600 km zum Glück
Nun stand sie Da. Vor der großen eisernen Tür. Ihre Hände zitterten, die Knie waren weich und der Mund trocken. Am liebsten wäre die junge Frau einfach wieder weggelaufen aber da war diese Neugier und vielleicht war es dieses Mal ja richtig und genau hier würde ihre Suche enden? Johanna war sehr nervös und lenkte sich, während sie so da stand und sich Mut ansammelte damit ab, dass sie die Muster der Tür betrachtete und an eine Glasur dachte für die angelaufenen Stellen des Kupfers. Ohne es selbst zu merken drückte sie auf die Klingel und hielt diese einige Sekunden. Etwas zu lange, dachte sie aber nun gab’s kein Zurück mehr, denn eine Stimme murmelte bereits etwas im Flur und einige Sekunden später wurde schon die Tür geöffnet. Johanna Schluckte, denn nun war es soweit, um zu erfahren, ob sie hier richtig war oder nicht.
***
„In kürze fährt der Regional-Express von Berlin nach Magdeburg am Gleis 14 ein. Nach einem kurzen Aufenthalt fährt dieser Zug um 9:13 weiter.“ ertönte es plötzlich durch den Lautsprecher, neben dem Johanna sich befand.
Wow also da kann man ja glatt taub werden!, dachte sich Jo und ging sicherheitshalber ein paar Meter vom Lautsprecher weg. Nur war es soweit. Die letzten Umarmungen und Anweisungen von Uli ihrer Erzieherin, etliche Befehle sich unverzüglich zu melden, wenn sie angekommen ist und die letzten Übergaben von Abschiedsgeschenken erfolgten in diesem Moment. Johanna fühlte sich auf einmal so leer und einsam, obwohl ihre geliebten Menschen doch so nah bei ihr waren aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen und nun gab es kein Zurück mehr. In diesem Augenblick verspürte sie ein Gefühl, welches sie nirgends zuordnen konnte. War es Angst? Verwirrung? Die Einsamkeit, die nun bevorstand? Oder doch bloß die Tatsache, dass auf Jo eine Reise ins Unbekannte wartete? Die Antwort würde Johanna wohl erst später finden und da sie nicht gern in die Zukunft sah, verdrängte sie dieses Gefühl mit dem Gedanken, dass die Menschen, die sie schon sehr lange kannte und gern hatte hier versammelt waren um bis zum letzten Augenblick bei ihr zu sein.
„Wehe du meldest dich nicht bei mir. Ich will mindestens einmal im Monat mit dir reden. Wer sonst hört sich mein Gezicke und Gejammer an?“ scherzte Sanny, musste jedoch stark mit den Tränen ankämpfen und umarmte Johanna erneut.
„Du bist meine Lieblingslesbe und es ist echt total schade, dich nun hergeben zu müssen.“ schluchzte sie.
„Ach Sanny ich bin doch noch hier und außerdem bin ich die einzige Lesbe, die du kennst und an wen vergibst du mich den?“
„An den Zug, der dich mir wegnehmen wird in einigen Minuten.“ Jo löste sich von Sanny und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Weist du Sanny, du bist meine Lieblings Heterobraut.“, grinste Jo.
Als der Zug endlich ankam, stieg Johanna ein und suchte sich einen Platz am Fenster. Noch ein letztes Mal sah sie zu ihrer Truppe, die winkend da stand und dem wegfahrenden Zug hinterher sah.
Marcel und Georg rannten noch ein Stück mit den Zug und klopften leicht an die Glasscheibe, bis die Geschwindigkeit des Zuges zunahm und die beiden nicht mehr mithalten konnten. Jetzt war es also soweit. Sie war auf dem Weg in ihr neues Leben.
Als Ablenkung und Vertreibung des Kummers widmete sich Johanna ihrem Buch, welches sie noch zum Geburtstag von Sandra, ihrer besten Freundin bekommen hatte aber noch keine Zeit fand um es zu lesen. Die beiden gingen durch dick und dünn und kannten sich schon seit etlichen Jahren. Das Buch wollte Jo sich schon vor mehreren Wochen kaufen aber Sandra hielt sie jedes Mal davon ab. Der Grund dafür war, dass sie es schon sehr lange vor Jos Geburtstag, welcher nun bereits zwei Wochen zurücklag, gekauft hatte. Da die Beiden nicht direkt in Berlin wohnten, hatten sie nicht oft die Möglichkeit dahin zu kommen und schon recht nicht in einen Buchladen mit lesbischer Literatur.
Nach und nach vertiefte sich Jo in die Story. Der Text verwandelte sich in ihren Gedanken zu Personen und Umgebungen. Alles spielte sich wie ein Film in Jo´s Kopf ab und die Zeit verflog somit rasendschnell.
„In wenigen Minuten erreichen wir Magdeburg Hautbahnhof. Der Ausstieg ist Fahrtrichtung links. Hier endet der Zug. Im Anschluss haben sie die Möglichkeit…“ weiter hörte Jo der Durchsage nicht zu. Sie bevorzugte an dieser Stelle ihren mp3 Player, schaltete ihn ein und schon ertönte P!nk mit ihrem neuem Album. Nachdem sie ausgestiegen war, holte Jo ihren Zettel raus und schaute zu welchem Gleis sie nun musste. Anschließend schlenderte sie langsam durch die Unterführung zum Gleis 8. Während dem Warten erinnerte sich Jo an Georgs Worte. Falls etwas sein sollte und sie Hilfe in der neuen Stadt benötigen würde, konnte sie auf jeden Fall auf ihn, Marcel und Sanny zählen, denn die drei sind immer für sie da. Ja in der Tat waren sie es. All die Jahre waren die drei Johannas engster und wichtigster Freundeskreis. Aber auch ihre Erzieherin Ulrike aus dem Heim, indem Johanna groß geworden ist, war für Jo ein fester Bestandteil ihres Lebens, welchen sie unter keinen Umständen aufgeben wollte. Aus diesem Grund nahm sie sich bereits jetzt vor den Kontakt so gut es geht aufrecht zu erhaltne auch, wenn die Distanz enorm war.
Erst nach mehr als einer Stunde warten, erreichte ihr nächster Zug den Bahnhof. Nach einigen Minuten fand Johanna endlich einen freien Platz neben einem älteren Herrn. Sofort griff sie in ihre Tasche nach dem Buch. Die Neugier hatte mal wieder über Jo gesiegt. Sie schlug das Buch auf und begann zu lesen. Doch bereits nach wenigen Minuten wurde Jo´s Kopfkino von dem älteren Mann, der neben ihr saß unterbrochen.
„Wie ich merke, lesen sie gerade ein wohl sehr spannendes Buch, oder?“ fragte er Johanna.
„Ja, ich finde es auf jeden Fall spannend.“ Antwortete sie ihm und dachte, dass dieses Gespräch nun beendet sei.
„Wie heißt den das Buch?“ fragte der Mann erneut.
„Geschrieben für dich“ war Jo´s kurze Antwort.
„Hmm sagt mir leider nichts. Ich kenne zwar sehr viele Bücher aber dieser Titel ist mir leider nicht bekannt.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort.
„Als meine Frau noch lebte, liebte sie es immer abends vor dem warmen Kamin im Winter oder, wenn es heiß war, draußen auf unserer Veranda Bücher zu lesen. Ich habe ihr extra dafür noch ein Regal selber gebaut, weil der Platz für ihre Bücher nicht mehr ausreichte. Am liebsten las sie Romane. Ist das auch einer?“ Jo bejahte seine Frage in der Hoffnung, dass der Herr keine weiteren mehr stellen würde. Doch zu ihrer Enttäuschung fing der alte Mann erst recht an über sich und seine verstorbene Frau zu erzählen. Am Anfang fand es Johanna nicht so schlimm auch, wenn sie nicht mehr in der Lage war weiter zu lesen, was sie wirklich sehr gern getan hätte. Da sie aber dem Herrn aus Höflichkeit nicht gestehen wollte, dass sie eigentlich lieber in Ruhe lesen wollen würde, hörte sie ihm fast die ganze Fahrt über zu und erfuhr in der halben Stunde wo er wohnte, dass er im 2. Weltkrieg mitgekämpft hatte, gefangen genommen wurde und so seine Frau kennen lernte, sie später aus den Augen verlore und nach 5 Jahren sie durch Zufall auf der Straße traf, dass er mit ihr, nach dem sie geheiratet hatte aufs Land zog, dass………es war sehr schwer Jo zum austicken zu bringen, doch dieser Herr hätte es an diesem sonnigen Tag beinahe geschafft, denn sein Lebenslauf interessierte Johanna eigentlich gar nicht aber jedes mal, wenn sie versuchte ihr Buch weiter zu lesen unterbrach der alte Mann sie mit einer Geschichte aus seinem Leben. Zum Schluss ärgerte sich Jo furchtbar über sich selbst, warum sie ausgerechnet sich zu diesem Mann setzten musste und warum sie ihm nicht gleich am Anfang auf eine nette Art zu verstehen gab, dass es sie nicht wirklich interessierte.
Trotz ihrer schlechten Laune wegen dem lästigen Mann, verabschiedete sich Jo höflich und verlas fluchtartig den Zugabteil schon 10 Minuten früher, bevor der Zug den Bahnhof erreichte. Sie hatte nichts gegen ältere Menschen und vielleicht hatte ja Dieser sonst keinen mehr zum reden aber an diesem Tag hatte Jo wirklich nicht die Geduld oder die Lust irgendwelchen Lebenserzählungen von Fremden Personen zuzuhören. Deshalb war sie sehr froh darüber, am Gleis ungestört sich wieder ihrem Buch widmen zu können. Erst eine laute Durchsage unterbrach sie erneut.
„Na toll jetzt kommt auch noch mein Zug 10 Minuten später. Das heißt noch länger warten.“ murmelte Jo vor sich hin und schaute wieder in ihr Buch. Die Minuten zogen sich nur sehr langsam dahin. So kam es auf jeden Fall Johanna vor, die sehr ungeduldig dasaß und sich kaum noch stillhalten konnte. Viel zu viele Gedanken und Fragen schwirrten in ihrem Kopf. Sie machte ihr Buch zu, da sie so wieso nicht mehr weiter lesen wollte. Eine unerwartete Aufregung stieg in ihr hoch. Was würde sie in wenigen Stunden erwarte? Würde sie überhaupt mit Allem zurechtkommen? Doch eine viel wichtigere Frage machte Jo große Angst. Diese Frage verfolgte sie schon sehr lange, viel zu lange.
„Am Gleis 5 fährt nun der Regional-Express von Braunschweig nach Bielefeld Hauptbahnhof.“ Rasch schnappet Jo ihre Reisetasche und stieg in den Zug ein. Sofort bemerkte sie, dass der Zug verdammt voll war. Auch in den anderen Abteilen sah es nicht anders aus. Egal wo man hinsah, alle Plätze waren besetzt außer Einem, neben einer Dame, die vertieft ihre Zeitung las. Da Jo jedoch nichts riskieren wollte, beschloss sie sich nicht zu ihr dazu zu setzen. Stattdessen fand sie einen sehr ruhigen Platz im Fahrradabteil, wo sie die ganze Fahrt über schlafend verbrachte. Am Bielefeld Hauptbahnhof angekommen, stellte Johanna fest, dass ihr Zug eine sehr große Verspätung hatte und da sie nicht unbedingt mehrere Stunden auf den nächsten Zug warten wollte blieb ihr nichts anders übrig als zu rennen, was sich am Ende gelohnt hatte, da sie es gerade noch rechtzeitig schaffte in den Zug zu gelangen, bevor Dieser losfuhr. Schnell fand sie einen freien Platz in einem Abteil, der so gut wie leer war. Da es ebenfalls sehr ruhig war konnte man ein leises Geräusch von Jo´s Magen hören. In der ganzen Eile war es ihr natürlich nicht aufgefallen.
Mist jetzt hatte ich nicht mal Zeit mir am Bahnhof was zu Essen zu kaufen. Nachdenklich schaute Johanna auf ihre Tasche, machte sie auf, suchte einen kurzen Moment und holte sich dann einen Apfel raus.
Gut, dass ich ihn doch mit eingepackt hab, dachte sie sich, biss in den großen roten Apfel und schaute kauend aus dem Fenster. Nachdem sie am Bahnhof angekommen war, bemerkte sie schon vom Weiten das goldene M. Sofort blickte Jo auf ihre Uhr.
Super ich hab noch genügend Zeit um im Mäci vorbei zu schauen und endlich was Richtiges zu essen. Der Apfel hat nicht wirklich viel gebracht. Gesagt, getan. Wenige Minuten später saß Jo bereits im McDonald’s und genoss ihre letzten Pommes mit Süß-Sauer-Sauce.
„In wenigen Minuten fährt der Regional-Express nach Köln Hauptbahnhof, am Gleis 6 ein.“ Johanna blickte erschrockne auf ihre Uhr. Sie hatte tatsächlich vollkommen die Zeit vergessen. Sofort packte sie ihren Cheeseburger, den sie sich gewöhnlich immer bis zum Schluss aufhob in die Tasche und machte sich auf den Weg zum Gleis 6.
Dort angekommen, hatte Jo noch genügend Zeit für ihren Cheeseburger. Gerade als sie fertig gegessen hatte kam auch schon der Zug.
Na das nenn ich mal perfekt Timing dachte sich Jo und stieg in den Zug ein. Das Lächeln, welches sie gerade eben noch hatte, verschwand sofort aus ihrem Gesicht, als sie merkte wie überfüllt dieser Zugabteil war.
„So ein Mist. Hoffentlich sind die anderen Abteile nicht so voll“ murmelte sie vor sich hin und drängte sich zwischen den Leuten, Taschen und Koffern die überall im Weg standen. Nach drei weiteren überfüllten Abteilen gelangte Johanna in einen, der so gut wie leer war. Etwas verwundert setzte sie sich auf einen freien Platz und schaute sich um. In dem Zugabteil befanden sich gerade mal neun Leute, darunter eine junge Familie mit einem kleinen Jungen, der wohl heute nicht gut gelaunt war. Bereits schon nach wenigen Minuten begriff Jo warum ausgerechnet dieses Abteil so ziemlich leer war. Der kleine Knabe schrie andauernd wegen jeder Kleinigkeit rum.
Erst wollte er was zu trinken, doch das Getränk war ihm anscheinend wohl viel zu kalt. Nach einigen Minuten jedoch fand er es viel zu warm. Das Brötchen schmeckte ihm auch nicht, genauso wie der Apfel und zum Schluss die Gummibärchen, weil sie nicht die richtige Farbe hatten. Bei all diesen Aktionen äußerte er seine Wut und Unzufriedenheit durchs Schreien und Jammern aus. Die jungen Eltern versuchen den kleinen Bengel jedes Mal aufs Neue zu beruhigen, doch es half alles nichts. Nach und nach verließen die wenigen Passagiere verärgert das Abteil. Zum Schluss sahen die beiden deutlich überforderten Eltern ratlos, die noch wenige übrig gebliebenen Leute an. Darunter auch Jo, die das ganze Schauspiel mit Genuss beobachtet hatte.
„In wenigen Minuten erreichen wir Köln Hauptbahnhof. Der Ausstieg ist in Fahrtrichtung rechts. Hier endet der Zug.“
Was? So schnell ist schon die Zeit vergangen. Bin doch erst gerade eingestiegen dachte Jo und schnappte sich ihre Reisetasche.
Am Gleis stellte sie ihre Tasche auf einen freien Sitz und griff in ihre Hosentasche nach dem Zettel. Dabei zog sie ein Feuerzeug raus.
„Oh, das ist ja Marcel seins.“ murmelte sie vor sich hin und griff sofort in ihre Jackentasche wo sie tatsächlich eine Zigarettenschachtel hervor zog.
„Das gibt’s ja nicht, die hat Marcel tatsächlich bei mir vergessen. Oder habe ich ihm diese abgenommen?“ fragte sich Johanna.
Sie öffnete die Schachtel und erblickte drei Kippen. Zwar rauchte Jo schon seit Langem nicht mehr aber die Versuchung jetzt doch eine zu rauchen, machte sie nahe zu verrückt. Wenn das Marcel sehen würde, wäre dieser wohl vor staunen sprachlos geworden und möglicherweise umgekippt, denn Jo schimpften ihn stets für seine starke Rauchsucht und bei jeder Gelegenheit versuchte sie Marcel, zumindest für einen Moment davon abzubringen, was ihr jedoch natürlich nie wirklich gelang aber an diese Belehrungen und das darauf folgende Gemotze waren sie schon so sehr gewöhnt, dass es fast wie ein Ritual für beide war. Das vermisste Johanna bereits jetzt.
Vor mehr als einem Jahr hatte sie allein wegen ihrer nun Ex Freundin aufgehört. Bei der Entscheidung Küssen oder Rauchen konnte sie sich nicht anders entscheiden als fürs Küssen. Mit einem schnellen Griff holte sie sich eine Kippe und zündete sie an. Nach dem ersten Zug atmete sie ganz langsam den Rauch aus der Nase. Nun war’s Jo egal. All ihre Vorwürfe an Marcel und ihre Predigten verschwanden wie der Rauch in der Luft immer weiter und weiter weg von ihr. Die erste Zigarette nach mehr als einem Jahr. Dabei störte es Johanna nicht mal, dass eigentlich auf dem ganzen Gleis Rauchverbot herrschte und sie noch dazu genau neben einem Rauchverbotschild stand. Wieder erinnerte sich Jo an die Zeit wo sie für ihre damalige Freundin bereit war alles zu tun.
Zwei gescheiterte Beziehungen und zwei Frauen, die Jo verlassen hatten. Doch es lag nicht an Johanna. Ihre erste Freundin lernte sie mit 15 Jahren kennen. Nach einem halben Jahr stellte sich raus, dass Johanna nur ein Mittel zum Zweck war. Nur eine noch nicht erfüllte Fantasie und dazu brauchte ihre erste große Liebe ein junges Mädchen, die noch keinerlei Erfahrungen hatte.
Ihre zweite Beziehung dauerte immerhin ein Jahr, bis ihre Freundin wegzog und somit sich, wie es doch kommen musste neu verliebte.
„Wahre Lieben kennt keine Entfernung. Tttzzz von wegen. Alles nur leeres Geschwätz“ zischte Jo und warf ihre gerade gerauchte Kippe zur Seite. Wenige Minuten drauf kam auch schon ihr letzter Zug für heute. Etwas erschöpft lies sich Johanna auf einen freien Platz nieder. Allmählich wurde es ihr schon nervig von einem Zug in den anderen zu steigen. Am liebsten würde sie jetzt mit ihren Freunden an einem Weiher oder irgendwo anders sitzen, reden und dazu noch vielleicht ein Bierchen trinken, anstatt total müde durch die Gegend fahren. Aber wenigstens war der Zug so gut wie leer und in ihrem Abteil saßen nur zwei junge Damen die sich unterhielten. Jo kannte zwar natürlich werde die Leute noch verstand sie genau über was die Frauen redeten, doch sie hörte ihnen unauffällig und gespannt zu.
„Entschuldigung. Wissen sie wie spät es ist?“ fragte eine der Damen.
„Ähm ja es ist fünf vor acht“ antwortete Jo und lächelte die beiden an.
„Wie es scheint bist du schon etwas länger unterwegs. Ich darf dich doch duzen oder?“ fragte sie höflich erneut.
„Klar. So alt bin ich nun auch wieder nicht. Ja bin schon seit heute Früh unterwegs.“ gab Johanna seufzend als Antwort.
„Wow. Wo kommst du den her, wenn ich fragen darf?“ fragte neugierig die zweite Dame.
„Aus Berlin“ erwiderte Jo. Es schien die beiden jungen Frauen durchaus sehr zu interessieren warum Jo so eine weite reise quer durch Deutschland machte, da sie sich nun genau gegenüber zu Johanna setzten und sich dabei gegenseitig vorstellten.
„Wohin soll den deine Reise gehen?“ Fragte Nadja, eine der beiden Frauen.
„Nach Koblenz. Aus beruflichen Gründen.“
„Um welchen Beruf handelt es sich denn?“ Die Neugier der beiden Damen konnte Jo deutlich merken aber es machte ihr nichts aus, denn so verging wenigstens die Zeit beim Gespräch etwas schneller.
„Ich will zur Polizei“
„Polizei? Aber in Berlin gibt es doch genauso Polizeischulen oder nicht? Warum ausgerechnet Reinland-Pfalz?“ fragte Nadja erneut. Beide Frauen blickten Jo verblüfft an, doch Johanna wendete ihren Blick zum Fenster und schwieg. Erst nach einem kurzen Moment schaute sie Nadja und Melanie wieder an.
„Aus persönlichen Gründen“ sagte sie etwas leiser. Ja es gab einen ganz bestimmten Grund warum Jo sich ausgerechnet für dieses Bundesland entschieden hatte. Ins Geheime erhoffte sich Jo endlich eine Antwort zu finden, die sie schon sehr lange verfolgte. Die Antwort warum sie nie eine Familie haben durfte. Plötzlich unterbrach eine Durchsage die Stille im Zug.
„Oh das ist ja schon unsere Station“ rief Melanie. Die Beiden standen auf, wünschten Jo noch viel Glück und verabschiedeten sich.
Gleich bin ich auch da. An der nächsten Station muss ich dann aussteigen. dachte sich Jo und blickte auf einen Zettel mit einer Adresse, zu der sie hin musste. Es ist zwar selten, dass der Polizei Fehler unterlaufen aber es ist passiert bei Jos Anmeldung für eine Unterkunft nach dem sie erfolgreich den Einstellungstest bestand und die Bewerbungsunterlagen unterzeichnete. Obwohl sie eine schriftliche Bestätigung erhalten hatte über einen freien Platz, blieb irgendwie doch keiner übrig.
Als Entschädigung für den durchaus peinlichen Fehler wurde Johanna ein Zimmer in einer WG angeboten. Die Kosten sollten ebenfalls größtenteils ihr bezahlt werden. Natürlich nahm Jo das Angebot an, denn was anderes blieb ihr so oder so nicht übrig und genug Geld für eine eigene Wohnung hatte sie ja nicht.
Noch wenige Minuten und der Zug würde endlich halten. So langsam stieg in Johanna wieder die Aufregung. Am Gleis sollte sie eine Frau, namens Sandra abholen. Sie haben einige male miteinander telefoniert und zur Sicherheit schrieb sich Jo die Adresse auf. In der WG lebten drei junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren oder so ähnlich. Johanna versuchte sich an die anderen zwei Namen zu erinnern, die Sandra ihr genannt hatte.
„Hmm ich glaub es war Nadine und irgendwas mit R…“
„In Kürze erreichen wir Koblenz. Der Aussteigt ist Fahrtrichtung links.“
Jo nahm ihre Tasche und begab sich nun zum letzten Mal zu dem Ausgang. Der Zug erreichte den Bahnhof, wurde immer langsamer und blieb schließlich stehen. Jo öffnete die Tür und stieg aus. Sofort blickte sie umher nach einer etwa 1,70m großen, schwarzhaarigen und 23 Jährigen Frau. Nach dem sie nirgends auf die Beschreibung passende Frau erkennen konnte und das Gleis nun so gut wie leer war, beschloss Jo selber zu der, auf dem Zettel aufgeschriebenen Adresse zu gehen. Immer noch umherblickend machte sie sich auf den Weg zu der Unterführung als sie ganz unerwartet mit jemand zusammenstieß.
„Oh Entschuldigung. Ist mein Fehler“ hörte Jo jemanden Sagen und blickte nach unten. Sofort half sie dem jungen Mädchen aufzustehen, die wohl nicht so standfest wie Jo war.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Johanna mit einer etwas besorgten Stimme.
„Ähm ja, ist alles Bestens.“ erwiderte die junge Dame und blickte sofort suchend und etwas verzweifelt umher.
„Ist wirklich alles in Ordnung mit ihnen? Sie sehen etwas verwirrt aus“ wiederholte sich Jo.
„Ja sicher. So ein leichter Sturz bringt mich noch lange nicht aus der Fassung. Ich Suche nur jemanden. Wie es aussieht habe ich sie aber anscheinend doch verpasst. Wissen sie, wann der Zug von Köln hier ankam?“ fragte das Mädchen.
„Ja der ist gerade eben gekommen. Eine Frage. Kennen sie sich gut hier in Koblenz aus?“
„Ja sicher. Mir wäre es lieber, wenn wir uns duzen, wenn es dir nichts ausmacht?“
„Ist OK. Kannst du mir sagen wie ich zu dieser Straße komme?“ Jo packte ihren Zettel aus der Hosentasche und zeigte ihn dem Mädchen.
„Bist du Johanna Marks?“ fragte sie und blickte Jo total erstaunt und hoffnungsvoll an.
„Ja bin ich, wieso?“
„Ach welch ein Glück, dann hab ich dich ja doch nicht verpasst, ich soll dich statt Sandra abholen. Sie und Nadine stehen schon seit zwei Stunden im Stau auf einer Autobahn, wegen einem Unfall und haben mich gebeten dich zu treffen. Übrigens ich bin Ricarda. Du kannst mich aber auch Ricky nennen.“
„OK. Du weist ja bereits wie ich heiße. Ich werd aber von allen meistens nur Jo genannt.“ entgegnete Jo Ricky mit einem Lächeln und beide machten sich auf den Weg Zu der WG.
***
„Wie war eigentlich deine Fahrt?“ fragte Ricarda Jo und unterbrach das Schweigen, da Johanna bis jetzt ganz still neben ihr ging.
„War schon etwas anstrengend, da ich seit 9 Uhr in der Früh unterwegs bin.“ entgegnete ihr seufzend Jo.
„Oh. Dann hast du doch bestimmt jetzt einen Riesenhunger, oder? Ich hoffe schon, denn schließlich will ich nicht umsonst die letzte Stunde in der Küche verbracht haben.“
„Klar hab ich Hunger und wie! Hast du etwa nur meinetwegen was gekocht?“
„Ja. Als mich Sandra angerufen hatte, hab ich noch schnell was zubereitet, da ich mir schon gedacht hab, dass du höchstwahrscheinlich hungrig sein wirst. Hab mich dann auch eigentlich nur deswegen etwas verspätet.“ erklärte Ricky und schaute Jo dabei mit einem entschuldigendem Blick an.
„Na ja hab zwar eine Kleinigkeit im McDonald’s gegessen aber…..“ weiter kam Johanna nicht, da Ricky sie an der Stelle unterbrach.
„Das Zeug macht doch gar nicht satt. Isst du eigentlich alles? Ich habe Spaghetti mit Hackfleischsoße gemacht.“
„Ja sicher esse ich so was“ antwortete Jo und merkte, dass ihr Bauch schon allmählich anfing Laute von sich zu geben, die deutlich darauf hinwiesen, dass sie Hunger hatte. Erst nach 20 Minuten erreichten sie eine ruhige Gasse.
„So, wir sind da.“ sagte Ricarda erleichtert und blieb vor einem Haus stehen. Man konnte bereits auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um einen Altbau handelte, welches schon auf jeden Fall etliche Jahre hinter sich hatte, obwohl wie es aussah, wurde es vor nicht all zu langer Zeit von außen saniert. Ricky öffnete die Eingangstür und bat Jo herein. Nun befanden sie sich in einem sehr kleinen quadratischen Flur. Zur ihrer linken Seite führte eine Treppe nach oben und gerade aus war eine weitere Tür.
„Komm ich zeig dir erstmal dein Zimmer. Da kannst du dann deine Sachen hinlegen.“ Johanna nickte und folgte Ricarda schweigend. Im zweiten Geschoss war wieder ein kleiner Flur, bei dem rechts sich eine Tür befand und links zwei. Hinter Jo war ebenfalls eine Tür. „Also das hier rechts ist dein Zimmer und links ist Meins und das Bad. Hinter dir ist unsere Abstellkammer.“ Mit diesen Worten öffnete Ricky die rechte Tür und ging ein Stück zur Seite, damit Jo an ihr vorbeigehen konnte.
„Wow. Also Sandra hatte mir schon am Telefon gesagt, dass es ein großes Zimmer ist aber dass es so groß sein würde, hätte ich nicht gedacht“ erstaunt betrat Jo das Zimmer und schaute sich um. Es befand sich nicht sehr viel im Raum, lediglich ein Tisch, Bett und ein alter Schrank standen da. „Also die Möbel haben wir jetzt extra nicht zum Schrott gebracht, damit du wenigstens vorübergehend das Nötigste hast, bis du dir was Neues besorgten kannst. Wenn es soweit ist, dann kommen die hier sofort weg.“
„Ach ich finde den Schrank eigentlich ganz OK. Der könnte zwar eine neue Lackierung gut gebrauchen aber sonst ist der noch ziemlich in Ordnung.“ erwiderte Jo und fuhr mit der Hand über das hellbraune Holz vom Schrank. In ihren Gedanken hatte Johanna bereits eine genaue Vorstellung, wie sie ihr neues Zuhause einrichten würde. Sie blickte kurz auf den Boden. Ein schöner Parkettfußboden breitete sich über das ganze Zimmer aus.
„Komm jetzt endlich. Deine Fantasie, kannst du auch nach dem Essen weiter entfalten.“ Mit diesen Worten packte Ricky Jo an der Hand und zog sie hinter sich her wieder die Treppen hinunter und machte anschließend die untere Tür auf. Wieder ein Flur. Es sah genauso aus wie oben. Zwei Türen an der linken Seite und eine rechts jedoch befand sich am ende des Flurs eine weitere Tür, auf die Ricky geradewegs zusteuerte und immer noch Jo fest an der Hand hielt. Erst als sie sich im Raum befanden lies Ricky Jo los. Dieses Zimmer war eindeutig die Küche. Die Einrichtung jedoch unterschied sich gewaltig vom ganzen Haus. Es war alles relativ dem modernen Stil angepasst, was man vom Rest nicht gerade behaupten konnte. Rechts gleich neben der Tür stand ein Kühlschrank, anschließend kam ein großer Arbeitsplatz darunter einige Schubladen und Türen sowie eine Spülmaschine, die man nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennen konnte, da Diese so gut wie komplett in den Farben der gesamten Einrichtung getarnt war. Danach folgte das Spülbecken. Der restliche Einbau wurde gegenüber der Tür fortgesetzt mit einem Herd, daneben einer Mikrowelle, Stauraum, und zum Schluss einem großen Schrank. An den Wänden über dem Arbeitsplatz waren ebenfalls kleine Regale befestigt. Fast in der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch. Im Großen und Ganzen sah es für eine WG sehr ordentlich aus. Vielleicht lag es daran, dass hier nur Mädels wohnten.
