf das Laken, samt Handfesseln und Kette. Die Knie geben nach und ich finde mich in einer sitzenden Position wieder, während mein ganzer Unterkörper wie wild pocht.
Miss, are you ok?
„Alicia! Wo ist mein…“
„In Ihrer rechten inneren Tasche.“ Etwas überrascht, dass ihr Chef sie endlich bei ihrem richtigen Namen rief, deutete die Sekretärin auf das Sakko, in dem sich das gesuchte Flugticket befand.
„Gut, gut. Hast du meine Akten?“
„Sind schon im Koffer. Die wichtigsten Stellen habe ich Ihnen hervorgehoben und zusätzlich markiert.“
„Und ich kann dich wirklich nicht überreden mitzukommen?“
„Ich habe schon vor Monaten meinen Urlaub eingetragen und habe bereits dementsprechend andere Pläne.“ Eigentlich entsprach diese Aussage nur halb der Wahrheit. Es war richtig, dass Alice den Urlaub schon lange geplant hatte. Halbe Woche die Beine auf der Couch baumeln lassen, Wochenende und dann noch eine halbe Woche an Überstunden, die endlich sich auszahlten. Aber bis auf den bevorstehenden Samstag, an dem sie mit ihrer besten Freundin die Nacht unsicher machen wollte, gab es keine weiteren Pläne.
„Wie auch immer. Bleib bitte zumindest erreichbar, falls ich doch kurzfristig etwas brauchen sollte.“ der Rechtsanwalt strich sich durch das wüste Haar, tastete dann alles nochmal ab, ob Schlüssel, Ticket, Akten und weitere notwendige Gegenstände dabei waren und marschierte wortlos aus seinem Büro.
Es war schon ein Wunder, wie solch eine Person so einen Erfolg im Beruf haben konnte. Er grüßte nie, verabschiedete sich nie und war allgemein ein wortkarger Typ, zumindest in Gegenwart von Alicia. Bei Mandantenbesuchen setzte er aber seine Schleimer-Maske auf und war wie gewandelt.
An sich war er womöglich nicht der schlimmste Chef, denn man erwischen konnte, wäre da nicht der Vorfall vor fast einem Jahr. Alicia hatte damals wieder einen gewaltigen Überstundentag und war bis spät abends noch im Büro. Sie verfluchte ihren Arbeitgeber für seine Ansicht, dass eine Person die Menge an Arbeit, die er ihr aufbürdete, locker bewältigen konnte. Kurz bevor sie endlich das Büro verlassen wollte, tauchte ihr Chef auf. Nach seinem Äußerem zu urteilen, hatte er eine gewaltige Fete hinter sich und eine Menge Alkohol intus, was aber nicht seine Annäherungsversuche seiner Angestellten gegenüber rechtfertigte. Mit einer Ohrfeige und einigen Beschimpfungen, verließ die sehr verärgerte Sekretärin das Büro mit der Einstellung dieses nie wieder zu betreten. Am nächsten Tag wurde sie von Herrn Sommer unsanft aus dem Schlaf gerissen.
„Gedenkst du heute in die Arbeit zu kommen?“, drang seine Stimme ganz sachlich durch den Hörer.
„Wie kommen Sie drauf, dass ich überhaupt wieder zur Arbeit kommen würde?“
„Weil ich dich hier brauche.“ Er schwieg. Vielleicht rang er in diesem Augenblick mit Worten, die mehr nach einer Entschuldigung klangen.
„Nimm dir so viele Tage frei, wie du brauchst.“, waren seine letzten Worte, eher er einfach auflegte.
„Was sollte das denn bitte gerad sein?“, fragte sich Alicia und schmiss das Telefon auf das Bett neben ihr.
In den darauffolgenden Tagen erkundigte sich Herr Sommer mehrmals nach seiner Angestellten, als hätte diese eine schlimme Grippe erwischt. Schickte sogar einen Obstkorb mit einer Karte darin mit der Frage ‚Wann kommst du wieder?‘. Letztendlich gab Alicia nach und kehrte zurück unter Aufstellung mehrere Bedingungen, die unter anderem auch schriftlich festgehalten wurden. Herr Sommer nickte alle Wünsch ab, auch wenn mit einer Randbemerkung, dass man es fast schon als Erpressung auslegen könnte.
Das schrille Klingeln des Bürotelefons unterbrach die kurze Gedankenreise in die Vergangenheit schlagartig.
„Rechtsanwaltkanzlei Sommer. Alicia Freyr. Guten Tag.“
„Ah, du bist noch da. Sehr gut. Ich habe doch tatsächlich am Schreibtisch die Akten vom Kowalski Fall liegen lassen.“
Alicia musste nicht nachfragen, denn es war eindeutig klar, wer am anderen Ende der Leitung war.
„Moment ich schau gleich nach.“ Der Hörer wanderte auf den Tisch und die Freisprechanlage wurde aktiviert.
„Wo genau liegen die Unterlagen?“
„Auf meinem Tisch halt.“, brummte Rechtsanwalt Sommer leicht ungeduldig zurück.
Alice betrachtete den besagten Tisch, auf dem sich alles Mögliche stapelte. Mehrere leere Tassen, ein Berg an Kugelschreibern und noch mehr Akten und Papiere. Dies war wohl einer der Gründe, wieso Herr Sommer mehrere Ledersessel und einen schicken Designer Glastisch in sein Büro ordern ließ, gleich nach der Übernahme der Räumlichkeiten.
„Ich habe die Unterlagen doch Ihnen extra in den Koffer gepackt.“
„Das weiß ich, aber ich wollte die Kowalski Akte auch mitnehmen, weil der Mandant endlich das Gutachten bekommen hat.“ Herr Sommer klang wieder etwas sanfter bemerkte Alicia leicht erstaunt und hielt weiter Ausschau nach den vergessenen Unterlagen.
„Hab Sie!“, rief sie erleichtert und hielt triumphierend die Aktenmappe hoch.
„Toll. Bringe sie mir umgehend her.“
Alicia hatte gar keine Zeit, um etwas entgegen zu sagen, weil bereits das Freizeichen zu hören war.
„Und schon wieder Überstunden. Und das Taxi darf ich gleich auch erstmal selber zahlen.“, murmelte Alice und machte sich sogleich auf den Weg.
Zum Glück standen in Sichtweite immer eins oder zwei Taxen rum. Das riesige, fast nur aus einer Glasfront bestehende Bürogebäude beinhaltete etlichen Unternehmen, die sich hier eingenistet hatte. Unter anderem Arztpraxen, Notare, Rechtsanwälte und sogar ein Buchverlag war vertreten.
„Ich bin in fünf Minuten da. Wo finde ich Sie?“
„Wieso brauchst du solange?“
„Berufsverkehr.“
„Wie auch immer. Ich bin vor dem Check In.“
Und wieder war das Gespräch bereits beendet. Alice überreichte dem Fahrer hastig das Geld und eilte zu ihrem Ziel mit unzähligen Beschimpfungen in Gedanken, die allesamt ihren Chef betrafen.
Ganz darauf fixiert so schnell es geht die Unterlagen zu bringen, hatte sie einen einzigen Moment lang nicht auf den ganzen Tumult geachtet und prallte mit der linken Schulter gegen etwas, oder besser gesagt gegen jemanden. Ein Businessmann, mittleren Alters, mit stattlicher Größe baute sich vor ihr auf mit einem rotangelaufenen Gesicht. In seiner linken Hand hielt er einen Becher dessen Inhalt über den Ärmel hinunter lief.
„Sind sie komplett verblödet, sogar zum richtig hinsehen, wo sie hinrennen?“, schnaubte der Kerl und drückte den Becher in seiner Hand noch mehr zusammen.
„Es tut mir furchtbar leid. Ich dachte, sie würden mir ausweichen, da sie mich direkt angesehen haben.“
„Sie dachten? Das bezweifle ich ja mal ganz stark, dass die überhaupt denken.“ Nun schaute der Riese hinunter und bemerkte, dass auch seine glänzenden Schuhe einige Tropfen abbekommen haben. Im selben Augenblick setzte Alicia ihren Gang fort, zumindest wollte sie das tun, wurde aber unsanft am Arm gepackt und fast schon mit Gewalt einige Schritte zurückgezogen.
„Wo wollen Sie hin?“
„Ich habe mich doch schon entschuldigt. Lassen Sie mich bitte also los. Ich habe es eilig.“ Etwas verängstigt versuchte die zierliche Frau sich aus dem Griff des Mannes zu befreien, der allerdings noch fester zupackte.
„Der Anzug war recht teuer, Täubchen.“, sagte er und näherte sich Alice mit seinem Gesicht.
„Ich gebe Ihnen gern meine Visitenkarte und wir können es später regeln. Lassen Sie bitte los.“
„Oder du kommst mit mir mit und wir regeln es sof…“
„Sie sollen die Lady loslassen, oder hören sie schlecht?“ Alicia wendete ganz überrascht ihren Kopf und sah eine weitere Gestalt neben sich stehen, die zwischen ihr und den Businessmann trat.
Der ältere Mann schien ebenfalls überrascht zu sein und nahm seine Hand endlich weg.
„Ich habe sie beobachtet.“, sagte die andere Frau mit einem gewissen Unterton, zumindest klang die Stimmfarbe zu hoch, um einem Mann zu gehören. Die Fremde trug eine schwarze Sonnenbrille, ein Schwarzrot-kariertes Hemd mit einer schwarzen Fliege dran. Die Beine waren in eine löchrige schwarze Jeans gehüllt, die leicht schimmerte und scheinbar abgetretene Stiefel rundeten das Outfit ab.
„Haben wir hier irgendein Problem?“, fügte die Retterin hinzu mit einem leichten Akzent in der Stimme.
Der Mann im Anzug schielte mehrmals hin und her zwischen den beiden Frauen, drehte sich abrupt um und suchte eilig das Weite. Alicia verstand Garnichts mehr in dem Augenblick.
„Miss, are you ok?“ Die Fremde nahm nun endlich ihre Brille ab und Alicia stockte der Atmen. Zwei unterschiedliche Augenfarben blickten ihr entgegen. Sie erkannte nun sofort die bereits bekannten Gesichtszüge und das absolut umwerfende Lächeln der Person aus dem Lift.
„Yes. thanks I’m fine.” Alice schob sich leicht verlegen die Haarsträhnen hinter das linke Ohr, erinnerte sich aber zugleich an ihre eigentliche Mission.
„Wirklich vielen lieben Dank. Ich habe aber leider keine Zeit.“ Wie gern hätte Alicia diesen Moment genutzt, um mit der wirklich sehr reizenden Frau wenigstens ein paar normale Sätze auszutauschen. Sie lächelte ihre Retterin noch kurz an und sprintete im wahrsten Sinne des Wortes los, um ihren Chef noch rechtzeitig zu erwischen.
Ich halte dich fest
Sie umfasst meine Wangen mit beiden Händen. Langsam löst sie die Augenbilde von meinem Gesicht. Sogar das schwache Licht im Raum zwingt mich zum mehrmaligen Blinzeln und Zukneifen der Lider. Sie vergeudet keine Zeit. Pack die Kette, an der meine Hände sind und signalisiert mir damit, dass ich zu folgen habe.
Wir bewegen uns schweigend zum dunkelsten Eck des Raumes. Der Sessel, der dort ist, hat die Form einer Halbkugel, die an drei dicken Metalldrähten an der Decke montiert ist. Die Runde Schale ist ebenfalls schwarz, wie die restliche Möbel und Stoffe im Zimmer.
Sie schwebt nun vor mir, mit übereinander verschränkten Beinen. Kein einziges Kleidungsstück bedeckt ihren Körper mehr.
Sie befielt mich vor ihr hinzusetzen, zieht mich an der Kette ein Stück näher zu sich. Streichelt mein Kinn, Hals. Ihre Hände wandern weiter zu meinen Fesseln. Sie lockert diese etwas. Nun haben meine Arme und Hände etwas Freiraum.
Ihre neue Anweisung ist einfach und klar. Ich darf mich berühren und wenn ich will auch kommen.
„Aber zunächst machst du mich glücklich. Streng dich an!“
Sie spreizt ihre Beine vor mir und ermöglicht mir einen wunderbaren Einblick. Ich schmelze. Mein Unterleib bebt auf vor neuer Welle an Erregung.
Ich nähere mich ihr. Ungeduldig fahre ich mit meinen Fingern durch ihre ebenso nasse Zone. Es erstaunt mich etwas, weil ich es nicht erwartet habe. Hat es ihr so viel Vergnügen bereitet heute?
Der Sessel bewegt sich unkontrolliert hin und her. Ich merke schnell wo der Haken an der ganzen Selbstbefriedigungserlaubnis ist. Ich kann nicht gleichzeitig beides haben, weil ich dieses schwebende Ding festhalten muss und die Kette, an der meine Hände nach wie vor zusammengehaltenwerde, eindeutig zu kurz ist, um mein Lustzentrum erreichen zu können. Abgesehen davon muss ich sie zuerst zum Höhepunkt bringen.
Ich schmunzle innerlich und lass meine Zunge die Arbeit verrichten. Mit einer Hand dringe ich in ihre Tiefe. Sie hält sich zurück, aber ihr Körper wird mit jeder Sekunde immer mehr und mehr angespannter. Leise Töne quetschen sich durch ihre verschlossenen Lippen.
Endlich habe ich einen kurzen Moment, in der sie mir ausgeliefert ist. Ich spreize ihre Beine noch ein Stück weiter, damit auch meine Zunge in sie eintauchen kann. Sie stöhnt auf, packt mit beiden Händen meinen Kopf, fährt mir durchs Haar und streicht es aus dem Gesicht. Ich weiß, dass sie mich höchstwahrscheinlich gerade anschaut.
Unaufhörlich lasse ich meine Zunge wieder über ihre deutlich angeschwollene Perle kreisen. Ich genieß diesen Augenblick sehr. Will mehr von ihr kosten, will nicht aufhören. Pack sie am Becken mit beiden Händen und zieh sieh ein Stück raus aus der Schwebeschale, damit es für mich bequemer ist.
Sie hält sich nicht mehr zurück, stöhnt laut auf, wenn meine Zunge ihre im Moment sehr sensible Stelle trifft. Meine Finger tauchen immer wieder in sie hinein und ich spüre, wie sich ihr Körper mit entgegen wölbt.
Ich halte sie fest, lass nicht zu, dass sie ihre Beine wieder zusammenpresst. Höre ihrer Stimme zu, die immer lauter wird. Meine Mistress bewegt nun ihren Körper in einem immer schnelleren Rhythmus. Gleich ist es soweit. Ich presse meine Lippen noch fester gegen ihr zartes Fleisch, lass nicht von ihr ab und schwelge in der Genugtuung, als sie endlich den einen Schrei von sich gibt, der mir sagt, dass ich es gut gemacht habe.
Nur ungern löse ich mich von ihr, aber sie zieht mich zu sich hoch und küsst mich lang und intensiv. Sie hat wohl ihre Rolle total vergessen, die Distanz gebrochen. Ich glaube, dass das Spiel nun ein Ende hat, werde aber sogleich eines besseren Belehrt, als sie mich leicht zurückschubst und ich vor ihr auf meinem Rücken lande.
Kniend sitze ich wieder vor ihr. Ihr Blick erneut kühl. Die Fassade ist wieder aufgebaut. Irgendwie finde ich es fast schon zu schade, da mir ihre leidenschaftliche Art auch sehr gefällt.
„Streck deine Arme aus.“
Ich gehorche wortlos.
Meine Handfesseln fallen zu Boden. Ich bin endlich befreit.
„Bring dich nun zum Höhepunkt!“
Ihre Beine sind wieder verschränkt, aber ihr Körper bewegt sich immer noch, als würde sie meine Zunge spüren. Die Vorstellung gefällt mir.
„Fang an!“, befiehlt sie und schaut mich direkt an.
Schüchternheit überschattet mich, denn noch nie habe ich mich selber in Gegenwart einer anderen Person auf solche Weise berührt.
Langsam fange ich an mein eigenes Lustzentrum zu verwöhnen. Ich bekomm aber keinen klaren Gedanken, zu sehr schäme ich mich im Augenblick.
„Schau mich dabei an!“ Genau das hatte ich befürchtet. Sie durchbohrt mich mit ihren einzigartigen Augen. Sieht sicherlich wie unbehaglich ich mich gerade fühle. Durch die ganzen Gedanken verliere ich nach und nach die Lust. Ein gewisses Maß an Druck baut sich in mir auf. Ich will diesen atemberaubenden Abend nicht zerstören.
Sie beginnt ihre Brüste zu streicheln. Das lenkt mich etwas ab, hilft mir abzuschalten. Als nächstes macht sie es sich bequem in dem Sessel, stützt sich mit den Beinen am runden Rand ab und lässt ihre Hand ebenfalls zwischen ihre Schenkel gleiten.
Unsere Blicke treffen uns. Ich sehe es ihr deutlich an, wie erregt sie ist. Das macht mich an. Ich habe sofort das Verlangen danach sie zu berühren. Sie wirkt in diesem Moment zu soft. Kein Funken Dominanz. Das verblüfft mich und macht mich noch heißer.
Ich versink in meinem Kopfkino bis ich ihren Befehl komplett ausgeführt habe. Erschöpft lasse ich mich wieder zu Boden gleiten, stütze ich mit beidem Armen ab und schau ihr zu, wie sie kurze Zeit später ebenfalls kommt.
Wir betrachten uns eine Weile gegenseitig. Die Augen haben sich schon längst an den Lichtmangel gewöhnt. Somit ist die dunkle Raumecke hell genug, um zu erkennen, dass sie mich anlächelt.
Sie steht auf, reicht mir die Hand und hilft mir beim Hochkommen. Ich bin ein Stück kleiner als sie ohne meine Absätze, die irgendwo auf dem Weg ins Schlafzimmer bereits abgelegt wurden.
Sie umarmt mich, hält mich fest.
Nach einem erneuten Kuss, nimmt sie meine Hand und führt mich wieder aufs Bett.
Endlich kann ich mich entspannt in den weichen Stoff fallen lassen. Ich will in ihren Armen einschlafen.
Ich öffne meinen Mund, will gerade etwas sagen, verstumm aber sogleich, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich es darf. Spielen wir noch?
„Du darfst wieder ganz normal mit mir reden.“ Sie lächelt mich an.
Ich bin erleichtert. Bin vollkommen entspannt und glücklich.
„Oh Alice, wir sind noch nicht fertig!“ Erstaunt betrachte ich ihr freches Grinsen. Ihre Lippen berühren meine, verweilen aber nur zu kurz an der Stelle und machen sich auf den Weg in meine Tiefe.
„Oh my goodness!“, stöhne ich und greife mit beiden Händen fest in den schwarzen Stoff unter mir.