„Hast du vor im Stehen zu essen oder willst du dich doch hinsetzen?“ fragte plötzlich Ricky lächelnd und bot Jo einen Platz am Tisch an. Sie setzte sich hin und beobachtete Ricky, wie sie das Besteck und zwei Teller rausholte. Dabei fielen Jo´s Blicke musternd auf Ricardas Körper.
Hmm sie sieht echt gut aus. Braune lockige Haare mit hellen Strähnchen, etwa 1, 65m groß und eine sehr attraktive Figur. Etwas dunkler Hauttaint, wobei das auch die Auswirkung der Sonne sein könnte. Sogar mit ihrer Zahnspange sieht sie richtig süß aus. Erst jetzt fiel es Jo wieder auf. Klar hatte sie es bereits am Bahnhof schon bemerkt aber durch das Gespräch und die leichte Aufregung, hatte Jo das nicht weiter beachtet.
Ob sie wohl auf Frauen… Doch zugleich schaute Johanna weg.
Jo dachte sie sich
Spinn jetzt bloß nicht rum. Du bist grad mal eine Stunde hier und schon fantasierst du dir irgendeinen Müll zusammen. Währenddessen stellte Ricky Jo ihren Teller auf den Tisch. Beide wünschten sich gegenseitig einen guten Appetit und wendeten sich ihren Tellern zu. Beim Essen redeten sie kaum, erst danach, als Ricky Jo fragte, ob Diese was zu trinken wollte, entstand wieder ein Gespräch.
„Ja wäre nicht schlecht. Wie wäre es mit Tee?“
„Kommt sofort. Trinkst du ihn mit Zucker?“
„Ja“ antwortete Johanna und nahm das kleine Döschen, welches ihr Ricky entgegen reichte. Wenige Minuten später hielt Jo ihre Tasse Tee in der Hand, in die sie bereits den vierten Teelöffel Zucker reinschüttete. Das entfiel natürlich Ricky nicht, die belustigt es mit ansah.
„Wolltest du eigentlich Tee mit Zucken oder Zucker mit Tee?“ fragte sie dann doch schließlich. Nun merkte es auch Johanna. Da sie aber nicht gestehen wollte, dass sie wieder mal vor lauter Gedanken nicht aufgepasst hat was sie machte, antwortete sie nur schlicht ’Es passt schon’, schob jedoch sicherheitshalber die Dose mit dem Zucker ein Stückchen zur Seite.
„Kochst du eigentlich immer?“ fragte sie anschließend.
„Wenn ich Lust habe, dann schon und wenn nicht, dann kocht eben Sandra oder Nadine. Aber ich koche wahnsinnig gern.“
„So so. Bist also dann die kleine Küchenfee, die Tag für Tag leckere Sachen auf den Tisch zaubert“ antwortete Jo und zwinkerte Ricky dabei an.
„Na ja so in der Art. Was ist mit dir. Kochst du gern?“
„Nein nicht wirklich. Habe es schon in der Schule total gehasst, vor allem wenn die Hauswirtschaftlehrerin mich immer so schief angeschaut hat, wenn ich wieder mal was verpatzt hatte. Und das passierte mir eigentlich ständig. Ich glaub ich hab nicht das Geschick fürs Kochen.“
„Ach das bringe ich dir schon bei. So leicht kommst du mir nicht davon. Mit der Ausrede. Bei mir war es auch so am Anfang. Erst als meinem Mum sich etwas Zeit für mich genommen hatte und mit mir an den Wochenende kochen übte bekam ich den Dreh raus und hatte später endlich die Küche bei uns zu Hause auch für mich allein. Hab dann nach und nach aus einem Kochbuch fast alle Gerichte ausprobiert. Musste aber auch einmal die ganze Küche neu streichen. Tja so was kommt davon, wenn man den Deckel vom Mixer vergisst und dann das Teil einschaltet.“ Weiter sprach Ricky nicht, da sie merkte, dass Jo etwas trauriger wurde und wie es schien wieder in ihren Gedanken versank. Ja das war sie in der Tat. Das, was Ricarda gerade eben sagte, machte Johanna sehr traurig. Sie hatte nie die Möglichkeit mit ihrer Mum was zu kochen. Für so einen Moment hätte Jo, wenn es sein musste auch Tausend mal die Küche gestrichen, Hauptsache sie hätte eine Familie wie Jeder andere. Viele male überkam sie der Gedanke wenigstens Pflegeeltern zu haben. Auch wenn nicht ihre richtige Familie aber immerhin es wäre eine. In einer Wohnung zu wohnen oder einem Haus mit einer Mutter und einem Vater. Dazu noch vielleicht ein Haustier. Jo wollte schon immer eine Katze haben aber ein Hund wäre auch OK. Dies ergab sich jedoch leider nie.
„Jo ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst so traurig aus“ fragte Ricky mit einer besorgten Stimme. „Nein, nein. Mir geht’s gut, bin nur sehr müde. Ich glaube ich geh jetzt am besten ins Bett, wenn es dir nichts ausmacht?“
„Ja ist gut. Die Decke und ein Kissen liegen auf dem Bett und wo das Bad ist, hab ich dir ja vorher schon gezeigt.“ antwortete Ricarda und wünschte Johanna noch eine gute Nacht.
***
Am nächsten Tag wachte Johanna bereits sehr früh auf. Natürlich schliefen die Anderen alle noch aber sie konnte und wollte nicht mehr schlafen. Jo schaute aus ihrem Fenster. Die Sonne strahlte bereits und es sah sehr viel versprechend aus, dass der Tag warm und schön werden würde. Kurzerhand kramte Johanna aus irrere Reisetasche, die sie noch nicht ausgepackt hatte ihre Sportsachen an, ging runter und legte einen Zettel mit einer Nachricht ’Bin für ein paar Stunden weg joggen’ auf den Küchentisch und verließ das Haus. Johanna ging meistens joggen, wenn sie mal wieder den Kopf von ihren Gedanken freibekommen wollte oder einfach nur schlecht geschlafen hatte. In dem Fall war es Beides. Zum einem war das Bett nicht sehr bequem und zum anderen schwirrte ihr so vieles im Kopf. Sie wollte aber auch etwas von ihrer neuen Umgebung sehen.
Als sie wieder zurückkehrte, war die Eingangstür offen. Aus der Küche konnte sie deutlich Stimmen hören. Da Jo aber nicht unbedingt ganz durchgeschwitzt die anderen beiden Frauen antreffen wollte, entschied sie sich erst schnell zu duschen und sich umzuziehen und danach erst die Küche zu betreten. Als sie aus dem Bad raus kam, frisch geduscht und angezogen, stieß sie wieder beinahe mit Ricarda zusammen die gleichzeitig aus ihrem Zimmer kam.
„Boa ey. Erschreck mich bitte nicht so. Ich wäre grad fast umgekippt.“ sagte Ricky und atmete erstmal tief durch.
„Wieso warst du den heut so früh schon aus dem Haus? Stehst du immer so früh auf? Fügte sie hinzu.
„Oh sorry. War nicht meine Absicht dich zu erschrecken. Ach weis nicht, wenn ich einmal meine Augen am Morgen aufhab, dann bekomm ich sie nicht wieder zu und da ich sonst nichts zu tun hatte, wollt ich raus und mir einwenig die Gegend anschauen.“
„Ach so. Ich dachte schon es hat was mit Gestern zu tun, weil nur das du müde warst, dass glaube ich nicht.“
„Da hast du recht“ Jo blickte wieder etwas betrübt zur Seite.
„Was ist den los? Hab ich also doch Gestern was Falsches gesagt?“ fragte Ricky erneut und wie es aussah würde sie nicht eher Ruhe geben, bis sie den Grund, warum Johanna so verzagt blickte, wusste.
Jo schaute ihr in die Augen und begann mit einem leichten Stottern zu reden.
„Na ja, du hast Gestern über deine Familie geredet und das hat mich halt ein bisschen traurig gemacht, weil ich nie eine hatte.“ Johanna wurde still und schaute immer noch in Rickys überraschtes und zugleich verwirrtes Gesicht.
„Ich bin in eine Heim aufgewachsen“ fuhr sie fort.
„Oh das tut mir Leid. Ich wusste es nicht. Sandra hatte nie etwas davon erwähnt.“ erwiderte Ricarda.
„Das muss dir nicht Leid tun. Wie konntest du das auch wissen. Ich hab es ja bis jetzt hier in Koblenz noch keinem erzählt.“ beruhigte Jo Ricky, lächelte sie kurz an und begab sich nach unten. Auf dem Weg rief sie noch ein ’Jetzt weist du es ja nun’ und marschierte weiter in Richtung Küche.
„Guten Morgen allerseits“ entgegnete Jo mit einem breiten Lächeln den beiden Frauen, die am Küchentisch saßen, als sie den Raum betrat.
„Hey hey, da ist ja unsere neue Mitbewohnerin. Wünsch dir auch einen Guten Morgen. Schön, dass wir dich nun auch mal antreffen. Ich bin Sandra. Wir haben ja schon paar Mal telefoniert.“ sagte sie und begrüßte Jo mit einem lächeln.
„Und du bist dann wohl Nadine, nehme ich an?“ fragend schaute Johanna zu der zweiten Dame.
„Jap. Ich bin Nadine.“ entgegnete Diese ebenfalls mit einem Lächeln.
Nachdem sich Jo hingesetzt hatte, betrat auch Ricky die Küche. Die beiden Frauen schienen sehr nett zu sein auch, wenn Nadine etwas ausgeflippt aussah. Einige Piercings schmückten ihr Gesicht. Lippe, Nase und Ohren. Die Haarfarbe war auch nicht gerade oft anzureffen. Blond mit vielen rosa Strähnchen. Sandra dagegen hatte ihre schwarzen Haare zu einem Zopf zusammengebunden, besaß keinen sichtbaren Metallschmuck und wirkte allgemein sehr streng und konzentriert. Vielleicht lag es an ihrer Brille, die sie anhatte.
„Jo willst du einen Kaffee?“ fragte sie und bekam ein kurze ’ja bitte’ als antwort von Johanna.
„Wie lange wohnt ihr eigentlich schon in diesem Haus?“ fragte Jo und schaute zur Sandra rüber.
„Ich wohne hier schon länger, denn dieses haus hat meiner Oma gehört und ich habe es geerbt. Nadine wohnt hier mit mir zusammen seit über zwei Jahren.“ Dabei blickte sie mit einem etwas verträumten Blick zu Nadine, die sie genauso ansah. Jo fand es zwar etwas komisch, schenkte aber dem keine große Beachtung.
„Und du Ricky wohnst hier schon seit einem Jahr, oder?“ erkundigte sie sich.
„Ja. Als ich die Wahl hatte wo ich meine Ausbildung machen will, hab ich die Beiden einfach mal gefragt, ob ich auch bei ihnen wohnen könnte. Schließlich kenne ich sie schon seit einigen Jahren“ Nun schaute Ricarda ebenfalls mit so einem komischen Blick zu den beiden Mädels am Tisch. Zwar hatte Jo das Gefühl etwas nicht ganz mitzubekommen aber sie lies sich ihre Verwirrtheit nicht anmerken. Inzwischen gab Ricarda Jo ihre Tasse Kaffe, der Rest, was so alles zu einem richtigen Frühstück dazugehört, befand sich bereits am Tisch.
„Eigentlich hatten wir ja nie vor eine WG zu gründen. Aber als wir vor zwei Monaten dein Zimmer, welches ursprünglich eher eine Abstellkammer war, ausgeräumt hatten, haben wir beschlossen einfach es zu vergeben, da es wirklich sehr groß ist, was man vorher wegen den ganzen Gegenständen, die sich darin befanden gar nicht bemerken konnte.“ erklärte Nadine und machte einen schluck von ihrem Kaffee.
„Wie war eigentlich deine gestrige Fahrt? Ich hoffe doch es gab keine Schwierigkeiten oder so? Es war ja geplant, dass Nadine und ich dich vom Bahnhof abholen aber wie dir bestimmt Ricky schon erzählt hat, standen wir über zwei Stunden im Stau. Als wir dann endlich ankamen hat Ricky gesagt, dass du bereits schläfst.“ fragte nun wieder Sandra.
„Die Fahrt war in Ordnung. Musste zwar mich einmal etwas beeilen um den Zug nicht zu verpassen aber ansonsten war alles OK.“
„Das freut mich. Was hast du den heute so vor. Schon irgendwelche Pläne?“ an dieser Stelle mischte sich Ricky in das Gespräch zwischen Sandra und Jo ein.
„Da wir gerade bei diesem Thema sind. Jo, ich wollte dich fragen ob du Lust hast mit mir jetzt nach dem Frühstück in die Stadt zu gehen. Es ist zwar heute Sonntag aber so siehst du wenigstens was von Koblenz.“ Als Antwort bekam sie von Jo ein deutliches Zunicken. Nachdem Jo zu Ende gefrühstückt hatte, stand sie auf und wollte noch schnell hoch, als ihr noch was einfiel.
„Was ich noch fragen wollte, könnte Jemand von euch morgen mit mir in ein Geschäft fahren. Würde mir gern was für mein Zimmer besorgen?“
„Klar ist kein Problem. Da ich morgen frei hab, können wir gleich in der Früh dir deine neue Einrichtung besorgen.“ entgegnete ihr Sandra und somit war auch diese Sache so gut wie erledigt.
Nachdem Ricky sich schnell noch zu Recht machte, gingen die Beiden in Richtung Stadtmitte. Auf dem Weg redeten sie über verschiedene Themen und Ricarda zeigte und erklärte Jo wie man zu den wichtigsten Plätzen in der Stadt gelangen konnte. Johanna hörte ihr zu aber die Ortschaft interessierte sie eher weniger. Mit der Zeit würde sie auch so sich die ganzen Wege merken. Außerdem gab es genügend Schilder und ein paar nette Passanten würden ihr bestimmt, wenn es drauf ankommt den Weg ebenfalls erklären. Dennoch hätte Jo Stundenlang Ricky zuhören können. Zu sehr faszinierte sie ihre Stimme. Mehrmals musste sie sich in Gedanken ermahnen. Zum Schluss war Jo sogar etwas verärgert über sich selbst, weil sie der süßen Stimme von Ricarda nur mit sehr viel mühe widerstehen konnte. In der Stadt angekommen machte Ricky den Vorschlag in einem sehr guten Café, ihrer Meinung nach, ein Eis zu essen. Da Jo tatsächlich schon eine Ewigkeit her sich das letzte Mal ein leckes Eis gönnte, war sie sofort mit dem Vorschlag einverstanden. Beim Café angekommen, suchten sich die Beiden rasch einen gemütlichen Platz und schauten erstmal in Ruhe, welches Eis sie sich bestellen wollten. Nachdem die Wahl getroffen war und sie endlich ihre Bestellungen auf dem Tisch hatten, entwickelte sie wieder ein Gespräch.
„Was hältst du eigentlich davon, wenn wir Morgen Abend weggehen würden?“ erwartungsvoll schaute Ricky Jo an und schob sich einen weiteren Löffel Tiramisu Eis in den Mund.
„Von mir aus. Ich hab so oder so eigentlich nichts anderes vor, außer mit Sandra mir was für mein Zimmer zu suchen.“
„Und was hast du dann vor in den nächsten Tagen und Wochen zu machen?“
„Na ja, ich müsste da noch so einigen Papierkram erledigen. Ich hoffe bloß, es wird nicht zu stressig und sonst weis ich auch nicht was ich machen werde.“ Grinsend sah Ricarda Jo an.
„Super, dann werde ich mir mal überlegen was wir zusammen so machen könnten, wenn es dir recht ist?“ Klar war es Johanna recht und wie sogar, nur machte sie sich über eins Sorgen. Wie lange würde sie es wohl noch aushalten, so cool in Rickys Nähe zu bleiben. Als schließlich das Eis zu ende gegessen war, beschlossen die beiden entlang des Reihns einen Spaziergang zu machen. Ricky fand das Wetter an dem Tag einfach viel zu schön, um den ganzen Tag im Haus zu verbringen. Erst am Abend kehrten Jo und Ricarda wieder zurück und Ricky wusste nun ein Stück mehr über Johanna, da sie Diese so einiges im Laufe des Tages gefragt hatte. Jo redete zwar eher ungern über ihr Leben aber bei Ricky war es irgendwie anders. Mit ihr redete sie gern. Wieder zu Hause angekommen wurden sie erstmal von Sandra und Nadine ausgefragt, was sie den ganzen Tag so gemacht hätten. Nachdem Abendessen zog sich Jo in ihr Zimmer zurück und wendete sich wieder ihrem Buch zu, welches sie immer noch nicht zu Ende gelesen hatte.
***
Der nächste Tag. Es war schon nach 12 Uhr, als Jo ihre Augen öffnete. Langsam und noch nicht richtig wach torkelte sie ins Bad. Das am Anfang etwas kühle Wasser machte sie blitzschnell wach. Nach dem Jo endlich fertig war, ging sie runter und betrat die Küche.
„Na Guten Morgen. Gestern noch Frühaufsteher und heute verschläfst du ja schon fast den ganzen Tag“ entgegnete ihr Sandra mit einem lächeln auf den Lippen. Als Antwort lächelte Johanna ebenfalls, nahm eine Tasse und machte sich erstmal einen Tee.
„Morgen, kein Kaffe Heute?“ fragte nun Ricky, die neben ihr stand.
„Nein die kalte Dusche hat mich gerade bereits sehr wach gemacht“
„Oh sorry, ich habe dir ganz vergessen zu sagen, dass man immer ein bisschen warten muss bis es warm wird.“ sagte Ricarda und schaute dabei schuldig zu Jo die nur ein ’macht nichts’ ihr entgegnete und sich hinsetzte.
„Wie lange brauchst du noch? Wir wollten ja heute ins Geschäft fahren, weist du noch?“ fragte Sandra und blickte dabei auf ihre Uhr.
„Ja ja, klar weis ich das noch. Gib mir 20 Minuten, dann bin ich fertig. OK?“
„Ja ist in Ordnung, dann geh ich mich auch noch schnell umziehen.“ Mit den Worten stand Sandra auf und verschwand in ihrem Zimmer.
„Sag mal Jo, hast du nicht Freunde oder so, die du vielleicht mal informieren solltest, dass du gut angekommen bist?“ fragte nun Ricky, die sich gerade neben Jo hinsetzen wollte, als Diese unerwartet aufsprang.
„Oh scheiße, das habe ich ja ganz vergessen. Ich darf doch?“ fragte Jo und zeigte auf das Telefon, welches auf einem kleinen Tischchen im Flur stand. Sie nickte. Sofort griff Johanna nach dem Kabellosen Gerät, wählte eine Nummer und setzte sich wieder hin.
„Hallo, Timo? Kannst du bitte Uli holen? Ja mir geht es super aber hol sie mal bitte schnell“
„Hallo, Uli hier“
“Hey es tut mir furchtbar Leid dass…..“ weiter konnte Jo nicht sprechen, da Uli sie unterbrochen hatte.
„Johanna? Sag mal, weist du welche Sorgen ich mir gemacht hab? Dein Handy aus und keien Meldung von dir. Ich konnte nicht mal ruhig Schlafen weil ich schon mit dem Schlimmsten gerechnet hatte.“ Nun wurde Uli von Jo unterbrochen.
“Uli es tut mir Leid. Ich habe es ganz vergessen. Mir geht es sehr gut. Noch mal entschuldige bitte!“
Jo konnte ein erleichtertes Seufzen von Uli hören.
“Na wenigsten hast du ja jetzt angerufen. Wie war eigentlich deine Fahrt. Gab es irgendwelche Probleme?“
„Nein war alles OK. Du Uli i muss jetzt gleich los und will noch schnell Sandra anrufen. Ich meld mich aber morgen Früh bei dir. Versprochen.“
„Ja ist in Ordnung aber vergiss es ja nicht.“
Jo legte auf, schaute kurz zu Ricky, die anscheinend sehr interessiert die ganze Aktion beobachtet hatte, lächelte sie kurz an und wählte erneut eine Nummer.
“Guten Morgen Frau Gries. Ist zufällig Sandra da?“
“Morgen Jo. Ja Moment, ich hol sie gleich.“ Ein etwas lautes Rufen konnte man deutlich durch das Telefon hören.
“Hey, Jo? Kaum bist du weg und schon hört man wieder mal nix von dir. Nicht mal ne Sms haste mir geschrieben.“
“Es tut mir Leid. Akku war leer und dann hab ich es vergessen. Sorry Sanny kommt auch nicht noch mal vor.“
“Na das will ich ja auch mal hoffen. Also erzähl mal. Wie wohnst du, was isst du, was machst du. Will einfach alles wissen.“
„Wow so viele Fragen auf einmal. Mein neues Zimmer ist einfach super und verdammt groß. Na ja und der Rest halt wie immer. Du bist aber bis jetzt die erste die mich nicht gefragt hat wie meine Zugfahrt war“ fügte Jo lachend hinzu.
„Ja, was gibt’s den da so großartig zu fragen. Du telefonierst grad mit mir also lebst du ja schon mal und gesund klingst du auch, also nehme ich mal an, dass du es recht gut überstanden hast. Und komm was du schon hinter dir hast, da macht dich doch so eine Fahrt noch lange nicht fertig.“
„Stimmt da hast du recht. Sanny ich meld mich ein anderes Mal bei dir. Da können wir dann länger reden. Fahr jetzt mir erstmal was für mein Zimmer besorgen.“
„Ja ist in Ordnung. Ich muss mich auch jetzt fertig machen. Mein Kumpel holt mich in paar Minuten ab.“
„Richte den Anderen noch einen schönen Gruß von mir aus.“
„Klaro werd ich machen. Bye“
Johanna legte auf, blickte wieder zu Ricarda, die immer noch mit einem verträumten Blick in ihre Richtung sah.
„Na, ist es interessant mich dabei zu beobachten, wie ich telefoniere?“ fragte sie schließlich.
„Ähm na ja ich fand es irgendwie interessant. Mit wem hast du den überhaupt telefoniert?“
„Zuerst mit einer Erzieherin von mir und dann mit einer guten Freundin.“
„Jo bist du schon fertig? Können wir los?“ fragte plötzlich Sandra, die gerade aus ihrem Zimmer bereits in Richtung Ausgang marschierte. Sofort sprang Jo auf, verabschiedete sich noch schnell von Ricarda und folgte zügig Sandra zu ihrem kleinem schwarzen Fiat, der gleich vor dem Haus stand.
„Wo willst du den eigentlich hin?“ fragte Sandra und startete das Auto.
„Also ich kenn mich ja hier nicht aus aber ich bräuchte halt einen Laden wo ich mir Bett, Stuhl, Regal und noch ein paar andere Kleinigkeiten zu einem günstigen Preis besorgen könnte.“
„Alles klar, dann weis ich wo wir hin müssen. Hier in der Nähe kenn ich da was, wo du dir, denk ich mal alles wirklich sehr günstig kaufen kannst.“ Mit diesen Worten machten sich die Beiden auf den Weg und erreichten ihr Ziel nach 20 Minuten.
„So wir sind da. Du kannst ja schon mal rausgehen und dir so einen Einkaufswagen holen. Ich denk mal du wirst einen brauchen und ich park in der Zwischenzeit mein Auto. Ich hoff bloß ich finde überhaupt irgendwo einen Parkplatz. Ist wieder alles total voll hier.“ meckerte Sandra, blickte kurz zu Jo, die ihr entgegen grinste und gerade dabei war aus dem Auto auszusteigen. Wenige Minuten später stand Johanna bereits vor dem Eingang mit dem Einkaufswagen und wartete immer noch auf Sandra, die ihr endlich entgegen kam.
„Sorry, dass es so lang gedauert hatte. Wie ich schon vorher befürchtet habe ist hier wieder mal alles total voll. Warte erstmal ab bis wir dann wieder mein Auto suchen dürfen.“ Mit diesen Worten betraten die Beiden endlich den Laden und Jo packte ihren Zettel aus, auf dem alle Dinge aufgeschrieben waren.
2 Stunden später hatte Johanna endlich alles gefunden, worüber Sandra sich insgeheim sehr freute, denn das ganze Suchen, Nachdenken und Rumlaufen im Geschäft mit Jo hatte sie allmählich müde gemacht.
„Hast du jetzt alles gefunden?“ fragte sie dennoch zur Sicherheit.
„Ja fast. Ich bin gerade immer noch am Überlegen, was die Wandfarbe angeht.“
„Welche willst du den?“
„Ich hab mir gedacht ich streiche die Fensterwand Terrakotta und die restlichen in einem ganz leichten Vanille Ton.“
„Wow gar nicht mal so eine schlechte Wahl. Also Vanille Farbe haben wir auch zu Hause. Ich wollte schon vor langer Zeit mal den Eingang Streichen aber irgendwie bin ich nie wirklich dazu gekommen und tja nun steht die Farbe in der Abstellkammer. Wenn du willst kannst du sie gerne für dein Zimmer verwenden?!“
„Ja wieso auch nicht. Dann bin ich jetzt fertig und wir können gehen.“
Nachdem Jo an der Kasse bezahlt hatte, notierte sie noch ihre Adresse zu der die meisten Möbel, welche nicht in den Fiat passten, geliefert werden sollten. Anschließend machten sich die Beiden auf den Weg zu Sandras Auto.
„Also ich muss mal als erstes eine rauchen. Dann räumen wir die Sachen in den Kofferraum OK?“ fragte Sandra und zog währenddessen eine Zigarette und ein Feuerzeug aus ihrer Schachtel heraus.
Schweigend nahm Sandra noch eine Zigarette heraus und bot sie Jo an, die sie auch sofort annahm. Nach der kurzen Rauchpause räumten die Beiden die kleinen Dinge in den Fiat und machten sich auf den Weg zu der WG. Dort angekommen sahen sie bereits den Lieferwagen.
„Die sind aber schnell“ wunderte sich Jo und stieg aus dem Auto aus.
„Sind sie Frau Marks?“ fragte der Lieferant etwas mürrisch.
„Ja bin ich“
„Ich bräuchte hier und hier von ihnen eine Unterschrift und es wäre gar nicht mal so verkehrt, wenn sie wenigstens auf den Briefkasten ihren Namen irgendwo notieren könnten. Ich bin gerade mehrmals durch diese Gasse gelaufen auf der Suche nach ihrem Namen.“ fügte der deutlich schlecht gelaunte Mann hinzu und tippte mit einem Kugelschreiben auf die Stellen, wo Johanna Unterschreiben sollte. Anschließend räumte er zügig den Lieferwagen leer und fuhr ohne ein weiteres Wort zu sagen wieder davon.
„Was war den das für ein komischer Typ?“ fragte Sandra mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. „Weis nicht. Vielleicht hatte der ja Pause oder so und musste dann unfreiwillig zu uns fahren? Egal Hauptsache die Sachen sind schon da und ich hab nun eine Beschäftigung und was den Briefkasten angeht, hat er Recht. Ich bräuchte wirklich ein Schild oder so was aber vorher muss ich sowieso noch einigen Papierkram wegen dem erledigen.“ Mit diesen Worten schnappte sich Jo die ersten Verpackten Möbelstücke, die der Lieferant vor dem Eingang hingestellt hatte und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Nachdem endlich alles im 1. Stockwerk im Flur abgestellt wurde, klingelte Sandras Handy.
„Hey. Ich helfe gerade Jo. Jetzt sofort?. Ja ist OK bin in so 15 Minuten bei dir. Tschau.“ Sie legte auf und blickte zu Johanna.
„Du sorry aber Nadine hat gerade angerufen und will, dass ich zu ihr komme. Schaffst du es hier alles allein?“
„Klaro. Kannst ruhig gehen.“
„OK, dann sehen wir uns heute Abend.“
Als erstes räumte Jo alles aus dem Zimmer raus, beklebte den Parkettfußboden mit einer Schutzfolie und machte ihre Farben auf. Das Streichen von ihrem Zimmer hatte nicht lange gedauert, da Jo in dem Punkt schon genug Erfahrung hatte, durch einen Wochenendjob bei einem Maler. Danach machte sie eine kurze Pause, holte sich einen Aschenbecher aus der Küche und zündete Marcels letzte Kippe an. Nach der Unterbrechung begann sie langsam den neuen Tisch zusammen zu bauen, danach kam das Regal und zum Schluss war ihr neues Bett an der Reihe. Da Jo so sehr vertieft in ihre Arbeit war, bemerkte se gar nicht, dass Ricky schon eine Weile in der Tür stand und Johanna mit einem verträumten Blick zusah.
„Du bist aber echt sehr flink.“ sagte sie dann doch schließlich. Jo schreckte auf.
„Oh du bist das. Hab gar nicht bemerkt, dass du schon zurück bist. Stehst du eigentlich schon lange so da?“
„Nein nicht sehr lange. Ach ne, Sandra muss auch immer überall ihr Raucherzeug stehen lassen.“ Mit diesen Worten ging sie zum Fenster um sich den Aschenbecher zu holen, als sie von Jo aufgehalten wurde.
„Nein lass den. Der ist von mir. Ich räum das dann selber alles weg.“ Mit einem verwunderten Blick starrte Ricky Jo an und es sah so aus als würde sie es gar nicht glauben wollen, was da Johanna gerade ausgesprochen hatte.
„Oh du rauchst? Das wusste ich ja gar nicht. Tut mir Leid, ich dachte bloß, dass“ wieder wurde sie von Jo unterbrochen.
„Ja ich rauche“ nach einer kurzen Schweigepause fuhr sie fort.
„Wieder seit ich hier angekommen bin. Was ist eigentlich nun mit heute noch weggehen?“
„Willst du den noch weggehen. Ich dachte, dass du jetzt bestimmt schon müde bist aber anscheinend hab ich mich geirrt.“
„Dann gehe ich schell duschen und mich fertig machen OK?“ fragte Jo und schraubte inzwischen die letzte Schraube an dem Bett fest.
„Ja ist gut. Es ist ja erst kurz nach Acht, also haben wir noch ein bisschen Zeit.“ entgegnete ihr Ricarda. Eine Stunde später waren Jo und Ricky bereits auf dem Weg zu einem Club, den Ricky öfters besuchte.
***
Bereits vor dem Eingang zum Club konnte man die Musik hören. Ricky öffnete die Tür hinter der sich einige Meter weiter eine Weitere befand. Davor stand ein ziemlich Muskulöser großer Typ.
Ein Türsteher, dachte sich Jo und folgte schweigend Ricarda, die zielgerichtet auf den Typen zuging und ihm zur Begrüßung auf die Wange einen Kuss gab.