Cinderella und das Smartphone
Wie immer viel zu energisch hüpfte Alicia durch ihre Wohnung, die eher einem Schlachtfeld glich. Sämtliche Klamotten lagen kreuz und quer auf dem Boden. Keines dieser hatte den Ansprüchen der Dame genügt. Für Kleider war sie nicht in der Stimmung, genauso wie für knappe Shorts, weil es eindeutig zu frisch draußen war zu der Jahreszeit. Die meisten Hosen verloren das Anprobespiel ebenfalls, weil sie schlichtweg inkompatibel waren zu den restlichen Sachen.
Ein weiteres Problem lag beim richtigen Maß der Optik. Alicia gehörte eindeutig zu der Sorte Mädchen, die nicht auf den ersten Blick als eine frauenliebende Person zu erkennen war. Wählte sie noch zusätzlich ein sehr elegantes Outfit, war es garantiert, dass ihr Männer den ganzen Abend nachglotzten. Aber meistens blieb es nie nur beim visuellen Verfolgen. Deswegen ging Alice selten weg, und schon erst recht nicht allein.
War sie mal bei einer Veranstaltung, die ausschließlich für Frauen und Männern galt, die das gleiche Geschlecht bevorzugte, durfte sie sich auch einige Male bereits anhören, dass sie ja lediglich eine Phase- oder Modelesbe wäre. Sowas frustrierte sie sehr, da in ihr so langsam die Lust aufkam sich endlich wieder verlieben zu dürfen. Womöglich war der langsam herbeieilende Frühling dran schuld oder eher das Geburtstagsgeschenk, was bereits gelesen im Regal Platz gefunden hatte.
Alicia liebte diesen Autor, nein sie vergötterte ihn. Es gab jedoch absolut keine Information über ihn. Viele Fans schrieben die Bücher etlichen bereits sehr bekannten Autoren zu. Andere hingegen behauptete wild, dass es gar eine Frau sei, da der Name Raly auch einem Mädchen gegeben werden könnte. Als Gegenreaktion hagelte es an Erklärungen, es sei doch so oder so lediglich ein Pseudonym. Fakt war jedoch, dass keiner je ein Gesicht gesehen hatte. Raly Black war ein Mysterium im Schriftsteller Universum und zog wohl auch genau deswegen immer mehr lesehungrige in ihren oder seinen Bann. Angeblich verriet der Autor in seinen Büchern verschlüsselt seine Identität. Aber auch dies war nur eine der vielen Behauptungen.
Alicia liebte das Geheimnisvolle an der Person, mehr verfiel sie jedoch den Büchern, die so grotesk düster, wie ungezwungen leidenschaftlich waren. Der Verfasser schaffte es immer wieder in ein schauderhaftes Krimiszenario mit Blutbad eine unglaubliche Liebesgeschichte zu verpacken.
Im neuen Buch ging er wieder mal über Leichen und Grenzen. Entführte den Leser in eine Welt der sexuellen Erlebnisse, die sonst keiner sich offen auszusprechen vermag. Alice ertappte sich mehrmals, wie sie die eine oder andere Szene viel zu oft aufs Neue las und ihrem Kopfkino dabei freien Lauf ließ.
Endlich stand das Outfit fest. Enge schwarze Jeans, ein etwas locker sitzendes weißes Langarmshirt und das ganze getoppt mit einem schwarzen Blazer. Der passende Schuh mit Keilabsatz rundete ihre Wahl ab. Dazu wenige Accessoires, die ebenfalls schlicht schwarz waren.
Das Makeup war natürlich ebenfalls abgestimmt. Ihre klaren, blauen Augen stachen durch den soften ‚Smoky eyes‘ Effekt noch kräftiger hervor.
Bereit für den Abend im bekanntesten Club der Stadt, verließ Alice sehr zufrieden ihre Wohnung.
„Wieso brauchst du immer so unglaublich lange zum Herrichten.“, fragte Vanessa, gleich nach der Begrüßung ihrer Freundin.
„Du kennst doch schon die Antwort.“
„Leider ja, du Perfektionistin.“ Vanessa war ebenfalls bereits fertig zum Ausgehen.
Der Kleidungsstil der beiden hätte gar nicht unterschiedlicher sein können. Während Vanessa alles was alternativ, rockig, oder schlichtweg verrückt und ausgefallen war anzog, fühlte sich Alicia eher im eleganten Bereich pudelwohl.
„Ich habe uns etwas zum warmwerden besorgt.“, jubelte die Freundin im rockigen Outfit und präsentierte einen Tisch voller kleiner Schnäpschen und anderer alkoholischer Leckereien.
„Du willst aber schon heute noch ins Phönix, oder?“
„Natürlich, aber wir gehen da sicherlich nicht komplett nüchtern rein.“ Mit diesen Worten füllte Vanessa bereits die ersten Gläser mit einer Sekt-Holunder-Minze Mischung und überreichte eines davon ihrer Freundin.
„Verrätst du mir eigentlich wie du an die Karten für heute gekommen bist?“
„Ich habe da so meine Kontakte.“, scherzte Vanessa und machte auch schon das Glas leer.
„Übrigens. Wo hast du dein Handy verloren?“ Wieder schenkte die quirlige Frau nach, auch das halbvolle Glas von Alice wurde aufgefüllt.
„Ehrlich, ich habe schon überall danach gesucht und konnte es nicht finden. Wenn ich anrufe, geht keiner ran. Wahrscheinlich ist der Akku leer.“ Alice ging nochmal rasch den Tag vom Flughafen in Gedanken durch.
„Wahrscheinlich habe ich es im Taxi liegen lassen, ich Blondchen.“ Mit einem breiten Grinsen lachte die zurzeit tatsächlich blondhaarige Frau auf und strich wie üblich ihre linken Haarsträhnen hinter das Ohr.
„Der Wink ist angekommen, Schätzchen. Die Farbe steht dir wirklich blendend. Im wahrsten Sinne des Wortes.“
Alice überließ nichts dem Zufall für diesen Abend. Sie wollte ihren Geburtstag nicht großartig feiern und wurde im Café doch überrascht. Dieser Abend galt auch nicht ihrem neuen Alter, sondern eher dem eigenen Wohlbefinden. Sie wollte, dass jemand da draußen endlich auf sie Aufmerksam wird.
Beide Freundinnen nahmen auf der Couch Platz und Alicia betrachtete die große Auswahl vor sich.
„Du weiß aber schon, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn wir all das hier gemischt trinken?“
„Das ist ja auch nicht nur für uns beide gedacht. Tony und Frederik müssten gleich auch kommen.“
„Wer ist Frederik?“, fragte Alicia erstaunt und genehmigte sich noch ein Gläschen vom gleichen Getränk wie zuvor.
„Tony ist nun offiziell in festen Händen.“ Alice war sichtlich überrascht.
„Tony, dein Tony aus dem Café ist nun vergeben?“, fragte sie zur Sicherheit nach.
„Ich kenne keine weiteren, du etwa?“ Wieder lachten beide auf, als genau im gleichen Augenblick es an der Tür läutete.
„Sie sind da!“, singend eilte Vanessa zur Tür und nahm beide Gäste herzlich in Empfang.
Die Jungs verleiteten die Mädels im Laufe des frühen Abends zu einer sehr angeregten Trinkpartie. Erst bei Vanessa und dann noch in zwei Bars auf dem Weg zum Phönix.
Angeheitert betraten alle vier wenige Stunden später endlich das berüchtigte Phönix, ein Club der seines Gleichen vergeblich suchte. Wer sich erst an der Abendkasse den Eintritt in das Partyparadies erkaufen wollte, durfte schon zu Sandmannzeit anstehen und darauf hoffen noch reinkommen zu dürfen. Viel bequemer war der Kauf von Onlinetickets, die in sehr begrenzten Mengen angeboten wurden. Anschließend konnte man einfach mit seinem Smartphone an dem zusätzlichen Eingang vorbeischlendern und das goldene Phönix-Bändchen kassieren.
Die frustrierten Gesichter der Wartenden waren dabei immer wieder eine vergnügliche Aktion.
Beim Betreten der Main-Area wurde Alicia von der heftig lauten Musik eingehüllt und sogleich bewegten sich die Hüften wie von Geisterhand gesteuert zu der einen von zahlreichen Bars, um einen flüssigen Nachschub zu holen.
„Ich habe schon fast vergessen wie es ist mal wirklich auszugehen.“ Man musste beinahe seinem Gesprächspartner ins Ohr brüllen, um ansatzweise verstanden zu werden, aber auch dies tat Alice gut ihrer Stimme endlich Raum zu geben.
Der letzte wilde Abend lag sicherlich fast ein Jahr zurück. Meistens ließ Alicia sich nur für ein gemütliches Beisammensein im Freundeskreis überreden, gern mit einem Glas Wein oder lustigen Spieleabenden, um dem Erwachsensein wieder eine jugendlichen Touch zu verpassen.
Jetzt schien sich aber die Welt nicht mehr in der richtigen Richtung zu drehen. Die Laute Musik, die tanzenden Leute und vor allem ihre Freunde, denn auch Frederik wurde im Laufe des Abends schnell zu einem Bestandteil der kleinen Gruppe.
„Verrätst du mir jetzt vielleicht, wie du an die Karten gekommen bist?“ Alicia hielt kurz inne und hoffte darauf, dass ihre Freundin sie verstanden hat, was allerdings nicht der Fall war.
Schnell wurde ein Handzeichen gegeben, Vanessa sagte etwas zu Tony, der nickte und die beiden Mädels angrinste und schon drängten sich die hübschen Frauen durch die Menschenmenge, Richtung Klo.
„Ich glaube, ich werde die nächsten Tage keine Stimme mehr haben.“, prüfend warf Alicia einen Blick in den Spiegel und zog ihren Lippenstift aus der kleinen Umhängetasche heraus. Anschließend fragte sie ihre Freundin erneut nach den Karten.
„Ich kenne den Sohn vom Besitzer. Ob du es glaubst oder nicht. Der Kerl hat in der Schule ständig von mir abgeschrieben.“, flüchtig schaute auch Vanessa ihr Spiegelbild an. Allerdings war sie in der Hinsicht eher gelassen und brauchte keine aufwendige Vorbereitung oder Auffrischung, was das Styling anging.
„Und jetzt ist er quasi der zweite Chef von dem Schuppen hier.“, führte Vanessa ihre Erzählung fort und verschwand in einer der freien Kabinen.
„Kennt ihr euch gut?“
„Wir sehen uns immer wieder mal.“ Alicia kannte ihre Freundin schon lange genug, um zu wissen, was diese Aussage bedeutete. Vanessa war keine dieser Frauen, die sich in einer festen Partnerschaft wiederfinden wollte. Ungezwungene Liebeleien, die genauso schnell verflogen, wie sie angerauscht kamen waren ihre Philosophie. Dabei legte die aufgedrehte Freundin kein Geschlecht fest, mit dem sie die stürmischen Liaisons teile.
Wenige Minuten später drängten sich die Freundinnen erneut durch die Menge, zurück zu ihrem Platz, den sie kurz nach Ankunft glücklicherweise ergattern konnten, weil Sitzmöglichkeiten sehr rar im Phönix waren. Eher vorsichtig und mit so wenig Körperkontakt wie möglich zu den anderen Leuten, folgte Alicia Vanessa. Immer als Orientierung die roten hochgesteckten Haare von der Cafébesitzerin im Visier. Ganz kurz nur, wendete Alice ihren Blick zurück, in die Richtung aus der sie gerade kamen, weil ein ihr wohlbekannter dezenter Parfümduft plötzlich in der Luft lag. Es waren nur wenige Sekunden, die Alicias Umgebung vollkommen mit der Essenz benebelten. Sie konnte nicht mal genau sagen aus welcher Richtung sie es vernahm. Natürlich suchten ihre Augen gleich nach den blonden kurzen Locken, einem Anzug oder vielleicht doch ein kariertes Hemd.
„Wo bleibst du denn?“ Vanessa ergriff die Hand ihrer Freundin und zog sie hinter sich hier. Ihr war klar, dass Alice auch allein den Weg wiederfinden konnte. Sie machte sich aber meist Sorgen, dass ohne ihre Adleraugen, die immer einen beschützenden Blick auf ihre Freundin warfen die Situation womöglich wieder eskalieren könnte, wie es schon einmal der Fall war.
„Hat dich jemand aufgehalten?“, rief Vanessa etwas besorgt und rückte ihre riesig wirkende Brille zurecht.
„Nein, ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen.“, brüllte Alicia zurück und drehte sich erneut um, in der Hoffnung doch noch die eine besagte Person zu finden.
„Wen?“
„Wen, was?“ Immer noch schweiften Alicias Augen umher. Sie war sich absolut sicher, dass es der Duft ihrer Retterin gewesen war. Auch am Flughafen, so fiel es ihr erst später in den Sinn, umgab der gleiche süßlich milde Geruch die Frau mit der Fliege.
„Alice? Ist mit dir alles in Ordnung?“ Vanessa trat noch ein Schritt näher an ihre Freundin heran und legte die Hand auf ihre Schulter.
„Ich glaub meine Retterin ist hier.“
„Die vom Flughafen?“
„Ja.“ Die Hoffnung sank natürlich wieder etwas ab, denn hier in dieser riesigen Lokation die eine Person zu finden wäre schlichtweg eine Unmöglichkeit für sich. Außerdem traf Alicia sie in der Abflughalle, somit war sie wohl wieder auf dem Weg irgendwohin und nicht mehr in der Stadt oder im Land.
„Ist bei euch im Gebäude eine Modelagentur?“, platzte Vanessa plötzlich in die Gedankenwelt von Alice.
„Nicht, das ich wüsste. Wieso fragst du das überhaupt.“
„Ich habe mir Gedanken drüber gemacht und es wäre ja möglich, dass sie ein Model ist, so wie du sie beschrieben hast.“ Alicia nickte verständnisvoll, denn daran hatte sie auch schon gedacht.
Angestachelt durch die Prise Frust und die Gefühle, welche sie innerlich verspürte, beschloss Alice all das Unwohlsein in einem weiteren Glas mit alkoholischem Inhalt zu ertränken.
Etliche Songtitel später, zu welchen der Körper bis zum Exzess im Rhythmus der Musik bewegt wurde und immer wieder Getränke den aufkommenden Durst löschten, war Alicia mehr als nur angeheitert.
„Schätzchen, geht’s dir gut?“ Wie immer merkte Vanessa er sofort, wenn Alice sich sonderbar verhielt.
„Mir ist leicht Schwindelig. Hier ist es zu heiß.“
„Bist du betrunken?“ Alice schüttelte heftig mit dem Kopf und musste sich sogleich hinsetzen, weil ihre ganze Sicht sich unaufhörlich mitbewegte.
Sie trank für gewöhnlich selten oder fast nie etwas. Betrunken wurde sie auch nicht auf die klassische Weise, die zum Teilverlust der motorischen Fähigkeiten führte oder dem Drang alles wieder loszuwerden, was man seinem Körper an Giftstoffen hinzugefügt hatte.
„Ich brauche kurz frische Luft.“ Alicia erhob sich etwas unsicher, versuchte ihren Blick konzentriert auf etwas zu fokussieren.
„Ich komme mit.“ Vanessa eilte ihrer Freundin hinterher, die bereits in der immer noch wildtanzenden Menge verschwunden war.
Immer mehr verspürte Alice das Verlangen nach Luft, als würde man ihr diese rauben. Hitze, laute Musik und sicherlich der Alkohol sorgten dafür, dass die eher zierliche junge Frau kaum noch etwas sehen konnte. Alles verschwamm leicht vor ihren Augen.
Endlich, eine Tür, die offensichtlich ins Freie führte.
„Hey, warte mal.“ Der etwas stämmige Mann in schwarzer Weste, mit der Aufschrift Security folgte Alice ebenfalls auf den vollkommen leeren Balkon.
„Das ist der VIP Bereich.“ Alicia hörte ihn zwar, war aber gerade so sehr mit sich selber beschäftigt, dass sie nur durch Handzeichen dem Mann andeutete kurz zu warten.
Tief atmete sie auf. Ein befreiender Moment, weil endlich wieder etwas Klarheit in der Sicht herrschte. Das Gefühl des Erstickens löste sich vollkommen auf.
„Du musst hier echt wieder gehen.“
„Ein kurzen Moment noch.“ Alicia machte erneut eine Armbewegung, und signalisierte dem Sicherheitspersonal nicht näher zu kommen.
„Ist bei dir alles in Ordnung. Brauchst du Hilfe?“
„Nein, ich komme klar, brauch nur etwas frische Luft.“ Der Security Typ machte einige Schritte auf Alicia zu.
„Kommen Sie mir bitte nicht näher.“ Er konnte es nicht ahnen, dass Alicia erst kürzlich eine unschöne Begegnung mit einem Mann hatte, dem dieser irgendwie ähnelte. Sofort erinnerte sie sich an den Griff, mit dem sie festgehalten wurde. Sie hatte tatsächlich auch einige Tage später noch sichtbare Abdrücke auf der Haut von dem Vorfall am Flughafen. Rätselhaft war ihr auch, was genau ihre Retterin mit ihrer Aussage gemeint haben könnte, dass sie den Mann beobachtet hätte.
„Es tut mir Leid, du musst jetzt mitkommen. Du kannst gern im Raucherbereich rausgehen.“ Der Aufpasser stand nun direkt neben Alicia und legte nur für eine Sekunde seine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen.
„Hast du was genommen?“ Nun wurde der scheinbar hellhörig und deutete die Zeichen vollkommen falsch. Alice schüttelte heftig mit dem Kopf und hielt sich dabei sogleich am Gelände fest, weil ihr erneut ganz schummrig vor Augen wurde. Sie vernahm langsam einen pochenden Schmerz in ihrem Kopf.
„Eindeutig ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für eine anschleichende Migräne“, dachte sie sich.
„Ich glaub du solltest mal mitkommen.“, hilfsbereit reichte der muskulöse Typ ihr seine Hand mit der fast doppelten Proportionsfläche, im Vergleich zu Alicias.
„Nicht nötig. Sie gehört zu mir.“ Ein leicht englischer Akzent und dazu die passenden Person standen plötzlich ebenfalls auf dem Balkon. Sie erhob ihre Hand und zeigte dem Aufpasser ihren VIP-Band. Dieser nickte nur verständlich und verzog sich sogleich.
„Miss, are you okay?!“, fragte sie mit einem großen Lächeln auf den Lippen.
„Wie kommt es eigentlich, dass du immer nur dann auftauchst, wenn ich in den beschissensten Situationen bin?“ So begann die erste Konversation zwischen den beiden, sich noch immer fremden Frauen.
„Vielleicht bin ich der Prinz, der dich zu retten vermag?“ Das Grinsen der Frau ließ Alicia alles auf der Welt für einen Augenblick vergessen. Jetzt erst konnte sie die Fremde so richtig gut betrachten.
Nach Locken Ausschau zu halten hätte an dem Abend eh nichts gebracht, denn sie trug ihre wilde Mähne heute ganz glatt und gebändigt. Die Augen waren minimal Betont.
„Und ich bin demnach die moderne Cinderella?“ Alicia fixierte ihre schwarze Armbanduhr.
„In weniger als einer halben Stunde muss ich einen dramatischen Abgang hinlegen.“ Auch die Fremde schaute auf ihre Uhr.
„Ist zu schaffen.“
„Was genau?“ Ein erneuter Schmerz und getrübte Sicht ließen die Frau kurz straucheln. Sie wollte unter keinen Umständen vor ihrer Retterin zusammenklappen. Dies wäre sicherlich die Krönung der Peinlichkeit.
„Dich dazu zu bringen mich wieder treffen zu wollen.“ Die Fremde war sichtlich überzeugt von sich, verpackte aber ihre Aussagen in viel Charme und unterstrich das Ganze durch ihr Lächeln. Die Augen erledigten noch den minimalen Rest.
„Wie heißt du überhaupt?“ Alice versuchte so locker wie nur möglich zu wirken, konnte aber ihren leicht trüben Blick kaum von der Schönheit neben ihr Abwenden.
„Ronja. Die meisten nennen mich aber einfach nur Rony.“
„Hallo Rony. Ich bin Alice.“ Wie es sich gehört, reichte Alicia ihrem Gegenüber die Hand, bekam aber stattdessen ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit überreicht.
Verunsichert betrachtete die leicht angeschlagene Frau das volle Glas.
„Hilft bei Flüssigkeitsmangel und Kopfschmerzen ungemein.“
„Was ist das?“
„Auf der Karte hier steht H2O. Ich vermute aber mal stark, dass es sich um Wasser mit Eiswürfel handelt.“
„Keine KO-Tropfen?“, erwiderte Alice mit gespielter Enttäuschung.
„Brauch ich die denn bei dir?“ Ihre Augen waren an dem Abend nicht so Leuchtend, wie die Male zuvor, womöglich lag es an der Brille, die heute das Gesicht zierte. Dennoch waren sie durchdringend genug, um Alicia erneut in einen ungewöhnlichen Hitzezustand zu versetzen. Hastig machte sie mehrere Schlucke der kühlen Flüssigkeit und versuchte den Augen irgendwie zu entkommen, indem sie sich auf die Kleidung von Ronja fixierte.
Ihr Stil war wieder komplett anders. Dieses Mal trug sie ein schwarzes Shirt mit weitem Ausschnitt. Eine Harley zierte das ganze Oberteil. Eine kurzgeschnittene Lederjacke im Biker Stil verdeckte die Schultern der hübschen Frau.
Eine enge schwarze Hose mit Nietengürtel saß fest auf der Hüfte und zeigte ein klitzekleinen Stück Haut, da das Shirt an der Seitennaht nur mit einem Lederband zusammen verflochten wurde und nach unten hin sich leicht öffnete.
Die gleichen, oder nur sehr ähnliche Stiefel, wie beim letzten Aufeinandertreffen, vollendeten den wilden Look.
„Bist du ein Model?“
„Ab und zu.“ Die Retterin lehnte ihren Körper vor und stützte sich mit den Ellenbogen am Gelände ab. Alicia konnte nicht anders, als noch mehr Haut der anderen mit ihrem Blick zu erhaschen.
„Wieso interessierst du dich scheinbar für mich?“ Das Glas war bereits halb leer und schien wirklich gut zu tun. Jedenfalls bildete Alicia sich das ein, um ihrem Körper wieder spirituelle Kraft zu schicken.
„Und warum interessiere ich dich?“, kam prompt die Gegenfrage.
„Wie kommst du drauf, dass es so ist?“ Irgendwo ganz in der Nähe hörte man eine Glocke dreimal schlagen.
„Die Zeit rennt uns wohl davon.“ Rony lächelte und zog aus der kurzen Lederjacke ein Rosafarbenes Smartphone hervor.
„Mit Cinderella lagst du wohl echt nicht so falsch. Mal gucken, ob es passt.“ Nur wenige Zentimeter trennten die beiden Frauen von einander, nachdem Ronja sich Alice näherte. Mit geschicktem Griff, packte diese das Handy und schob es langsam in Alicias vordere Hosentasche.
Hätte man das Knistern, welches sich in diesem Augenblick zwischen ihnen bildete wirklich akustisch wahrnehmen können, so wäre es sicherlich einem Feuerwerk gleich gewesen.
Alice leerte endgültig ihr kühles Getränk und nutzte dies als Anlass, um erneut etwas Distanz zwischen ihr und Rony zu bilden. Sie ging rüber zum kleinen Tischchen, stellte das Glas ab und machte nur wenige Schritte Richtung Geländer. Ihr war immer noch etwas unwohl. Zu gern hätte sie mehr Zeit verbracht mit der mysteriösen Ronja, die wirklich wie durch Magie ausgerechnet jetzt in ihr Leben trat.
„Du willst flüchten, nehme ich an?“
„Du weißt ja, mein Kürbis wartet. Dazu der nächtlich Verkehr und das ohne Navi.“
Rony grinste lediglich, überspielte offensichtlich die Enttäuschung.
„Dann bis auf bald?“ Nun streckte die Fremde ihre Hand aus und wartete auf die Reaktion von Alicia. Zögerlich ging sie die wenigen Schritte, der Schönheit entgegen, streckte ebenfalls ihre Hand aus und umfasste die von Ronja.
Unerwartet verspürte sie einen heftigen Ruck durch ihren kompletten Körper und sah sich bereits in den Armen der anderen ruhen. Erst Sekunden später realisierte sie, dass Ronjas Lippen ihre berührten. Ein zärtlicher Kuss entwickelte sich aus der vermeintlich zufälligen Aktion. Alles spielte verrückt. Alicias Sinne, die eigentlich dafür sorgen müssten, dass sie sich unverzüglich aus den Armen der fremden Frau löst, waren wie benebelt. Keine Unsicherheit oder Angst erreichte ihre Gedankenwelt. Lediglich das wunderbare Gefühl, die Leidenschaft und das Verlangen nach mehr belagerten alle Positionen im Zentrum der Logik und Vernunft.
Unerwartet beendete Ronja diese wunderbare Zweisamkeit. Sie lächelte nach wie vor und löste langsam auch ihre Hand von Alice.
„Eile hinfort, Cinderella.“ Rony verbeugte sich dramatisch vor ihrer neuen Bekanntschaft.
Alice versuchte immer noch zu realisieren was gerade vorgefallen war. Viel Zeit blieb ihr wirklich nicht. Durch diesen Rausch aus Glücksgefühlen, Adrenalin und einer aufkommenden Lust, litt ihre körperliche Kondition nur noch mehr darunter.
Wortlos verschwinden konnte sie aber auch nicht.
„Wie will denn der Prinz nun seine Cinderella wiederfinden, da das Fundstück ja an der Frau ist?“ Sie deutete dabei auf ihr Mobiltelefon, das in der Hosentasche sicher verstaut lag.
„Der Prinz hat seine Nummer in dem modernen Glasschuh hinterlassen.“ Ronja grinste ganz frech und warf einen erneuten Blick auf ihre Uhr.
„Es ist fünf vor. Wenn du erst nach Mitternacht verschwindest, dann schreiben wir die Geschichte neu.“
„Heute nicht.“, entgegnete Alicia mit gespielter Ruhe, schickte der bezaubernden Frau an der Balkonbrüstung einen Luftkuss und machte sich zum letzten Mal an diesem Abend auf den Weg durch die tanzende Menschenmenge.
Ich will erneut
Das Erste was ich wahrnehme, ist der Geruch von Kaffee, der mich betört und zum Aufwachen verleitet. Ich will meine Augen noch nicht öffnen. Ein Moment noch brauche ich, um richtig im Tag anzukommen. Mein Kopf fühlt sich schwer und träge an. Kein Wunder. Langsam drehe ich mich auf die Seite und merke gleich, dass ich an mehreren Stellen meines Körpers einen ziehenden Schmerz meiner Muskeln spüren kann. Es ist aber ein guter Schmerz, denn ich weiß wie dieser zustande kam. Ich werde sofort mit Erinnerungen und Gedanken an die erst vergangene Nacht überschwemmt. Ich darf nicht zu viel dran denken. Mein Körper ist bereits wieder in Arbeit und signalisiert, er wäre bereit. Es geht nicht. Ich kann doch nicht erneut, oder etwa doch? Der Gedanke zaubert mir automatisch ein Lächeln ins Gesicht, das ich unter der Bettdecke verstecke, im Falle, dass ich gerade beobachtet werde.
Ich öffne meine Augen. Erst nur eins, lass das helle Licht auf mich wirken. Schau kurz umher, was ich so erfassen kann. Nun das andere Auge auch.
Vor mir erstreckt sich eine komplette verglaste Front, die zur Hälfte mit schwarzen Vorhängen verdeckt ist. Ich habe es gestern nicht wirklich wahrgenommen.
Gleich neben dem lichtundurchlässigen schwarzen Stoff, hängt die schwarze Halbkugel. Ich kann sie nicht angucken. Zu viele Impulse schießen mir dabei sofort durch meinen Körper.
Langsam drehe ich mich um, in der Hoffnung sie würde neben mir liegen und mich mit ihren Augen verführen. Der Platz neben mir ist leer und kalt. Sie muss also schon länger weg sein. Ich bin etwas enttäuscht, frage mich natürlich sofort, ob ich für sie doch nur ein netter Zeitvertreib bin. Solche Gedanken will ich nicht schon am Morgen in mich reinschaufeln, versuche mich abzulenken, indem ich mich weiter im Schlafzimmer umsehe. An der Wand gegenüber vom Bett hängen drei Bilder. Über dem Bett ebenfalls. Sieht nach moderner Kunst aus. Verrückt, ausgefallen. Gefällt mir, auch wenn ich absolut kein Kunstfanatiker bin. Außerhalb der Schulexkursionen war ich noch nie in einer Bildergalerie oder einem reinen Bildmuseum. Wieder kriechen in meinen Kopf böse Gedanken. Im Gegensatz zu ihrer Welt, ist meine ein Bauernhof. Wie können da nur Gemeinsamkeiten wachsen.
Ich lass mich wieder in das weiche Kissen fallen, schiebe die Decke etwas von mir ab. Hier liege ich also nun, nackt und frustriert.
Alicia, das hast du wieder mal toll gemacht, sage ich mir selber und lege meinen Arm über meine Augen. Kann ich bitte den Morgen neustarten?
Das gleiche Blut
„Miss, you lost something!“ Mit erhobener Hand winkte Sie der davoneilenden hübschen Frau hinter. Aber diese hörte sie nicht und verschwand bereits aus der Sicht.
„Ronja. Du solltest doch auf mich beim Eingang warten.“ Etwas außer Atmen blieb die andere Frau neben Ronja stehen. Ihre Erscheinung war streng, kalkuliert.
„Ich bleibe in Deutschland.“
„Wie bitte?“
„Wir fliegen heute doch nicht.“
Die Frau neben Ronja öffnete mehrmals den Mund, schnappte nach Luft, setzte an etwas zu sagen, verstummte aber dann doch. Sofort zog sie ein riesiges Smartphone oder doch ein zu kleines Tablet aus ihrer Aktentasche hervor.
„Bist du sicher?“
„Ja!“ Die Frau im karierten Hemd lächelte ganz übertrieben.
„Du machst mich wirklich fertig, das ist dir hoffentlich klar.“ Wie wild tippte die Dame neben Ronja auf dem Display umher, wischte mit dem Finger quer über den Bildschirm und murmelte auf Englisch irgendwas vor sich hin.
„Du hast demnächst fünf Termine, die ich auf keinen Fall ausfallen lassen kann. Die anderen werden wir einfach um einige Tage verlegen.“
„Nein. Ich bleibe hier wohl länger.“
„Wie bitte?“ Die Frau mit der streng zurechtgemachten Frisur und Blazer blieb endgültig stehen.
„Du verarscht mich jetzt, oder?“
„Nein, Jane. Ich will noch etwas länger hier bleiben.“
„Gestern konnte es dir nicht schnell genug gehen und heut….“ Jane packte ihren Organizer wieder weg und blieb direkt vor Ronja stehen.
„Hey, rede mit mir? Was geht hier vor?“
Ronja zuckte nur mit den Schultern und schritt weiter zum Ausgang hin. In der Hand hielt sie immer noch das Handy, welches in eine blaspinke Schutzhülle eingepackt war. Mit einem Tastendruck erschien das Display mit einer Band als Hintergrund.
„Wie unpassend.“, murmelte Ronja und wischte einmal über das Display.
„Kein Schutz. Sie ist wirklich sehr leichtsinnig.“ Im Eck leuchteten mehrere ungelesene Nachrichten auf. Wie selbstverständlich klickte Ronja auf den Icon und gelangte sogleich in den Verlauf der Unterhaltung.
„Nachricht von Vanessa.“, murmelte Ronja und wäre beinahe in die Glasscheibe der Drehtür reingelaufen, hätte Jane sie im letzten Augenblick nicht am Ärmel zurückgezogen.
„Wessen Handy ist das?“
„Von einer Frau.“
„Welcher Frau?“
„Einer hübschen.“ Der Weg war nun wieder frei und die Frau mit der Fliege verließ nun endgültig die Abflughalle.
„Ronja, sag mir bitte nicht, dass wir hier bleiben, nur weil du dir ein Betthäschen anlachen willst?“
Jane wirkte sehr angespannt, fast schon gehetzt. Mit dem gleichen Elan winkte sie rasch ein Taxi herbei und ließ ihre Begleitung zuerst auf der Rückbank platznehmen.
„Guck, ist sie nicht süß?“
Ganz stolz zeigte Ronja einige private Bilder von Alice.
„Hör bitte auf in dem Leben diese Frau rumzuschnüffeln.“
„Sie hatte kein Passwort.“
„Das bedeutet nicht, dass du ihre Daten durchforsten darfst.“
„Ich will sie kennenlernen.“
„Manchmal frage ich mich wirklich wieso ich mir deinen Kindergarten immer wieder antue.“
„Weil ich dich verdammt gut bezahle und du mich sehr lieb hast.“, antwortete Ronja übertrieben fröhlich und las bereits wieder die Unterhaltung zwischen einer Vanessa und der unbekannten Schönheit.
„Im Leben nicht genug, wie es mir scheint.“, murmelte Jane und tätigte einen Anruf, um im Hotel wieder einchecken zu können.
„Besorg mir bitte ein VIP-Eintritt ins Phönix.“ Und wieder las Ronja ganz vertieft die Unterhaltung.
„Phönix?“
„Ja.“
„Ich glaube ich bin ihr ziemlich aufgefallen, als ich Robert besucht habe.“
„Kann ich mir gut vorstellen. Du bist garantiert jedem aufgefallen bei solch einer Wahl deiner Sachen.“ Jane tippte erneut energisch auf ihrem Mobiltelefon rum.
„Phönix also. Diesen Samstag?“
„Ja.“
Die Frau mit dem Blazer schielte kurz zu ihrer Begleitung rüber, die bereits ganz vertieft bei den Bikinifotos der Handybesitzerin angelangt war.
„So, das reicht jetzt. Du bekommst erst am Samstag das Teil wieder und übergibst es gefälligst der Frau.“ Wie eine verärgerte Mutter, schnappte Jane sich das Gerät und schaltete es mit wenigen Handgriffen komplett aus.
„Killjoy!“
„Ich bin kein Spielverderber. Sowas gehört sich nicht.“
„Ich weiß. Ich find sie aber wirklich interessant.“
„Für deine nächsten Recherchen? Oder eine Nacht? Ich hätte dich doch in das Flugzeug zerren sollen.“ Jane seufzte tief auf und wendete ihren Blick zum Fenster.
„Du bist mir immer noch sauer, oder?“
„Ist doch verständlich.“
„Ich werde es machen.“
„Beides?“
Ronja zögerte bei ihrer Antwort. Wendete ihren Blick mehrmals zum Fenster, dann wieder zu Jane.
„Vielleicht.“
„Ein Vielleicht ist in deinem Fall ein faktisches Nein.“
„Ich brauch halt noch etwas Zeit. Es ist nicht einfach, nach so vielen Jahren.“
„Na, jetzt hast du Zeit.“
Ronja nickte und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Viele Gedanken kreisten ihr durch den Kopf. Erinnerungen und Momente der Angst kamen auf.
Sie hatte seit Jahren Robert nicht mehr gesehen, obwohl sie seit kurzer Zeit regelmäßig miteinander auf dem virtuellen Weg kommunizierten und sich nun endlich auch paar Mal getroffen hatten. Es war schon irgendwie befremdlich seinem eigenen Bruder gegenüber zu stehen und einen erwachsenen bärtigen Mann vor sich zu haben. Natürlich hatte sie ihn oft im Videochat gesehen oder seine Bilder betrachtet und einige sogar eingerahmt, es war aber nicht das Gleiche.
Entspannt ließ sich Ronja auf das Hotelzimmerbett fallen und wollte Soeben die Kopfhörer aufsetzen, als Jane hereinplatzte.
„Ich habe deine Termine umorganisiert. Die Abgabe für den Times Artikel ist bereits in zwei Tagen fällig. INstyle will ein Interview mit dir am kommenden Mittwoch. Sie waren einverstanden dies über eine Videoübertragung zu machen. Der passende Konferenzraum ist schon gebucht.“ Sie machte eine kurze Pause, um tief Luft zu holen.
„Die Fragen für das Interview werde ich dir spätestens übermorgen bereitlegen. Bitte keine künstlerische Improvisation dieses Mal.“
„Wieso machen die so viel Wind draus. Es waren nur fünf Jobs bis jetzt.“
„Und diese könnten dich Weltweit in zahlreiche Magazine bringen, wenn du nicht aufpasst. Willst du das?“
„Nein. Sonst wäre ich doch schon auf sämtlichen Covern, oder nicht?“
„Wie geht es Dad?“ Ronja mochte all den organisatorischen Kram überhaupt nicht. Auch, wenn sie bereits alt genug war und mit beiden Beinen im Leben stand, wirkte ihr Verhalten oft sehr unüberlegt oder gar unreif in mancher Hinsicht. Gerne lenkte sie deswegen die wichtigen Gespräche auf das nebensächliche um.
„Er hat nach dir gefragt. Willst du ihn nicht anrufen?“
„Nein. Im Moment weiß ich nicht was ich ihm sagen soll.“
„Das du ihn liebst und ihm es nicht übel nimmst?“ Die eindeutig vernünftigere der beiden Frauen setzte sich ebenfalls auf das Bett und betrachtete Ronja mit prüfendem Blick.
„Ich nehme es ihm aber Übel. All die Jahre.“
„Rony, er ist dennoch unser Dad.“ Scheinbar ganz beiläufig wischte Ronja sich das verräterische Glitzern aus den Augen und erhob sich wieder von dem viel zu weichen Bett. Zugleich streckte sie ihrer Halbschwester die Hand entgegen und half dieser ebenfalls hoch. Ganz ungewohnt und mit viel Zuneigung nahm Rony Jane in die Arme.
„Danke, dass du für mich da bist.“, flüsterte sie und versteckte erneut ihr Gesicht an der schwesterlichen Schulter. Sie wollte keine Tränen vergießen oder dabei je wieder von anderen Leuten gesehen werden.