„Oh hallo Ricky. Dich habe ich ja hier schon sehr langen nicht mehr gesehen. Ich glaub das letzte Mal war, als du noch in Frankfurt gewohnt hast und mit deinem Ex zusammen warst, wie hieß er noch gleich?“ bei der Frage grinste er sehr merkwürdig.
„Hi, Ja es ist schon lange her, als ich das letzte Mal hier war“ Ricky seufzte, blickte kurz in dem kleinem Raum umher und fuhr fort ohne die Frage von dem komischen Kerl zu beantworten
„Aber nun bin ich ja wieder da.“ Mit diesen Worten legte sie das Eintrittsgeld für sich und Jo auf den kleinen Tisch, der neben dem Türsteher stand und beide bekamen sofort ihre Stempel auf den Handrücken. Mit einem lächeln, packte Ricky Jo am Ärmel und zog sie bereits zur nächsten Tür.
Beim öffnen dieser wurden die Beiden sofort von der lauten Musik und der Stimmung regelrecht umhüllt, von der sie in dem kleinen Raum nur sehr wenig mitbekommen hatten. Der starke Bass und die besondere Atmosphäre lösten bei Jo ein leichtes Vibrieren aus, welches sich durch ihren ganzen Körper zog.
„Ach wie lange war ich schon nicht weggegangen. Verdammt lange her ist das schon. 1 Jahr oder sind es schon 2?!“, fragte sich selber Jo. Es gab einen bestimmten Grund, wieso sie nicht mehr in solche Clubs der Discos ging. In ihrem Viertel war es üblich, dass sich die meisten Mädels sehr hübsch machten. Das hieß 2cm² Stoff für den ganzen Körper und der Abend ist perfekt. Von diesem Motto hielt jedoch Jo eher wenig. Eigentlich absolut gar nichts. Es gab aber auch einen anderen Grund. Vor 2 Jahren starb ein Mitschüler vor Jos Augen in so einem Club.
„Jo damit du mir nicht verloren gehst ist es besser, wenn ich dich festhalte“ bevor Johanna begreifen konnte was Ricky ihr da eigentlich gerade sagte, da sie wieder mal zu sehr in ihren Gedanken und Erinnerungen versunken war, griff Ricarda erneut nach ihrer Hand und schleppte Jo hinter sich her an den ganzen tanzenden und party machenden Leuten vorbei an die andere Seite des Clubs.
„So wie findest du diese Ecke. Ziemlich chillig oder?“
„Ähm ja sieht gut aus, gefällt mir“ entgegnet Jo und schaute sich erst jetzt um. Die chillige Ecke bestand aus einer Couch, einem Tisch, einer Lampe, die aber so gut wie gar nicht leuchtet und einem Aschenbecher auf dem Tisch
„Mist jetzt hab ich mir vergessen neue auf dem Weg hierher zu kaufen“ fluchte Jo leise vor sich hin aber anscheinen laut genug, dass Ricarda es ebenfalls mitbekommen hatte. Sie setzte sich hin und zog Johanna mit auf die Couch.
„Jo, ich finde dich echt niedlich, also was ich damit meine du bist nett, intelligent, humorvoll und es ist echt total schön mit dir was zu machen und das mein ich echt ernst, obwohl wir uns gerade mal wenige Tage kennen. Tja was mich halt wundert, wieso hast du den wieder angefangen zu rauchen. Du brauchst es doch gar nicht und wenn du schon einmal aufgehört hast und es dir besser geht ohne dem Rauchen, dass hast du mir ja am Weg hierher erzählt, frage ich mich schon die ganze Zeit wieso du mit dem Dreck jetzt wieder anfängst?“
„Hm, ich weis es eigentlich nicht. Vielleicht ist es die Langeweile.“
„Langenweile? Also jetzt spinnst du ja vollkommen. Ich dachte vielleicht fühlst du dich bei uns unwohl oder es liegt an dem Unzugsstress aber nur weil es dir langweilig ist, also das ist für mich kein Argument. Das finde ich ehrlich gesagt jetzt mal richtig dumm von dir.“ Beschämt senkte Jo ihren Kopf und fixierte mit ihren Blicken den Boden.
Ach man bin ich dämlich. Wieso hab ich das bloß gerade gesagt. Sie hat recht ich bin dumm und anscheinend hält sie absolut nix vom Rauchen, na ja wer findet es den schon gut. Während Jo so da saß und sich in ihren Gedanken über ihre eigene Dummheit ärgerte, ging es in Rickys Kopf ähnlich ab. Nein ich hab doch wohl gerade nicht wirklich zu Jo gesagt, dass ich sie ’NIEDLICH’ finde. Nein das hab ich nicht gesagt. Doch hab ich! Oh Gott die hält mich ja wohl jetzt für total bescheuert, denn wie hört sich das bloß an NIEDLICH. Das würde ich ja wohl eher zu einem Hund oder einer Katze oder von mir aus zu einem Kuscheltier sagen aber doch nicht zu Jo. Aber Sie ist ja süß und das wiederum würde doch passen. WAS? Nein was denke ich mir doch gerade für einen Scheiß zusammen. Ich muss mich echt zusammenreißen. Die laute Musik bringt wohl all meine Gehirnzellen durcheinander.
„Oh hallo Ricarda, da bist du mal wieder in meinem Club und kommst nicht mal zu mir rüber und sagst kurz bescheid, dass du wieder unterwegs bist?!“ rief plötzlich eine männliche Stimme und unterbrach die Gedanken von den beiden Mädels. Es war ein etwa 25 jähriger Mann. Gut gekleidet mit gestylten Haaren und man konnte deutlich seinen Parfüm riechen.
Boa also ne halbe Falsche hätte er jetzt nicht unbedingt über sich sprühen müssen dachte sich Johanna und betrachtete weiter den stark parfümierten Mann.
„Hallo Enrigo.“ Mit diesen Worten stand Ricky auf, umarmten Enrigo und zur Begrüßung gaben sich die Beiden jeweils ein Küsschen.
“Natürlich hätte dir gleich bescheid gesagt, dass ich hier bin. Wir sind selber erst jetzt gekommen. Ach ja, Enrigo das ist Jo unsere neue Mitbewohnerin und Jo das ist Enrigo, der Besitzer von dem Club hier.“ Mit einem festen Händedruck begrüßte Jo den Besitzer des Clubs. Von dieser ’Küsschen- Begrüßung’ heilt Johanna nicht viel und sie wollte nicht unbedingt durch eine Umarmung mit Enrigo den restlichen Abend nach seinem sehr duftendem Parfüm riechen.
„Also Maus erzähl mal wie geht es dir so. Ich hoffe es ist alles OK bei dir?!“ fragte er anschließend Ricky mit einer etwas besorgten Stimme.
„Ja sicher ist alles in Ordnung. Mit meiner Vergangenheit hab ich schon lange Schluss gemacht. Du weist ja, dass alles wäre nie passiert, wenn ich nicht mit Lukas damals zusammen wäre. Aber jetzt führe ich ein ganz anderes Leben.“
Enrigo lächelte.
„Ach Kleine das freut mich echt. Wie sieht es den bei dir gerade mit deiner beruflichen Zukunft aus? Schon was gefunden?“
„Klar ab September fang ich meine Ausbildung zur Krankenschwester an im St. Elisabeth Mayen Krankenhaus.“ antwortete Ricky stolz.
„Mich freut es echt sehr, dass du mal wieder hier bist und ich hoffe doch, dass wir heute noch eine Gelegenheit haben werden, um ein bisschen zu reden. Aber jetzt muss ich wieder zurück an die Bar. Wünsche euch Beiden noch einen schönen Abend.“ Mit diesen Worten verschwant Enrigo um die Ecke und kam wieder wenige Minuten später mit zwei Cocktails.
„Geht aufs Haus“ sagte er, zwinkerte Jo und Ricky zu und verabschiedete sich erneut.
„Jo, ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so betrübt. Also wenn ich dich jetzt mit meiner etwas direkten Aussagen vorhin verletzt haben sollte, tut es mir Leid aber ich finde du hast es echt nicht nötig und wenn du dich langweilen solltest, sag mir ruhig bescheid. Das lässt sich sehr schnell ändern.“
„Du hast schon Recht. Es ist dumm von mir. Vor allem weil ich dazu nicht mal einen Grund habe.“ Mit einem tiefen Seufzer lehnte sich Johanna zurück und versank in der schwarzen und weichen Couch.
„Ich reagier nicht ohne Grund so extrem darauf.“ Sagte plötzlich Ricky
„Ich erzähl es zwar nicht gerne aber dir vertraue ich bereits so sehr, dass ich der Meinung bin du sollst es auch erfahren.“ Nach einer kurzen Unterbrechung fuhr sie fort.
„Bevor ich hierher nach Koblenz umgezogen bin, führte ich ein ganz anderes Leben. Zu der Zeit rauchte ich und es waren nicht nur Zigaretten, Trinken bis zum Punkt, in dem ich nichts mehr wusste, gehörte auch dazu und auch noch andere Dinge auf die ich überhaupt nicht Stolz bin. Na ja an einem Abend war es halt wieder so, dass ich ziemlich weggetreten war und eigentlich sollte mein damaliger Freund Lukas mich nach Hause bringen, der allerdings selber nicht mehr in der Lage war klar zu denken. Mir ist es nicht aufgefallen, wie den auch, ich war zu betrunken und nicht nur das. Auf jeden Fall hatte Lukas und sein bester Freund wohl die sehr intelligente Idee auf der so gut wie gar nicht befahrener Straße ein Rennen zu veranstalten. Aus irgendeinem Grund bremste jedoch der Kumpel von Lukas genau dann, als er uns überholt hatte und blieb quer auf der Straße stehen. Der Rest wurde mir erst im Krankenhaus erzählt, als ich zu mir kam. Der Freund starb sofort, weil er von Lukas Auto, welches genau in die Fahrerseite mit einer sehr hohen Geschwindigkeit rein fuhr, regelrecht zerquetscht wurde. Lukas lag im Koma als ich ihn das letzte Mal sah. Wie es ihm heute geht weis ich nicht. Tja und ich wurde mit einer Alkoholvergiftung, Armbruch und zahlreichen Prellungen ins Krankenhaus eingeliefert. Man könnte sagen ich habe Glück gehabt aber weist du, wenn ich doch bloß nichts getrunken und auch nicht dieses Zeug mit den Anderen geraucht hätte, wäre vielleicht alles ganz anders verlaufen. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass alles anders gelaufen wäre. Sandra, Nadine, Enrigo und Tom haben mir geholfen und ohne die vier hätte ich es nicht geschafft meine Vergangenheit hinter mir zu lassen.“ Es wurde Still. Ricky schaute auf eine Kerze, die Enrigo mit den Drinks mitgebracht und anzündete hatte. Jo´s Blick richtete sich ebenfalls auf die kleine Teelichtflamme.
„Ich kann dich echt gut verstehen.“ Sagte sie aber so leise, dass sie den Satz fast flüsterte.
„Vor 2 Jahre starb ein Mitschüler von mir in so einem Club. Ich kannte ihn eigentlich so gut wie gar nicht. Er hatte seine eigene Clique und ich meine. Ich weis es auch nicht wirklich wie es dazu kam aber anscheinend haben seine Freunde nicht gemerkt, dass er zu viel Zeug zu sich genommen hatte, vielleicht wussten sie es doch, das weis ich nicht. Jedenfalls ist er genau vor meinen Augen zusammengebrochen. Ich persönlich denke jeder hat es gemerkt, schon allein daran, dass er, wie man sehr gut sehen konnte einen Schweißausbruch hatte und sich bestimmt nicht ganz normal oder gesund verhielt. Während ich noch versuchte ihm zu helfen mit dem was ich noch aus unserem ‚erste Hilfe’ Kurs in der Schule im Kopf behalten hatte, rief keiner einen Krankenwagen oder die Polizei. Alle starrten nur den Jungen dumm an, der gerade dabei war an einer Überdosis zu sterben. So kam es auch dazu, dass der Krankenwagen viel zu spät ankam und ihm keiner mehr helfen konnte. Ich habe mir oftmals die Schuld gegeben. Hätte ich doch bloß sofort den Notruf gewählt, dann hätte er es ja vielleicht noch überlebt. Aus dem Grund bin ich auch seit dem kein einziges Mal in solche Clubs oder Discos gegangen, wahrscheinlich aus Angst.“ Jo beobachtete wieder die leuchtende kleine Flamme der Kerze. Keine der Beiden traute sich noch was zu sagen bis endlich Ricky die Stille unterbrach.
„Tja dann haben wir wohl was gemeinsam, einen dunklen Fleck in unserer Vergangenheit.“
„Ja da gebe ich dir Recht.“ Antwortete Jo ohne ihren Blick von der brennenden Kerze abzuwenden. In Johannas Gedanken kehrten in dem Moment so einige Ereignisse, die sie geglaubt hatte verdrängt zu haben zurück. Es waren Erinnerungen, schlechte Erinnerungen. Ricky hatte in einem Punkt Recht. Ja sie hatten was gemeinsam, doch Jo´s Vergangenheit hatte um einiges mehr dunkle Abschnitte.
„Was hältst du davon, wenn wir jetzt unsere Drinks zu Ende trinken und dann wieder von hier verschwinden. Gehen wir doch irgendwohin, wo es ein bisschen ruhiger ist?“ fragte Johanna
„Ja die Idee find ich super. Ist mir so oder so etwas zu stickig hier drin von dem ganzen Raucherqualm“ Jo nickte und machte einen schluck von ihren Cocktail.
„Was ist den das. Diese Musik kommt mir doch so bekannt vor? Ich habe doch zu 100 Prozent diesen Sound schon mal irgendwo gehört!“ murmelte Jo plötzlich und richtete sich auf. Ricky schaute sie bloß fragend an und nippte weiter an ihrem bläulichen alkoholischen Getränk.
„Ricky warte bitte ein Moment ich komme gleich wieder.“ Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen stürzte sich Johanna durch die ganzen Tanzenden Leute zu dem DJ Pult.
„Wow, das glaub ich ja gar nicht. TJ was machst du den hier?“ rief Johanna als sie endlich beim DJ Platz ankam. Ein Junger Mann wendete sofort seinen Blick in Jo´s Richtung. Etwas erstaunt schaute er sie an.
„Jo? Du hier? Na das ist ja echt mal eine tolle Überraschung.“ Sofort Umarmte er Jo und gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Es gab doch einige Ausnahmen bei denen Johanna diese ’Küsschen-Begrüßung’ zuließ und TJ war so eine Ausnahme.
„Also ich bin echt grade Sprachlos wie kommst du den bitte hierher?“ fragte er sie anschließend.
„Ich wohne jetzt hier.“
„Ach hast du etwas deine Familie gefunden?“
„Nein ich werde hier im September meine Ausbildung zur Polizeivollzugsbeamtin im mittleren Dienst anfangen“
„Toll hast es also doch geschafft aus dem Drecksloch raus zu kommen. Das freut mich echt. Ich wusste schon immer, dass du da nicht hingehörst. Bist einfach viel zu schlau um in so einer Gegend zu leben. Wie geht’s eigentlich Marcel und Georg. Sind die schon im Knast?“ Jo lächelte.
„Nein so weit ich weis hat Georg jetzt noch eine Chance bei seinem Onkel bekommen in der Firma zu arbeiten. Erstmal als Kurier oder so. Marcel hat eine Stelle als Mechatroniker bekommen und Sanny hat sich eine Stelle als Hotelfachfrau ausgesucht.“
„Klingt nicht schlecht. Scheint ja so als wären die endlich zur Vernunft gekommen.“
„Kann schon sein aber für wie lange das wohl anhalten wird? Sag mal wieso hast du dich den kein einziges Mal bei mir gemeldet? Das ist echt nicht schön von dir. Kaum bist du weg und schon hört man absolut nichts von dir.“ mit großer Mühe versuchte Jo so böse und ernst wie möglich zu wirken, doch die Freude TJ endlich wieder zu treffen war um einiges großer als alles Andere.
„Es tut mir leid. Ehrlich. Ich hätte mich ja nur zu gern bei dir gemeldet aber ich habe mein Handy vor paar Monaten aus versehen geschrotet. Nicht mal die Simkarte konnte man noch retten und du weist ja ich kann mir die Nummern nie merken. Ich war auch vor 2 Wochen in Berlin im „Night Sky“, doch leider hab ich Niemanden von euch da gesehen und um im Heim vorbeizuschauen, hatte ich leider keine Zeit mehr.“
„Oh, weist du was, dann gebe ich dir jetzt meine Nummer und die von Sanny. Sie hat die ganzen anderen Nummern bestimmt“ In dem Moment als Jo ihr Handy aus der Hosentasche rausholen wollte, tauchte plötzlich Ricky auf, die etwas verärgert aussah.
„Ach da steckst du also. Menno wieso bist du den einfach so von mir weggelaufen. Hättest mich doch auch mitnehmen können. Stehst da und flirtest mit dem DJ und ich sitz allein in der dunklen Ecke.“ schmollte Ricarda und machte einen beleidigten Gesichtszug.
„Tut mir echt leid. Ich war mir bloß nicht sicher ob ich nun richtig lag oder nicht. Was, ich und flirten? Nein das ist bloß ein guter Kumpel von mir, den ich schon länger nicht mehr gesehen habe. TJ das ist Ricky. Ricky das ist TJ.“ Mit einem charmanten Lächeln begrüßte TJ Ricky. Seine Blicke blieben förmlich an Rickys Körper hängen.
„So so, das ist wohl dann deine…“ an der Stelle unterbrach Jo unerwartet TJ´s Satz.
„Genau das ist meine Mitbewohnerin von der ich dir ja gerade erzählt habe!“ mit einem sehr ernsten Blick schaute Jo TJ an, der sofort verstand was los war.
„Ähm genau deine Mitbewohnerin. Du weist ja wie vergesslich ich bin.“
„Ist alles in Ordnung mit euch Beiden?“ fragte Ricky, die diese ganze Situation mehr als komisch fand.
„Ja sicher alles ist super.“ entgegnete ihr Johanna und atmete tief durch.
Beinahe hätte mir TJ alles ruiniert. Echt, das war knapp. Sehr Knapp, dachte sie sich und wendete wieder ihren Blick zu Ricky, die sehr interessier TJ betrachtete.
Ob ihr TJ gefällt? So wie sie ihn anguckt könnte es so sein. Nein so ein Quatsch oder etwa doch nicht? Wieso stört es mich den überhaupt so sehr? Ist doch ihr Rech TJ interessant zu finden. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen und er ist ein toller Typ… Länger konnte Jo die Beiden so einfach nicht mehr anschauen. Sie musste irgendwas machen oder sagen.
„TJ was machst du den eigentlich hier? Und überhaupt was machst du so?“ fragte sie schließlich um TJ´s Blick von Ricky abzuwenden.
„Na ja nachdem ich meine Ausbildung zum Bankkaufmann beendet hatte und nirgends eine Stelle bekam, beschäftigte ich mich wieder mehr mit der Musik. Das war ja schließlich schon immer mein Hobby. Hab einige Leute kennen gelernt. Ziemlich große Tiere in der Musikbranche. Die haben mir so einige male geholfen und mir auch Plätze auf diversen musikalischen Veranstaltungen verschafft. Darunter auch zum Beispiel der CSD in Hannover letztes Jahr. War sehr lustig dort. Hätte dir bestimmt gefallen.“ Plötzlich verstummte TJ, da er nun den sehr verärgerten Gesichtszug von Jo sah. So ein Mist. Jetzt labert er wieder, überlegte sich Johanna erneut und war sich nun sehr sicher, dass sie so schnell wie möglich wieder zu ihrem chilligen Platz zurückgehen sollte mit Ricarda.
„Wow. Klingt echt interessant. TJ, ich würde nur zu gern mit dir noch ein bisschen reden aber du musst ja weiter machen und wir wollten bald gehen. Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder?“
„Ja ist OK. Klar ich werde mich auf jeden Fall bei Sanny und dir demnächst mal melden. Ich wünsche euch noch viel Spaß. Eventuell komm ich noch zu euch später, wenn ich Zeit haben sollte.“
„Ist OK. Ich gebe dir noch schnell die Nummern“ nachdem TJ endlich die letzte Ziffer in sein Handy eingegeben hatte und das ganze abspeicherte, zog Jo Ricky rasch hinter sich her zurück zu der chilligen Ecke.
„Jo? Warte einen Moment bitte.“ Johanna blieb stehen.
„Als du weg warst, sind ein paar Freunde von mir gekommen und die warten bei unserem Platz. Ich wollte dich fragen ob wir jetzt doch vielleicht etwas länger hier bleiben könnten? Ich hab sie schon seit paar Wochen nicht mehr gesehen und wollte halt mit ihnen ein bisschen reden. Macht es dir was aus?“
„Mir? Nein das ist schon OK. Ich hab so oder so nichts mehr vor, also können wir auch hier bleiben.“
„Toll, dann stell ich dir gleich alle vor“ Mit einem lächeln kehrten die Beiden zurück zu ihrem Platz, wo schon Ricky´s Freunde auf sie warteten.
„So da bin ich wieder und das ist Jo unsere neue Mitbewohnerin von der ich euch vorhin erzählt habe.“
Die Anderen begrüßten Johanna und stellten sich nacheinander vor. Ganz links auf der Couch saß Linda. In der Mitte der Mike und links Tobias aber Alle nannten ihn einfach Tobi. Der Abend wurde doch sehr interessant. Ricky erzählte so einiges von sich, was Jo bis zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste. Linda, Mike und Tobi erzählten von der Schulzeit, die sie nun alle hinter sich hatten. Johanna redete am wenigsten aber sie hörte gerne zu, vor allem Ricky. Nach einiger Zeit kam Enrigo wieder vorbei, doch er blieb nicht lange, da man ihn an der Bar brauchte. Zum Schluss tauchte TJ auf, der sich verabschieden wollte, weil er keine Zeit mehr an diesem Abend haben würde.
„Ich wünsch Euch allen noch einen schönen Abend. Ich melde mich dann bei dir Jo“ zum Abschied stand Johanna auf und umarmte TJ. Ganz unerwartet löste sich TJ von Jo, blickte ihr tief in die Augen und bevor Johanna es realisieren konnte, spürte sie bereits TJ´s Lippen auf ihren. Alles ging schnell. Zu schnell. Als sie begriff, dass TJ sie gerade geküsst hatte, war dieser schon längst in der tanzenden Menge verschwunden.
Wieso hat er das gerade gemacht? Was hatte das zu bedeuten? Diese und noch so einige andere Fragen schwirrten in Johannas Kopf, als sie sich wieder in die weiche schwarze Couch fallen lies. Plötzlich klingelte Jo´s Handy. Es war eine Nachricht von TJ.
„Sorry, wenn ich dir jetzt den ganzen Abend kaputt gemacht haben sollte, aber ich konnte dir einfach nicht widerstehen. Die alten Zeiten vergisst man halt nicht so einfach. Viel Glück mit Ricky :-)“
„Na das ist ja mal ein Abgang. Es scheint ja so als würdet ihr euch ja sehr gut kennen?“, fragte Ricarda und grinste Jo dabei wieder mal total süße an.
„Ähm, ja ich kenn ihn wirklich sehr gut. Er ist mein Ex.“, antwortet Jo und las noch ein Mal die Nachricht von TJ.
„Wow, das hätte ich nun echt nie gedacht. Du und dieser Typ.“ Ricky schüttelte leicht mit dem Kopf.
„Und was hast du dir dann so gedacht?“ erkundigte sich Jo grinsend. Sofort wurde es Ricarda heiß, denn was sollte sie Jo antworten? So was wie ’Ich dachte du stehst vielleicht auf Frauen und hast dich ganz zufällig in mich verliebt?’.
„Ach ich weis nicht so recht. Ich habe gedacht, dass du vielleicht einen anderen Geschmack hast“ gab Ricky schließlich zur Antwort. Jo lächelte erneut, sagte aber nichts mehr dazu. Auch den restlichen Abend sprach sie eher wenig. Erst als sie endlich den Club verlassen hatten, entwickelte sich wieder eine Unterhaltung.
„Jo warte doch mal. Wieso bist du den schon ohne mich losgerannt. Ich habe mich doch nur noch kurz von den Anderen verabschiedet.“ rief Ricarda und versuchte Johanna einzuholen, die schon vorgegangen war.
„Gar nicht Wahr! Ich bin nicht losgerannt, sondern habe mich schon ganz langsam auf den nach Hause Weg gemacht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du dich eine Ewigkeit verabschiedest.“ erwiderte Jo etwas verärgert.
„Tut mit Leid. Aber damit du mir nicht erneut davongehst ist es wohl besser, wenn ich dich nun festhalte.“ Mit diesen Worten hakte sich Ricky sofort bei Jo ein. Dabei ignorierte sie die erstaunte Miene von Jo, die gar nicht mit so was gerechnet hatte. Nach einer kurzen Schweigepause unterbrach Johanna wieder die Stille.
„Sag mal. Kann es sein, dass dir TJ vielleicht gefallen hat?“ Ricky blieb kurz stehen.
„Wie kommst du den auf diese Idee?“ lachte sie.
„Na ja, so wie du TJ angeschaut hast kam es mir halt vor, dass du ihn interessant findest oder irre ich mich da etwa?“
„Er hat ein gewisses Etwas, was nicht jeder Mann besitzt. Ich kann mir schon denken wieso du dich mal in ihn verliebt hast. Aber ich finde ihn nur nett nicht mehr“
„Ach so. ich dachte nur, wenn du ihn doch kennen lernen wollen würdest, könnte ich dir seine Nummer geben oder so. Wäre kein Problem.“ Nun blieb Ricarda erneut stehen.
„Sag mal Jo, ist das etwa ein Versuch mich mit irgendeinem Typen zu verkuppeln? Ich glaube dir schon, dass TJ ein echt netter Mann ist aber ich steh nicht auf Musiker und schon gar nicht auf welche, die mit einem bunt gefärbten Iro durch die Gegend laufen.“ lachte Ricky und fuhr fort.
„So nötig habe ich das nun auch wieder nicht und außerdem habe ich da schon jemanden gefunden, den ich sehr interessant finde.“ erwiderte Ricarda schwärmerisch.
„Ist OK. Ich habe ja nur gedacht…“ Für einen kurzen Augenblick verstummte Jo und schaute etwas ungläubig zu Ricky
„Was? du hast da schon jemanden? WIE, WANN, WO? Und wieso weis ich noch nichts davon?“
„Nicht so stürmisch bitte! Es ist ja noch nichts Konkretes. Ich kenne halt eine Person, die mir sehr gefällt, mehr kann ich da auch noch nicht sagen, wenn es aber doch etwas Neues geben sollte, werde ich es dir auf jeden Fall berichten.“ äußerte sich Ricky ganz gelassen, was ihr aber überhaupt nicht leicht fiel.
Ach Jo, wenn du nur wüsstest, dass du damit gemeint bist. Tja doch manche Träume bleiben eben nur Illusionen, dachte sich Ricarda und schaute kurz zu Johanna, die mit einem gesenkten Kopf auf dem Weg kleine Steinchen wegkickte.
Tja jetzt ist es wohl aus und vorbei mit meinen Hoffnungen mit dieser Überlegung schoss Jo wieder ein Steinchen von der Straße weg.
„Jo? Wie lange warst du eigentlich mit TJ zusammen und hat er auch einen richtigen Namen?“ Nach kurzem Überlegen, hob Johanna ihren Kopf
„Ich war mit ihm etwa ein halbes Jahr zusammen, bis wir, beziehungsweise bis ich gemerkt habe, dass unser Geschmack einfach zu unterschiedlich ist. Er heißt Timo Jann. So ist auch sein Spitzname entstanden, aus den Anfangsbuchstaben seines Namens.“
„So so. Wie lange ist den das schon her?“ wieder überlegte Jo einen kurzen Moment.
„Ich kenne ihn eigentlich schon seit ich klein bin aber zusammen sind wir erst gekommen als ich 15 und er 17 war“
Ganz in ihrem Gespräch vertieft, merkten die Beiden erst, als sie direkt vor ihrer WG standen, dass sie schon so gut wie zu Hause waren.
„Das ging jetzt aber irgendwie schnell“ staunte Ricky.
„Finde ich auch. Hmm es brennt kein Licht. Ich denke mal, dass Sandra und Nadine schon lange schlafen?!“ Ricarda lachte
„Bestimmt nicht oder zumindest nicht hier. Die sind oft unter der Woche bei Sandras Eltern. Sie haben ein großes Haus und es ist auch viel Näher zu ihrer Arbeit.“
„So so“ etwas überrascht von dieser Nachricht, betrat Jo das Haus.
„Also ich hab irgendwie Hunger, was ist mit dir?“ fragte sie anschließend.
„Stimmt ich könnte jetzt auch was essen.“
Mit diesen Worten begaben sich Jo und Ricky in die Küche. Schnell war ein kleiner Snack aus einigen belegten Broten und zwei Tassen Kakao zubereitet und Ricky schlug vor, dass sie in ihr Zimmer gehen könnte und nebenbei noch ein bisschen fernsehen, da nun Beide hellwach waren und gar nicht mehr daran dachten, schlafen zu gehen. Ricarda nahm die Tassen, während Jo zwei Teller mit dem kleinen Mitternachtssnack in Ricky´s Zimmer beförderte. Sie war schon ein paar Mal in Ricardas Zimmer aber es war nie länger als wenige Sekunden. Irgendwie gab es bis zu dem Zeitpunkt noch keinen Grund um im Zimmer länger zu bleiben. Ricky setzte sich sofort auf ihr Bett, Jo stellte die Teller auf den Schreibtisch und sah sich nun zum ersten Mal so richtig in Rickys Zimmer um. Sofort, wenn man das Zimmer betrat, fiel der orange puzzleteilförmige Teppich auf. Er war zwar nicht so groß aber durch diese ungewöhnliche Form sah man den sofort. Gegenüber der Tür befand sich ein großes Fenster, genau wie in Johannas Zimmer. Rechts an der Wand stand das Bett, unter welchem sich zwei große ausziehbare Schubfächer befanden.