Ich bin im Wonderland
Nach etlichen Minuten des Rumliegens, entschließe ich mich endlich aufzustehen. Meine Sachen liegen nicht mehr auf dem Boden. Alles hängt ordentlich auf einem Bügel am Schrankgriff. Vorsichtig schaue ich aus dem Schlafzimmer. Keine Geräusche zu hören. Ich glaube ich bin allein.
Erst jetzt bemerke ich, dass es ein Maisonetten Apartment ist. Ich kann aus der zweiten Etage den gesamten Eingangsbereich unter mir betrachten. Leichtfüßig, fast schon schleichend öffne ich die Türen im oberen Stockwerk. Die erste, gleich neben dem Schlafzimmer ist ein begehbarer Kleiderschrank. Erschreckend viele Sachen sind überall aufgehängt oder liegen perfekt gefaltet auf Regalböden verteilt. Ich bin etwas unsicher, fahre mit der Hand durch die einzelnen Sachen, die separat zu hängen scheinen und schnappe mir ein schwarzes Oberteil. Rieche kurz dran. Es ist ihr Duft. Ich meine nicht nur das Parfüm, sondern ihren Geruch, der mir sehr gefällt.
Das Shirt ist lang genug. Es bedeckt alles. Perfekt.
Ich mach mich auf zur nächsten Tür, die auf der benachbarten Wandseite sich befindet. Ein kleiner Trainingsraum. Ein Bett ist aber auch vorhanden. Wahrscheinlich für Gäste, die nicht ins Schlafzimmer gebeten werden. Diese Bemerkung streiche ich sogleich wieder aus meinem inneren Monolog. Ich will nicht wissen wie viele vor mir in diesem Raum…
Nächste Tür. Die letzte auf der Etage. Das Badezimmer.
Es ist groß. Hat keine Fenster in der Wand, sondern nur eine wieder verglaste Dachschräge. Das Licht fällt wunderbar auf die große Eckbadewanne. Ich bin fast etwas neidisch und spiele schon mit dem Gedanken solange ich hier bin die Gelegenheit auch zu nutzen.
Eine große Dusche ist ebenfalls vorhanden, sowie alles weitere, nur eben schöner, größer, auffälliger.
Ich schlendere endlich die Treppen entlang in die untere Ebene. Beim Gehen frage ich mich selber, ob gestern Nacht die Treppen auch schon da waren. Ich kann mich beim besten Willen nicht dran erinnern. Ich war aber auch sehr abgelenkt und Treppen wachsen nicht einfach so über Nacht, wie Pilze aus dem Boden.
Unten erstreckt sich ein riesiger Wohnbereich mit offener Küchenzeile. Auch hier wieder die Glasfront, genau dieselbe Himmelsrichtung wie im Schlaf- und Gästezimmer.
Der einzige Unterschied ist die Terrasse. Ich bewege mich zielstrebig dem Ausblick entgegen. Würde gerne rausgehen, weiß aber nicht, wie sich die Tür öffnen lässt. Keine Griffe, keine Scharniere. Ich trau mich nicht irgendwas anzufassen. Bewundere also einfach nur den Ausblick aus dem Fenster wie eine kleine Hauskatze.
Dem Raum hatte ich noch wenig Beachtung geschenkt. Sehe mich nun etwas genauer um. Die Mitte des Wohnbereichs schmücken Couch Set und Glastisch. Das Design vom Tisch kommt mir sehr bekannt vor. Mein Chef hat einen ähnlichen im Büro. Das Gestell wurde aus alten Flugzeugteilen angefertigt. Ein Unikat.
Auf der Oberfläche liegt mein Smartphone, nach dem ich sofort greife.
Eine Nachricht von ihr.
‚Bin bald zurück!‘
Die Nachricht wurde vor fast zwei Stunden versendet.
„So viel zu ‚bald‘“, denke ich mir und suche nach Vanessas Namen unter meinen Kontakten. Mein Daumen bleibt auf dem Aufnahmeicon liegen, nachdem ich im Konversationsfenster gelandet bin.
„Vanessa!“, fange ich an mit voller Begeisterung zu sprechen und stehe bereits wieder am Fenster oder eher der Glaswand.
„Wenn du grad diese Aussicht sehen könntest. Ich fühle mich gerade wie Alice aus dem Buch. Bin in einer vollkommen anderen Welt.“ Ich schweige. Alles ist so überwältigend, was mich umgibt. Muss wieder an die letzte Nacht denken. Die beste meines Lebens, wenn ich zu mir selber ganz ehrlich bin.
„Ich kann grad keine Worte finden, die meine Gefühle wirklich auf den Punkt beschreiben könnten. Du hörst bald sicherlich wieder von mir. Vorerst werde ich die kurze schöne Zeit hier einfach genießen.“ Mein Daumen löst sich von dem Display und ich höre mir erneut meine Voicenachricht an. Obwohl ich an so einem Ort gelandet bin, dem realen Wonderland, höre ich selber einen traurigen Unterton in meiner Stimme, der fast schon melancholisch wirkt.
Ablenkung. Genau das brauch ich gerade dringen.
Ich erinnere mich an den Kaffeeduft, der in der Luft lag, als ich noch im Bett war. Sehr vorsichtig und leise bewege ich mich in der modernen offenen Küche. Alles ist elektronisch, kann mit dem Smartphone synchronisiert werden. Beinahe hätte ich die Kaffeemaschine nicht erkannt.
„Wie peinlich, Alice.“, flüstere ich leise, drücke hoffentlich die richtigen Knöpfe und warte bis die heiße schwarze Flüssigkeit den Becher vollmacht.
Nüchterne Tatsachen
Seit Minuten schon saß Alicia am Küchentisch und hielt ihr Mobiltelefon in der Hand. Die Augen fixierten das Gerät ohne auch nur einmal auf zublinzeln.
„So funktioniert es nicht, Liebes.“, gab Vanessa leicht belehrend von sich und nahm ebenfalls nun Platz, nachdem sie Alice die heiße Tasse Tee überreicht hatte.
„Außerdem, wäre es sicherlich heute Nacht besser gewesen doch in die Notaufnahme zu fahren. Man verliert nicht ohne Grund sein Bewusstsein.“
„Mir geht es bestens.“
Alicias Freundin zog übertrieben ihre Augenbraue hoch und musterte die immer noch leicht blasse Frau ihr Gegenüber.
„Ich kenn die ganzen Vorgehensweißen schon sehr gut. Somit wollte ich einfach nicht erneut an Dinge erinnert werden, die bereits abgeschlossen sind.“
Die rothaarige Frau wurde unweigerlich Neugierig, denn sie wusste genau, wohin das Thema gelenkt wurde.
„Spricht du grad von der Person, deren Namen ich nicht mal weiß?“
Sie machte eine kurze Pause, sprach aber sogleich weiter.
„Wir kennen uns schon fast fünf Jahre und nie erzählst du etwas über deine letzte Beziehung.“ Erneut eine viel zu kurze Pause.
„Was hat die Frau angestellt, dass du sogar ihren Namen aus deiner Erinnerung streichen willst?“
Alicia legte endlich ihr Smartphone bei Seite und nippte an dem heißen Getränk.
„Ich habe einfach ein Händchen für die ganz üblen Fälle.“ Damit war das Gespräch auch schon wieder vorbei. Alice sprach sehr ungerne von ihrer vergangenen großen Liebe. Zu viel Schmerz und Kummer verband sie damit und wurde sofort sehr emotional, wenn sie sich an Einzelheiten erinnerte.
„Das bringt uns auch gleich zum aktuellen Thema. Wann schreibst du deiner mysteriösen neuen Flamme?“
„Sie ist nicht meine mysteriöse Flamme.“, verteidigte sich Alice und schmunzelte dabei verräterisch.
„Sie tauchte also einfach so auf, gab dir das Handy und ging wieder? Das soll ich glauben?“ Dabei betonte Vanessa das Wort „Das“ besonders stark und fixierte ihre langjährige Freundin mit ihren braunen Augen.
„Vielleicht hat sie mich auch dabei leidenschaftlich geküsst.“ Alice hielt sich beide Hände vors Gesicht, um ihr noch auffälligeres Grinsen zu verbergen. Nun konnte sich die blondhaarige junge Dame nicht mehr zurückhalten.
„Und das erfahr ich erst jetzt?“ Mit einem Griff hielt die quirlige Freundin bereits das Handy von Alice in der Hand.
„Halt, was hast du vor?“, vergeblich versuchte Alicia das Gerät wieder in ihren Besitz zu bekommen. Sie war weder wirklich erpicht drauf, noch hatte sie den nötigen Elan, um ernsthaft gegen Vanessa anzutreten.
„Hallo Ronja.“, hörte Alice ihre Freundin laut sagen, während sie den gleichen Text als Nachricht tippte.
„Wie wäre es, wenn wir uns morgen um 12 Uhr im Café Klecks treffen? Lg Alice.“ Ohne abzuwarten drückte Vanessa auf den Icon Senden und legte das Telefon in der Tischmitte ab.
Alice stand kurz auf, setzte sich wieder hin und entschloss sich wieder zu erheben. Ungeduldig tigerte sie in der Küche umher, allerdings nicht lange. Innerhalb der gleichen Minute ertönte bereits die Benachrichtigung über eine neue Mitteilung.
Beide Frauen beugten sich rasch, voller Neugier geladen rüber zum Telefon und stießen beinahe mit den Köpfen zusammen.
„Ich freu mich schon sehr auf unser Wiedersehen. Liebevolle Grüße Rony.“
Nachdem Alice die Nachricht mindestens zehn Mal gelesen hatte, setzte sie sich endgültig wieder hin. Nun wirkte sie noch blasser als zuvor und sah mit riesigen Augen ihre Freundin an.
„Ich glaub, ich hab ein Date?“, murmelte sie und dachte bereits daran was sie morgen in die Arbeit anziehen würde, denn bereits mittags hätte sie die spontane Verabredung.
„Und wir, Tony und ich werden deine heimlichen Bodyguards sein. Wenn sie eine faule Socke ist, dann.“ Mit ganz ernstem Blick ergriff Vanessa ihr Geschirrtuch und holte mit voller Kraft aus, als Andeutung, dass sie mit faulen Socken einen sehr kurzen Prozess machen würde.
„Ich habe ein Date?“, fragte Alice erneut, lauter als zuvor.
„Oh je. Ich glaube du bist in einer Nervositätsschleife gefangen, Liebes.“
Unerwartet gluckste Alice auf und hielt sich den Mund zu.
„Schluckauf auch noch?“
„Ich hatte seit…“ Eine weitere Welle unterbrach Alicias Satz.
„…seit einer Ewigkeit nicht…“ Alice versuchte es mit einem Tiefen ein und Ausatmen, aber es half nichts.
„…nicht mehr ein Date.“ Die letzten Wörter sprach sie extrem schnell aus und musste nun wieder tief Luft holen, wurde dabei mehrmals vom Schluckauf unterbrochen.
„Zumindest bekommst du wieder Farbe im Gesicht.“, stellte die rothaarige Freundin fest und lachte herzhaft auf.
„Überlass das mir. Ich werde schon dafür sorgen, dass du morgen keinen schlechten Eindruck machst.“
„Als, ob das noch möglich ist.“, entgegnete Alice mit weiteren unfreiwilligen Unterbrechungen.
Ich lass mich fallen
Inzwischen bin ich hinter das große Türrätsel gekommen. „Sesam öffne dich“ war leider erfolglos, aber eine digitale Steuerung in der Wand reguliert und öffnet die magische Glaswand. Auf Knopfdruck wird das Glas komplett milchig. Verrückt. Ein anderer Befehl lässt die Türe ein Stück hervortreten und leise gleitet diese zur Seite.
Draußen erwartet mich eine kühle Brise, die sofort Gänsehaut hervorruft. Es ist mir egal, wenn ich dafür den Ausblick wahrnehmen kann. Auf dem Boden schlängelt sich ein Weg aus großen unförmlichen Steinplatten. Rechts und links davon stehen noch leere Behälter für Pflanzen. Dekorative Beete wurden bereits angelegt und warten nur darauf ihre Blumenpracht zum Erblühen zu bringen. Es ist ein kleines Paradies, das noch schlummert. Die dunklen Steinplatten führen mich zu einem Holzpodest, auf dem man sich sicherlich wunderbar sonnen kann. Daneben ist ein Whirlpool.
Ich begebe mich zum hohen Gelände. Wage einen Blick in die Tiefe. Ich muss mich auf die Zehenspitzen dafür stellen, damit ich überhaupt hinunter gucken kann. Mir stockt kurze der Atem und ein etwas heftiger Windschub sorgt dafür, dass ich mich ganz fest in die Metallumrandung vom Gelände reinkralle.
Mein Alleingang durchs Wonderland scheint nun vorerst zu Ende zu sein, weil ich endlich das piepsende Geräusch des elektronischen Türschlosses höre und wieder in die Wärme eile.
Sie kommt direkt auf mich zu, legt noch schnell eine Papiertüte auf den Küchentresen und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Sie hält Abstand. Ihre lockigen Haare sind ganz zerzaust. Leichter Schweiß glänzt auf ihrer Haut.
„Guten Morgen. Es tut mir Leid, habe komplett die Zeit vergessen.“
Sie macht den Reißverschluss ihrer Sportjacke auf, lässt das Kleidungsstück auf den Boden fallen mit der kurzen Bemerkung, dass sie es später wegräumen werde und holt sich erstmal eine flüssige Abkühlung. Ihr enganliegendes, ärmelloses Oberteil betont noch mehr den schlanken Körper.
Erst jetzt fallen mir weitere kleine Narben auf, die ihre rechte Schulter und Oberarm zieren. Leise und langsam wandere ich zu ihr rüber, streiche zärtlich über diese Male. Unerwartet dreht sie sich weg, als wäre es ihr unangenehm, dass ich diese Verletzungen so interessiert anstarre. Welches Geheimnis verbirgt sich wohl dahinter, frage ich mich innerlich, wage es aber nicht sie heute und jetzt zu reizen. Später, irgendwann.
Ronja ist heute wieder vollkommen sie selbst. Nicht die Person von letzter Nacht. Ich verspüre eine gewisse Enttäuschung und erlebe bereits erneut ein Kopfkino der gestrigen Nacht. Es vermischt sich mit meiner Fantasie und ich brenne innerlich nach dieser Leidenschaft. Nach Berührung. Nach ihr.
Getrieben von dieser aufkommenden Lust, pack ich sie an dem Top, zieh sich an mich heran, koste ihre Lippen. Sie schmecken leicht salzig. Meine Arme umschlingen ihren Nacken. Halten sie fest, damit sie mir nicht wieder ausweichen kann, falls sie es vorhat. Ich will keinen Abstand zwischen uns. Nicht jetzt. Ihre Haut ist glühend heiß, oder es kommt mir nur so vor, weil ich gerade am Frieren bin.
Endlich berühren ihre Hände meinen Rücken, wandern runter zum Po unter das Shirt. Weiter zum Becken. Rony löst sich kurz aus meiner Umarmung und schaut mich leicht irritiert an. Sie braucht die Frage nicht laut auszusprechen. Mit einer Hand ergreift sie das vordere Shirtende und zieht es provokativ ein Stück hoch. Sogleich halte ich ihre Hand auf, schüttelt mit meinem Kopf und erhebe meinen Zeigefinder, der tadelnd wirken sollte.
„Touch, but don‘t look!“, scherze ich und zieh sie wieder an mich ran.
„Ich hab den Spruch irgendwie anders in Erinnerung.“ Ihre Lippen berühren fast mein Ohr, als sie es mir zuflüstert und zugleich mit ihren Händen wieder auf eine Erkundungstour geht.
Mein Körper bewegt sich wie fremdgesteuert ihr entgegen, fordert nach mehr.
„Wie wäre es mit einer heißen Dusche?“ Ein Kuss nach dem anderen bedeckt mein Hals. Wie könnte ich je nein sagen.
Ich höre, sie noch sagen „Das Heiße an der Dusche werde natürlich ich sein.“, eher ihre Hände erneut über meinen Po zu den Oberschenkeln gleiten.
„Halt dich fest!“, fügt sie frech grinsend hinzu und packt mich mit einem festen Ruck an.
Meine Beine umklammern ihre Taille. Meine Arme ihren Nacken. Durch meinen Körper schießt eine gewaltige Portion Erregung, weil ich ihre Hände nun genau zwischen meinen gespreizten Beinen spüre. Sie trägt mich, ohne dabei auch nur einmal die Miene zu verziehen. Bei Ihrer Statur hätte ich nie gedacht, dass sie so viel Kraft hat, wobei ich mich auch selber durchaus als Fliegengewicht bezeichnen darf. Dennoch. Es erregt mich nur noch mehr, weil ich genau das braucht. Eine starke Person an meiner Seite, die mich trägt, wenn ich fallen sollte oder mich schlichtweg fallen lassen will.
Die Basics
Eher reflexartig schaute Alicia zur rechten und linken Straßenseite und eilte über diese bereits, ohne wirklich drauf geachtet zu haben, ob der Weg tatsächlich frei war. Ihr Chef ließ sie wiedermal nicht pünktlich in die Pause gehen und an dem Tag schien er besonders oft seine Sekretärin sehen zu wollen wegen allen möglichen Belanglosigkeiten.
Alice gehörte nicht zu der dummen Sorte von Blondinen, falls es denn solche wirklich gab. Sie war genervt, weil das sehr sorgfältig ausgewählt Outfit sicherlich nicht diesem Gaffer galt, sondern der Verabredung, die sicherlich schon längst im Café angekommen war.
„Alice? Sie ist da!“ Es war Vanessa, die gerade ihre Freundin anrief und mit ganz aufgedrehter Stimme versuchte zu flüstern.
„Ich bin in wenigen Minuten auch bei euch. Halt sie hin, falls sie versucht zu gehen.“
„Das denk ich eher nicht.“ Nun klang Vanessa etwas lauter. Auch eine gewisse Überraschung konnte Alice aus der Stimme heraushören. Ein kurzes Rascheln erreichte ihr Ohr und eine andere Stimme übernahm die Sprechrolle.
„Lass dir Zeit. Ich werde warten.“ Die Stimme klang so vertraut und liebevoll, als hätte Alice sie schon unzählige Male gehört. Und dennoch einfach aufgelegt.
Es verärgerte Alicia ein wenig und zugleich klopfte ihr Herz noch schneller.
Es gab doch eigentlich nicht wirklich Grund dazu, versuchte sie sich einzureden, während sie in einem etwas ruhigeren Tempo die restlichen Meter voranschritt.
Als sie die Tür zum Café Klecks öffnete, eilte bereits Vanessa ihr entgegen mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht. Alice musste unwillkürlich an die Grinsekatze aus dem Buch denken, eins ihrer Lieblingsbücher aus der Kindheit.