Danach folgte der Schrank. Das besondere an diesem Möbelstück war, dass die Schranktüren an der Innenseite nicht gerade waren wie man es gewohnt ist, sondern wellenförmig. Auf der linken Tür war ein großer Spiegel, mit ebenfalls gewellten Seiten. Vor dem Fenster stand ihr Schreibtisch auf dem ein kleines Chaos herrschte. Es lagen überall irgendwelche Unterlagen und auf der Schreibtischlampe klebten viele kleine Notizzettelchen mit Terminen und anderen Vermerken. Gleich rechts neben dem Fenster war ein Pinboard an der Wand befestigt, welches ebenfalls mit diesen gelben Zetteln voll ´geschmückt` war. Gegenüber dem Bett und Schrank, stand eine Anrichte mit sehr vielen kleinen Schubladen und Türen. Darauf befand sich ein kleiner Fernsehern, den Ricarda bereits eingeschaltet hatte und nun durch die ganzen TV Kanäle zappte. Zum Schluss kam noch ein Regal. Eine große grüne Pflanze stand da. Johanna erinnerte dieses Grünzeug irgendwie an einen Efeu.
„Jo, nur so aber du musst da nicht die ganze Zeit rum stehen. Ich habe auch einen Stuhl und ein Bett wo man sich hinsetzen kann“ feixte Ricky. Jo setzte sich sofort auf den Stuhl, der neben dem Schreibtisch stand. Aufs Bett wollte sich Jo nicht setzten, da sie befürchtete sie könnte entweder den Kaba verschütten, oder ihr Toast würde vielleicht vor lauter Denkerei auf Ricardas Bett fallen und somit die schöne hellblaue mit chinesischen Zeichen verzierte Bettwäsche schmutzig machen.
„Wieso wohnt eigentlich Sandra hier. Es klang vorhin so, als würde sie hier eher selten übernachten?“ erkundigte sich Jo und kaute weiter auf ihrem bereits 2. Toast rum.
„Nein, das hast du falsch verstanden. Es stimmt zwar, dass sie oftmals bei ihren Eltern oder anderen Freundinnen übernachtet aber am Anfang lebte sie hier ganz allein, bis sie Nadine kennen gelernte und sie dann zu ihr zog. anschließend kam ich auch noch dazu aber das war nie geplant, das weist du ja. Ich denke, dass sie die Anzeige in der Zeitung und im Internet aufgegeben habe nur, weil sie der Meinung waren, dass ich hier oft so allein bin, wenn sie weg sind und ich mir hier sehr einsam vorkomme, was auch irgendwie stimmt.“ Sie machte einen Schluck von ihrem noch lauwarmen Kakao und sprach weiter.
„Weist du Jo, ich bin echt verdammt froh, dass sie es gemacht haben, denn sonst hätte ich dich wahrscheinlich nie kennen gelernt oder erst viel später. Das wäre echt schade, denn ich mag dich.“ Sie blickte zu Jo auf, die gerade ihr letztes Stück Toast in dem Mund schob.
„Ich mag dich auch und ohne dich wäre ich hier bestimmt vor Langeweile gestorben“ grinste Johanna nachdem sie alles runtergeschluckt hatte. Sie schielte kurz auf ihre Armbanduhr, die ihr inzwischen schon fast halb Vier Uhr anzeigte.
„Ui, es ist ja schon Morgen und wir sitzen hier immer noch rum. Ich denke jetzt wird’s aber langsam Zeit, dass ich ins Bett geh.“ Jo griff nach ihrer Tasse.
„Ja stimmt. Ich werde auch schon langsam müde und im Fernseher läuft auch nichts tolles, nur nackte Frauen und Männer in den blöden Sexwerbungen.“ meinte Ricarda etwas verärgert und gähnte.
Jo musste lächeln und war froh, dass sie bis jetzt noch keinen Schluck von ihrem Kaba gemacht hatte, denn sonst wäre ihr bestimmt wieder alles hochgekommen
„Heiße Frauen warten auf dich und machen es live am Telefon. Wähle dreimal die sechs und verlange nach Gina“ stöhnte plötzlich Ricarda spielerisch indem sie eine der Werbungen nachmachte.
Sofort wurde es Johanna total heiß und ein leichtes Kribbeln verbreitete sich in ihrem Bauch, welches zielstrebig abwärts wanderte. Rickys Stöhnen machte Jo beinahe wahnsinnig auch, wenn dies nur gespielt war. Um wenigstens die aufsteigende röte in ihrem Gesicht zu überspielen prustete Johanna los, musste jedoch mit dem bösen Kribbeln ankämpfen, um es zu verdrängen. Ricarda lächelte ebenfalls.
„Und was denkst du hätte ich eine Chance mir Kohle mit Telefonsex zu verdienen. Ich kann’s auch noch besser vorspielen.“ meinte sie und grinste dabei über das ganze Gesicht.
„Och das glaube ich dir bestimmt, dass du es noch besser kannst, da brauche ich keine weitere Vorführung deines Könnens aber Telefonsex? Mit notgeilen ekligen Typen? Ihhhh!“ erwiderte Jo.
Nun, wenn nur du anrufen würdest Jo, würde ich dies sehr gern tun, dachte sich Ricarda
„Stimmt keine Gute Idee.“ sprach sie jedoch laut aus und fragte sich gleichzeitig was der Gedanke von vorhin eigentlich sein sollte. Nur wenn Jo anrufen würde? Spinnte sie nun vollkommen? Als Ausrede machte sie kurzerhand die Werbungen verantwortlich und wollte nun so schnell es ging das Thema wechseln.
„Aber weis du was? Du hast doch gestern dein Zimmer gestrichen und nicht das du mir noch an der Wandfarbe dich vergiftest, da wollte ich dich fragen, ob du hier bei mir schlafen willst?“ Im gleichen Augenblick wünschte sich Ricky bereits, sie hätte es nie laut ausgesprochen. Themawechsel? Na dies war ihr gerade absolut nicht gelungen. Trotzdem wartete sie erwartungsvoll auf Jo´s Antwort, doch Diese war so überrascht über solch einen unerwarteten Vorschlag von Ricky, dass sie sich an ihren Kakao jetzt doch noch verschluckt hatte, da sie gerade sich entschloss einen Schluck zu trinken in der Hoffnung Ricarda würde nichts lustiges oder verführerisches mehr sagen aber das übertraf alles. Johanna hustete mehrere Male bis sie endlich zum Sprechen kam.
„Nein, nein. Es wird schon passen. Ich habe das Fenster für den ganzen Tag offen gelassen und es bleibt nachtsüber auch offen.“ Wieder hustete Jo
„Du musst dir keine Sorgen um mich machen. So leicht vergifte ich mich schon nicht“ antwortet Jo mit einem schwachen Lächeln. Nun hatte sie es sehr eilig aus Ricky´s Zimmer zu fliehen, bevor noch mehr von solchen Vorschlägen oder Überredungsversuchen kommen würden. Sie wünschte ihr noch eine gute Nacht und war auch schon in ihrem eigenen Zimmer. Etwas erleichtert schloss Johanna die Tür und lehnte sich einen kurzen Moment an Diese an.
Das war knapp. Verdammt knapp. Ich und in ihrem Bett? Mit ihr die ganze Nacht? Und bestimmt schläft sie nicht in ihrer Jeans und dem Top, nicht bei so einer warmen Nacht. Nein lieber würde ich mich X mal an einer Wandfarbe vergiften, falls es überhaupt möglich ist, als mit der süßen Ricky eine ganze Nacht in einem Bett gemeinsam zu verbringen. Ich würde da bestimmt mich nicht mehr unter Kontrolle halten können. Wenn ich allein schon bei dem gespielten Gestöhne und ihrer erotischen Stimme erregt werde und zu fantasieren anfange. Oh Gott, was da so alles passieren könnte. Daran will ich überhaupt gar nicht denken, überlegte sich Jo, während sie ganz vorsichtig den letzten Schluck Kaba trank und sogleich dabei schniefte.
„Mist ich glaube ich habe Kakao in der Nase“ stellte sie sofort fest.
***
Dienstag.
„Ach Gott wieso müssen diese blöden Vögel so laut singen. Das ist ja nicht zum aushalten. Wie soll man den bei so einem Lärm schlafen können. Ich werde nie wieder mein Fenster offen lassen. Die sollen doch endlich mal ihren Schnabel halten!“ murmelte Jo vor sich hin und zog sich die Decke über den Kopf, doch der Gesang war dennoch zu hören, der Johanna geweckt hatte. Nach wenigen Minuten deckte Jo sich doch wieder auf, weil es ja sowieso nichts brachte.
Komisch in Berlin habe ich die Viecher nie so laut tswitschern gehört, überlegte sich Jo erneut. Sie lauschte etwas genauer hin.
„Hmm das ist ja gar kein Vogelgesang. Hört sich doch mehr nach einem Radio an.“ fügte sie hinzu. Johanna seufzte und schaute kurz zu ihrem Schreibtisch rüber, wo ihre Armbanduhr lag. Jo streckte ihren Arm aus und versuchte die Uhr zu erwischen, doch leider war sie viel zu weit von ihr entfernt. Johanna rutschte etwas weiter ans Bettende und versuchte es erneut. Es klappte wieder nicht, da sie aber viel zu müde und faul war jetzt aufzustehen, versuchte sie es erneut. Wieder ist der Versuch fehlgeschlagen, stattdessen landete Jo unsanft auf dem kühlen Parkettfußbaden, da sie eindeutig zu weit an das Ende vom Bett gerutscht war. Nun war Jo definitiv wach, stand auf und schlenderte langsam ins Bad duschen. Dabei dachte sie an die vergangene Nacht und an ihren Traum in dem Ricarda nackt in ihrem Bett lag und lustvoll stöhnte. Johanna schüttelte ihren Kopf unter Wasser um diese Bilder wieder aus ihren Gedanken zu vertreiben, die erneut dieses leichte Kribbeln verursachten. Nach dem Duschen kehrte sie wieder zurück in ihr Zimmer frische Sache raussuchen, anziehen und erneut ins Badezimmer wandern um ihre Haare ein bisschen aufzustylen aber auch das gelang ihr an diesem Morgen nicht wirklich.
„Mist die sind einfach viel zu lang um sie irgendwie einigermaßen gut hinzubekommen.“ fluchte Jo, schaute kurz in den Spiegel und wusch die Haare erneut.
„Na dieser Tag fängt ja schon mal super an“ jammerte sie.
„Aber ich muss trotzdem unbedingt zum Friseur und zwar heute noch“ Mit diesen Worten ging Johanna runter in die Küche. Die Tür war offen und sie blieb dort stehen und schaute Ricky zu, die ganz vertieft mitsang, zumindest an den Stellen wo sie den Text von dem Song kannte. Dabei hielt Ricarda in ihrer Hand einen Kochlöffel den sie als ihr Mikrofon verwendete. Jo konnte sich einfach ein lächeln nicht verkneifen, den es war sehr lustig Ricky dabei zu beobachten, wie sie durch die ganze Küche hüpfte und sehr leidenschaftlich mitsang, bis sie Johanna in der Tür bemerkte. Sofort blieb sie stehen legte den Löffel wieder auf den Tisch und schaute etwas verlegen zu Johanna rüber.
„Oh du bist ja schon wach. Habe ich dich etwa mit meinem Geschrei aufgeweckt?“ fragte sie.
„Nein es waren die Vögel“ erwiderte Johanna gelassen und reagierte nicht auf den verwirrten Blick von Ricky.
„Aha. So laut sind die doch gar nicht. Na ja egal daran wirst du dich schon gewöhnen. Hast du Hunger?Iich habe schon hier ein bisschen gekocht. Spiegelei. Magst du?“ Jo warf einen kurzen Blick auf den Herd.
„Was ist den noch alles drin? Weil ich sehe da keine Eier mehr, nur viel Grünzeug und so?!“
„Ach da ist nur ein bisschen Gemüse drin, Champignons und Gewürze. Schmeckt aber echt toll. Haben zumindest alle Personen bis jetzt gesagt, die diese Kreation probiert haben.“ sagte Ricarda ganz stolz.
„Leben die Leute auch alle noch?“ feixte Jo.
„Wenn dir es nicht gefällt, esse ich es eben. Da mach ich mir mal die Mühe und will dich so zusagen überraschen und du stellst meine Kochkünste in Frage?“
„Nein auf keinen Fall. Klar will ich deine ‚Kreation’ probieren.“ entgegnete Jo Ricky schnell.
Das ungewöhnliche Frühstück war tatsächlich sehr gut, wovon Johanna am Anfang nicht sehr überzeugt war. Anschließend machte sich Jo eine Tasse Kaffee, obwohl sie bereits total wach war.
„Ricky, kannst du mir vielleicht sagen, wo ich hier einen guten Friseur finde?“
„Wieso fragst du denn?“
„Na wieso wohl, weil ich mir natürlich die Haare schneiden lassen will. Die sind wieder zu lang.“
„Zu lang? Also bitte deine 10cm Am Kopf sind doch nicht zu lang.“ lachte Ricarda
„Doch sind die ich kann sie mir nicht mehr mit Gel gut aufstellen. Die knicken dann immer um und das bedeutet, dass sie eindeutig zu lang sind.“ entgegnete Jo ganz ernst.
„OK, OK. Du hast Recht. Ich könnte mir dich mit langen Haaren gar nicht vorstellen. Johanna Marks mit langen Haaren. Ne das würde nicht gut aussehen. So gefällst du mir auf jeden Fall sehr gut.“ gab Ricarda lachend zur Antwort und fuhr fort.
„Nicht weit von hier ist ein echt guter Friseur. Mit dem Kerl kann man echt gut reden und er ist immer voll gut drauf. Ich glaube sogar, dass er Schwul ist, bin mir da aber nicht sicher.“ kicherte Ricarda.
„Kannst du mir den Weg erklären oder willst du gleich mitkommen?“ fragte Johanna.
„Ich komme mit. Hab sowieso nichts zu tun.“ Gesagt, getan. Eine halbe Stunde später stand Jo und Ricarda bereits vor dem Frisiersalon.
„Oh wen sehe ich denn da? Ricarda Schätzchen was kann ich den für dich tun? Willst du deinen wunderschönen Locken vielleicht eine neue Farbe verleihen? Oder einen ausgeflippten Haarschnitt? Sag mir was du willst und du bekommst es!“
„Hallo Anton heute will ich eigentlich gar nichts. Es passt noch alles aber die junge Dame neben mir bräuchte ganz dringend einen Haarschnitt.“ erwiderte Ricky und schaute dabei auf Jo.
„OK. mache ich liebend gern.“ Anton deutete auf einen freien Platz, auf welchen Johanna sich sofort niederließ.
„Ricky, wenn du willst kannst du dir ja einen Kaffe oder Tee oder was anderes machen, wo alles steht weist du ja. So und nun zu dir. Wie heißt du den?“ fragte Anton und betrachtete währenddessen aufmerksam Jo´s Kopf.
„Jo“
„Na gut Jo was hättest du denn gern?“
„Auf jeden Fall müssen die Spitzen bisschen kürzer werden.“
„Gut. Was hältst du von blonden Spitzen und wenn wir dir die Seiten etwas extremer Stufen?“ Johanna blickte etwas skeptisch in den Spiegel.
„Vertrau mir. Es wird fantastisch aussehen. Du hast ein schmales Gesicht und auch keine Segelohren. Da wird es gut rüberkommen, wenn die Seiten komplett frei sind.“ Nun mischte sich auch Ricky in das Gespräch ein, die gerade mit einem Glas Ice Tea sich neben Jo hinsetzte.
„Ich bin mir auch sicher, dass es gut aussehen wird. Jo du kannst DIESEM Friseur definitiv vertrauen.“
„Gut, wenn du es sagst, glaub ich es.“ sagte Jo und beobachtete gespannt im Spiegel, wie Anton seine Arbeit begann.
„Anton stopp! Warte mal einen Augenblick.“ rief Ricky, rannte in den hinteren Bereich des Ladens, holte ein großes Tuch und befestigte es anschließend genau vor Jo über den ganzen Spiegel.
„Ähm was wird den das jetzt?“ fragte Johanna
„Du darfst es erst sehen, wenn Anton fertig ist.“
„Aja, wie du meinst. Da bin ich ja mal gespannt was da raus kommen wird.“
„Nur Gutes“ grinste Ricarda.
Nach einer halben Stunde hatte Jo schon ihren neuen Haarschnitt und nun färbte Anton ihre Spitzen mit zwei verschiedenen Blondtönen. Nebenbei unterhielt er sich mit Ricarda über alle möglichen Themen. Jo gefiel Anton irgendwie. Wie Ricky schon sagte, war er die ganze Zeit sehr gut drauf, lachte viel und erzählte Geschichten aus seinem Leben. Er war auch gut angezogen. Sein Style war irgendwie außergewöhnlich, nicht zu einfach oder zu übertrieben. Es passte einfach zu ihm. Auch das restliche Erscheinungsbild war nahe zu perfekt.
Hmm bestimmt himmeln ihn vieel Frauen an. So gut wie der aussieht kann er doch gar nicht Schwul sein und alt ist er auch nicht, hatte ja erst seinen 28sten Geburtstag gefeiert. Ob Ricky ihn auch toll findet? Fragte sich Jo.
„Sag mal Ricky Maus wie sieht es den so bei dir in der Liebe aus? Schon jemanden gefunden?“ fragte Anton und grinste dabei bis über beide Ohren. Ricarda wurde sofort purpurrot, schaute etwas unsicher umher, antwortete jedoch nicht.
„Aha ich sehe schon. Da habe ich wohl mit dieser Frage genau ins Schwarze getroffen!“ schmunzelte Anton.
„Wohl eher ins Rote“ murmelte Johanna vor sich hin. Bei dieser Bemerkung von Jo wurde Ricky noch roter und stammelte leise unverständliches Zeug vor sich hin.
„Na sei doch nicht so nervös. Ich werde es ja wohl kaum dem Glücklichen erzählen können. Weis er den schon von seinem Glück überhaupt?“
„Na ja ….nein … s“ gerade noch rechtzeitig brach Ricky ihren Satz ab und atmete tief ein
Ricky nur nicht aufregen. Sie weis ja nicht, dass ich sie meine, also kein Grund zur Panik, beruhigte sie sich selbst in Gedanken und fuhr fort
„Er weis es nicht und wird es wahrscheinlich auch nie erfahren“
„Wieso nicht?“ Anton blieb hartnäckig und wollte wie es aussah jedes einzelne Detail von Ricarda erfahren. Dabei schaute er immer wieder zu ihr rüber und bemerkte wie Ricky ab und zu, zu Johanna sehr unsicher und voller Verlegenheit schaute. Jo bekam davon nicht viel mit. Der Spiegel war abgedeckt und Anton drehte ihren Stuhl um 45° nach links so, dass sie Ricarda nun gar nicht mehr sehen konnte.
„Bist du dir da sicher? Es gibt immer wieder Wunder. Man muss nur daran glauben.“ erwiderte Anton gelassen.
„Nein Anton. Ich denke nicht, dass es bei mir ein Wunder geben könnte“ Jo hörte genau Ricky zu und frage sich währenddessen, wieso sie ihr das eigentlich noch nicht erzählt hatte, denn anschienend hatte Ricky Liebeskummer und es ging ihr wohl nicht besonders gut, wenn man dieses Thema ansprach.
„Ja ja, die Liebe ist eine komplizierte Sache. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Freund, den ich mit nach Hause brachte. Mein Vater hätte ihn fast mit einem Baseballschläger verprügelt als er uns beim Küssen erwischte.“ sagte Anton ganz ruhig.
„Wie du stehst auf Männer?“ Auch wenn sie es sie schon dachte, wundere es sie gewaltig, dass Anton so einfach davon sprach.
„Ach komm als würde es sich absolut keiner denken. Außerdem was ist schon dabei. schwul, lesbisch, bi oder hetero ist doch schnuppe, Hauptsache die Gefühle sind echt.“ gab Anton achselzuckend zur Antwort.
„So Jo jetzt musst du 15-20 Minuten warten“ fügte er hinzu. Ricarda wunderte sich sehr, wieso Anton ausgerechnet auf dieses Thema kam. Ahnte er etwa schon, dass sie sich sehr von Jo angezogen fühlte? Oder konnte man es ihr ansehen? Haben vielleicht ihre Blicke zu Johanna sie verraten? Fragen über Fragen spukten in Ricardas Kopf herum. Nach 20 Minuten und einem erneutem Haare waschen an diesem Tag, war Jo´s neue Frisur fertig. Fast.
„Warte mal. So werde ich dich auf keinen Fall hier rausschicken. Wenn du schon einen neune Look hast, dann muss es auch perfekt gestylt sein.“ sprach Anton und griff zu einigen verschiedenen Tuben und suchte eine raus.
„So das sieht nun schon um einiges besser aus. Perfekt!“ ganz stolz betrachtete der Friseur noch einmal Jo von jeder Seite und nickte zum Schluss zufrieden. Ricarda starrte ebenfalls einen Momentlang Johanna an. Nun fand sie die junge Frau vor sich noch hinreisender als sie es schon war. Zwar wollte sie es nach wie vor nicht wahrhaben aber die neue Mitbewohnerin verdrehte ihr so langsam aber sicher den Kopf. Woran lag es bloß? Es liefen doch auch so genug Frauen rum und Ricarda hatte auch bereits genug lesbische oder bisexuelle Frauen gesehen aber nie so eine Anziehungskraft wie bei Jo verspürt. Welcher Zauber war hier im Spiel?
„Ricky ich glaube du kannst jetzt das Tuch wegmachen.“ Ricky reagierte erst als Anton ihr mit den Fingern zuschnippte, nickte und zog vorsichtig das Tuch weg. Johanna starrte Fassungslos in den Spiegel.
„Bin ich das wirklich?“ murmelte sie leise vor sich hin.
„Wow, das sieht echt verdammt gut aus. Respekt. Ich bin begeistert.“
„Tja ich habe auch mein bestes gegeben.“ erwiderte Anton ganz cool. Nach mehreren Blicken in den Spiegel war sich Jo nun endgültig sicher, dass es genial aussah. Nie hätte sie gedacht, dass nur ein bisschen blonde Farbe in ihren Braunen Haaren und ein leicht veränderter Haarschnitt so einen Effekt auslösen könnten. Alle drei gingen zum Eingang, Jo zahlte und begab sich schon nach draußen, während Ricky von Anton aufgehalten wurde.
„Die ist echt ne Süße was? Wenn du zu lange überlegst, ist sie bald vergeben und bei diesem Haarschnitt, ui da bleibt dir überhaupt nicht mehr viel Zeit übrig“ flüsterte Anton Ricky ins Ohr und tippte dabei mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr.
„Wie? Aber ich kann…woher…ich habe doch…“ stotterte Ricarda vor sich hin
„Reg dich nicht so auf. Ich schweige wie ein Grab und falls du mal reden willst, weis du ja wo du mich findest. So und nun los schnapp sie dir Süße.“ Anton gab Ricky einen leichten schubs in Richtung Ausgang.
„Aber woher weis ich, dass sie das selbe fühlt?“ fragte Ricky verzweifelt, bevor sie die Eingangstür aufmachte.
„Das wirst du schon merken, wann der richtige Zeitpunkt ist um es raus zu finden“
Mit tausenden von Fragen verlies Ricarda den Friseursalon. Wie hatte Anton es bloß gemerkt? Konnte man ihr wirklich so leicht ansehen, dass sie dabei war sich in Jo zu verlieben? Oder hatte sie sich bereits verliebt?
Nein, so ein Unsinn, Ich verlieb mich nicht in Mädchen, dachte sie sich, doch immer wieder lies sich Ricky dabei ertappen, wie sie Jo anstarrte. Ihren Körper, ihre Stimme ihre ganze Art fand Ricarda irgendwie faszinierend und das, obwohl sie sich doch erst seit einigen Tagen kannten. Wie sollte es nun weitergehen? Ist das nur vorübergehend oder könnte es noch schlimmer werden? Den ganzen Weg schwieg Jo, denn sie wollte Ricarda nicht noch mehr auf die Nerven gehen, als es schon Anton gemacht hatte. Unterdessen plagten Ricky diesen vielen Fragen, für die sie immer wieder sich irgendwelche Ausreden einfallen lies. Zum Schluss musste Ricky sich dennoch eingestehen, dass sie nicht nur Freundschaftliche Gefühle für Jo empfand.
***
Wieder bei der WG angekommen, hörten die beiden Stimmen, die eindeutig aus der Küche kamen.
„Oh anscheinend sind Sandra und Nadine auch mal wieder da“ lachte Jo und öffnete die Eingangstür.
„Ja hört sich so an. Du kannst schon mal vorgehen ich hole mir nur schnell eine Kopfschmerztablette.“
„Das kommt alles nur davon, weil du immer zu viel nachdenkst“ scherzte Jo, doch Ricky verzog sofort ihr Gesicht.
„Sag mal bin ich vielleicht so etwas wie ein offenes Buch? Jeder weis genau was ich denke und jeder glaubt zu wissen wie ich mich fühle! Bin ich so leicht zu durchschauen?“ Jo war keineswegs auf so einen Gefühlsausbruch von Ricarda gefasst.
„Also nein ich denke nicht.“ stammelte sie vor sich hin und versuchte in Gedanken eine bessere Antwort zu finden.
„Nein Ricky du bist kein offenes Buch. Ich selber denke auch sehr viel und oft nach und habe meistens auch denselben Gesichtsausdruck wie du ihn den ganzen Weg hattest. Deshalb nahm ich an, dass du wahrscheinlich über das Gespräch mit Anton nachdenkst.“
„So so, dachtest du.“ wiederholte leise Ricarda Jo´s Worte und marschierte schweigend in ihr Zimmer und Jo in die Küche.
Ricarda dachte eigentlich eher selten nach. Meistens entschied sie über viele Dinge ganz spontan, doch seit sie gelernt hatte, dass das Leben nicht nur aus Spaß und Party besteht, machte sie sich auch öfters über ihre Taten Gedanken. Doch nie musste sie so viel nachdenken über etwas oder jemanden, wie über Jo.
„Oh hey Jo! Neue Haarschnitt?“ fragte Nadine, die gerade eine Schüssel Erdbeeren aus dem Kühlschrank holte.
„Ja ich war gerade eben mit Ricky beim Friseur. Wie geht’s euch so?“ Nun blickte Sandra auch von ihrer Zeitung hoch.
“Hallo. Uns geht’s gut und wie es aussieht dir ja auch. Echt toller Haarschnitt. Lass mich raten du warst bei Anton?“
„Ja stimmt“ antwortete Jo und setzte sich hin.
„Also ich finde du sieht jetzt irgendwie wilder aus. Gefällt mir wirklich sehr gut“ meinte Nadine, grinste verführerisch und strich kurz über Jo´s stachlige Igelfrisur. Sofort schaute Sandra mit einem finsteren Blick zu Nadine hoch, sagte jedoch nichts. Johanna verstand nicht genau was da zwischen den beiden los war aber das wollte sie auch nicht wirklich wissen. Sie dachte sich nur entweder sie sind diese
„Wir sind die besten Freundinnen für immer und teilen uns einfach alles vom Labello bis zu der Unterwäsche“
Tussen oder sie haben definitiv ein überfreundschaftliches Verhältnis. Vielleicht war da aber auch noch was anderes zwischen ihnen.
„Wo ist eigentlich Ricarda?“ fragte Sandra
„Sie holt sich nur schnell eine Aspirintablette“ Gerade in diesem Augenblick kam auch schon Ricky herein und begrüßte Sandra und Nadine.
„Was willst du jetzt eigentlich machen Jo? Schon irgendwelche Pläne?“ fragte Sandra erneut. Anscheinend war es einer von Sandras Lieblingssätzen, denn Jo hörte ihn nicht zum ersten Mal. Vielleicht machte sich Sandra aber auch nur Sorgen um sie.
„Hm na ja ich muss in den nächsten Tagen noch einigen Papierkram erledigen. Ich hoffe bloß es dauert nicht zu lange und ich muss nicht vom Amt zu Amt rennen, tja und sonst“ Jo überlegte einen Moment.
„Ach ja was ich euch fragen wollte. Habt ihr hier zufällig in der Nähe einen Schreinerbetrieb?“ Alle blickten überrascht zu Jo.
„Was willst du den dort?“ erkundigte sich Nadine.
„Ich habe ja doch den alten Schrank behalten und ich dachte mir halt, der könnte eine neue Lackierung gut gebrauchen und wo lässt es sich am besten machen?“
„Also verstehe ich dich richtig. Du willst dieses alte stück Brennholz bei einem Schreiner lackieren lassen? Süße verschwende nicht dein Geld für so was, kauf dir lieber einen neuen Schrank“ erwiderte Nadine und verputzte eine weitere Erdbeere. Jo lachte.
„Nein ich will es natürlich selber machen“
„Wie selber?“ fragte nun Ricky.
„Ja selber halt. Wenn es hier einen gibt, will ich dort selber meine Arbeit machen und dafür würde ich eventuell da aushelfen.“
„Kannst du den das überhaupt?“
„Also Ricky, klar kann ich das, sonst würde ich es bestimmt nicht machen. Ich habe vor einem Jahr ein Praktikum bei einem Schreiner gemacht.“
Nadine starrte auf Jo
„Wow du bis echt ein Genie. Erst schaffst du es in einem einzigen Tag dein ganzes Zimmer fantastisch herzurichten und nun auch noch selber einen Schrank lackieren. Bist echt ein Arbeitstier, im Gegensatz zu Sandra.“ Dabei schaute sie Sandra tief in die Augen und aß eine weitere Erdbeere.
„Was soll’s ich gebe es ja zu. Ich bin nicht so Handwerklich begabt. Aber nun haben wir ja jemanden im Haus, der es kann. Also ab heute alle Fragen bezüglich Reparieren, Wände streichen und Co. an Jo richten.“ antwortete Sandra etwas genervt.
„Ja ja, die Einen habe eben die Magic Hands und die Anderen wiederum nicht. Wozu wohl deine noch so in der Lage sind?, fragte Nadine und trat ganz nah an Jo heran, was Johanna dagegen etwas unheimlich fand. Sandra schaute etwas unsicher zu Nadine rüber, immer noch mit ihrer finsteren Miene. Sofort entfernte Nadine sich wieder von Jo, warf einen Siegesblick zu Sandra, so kam es jedenfalls Jo vor und fuhr fort
„Du kannst nicht zufällig auch noch Autos reparieren, oder?“
„Nein davon verstehe ich leider nichts“ entgegnete Jo. In dem Augenblick schaute Sandra auf ihre Uhr „Oh ich muss jetzt los. Ich wollte noch schnell Einkaufen fahren. Also Jo ich glaube hier in der Nähe ist schon ein Schreinerbetrieb. Entweder versuchst du es bei Werner Marx oder bei Design Plus Andreas Hüschler, wobei ich mir nicht ganz sicher bin was das für ein Betrieb ist. Versuchs einfach mal. Wo du genau die beiden Adressen findest, habe ich dir hier aufgeschrieben und Ricky wird dir sicherlich erklären wo die Straßen sind. So und nun wer braucht etwas von euch?“ Sandra nahm einen Zettel und las alle Dinge, die sie bereits aufgeschrieben hatte, vor.
„Wir brauchen noch unbedingt Ice Tea. Welchen ist egal. Nimm am besten 4 Packungen mit“ sagte Ricky.
„Jo brauchst du noch vielleicht irgendwas?“ Sandra schaute kurz zu Jo und notierte inzwischen Ricardas Bestellung.
„Nein ich brauch nichts. Ähm wie macht ihr das eigentlich mit dem Einkaufen? Jeder für sich oder gemeinsam?“
„Ach ja stimmt, das haben wir ja dir noch nicht gesagt. Wir haben unsere ‚Küchenkasse’ hier im Regal stehen und jeder legt einen Betrag rein den er uns allen zur Verfügung stehen kann. Bis jetzt hat es super funktioniert. Ich hoffe es klappt auch in Zukunft. Falls du noch Fragen hast, Ricky wird dir alles erklären und nun muss ich los. Bis später.“ Mit diesen Worten verschwand Sandra im Eingang und Nadine wenige Minuten später in ihrem Zimmer.
„Ricky, sag mal was ist den heute mit Nadine los? Geht es ihr irgendwie nicht gut?“ flüsterte Jo zu Ricarda.
„Ach das ist eigentlich schon normal, wenn Sandra und Nadine sich mal wieder gezankt haben, dann versucht Nadine sie mit solchen Aktionen ‚fertig zu machen’. Du musst das nicht verstehen. Ist sowieso unwichtig“ bekam sie von Ricky als Antwort.
Johanna runzelte die Stirn.
Wie war es den jetzt gemeint? Wenn sie sich gestritten haben, wieso musste mich Nadine fast schon anmachen? Oder habe ich ihre Aktion nun falsch interpretiert? Und wenn nicht, wieso musste sie auf diese weise Sandra „fertig machen“? Ich hatte eher das Gefühl, dass Nadine sie eifersüchtig machen wollte, aber wieso? Läuft da doch mehr zwischen ihnen als nur Freundschaft? Oder wollte Nadine damit andeuten, dass sie mit mir, statt mit Sandra befreundet sein will? Ach so ein Quatsch. Sandra ist 23 Jahre alt und Nadine auch schon eine erwachsene Frau mit ihren 24 Jährchen, da würden sie doch auf keinen Fall so einen Kindergarten wegen irgendeinem Streit veranstalten, oder doch? Egal was zwischen ihnen war, Jo wollte Ricarda nicht darüber ausfragen, da sie merkte, dass sie nicht gern über dieses Thema sprach. Früher oder später würde Johanna es schon erfahren und wenn sie es jetzt noch nicht wusste, hieß es vielleicht, das der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen war um mehr über Sandra und Nadine zu erfahren. Eine halbe Stunde später verabschiedete sich Ricky und verschwand, da sie angeblich eine Verabredung mit einer guten Freundin hatte, wobei Jo etwas daran zweifelte, da Ricarda plötzlich so gut gelaunt war und deshalb war sie sich sehr sicher, dass es bestimmt was mit ihrem geheimnisvollen „Lover“ zu tun hatte. Ja es hatte tatsächlich was damit zu tun, nur wusste Jo leider nicht, dass Ricky froh war mal einige Stunde mit jemanden zu verbringen, den sie nicht andauernd anstarren wollte, den sie nicht süß und ganz toll fand und bei dem sie nicht die ganze Zeit komische Gedanken bekam. Jo wusste nicht, dass Ricarda ihretwegen das Haus so schnell wie möglich für den Rest des Tages verlassen hatte.
***
In den nächsten Tagen beschäftigte sich Jo mit ihrem, wie sie es nannte „Papierkram“. Es war nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung von Johanna und so zog sich diese Arbeit Tag für Tag dahin und wollte einfach kein Ende nehmen. Letztendlich war schließlich doch alles erledigt und nachdem Jo den letzten Amtsgang fürs erste hinter sich hatte, wollte sie sich gerade auf den Weg nach Hause machen als sie Mike traf.
„Hallo Jo! Ich bin’s Mike. Vielleicht erinnerst du dich ja noch an den Abend im Louge? Da hat uns Ricky einander vorgestellt.“
„Oh hey. Klaro erinnere ich mich an dich.“ antwortete Jo und begrüßte Mike mit einem Händedruck.
„Wie geht es dir so? Und was machst du so allein hier?“ fragte Mike und schaute sich um, ob Ricarda doch irgendwo in der Nähe war.
„Ich musste noch was erledigen aber nun bin ich fertig und wollte gerade nach Hause gehen.“
„Ach so. Schade, weil ich dich fragen wollte, ob du vielleicht mal Lust hast was mit mir zu unternehmen“ Mike zögerte wenige Sekunden
„Freundschaftsmäßig natürlich“ fügte er dann doch hinzu.
Jo schaute kurz auf ihre Armbanduhr
„Heute ist doch Montag oder?“
„Ja, wieso fragst du denn?“ entgegnete ihr Mike
„Wenn du Zeit hast, dann können wir schon was unternehmen. Ich will nur schnell nach Hause was essen und dann kannst du mich ja begleiten.“
„Wohin den begleiten?“
„Das wirst du noch früh genug erfahren, komm einfach mit.“ lachte Jo und zog den etwas verwirrten Mike hinter sich her. In der WG war keiner da, außer Johanna und Mike.
„Heißt du eigentlich wirklich Mike oder ist es dein Spitzname?“ fragte Jo und biss ein Stück von ihrem Sandwich ab.
„Ja ich heiße so. meine Mutter hat eine Schwäche für mehr oder weniger auffallende Namen. Mein älterer Bruder heißt Jordan. Die einzige, die es nicht so schwer erwischt hat, ist meine Schwester Laura.“
„Ich finde die Namen toll. Die kann man besser merken und es ist nicht so leicht diese Namen mit irgendwelchen anderen zu verwechseln.“
„Stimmt, da hast du Recht. Dafür kann man bei dir gut deinen Spitznamen merken.“ Mike machte einen Schluck von seinem Ice Tea, den Jo ihm vorher eingeschenkt hatte.
„Was hast du den eigentlich jetzt vor? Verrätst du es mir vielleicht oder machst du weiter auf MYSTERY?“
„Ich wähle das Zweite aber keine Sorge, du wirst es schon noch erfahren.“ erwiderte Jo und grinste Mike dabei geheimnisvoll an. Wenige Minuten später machten sich die beiden auf den Weg aber nur Johanna kannte das Ziel und Mike blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen.
Durch Eigenrecherche fand Jo heraus, dass gleich in ihrer Nähe ein Schreinerbetrieb war, dennoch schaffte es Jo sich zu verlaufen. Sie war sich sicher, dass sie den Weg auch im Kopf merken konnte. Das war aber dann doch nicht der Fall.
„Jetzt sag doch mal wo du hin willst?!“ fragte Mike schon zum Xten mal und wurde langsam ungeduldig.
„Ich suche die Straße Am Hof 6 aber hier gibt’s keine richtigen Straßenschilder.“
„Natürlich gibt es die. Du musst nur genauer hinschauen. Da drüben ist diese Straße.“ Mike drehte Jo um und deutete auf das Straßenschild. Etwas verlegen marschierte Jo nun in die richtige Richtung, während Mike neben ihr vor sich hin schmunzelte.
„Ach da ist es ja. Genau hierher wollte ich.“ Mit einem breiten Lächeln stand Johanna vor einem Gebäude und schaute total erfreut auf die Hausnummer.
„Hierher? Aber das ist doch ein Schreinerbetrieb oder etwa nicht?“
„Doch ist es schon. Schreinerei Dyme.“
„Aha, und was wollen wir nun hier?“ Ohne zu antworten, zog Jo Mike hinter sich her in Richtung Eingang. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat herein. Gleich Links von ihr befand sich ein Tisch, welcher mit vielen Unterlagen, Notizen und anderen Papieren belegt war. Hinter dem Tisch saß ein Mann, so wahrscheinlich Mitte Fünfzig, der sehr aufmerksam einen Brief oder so etwas in der Art las. Nach kurzem Zögern meldete sich Johanna zu Wort.
„Entschuldigung, hätten Sie eventuell eine Minute Zeit?“ Der Mann erhob seine Augen und musterte Jo mit einem ernsten Blick.
„Ja die hätte ich. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Johanna blickte kurz zu Mike, der irritiert und hilflos im Eingang stand und anschließend wieder zu dem Herrn.
„Nun ich bin hier, weil ich Sie um einen etwas ungewöhnlichen Gefallen bitten wollte.“ Der Mann legte nun seinen Zettel weg und schaute interessiert auf Jo.
„Ich wollte Sie fragen, ob es vielleicht möglich wäre, dass ich bei Ihnen ein Möbelstück restauriere und dafür Ihnen anbiete hier im Betrieb auszuhelfen?!“ Der Mann stand auf und blickte nun sehr erstaunt auf Jo. Jetzt konnte Johanna sein Namenschild erkennen, auf welchem Josef Dyme stand.
„Sie wollen also, dass ich Ihnen meine Werkzeuge anvertraue und auch noch als Aushilfskraft nehme, versteh ich das richtig so?“
„Ähm, ja, nur, dass Sie mich eben nicht für meine Arbeit bezahlen.“
„Tut mir Leid aber das geht leider nicht. Es ist nicht so, dass ich keine Leute einstelle aber ich hatte schon so einige weibliche Praktikantinnen und Lehrlinge und ich spreche da aus Erfahrung, wenn ich sage, dass es nur mehr Schaden bringt als Hilfe. Wirklich es tut mir leid aber da kann ich Ihnen nicht helfen.“ Jo verzog ihr Gesicht. Schaute nun etwas grimmig auf den Betriebschef.
„Wieso lassen Sie mich nicht Ihnen das Gegenteil beweisen? Ein Probetag und falls es Ihnen nicht gefallen sollte wie ich arbeite, dann dürfen Sie mich sofort wieder rausschmeißen und falls doch, dann erlauben Sie mir meinen Schrank neu zu lackieren?!“ Herr Dyme lachte und schüttelte dabei seinen Kopf.
„Also ich habe ja schon so einiges erlebt aber so was noch nie. Ich merke schon, Sie sind eine sehr ehrgeizige junge Dame und geben nicht so schnell auf. Also gut, da Sie mich nun tatsächlich neugierig gemacht haben, will ich mal sehen wie Sie so arbeiten können. Am Besten, Sie kommen morgen um 8 Uhr. Einverstanden?“ Johanna nickte mit dem Kopf und auf ihren Lippen erstrahlte ein breites Lächeln. Sie verabschiedete sich, nahm Mike an der Hand und verschwand rasch im Eingang.
„Kannst du mir mal bitte erklären was das gerade eben war?“ fragte er und stand immer noch perplex da und starrte Jo an.
„Tja das war gerade eben mein unwiderstehlicher weiblicher Scharm und meine Überredungskunst. Mit den beiden Waffen überwältige ich jeden Mann“
Mike griente „So so.“
„Nein oder? du glaubst es doch nicht wirklich? Das war doch bloß ein Scherz. Ich will meinen Schrank, den mir Sandra und Nadine überlassen haben etwas auffrischen und da ich dafür unbedingt eine Werkstatt brauche, habe ich beschlossen eine zu suchen und da lass ich mir doch nicht von jemand sagen, dass Frauen nicht in der Lage sind hier zu arbeiten. Das ist eine Frechheit. Er hat mich ja noch nie arbeiten gesehen und dann so was behaupten.“ Etwas verärgert schüttelte Johanna ihren Kopf und murmelte noch einige Minuten etwas vor sich hin, während Mike sie betrachtete und mit jeder Sekunde, die verging mehr und mehr Interesse für Jo entwickelte.
„Hast du jetzt noch Lust auf ein Bierchen?“ fragte Jo.
„Ja wieso denn nicht. Ich hab da schon auch eine tolle Idee. Wir könnten noch schnell in ein Geschäft gehen und uns einen Sixpack oder so was in der Art nehmen und dann ab zum Fluss. Da ist es echt total schön, vor allem, wenn es warm ist und wir müssen so nicht in einem Lokal sitzen.“ Johanna war sofort mit dieser Idee einverstanden und so machten sich die beiden auf den Weg. Den ganzen restlichen Abend verbrachten sie am Reihn und erst spät am Abend begleitete Mike Jo nach Hause. „Es war echt ein schöner Tag mit dir. Vielleicht sollten wir so was mal wiederholen?“ fragte Mike. In dem Augenblick musste Jo plötzlich an Ricky denken, die in letzter Zeit so oft komisch war. Ab da dachte sich Jo, dass es eigentlich ein sehr guter Einfall sein könnte, denn so würde sie Ricarda nicht stören und noch dazu würde sie eventuell auf diese Weise einen neuen Kumpel gewinnen.
„Ja du hast Recht. Womöglich werden wir uns in den nächster Zeit öfter sehen als du denkst.“ Mit diesen Worten lächelte sie Mike an und verschwand in der Tür.
Ob es mehr als Freundschaft werden könnte? Jo ist wirklich ein tolles Mädchen. Zwar nicht ein typisches Mädchen wie jedes andere aber genau das macht sie so interessant, dachte sich Mike und machte sich auf den Weg nach Hause.
Ohne, dass Johanna und Mike es wusste entstand in diesem Moment ein großes Missverständnis, was aber erst viel später zum Vorschein kommen würde.
„Guten Abend.“ begrüßte Johanna die Anwesenden beim betreten der Küche.
„Hallo. Was hast du denn die ganze Zeit gemacht? Wir dachten schon du hast dich ja möglicherweise verirrt und findest nicht mehr wieder den Weg nach Hause.“ scherzte Nadine.
„Nein. Ich war heute bei einem Schreiner und muss nun morgen meine Arbeitskenntnisse unter Beweis stellen. Und anschließend war ich die restliche Zeit am Reihn mit Mike.“
„Mit Mike? Wer ist den das? Kaum bist du hier angekommen und schon hast du dir einen Typen geangelt.“
„Nadine, sei doch nicht immer so direkt und außerdem geht es dich doch nichts an, mit wem Jo was macht.“ mischte sich Sandra in das Gespräch ein. Währenddessen schaute Ricky Johanna mit einem erstaunten Gesichtsausdruck an.
„Meinst du den Mike, der im Louge war?“ fragte sie schließlich.
„Ja genau den meine ich und der ist weder mein neuer Freund noch Lover Nadine, nur ein Kumpel.“
„Ach die sind immer am Anfang nur ein ‚Kumpel’.“ erwiderte Nadine mit einem grinsen im Gesicht. Jo antwortete nichts auf diese Bemerkung, da sie es ja auf jeden Fall besser wusste, wer nur ein Freund und wer mehr für sie war. Ricardas Blick dagegen, verfinsterte sich, den sie war fest davon überzeugt, dass zwischen Johanna und Mike definitiv mehr laufen würde als nur Freundschaft.
Am nächsten Tag klingelte schon in der Früh Jo´s Handywecker. Total müde stand sie auf und machte sich fertig für den bevorstehenden Tag. Natürlich schliefen alle anderen noch und so verließ Jo im Stillen die WG. Bei dem Betrieb angekommen, traf sie sofort auf Herr Dyme, der ihr bereits mit einem Guten Morgen und breitem Grinsen auf dem Gesicht entgegen kam. Ohne viele weitere Worte zu verlieren zeigte er ihr die kleine Firma. Anschließend brachte Josef Johanna in die Werkstatt zu der restlichen 6 Mann starken Crew. Nach einigen Anweisungen bekam Jo den Auftrag ein kleines, wie ihr vorkam eher unwichtiges Möbelstück neu zu lackieren und falls nötig mit anderen Hilfsmitteln zu reparieren.
Tz, soll das etwa alles sein? Für wie dumm hält der Typ mich eigentlich? Aber gut, dann schauen wir doch mal, was der Meister am Ende des Tages von meinem Arbeitsstiel hält. Mit großem Eifer begann Jo sofort damit den Stuhl zu bearbeiten. Immer wieder kam Josef herein und schaute aufmerksam Johanna zu, wie sie geschickt das alte stück Holz neu gestaltete. Beim sechsten oder schon siebten Besuch blieb er genau neben Johanna stehen und schaute erneut ihr aufmerksam zu.
„Hat jemand von euch ihr etwa geholfen?“ rief er plötzlich den anderen Mitarbeitern zu. Sofort bekam er ein lautes nein zurück. Mürrisch blickte er in den Raum, als würde er dem nicht glauben wollen, was er da zu hören bekam, doch Johanna lies sich davon keineswegs verunsichern, denn so eine Reaktion hatte sie bereits erwartet. Immer noch starrte Herr Dyme auf den Stuhl, den Jo ihm in dem Moment entgegenreichte.
„So ich bin fertig. Ist aber noch nicht ganz trocken.“ fügte sie anschließend hinzu und lächelte ihn dabei an. Er betrachtete ihn sehr sorgfältig und schüttelte dabei mehrmals mit seinem Kopf, als würde er es nicht glauben wollen.
„Das gibt’s ja echt nicht. Das ist zwar noch eine nicht zu hundert Prozent saubere Arbeit aber um so was hinzubekommen brauchen meine Lehrlinge manchmal unzählige Monate. Wirklich ich bin sehr beeindruckt von dieser Arbeit. Hätte ich nun nie gedacht, dass du es so sorgfältig hinbekommen könntest.“ sagte er zum Schluss.
„heißt das also, ich kann bei ihnen Arbeiten?“
„Ja sicher kannst du das. So geschickte Hände kann ich immer gut gebrauchen. Es sieht sowieso nicht gerade gut dieses Jahr mit den Auszubildenden aus. Du hättest nicht zufällig Interesse bei mir anzufangen?“
Johanna lächelte.
„Ich würde gerne aber ich habe schon eine Ausbildungsstelle und um die zu bekommen, hat es mich sehr viel Kraft und Mühe gekostet.“
„Um welchen Betrieb handelt es sich denn?“
„Um den polizeilichen Betrieb“ entgegnete Johanna dem Chef lachend.
„Na dann hoff ich doch mal, dass du schön für Ordnung und Recht in Zukunft sorgen wirst, aber in den nächsten Wochen warten auf uns alle eine menge Arbeit. Für heute darfst du gehen und ab morgen kannst du mit deinem Schrank beginnen.“ Jo verabschiedete sich von allen und machte sich auf den Heimweg. Als sie in der WG ankam war es bereits 14 Uhr nachmittags und wieder mal war keiner daheim. Schnell beschloss sie daher Mike anzurufen, der glücklicherweise nichts zu tun hatte und so schnell sich überreden ließ etwas gemeinsam mit Jo zu unternehmen.
Die nächsten Tage verliefen alle ziemlich gleich. Jeden Morgen stand Jo in der Früh auf und ging in die Schreinerei. Dabei nahm sie immer nur ein Teil von ihrem Schrank mit, welches sie versuchte am Tag fertig zu bekommen, damit das Holz schön über Nacht trocknen konnte und für den nächsten Tag fertig war. Nach Johannas Berechnungen, würde sie maximal eine Wochen dafür brauchen, doch es kam alles ganz anders, als Herr Dyme eine große Bestellung bekam und Jo natürlich mithelfen musste. So benötigte sie schließlich ganze drei Wochen um dem alten Schrank einen neuen Look zu verpassen. In dieser Zeit bekam sie oft Besuch von Ricky und Mike. Genau so war es auch an ihrem letzten Arbeitstag. Mike kam vorbei, denn er wollte anschließend mit Johanna in die Stadt gehen. Aber auch Ricky entschloss sich nach dem Aufstehen Johanna einen Besuch zu erstatten. Gut gelaunt, machte sie sich auf den Weg und erreicht nach wenigen Mitnuten den Betrieb.
„Hal..lo………Jo“ stockte Ricky als sie die Werkstatt betrat. Vor ihren Augen stand Mike, hinter ihm Jo, die ihm irgendein Gerät zeigte.
„Oh es tut mir Leid. Ich wollte euch nicht stören. Ich wollte eigentlich dich nur abholen aber wie es aussieht ist ja schon Mike da.“ murmelte Ricarda vor sich hin und senkte ihren Kopf.
„Guten Morgen Ricky. Nein du störst doch absolut nicht. Mike und ich wollten nur nachher in die Stadt. Also du kannst, wenn du willst mitkommen. Mike es ist doch OK, oder?“
„Natürlich. Ich wollte Jo nur ein paar Freunden von mir vorstellen, die sie schon seit einiger Zeit brennend gern kennen lernen wollen.“ entgegnete Mike und widmete sich wieder dem merkwürdigen Gerät.
„Nein nein, ist schon gut. Ich habe sowieso noch eine Verabredung später. Deshalb will ich euch nicht weiter stören.“ erwiderte Ricky, verabschiedete sich und verschwand sehr eilig aus dem Gebäude. Ganz erschüttert von dem gerade Erlebten, ging sie total in ihren Gedanken versunken wieder nach Hause.
Tja jetzt ist es wohl ganz vorbei mit der Hoffnung und der Träumerei. Wie dumm bin ich denn eigentlich, dass ich überhaupt auf so eine Idee kommen konnte, dass Jo tatsächlich auf Frauen steht. Nur, weil sie kurze Haare hat? Nun weis ich ja, dass es nicht stimmt. Hmm er will sie nachher einigen Freunden vorstellen, das klingt ja so, als würde er seine feste Freundin jemanden vorstellen. Vielleicht ist sie ja auch schon seine feste Freundin aber Jo kann doch nicht ihn toll finden. Was hat der Typ schon, was ich nicht habe?! Ricarda stöhnte leise auf, als sie endlich ich ihrem Zimmer angekommen war. Sofort ließ sie sich aufs Bett fallen und wieder drehten sich alle Gedanken nur um Jo. Ricarda wollte es einfach nicht war haben, dass sie Sehnsucht nach Jo hatte, vor allem seit sich Johanna von ihr etwas distanzierte und stattdessen mehr mit Mike unterwegs war.
Wieso bin ich eigentlich traurig? Ich müsste doch froh sein, dass Jo jemanden gefunden hat. Wieso kann ich nicht einfach darüber glücklich sein? Ohne, dass Ricarda es merkte huschte eine Träne ihre Wangen hinunter, eine Träne von vielen, die Ricky in den letzten Wochen vergossen hatte, eine Träne, die nur wegen Jo ihren Weg ans Tageslicht fand.
***
Inzwischen war Johanna endlich fertig mit ihrem letzten Teil von dem Schrank. Sie musste es nur morgen abholen. Zusammen mit Mike machte sie sich auf den Weg in die Stadt. Der Abend verlief sehr interessant. Jo lernte einige neue Gesichter kenne, redete mit den Jungs über die verschiedensten Themen und war locker drauf, wie sie es bei Ricky nur mit viel Mühe sein konnte. Am späten Abend machten sich Mike und Johanna wieder auf den Heimweg. Ein Stück konnten sie zusammen in dieselbe Richtung gehen, bis sich dann ihre Wege trennten.
„Was machst du den eigentlich demnächst, da du ja jetzt fertig mit deiner Arbeit beim Schreiner bist?“
Jo überlegte einen kurzen Moment und kickte dabei einen kleinen Stein zur Straßenseite.
„Ich will wieder spielen. Das habe ich schon echt lange nicht mehr gemacht.“
„Was spielen?“,fragte Mike etwas irritiert.
„Fußball. Ich habe in Berlin 2 Jahre im Verein gespielt bis dann das letzte Schuljahr kam und ich mich mehr auf meinen Abschluss konzentrieren musste. Nebenbei habe ich mich dann auch noch verletzt und mit einem Gips am Arm spielt es sich ja nicht besonders gut.“
„Wow. Sag mal wie viele Geheimnisse verbergen sich den noch hinter deiner so unschuldigen Fassade? Damit hätte ich ja echt nie gerechnet, dass du auch noch Fußball spielst.“
„Tja, viele Menschen merken mir so einiges nicht an.“ entgegnete Jo kühn.
„Weist du was, ich werde mich mal bei meiner Schwester erkundigen, wann die Damen Training haben. Sie spielt nämlich auch in einem Verein. Da kannst du bestimmt mal mittrainieren und, wenn es dir Spaß macht, meldest du dich an.“
„Danke, dass du dich für mich informierst.“ antwortete Jo und blieb stehen, da sie nun an der Stelle angekommen waren, wo sich die Wege der beiden für den heutigen Abend trennten. Zum Abschied umarmte Johanna Mike und tigerte weiter in Richtung WG. Daheim war nur Nadine, die in der Küche saß und in einer Zeitschrift rumblätterte.
„Hi Jo. Wie war dein Tag?“ fragte sie ohne zu Jo aufzuschauen.
„Hallo. Der Tag war gut. Habe nun den letzten Tag in der Werkstatt verbracht und morgen muss ich nur noch die Tür abholen.“
„Ui. Das klingt schön. Freu mich schon drauf deine Arbeit endlich mal angucken zu dürfen. Du machst ja voll das Geheimnis draus.“
„Na ja zum Schluss sieht es eben noch besser aus als nur so halb fertig.“
„Stimmt da hast du Recht“ Rasch machte sich Johanna ein belegten Toast und verschwand wieder in ihr Zimmer. Erst spät in der Nacht hörte sie Ricarda die Treppen hochkommen. Anscheinend hatte sie nicht gerade wenig getrunken und hing bereits nach einigen Minuten auf dem Klo fest. Besorgt stand Jo auf.
„Ricky ist alles in Ordnung bei dir?“
„Ähm ja geht schon.“ Nach einer kurzen Pause sprach Ricarda weiter.
„Nein eigentlich ist gar nichts OK. Absolut nichts.“ Jo hörte ein leises Schluchzen und öffnete vorsichtig die unverschlossene Tür.
„Ich darf doch reinkommen oder?“ fragte sie leise.
„Klar darfst du.“ antwortete Ricky, während sie sich das Gesicht abwusch. Johanna setzte sich auf den Rand der Badewanne und musterte Ricarda von oben nach unten.
„Was st den los Süße?“ fragte sie schließlich.
„Es ist unwichtig. Darüber brauchen wir gar nicht reden.“ entgegnete ihr Ricky.
„Nein es ist ganz und gar nicht unwichtig, denn denkst du ich merke nicht, wie du unter etwas leidest? Mir ist es ganz und gar nicht entgangen, dass du in letzter Zeit immer häufiger dich so seltsam verhältst, vor allem, wenn ich in deiner Nähe bin.“ Jo machte eine kurze Pause und schaute immer noch den Rücken von Ricky an, da diese sich noch nicht umgedreht hatte.
„Ricarda, wenn du ein Problem mit mir haben solltest, musst du es nicht verbergen oder auf nett machen und weiterhin so tun als wäre zwischen uns alles perfekt.“ Abrupt drehte sich Ricarda um. „Was? Ich soll mit dir ein Problem haben? Wie, wie, wie kommst du den bloß auf diese Idee. Ich könnte doch nie ein Problem mit dir haben, denn ich…“ sie stoppte, ohne ihren Satz zu beenden. Wie gerne wollte Ricky endlich Johanna sagen, was die ganzen Wochen mit ihr los war, wie gerne würde sie Jo einfach nur küssen. Doch zugleich erinnerte sie sich an den heutigen Vormittag, als sie Jo mit Mike gesehen hatte, So glücklich sah sie aus und fröhlich. Nein Ricky konnte diese Hürde nicht überwinden aus Angst, Johanna würde sie anschließend anders behandeln, womöglich gar nichts mehr mit ihr untenehmen wollen oder Mike wäre vielleicht auch sauer auf sie. Nein das musste Ricky für sich behalten.
„Denn ich mag dich doch, Jo. Es hat absolut nichts mit dir zu tun, wirklich, glaub mir.“ beendete Ricarda ihren Satz. Johanna kam ganz na zu ihr hin.
„Wirklich?“ fragte sie erneut um ganz sicher zu sein. Ricky beteuerte erneut, das es absolut nichts mit Johanna zu tun habe, doch ihr fiel es enorm schwer Jo dabei in die Augen zu schauen, denn das war die größte Lüge, die Ricarda wohl jemals in ihrem Leben ausgesprochen hatte. Aber Johanna glaubte es ihr und entschuldigte sich sogar dafür, dass sie so überreagierte. Ricarda tat es richtig weh, als sie endlich im Bett war. So nah war sie davor es Johanna zu gestehen und, dann wurde sie doch von der Angst umschlungen. Ihr tat es Leid, dass sie eine Person, die ihr am meisten was bedeutete belogen hatte.
Am nächsten Tag meldete sich Mike und berichtete Jo, was er von Laura erfahren hatte. Da Ricarda noch schlief, holte Jo inzwischen die Schranktür und befestigte diese am richtigen Platz. Sofort wollten Sandra und Nadine die Arbeit betrachten.
„Also das ist ja echt mal genial. Ich hätte nun wirklich nie im Leben gedacht, dass aus so einem alten Stück Holz so was Schickes entstehen kann.“ sagte Sandra. Nadine bestätigte Sandras Satz, doch wie immer konnte sie einfach ihren schwarzen Humor nicht unterdrücken.
„Was glaubt ihr, könnte man dieses Prachtstück in eBay als alte antike Möbel ausgeben und für einen luxuriösen Preis verscherbeln?“ fragte sie etwas sarkastisch.
„Hier wir absolut nichts verscherbelt. Alles bleibt genau an dem Platz, wo es steht, liegt oder wie auch immer.“ entgegnete Jo sofort fuchsig.
„Ist ja schon gut. War doch bloß ein Scherz. So wir sind, dann mal weg. Sandras Eltern einen Besuch erstatten.“ Jo verabschiedete sich, ging schnell in die Küche und holte für Ricky die passende Medizin. Vorsichtig klopfte sie an.
„Ricky, bist du schon wach?“ fragte Johanna leise und spähte durch einen Spalt in ihr Zimmer.
„Ja bin ich. So mehr oder weniger.“ Hörte Jo eine Antwort von Ricky, die sich unter der Decke verkrochen hatte. Am liebsten wäre sie nie wieder aufgestanden aber Jo hatte da ganz andere Pläne für diesen sonnigen Samstag.
„Komm Schlafmütze es wird jetzt mal Zeit zum Aufstehen.“ Gleich nach dem Johanna diesen Satz beendete, wollte Ricarda etwas dagegen sagen, doch Jo hielt ihr bloß ein Glas Wasser und eine Aspirintablette hin und grinste sie dabei bis über beide Ohren an.
„Was ist den los?“ fragte Ricky und schluckte die Tablette runter.