„Sie sieht ja wirklich einfach nur galaktisch gut aus. Du hast echt sehr untertrieben, du Schlawiner.“ Typisch Vanessa, sie versuchte so diskret wie möglich ihre Begeisterung der Freundin mitzuteilen, natürlich vergeblich, denn die Emotionen kullerten aus ihr nur so hervor.
Alicia warf einen Blick zum Tisch gerade aus. Eine etwas ruhigere und helle Ecke, mit einer Glastür, die in den kleinen Innengarten führte. Allerdings war es noch viel zu kalt, um draußen Platz zu nehmen.
Ronja saß bereits da, lächelte ganz charmant, hatte eine sehr gerade und vornehme Haltung. Fast schon zu perfekt für Alicias Geschmack.
Nachdem Vanessa endlich von Alicias Seite wich, ging diese auf ihr Date zu. Immer wieder redete sie sich selber ein, dass es lediglich ein Mittagessen wäre, nichts weiter. Keine große Bedeutung.
Ronja erhob sich elegant aus dem bequemen Sessel und begrüßte ihre Verabredung mit einem Kuss auf die Wange. Ihre Hand glitt schon fast beiläufig an der Taille von Alicia entlang und streifte nur ganz leicht die Kurven. Es genügte, um in Alice einen Donner an Impulsen auszulösen. In erster Linie, war dies eine sehr unverschämt direkte Art und verdiente eine negative Reaktion. Alice genoss aber die zarte Berührung fast schon zu sehr, um hier empört zu reagieren. Es beschämte sie, offenbar zu deutlich. Ihre Ohren glühten vor aufsteigender Hitze kurz auf. Zum Glück waren diese unter den kinnlangen Haaren gut versteckt. Sie durfte nur nicht ihre Haarsträhnen wie gewohnt hinter das Ohr streichen in den nächsten Minuten.
Ronja spielte aber scheinbar ein ganz anderes Spiel. Als hätte sie Alicias Gedanken gelesen, strich sie ihrer hübsch hergerichteten Verabredung die Haarpartie hinter das Ohr mit der liebevoll ausgesprochenen Anmerkung, dass sie so noch bezaubernder aussehe.
Alice versank halb im Boden. Innerlich fühlte sich ihr Körper plötzlich so unstabil an, als wäre unter ihr ein Erdbeben. Die Röte schoss nun vollkommen ins Gesicht und sie setzte sich mit leicht gesenktem Blick schnell in den Sessel gegenüber von Ronja. Ein kurzes Aufatmen und sie hatte ihre Fassung weder zurück. Alice wollte nicht schwach oder total unsicher wirken, was sie auf jeden Fall war. Noch nie ist ihr solch eine Persönlichkeit wie Ronja begegnet. Aber wer war diese Frau überhaupt?
Mit ihren unterschiedlichen Augenfarben visierte Ronja die andere Frau an. Ganz ungeniert, direkt musterte sie jede einzelne Bewegung der andren.
„Wieso ausgerechnet diese Café?“ Endlich eine Reaktion, auf die Alicia schon sehnsüchtig gewartet hatte, um endlich das stumme Blickduell beenden zu können, welches sie eh kläglich verlor.
„Ich fühl mich hier eben wohl.“
„Eine Frau mit Beständigkeit?“
„Eine Frau mit Prinzipien.“, verbesserte Alicia und wurde wieder etwas unruhiger, weil sogar die Stimme von Ronja sie komplett benebelte und zu einer Marionette ihrer Ängste machte.
„Hier ihr zwei hübschen.“ Es war die Rettung in Not, als Vanessa ein Tablett mit Kuchen und Kaffee just in dem Moment servierte. Sie zwinkerte so unauffällig wie möglich ihrer Freundin zu, als Zeichen, dass sie die beiden im Auge behielt und als Rettungsanker fungieren würde, falls es aus dem Ruder läuft.
„Nun, Ronja. Wer bist du?“ Alicia hatte neuen Mut durch diese Unterbrechung geschöpft und versuchte nun die Zügel in die Hand zu nehmen.
„Das ist wirklich eine gute Frage. Ich werde wohl mit den Basics beginnen.“ Ronja nahm die Kaffeekanne und schenkte Alicia und anschließend sich selbst ein.
„Milch?“ Alice nickte schwach und brannte schon darauf etwas von der geheimnisvollen Schönheit zu erfahren.
„Zucker?“ Nun verneinte Alicia mit einer entsprechenden Kopfbewegung und wartete ungeduldig auf weitere verbale Aktionen von Ronja.
„Guck, schon weißt du, dass ich ein Zuckernarr bin.“ Vier weiße Würfel versanken in der dunklen Flüssigkeit und wurden sorgfältig umgerührt.
„Ich spann dich hier auf die Folter, nicht wahr?“
„Du machst mich eher ungeduldig.“ In der Tat verschwand Alicias Nervosität schlagartig. Sie hasste es, wenn jemand sinnlos Zeit schindete. Sie Wollte Dinge klar und effizient anpacken und abhaken.
„Nun gut. Wir haben auch nicht wirklich viel Zeit.“, demonstrativ schaute Ronja auf ihre Armbanduhr und stellte die Tasse auf dem Untersetzer ab.
„Ich heiße Ronja Schwarzer. Bin 28 Jahre jung und lebe nicht in Deutschland. Gewisse Umstände haben mich aber hierher geführt und ich bleibe wohl noch einige Zeit hier, bis...“ Ihr Blick schweifte zu der Glastür, als würde sie dort nach etwas suchen. Ihr Mund war noch offen und bereit die letzten Worte des Satzes auszusprechen. Sie blieben aber aus. Stattdessen wurde noch ein Schluck Kaffee aufgenommen und mit einem dezenten Lächeln schaute Ronja wieder zu Alice rüber.
„Das war es?“ Alicia überkreuzte ihre Beine unter den Tisch und wippte leicht mit dem Fuß, der in der Luft war, hin und her.
„Oh nein. Ich glaube das läuft nicht gut.“ Die Cafébesitzerin lugte kurz um die Ecke zum Tisch, wo die beiden saßen. Ihr entging nicht das Wippen. Sie kannte Alicia schon lange genug, um zu wissen, dass sie kurz davor war aufzustehen und zu gehen.
„So schlimm?“ Tony versuchte ebenfalls um die Ecke zu schauen, wurde aber von Vanessa wieder zurück zur Theke gedrängt.
„Ich will aber doch auch…“
„Pssst!“
Die quirlige Chefin beendete endlich ihre Observation und wendete sich endlich wieder ihrem Kellner zu.
„Nein, irgendwas läuft wohl falsch.“ Sie überlegte zugleich angespannt.
„Mir kommt diese Ronja schon seit sie reinkam irgendwie so bekannt vor.“
„Woher solltest du sie bitte kennen?“, fragte Tony und verdreht bereits leicht die Augen.
„Stimmt ich vergaß. Du kennst wirklich die halbe Welt und bist voller Connections.“ Er meinte es vollkommen ernst, weil Vanessa in der Tat eine sehr talentierte Frau war, die immer wieder für Überraschungen sorgte. Sie selber behauptete aber gern, dass sie lediglich buchstäblich von Glück verfolgt wurde.
„Warte, lass mich nachdenken. Es liegt mir auf der Zunge.“ Sie presste sich den Zeigefinder auf die Lippen und biss die Zähne fest zusammen. Die typische Vanessa-Denker-Pose.
Inzwischen trudelten neue Kunden herein, die meist in der Mittagszeit das kleine Buch-Café besuchten und sich gern einen der köstlichen Nachspeisen gönnten. Dabei konnten sie ungestört in den unzähligen Büchern und Zeitschriften stöbern, die meist von den Besuchern selbst gesponsert oder bei besonderen Specials gegen Kaffee und Kuchen eingetauscht wurden.
Vanessa achtete streng darauf, dass die Auswahl des Lesestoffes sehr ausgewogen war und jeder etwas für seinen Geschmack finden konnte.
„Ich glaub ich weiß jetzt wer sie ist.“, wie immer hektisch, aber fachmännisch bediente Vanessa die neuen Gäste und eilte zurück zur Theke, schnappte ihr Handy und suchte wie eine wilde Furie im WoldWideWeb nach der passenden Antwort.
Alicias Laune verwandelte sich von Sekunde zu Sekunde des Schweigens zu einem heftigen Gewitter, dass in jedem Moment ausbrechen konnte. Ronja schien das ebenfalls zu bemerken und setzte erneut an.
„Nein natürlich ist es nicht alles, was ich zu meiner Person sagen kann.“ Wieder eine eingeschobene Pause, die Alice innerlich in den Wahnsinn trieb.
„Ich würde dir aber lieber zeigen, wer ich bin, als dir stundenlang von mir zu erzählen.“ Die Anspannung in Alicias Gesicht löste sich etwas.
„Zeigen?“
„Was machst du heute nach der Arbeit?“
„Von dir kommen nur Fragen, statt klare Antworten. Ich glaube nicht, dass Taten…“ Völlig unerwartet, erhob sich Ronja, ging um den Tisch herum und beugte sich zu Alicia vor. Ihre Lippen nahmen sich einfach so einen Kuss von der wieder in den scheuen Rehzustand verfallenen Alicia. Langsam und zaghaft erwiderte sie diese leidenschaftliche Verschmelzung, ohne zu verstehen, wieso sie der Frau jedes Mal erlag, wenn diese so harsch und fordernd handelte.
Die Chefin des Cafés eilte, ohne von ihrem Handy wegzublicken zu dem Date-Tisch und blieb abrupt stehen, als sie die fast schon traumhafte Szenerie vor ihr wahrnahm. Ronja beugte sich, in ihrem schwarzen auf die Figur geschnittenen Anzug, über Alicia. Mit den Fingern der rechten Hand, die von zwei silbrigen Ringen verziert wurden, berührte die schöne Fremde ganz leicht Alicias Kinn. Diese saß immer noch mit überkreuzten Beinen, leicht zurückgelehnt im dunklen Sessel und umklammerte Ronjas rechten Arm mit ihrer linken Hand.
Die schwachen Sonnenstrahlen fielen direkt auf den Tisch und erzeugten mehrere Lichtreflexe auf dem glänzenden Tablett.
Vanessa trat verlegen von einem Bein aufs andere, unsicher, ob sie gehen oder bleiben sollte. Eine der Bodendielen, die unter Vanessas Füßen auf quietschte, beendete schließlich die wunderbare Szene.
Alicia löste sofort ihre Hand von Ronja, als hätte man sie gerade bei einer Untat erwischt. Ronja dagegen schaute mit einem dezenten Lächeln die Ladenbesitzerin an und steckte ihre Hand, die eben noch auf Alicias Haut verweilte in die Hosentasche.
„Es tut mir furchtbar leid. Ich wollte euch nicht unterbrechen.“ Vanessa war immer noch hin und her gerissen, ob sie sich lieber verziehen sollte.
„Nein, du störst überhaupt nicht. Ronja hat sich gerade lediglich verabschiedet.“
„Ach, hab ich das?“ die betroffene schaute zu Alice, die sich nun ebenfalls erhoben hatte.
„Ja, ich denke das war ein lebe wohl Kuss.“
Nun mischte sich Vanessa dennoch ein, eher Ronja tatsächlich im Eiltempo aus dem Café verschwinden würde.
„Ich weiß nun endlich wer du bist!“, platzte sie mit eine energisch lauten Stimmer hervor.
Alle beteiligten und auch Tony, dessen Kopf immer wieder um die Ecke im Blickfeld erschien, waren ganz hellhörig geworden. Sogar Ronja schien etwas aus ihrem Konzept gebracht worden zu sein.
„Tatsächlich?“ Sie räusperte sich einige Male kaum hörbar und nahm eine etwas angespanntere Haltung neben Alice ein. Ihr entging der plötzliche Wandel ebenso nicht. Die lockere Art wirkte nun eher verkrampft, auch wenn Rony diese mit aller Macht versuchte zu decken durch ein breites niedliches Lächeln auf ihren vollen Lippen.
„Du warst vor 4 Jahren in der 5-teiligen Reportage über SaWo.“
„SaWo, das Modelabel?“ Alicias Kopf wanderte zwischen ihrer Freundin und der geheimnisvollen Frau hin und her. Vanessas Grinsen wurde mit jeder Blickbegegnung breiter und breiter. Ronja dagegen sah etwas geknickt und betroffen aus.
„Sasha Wolkova ist eine grandiose Designerin, die das Label SaWo und zugleich ihren Spitznamen mit der Reportage weltweit durchgeboxt hatte. Das War ihr Sprungbrett so zu sagen.“ Vanessas Hände zitterten schon sichtbar vor Aufregung.
„Und du bist das spontane Model, das sie bei den Dreharbeiten in London getroffen hatte und überredete für sie zu modeln.“ Nachdem das gesagt wurde, fügte Vanessa noch ein „hab ich Recht?“ hinzu, um ihre Aussage endgültig zementieren zu können mit der passenden Antwort von Ronja.
„Ertappt.“ Sie grinste wieder ganz charmant, komplett ruhig und keine Anzeichen von Verspannung zu bemerken. Alice verstand diese Frau nicht wirklich. Vor einigen Sekunden noch war sie starr wie eine Statue und nun wieder die unantastbar stachelige Fassade.
„Ertappt?“ Vanessa ging einige Schritte auf Ronja zu.
„Ich fühl mich hier grad wie ein kleines Schulmädchen, dass ihren Idol getroffen hat und du sagst so locker ertappt?“
Die Frau mit dem rothaarigen vogelnestartigen Dutt auf dem Kopf schüttelte heftig mit dem Kopf, so dass die aufgewickelte Haarpracht in noch wilderen Strähnen in alle Richtungen fiel.
„Deine Haarfarbe war damals schwarz und du hattest immer Kontaktlinsen drin. Deswegen bin ich nicht gleich drauf gekommen.“
„Schwarze Locken?“ Alicia musterte ungläubig Ronja an, die leicht verschmitzt lächelte, um der Situation mit möglichst wenigen Worten auszuweichen.
„Ich zeig dir später die Aufzeichnungen der Reportage. Ich habe sie alle noch. Sind auch verdammt schicke Bilder dabei.“, kicherte Vanessa und strahlte über das ganze Gesicht, weil sie eine, auch ihrer Sicht betrachtet, richtige Berühmtheit getroffen hatte.
„Tja, Miss Schwarzer. Er scheint, als hätten wir die Basics deutlich übersprungen mit dieser Aufdeckung ihrer wilden, berühmten Vergangenheit.“
Alice war sichtlich zufrieden, weil sie endlich einen Anhaltspunkt hatte über die geheimnisvolle Ronja Schwarzer.
„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ab und zu ein Model bin, falls du dich daran erinnerst.“
„Natürlich, aber ob du mir diese Geschichte heute noch erzählt hättest. Ich bezweifle.“
Ronja war wieder voll in ihrem Element. Es störte sie nicht mal, dass Vanessa kurz vor zur Kasse lief und bereits wieder zurückkehrte mit einem Zettel und Stift.
Ganz sanft streichelte Rony mit ihrer Hand über Alicias Gesicht, wanderte runter zum Dekolleté, ließ die intimen Stellen aus, packte Alice an der Hüfte und zog sie nah an sich heran.
„Ich hole dich heute Abend ab. 19 Uhr.“, flüsterte sie Alice ins Ohr. Erneute Spannung lag in der Luft. Wie konnte sich diese Fremde nur sowas erlaben. Alice befreite sich aus dem sanften Griff und ging sicherheitshalber einen Schritt zurück, um nicht diesen betörenden Duft der verführerischen Frau einzuatmen.
„Woher weißt du wo ich wohne und wer sagt, dass ich dich erneut sehen will?“
Ronjas Hände verschwanden beide wieder in den Hosentaschen der enganliegenden Stoffhose. Ein Schritt später stand sie schon neben der aufgewühlten Blondine. Langsam ging sie um sie herum, befand sich nun genau auf der anderen Seite von ihr und beugte leicht den Oberkörper zu ihr, bewahrte aber erstaunlicherweise eine gewisse Distanz dieses Mal.
„Die Adresse hat mir dein Smartphone schon verraten und bezüglich dem anderen.“ Die Augen funkelten im hereinfallenden Licht besonders stark in der jeweiligen Farbe auf. Ronja näherte sich nun doch wieder näher an Alice, so dass diese den Atem der andere förmlich auf der Haut spüren konnte.
„Ich kann dir eine Welt ohne Prinzipien und Regeln zeigen.“ Genauso schnell wie Ronja die Nähe aufsuchte, entfernte sie sich auch schon und setzte an das Café zu verlassen.
Vanessa stand da wie ein kleiner angebundener Dackel vorm Supermarkt mit ihrem Zettel in der Hand und hoffte noch, dass in diesem dramatischen Abgang eine Sekunde für ein Autogramm übrig bleiben würde.
„Ich werde kommendes Wochenende SaWo persönlich treffen und ein gemeinsames Foto machen lassen, das wir beide für dich signieren. Einverstanden?“ Ronja verabschiedete sich mit einer dezenten Umarmung von Vanessa und wiederholte für Alice erneut die Uhrzeit, zu der sie fertig sein sollte.
„Zieh was Bequemeres an.“, betonte sie zusätzlich und verschwand aus dem Lokal.
Alice ließ sich wieder in den Sessel fallen, nachdem Ronja nicht mehr zu sehen war. In ihren Gedanken drehte sich alles. Diese Fremde stellte alles auf den Kopf, was für Alicia sonst so klar und strukturiert war.
„Die Frau macht mich wahnsinnig.“ Aus purer Verzweiflung und Frustration genehmigte sich Alice ein riesiges Stück Schokokuchen mit sahniger Füllung. An diesem Tag ihr einziges Mittagessen, denn vorher war sie schlichtweg zu nervös, um in der Arbeitszeit rasch etwas Kleines zu sich zu nehmen. Nun war ihre Stimmung so sehr aus dem Gleichgewicht, dass lediglich Appetit auf Kuchen und eine geladene Portion Glückshormone Vorrang hatten.
Ich hab dich im Griff
Das Erste, was meine Haut zu spüren bekommt, ist die kalte Wand, die aus unsymmetrischen Marmorplatten besteht. Auch hier herrscht die dominante Farbe Schwarz im Übermaß. Ich friere. Eigentlich ist mir schon kalt, seit ich das Bett verlassen habe. Womöglich war es keine gute Idee, so fast nackt rumzulaufen und schon erst Recht nicht raus auf den Balkon zu gehen. Wahrscheinlich ist es nicht nur die Gänsehaut, die mich verrät. Auch meine kalte Haut und Hände sind ein eingeschworenes Team. Ihr Körper presst sich nun ganz dicht gegen meinen. Sie glüht regelrecht vor Hitze im Gegensatz zu mir.
Ich stöhne auf, als die ersten Wasserstrahlen unsere Körper erreichen. In einem Luxusanwesen zwischen den Wolken herrscht ebenso die Tatsache, dass zuerst immer kaltes Wasser kommt, auch wenn man warmes angemacht hat. Sie schiebt sich sogleich zwischen die bösen Wasserstrahlen und meiner Wenigkeit so gut es geht.