„Ich wollte dich fragen, ob du mich heute zu einem Fußballspiel begleiten willst? Ich habe vor wieder zu spielen und Mike hat mir vorhin erzählt, dass heute die Damen spielen. Kommst du mit?“ Ricky überlegte einen kurzen Augenblick.
„Kommt Mike auch mit?“ fragte sie etwas unsicher.
„Nein. Nur ich und du und nach dem Spiel würde ich dich gern in die Stadt auf ein Eis einladen“ Sofort erstrahlte auf Ricardas Lippen ein Lächeln, denn das bedeutete, dass sie anscheinend den ganzen Tag mit Johanna verbringen würde. Die Auseinandersetzung in der Nacht versuchte Ricarda einfach zu vergessen und machte sich immer wieder in ihren Gedanken darauf aufmerksam, dass es nur eine vorübergehende Notlüge war und, sobald ihr eine Gelegenheit entgegen kommt, würde Jo sofort die Wahrheit erfahren. Drei Stunden später waren Ricarda und Jo bereits auf dem Weg zum Verein. Den Weg beschrieb Mike Johanna am Telefon, so dass sie sich auf keinen Fall verirren konnte. Als sie ankamen war das Spiel schon am laufen. Schnell huschte Johanna in Begleitung von Ricarda zu einer der Spielerinnen, die auf der Wechselbank saßen.
„Hallo. Wie steht es gerade?“ Die Spielerin drehte sich um und schaute Johanna etwas verwundert an.
„Tach. Es steht noch 0:0 aber wir werden das noch packen.“ antwortete sie grinsend.
„Da bin ich ja mal gespannt. Noch eine kurze Frage. Spielt heute Laura mit?“
„Ähm nein aber beim Training ist sie denk ich mal dabei. Soll ich ihr etwas ausrichten?“
„Nein. Sie kennt mich ja nicht mal. Aber ihr Bruder meinte, dass sie heute auch da sein sollte. Wann habt ihr denn eigentlich Training?“
„Immer am Montag und Donnerstag um 19:30. Willst du mal vorbeikommen?“ fragte die junge Dame und fuhr fort.
„Ich bin übrigens die Klaudia und wie heißt du?“
„Ich bin Jo und das hier ist meine heutige Unterstützung Ricky. Ja ich würde sehr gerne mal bei euch mittrainieren. Also denke ich mal, dass wir uns bestimmt am Montag sehen werden.“ Die Frau begrüßte Ricarda, nickte Johanna zu und widmete sich wieder dem Spiel zu. Ricky und Jo taten dasselbe. Suchten sich einen schattigen Platz und beobachteten das Geschehen. Tatsächlich verlor die Gastmannschaft das Spiel. Johanna freute sich schon sehr auf den kommenden Montag. Die Mädels spielten echt gut und bestimmt könnte sie so einiges dazu lernen und das, was sie schon konnte auffrischen, da Johanna ja schon lange nicht mehr gespielt hatte.
Wie versprochen spendierte nach dem Spiel Jo Ricky einen Eisbecher in dem Cafe, welches Ricarda ihr ganz am Anfang gezeigt hatte.
Montagnachmittag.
Jo war schon seit sie aufgestanden war total aufgeregt, denn in wenigen Stunden würde sie wieder nach langer Zeit Fußball spielen. Ricarda entschloss sich natürlich sofort dazu Johanna zu begleiten. Nachdem Jo endlich ihre Sportsachen zusammengepackt hatte, blickte sie auf ihre Uhr.
„Los geht’s Ricky wir müssen los. Ich denke, dass wir schon so mindestens Zwanzig Minuten Fußweg vor uns haben.“ Mit diesen Worten machten sich Johanna und Ricarda auf den Weg zum Verein. Dort angekommen, ging Jo sofort zum Umziehen. Nach und nach versammelte sich die ganze Mannschaft und die Trainerin kam ebenfalls dazu.
„So Mädels aufgehts, macht euch richtig warm. Laura du übernimmst das Aufwärmen. Oh, wen haben wir denn da?“ fragte die Trainerin und blickte zu Jo.
„Hallo ich bin Jo. Würde heute gern mal mit euch trainieren.“
„Herzlich willkommen. Ich bin die Steffi, die Trainerin. So nun aber los so viel Zeit haben wir nicht.“
Im laufe der 2 Stunden lernte Johanna bereits die meisten kennen.
Das Training fand Jo total klasse auch, wenn sie schnell merkte, dass ihre Leistungen stark gesunken waren, trotzdem war der Abend ein voller Erfolg. Beim Umziehen bemerkte Jo schnell, dass eine gewisse Person sie intensiv musterte. Johanna erhob ihren Kopf und schaute genau in die Augen von einer rothaarigen Frau.
„Du musst wohl die Jo sein, von der mein Bruder andauernd so viel redet?“ fragte sie und lächelte dabei Johanna an.
„Ja die bin ich und du musst dann wohl Laura sein. Was erzählt den Mike so über mich?“
„Richtig. Nicht viel. Meistens träumt er glaube ich vor sich hin, wobei ich mir gut vorstellen kann, dass seine Träume bald zerplatzen werden.“ Laura warf Jo noch ein letztes mal diesen intensiven Blick zu und verschwand anschließend ins Freie.
Was hatte das denn gerade zu bedeuten? Habe ich etwa was nicht so ganz mitbekommen? Den ganzen Rückweg musste Jo über Laura nachdenken. Irgendetwas war an dieser Frau so besonders, vielleicht ihre freche Art oder doch das Direkte in ihr. Johanna wusste es nicht aber sie war fest entschlossen es beim Nächsten Training raus zu finden. Aber es stellte sich sehr schnell heraus, dass es nicht so leicht war diese Person zu durchschauen. Immer wieder verblüffte sie Johanna aufs Neue. Vor allem wie sie mit ihr redete, faszinierte Jo sehr. Es war ein flirten, doch verdammt gut getarnt. Laura wusste genau wie sie vorgehen musste, um das zu bekommen, was sie haben wollte und in dem Fall war ihr Ziel Jo. Es vergingen einige Wochen und das neue Schuljahr rückte immer näher. Ricarda überspielte Tag für Tag ihre Gefühle und verlor so langsam ihre Hoffnung, dass sie irgendwann tatsächlich in Jo´s Armen liegen könnte. Sie war fest davon überzeugt, dass Mike viel mehr als nur ein Freund war. Die beiden verstanden sich einfach viel zu gut und machten auch sehr viel miteinander.
Es war ein Wochenende wie jedes andere und Jo war wie immer mit Mike verabredet, doch dieses Mal sollte es mehr als nur ein einfaches Treffen werden, denn Mike wollte unbedingt etwas mit Jo besprechen, was im seit einer längeren Zeit auf dem Herzen lag.
„OK. Um was geht es?“ fragte Johanna, als die beiden im Cafe endlich Platz nahmen.
„Nun ich weis nicht wo anfangen soll. Es ist mir um ehrlich zu sein etwas unangenehm darüber zu reden aber, wenn ich das nicht mache, wird es mir keineswegs besser gehen.“ Jetzt hatte Mike die volle Aufmerksamkeit von Jo, die ihm konzentriert zuhörte.
„Tja. Es geht darum, dass ich dich echt sehr gern habe. Nein ich habe dich nicht nur gern, sondern du bist für mich inzwischen schon zu einer sehr wichtigen Person geworden. Was ich damit nun eigentlich versuche zu sagen…“ Genau in dem Moment wurden endlich die bestellten Getränke gebracht und somit wurde Mike unterbrochen. Er sammelte sich aufs Neue und begann von vorne, bis er an derselben Stelle angelangt war.
„Ich versuche dir zu sagen, dass ich mich in dich verliebt habe Jo“ Vor Überraschung verschluckte sich Johanna an ihrem Kaugummi. Sie hätte eigentlich alles erwartet aber an so was hat sie nicht gedacht. Sprachlos saß sie da und wusste nun absolut nicht was sie Mike sagen sollte. Vielleicht die Wahrheit? Aber wie würde er denn reagieren? Ganz viele Fragen schossen plötzlich durch Johannas Kopf. Mike jedoch saß ganz gelassen da und blickte ab und zu, zu ihr rüber.
„Jo das ist nicht alles was ich dir sagen wollte. Du kennst do meine Schwester Laura?“ Jo nickte kurz mit ihrem Kopf, da sie immer noch nicht in der Lage war etwas zu sagen.
„Tja. Sie ist eigentlich der Grund wieso ich überhaupt dieses ganze Gespräch hier mit dir führen, denn sie meinte zu mir neulich, dass du bestimmt auf Frauen stehst, also lesbisch bist und ich mir deshalb keine Hoffnungen machen brauche. Ich wollte ihr es eigentlich nicht glauben aber meine Schwester hat wirklich so ein Spürsinn für lesbische Frauen und sie irrt sich so gut wie nie. Nun würde ich gerne von dir wissen, ob sie mit ihrer Vermutung Recht hat. Ich wäre nicht sauer oder so, wenn es tatsächlich so sein sollte, aber ich will mir in Zukunft einfach keine Gedanken mehr drüber machen, ob es nun mehr aus uns beiden werden könnte oder bleibt es bei einer sehr guten Freundschaft.“ Jo senkte ihren Kopf.
„Wow fast 2 Monate bin ich nun hier und ausgerechnet Laura, die mich so gut wie nie siehst merkt das. Ich wusste es doch, dass sie mich anflirtet. Wollte sie mich nur testen?“
„Nein das glaube ich nicht aber das solltest du am besten selber raus finden und ich danke dir, dass du es mir gesagt hast.“ Er machte eine kurze Pause und trank einen Schluck.
„Wissen es eigentlich schon Ricky, Sandra und Nadine?“
„Nein ich habe am Anfang keinen richtigen Zeitpunkt gefunden und später war es irgendwie dann zu spät und anschließend kam ja noch die Vermutung von Nadine, dass wir zusammen sind. Mit anderen Worten ich habe mir ein großes Netz aus Lügen und Täuschungen selbst geflochten.“
„Ach so ein quatsch. Nicht jeder braucht über alles bescheid zu wissen. Außerdem weis man nie, wie andere Personen auf so was reagieren. Laura hatte da auch schon damit zutun.“ Jo war verdammt erleichtert, dass das Gespräch so positiv verlaufen war und nun hatte sie auch noch einen Gesprächspartner, mit dem sie in Zukunft auch mal über Dinge reden konnte, über die sie mit Ricarda nie sprechen konnte.
Beim nächsten Training wollte Johanna Laura unbedingt drauf ansprechen, was ihr Mike erzählt hatte. Jedoch ergab sich erst nach den 2 Stunden rumlaufen und Spielen eine Gelegenheit. Jo kam aus der Dusche und zog sich schon an. Die anderen waren alle bereits gegangen. Nur Laura war noch nicht fertig, da sie ein Gespräch mit der Trainerin hatte. Schließlich kam sie auch frisch geduscht mit einem Handtuch umwickelt.
„Laura. Kann ich dich mal was fragen?“ begann Johanna das Gespräch.
„Klar. Was ist den los?“
„Ich habe von Mike erfahren, dass du anscheinend dir sehr sicher sein sollst, dass ich lesbisch bin, stimmt das?“
„Ach nö. Der Arsch konnte wieder mal seine Klappe nicht halten aber nein es stimmt nicht ganz. Ich bin mir nur zu 90% sicher.“
„So, so. 90%?. Wie kommst du denn auf diese hohe Prozentzahl, wenn ich fragen darf? Und wieso sind es nicht 100%?“ Laura schaute mit einem verführerischen Blick zu Jo.
„Nun es sind 90%, weil ich eben das Gefühl habe, dass du womöglich Interesse an mir hast. Es sind jedoch nicht 100%, weil mir 10% fehlen.“ Sie machte eine kurze Pause und kam etwas nähe an Johanna heran.
„Aber die werde ich mir gleich auch noch holen.“ fügte sie hinzu und kam noch näher zu Jo, legte vorsichtig ihre Arme um Johannas Hals und zog sie an sich ran. Ganz langsam näherten sich ihre Lippen, bis Johanna sie endlich auf ihren spürte. Diese Aktion von Laura, entfachte in Jo eine ungeheure Lust auf mehr. Aus einer schüchternen und vorsichtigen Berührung der Lippen, wurde ein wilder, herausfordernder und leidenschaftlicher Kuss.
„Ich wusste es doch vom Anfang an, dass du mehr willst und somit hab ich nun die 100%.“ flüsterte Laura und küsste Jo erneut.
In der Zeit befand sich Ricky genau vor dem Eingag zum Umkleideraum, denn sie hatte vor einer halben Stunde beschlossen, dass sie Johanna abholen würde und sie gemeinsam eventuell noch was unternehmen könnten. Es vergingen einige Minuten. Nach und Nach kamen alle Mädels raus und verabschiedeten sich voneinander, nur Johanna blieb verschollen. Nach langem Warten entschloss sich Ricarda endlich rein zu gehen, damit Jo sich etwas beeilte. Langsam kam sie zur halbverschlossenen Tür des Raumes. Sie wollte diese gerade öffnen, als sie Johanna eng umschlungen mit Laura sah. Sprachlos blieb sie schlagartig stehen und starrte die beiden an, doch diese waren so sehr miteinander beschäftigt, dass sie nichts um sich herum mitbekamen.
Johannas Hand streichelte erst zart Lauras Wange und wanderte anschießend entlang der Schultern herab. Dabei erwischte sie Lauras Handtuch, welches sich sofort löste und zu Boden fiel aber auch das störte die beiden keineswegs.
Verwirrt und schockiert verfolgte Ricarda einige Sekunden das Geschehen. Langsam drehte sie sich um und ging ruhig nach draußen. Sie blickte noch einmal zur Tür und rannte los. Egal wohin aber Hauptsache weg von diesem Ort.
***
„Ich würde heute gerne mit dir noch was unternehmen, wenn du natürlich Lust hast?“ sagte Laura mit einer verführerischen Stimme und schaute Jo tief in die Augen.
„Klar hätte ich Lust.“ antwortet Johanna, löste sich von Laura, die immer noch ganz nah bei ihr stand und machte ihre Sporttasche zu.
Nachdem Laura fertig angezogen war begleitete sie Jo bis zu der Stelle, wo sich ihre Wege trennten.
„Also wir treffen uns dann um 22:30Uhr an der Brücke und gehen anschließend in die Stadt zu einem Ort, der dir auf jeden Fall gefallen wird.“
„Welcher Ort ist es denn?“ erkundigte sich Jo neugierig.
„Das wirst du schon sehen.“ gab Laura zur Antwort.
„Tschau Süße.“ fügte sie hinzu, drehte sich um und verschwand nach wenigen Sekunden um die Ecke. Johanna machte sich ebenfalls auf den Weg. Ihre Gedanken waren voll von den Ereignissen, die in der letzten halben Stunde passiert sind. Sie konnte es immer noch nicht so richtig glauben, dass dies alles tatsächlich in der Realität passiert sei. Aber nicht nur Jo erging es so.
Nachdem Ricarda vom Vereinsplatz weglief, hatte sie kein bestimmtes Ziel, sie wollte nur weg von dem, was sie gerade eben gesehen hatte. Als sie endlich stehen blieb, bemerkte Ricky, dass sie in der Nähe des Rheins war. Sie suchte sich ein Platz am Ufer des Flusses und starrte ins Wasser. Viele Gedanken und Bilder schossen ihr durch den Kopf.
„Wie kann es bloß möglich sein. Ich war mir doch so sicher.“ flüsterte Ricarda und senkte ihren Kopf. Eine Träne nach der anderen lief Ricky über die Wangen und fiel in das grüne Gras. Sie war verwirrt und konnte nicht verstehen wie das alles passieren konnte.
„Die ganze Zeit habe ich mich nicht getraut, habe mir was vorgemacht und nun hab ich sie verloren.“ flüsterte Ricarda erneut.
„An eine andere Frau“ fügte sie ganz leise hinzu.
Frau, wiederholte sie in ihren Gedanken.
Hätte ich mich doch bloß getraut.
Wieso habe ich nichts bemerkt, wieso? eine Weile saß Ricky noch am Ufer und zerbrach sich den Kopf über viele Gedanken. Sie erinnerte sie mehrmals an die Situation, wie sie Jo sah, ganz nah bei Laura, wie sie sich küssten, einander berührten.
Wenn ich doch nicht so feige wäre, würde Jo jetzt mich küssen und nicht diese rote Vogelscheuche. Was findet sie überhaupt an der? Die hat rote Haare, ist voll verrückt, macht nur Unsinn, ist immer direkt. Überlegte sich Ricky und wurde mit jedem Gedanken wütender. Sie war sauer auf Jo, auf Laura aber vor allem auf sich selbst.
„Ich bin doch mindestens 1000-mal besser wie diese dumme Kuh.“ jammerte Ricarda und wischte sich bereits zum Xten mal die Tränen weg.
„Wieso hat mich dann Jo niemals versucht zu küssen? Wieso hat sie nie mich so berührt wie Laura? Wieso hat sie nie wenigstens eine winzigkleine Andeutung gemacht? Wieso?“ Ricarda starrte mit einem leeren Blick auf den Fluss. Sie blickte an das andere Ufer und erinnerte sich, wie sie ganz am Anfang mit Johanna dort entlang spazieren gegangen war.
Ricky erinnerte sich an die allererste Begegnung mit Jo am Bahnhof. Schon da fand sie Johanna sehr interessant, auch wenn zu dem Zeitpunkt sie sich nie eingestehen wollte, dass sie Frauen attraktiv und begehrenswert fand, besonders Jo. Ricarda erinnerte sich, wie sie Johanna beim streichen ihres Zimmers beobachtete und mit ihren Gedanken zu kämpfen hatte, die beim Anblick von Johanna entstanden. Gefühle die sie nie zuvor für eine Frau empfand. Gedanken und Vorstellungen, die ihr anfangs sehr viel Sorgen, Kummer und Angst bereiteten.
„Sie liebt mich nicht.“ wisperte Ricky.
Sie wollte nie was von mir. Deshalb hat sie auch nie etwas versucht, um meine Interesse zu wecken. Wahrscheinlich bin ich nicht ihr Typ, denn im Grunde bin ich das Gegenteil von Laura. Das erklärt natürlich so einiges, dachte sich Ricky.
„Sie darf nie etwas davon erfahren, nie. Es wird einfach alles genauso weitergehen, als wäre nichts passiert.“ Mit diesen Worten stand Ricky auf und machte sich auch, wenn lustlos, traurig und enttäuscht auf den Weg zur WG.
Inzwischen war auch Jo wieder daheim. Sie wollte sich erstmal etwas stärken, anschließen fertig machen und am vereinbarten Ort sich mit Laura treffen.
„Hey Jo. Und wie war den das Training?“ fragte Nadine als Johanna die Küche betrat.
„Hey. Das Training? Ich denke, nein ich bin mir da absolut sicher, dass es das beste Training bis jetzt war.“ antwortet Jo grinsend.
„So so“ Nadine blickte kurz in Richtung Eingang.
„Wo ist den Ricky? Hat sie dich etwa doch nicht abgeholt?“ Johanna schaute etwas verwirrt auf Sandra und Nadine.
„Sie hat uns gesagt sie ist weg, weil sie dich abholen will.“ gab Sandra zur Antwort. Schlagartig veränderte sich Jo´s Laune.
Hat Ricarda mich mit Laura etwa gesehen? überlegte sich Johanna und griff in ihre Hosentasche um ihr Handy rauszuholen.
Nein das kann nicht sein, oder etwa doch? Was, wenn sie uns wirklich gesehen hatte und so entsetzt war, dass sie sofort weggerannt ist? fragte sich Johanna erneut und wählte rasch eine Handynummer.
Ricarda war bereits auf dem Weg nach Hause und überlegte sich währenddessen, welche Ausrede sie denn nun Johanna erzählen würde, als ihr Handy klingelte. Es war Jo.
„Hi Ricky. Wo bist du den gerade? Nadine hat mir gesagt, dass du mich eigentlich abholen wolltest. Ist alles in Ordnung?“ fragte Johanna mit einer etwas unsicheren Stimme.
„Hallo Jo. Ja sicher ist bei mir alles OK. Es tut mir Leid, dass ich dich doch nicht abgeholt habe, denn ich traf auf dem Weg eine alte Bekannte und hab beim quatschen total die Zeit vergessen.“ log Ricky und fuhr fort.
„Ich hoffe du bist mir nicht böse deswegen?“
„Nein absolut nicht. Laura war meine Ersatzbegleitung.“
„Ach so. Na dann ist es ja gut. Ich bin in etwa 10 Minuten wieder daheim. Also bis gleich.“ Mit diesen Worten beendete Ricarda das Gespräch.
Anscheinend ist doch alles in Ordnung und ich mache mir nur zu viele Sorgen, überlegte sich Jo erneut, nachdem Ricarda das Gespräch beendet hatte. Sofort besserte sich Jo´s Laune wieder und sie ging nach oben um sich für ihr bevorstehendes Date fertigzumachen.
Nachdem Ricky wieder daheim war, verschwand sie schnell in ihrem Zimmer, um Johanna aus dem Weg zu gehen, denn an diesem Tag sah sie von Jo mehr als ihr lieb war.
Johanna verabschiedete sich kurz von allen und machte sich auf den Weg zum vereinbarten Ort, wo Laura sie bereits erwartete. Sofort war Jo fasziniert von ihrem Outfit. Laura trug einen weißen, auf eine kreative Weise genähten Top und dazu passend eine dunkle Jeans. Ihre Haare waren nun offen und gewellt.
„Hallo Süße. Da hat sich wohl jemand schick gemacht?“ fragte Laura und grinste Johanna dabei mit einem süßen Lächeln an.
„Da spricht aber die Richtige. Dein Outfit sieht übrigens sehr sexy aus.“ Dabei musterte Jo ihr Date erneut von oben bis unten. Laura bedankte sich sofort mit einem Küsschen auf die Wange bei Jo, hackte sich bei ihr anschließend ein und die beiden machten sich auf den Weg.
„Wohin gehen wir eigentlich?“ wollte Johanna wissen und blieb kurz stehen.
„Komm einfach mit. Du wirst es schon bald erfahren.“
„Aha. Eigentlich ist es ja immer meine Aufgaben geheimnisvoll zu sein aber heute muss ich mich wohl oder übel überraschen lassen.“ Mit einem kleinen Seufzer folgte Jo Laura. Nach etwa 10 Minuten erreichten sie endlich das Ziel. Es war ein Lokal. Schon vom Weiten erkannte Johanna sofort ein großes Schild. Ein Regenbogen erstrahlte auf der gesamten Fläche und in der Mitte stand in einer kunstvollen Schrift der Name des Lokals.
„Rainbow“
„Cafe~Bistro~Bar“
Das ganze nicht allzu große Gebäude, war vollkommen mit grünen Pflanzen und Bäumen umgeben, die somit den Rest des Cafes
Umhüllten und bloß den schrillen und bunten Lokalsnamen nicht verbergen konnten.
„Tara! Hier sind wir auch schon.“ verkündete Laura mit einem lächeln auf den Lippen.
„Komm lass uns reingehen. Drinnen sieht es echt super schön aus.“ fügte sie hinzu. Brav folgte Johanna der charmanten jungen Dame, die zielstrebig in Richtung Eingang schritt. In der Tat sah es im Inneren der Bar sehr gemütlich aus. Alles war schlicht und dennoch extravagant dekoriert. Eine angenehme Musik ertönte aus den Boxen, die im gesamten Raum an den Wänden befestigt waren. Laura zog Jo zügig hinter sich her zu einer Ecke. An diesem Platz befanden sich ein Tisch mit einer Kerze und Eckbank, die mit Kissen und Wandpolster ausgestattet war.
„Na was sagst du dazu? Ist doch echt chillig hier drin oder?“ fragte Laura und schaute Johanna erwartungsvoll an.
„Ja es ist echt schön hier“ antwortete Jo und setzte sich hin. Laura ließ sich etwas schräg neben Jo nieder.
Es dauerte nicht sehr lange und beide verfielen in ein tiefes und interessantes Gespräch miteinander. An diesem Abend wurde Jo immer wieder aufs Neue von Laura mit Erzählungen aus ihrem Leben überrascht. Dafür, dass sie erst vor wenigen Wochen, genauso wie Jo 18 geworden war, hatte Laura sehr viel in ihrem Leben erlebt. Wie immer bevorzugte Johanna eher das Schweigen und hörte lieber zu, während sie in ihren Gedanken sehr viele Parallelen zwischen ihrem und Lauras Leben fand. Positive sowohl aber auch Negative.
***
Ricarda dagegen konnte einfach nicht ruhig zu Hause sitzen. Egal was sie auch versucht, immer wieder musste sie an den heutigen Abend denken. Allein die Vorstellung, dass Jo womöglich viel mehr als nur einen netten Abend mit Laura verbringen könnte brachten sie zur Verzweiflung.
Ich muss unbedingt etwas tun. Sonst werde ich noch durchdrehen, dachte sie sich und griff nach ihrem Handy.
„Hallo, schläfst du etwa schon?“ fragte Ricky mit unsicherer Stimme und wartete ungeduldig auf die Antwort. Eine müde Stimme, die anscheinend durch das Klingeln des Telefons aufgeweckt wurde. murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
„Anton? Hörst du mich? Komm werd wach. Es ist ein Notfall.“ sagte Ricarda erneut und wartete auf die Reaktion.
„Ja Moment Ricky. Ich bin vor dem Fernseher tatsächlich eingeschlafen. Da sieht man wieder wie langweilig die Sendungen heut zu Tage sind aber egal. Wo brennt es den Süße?“ brummte Anton teilweise verärgert und dennoch besorgt.
„Ich muss ganz dringend mit dir reden. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich weis nicht was ich tun soll.“ Ricardas Stimme klang so verzweifelt am Telefon, dass Anton anfing sich nun echt große Sorgen zu machen. Er erinnerte sich noch genau, als ihn Ricky anrief, nachdem die Geschichte mit Lukas passiert war. Ricky kannte Anton schon seit sie klein war. Vor einigen Jahren lebte er noch, genauso wie Ricarda in Frankfurt, bis er sich schließlich selbstständig als Friseur machte und in Koblenz seinen eigenen Salon eröffnete. Zu der Zeit ging es Ricarda schlecht, sehr schlecht.
Ihre Eltern hatten jedoch meistens nie Zeit. Sie schickten sie zwar zu Therapeuten und Kursen, doch nichts von dem half so wie ein Gespräch mit Anton. Ricky schüttete ihm ihre ganzen Gedanken, ihre Ängste und ihre Wünsche aus. Er konnte ihr zwar nicht immer helfen aber meistens hatte Anton die passenden aufbauenden Worte, die Ricky so dringend brauchte. Nun machte er sich erneut Sorgen, da ihm schon die kuriosesten Dinge durch den Kopf gingen.
„Komm zu mir. Dann reden wir in Ruhe über dein Problem OK? Wenn du willst, kannst du auch bei mir über Nacht bleiben.“ antwortete er und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen.
„Ja, ist in Ordnung. Ich bin in einer halben Stunde bei dir.“ lautete Rickys Antwort und schon lauschte Anton nur noch der toten Telefonleitung.
Wie versprochen stand Ricarda in der Tat nach einer halben Stunde vor Antons Tür. Auf die Frage von Nadine und Sandra antwortete sie erst gar nicht und verlies fluchtartig das Haus mit einem Rücksack auf dem Rücken und dem Satz:
„Ich übernachte woanders.“
Vor der Eingangstür blieb sie stehen und klingelte. Nach wenigen Sekunden öffnete Anton ihr sofort die Tür und bat Ricarda herein. Sie legte ihren Rücksack bei Seite und folgte ihm in die Küche. Auf dem Tisch standen bereits zwei Tassen mit heißem Tee. Ricky nahm Platz und Anton setzte sich gegenüber.
„Das ist ein irischer Tee. Angeblich soll der eine beruhigende Wirkung haben.“ Ricarda nickte und machte vorsichtig einen kleinen Schluck.
„Also du wolltest doch mit mir über etwas reden, oder?“ fragte Anton vorsichtig.
„Ja.“ antwortete Ricarda du fuhr fort.
„Es geht um“ An dieser Stelle stoppte sie kurz, holte tief Luft und beendete ihren Satz.
„Um Jo.“ Anton war einerseits sehr erleichtert, dass es bloß um Jo ging, doch andererseits wusste er genau wie schlimm Liebeskummer sein konnte.
Die beiden redeten bis spät in die Nacht und Ricky schüttete ihr ganzes Herz vor Anton aus. Sie erzählte vom Anfang bis zu dem Punkt, wo sie es nicht mehr aushalten konnte und ihn anrief. Sie erzählte auch, dass es für sie niemals in Frage kommen würde, dass sie mit Johanna darüber redet. Anton konnte die Situation durchaus verstehen, doch in diesem Fall wusste auch er nicht wirklich welchen Ratschlag er Ricarda geben konnte.
„Wirklich das ist eine ziemlich heikle Situation. Ich kann dich verstehen, dass du nicht darüber mit ihr reden willst, doch was für Optionen bleiben denn da noch übrig?“
„Genau das weis ich ja nicht.“ jammerte Ricarda, die kurz davor war erneut zu heulen.
„Hey jetzt beruhige dich. Es gibt immer eine Lösung. Wie wäre es denn, wenn du dich ablenkst?“
„Und wie?“
„Nun ja. In paar Tagen fängt doch deine Ausbildung an, nicht wahr?“ Ricky nickte und hörte weiter Anton zu.
„Versuch dich damit etwas abzulenken und nebenbei bemerkt, wenn du nicht andauernd nur Johanna im Kopf haben würdest, würde dir sicherlich auffallen, dass mindestens fünf hübsche Mädels Tag für Tag an dir vorbeilaufen und womöglich ist ja da eine dabei, die dich gerne kennen lernen würde.“
„Ich will aber nicht irgendeine, sondern nur Jo. Alle anderen gehen mir sonst wo vorbei.“ entgegnete Ricarda.
„Tja dann wird es aber sehr schwer für dich mit so einer Einstellung. Nicht alles im Leben ist perfekt, wie im Märchen. Es gibt nun mal Dinge, die nicht zu einander passen.“
„Ja ist schon gut. Du hast Recht.“ gab Ricarda nach um diese Diskussion zu beenden, denn in Gedanken war sie sich immer noch sicher, dass sie zu Johanna sehr gut sogar passte. Sie wusste zwar noch nicht wie sie es anstellen würde, um Jo´s Aufmerksamkeit voll und ganz auf sich zu ziehen aber irgendwie würde sie es schon hinbekommen. Sie brauchte nur noch Zeit, Zeit um nachzudenken, Zeit um ihre Gefühle in Griff zu bekommen, Zeit, die sie in den nächste Wochen auch genügend bekam.
Johannas und ihre Ausbildung begannen. Sie sahen sie nun sehr selten, wenn dann nur am Abend oder am Wochenende, wenn Jo nichts mit Laura unternahm. Johanna gefiel die Ausbildung wirklich sehr. Schnell fand sie neue Freunde, die ebenfalls die Polizeischule besuchten. Manche waren gerade mitten ich ihrer Ausbildung, andere dagegen kamen, genauso wie Jo erst dazu. Auch mit Laura klappte eigentlich alles ganz gut aber nur eigentlich. Jo kämpfte immer wieder mit ihren Zweifel, ob Laura nun wirklich das war, was sie wollte. In ihren Gedanken hatte sie sich schon lange diese Frage beantwortet. Sie wollte Ricarda, doch in der Realität sah es ganz anders aus. Ricky verabredete sich immer öfter mit Jungs, ging weg, übernachtete nicht zu Hause. Kurz gefasst, Johannas Chance, laut ihrer Sicht, waren gleich Null.
Ricky dagegen schaffte es tatsächlich sich von Jo etwas loszureisen. Jedoch behielt sie immer ihren Plan im Hinterkopf. Wohl ihre größte Ablenkung war Michael. Sie lernte ihn im Krankenhaus kennen, als er einen Freund besuchte. Aus einem netten Gespräch entstand Interesse und später ein Treffen. Ricarda fand Michael richtig süß, denn er hatte diese tollen grünen Augen, kurzes braunes Haar mit blonden Strähnchen und einen sehr lässigen Style. Mit anderen Worten, er hatte eine große Ähnlichkeit mit Jo, doch das leugnete Ricarda strikt. Sie wollte sich auch auf keinen Fall eingestehen, dass Michael nur ein Lückenfüller war bis sie Johanna endlich ganz allein für sich haben konnte.
„Hi Maus, ich habe da eine ganz tolle Idee für das Wochenende. In Frankfurt ist ein toller Club und da findet am Samstag eine ziemlich große Lesbenparty statt. Eine Freundin von mir hat uns übers Wochenende zu ihr eingeladen. Wie wäre es, hast du Lust?“ fragte Laura am Telefon.
„Hey. Ja wieso den nicht. Ich habe auch schon davon gehört. Ich es nicht dieser Club namens ‚Joker’?“
„Ja genau dieser. Die Party findet nur zweimal im Jahr statt und ich würde echt gern dahin. Ich war da noch nie.“
„Ja es ist in Ordnung. Wie kommen wir den dorthin. Mit dem Zug?“ fragte Jo. Laura überlegte einen kurzen Moment.
„Hmm das weis ich noch nicht genau aber ich denke schon, dass wir mit dem Zug fahren müssen, außer du kennst jemanden, der auch dorthin fährt?“
„Nein kenn ich leider nicht. Aber ist doch nicht schlimm, dann fahren wir eben mit dem Zug.“
„Ja das geht klar. Ich ruf jetzt bloß schnell die Bekannte an und sagt bescheid, dass wir kommen werden.“ Mit diesen Worten legte Laura auf und wählte erneut eine Nummer.
„Hallo Jul.“
„Hey Maus. Und kommt ihr?“
„Ja. Hab gerade mit Jo geredet und sie will schon. Die Zeit weis ich noch nicht genau, werde ich dir aber spätestens am Donnerstag sagen. Ansonsten freu ich mich schon wahnsinnig auf die Party und natürlich auf dich. Haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen.“
„Stimmt. Wie ist eigentlich Jo so drauf?“ fragte Jul.
„Johanna? Ach mit der wirst du dich bestimmt super verstehen so von Butch zu Butch.“
„Butch? Ich dachte du bevorzugst eher Femmes oder Androgyne Mädels?!“
„Na ja man wies ja nie wo die Liebe hinfällt.“ antwortete Laura lachend.
„Oh welch magische Worte. Die kleine Laura spricht von Liebe. Tja dann muss es dich wohl nun mal so richtig ernst erwischt zu haben, was?“
„Vielleicht“ lautete Lauras Antwort.
„OK kleine. Ich denke wir werden, wenn ihr kommt auch Zeit haben zum quatschen. Ich muss jetzt los. Hab eine Verabredung.“
„Oha. Dann wünsch ich dir viel spaß mit deinem Date. Bis zum Freitag.“ Jul verabschiedete sich ebenfalls und beide legten auf. Laura wiederholte erneut in Gedanken, den Satz, welchen Jul eben erwähnt hatte. In der Tat sprach Laura sehr selten von Liebe oder ernsten Gefühlen. Ihre früheren Beziehungen waren meistens nur Lebensabschnitte, die jedoch nie länger als maximal drei Monate andauerten. Laura war immer auf der Suche nach dem gewissen Etwas und bei Jo schien sie es endlich gefunden zu haben, denn diese Person faszinierte sie so sehr, dass es kaum ein Wort gab um diese Gefühle zu beschreiben.
Einerseits war es Johannas Art, wie sie mir ihr umging andererseits gab es diese leidenschaftliche Liebhaberin in Jo, die Laura auf Ebenen schweben ließ von denen sie bis zu dem Zeitpunkt noch nichts wusste. Ja sie liebte Johanna sehr.
Am Abend, es war der Mittwoch saßen Ricky, Jo, Sandra und Nadine alle gemeinsam beim Essen in der Küche. Inzwischen war sich Jo sehr sicher, dass Sandra und Nadine mehr als nur Freundinnen waren. Es waren kleine Details, die es Johanna mit der Zeit verrieten. Zum Beispiel die kleinen Streits zwischen den beiden. Johannas Meinung nach, konnte nur ein Pärchen so streiten.
„Wir sind über das Wochenende weg. Wenn ihr also etwas braucht, Lebensmittel oder so, dann sagt mir oder Nadine schon am Donnerstag bescheid.“ verkündete Sandra.
„Wohin wollt ihr den wegfahren?“ fragte Ricky, nachdem sie ihr Stück Hühnchen zu Ende gekaut hatte.
„Wir wollen nach Frankfurt. Da ist eine Party und was habt ihr vor?“ Johanna grinste, denn nun hatte sie höchstwahrscheinlich den Beweis, der ihre Vermutung bestätigte.
„Ich bin mit Laura auch in Frankfurt zu Besuch bei einer Freundin von ihr.“ antwortete Jo.
„Tatsächlich? Wie kommt ihr denn dort hin?“ erkundigte sich Nadine.
„Wir fahren mit dem Zug.“
„Mit dem Zug. Wir fahren am Nachmittag los, wenn die Uhrzeit euch passt, dann könnt ihr ja mit uns fahren und zurück mit dem Zug?“
„das wäre super. Ich werde Morgen Laura fragen wegen der Zeit.“ erwiderte Johanna.
„Was ist mit dir Ricky, klebst du wieder die ganze Zeit bei Michi?“ lachte Nadine.
„Nein. Er ist über das Wochenende in München bei seinen Eltern.“
„Oh, dann komm doch mit uns mit. Du könntest auch mal deine Eltern besuchen.“ schlug Sandra vor.
„Ich werde es mir bis Morgen überlegen.“
Am nächsten Tag stand es fest. Jo und Laura würden mit Sandra und Nadine mitfahren und auch Ricarda entschloss sich mit zu kommen, da sie wirklich ihre Eltern in Frankfurt besuchen wollte. Am Freitagnachmittag standen nun alle vor der WG und packen ihre Sachen in den eigentlich kleinen schwarzen Fiat von Sandra rein.
Bei der fahrt saß Jo in der Mitte, rechts Ricky und natürlich links Laura. Ricky schaute die ganze Zeit aus dem Fenster, doch sie betrachtete nicht nur die Landschaft, die Straßen oder andere vorbeifahrende Autos nein, sie versuchte durch eine Spiegelung des Fensters Jo anzugucken. Direkt konnte sie das nicht, außerdem wollte sie nicht die rote Vogelscheuche sehen, so nannte Ricarda meistens in Gedanken Laura. Als Ricky Johanna so beobachtete, musste sie an einige Tage zuvor denken, als sie an einem Morgen noch ganz verschlafen die unverschlossene Tür zum Bad öffnete und Jo nur mit Jeans bekleidet erblickte. In dem Moment stockte ihr der Atem. Sie sah zum ersten Mal Johanna mit einem nackten Oberkörper. Ricarda war sofort von diesem Ausblick fasziniert. Jo war durchtrainiert, aber nicht zu viel. Ihre Brüste kamen Ricky nun um einiges größer vor. Vielleicht lag es daran, dass Jo meistens nicht Körperbetonte Polo-Shirts, Hemden oder T-Shirts trug. Unter dieser Kleidung verschwand all die Schönheit, welche Ricarda an diesem Morgen zum schmelzen brachte. Sofort wollte sie den Raum verlassen auch, wenn unfreiwillig, doch Jo schien es keineswegs was auszumachen. Sie putzte sich weiter die Zähne und meinte nur Ricky könne ruhig dableiben. Sie versuchte zwar nicht auf Jo´s Körper zu starren, jedoch schielte sie ab und zu, zu ihr rüber, so unauffällig wie möglich. An Johannas Körper befanden sich circa 10 Knutschflecke, die mit größter Wahrscheinlichkeit von Laura stammten. Diese Feststellung machte Ricky wütend, doch sie sah nicht nur die Liebesspuren von Laura. Am ganzen Rücken hatte Jo sehr viele kleine Narben und an der linken Hüfte erstreckte sich eine große lange Narbe, die sehr stark einer Schnittwunde ähnelte. Ricky interessierte es zwar sehr aber sie fragte nicht, aus Höflichkeit und Angst, woher all diese Verletzungen kamen.
Als erstes wurde Ricarda bei dem Elternhaus abgesetzt, anschließend Laura und Jo. Die Wohnung von Jul, Lauras Freundin, war nicht sehr groß, bestand aus zwei Zimmern, einem kleinem Balkon, Küche und Bad.
„Hallo ihr zwei. Es freut mich echt sehr, dass ihr da seit.“ rief Jul, als sie die Tür aufmachte und Laura sofort mit einer festen Umarmung begrüßte. Johanna wurde ebenfalls ‚durchgeknuddelt’ von der ihr noch fremden Person. Alle drei machten es sich bequem auf dem Sofa, nachdem Laura und Jo ihre Taschen in das zweite Zimmer gebracht hatten. Schnell entwickelte sich ein Gespräch zwischen den Dreien. Johanna war eher die ruhige, wie immer.
Lieber schaute sie sich etwas im Zimmer um. Es war ziemlich einfach eingerichtet, doch man sah sofort, dass hier eine kleine Künstlerin wohnte, denn einige Wände waren sehr kreativ verziert. Jul selbst sah auch nicht schlecht aus. Sie war zwar definitiv nicht Jo´s Typ aber beide bevorzugten denselben Kleidungsgeschmack. Die Haare bei Jul waren komplett an den Seiten wegrasiert, nur winzige paar Millimeter ragten hervor. In der Mitte dagegen befand sich ein blonder Iro, welcher von der Stirn bis hin zum Nacken reichte.
Geschmackssache, dachte sich Jo. Den ganzen Freitagnachmittag verbrachten Jul, Laura und Jo in der Stadt beim Shoppen. Am Abend passierte nicht viel, denn alle waren ziemlich müde wegen der ständigen Rumrennerei und vom vielen Reden.
Lediglich eine Diskussion ist entstanden, als Laura meinte Jo und Jul würden sich als Butchfrauen bis zu dem Zeitpunkt wirklich gut verstehen. Jo war da einer anderen Meinung, denn sie konnte sich keineswegs mit dem Wort Butch definieren und so entfachte ein langes und tiefes Gespräch zwischen den dreien was nun Butch, Femme, Queer, Androgyn und andere Begriffe zu bedeuten hätten. Erst als Jul ihren Laptop einschaltete und im Internet nach den Antworten suchte, gaben alle Ruhe und Jo legte fest, dass es für sie keine Beschreibung gab. Nun dies zu beurteilen war wohl in der Tat nicht leicht, vor allem, wenn man die Bedeutungen der Begriffe kannte aber auch mit der Kenntnis war es Johanna schwer recht zu machen. Sie war definitiv keine maskuline Frau, denn ihre weichen Gesichtszüge machten sie sehr feminin, ihr Oufit dagegen wirkte androgyn. Jos Charakter war ebenfalls vielschichtig. Mal kam sie machohaft rüber, mal war sie extremste Sensibel. Jo war einfach nur Jo ohne dieses Schubladendenken.
***
Samstagabend.
Vor der Party machten sich alle schick nicht nur Jul, Laura und Jo, sondern auch Sandra, Nadine und Ricarda. Die beiden hatten sie am Vormittag überredet mitzukommen und sie willigte ein. Jo dagegen war gespannt, ob sie Sandra und Nadine auf dieser Party tatsächlich treffen würde. Endlich war es soweit. Alle waren fertig und von allen Seiten marschierten Frauen ins ‚Joker’. Johanna war sofort überwältigt von solch einer Atmosphäre. Der ganze Club war voll bis zum geht nicht mehr und, dass um bereits 22 Uhr.
„Erstaunt?“ fragte Jul und grinste Jo an. Als Antwort bekam sie in deutliches Nicken.
„Warts nur ab. Es kommen noch mehr“. Jul hatte recht in der kommenden Stunde füllte sie der Raum noch mehr.
Hier werde ich ja Sandra und Nadine nie finden. Das ist ja schrecklich voll hier drin, dachte sich Jo und nahm Lauras Hand, damit sie in der ganzen Menge nicht verloren ging. Jul hatte einen guten Kontakt zu gewissen Leuten und so wurde für die drei eine VIP Lounge reserviert. Sie mussten an einem ziemlich starken Typen vorbei, der jeder von ihnen einen Stempel auf den Handrücken machte. Dieser Stempel unterschied sich von den anderen. In dieser Ecke war es deutlich ruhiger und es gab viel mehr Platz. Jo machte es sich sofort bequem auf der Couch und zog Laura gleich zu sich und gab ihr einen langen und zärtlichen Kuss.
„Ach kommt. Rummachen könnt ihr auch später im Bett. Was wollt ihr trinken? Ich geh gleich an die Bar und bestell uns was.“ sagte Jul. Schnell war eine Wahl an alkoholischen Getränken für die erste Runde getroffen und Jul machte sich auf den Weg. Der kleine Pluspunkt an der VIP Lounge war, abgesehen von der Ruhe und dem Platz, dass man die Getränke nicht selber abholen musste, denn sie wurden gebracht.
Es vergingen einige Stunden und weitere Runden von Getränken folgten, bis Laura plötzlich Jo aufforderte mit ihr zu tanzen. Jo konnte es zwar, jedoch tanzte sie nicht gern und schon erst recht nicht, wenn so viele Leute um sie herum waren doch, wenn Laura etwas wollte, bekam sie es mit Hilfe ihrer Überredungskunst und so schlenderte Jo hinter Laura her auf die Tanzfläche, welche nicht mehr so extrem stark besetzt war. Nachdem der dritte Song endete, wollte Jo wieder nach oben zu ihrem VIP Platz. Als sie sich umdrehte und einen Schritt nach vorne machte, stieß sie mit jemanden zusammen.
„Entschuldigung“ murmelte sie mit einer angetrunkenen Stimme.
„Das macht nix“ bekam sie als Antwort zurück. Nun blickte Jo zu der Person, die immer noch vor ihr Stand und nicht aus dem Weg gehen wollte.
Es war Sandra, die in dem Augenblick genauso erstaunt Johanna anschaute wie sie Sandra. Nach einigen Sekunden kam auch Nadine dazu. Alle schauten sich nun an ohne etwas zu sagen. Erst Laura brach die Stille zwischen den dreien.
„Schatzi, wolltest du nicht wieder hochgehen?“ fragte sie und zog Jo an ihrem Hemd.
„Doch aber, aber.“ Sie stoppte und begann mit dem Satz erneut.
„Doch ich wollte schon nach oben aber hier sind Sandra und Nadine.“ Genau in diesem Augenblick tauchte auch Ricarda aus der tanzenden Menge hervor. Jo und Ricky starrten sich gegenseitig erschocken und verwirrt an.
„Oh hallo. Tja da sieht man wieder mal wie klein doch die Welt ist.“ lachte Laura und begrüßte Sandra, Nadine und Ricky.
„Ja in der Tat ist die Welt viel kleiner als ich es mir gedacht habe.“ murmelte Sandra, während Nadine sich nicht mehr vor lachen halten konnte.
„Ich wusste es doch die ganze Zeit. Hab ich es dir nicht gesagt? Aber nein du weist ja immer alles besser Sandra. Jo, du musst nämlich wissen, dass ich es schon seit dem ersten Tag wusste, dass du lesbisch bist, doch diese Dame da neben mir behauptete was anderes.“ an dieser Stelle zitierte Nadine die genauen Worte von Sandra. Dazu versuchte sie auch ihre Stimme und Bewegungen nachzuahmen
„Nein sie ist hetero und wir werden erstmal noch nix sagen, damit sie ja keine Schock bekommt.“ Nadine schielte kurz zu Sandra, die nun auch ein Lächeln auf den Lippen hatte. Nur Ricarda stand ganz stumm da und wusste nicht was sie sagen sollte, genauso wie Jo. Beide hatte Angst etwas zu sagen, denn vielleicht würde ja der Gegenüber negativ reagieren.
„Wo ist den eigentlich euer Platz?“ fragte Laura neugierig.
„Wir sind oben in der VIP Lounge rechts.“ antwortete Sandra.
„Cool. Wir sind auch oben aber links, wenn ihr Lust habt, könnt ihr ja nachher zu uns mal kommen, denn wir, beziehungsweise Jo wollte unbedingt jetzt wieder hoch.“ Jo stimmte durch ein Nicken Laura zu und ging an Ricarda schweigend vorbei zu ihrer Ecke.
Die ganze restliche Zeit war Johanna teilweise abgelenkt und das Feiern machte ihr nun nicht mehr so richtig spaß, denn in ihrem Kopf herrschte ein verdammt großes Chaos. Nicht weil sie nun wusste, dass Sandra und Nadine ein Paar waren, sondern weil Ricarda auch dabei war.
Was hat das zu bedeuten? Ist sie etwa auch lesbisch oder bi? Oder haben Sandra du Nadine sie nur mitgeschleppt? Was sie wohl sich in den ersten Sekunden gedacht hat? Sie sah echt erschrocken aus. Ob sie sich nun anders mir gegenüber verhalten wird? überlegte sich Jo.
Auch Ricarda stellte sich ähnliche Fragen. Sie konnte Jo auch gut sehen, da diese sich genau auf der anderen Seite des Raumes befand.
„Also dieser Blick kann nur etwas mit Liebe zu tun haben“ sprach plötzlich Nadine.
„Wen sie wohl so intensiv beobachtete?“ fügte sie hinzu. Sandra setzte sich genau neben Ricky und schaute in dieselbe Richtung wie sie. Schnell begriff Sandra, dass es sich bestimmt nicht um eine fremde Person handeln muss, den so abwesend, wie Ricarda war, musste sie sich wohl sehr ernste Gedanken über etwas machen die bestimmt mit jemanden, den sie gut kennt zu tun haben mussten. Sandra musterte aufmerksam die Personen auf der anderen Seite der VIP Lounge, bis sie bei Jo mit ihrem Blick hängen blieb und da war es ihr klar, wieso Ricky sich seit einigen Wochen so komisch und launisch verhielt.
„Es ist Johanna, nicht war?“ fragte Sandra ganz vorsichtig. Verwirrt blickte Ricky zu ihr.
„Was meinst du damit?“
„Du hast dich in Jo verliebt. Das meine ich damit.“ erschaudert schaute Ricarda erst Sandra und dann Nadine an.
„Wer? Wie? Woher?“ sie stoppte kurz und fuhr fort.
„Woher wisst ihr das.?“ fragte sie schockiert.
„Wie du hier sitzt, so abwesend und tief in deinen Gedanken versunken, kann man dies nicht übersehen und mit ein bisschen Logik ist es eigentlich klar, dass es nur Johanna sein kann.“ erklärte Sandra und legte ihren Arm auf Ricardas Schulter. Mit einem traurigen Blick senkte Ricky ihren Kopf und bat die beiden sie nach Hause zu ihren Eltern zu begleiten. Sandra und Nadine willigten sofort ein, da ihnen nun auch die Laune aufs Feiern vergangen war. Sie blieben auch über nach bei Ricarda und sie erzählte ihnen, so wie Anton, die ganze Geschichte.
„Süße wieso hast du, denn nie mit uns darüber gesprochen?“ fragte Nadine, nachdem Ricarda ihre Erzählung beendet hatte.
„Ich habe gesprochen. Doch das habe ich viel zu spät gemacht.“
„Oh Ricky, rede mit Jo. Sie wird das bestimmt verstehen.“
„Nein wird sie nicht. Als sie mich gesehen hat, sagte sie kein Wort, da wird sie auch später nicht anders reagieren und außerdem, wie soll ich ihr das alles erzählen. Sie würde mich für total krank halten, wenn ich ihr sagen würde ‚Jo ich habe dich vor drei Wochen in dem Umkleideraum mit Laura gesehen und seitdem kann ich keine Nacht ruhig schlafen, weil ich dich liebe’. Nein das kann ich nicht. Noch nicht. Ich werde schon ein Weg finden um ihr meine Gefühle zu übermitteln aber jetzt noch nicht. Später.“
„Das ist OK. Wir werden nichts sagen und wenn du mal reden willst, kannst du gern zu uns kommen.“ entgegnete Nadine. Ricarda nickte und war froh, dass sie inzwischen Unterstützung von Sandra, Nadine und Anton hatte, die sie verstanden.
Jo dagegen verbrachte die restliche Zeit im Joker eher still. Immer wieder spielte sie in Gedanken die Situation ab. Viele verschiedene Überlegungen kamen und gingen. Auch am nächsten Tag war sie sehr verschwiegen. Auf die Frage von Jul, ob mit ihr alles in Ordnung sei nickte sie nur, auch wenn es eine Lüge war. Laura entging es nicht, dass mit Jo etwas nicht stimmte.
„Süße? Was ist den los mit dir. Ist es wegen Sandra?“ fragte sie als die beiden in den Zug nach Koblenz eingestiegen waren. Laura winkte noch ein letztes Mal durch das Fenster zu Jul, die am Bahnhof zurückblieb und den wegfahrenden Zug hinterher sah.
„Na ja. Ich hoffe bloß, dass sich nichts ändern wird.“ antwortete Jo nach langem Überlegen.
„Wieso sollte sich den etwas ändern? Sandra und Nadine sind doch zusammen oder?“
„Ja sind die“ entgegnete Johanna
„Ich denke da aber eher an Ricky. Ich befürchte, dass sie diese Sache nicht so leicht hingenommen hat wie Sandra und Nadine.“
„Wieso denkst du das?“
„Weis nicht. Ich habe so ein Gefühl“ Jo blickte aus dem Fenster.
„Was du fühlst, muss nicht immer der Realität entsprechen. Wart doch erstmal ab, was in der WG passiert. Vielleicht ist ja alles nicht so schlimm, wie du es dir vorstellst.“ Laura streichelte sanft über Jo´s Wange und gab ihr einen zarten Kuss auf die Lippen.
„Lass den Kopf nicht hängen.“ fügte sie hinzu. Dies fiel Jo schwer, doch als sie wieder zu Hause war und schnell feststellte, dass sich rein gar nichts verändert hatte, beruhigte sie sich etwas.
Ricky schien so wie immer zu sein. Am Anfang redeten sie über den Abend im Joker nicht, doch nach und nach fragte Ricarda Johanna aus.
„Wann hast du es eigentlich gemerkt, dass du lesbisch bist?“ fragte Ricky an einem Abend, als die beiden allein in der WG waren und sich die Zeit mit fernsehen vertrieben.
„Das kann ich nicht so genau sagen. Ich denke das habe ich immer schon gewusst, nur wahrhaben wollte ich es lange nicht.“
„Hast du dich gleich geoutet?“ bei dieser Frage schwieg Johanna eine Weile bis sie dann schließlich Ricky eine Antwort gab.
„Wenn ich die Möglichkeit erneut hätte, dann würde ich diesen Teil meines Lebens ganz anders angehen. Vorsichtiger. Überlegter.“ An dieser Stelle wollte Ricky nicht weiter nachfragen. Sie überlegte sich, wie sie selbst bei ihrem eigenen Coming-out vorgehen wollte. Wann wäre wohl der richtige Zeitpunkt für so was? Wie würden ihre Eltern oder Freunde reagieren? Was ist wohl bei Jo schief gegangen? Hatte diese Narbe eventuell etwas damit zu tun? Ricky schluckte. An so was hatte sie bis jetzt noch gar nicht gedacht. Wie denn auch? Sie war die ganze Zeit so sehr damit beschäftigt an Johanna zu denken und sich in ihren Gedanken auszumalen wie sie Jo endlich erobern könnte, dass ihr diese dunkle Seite an der ganzen Geschichte völlig entgangen war.
Die Tage vergingen und der Oktober neigte sich dem Ende zu. Jo und Ricarda waren mit ihren Ausbildungen beschäftigt, Laura führte eine feste Beziehung mit Jo. Ricarda traf sich mit Michael und Mike führte einen kleinen Streit mit Laura, da diese ihm so gut wie nie eine Möglichkeit lies sich allein und ungestört mit Jo zu treffen. Sandra und Nadine führten nicht mehr dieses Versteckspiel in Johannas Gegenwart. Jo verstand es so oder so nie wirklich, wieso die beiden so lange ein Geheimnis draus machten.
An einem Abend als Johanna ein Buch las, klingelte unten in der Küche das Festnetztelefon. Ricarda ging ran.
„Jo?“, rief sie
„Es ist für dich“ Sofort legte Johanna ihr Buch beiseite und ging runter.
„Hallo?“
„Hey Maus.“
„Sanny? Wieso rufst du den so spät noch an? Ist was passiert?“ fragte Jo mit besorgter Stimme.
„Nein, nein. Es ist alles in bester Ordnung. Georg und Marcel sind grade bei mir und wir haben über dich geredet.“
„Ach tatsächlich? Sanny sag mal was genau machen Georg und Marcel im Moment?“ Es wurde still nur ein Gekicher konnte Jo am Ende der Leitung wahrnehmen
„Ach die stopfen sich wieder mit dem Grünzeug voll.“ erwiderte Sanny gelassen. Johannas Miene dagegen verfinsterte sich schlagartig.
„Müsst ihr den immer dieses Zeug kiffen? Wann werdet ihr endlich mal Erwachsen? Wenn dich mal deine Eltern erwischen, dann bist du hinüber, das weist du doch bestimm, oder?“
„Erwachsen werden wir schon noch früh genug. Ja das ist mir schon fast vor paar Wochen passiert. Mein Vater ist zu mir ins Zimmer gekommen und hat sich voll gewundert, wieso es bei mir so neblig ist. Gott hatte ich schieß aber gut, dass er total extremen Schnupfen hatte und absolut nichts riechen konnte. Da habe ich ihm einfach gesagt, dass ich ein Räucherstäbchen angezündet hatte. Er hat’s geglaubt. Cool, nicht war?“ Sanny lachte und wieder hörte Jo im Hintergrund das Gekicher von Georg und Marcel, die diese Geschichte anscheinend genauso wie Sanny lustig fanden.
„Ich weis nicht, ob das cool ist.“. erwiderte Jo kühl.
„OK. Themawechsel. Marcel hätte fast seinen Ausbildungsplatz verloren.“ In dem gleichen Moment als Sanny den Satz ausgesprochen stieß Marcel sie in die Seite.
„Aua. Das tut doch weh.“ jaulte Sanny.
„Du sollst ja auch nicht jedem diese Geschichte erzählen. Dank dir weis es bald nicht nur ganz Berlin sondern auch noch ganz Koblenz.“ murmelte Marcel im Hintergrund. Ein leichtes Lächeln huschte Jo über die Lippen.
„Jo bis du noch da?“ fragte Sanny.
„Natürlich bin ich da. Wo soll ich den sonst sein.“ feixte Johanna.
„Gut, denn ich rufe ja aus einem ganz anderen Grund an.“
„Tatsächlich? Ich dachte du rufst einfach so an?“
„Nicht ganz. Also hör zu. Du weist ja ich habe Anfang November, um genauer zu sagen am 7. November meinen Geburtstag und dir ist es ja bestimmt nicht entgangen, dass ich 18 werde, oder?“ Sanny wartete nicht auf die Antwort von Jo und redete weiter.
„Weist du noch was wir uns gegenseitig versprochen haben. Du und ich?“ fragte sie Johanna.
„Ja. Wir wollten den 18. Geburtstag gemeinsam feiern. Deinen du meinen.“
„Richtig. Deshalb haben wir uns heute, also Marcel, Georg und ich gedacht, dass es doch supertoll wären, wenn wir zu dir könnten und dann meinen B-day gemeinsam feiern. Wir haben da aber eher an ein ganzes Wochenende gedacht. Was hältst du von dieser Idee?“ fragte Sanny erwartungsvoll.
„Also ich finde den Vorschlag super. Platz hätte ich genug, nur was Schlafmöglichkeit angeht“ Johanna macht eine kurze Pause.
„Denkst du Marcel und Georg können auf dem Boden schlafen?“ Sanny lachte.
„Muss ich etwa auch am Boden schlafen?“
„Nein du hast den Ehrenplatz in meinem Bett.“ Sanny übermittelte sofort den Jungs die Nachricht. „Wie am Boden schlafen?“ reif Georg.
„Wieso darfst du dann im Bett schlafen und wir am Boden. Tauschen wir doch. Du Boden, ich Bett“ erwiderte Marcel.
„Nix da. An Jo´s Seite dürfen nur Frauen einschlafen.“ Sanny streckte den beiden ihre Zunge raus.
„Moment, ich weis doch noch gar nicht ob das klar geht. Ich müsste das ganze noch mit den Mädels besprechen und wenn sie alle grünes Licht geben, dann könnt ihr gerne kommen und bezüglich des Schlafplatzes. Vielleicht lässt sich da ja noch was machen, damit keiner am Boden schlafen muss.“ gab Jo zur Antwort.
Sie freute sich tatsächlich über diese Idee, denn sie hatten sich seit dem Abschluss nicht mehr gesehen. Das wäre also eine super Gelegenheit um miteinander zu quatschen und alle vier wären wenigstens wieder für wenige Tage beisammen.