Heute ist es anders. Sie herrscht nicht über mich. Sie besitzt mich. Ich will mich restlos entfalten. Keine Strafen. Keine Sichtsperre. Heute koste ich jede Minute vollkommen aus.
Es ist nicht nur ihre Persönlichkeit, die im stetigen Wandel ist, sondern auch ihr Körper verändert sich je nach Situation, Kleidung und allgemein der Erscheinung, die sie wählt.
Es klingt wirklich verrückt, aber gerade krallen sich meine Finger in ihre breit wirkenden Schulterblätter, während sie mich immer wieder küsst und zärtlich über meinen unterkühlten Körper streichelt mit ihren warmen Händen.
Sie packt mich mit beiden Händen an, schiebt mich direkt unter den inzwischen angenehm warmen Wasserstrahlen und setzt unsere Kussaktion im künstlichen Regenschauer fort.
Das Schöne an dieser Dusche ist, das weder in den beiden Wänden, noch in den dunkel getönten Glasfronten Griffe oder Sonstiges vorhanden ist. Alle vier vertikalen Ebenen können vollkommen ausgenutzt werden. Das Wasser kommt direkt von oben. Diese Gelegenheit nutze ich auch, drück sie an die Marmorwand, an der ich zuvor lehnte, hole mir gierig meine feuchten, warmen Berührungen ihrer Lippen. Ich bin hungrig nach mehr. Ich will ihr zeigen, dass auch in mir etwas Wildes verborgen ist.
Sie ergreift meine Handflächen und ich drück ihre Arme ebenfalls an die schwarze Wand hinter ihr. Sie wehrt sich nicht, lächelt nur, will mich küssen, aber ich halte Abstand. Ich fühl mich ihr überlegen, obwohl mir eigentlich klar ist, dass meine Kraft ihr deutlich unterliegt. Dennoch ein schönes Gefühl. Meine Hände umschließen nach wie vor ihre. Pressen sie fest an die Wand. Mein Oberschenkel schiebt sich zwischen ihre Beine. Mit der Zunge fahre ich über ihren nassen Hals. Das Wasser hat bereits all den Schweiß mitgenommen. Das einzige was ich noch schmecke, ist die warme Flüssigkeit und ihre sanfte Haut. Ich beiße leicht in ihre Schulter. Will ihr einen Laut entlocken. Vergeblich, sie lächelt nur weiter, schaut mir direkt in die Augen, aber ich kann kaum was erkennen, da meine Haare, samt dem Wasser mir die Sicht verweigern.
Sie löst sich mit kaum Kraftaufwand aus meiner festen Umklammerung, streicht mir die einzelnen Strähnen aus dem Gesicht. Küsst mich erneut. Ich war ab dem ersten Kuss ihr schon total verfallen. Es ist wie Magie, die meinen Körper vollkommen aus dem Takt bringt, wenn diese Göttin meine Lippen kostet. Ich bin nicht mehr Herr meiner Sinne.
Wieder habe ich mich verführen lassen und die Scheinkontrolle verloren. Sie hält mich fest. Ihre Hände wandern nun gezielt hinunter zwischen meine Backen. Streicheln, bewegen sich wieder vor zu meinen Hüftknochen, die rausragen. Ich weiß nicht wieso, aber genau jetzt muss ich an den Spruch meine bescheuerten Ex denken, die mich als Dürr bei unserer letzten Begegnung bezeichnet hatte. Gut sie sagte eher ‚Dürre Schlampe‘ zu mir, weil ich während des Vorspiels doch wieder zu Besinnung kam, stoppte, meine Sache packte und verschwand.
„Wo bist du gerade mit deinen Gedanken?“ Ihre Stimme klingt etwas heißer oder tiefer als ich es gewohnt bin. Vielleich liegt es aber auch an der Dusche selbst.
„Vollkommen bei dir.“, lüge ich, weil es sicherlich nicht gut ankommt, wenn ich die Wahrheit preisgebe.
„Nein. Aber das ändere ich gleich.“ Kaum hat sie diese Worte ausgesprochen, wandert ihr ganzer Körper hinab in die Tiefe. Ohne zu überlegen spreize ich automatisch meine Beine und lehn mich an die dicke Glaswand hinter mir. Das Wasser erreicht mich hier kaum. Mir ist wieder etwas kalt, aber ihre Zunge zwischen meinen Schenkeln schickt bereits die ersten Hitzewellen meinen Körper empor.
Jerks & Sinner
Alice: „Schick mir doch bitte nochmal den Link von der Doku.“
Vanessa: „Such nach SaWo – Behind the Pattern.”
Vanessa: „Kannst du telefonieren?”
Alice: „Nein. Sommer ist noch im Büro.”
Vanessa: „Wie geht es dir eigentlich? Warst echt arg geknickt vorhin.“
Alice: „Ich bin immer noch verwirrt. Ich weiß nicht, ob ich heute sie sehen will.“
Vanessa: „Was verlierst du schon dabei?“
Alice: „Die Frage ist eher, was bekomme ich?“
Vanessa: „Hat sie doch gesagt. ;)“
Alice: „Hab die Seite gefunden. Wo kommt Ronja vor?“
Vanessa: „Lenk nicht von Thema ab! :P“
Alice: „Mach ich doch nicht.“
Alice: „Erzähl mal die Doku-Story in Kurzfassung. Muss noch ein Serienbrief an Mandanten verfassen >_<“
Vanessa: „Kurz kann ich nicht. Es geht um DIE SaWo. ^^“
Alice: „leg los!“
Vanessa: „Nur, wenn du dich mit ihr heute triffst.“
Vanessa: „??????“
Alice: „Brief! Erzähl schon“
Vanessa: „OK, OK.“
Vanessa: „Sascha Wolkova hatte vor ca. 7 Jahren sich von einem Studenten mit einer Kamera begleiten lassen. Der Zeitraum betrug ein halbes Jahr glaube ich und den fertigen Film reichte er irgendwo ein. Wettbewerb oder so.“
Vanessa: „Leute wurden drauf aufmerksam. Dann auch irgendwie die Modewelt. Man munkelt, dass Saschas Befürworter hier die Fäden im Hintergrund gezogen hätten.“
Vanessa: „Sascha machte dann gleich Teil zwei und ein Jahr später Teil drei. Am Ende der Dreharbeiten vom zweiten Teil traf sie Ronja.“
Vanessa: „Gott schon peinlich, dass ich sie nicht gleich erkannt habe XD“
Vanessa: „Noch da?“
Alice: „Brief! Lese es mir gleich durch. Erzähl weiter.“
Vanessa: „Im Teil drei der Doku, sah man Ronja zum ersten Mal offiziell an der Seite von Sascha. Sie nannte sich aber Raj. In den gesamten Aufnahmen ist nie ihr echter Name gefallen. Nur Raj.“
Vanessa: „Such mal nach ‘Raj - You fucking asshole get lost!’”
Alice: “Sommer ist weg. Kann nun Telefonieren.”
Und schon klingelte das Handy in Alicias Händen.
„Hab aber nicht viel Zeit. Schau mir gerade den Clip an.“
Gespannt verfolgte Alicia, wie der Kameramann in den privaten dressing room reinfilmte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Ronja alias Raj dies bemerkte und wie ein wildgewordener Hund auf die Kamera losging. Dabei fluchte sie ununterbrochen, was an den Zensiertönen deutlich zu hören war. „Asshole. Are you kidding me?“ Es folgten wieder mehrere schrille Töne. „Get lost! Jerk!“ Die Tür knallte mit einem so heftigen Schlag zu, dass das Schildchen mit Ronjas Spitznamen hinunterfiel.
„Das War im vierten Teil. SaWo hatte inzwischen ein richtiges Kamerateam. Profis. Man wollte das ganze wie eine richtig coole Show aufziehen für mehr Einschaltquoten. Moment, hab dir ein Link geschickt. Clip aus Teil 3 zum Vergleich.“
Alice stellte Vanessa auf Lautsprecher, schaute in den Nachrichtenverlauf und suchte nach dem neuen Link, denn sie rasch abtippte, um auf dem großen Monitor vor ihr das Ganze ansehen zu können.
Eine viel jünger wirkende Ronja befand sich in einer kleinen geselligen Runde. Sie saß auf einem ausgefranzten Stuhl mit Lehne. Die Füße lässig an einer Tischkante abgestützt. Das ganze Ambiente wirkte wie eine heruntergekommene Jugendherberge. War wohl eine Shooting Lokation.
Auch Ronja sah ganz anders aus, als die Frau, welcher Alicia nun begegnet war. Im Video trug sie ein schlabbriges, von Löchern zerfressenes weißes Tanktop. Drunter blitzte ein zweites schwarzes Top hervor. Auch die Jeans sah aus, als hätte man diese durch einen Stacheldrahtzaun gezogen. Die total abgelaufenen Chucks machten das ganze Outfit vollkommen. Es wirkte nicht schmuddelig oder irgendwie unschön. Es zeigte nur eine vollkommen andere Person, die noch keine Kleidung trug, die auf den Leib geschnitten war.
Ronja lachte herzlich in dem Clip auf. Über was genau geredet wurde, konnte man nicht hören, da die Szene mit einer musikalischen Untermalung überspielt wurde.
„Sie sieht echt sehr hübsch auch mit den schwarzen Locken. Das ganze Gesicht wirkt noch kantiger.“, schwärmte Alice und seufzte dabei leicht auf.
„Die Produzenten vom vierten Teil haben es echt versaut. Sie wollten es jedem recht machen, weil viele Fans sich im Internet beschwert hatten, dass Raj zu wenig Screentime im Teil drei hätte. Daraufhin wurde Ronja von der Kamera verfolgt. Man konnte richtig sehen, wie sie immer genervter wurde im Verlauf der Dreharbeiten. Solche fröhlichen Szenen gab es kaum noch. Und dann ist sie noch beim ersten und einzigen walk gestürzt. Kurz danach war dann die Aufnahme mit dem Umkleideraum.“
„Das heißt also, dass sie in zwei Teilen mitgewirkt hatte. Im fünften Teil war sie dann raus?“
Immer noch betrachtete Alice fasziniert die lachende Ronja mit den wuscheligen schwarzen Löckchen im Video. Diese Frau hatte es ihr wirklich angetan. Irgendwie, auf eine seltsame Art und Weise war Alice sehr fasziniert von dem Model. Sowohl von der jungen als auch von der aktuellen Version. Allerdings bereitete ihr diese Geheimnistuerei einfach nur Kopfschmerzen, denn solche Rätselaktionen waren nicht die liebste Beschäftigung von Alice.
„Ja, in der fünften und letzten Staffel war sie nicht dabei. Sascha meinte nur, dass sie persönlich verhindert wäre und nicht teilnehmen könne. Die Fans hatten natürlich zig Geschichten parat. Die meisten waren sich einig, dass die beiden wohl im Streit auseinandergingen.“
„Was aber ja anscheinend nicht stimmt, da du ein Autogrammfoto von beiden bekommst?“
Nun quickte Vanessa kurz auf. Alicia konnte sich richtig vorstellen, wie ihre Freundin gerade auf der Stelle hüpfte und dabei das größte Grinsen hatte, was der Mund zustande brachte.
„Ich wollte vorhin nichts sagen, weil du so fertig aussahst und dir sogar das zweite Stück Kuchen gegönnt hast. Ich weiß ja, dass bei dir zwei Stück schon eine ernste Sache ist.“
Alice lachte auf. In der Tat stopfte sie sich mit Süßigkeiten nur dann voll, wenn sie an schwerem Kummer litt oder zur Weihnachtszeit, wenn Vanessa wieder ihre leckeren Plätzchen backte.
„So schlimm war es heute nicht. Ich war nur enttäuscht, weil ich jetzt noch mehr Fragen habe als vor dem Treffen. Versteh nicht was sie für ein Spielchen spielt. Oder was sie überhaupt von mir will.“
„Und schon sind wir wieder beim Thema von vorhin. Das hat sie dir doch klipp und klar gesagt. Vergessen?“
„Vanessa, du weiß ganz genau, dass ich nicht so ein Mädchen bin.“
„Vielleicht solltest du aber so ein Mädchen werden. Wann wird dir nochmal ein Model begegnen, die dir scheinbar überall hin folgt und dich mit viel Mühe erobern will?“
„Ich weiß nicht.“ Alice ging kurz in sich hinein und zählte die Monate, nein Jahre, in welchen sie nun Single war.
„Na, zählst du deine Spinnweben-Jahresringe, wie beim Baum?“ Vanessa kicherte kurz auf.
„Ach, Klappe.“ In Wirklichkeit bedrückte Alicia dieser Zustand doch etwas. Es war nicht so, dass sie nicht gewillt war jemanden zu finden oder sich finden zu lassen. Es begegnete ihr einfach keine Frau in den letzten Jahren, die ihren Kopf ganz verrückt machte. Erst durch die Begegnung mit Ronja kam solch ein Gefühl auf. Und damit zugleich ein unbekanntes Verlangen. Nach was genau ihr Inneres verlangte, war Alice jedoch noch nicht ganz klar.
„Ach ja, eher ich es vergesse. Ich habe heute ein Foto für dich.“ Wenige Sekunden später ertönte das Benachrichtigungssignal über eine neue Mitteilung auf Alicias Handy. In der Tat ein Foto.
„Wann hast du denn das geschafft?“
„Flinke Finger, sag ich nur.“ Wieder kicherte Vanessa in ihrem üblichen schrillen Ton, riss sich aber sogleich wieder zusammen.
„So Süße. Ich muss jetzt Schluss machen. Tony ist schon voll im Stress, so ganz alleine. Geh heut aus, amüsiere dich. Verleg all deine Prinzipien und Regeln weit weg. Sei mal ein sinner!“
„Ich werde deinen Ratschlag beherzigen. Versprochen.“ Alicia verabschiedete sich von ihrer Freundin mit einem Schmunzeln auf den Lippen und suchte nochmal das gerade erhaltene Foto. Vanessa hatte den Moment wirklich wunderbar eingefangen, wie Ronja über ihr gebeugt da stand und sie im Café Küsste. Ganz zart berührte Alice ihre Lippen und stellte sich vor wie es sich anfühlte, als Ronja sie berührte und küsste. Die Gedanken blieben nicht stehen, sondern vermischten sich mit der Fantasie und waren gerade dabei auf eine abenteuerliche Reise zu wandern, doch Alice unterbrach sich selber. Schüttelte leicht mit dem Kopf, als hätte sie gerade etwas ganz blödsinniges gemacht und widmete sich wieder ihrer Arbeit.
Nun entscheide ich
In meinem Kopf vernehme ich immer noch den Klang meiner Stimme. Der Augenblick ist schon längst vorbei und mein Atem wieder ruhiger und dennoch schreie ich innerlich. Mein ganzer Körper ist in Bewegung. Ruhelos. Mit beiden Händen streife ich durch ihr Haar, welches von dem warmen Wasser umströmt wird.
Irgendwas ist in mir entflammt. Eine Welle von unbekannter Lust. Eine Lust, die in meinem Kopf immer lauter pocht.
Ich will sie hören. Hier und jetzt.
Hastig berühre ich ihre Lippen mit meinen. Dränge sie an die Wand, an die ich zu Beginn gedrückt wurde.
Ein leichter Biss in die Unterlippe, aber das Einzige was ich mit dieser Tat von ihr entlocke, ist ein überraschter Gesichtsausdruck und ein Lächeln zugleich. Sie macht mich schwach. Lockt mich auf die andere Seite, auf der ich mich ihr hingebe. Nein, nicht jetzt.
Mit der linken Hand streichele ich durch ihre inzwischen fast glatten Haare. Die Finger streifen über die Wange, am Hals entlang. Weiter abwärts zu der Schulter.
Ich spüre jede einzelne Narbe unter meinen Fingerkuppen. Kleine und größere Erhebungen auf ihrer Haut.
Ihre Arme umschließen meine Taille. Ihr Griff ist fest. Ich befürchte, dass sie kurz davor ist mir meinen Moment zu rauben. Doch statt mich zu erobern, zieht Ronja mich näher an sich heran. Legt ihren Kopf auf meine Schulter, küsst meinen Hals. Versteckt ihre Augen vor mir.
Mir ist inzwischen klar, dass sie vor etwas davonrennt, mit was sie noch nicht abgeschlossen hat.
Mit meinen Lippen, die den Fingern folgen ziere ich einen unsichtbaren Weg der vollen Zuneigung. Sie hält mich noch fester, bleibt aber stets in Bewegung mit ihren Händen.
Ich genieße es, will sie aber dabei auch sehen. In ihren Augen versinken. Von ihrem Lächeln dahinschmelzen.
Der Versuch mich von ihr zu lösen gelingt mir nicht, da sie mich nur noch fester an sich presst. Ich höre sie leise lachen und stelle mir das süße Lächeln dazu vor.
Nein, ich darf nicht nachgeben. Ich kann auch anders.
Während meine linke Hand bereits bei den weiblichen Rundungen angelangt ist, greife ich mit der rechten in ihr Haar, pack sie, zieh sie fordernd zurück. Sie gehorcht, lehnt sich wieder komplett an die Wand. Sieht mich direkt an, will mich küssen, aber ich leg meine Hand auf ihren Mund, denn nur ich entscheide, was nun passiert.
Unausgesprochen & Ungedacht
Durch das kurze Auflegen der Chipkarte, entriegelte sich das Schloss und Ronja öffnete die Apartmenttür.
Wie beim Verlassen der Wohnung, saß Jane vor ihrem Laptop und tippte unaufhörlich einen Text.
„Es lief wohl nicht so gut“, ließ sie ihre trockene Bemerkung fallen, ohne sich vom Tippen ablenken zu lassen.
Schweigend knöpfte Rony den schwarzen Stoff des Anzuges auf und lockerte den Krawattenknoten ein Stück. Ebenso still nahm sie Platz auf der dunklen Ledercouch und schaute ihrer Schwester bei der Arbeit zu. Ihre Gedanken drehten sich aber nur um Alice. Sie sah wirklich wunderschön aus bei diesem Treffen. Etwas schüchtern und dennoch voller Überzeugung.
Der Moment des Kusses blitzte unerwartet vor dem inneren Auge auf und zauberte Rony automatisch ein Schmunzeln herbei.
„Hast du wenigstens eine Ohrfeige kassiert für dein schamloses Verhalten?“
„Wie kommst du drauf?“
„Deine Wangen haben eine unnatürliche Röte.“
Um dies zu überprüfen, stand Ronja nach wenigen Schritten bereits vor dem Spiegel im Badezimmer und betrachtete sich aufmerksam.
„Vielleicht werde ich krank?“
Sie kehrte wieder zurück zu ihrem Sitzplatz und hielt sich dabei die Hand an die Stirn.
„Nein, fühlt sich nicht heiß an.“
„Du bist doch nicht etwa wegen der Frau so aufgebracht?“ Jane hatte sich bereits seit ihrer letzten Bemerkung im Drehstuhl gewendet und betrachtete ihre Schwester aufmerksam durch ihre leicht herabrutschende Brille hindurch.
„Wegen Alice?“
„Gibt es noch weitere in fragekommende Frauen?“
„Nicht wirklich.“
Einige Sekunden des Schweigens verstrichen, bis Ronja endlich ihre alte Fassung wiederfand und energisch aus der Couch sprang.
„Sie ist nichts weiter, als ein netter Zeitvertreib.“
Der streng wirkende Blick von Jane folgte Ronja, die weiterhin voller Elan durch die Räumlichkeiten tigerte und auf dem Weg weitere Kleidungsstücke unachtsam in der Gegend von sich warf.
„So Aufgebracht habe ich dich ja schon lange nicht mehr gesehen.“ Ein kaum bemerkbares Lächeln zierte Janes Lippen, verschwand aber genauso schnell wie es auftauchte.
„Sie ist nichts Besonderes.“, betonte Ronja erneut, bereits in einem Bikini gekleidet und mit einem Handtuch im Arm. Ein lässiges, langes Top bedeckte etwas die helle Haut.
„Ich verstehe.“ Nur selten redete Jane viel, oder teilte ihre Meinung mit ihrer Umwelt. Auch in dem Moment behielt sie die wahren Gedanken im Verborgenen. Es war zu offensichtlich, dass bei Ronjas Treffen etwas nicht so verlief, wie sie es geplant hatte. Das verräterische Zeichen hierfür war der Gang zum Pool, den Rony kurz ankündigte und bereits aus dem Apartment verschwinden wollte. Dies tat Ronja meist nur, wenn sie etwas sehr beschäftigte.
„Bevor du nachher wieder verschwindest und nicht auffindbar bist, lies dir das Statement durch, das ich verfasst habe in deinem Namen.“
„Für welchen Artikel war das nochmal?“
„Kein Artikel, sondern eine Einladung zur jährlichen Spendengala. Oder hast du vor dort aufzukreuzen?“
„Sicherlich nicht.“ Ungeduldig wartete Ronja auf weitere Äußerungen von ihrer Managerin.
„Nimm das Ganze doch bitte etwas ernster. Es ist wichtig.“
„Nicht für mich.“ Ronja drehte sich um, und griff nach der Türklinke.
„Dann solltest du wohl wirklich damit aufhören. Der Zeitpunkt wäre ideal dafür.“ Die unüberhörbare tiefe Traurigkeit in Janes Stimme ließ Ronja kurz zurückblicken.
„Du weißt doch, dass ich nie darum gebeten hatte. Es war deine Idee.“
Die Frau am Schreibtisch drehte sich wieder zu Rony und ließ ihre gerade Haltung kurz zusammensacken.
„Willst du wirklich einfach aufhören?“
Auch Ronja lehnte sich nun an der Tür an und überlegte kurz, was sie wohl antworten sollte.
„Ich habe zumindest dran gedacht.“ Wieder sagte keine von den Schwestern ein Wort. Sie schauten sich nicht mal an, weil die Stimmung gerade fast zu erdrückend wurde.
„Und dann das mit Dad und dem ganzen drum herum…“
„Damn it! Ronja, sie ist deine Mutter!“ Rony zuckte unerwartet zusammen, weil Jane nie für gewöhnlich laut wurde oder irgendwelche Schimpfwörter von sich gab.
„Ich will drüber nicht reden.“
„Du willst nie reden. Weder damals nach dem Unfall, noch jetzt.“
„Es reicht Jane!“
„Wie du willst. Vergiss heute nicht das Statement zu lesen.“ Die große Schwester drehte sich wieder zum Monitor und verharrte in der Position, bis die Apartmenttür leise wieder verriegelt wurde. Sie legte ihre Brille ab und wischte die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht.
„Rony, you are such a stubborn donkey.”, flüsterte sie leise und klappte den Laptop zu.
Bin ich ein wilder Wolf?
Meine Finger gleiten hinab, berühren nur beiläufig ihre Lustpunkte. Egal wie sehr sie ihre Fassung wahrt, ihr Körper spricht eine andere Sprache. Meine Finger gleiten durch das zarte, weiche Fleisch. Verweilen nie lange genug auf einer Stelle, denn auch ich beherrsche die Technik des Hinhaltens sehr gut. Ihr Atem wird endlich hörbar. Sie schließt immer wieder die Augen, lächelt dabei, berührt mich ebenfalls an empfindlichen Stellen, aber ich lass es nicht zu, dass sie mich kontrolliert. Nehme ihre Hände, halte diese fest, flüstere ihr, dass sie nun meins ist.
Sie so zu sehen, erregt mich selber zunehmend. Es ist nicht so, dass es mir an Erfahrung mangelt oder an der Vielfalt. Definitiv nicht, aber sie ist die erste Frau, mit der ich ein Vergnügen der anderen Art erlebe. So betrachtet, hatte ich womöglich bis zum gestrigen Zeitpunkt nie die wahre Lust gekostet, denn so kenne ich mich selber nicht.
Ich will sie stöhnen hören. Will den Moment sehen, wenn die Lust ihr den Verstand raubt. Will in sie eintauchen.
Spielerisch, gefühlvoll dringen meine Finger in die warme, feuchte Tiefe ihres Körpers. Sie hält sich an mir fest, lehnt ihren Kopf leicht zurück, stöhnt leise auf, als meine Finger langsam ein kontinuierliches Bewegungsmuster bilden.
Ronjas Körper folgt dem Rhythmus. Ihre Stimme wird lauter und betört mich ungemein. Ich fühl mich wie ein hungriger Wolf, der es kaum abwarten kann, bis er in seine Beute reinbeißen darf. Tatsächlich vermischen sich meine wilden Gedanken und ich beiße tatsächlich in ihre Schulter, setze aber meine Verführung fort. Entlocke ihr einen zusätzlichen Laut und erkunde mit der freien Hand unaufhörlich ihren warmen Körper. Lausche jedem Geräusch, den sie von sich gibt.
Wie gern würde ich das Wasser abstellen, das eine gefühlte Stunde schon auf uns herabregnet, um sie besser wahrzunehmen.
Endlich kommt sie richtig in Fahrt. Ihr Körper und meine Bewegungen werden schneller. Ich kann es fühlen, dass sie kurz davor ist und kann es innerlich kaum erwarten.
Sekunden vor dem lang ersehnten Ausbruch der Erregung, packt sie mich fest an und zieht zu sich. Unweigerlich muss ich mich mit der freien Hand an der Wand abstützen, um nicht auszurutschen.
Sie hält mein Gesicht mit beiden Händen fest und küsst mich. Nein, kein gewöhnlicher Kuss. Es ist wie ein wilder Angriff, aber voller Lust und Verlangen. Auch sie ist ein bissiger Wolf.
Ihr Höhepunkt verstummt in unserem Zungenspiel.
In mir wütet ein Protest. Ich bin verärgert über diesen Ausgang und dennoch genieße ich ihre feste Umarmung, während sie mir nun tief ins Ohr atmet.
Ihre Lippen berühren mich.
„Wenn du mich schreien hören willst, dann musst du dir wohl was anderes einfallen lassen.“
Da ist es wieder. Sie war mir die ganze Zeit über, wie immer, einen Schritt voraus. Ich wurde letztendlich ausgetrickst. Und trotzdem habe ich eine andere Ronja erleben dürfen.
Eine Seite an ihr, die auch etwas zulässt, als immer nur selber zu bestimmen.
Ich stütze mich auch mit der zweiten Hand an der Wand ab, betrachte ihr Gesicht aufmerksam. Unzählige Wasserperlen tropfen von ihren Haaren, Kinn und anderen Gesichtspartien herab. Sie versucht ernst zu wirken, hat aber große Mühe ihre Mundwinkel ruhig zu halten.
Ich bin hin und weg von dieser Frau, als wäre ich verliebt.
Ich fühle mich wie erstarrt, weil mir endlich klar wird welches Gefühl tatsächlich in mir die ganze Zeit pochte. Ich bin verliebt.
Ich bin verliebt in Ronja.
Die Starre in meinem Kopf löst sich und macht einer inneren Kälte platz, weil ich nicht weiß, ob diese Gefühle Zukunft haben.
„Hast du Hunger?“
„Auf dich? Immer.“, versuche ich zu scherzen, um das bedrückende Gefühl aus mir zu verdrängen.
„Ich mach uns Frühstück.“ Sie küsst mich kurz auf die Wange und bedient die Duschsteuerung, die in der Glasfront versteckt ist.
Ich bin zwar im Wonderland, aber in einem, das weit in der Zukunft zu liegen scheint. Bis jetzt habe ich lediglich in Sendungen solche verrückten Spielereien gesehen. Nun bin ich umgeben von diesen.
Wie gelange ich nur wieder aus diesem Kaninchenbau, zurück in meine Welt.
Die bessere Frage ist jedoch, ob ich das überhaupt will.
In the Dark
Alice war noch auf dem Weg heim, als die erste Nachricht eintraf, in der Ronja kurz und knapp die Uhrzeit verkündete, zu der Alice fertig sein sollte.
Alice; „Woher weißt du, wo du mich abholen musst?“
Ronja: „Vanessa war so nett mir heute Mittag zu verraten wo du arbeitest. Der Rest ist einfache Recherche.“
Alice: „Ein Stalker also. Toll.“ Dabei verfluchte sie Vanessas große Klappe, strahlte aber in der U-Bahn, zwischen den ganzen müden Gesichtern, mit ihrem Grinsen am aller auffälligsten.
Ronja: „Aber einer mit viel Charme!“
Ronja: „Wir gehen übrigens Essen.“
Alice: „Wer sagt, dass ich dich überhaupt sehen will?“
Ronja: „Natürlich willst du.“
Etwas aus der Puste, denn Alicias Wohnung lag nicht in den ersten drei Stockwerken, warf sie ihr Mobiltelefon und Mantel auf die Couch und schlenderte in den flauschigen Hausschuhen Richtung Schlafzimmer.
„Hat ihr mein Outfit heute wirklich nicht gefallen?“, murmelte sie und stöberte etwas unentschlossen in ihrem Klamottenjungle.
Nach qualvollen Minuten, schob Alice die Schranktür wieder zu und schlürfte zurück ins Wohnzimmer, um ihr Telefon zu holen.
Alice: „Was soll ich anziehen, Ms. Stalker?“
Ronja: „Egal. Ich werde es nicht lange betrachten.“
Ein gelber grinsender Klops folgte wenige Sekunden später.
Alice: „Keine Ahnung worauf du mit der Aussage anspielst, aber meine Klamotten bleiben heute an.“
Ronja: „Ganz wie du es wünscht.“
Erneut begab sich Alice zu ihren Kleidungsstücken und überlegte, was bequem sein könnte, aber dennoch nicht nach einem Schlabberpulli-Look aussah.
Kleider und Röcke wurden von Anfang an aus der Wahl verbannt, da Ronjas Bemerkung im Café Alice keine Ruhe lies. In Gedanken redete sich Alice immer wieder ein, dass dies lediglich eine Aktivität gegen die Langeweile wäre. Nichts Weltbewegendes. Aber auch für eine Nebensächlichkeit wollte sie sich hübsch machen. Sie wollte von der Nebensächlichkeit ein Kompliment hören oder mehrere. Und obwohl sich heute die gewählte Kleidungswahl nicht von ihren Körper trennen würde, suchte sie das schönste und neueste Wäscheset aus, was sie hatte.
Selbstbewusst betrachtete sich Alicia im Spiegel, nachdem auch das Makeup angepasst wurde.
Eine weiße Bluse, mit goldenen Nieten am Kragen. Ebenso weiße Turnschuhe mit Keilabsatz und eine enge schwarze Hose mit goldenen Ziernieten wurden dazu ausgesucht.
Alice gefiel die Wahl. Noch einen Blick auf die farblich abgestimmte schmale Armbanduhr geworfen. Sie lag perfekt in der Zeit.
Zufrieden schnappte sie sich den Mantel von der Couch und verließ ihre Wohnung.
Draußen wurde Alicia bereits von Ronja erwartet, die an einer knallgrünen Kawasaki angelehnt stand.
„Ich hoffe das ist ein schlechter Scherz.“ Alicia zeigte auf das motorisierte Zweirad hinter Ronja und blieb einige Meter davor stehen.
„Schon mal damit gefahren?“
„Nein, und ich habe es auch nicht vor.“
„Es ist nicht schwer. Du musst dich nur gut festhalten. Das Fahren übernehme ich.“
„Nein!“ Alice schüttelte demonstrativ mit dem Kopf und lächelte dabei. Das Lachen war allerdings eher das Ergebnis einer hohen Nervosität, die in Alicia in dem Moment ausbrach. Sie wäre am liebsten wirklich geflüchtet, weil sie stets ein ungutes Gefühl bei Motorrädern hatte, obwohl sie noch nie auf einem saß.
„Ich pass auf dich auf, versprochen.“ Ronjas Stimme wirkte nun vollkommen anders. Nicht Überheblich sondern fürsorglich. Sie ging auf Alice zu und holte ein Paar Handschuhe aus der linken Jackentasche hervor.
„Wird schnell kalt, so ohne Türen und Dach.“
Alice lachte kurz auf, sah aber immer noch sehr verunsichert zu dem grünen Monster rüber, auf das sie sich nun setzen sollte.
„Und wo halte ich mich genau fest?“
„An mir.“ Ronja deutete auf sich und grinste erneut.
„Und mit der Masche lockst du Frauen ins Bett?“ Alicia hielt sich kurz an Ronjas Schulter fest beim draufsteigen auf die Maschine. Im Augenblick erschien ihr die eigene Schuhwahl als ein Misserfolg.
„Nein, dafür brauche ich keine technischen Hilfsmittel.“, zwinkernd zog Rony ihren Helm an und überreichte Alicia den zweiten.
„Klapp das Visier runter.“, deutete sie auf ihren eigenen Helm und führte es vor.
Wenige Sekunden später war das Motorrad bereits gestartet und bewegte sich langsam vom Fleck. Sofort krallte sich Alice in die Jacke von Ronja. Diese blieb jedoch kurz stehen und löste Alicias Griff.
Sie nahm die Arme von ihrer Mitfahrerin und legte diese leicht oberhalb der eigenen Hüfte und gab wieder gas.
„Wenn ich das Überleben sollte, wäre ich für alle Schandtaten bereit.“, murmelte Alice und umarmte Ronja noch fester.
„Tatsächlich?“
Alicia zuckte zusammen vor Schreck.
„Die Helme sind mit einem Kommunikationsset ausgestattet.“
„Noch peinlicher kann der Abend also nicht mehr werden.“
„Warts ab.“, erwiderte Rony und beschleunigte noch etwas mehr.
Alicia war sichtlich erleichtert, als die Fahrt ihr Ende nahm, obwohl sie insgeheim diese unerwartete Nähe durchaus genoss. Endlich schien Ronja ihre geheimnisvolle Maske abzunehmen und erzählte die ersten Details über sich im Rausch der Geschwindigkeit.
„Wozu sind wir so einen Umweg gefahren, wenn das eigentliche Ziel das Stadtzentrum ist?“ Die Gegend war nur wenige U-Bahn Stationen von Alicias Wohnviertel entfernt.
„Wie sonst würde ich in den Genuss einer solch innigen Umarmung kommen?“
Alicia verdrehte kurz ihre Augen.
„Also, wohin nun?“, fragte sie. Die Augen schweiften dabei gespannt in der Gegend rum. Sie erwartete irgendwo einen Haken an der ganzen Sache. Sie wusste von Ronja als Person kaum etwas, aber eins war schon mal sicher, dass sie immer für eine Überraschung sorgen konnte.
„Folge mir.“ Ronja streckte ihre Hand aus und wartete geduldig bis Alice ihre Unentschlossenheit überwand und nach ihr griff.
Mehrmals zitierte Alicia die Worte ihrer besten Freundin in ihren Gedanken und versuchte die Prinzipien für diesen Abend vollkommen auszublenden. Für gewöhnlich hätte Alice bereits vor ihrer Wohnung wieder kehrt gemacht und das Ganze wortlos beendet. Mit Ronja war es anders. Etwas an dieser Frau zog Alice magisch an.
Wenige Straßen weiter standen sie bereits in einem etwas altmodisch wirkenden Empfangsraum. Alicia war so damit beschäftigt endlich einige der Fragen aufzulösen, auf die Ronja tatsächlich bereitwillig Antworten gab, dass sie nicht mal bemerkte wohin die Fremde sie wieder hingelockt hatte.
„Ein Tisch für zwei Personen auf den Namen Schwarzer.“ Die Dame nickte freundlich und blätterte im großen Terminkalender umher.
„Wunderbar. Waren Sie schon mal hier?“
Ronja verneinte sofort die Frage und warf einen prüfenden Blick zu Alicia, die ebenfalls mit dem Kopf schüttelte. Allerdings wusste sie nicht mal, wo das besagte „hier“ war.
„Ich bitte Sie nun ihre Mobiltelefone für die Dauer des Aufenthaltes in unserem Restaurant komplett auszuschalten beziehungsweise diese nicht zu nutzen. Auch Uhren oder andere Gegenstände, die leuchten, bitten wir vorübergehend wegzupacken, damit Sie und andere Gäste den Service vollkommen auskosten können.“
Natürlich folgte Alice der Bitte und packte ihr Smartphone in der Tasche sicher weg. Auch Ronja befolgte die Anweisungen ohne wiederrede.
„Ich werde sie nun zu ihrem Tisch begleiten. Achten Sie bitte auf meine Anweisungen, da ihre Augen sich erst eine Zeitlang dran gewöhnen müssen.“ Als nächstes folgte eine kurze Belehrung über die Sicherheitsmaßnahmen und Verhalten bei Notfällen. Anschließend reichte die Dame am Empfang Ronja ihre Hand und bat sie Alice ebenfalls festzuhalten.
„Hast du gehört, wir sollen Händchen halten.“, scherzte sie und streckte Alice nun zum zweiten Mal an diesem Abend die Hand entgegen.
„Wo sind wir hier überhaupt?“ Alice flüsterte so leise es nur möglich war, damit es nicht zu peinlich erschien.
„Dinner in the Dark.“, löste Ronja endlich das Rätsel und folgte weiter der Empfangsdame. Dabei blickte Ronja immer wieder zurück, ohne etwas wirklich erkennen zu können, weil Alice plötzlich so still wurde.
„Sag mir bitte nicht, dass du dich vor Motorrädern und Dunkelheit fürchtest?“ Etwas fester griff Ronja nach Alicias Hand, als Zeichen, dass sie nicht loslassen würde.
„Nein, ich bin nur erstaunt. Dir hätte ich wohl eher ein Darkroom zugetraut, als sowas.“
„Keine Sorge, hier kann man auch wunderbar alle möglichen Schandtaten erleben.“
Inzwischen waren sie an ihrem Tisch angekommen und die Empfangsdame wünschte den beiden noch einen vergnügliches Mahl und entfernte sich wieder.
Alice tastete vorsichtig den Tisch ab. Es befanden sich irgendeine dekorative künstliche Pflanze, Servietten und tatsächlich Behälter für Salz und Pfeffer auf dem Tisch. Diese waren jeweils mit einem deutlich hervorstehenden Buchstaben S oder P gekennzeichnet, die leicht ertastet werden konnten.
Als ihre Hände weiter auf Erkundungstour wanderten, ergriff Ronja diese. Ganz zärtlich berührte sie die Finger und Handfläche von Alice.
„Du willst sicher noch mehr über mich erfahren?“ In der Tat wollte Alice nur zu gern wissen wer diese geheimnisvolle Person war. Inzwischen hatte Alice einige grobe Angaben aus Ronja entlocken können. So wusste sie, dass sie in Amerika lebte, was aber an dem leichten Akzent nicht sonderlich überraschend war. Ronja erzählte auch knapp über den Umzug, als sie noch klein war. Sie verließ damals mit ihrem Vater Deutschland. Dort hatte sie die Highschool beendete und Jahre später einen Collegeabschluss angestrebt. Alice merkte aber sofort, dass Ronja ungern über die genauen Gründe der Auswanderung, sowie ihre Familienverhältnisse redete. Auch die Frage nach den Jahren zwischen der Highschool und College blieben ziemlich offen.
„Was hast du am College studiert?“ Alicia versuchte ein Thema zu finden, was mehr Gesprächsbasis bildete.
„Englisch und kreatives Schreiben. Ich konnte mich leider nicht wirklich für etwas begeistern, und das was ich wollte, war leider nicht wählbar.“ Vielleicht war es lediglich nur Einbildung von Alice oder es lag an der Dunkelheit, die nun andere Sinne stärkte. Ronjas Stimme klang schwer, als würde sie um Worte ringen.
„Es fällt dir nicht leicht etwas von dir preiszugeben, oder?“ Immer noch berührten sich die Hände der beiden Frauen und Alice fühlte, wie unruhig Ronjas Bewegungen plötzlich waren.
„Es gibt eben Themen, die schwer in Worte fassbar sind.“ Ronja zögerte, sprach langsam und ernst.
„Ich will nicht alles von dir auf einmal wissen, aber mir ist Ehrlichkeit wichtig.“
„Ich bin ehrlich.“ Ein Moment lang schwieg Ronja. Gerade rechtzeitig unterbrach eine fremde männliche Stimme die Stille und stellte sich als Sebastian, der Kellner vor. Er stellte mehrere Menüoptionen vor, die zur Wahl standen und wartete ab, bis Ronja und Alice endlich entschieden hatten. Als die Schritte sich wieder entfernt hatten, grinste Alicia und erinnerte sich sogleich, dass Ronja dies im Moment nicht sehen konnte.
„Ich lebe hier schon seit fast 10 Jahren und war noch nie bei so einem Dinner.“
„Dann habe ich ja wortwörtlich vollkommen ins Schwarze getroffen.“
„In der Tat.“ Alice tastete sich erneut etwas vor, um Ronjas Hände zu finden. Es fühlte sich irgendwie gut an, nicht völlig allein in der Dunkelheit zu sein, obwohl sich die Augen schon etwas an die Situation gewöhnt hatten und minimale Umrisse erkennbar waren.
„Was würdest du selber über dich preisgeben wollen?“ Vielleicht wäre Ronja so etwas gesprächiger, denn bis jetzt fühlte es sich mehr wie ein Verhör an. Sie stellte Fragen und gequälte Antworten folgten.
„Ich schreibe eine wöchentliche Kolumne für ein Magazin. Dies würde ich als meine Haupttätigkeit betrachten. Gelegentlich habe ich Fotoshootings und wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt auch Auftritte bei einigen Sendeveranstaltungen.“
„Eine prominente Person also?“ Es erstaunte Alicia nicht wirklich, dennoch war sie auf einmal sehr aufgeregt, weil Ronja wohl tatsächlich eine kleine Berühmtheit darstellte und somit klar war, wieso sie ihr Privatleben ungern preisgab.
„Kommt drauf an, wie man es betrachtet. Für die einen sicherlich. Für andere weniger.“
Ronja beschäftigten den ganzen Nachmittag die Worte ihrer Schwester. In den letzten Jahren sprach sie nur wenig über ihr Leben mit anderen Leuten. Mit ihrer Familie konnte und wollte sie nicht reden. Alle waren zu fürsorglich und liebevoll. Ronja fühlte sich wie in Watte eingepackt und komplett verhätschelt. Mit fremden Menschen fiel ihr das Reden noch schwerer, weil diese meistens sofort Mitleid hatten oder gut gemeinte Worte loswerden wollten, die weder hilfreich, noch aufmunternd waren.
Hier in der völligen Dunkelheit konnte Alice ihren Ausdruck nicht sehen. Es fühlte sich auch nicht wie ein gewöhnlicher Dialog an, bei dem die Blicke sie durchbohrten, warteten und forderten.
„Wie siehst du dich selber?“, erwiderte Alicia und drückte kurz Ronjas Hand.
„Ich meide die Öffentlichkeit, wenn es nicht notwendig ist.“
„Ich muss gerade an Klark Kent denken. Frag mich bitte nicht wieso ausgerechnet so ein Vergleich. Der einzige Unterschied wäre der Grad der Bescheidenheit zwischen euch.“ Wieder lächelte Alicia und es verstärkte sich umso mehr, da ihr wieder klar wurde, dass keiner es sehen konnte. Diese Tatsache beschäftigte sie so sehr, dass sie es gleich Ronja mitteilte und dabei kurz auflachte.
„Mir geht es die ganze Zeit ebenso. Ich versuche vorbildlich zu sitzen, achte auf meine Mimik und dabei ist alles völlig unwichtig.“ Ronja hielt kurz inne und überlegte ihre folgende Wortwahl.
„Als überheblich würde ich mich auch nicht betrachten. Allerdings, wenn ich etwas haben will, was mir besonders gut gefällt, dann kann ich mein Temperament nur schwer zügeln.“
Alicia legte ihren Kopf leicht schräg und versuchte das Gesicht von Ronja zu ertasten. Vorsichtig berührte sie ihren Arm und folgte dem Körper empor zum Ziel.
„Solche Momente kenn ich auch ab und zu.“ Alicias Hand ruhte auf Ronjas Wange, die sich sehr warm anfühlte.
„Du stehst also auf Superhelden?“, versuchte Ronja den Schweigemoment zwischen ihnen zu übertrumpfen.
„Wenn man einen kleinen Bruder hat, der verrückt nach sowas ist, dann wird man schnell angesteckt. Er hatte erst vor kurzem seinen 10. Geburtstag gefeiert. Das Motto des Tages lautete Superheroes.“
„Hattest du auch eine Verkleidung?“
Im selben Augenblick kündigte sich Sebastian mit lautem Schritt an und unterbrach die Unterhaltung für eine Weile.
Fachmännisch stellte er die Getränke ab, wartete bis die Gäste die Gläser ertastet haben und fuhr fort mit dem ersten von drei Gängen des Menüs.
„Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.“ Und schon stampfte Sebastian davon. Alice blickte auf den Boden und erkannte mit viel Mühe gestrichelte Markierungen, die den Kellnern wohl als Orientierung dienten.
Der erste Gang entpuppte sich als eine sehr gemeine Angelegenheit, denn die flüssige Konsistenz blieb entweder nicht im Löffel auf dem Weg zum Mund oder verfehlte diesen fast und sorgte für eine Schweinerei.
Dennoch lachten beide Frauen immer wieder auf und unterhielten sich über das Essen und weiter über die Geschichten der andern. Alice erzählte Ronja von ihrem Medizinstudium, das sie nach einigen Semestern abgebrochen hatte. Auch das misslungene Outing in der Familie war ein interessantes Thema. Alice beneidete fast schon Ronjas Familie, die wirklich sehr herzlich nach den knappen Schilderungen von Rony klang.
„Und deswegen bist du das schwarze Schaf der Familie?“, fragte Ronja und ließ Sebastian den Tisch abräumen, um den zweiten Gang zu servieren.
„Wohl eher das regenbogenfarbige.“ Inzwischen warteten sie nicht mehr, bis der Kellner wieder ging. Zu sehr war das Gespräch im Gange.
„Meine Eltern sagen es zwar nie direkt, aber ich merke, dass sie Luka mehr bevorzugen. Mag sein, dass es am Altersunterschied liegt aber wahrscheinlich wollen sie, dass er perfekt wird, da ich ja nun offiziell aus dem Rennen für die Position bin.“ Ronja hatte unerwartet das große Bedürfnis nach Alicias Hand zu greifen. Verkniff es sich jedoch im letzten Moment. Solch ein Verhalten konnte sie nicht nachvollziehen, vor allem wenn sie an ihre eigene Familie dachte.
„Du regst dich sicher gerade auf, oder?“ Alice kicherte wieder leise auf, als Ronja ihre Frage bejahte.
„Das ist schon in Ordnung. Ich war schon immer ein Querdenker in der Familie.“ So sprach Alice über ihre freiwillige soziale Arbeit, zu welcher sie kurz nach dem Abbruch des Studiums flog.
„Ich habe dort viele tolle Menschen kennengelernt. Durch diese Kontakte konnte ich auch nach Ablauf der begrenzten Zeit vor Ort bleiben und konnte dadurch sogar mit meinen geringen Medizinkenntnissen behilflich sein.
„Du hast Kriegsverletzte versorgt?“
„Meist waren es ältere Leute, die nicht mehr weggehen konnten. Auch Frauen und Kinder wurden versorgt. Die Leute hatten dort oft kaum etwas zu essen, kein Trinkwasser. Hatten Angst.“ Alicia hielt kurz inne und erinnerte sich an einige der erlebten Momente, die nun wie ein Traum zu sein schienen.
„Da war diese eine Stadt. Ich weiß heute nicht mal mehr ihren Namen. Wir wollten…“ Alicia schüttelte leicht mit dem Kopf und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ehrlichgesagt weiß ich auch nicht, was wir uns dabei dachten. Es gab kurz vorher einen Angriff. Keiner wollte dorthin, weil das Gebiet nicht wieder freigegeben war. Es soll viele Verletzte gegeben haben und keine Rettungskräfte vor Ort. Einige Söldner haben uns begleitet.“ Erneut verstummte Alice und erinnerte sich an die Eindrücke, die seit ihrer Rückkehr irgendwo weit weg im Gedächtnis abgelegt wurden.
„Was uns dort erwartet hatte, war wirklich mit Abstand das schlimmste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte. Hilfe war in den meisten Fällen eigentlich gar nicht mehr möglich. Und wir worden zum Schluss auch noch beschossen.“
„Wurdest du verletzt?“ Ronja lehnte sich energisch nach vorn, um die Antwort so womöglich noch schneller hören zu können. Zugleich stieg eine unangenehme Spannung in ihr hoch.
„In der Tat. Aber zum Glück nur ein Streifschuss. Keiner wurde ansonsten verletzt. Diese Geschichte kennt bisher keiner meiner Freunde geschweige denn meine Familie. Meine Mutter fällt schon von einem Papierschnitt halb in Ohnmacht, wenn die den kleinen Tropfen Blut sieht.“
Ein längst vergessenes Bild tauchte plötzlich in Ronjas Erinnerung auf. Das rote Blut auf den weißen Fliesen. Es tropfte langsam von den Fingern herab in die Tiefe und erzeugte ein plätscherndes Geräusch beim Berühren des Bodens, auf dem bereits eine dunkelrote Pfütze zu sehen war. Tropfen für Tropfen folgten der Schwerkraft und erinnerten an einen defekten Wasserhahn.
Mehrmals schnappte Ronja nach Luft und verschluckte sich dabei. Das laute Husten sorgte fast für komplette Stille des Raumes und Alicia stellte sich vor, wie unzählige Augenpaare gerade versuchten die Richtung zu erahnen.
Vorsichtig stand Alice auf und ging um den kleinen Tisch herum. Tastete mit den Händen nach Ronjas Glas und dann nach Rony selbst, um ihr diese zu geben.
Ronjas Hand zitterte leicht, als Alice diese berührte. Sofort zog Rony den Arm komplett zurück und keuchte, dass es wieder gehen würde.
Mehrmals forderte sie Alice auf sich wieder zu setzen.
„Ich hab mich nur verschluckt, nichts weiter.“ Doch Alicia glaubte nicht wirklich den Beschwichtigungsversuchen von der Frau ihr gegenüber. Zu gern hätte Alicia in diesem Augenblick Ronjas Gesicht mit ihren Augen wahrgenommen, um zu sehen, was wirklich mit ihr los war.
„Willst du vielleicht lieber gehen?“, fragte sie stattdessen.
Ronja verneinten hastig und schob Alice leicht zurück.
„Es geht mir gut.“, wiederholte sie und nahm wieder eine gerade Haltung ein, die natürlich keiner sehen konnte. Genau in dem Moment eilte auch Sebastian herbei und erkundigte sich, ob bei den Gästen alles in Ordnung sei.
„Ja.“, bestätigte Ronja etwas genervt und atmete wieder tief durch.
Kurz darauf wechselte sie geschickt das Thema und hoffte, dass Alicia nicht erneut das alte aufgreifen würde, was natürlich nicht passierte, da auch Alice durch den abrupten Themawechsel die Absicht verstand, blieb aber dennoch etwas besorgt, weil sie zu gern wissen wollte, was mit der taff wirkenden Frau auf einmal los war.
Der letzte Gang bestand aus einer Nachspeise. Und rundete das Dinner perfekt ab. Ronja und Alice wurden unterschiedliche Leckereien serviert mit der Bemerkung, dass diese sicherlich auch gegenseitig zum Probieren ausgetauscht werden könnten.
„Leichter gesagt als getan.“ Ronja kostete von ihrem Teller und stellte fest, dass es sich um Tiramisu handelte.
„Welchen Geschmack hast du?“, erkundigte sie sich neugierig bei Alice.
Diese streckte ihre Hand aus, erfühlte Ronjas Kinnpartie und führte mit der anderen Hand vorsichtig ihre Gabel nach vorn. Beim ersten Landeversuch erwischte sie Ronjas Nase. Und sorgte für eine lustige Situation.
Endlich landete das Stück in Ronjas Mund.
„Erdbeere?“
Alicia nickte und sagte gleich darauf ja mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.
„Du bist dran.“ Ronja folgte nach dem gleichen Prinzip und verfehlte selbstverständlich ebenfalls das unsichtbare Ziel.
„Das war gerade meine Wange. Neuer Versuch.“ Auch hier klappte es beim zweiten Anlauf perfekt. Mit der linken Hand tastete sich Ronja vor zu der erst getroffenen Stelle und wischte mit den Fingern die Kuchenreste von Alicias Haut. Als sie den Arm wieder zurückziehen wollte, griff Alice unerwartet nach ihr. Sie fuhr vorsichtig mit der Zunge über den Zeigefinger. Erwischte das Kakaopulver und etwas von der sahnigen Schicht.
„So viel zu den Schandtaten Miss Freyer!“
„Ich habe auch nie behauptet, dass ich ein artiges Mädchen bin.“ Während Alice noch nach den Servietten rumsuchte, packte Ronja sie leicht am Kragen der Bluse und zog sie zu sich in die Tischmitte. Lippen Berührten Alicias Wange, Ronjas Zunge leckte zärtlich über die süße Haut von Alice. Wanderte weiter zu ihren Lippen und küsste diese.
„Der beste Nachtisch, den ich je hatte.“, flüsterte Alice.
„Danke für den wunderbaren Abend Rony.“ Alicia lächelte etwas verlegen und strich sich ihre Haarsträhne hinter das Ohr.
„Hast du Lust auf ein Glas Wein?“ Ganz Plötzlich wurde Alicia innerlich sehr unruhig. Eine Hitzewelle durchströmte ihren Körper, denn in Gedanken war sie bereits viel weiter, als beim Weintrinken angelangt.
„Wir könnte noch etwas plaudern.“, fügte sie hastig hinzu, um ihren unartigen Vorstellungen ein Statement zu setzen.
„Klingt verlockend.“ Ronja folgte Alicia langsam zur Eingangstür.
„Ich muss aber noch fahren. Somit wäre Wein wohl keine gute Idee.“ Die Stimme klang ruhig und sehr sanft. Irgendwie sehr verführerisch, dachte sich Alicia und kämpfte erneut mit ihrem wilden Fantasieschub.
Lässig lehnte sich Ronja an die Wand während Alice mit gespielter Ruhe ihren Haustürschlüssel in der Handtasche suchte.
„hab ihn!“ Triumphierend klimperte sie mit dem Bund.
„Ich habe auch nicht alkoholische Getränke im Angebot.“ Auch Alice versuchte lässig und neutral zu wirken. Versagte jedoch sogleich bei diesem Duell, als Ronja sich in Bewegung setzte und die „persönliche Zone“, das heißt die Distanz zwischen ihnen auf weniger als 30 Zentimeter, reduzierte. Alicia spürte erneut diese Hitze, während Ronjas Gesicht ihrem immer näher kam. Sie war bereit. Für alles, was diese Nacht mit sich bringen würde.
Ein zarter Kuss berührte Alicias Wange.
„Es war ein wirklich wunderbarer Abend.“
„Ja, da stimme ich dir zu.“ Für einen kurzen Moment verspürte Alicia eine gewisse Enttäuschung, weil sie mehr erhofft hatte, doch ein anderes Gefühl nahm sofort die Situation für sich ein. Entschlossen packte Alice Ronja an der Jacke, zog sie wieder zu sich und wiederholte den Kussmoment, jedoch richtig, so wie sie diesen eigentlich erwartet hatte.
„Diese Verlangen, wie lange ist es wohl schon her..“, überlegte sie sich, während sie nun Ronja an den Türrahmen drückte und wie ein wildgewordener Teenie ihre ungezügelte Lust offenbarte.
„Ich sollte gehen.“, flüsterte Ronja, kaum hörbar, jedoch laut genug, um Alicias Aktion abrupt zu stoppen. Einige Sekunden starrten sich beide Frauen in die Augen. Keine der beiden konnte in solch einem ungünstigen Moment als erste etwas äußern. Peinliche Stille. Nervöses Blinzeln. Langsam wieder Distanz aufbauen. Überlegen, ob man gerade etwas falsch gemacht hat. All die Schritte führte Alice wie in Trance aus, während in ihren Gedanken nur ein Satz immer und immer wieder abgespielt wurde. „habe ich gerade eine Abfuhr bekommen?“
„Scheint nicht, als könnte ich dich überreden.“, antwortete sie so gefasst wie möglich. Sie musste um jeden Preis die Fassungslosigkeit unterbinden. Noch einen Augenblick durchhalten, die Haustür aufschließen, Gute Nacht wünschen und die Tür schnellstmöglich schließen und dann hyperventilieren.
„Ich wünsche dir auch eine gute Nacht Alice. Ich rufe dich an.“ Ronja lächelte ganz dezent, packte die Hände in ihre Jackentasche und blieb noch so lange stehen, bis die Eingangstür komplett ins Schloss fiel.
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Tag der Veröffentlichung: 26.03.2016
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