Nach einem kurzen und sehr positiven Gespräch mit den restlichen Mitbewohnerinnen der WG rief Jo am nächsten Tag ihre Freundin an, um ihr die tolle Nachricht mitzuteilen. Neben der Zustimmung, erklärte sich Sandra auch bereit zwei Gästebetten aufzutreiben, damit keiner auf dem Boden die Nächte Verbringen musste. Nachdem alles mitgeteilt war, legte JO auf und warf anschließend einen Blick auf ihren Kalender, welcher an der Wand neben dem Fenster hing.
Hmm, das sind ja nur noch fünf Tage bis zum Freitag. Mist ich brauch ja dann noch ein Geschenk für Sanny. Was könnte ich ihr denn schenken? überlegte sich Jo.
Am besten ich ruf Mike an. Der könnte mir bestimmt helfen. Gedacht, getan.
Das Haustelefon klingelte und Laura ging ran.
„Hi Schatzi. Was gibt es denn?“
„Hi Laura. Ähm es gibt eigentlich nichts. Ich wollte nur mit deinem Bruder sprechen.“
„Mike? Was willst du den von ihm?“
„Sei doch nicht immer so neugierig. Das will ich mit ihm allein besprechen.“
„Oh. Was machst du den heute noch so? willst du später zu mir kommen?“
„Nein kann ich nicht. Ich muss in die Stadt.“
„Was ist mit Wochenende?“
„Da gebe ich eine Geburtstagsparty für eine gute Freundin von mir. Sanny. Sie und zwei andere Freunde von mir kommen übers Wochenende hierher.“
„Sanny? Hmm ist es die, von der du so oft erzählt hast?“
„Ja aber so oft war es nun auch nicht. Also Maus gibst du mir mal den Mike bitte?“ fragte Jo lieb, wurde jedoch langsam ungeduldig, da jedes Mal solche Telefonate abliefen.
„Ja der kann doch warten. Heißt das nun, dass wir am Wochenende nichts machen können?“
„Doch natürlich. Du kommst zu mir. Ich feiere doch nicht ohne dich.“
„Okay“ Endlich rief sie Mike zum Telefon. Mit einem finsteren Blick nahm er ihr das Telefon ab und verschwand in seinem Zimmer.
„Hey Jo.“
„Hi. Hast du heute Zeit. Ich bräuchte mal bei zwei Dinge deine Hilfe.“
„Klar. Mir ist im Moment alles lieber, als in der Gegenwart von Laura zu sein.“ antwortete Mike verärgert.
Jo seufzte.
„Ich kann dich verstehen. Ich hol dich dann in einer halben Stunde ab. Bis dann.“ Mike legte auf und schlenderte wieder runter. Laura stand in der Küche und machte sich gerade einen kleinen Snack.
„Also jetzt spinnst du wirklich komplett.“ murrte Mike.
„Hä? Was willst du von mir?“
„Ich will absolut nichts aber so wie du dich letzte Zeit verhältst, wird Jo sicher nicht lange deine feste Freundin bleiben.“ Laura starrte Mike fassungslos einen Momentlang an und fragte ihn schließlich wie er auf so was kam.
„Du klammerst voll an ihr. Es war schon gemein genug von dir gleich nach meiner Offenbarung sich an sie ranzumachen aber dieses Verhalten. Das ist echt das aller Letzte. Du schwirrst ständig in ihrer Nähe, lässt ihr absolut keine Freiraum und ich habe ernsthaft das Gefühl, dass du Jo versuchst von mir fernzuhalten?“
Laura blickte ihn kurz an und fragte woher er denn wisse, dass Jo keinen Freiraum hätte und ob ihm das Johanna erzählt hatte. Mike schwieg. Laura drehte sich um und ging zu ihm.
„Mike, du würdest mir es doch sagen, wenn Jo dir was erzählt?“ Das war für Mike zu viel. Er warf Laura nur einen bösen Blick, schnappte sich seine Schlüssel und verschwand so schnell es ging aus dem Haus. So was hatte er bei seiner Schwester noch nie erlebt. Bis jetzt interessierte es sie nie wirklich sehr, was ihre vorherigen Freundinnen dachten oder sagten aber bei Jo schien es anders zu sein.
Auf dem halbe Weg trafen sich die beiden. Jo erklärte Mike, dass sie ein Geschenk für Sanny brauchte und deshalb in die Stadt wollte. Vielleicht würde sie ja dort was finden und Mike sollte ihr dabei Gesellschaft leisten und nebenbei könnten sie besprechen wie sie die Party organisieren könnten. Rasch hatte Mike eine Idee.
„Wir könnten im Garten das Fleisch grillen und selbstverständlich im Haus essen, da es ja inzwischen schon viel zu kalt ist. Wenn dir diese Idee gefällt, könnte ich den Grillmeisterpart übernehmen.“
„Ja so machen wir es. Ich kümmere mich dann um die Getränke und alles andere klären wir erst später. Die Party ist ja so oder so am Samstag. Also haben wir genug Zeit.“
Nachdem dieses Thema erledigt war, blieb nur noch eins, das Geschenk. Auch dieses Problem lies sich lösen, auch wenn es etwas länger gedauert hatte. Jo war gerade dabei aufzugeben als sie und Mike an einem kleinen Fotostudio vorbeimarschierten. Mike blickte in das Schaufenster.
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„Jo? Hast du nicht mal erwähn, dass du auf deinem Handy oder so ganz viele Fotos von deinen Freunden hast?“
„Ja habe ich, wieso fragst du?“
„Schenk ihr ein Fotoalbum mit den ganzen Fotos. Schau, hier kannst du es individuell gestalten. Mit lustigen Rahmen, Bildereffekten, und Beschriftungen der jeweiligen Fotos. Das wär’s doch oder?“ Jo schaute sich das Ausstellungsstück genauer an.
„Mike du bist ein Schatz. Was würde ich wohl nur ohne dich machen.“ Mit strahlenden Augen umarmte Johanna Mike und bedankte sich bei ihm. Anschließend betraten beide das kleine Fotostudio und Jo erkundigte sich über das Album, welches man auch bequem daheim zusammenstellen konnte und das fertige Stück online an das Fotostudio übersenden.
Noch am selben Tag gestaltete Jo mit Mike die ganzen Fotos am Laptop, den Sandra ihr zur Verfügung stellte. Dabei verwendete Johanna lustige Sprüche, passend zu den Fotos. Nachdem das letzte Bild bearbeitet war, schickte Johanna das fertige ‚Meisterwerk’ ab und hoffte, dass es rechtzeitig fertig werden würde.
Sanny rief am Vorabend der Ankunft Jo noch mal an und teilte ihr die genaue Zeit mit.
„Ich hoffe ihr nehmt nicht zu viele Sachen mit. Ihr müsst sie nämlich vom Bahnhof bis zum Haus schleppen, da ich euch zu Fuß abholen werde.“
„Das geht schon.“ antwortete Sanny.
„Und noch was. Kein Grünzeug oder Ähnliches. Ist das Klar? Ich will keinen Ärger bekommen.“ sprach Johanna mit einer strengen Stimme.
„Oh stimmt, du bist ja jetzt im FREUND UND HELFER Verein. Alles klar Boss. Es wird nichts Verbotenes oder Unanständiges mitgenommen.“
Johanna schmunzelte. „Na dann müsstest du ja auch Daheim bleiben.“
„Woha. Das merk ich mir. Warts nur ab, Rache ist süß.“
„Ich kann’s kaum noch erwarten.“ neckte Jo.
Freitag.
Wie vereinbart stand Jo am Gleis und wartete ungeduldig auf Sanny. Kurz davor war sie noch im Fotostudio und holte das Fotoalbum ab, welches genau zur perfekten Zeit fertig geworden war. Nervös lief Jo auf und ab und konnte es kaum noch erwarten, bis der Zug endlich am Bahnhof eintraf. Wenige Minuten später war es endlich soweit. Der Zug kam. Viele Passagiere stiegen aus und als fast letzte kamen endlich Sanny, Marcel und Georg. Jo rannte sofort zu ihnen rüber und umarmte erstmal alle zur Begrüßung.
„Wow. Jo du siehst ja richtig sexy aus mit dem neuen Haarschnitt und der Farbe.“ musterte begeistert Sanny Johanna. Daraufhin bedankte sich Jo grinsend.
Bereits am Weg redeten alle ununterbrochen über das Leben, über die Fahrt und jeden möglichen anderen Kram, der ihnen einfiel. Als sie endlich an der WG ankamen, ging Jo voran und öffnete die Tür. Sofort lag ein leckerer Geruch in der Luft.
„Tja das ist der offizielle Ruf zum Mittagessen bei uns.“ scherzte sie.
Alle vier begaben sich in Johannas Zimmer um ihre Taschen und Rücksäcke abzulegen. Anschließend stellte Jo endlich ihre Freunde ihren Mitbewohnerinnen vor.
Den ernstlichen Abend verbrachten alle gemeinsam. Sanny verstand sich auf Anhieb super mit den Mädels aus der WG. Marcel und Georg ebenfalls, außer, dass sie sich leicht fehl am Platz vorkamen bei so viel ‚Frauenpower’ im Haus. Jo beruhigte die beiden, dass am Samstag zu ihnen eine Verstärkung dazukommen würde namens Mike und Michi.
Samstag.
Der Tag begann mit Gratulationen von allen Seiten, den Sanny hatte ja Geburtstag. Das Geschenk wollte Johanna erst später Sanny überreichen. Als erstes musste Alles für die kleine Feier vorbereitet werden. Jo hatte Sanny schon gewarnt, dass es nichts Großes oder Besonderes werde, doch Sanny war es egal. Sie meinte bloß, solange die Gesellschaft toll war, ist der Ort ihr schnuppe und die Gesellschaft fand sie mehr als toll. Am Nachmittag kam Mike. Wie versprochen beschäftigte er sich mit dem Grill, den er schon am Vorabend zu Jo gebracht hatte, sowie die restlichen benötigten Utensilien. Georg und Marcel schlossen sich ihm schnell an. Auch Michi, der kurz darauf eintraf gesellte sich sofort zu der Männergruppe. Laura kam etwas später und war wie immer stets in Johannas Nähe. Sandra und Nadine beschäftigten sich in der Küche mit den Essen und Sanny half ihnen mit. Ricarda half inzwischen Jo noch beim Einpacken des Geschenks, da Johanna am Freitag keine Zeit mehr gefunden hatte dies zu erledigen.
Nachdem alles hergerichtet war, versammelten sich alle in Sandras Zimmer, welches das Größte war und als einziges einen Durchgang zum Garten hatte, wo sich der Grill befand. Nun war es an der Zeit dem Geburtstagskind die Geschenke zu überreichen. Jeder brachte etwas mit auch, wenn das meiste Süßigkeiten waren oder eine Geburtstagskarte mit einem flauschigen Schlüsselanhänger. Sanny war trotzdem sehr gerührt, da im Grunde ihr fremde Menschen plötzlich so nah waren. So was hatte sie noch nie in Berlin erlebt. Hier herrschte irgendwie eine ganz andere Atmosphäre. Jeder war nett, hilfsbereit und man fand immer ein Thema über was man reden konnte, auch wenn man die Person erst einen Tag kannte. Als letztes waren Jo und Mike an der Reihe. Mit einer kleinen Rede überreichte Johanna Sanny das Album und wartete ab. Das Geburtstagskind öffnete langsam und vorsichtig das Geschenkpapier. Mit strahlenden Augen betrachtete sie Das Cover, welches schön verziert war und in der Mitte mit kreativer Schrift ‚Alles Gute zum 18. Geburtstag Sanny’ geschrieben stand.
Sie blätterte einige Seite durch, las sich die Kommentare und betrachtete genau die Fotos. Jo hatte die Bilder nie gezählt aber sie schätzte, dass es bestimmt über 200 Stück waren. Manche entstanden vor etlichen Jahren, als Marcel, Georg, Sanny und Jo noch kleine Kinder waren. Mit Tränen in den Augen sah Sanny zu Jo hoch, stand auf und umarmte sie.
„Danke. Du bist echt die beste Freundin, die man je haben kann.“ flüsterte sie.
„Da musst du aber auch Mike umarmen, denn er hat mir dabei geholfen.“ lächelte Jo. Sanny löste sich von Johanna, umarmte auch Mike und hauchte ihm ebenfalls ein Dankeschön ins Ohr.
Jo erklärte anschließend den weiteren Verlauf. Zuerst wollten sie in der WG etwas essen und eventuell noch eine andere Beschäftigung suchen und am Abend so gegen 22 Uhr war es Vorgesehen in die Stadt zu gehen um den Abend in einem Gasthaus oder einer Bar ausklingen zu lassen. Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden und machen sich rasch über das gegrillte Fleisch und die Würstchen her, die Mike erst vor wenigen Minuten auf den Tisch gestellt hatte und bereits für den Nachschub sorgte. Da Jo keine Hunger mehr hatte, gesellte sie sich zu ihm.
„Na, so ganz allein hier, Grillmeister?“ grinste Johanna und reichte Mike eine Flasche Bier.
„Na ja jemand muss ja schließlich die Meute im Haus versorgen.“ entgegnete er ebenfalls lächelnd. Nach einer kurzen Schweigepause setzte Mike das Gespräch fort.
„Kann ich dich mal was fragen?“
„Klar“
„Sanny ist doch hetero oder?“ schielte Mike durch das Fenster zum Geburtstagskind.
„Ja ist sie“ lautete Jo´s Antwort.
„Hat sie einen Freund?“
„Nein, im Moment noch nicht.“
„Denkst du ich bin ihr Typ?“ mit einer hochgezogenen Augenbraue schaute Jo zu Mike rüber.
„Also das, mein Lieber, musst du schon allein raus finden.“ antwortete sie und ging mit Mike rein, da die nächste Portion Gegrilltes fertig war.
Nachdem alle pappsatt waren und es noch zu früh war um in die Stadt zu gehen, wurde das Gemeinschaftsspiel ‚Tabu’, welches Michi mitgebracht hatte, vorgeschlagen. Zuerst war Sanny skeptisch, denn an ihrem 18. Geburtstag ‚Tabu zu spielen kam ihr komisch vor, doch schnell wurde sie von Jo überzeugt. Als bereits schon nach einer kurzen Zeit dieses Spiel zu langweilig wurde, kam das bekannte Flaschendrehen dran. Überraschenderweise willigten alle ein. Inzwischen waren Bier und andere Alkoholische Getränke leer getrunken. Vielleicht erklärte ja dies die große Bereitschaft von Allen. Schnell wurde der Tisch, samt dem Essen wieder in die Küche befördert, damit im Zimmer genug Platz für einen Kreis war. Georg holte aus der Küche eine leere Flasche und setzte sich wieder in den Kreis. Vorab wurden die Regeln kurz erklärt. Jeder hatte zwei Joker, die er bei einer beliebigen Runde einlösen konnte, wenn er ein Frage oder eine Pflicht nicht beantworten beziehungsweise erfülle wollte. Ebenso war es Verboten zweimal hintereinander dasselbe zu wählen.
Georg drehte als erster und traf sofort auf Sanny. Sie wählte Wahrheit. Georg stellte seine Frage, die nicht besonders interessant war, da ihm im Moment nichts Besseres einfiel, bekam eine Antwort, die ebenso langweilig war und übergab die Flasche an Sandra. Es traf Mike. Er wählte Pflicht.
„Also Mike, du darfst 10 Liegestützen machen.“ verkündete sie. Mit einem Lächeln war er gerade dabei aufzustehen als Sanny noch was dazufügte.
„Und das Oben ohne.“ Mike erstarrte halb Aufrecht und schaute in die Runde. Fieses Grinsen erreichte ihn von jeder Seite. Langsam zog er sein Sweatshirt aus und ging in Stellung.
„Oh nein. Das hat mir noch gefehlt. Als ob es nicht reicht ihn jeden Tag zu Hause halbnackt zu sehen“, flüsterte Laura Jo zu.
„Du musst ja nicht hinschauen. Richte deine Augen einfach auf mich. Da hast du mehr davon.“ lächelte Johanna.
„Nein leider nicht. Dein Bett ist ja heute Nacht besetzt.“
„Look, but don´t touch bebe!“
“Ach Schatzi. Kannst du denn nicht heute bei mir übernachten?“ hastig richtete Jo ihren Blick auf Laura.
„Wie stellst du dir das bitte vor? Soll ich etwa meine Gäste hier allein lassen, die eigentlich wegen mir hier sind und zu dir gehen?“ Laura senkte den Kopf. Der ernste Gesichtszug von Johanna und der schrille Ton sagten mehr als 1000 Worte, deshalb hielt sie es für das Beste zu schweigen.
Jo liebte Laura sehr, doch mit der Zeit wurde diese Liebe immer kleiner und kleiner. Einerseits lag es daran, dass Jo für Ricky auch Gefühle empfand und andererseits, weil Laura immer bei Johanna sein wollte. Johanna hatte schon seit Wochen keinen Freiraum mehr. Egal wo sie war, schwirrte Laura in ihrer Nähe, egal wohin sie wollte, wollte Laura unbedingt mit. So hatte Jo es sich nicht vorgestellt.
Inzwischen war Jo selber an der Reihe und nahm Wahrheit. Georg stellte Jo die Frage.
„Wieso bist du lesbisch Jo?“
„Weil Frauen die absolut attraktivsten wesen der Welt sind.“
„Alle?“
„Nur ein Frage Georg. Das kannst du mich ja beim nächsten Mal fragen.“ antwortete Jo und drehte die Flasche. Es traf Ricky. Das sie bei Jo nichts Befürchten musste wählte sie Pflicht. Nach einem kurzen Überlegen verkündete Jo Ricarda die Aufgabe. Sie solle in die Küche gehen und ihr ein Sandwich machen. Sofort meldeten sich alle anderen auch und aus einem Sandwisch wurde ein ganzer Haufen.
Nach vielen weiteren Runden, als jeder schon mindestens fünfmal dran war, schaute Jo auf die Uhr, während Marcel die Flasche zum letzten mal drehte, teilte Johanna allen mit, dass sie nach dieser letzten Runde in die Stadt gehen würden. Die Flasche blieb bei Ricky stehen. Da alle ihre Joker bereits verbraucht waren und zuvor sie Pflicht hatte, musste sie sich unfreiwillig für ‚Wahrheit’ entscheiden. Marcel dachte kurz nach.
„Würdest du, wenn du eine Möglichkeit hättest mit einer Frau schlafen?“ fragte er schließlich. Ricky stockte der Atem, denn genau s eine Frage versuchte sie den ganzen Abend zu vermeiden. Sie hätte Lügen können, doch das war nicht der Plan, denn Ricky wollte, dass Jo es endlich auch weis. Es fiel ihr schwer, doch sie riss sich zusammen und beantwortete die Frage geschickt.
„Wenn ich die Gelegenheit hätte, würde ich es jede Zeit tun.“ Als sie diese Worte aussprach behielt sie besonders Jo stets im Auge.
Während alle sich aufrichteten und langsam ihre Sachen anzogen machten sich einige Personen Gedanken über, das was Ricky gerade eben gesagt hatte. Michi war positiv überrascht, weil er das nie vermutet hätte. Jo war verwirrt und wusste nicht was sie von so einem nahe zu Geständnis halten sollte, schließlich war sie sich bis zu diesem Punkt sehr sicher, dass Ricky Augen nur für die Männerwelt hatte. Jetzt aber war die ganze Sicherheit mit einem Mal weg, genauso wie der Schutz, den sich Jo aufgebaut hatte mit der Begründung, dass Ricarda hetero war und nie für Jo mehr als eine Freundin sein könnte.
Laura dagegen, war alles Andere als positiv von dieser Aussage überrascht. Bis jetzt sah sie nie eine Rivalin in Ricky, doch mit diesem eigentlich bedeutungslosen Satz änderte sich für Laura alles. Außerdem entging ihr nicht der Blick, mit dem Ricarda Jo anschaute als sie Marcel antwortete.
Ricky selbst war sehr zufrieden, denn nun war sie ein Stückchen näher ihrem Ziel namens Jo.
Auf dem Weg in die Stadt verabschiedete sich Michi von der Truppe, da er nicht mit in die Bar gehen konnte. Ricarda war sichtlich traurig deswegen. Mit einem Kuss verabschiedete sie sich von ihm und holte schließlich die Anderen ein. Der Abend verlief super. Jeder hatte seinen Spaß. Jo dachte ausnahmsweise mal nicht an Ricky und Laura, die ihr das Laben schwer machten. Nein, sie genoss es einfach ihre Freunde bei ihr zu haben und so wie in alten Zeiten gemeinsam einen tollen Abend verbringen.
Am nächsten Tag stand Ricky als erste auf und tapste noch total müde in Richtung Bad. Auf dem Weg blickte sie kurz durch die offene Tür in Johanns Zimmer. Die Decken von Marcel und Georg lagen halb auf dem Boden und Sanny lag eng an Jo gekuschelt. Bei diesem Anblick musste Ricky unwillkürlich lächeln. Ricarda überlegte was wäre, wenn sie an Stelle von Sanny in Johanns Bett liegen würde. Wie es sich wohl anfühlte in Johanns Armen einzuschlafen und wieder aufzuwachen und ob sie jemals die Gelegenheit dies raus zu finden, bekommen würde?
Als endlich die Anderen wach waren, versammelten sich alle nach und nach zum Frühstück in der Küche. Als letztes kam Sanny und fragte sofort nach einer Aspirintablette.
„Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich 1. Tatsächlich an meinem 18. Geburtstag Flaschendrehen und Tabu gespielt habe und
2. kann ich mich nicht daran erinnern so viel getrunken zu haben.“ jammerte sie. Georg schaute kurz in die Ecke, wo ein ganzer Haufen leerer Flaschen deponiert war.
„Also ich weis ja nicht, ob Sanny allein das alles getrunken hat aber man könnte bestimmt mit dem Pfand von diesen Flaschen reich werden.“ grinste er.
„Ja vielleicht aber vorher würde man einen Muskelkater vom Schleppen bekommen.“ erwiderte Marcel und machte einen Schluck von seinem Kaffee.
Nach dem Frühstück halfen alle beim Aufräumen mit und anschließend packten Sanny, Georg und Marcel ihre Sachen, denn in wenigen Stunden würde ihr Zug fahren.
Alle WG Bewohnerinnen begleiteten die Gäste gemeinsam zum Bahnhof. Johanna verabschiedete sich von allen und wechselte noch die letzten Worte mit Sanny, bevor sie in den Zug stieg. Jo mochte nie wirklich Abschiede aber dieser tat ihr besonders weh, denn die wenigen Tage, die sie gemeinsam mit den alten und neuen Freunden verbracht hatte war bis jetzt die wohl schönste Zeit seit sie in Koblenz wohnte. Es war eine Abwechslung von dem normalen Alltag und nun würde der reguläre Ablauf wiederkehren aber alles hatte nun mal ein Ende und so sah Jo noch lange dem Wegfahren Zug hinterher der schließlich nicht mehr zu sehen war.
***
In den nächsten Wochen beschäftigte Johanna jedoch ein viel größeres Problem als die Einsamkeit und zwar Laura. Von Tag zu Tag wurde es für Jo unerträglicher. Auf der einen Seite weil Jo andauernd an Ricky denken musste und ihr kam es sogar manchmal vor als würde Ricarda sie provozieren. Mit ihrem Kleidungsstil zu Hause oder bei DVD Abenden, wenn sie ganz nah an Jo rankuschelte, sodass Johanna nur wenig vom Film mitbekommen konnte, weil sie zu sehr mit Rickys Anwesenheit abgelenkt wurde. Auf der anderen Seite war es Laura, die immer so launisch, zickig und manchmal sogar nervig war. Jo fragte sich oft, ob es vielleicht an ihr lag, ob sie sich selber falsch verhielt, doch sie konnte nie eine Antwort auf diese Frage finden. An einem Wochenende, als Jo wieder mit Mike unterwegs war, entwickelte sich ein Gespräch zwischen ihnen. Johanna erfuhr, dass Mike an dem Abend in der Stadt mit Sanny die Handynummern getauscht hatte und nun sie in Kontakt waren. Er erzählte auch, dass sie sich gegenseitig E-Mails schrieben und ab und zu telefonierten.
„Ich finde Sanny echt toll. Sie ist witzig und süß aber die Entfernung“ Mike seufzte.
„Tja Mike, man weis nie, wo die Liebe hinfällt. Bei so was spielt dann auch die Entfernung keine Rolle mehr.“
„Oh, da irrst du dich aber Jo. Wie soll ich es zulassen dass Gefühle entstehen, wenn SIE so weit weg ist und wir uns wahrscheinlich nie mehr sehen werden?!“
„Und woher weist du, dass da nicht schon längst Gefühle entstanden sind?“ fragend schaute Johanna Mike direkt in die Augen.
„Hmm, ich weis nicht.“ entgegnete er leise. Eine Weile sagte keiner mehr etwas, bis Jo das Thema änderte.
„Gibt’s bei dir eigentlich noch was Neues?“
Mike überlegte kurz.
„Ja, Laura macht jetzt voll Terror zu Hause. Sie quetscht mich nach jedem Treffen mit dir aus und will andauernd wissen, ob du mir etwas Wichtiges erzählt hast.“ gab Mike etwas genervt zur Antwort. Jo seufzte.
„Ich habe mit ihr so oft schon darüber geredet und immer wieder kommt das gleiche dabei raus. Jetzt ist es schon ende November. Einen ganzen Monat habe ich ihr versucht verständlich zu machen, dass sie sich weder Sorgen mache muss, noch jede frei Minute meinen Bodyguard spielen braucht. Mike, mach ich vielleicht etwas falsch?“ Jo blickte verzweifelt.
„Nein. Ich denke es liegt nur an Laura. Ihr war noch nie eine Freundin so wichtig wie du. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich Pläne für die Zukunft macht und das mit dir zusammen.“ Bei diesem Satz musste Jo schlucken.
„Ich will dir aber noch was sagen Jo. Mach dich nicht unglücklich indem du vorgibst eine tolle Beziehung zu führen. Ich merk es doch, dass du dir über etwas den Kopf zerbrichst und deine Gefühle bei einer anderen Person sind. Vielleicht wird es Zeit einen Schlussstrich zu ziehen.“ Mit dieser Aussage traf Mike genau ins Schwarze.
In der nächsten Woche zog sich Jo zurück und überlegte, wie sie es Laura am besten übermitteln konnte. Sie wollte auf keinen Fall zu grob wirken oder Laura mehr als nötig verletzen aber es war an der Zeit, wie Mike es schon sagte, einen Schlussstrich zu ziehen.
Langsam ging Johanna zu Laura. Den Weg kannte sie schon in- und auswendig. Es dauerte jedoch an diesem Tag mehr als eine halbe Stunde bis Jo tatsächlich bei Lauras Haus ankam. Sie klingelte. Nach wenigen Sekunden hörte Jo Schritte und Laura öffnete ihr die Tür und bat sie sofort herein. Johanna versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als sie Laura in ihr Zimmer folgte. Doch es kam alles ganz anders. Mitten im Raum blieb Laura mit dem Rücken zu Jo stehen.
„Mach es bitte kurz“ hörte Jo Laura sagen. Total verwirrt stotterte sie etwas Unverständliches vor sich hin.
„Jo“ rief Laura lauter als sie es vorhatte und drehte sich zu Johanna um.
„Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Denkst du etwa ich merke nicht, dass du dich von mir immer mehr und mehr distanzierst?“ Sie atmete tief ein und wischte kurz eine Träne von der Wange.
„Ich weis genau was du vorhast. Also mach es bitte kurz. Du musst keine Reden halten.“ Johanna starrte Laura sprachlos an. All die Wörter und Sätze, die Jo sich die ganze Woche zusammengelegt hatte, waren plötzlich aus dem Kopf verschwunden.
„Es liegt nicht an dir.“ stammelte Jo mit leiser Stimme und senkte ihren Kopf zu Boden.
„Das ist nicht wahr Jo. Nur ich bin daran schuld. Ich allein habe dich aus meinen Armen vertrieben.“ erwiderte Laura mit protestierendem Blick.
„Ich hatte Angst Jo. Angst dich an Jemanden zu verlieren. Mein Benehmen hat jedoch alles nur noch schlimmer gemacht. Bitte, gib mir noch eine Chance.“ fügte sie hinzu und schaute zu Jo.
„Ich kann nicht.“ lautete Johannas Antwort.
„Wieso nicht. Ich werde mich ändern Jo.“
„Es spiel keine Rolle, ob du dich änderst oder nicht. Es sind die Gefühle Laura. Gefühle die ich für eine andere Person empfinde. Es ist auch egal, ob diese Gefühle erwidert werden oder nicht. Punkt ist, dass ich dich nie so lieben könnte, wie es eine andere Frau an meiner Stelle tun kann.“ erklärte Johanna und versuchte dabei so gut wie möglich Lauras Blicke zu vermeiden.
„Aber ich will nur dich Johanna. Es gibt für mich keine andere Frau, die mich glücklicher machen könnte als du es machst. Ich habe nie mich wirklich an eine Person gebunden aber bei dir ist es vollkommen anders, denn du bist die erste Frau, die mir wirklich was bedeutet und mit der ich mir sehr gut vorstellen könnte auch in drei, fünf oder zehn Jahren zusammen zu sein.“ Jo senkte ihren Blick nun komplett auf den Boden.
„Laura es tut mir Leid aber manche Ereignisse haben meine Gefühle komplett durcheinander gebracht und das was ich glaubte verdrängt zu haben ist nun wieder da. Ich wollte dir nie wehtun, denn mein Interesse zu dir war wirklich, jedoch liebe ich eine andere Frau und daran wird sich wohl in nächster Zeit nichts ändern.
„Ich verstehe. Dann hat es wohl wenig Sinn es erneut zu versuchen.“ stellte mit Enttäuschung Laura fest.
„Ja, das denke ich auch.“
„Dann ist es wohl auch das Beste, wenn du jetzt gehst.“ erwiderte Laura plötzlich ganz kühl.
Johanna dreht sie um und verließ das Zimmer. Ein großes Chaos herrschte in ihrem Kopf, denn bis jetzt hatte sie noch nie so eine Situation. Es war seltsam. Jo war irgendwie erleichtert, da nun eine große Last verschwunden war, doch es machte sie auch traurig, dass sie um diesen Druck loszuwerden, eine Person verletzen musste. Beim verlassen des Hauses sah sie Mike, der in der Tür von seinem Zimmer stand. Er warf ihr nur einen kurzen Blick zu, der deutlich aussagte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
In der WG erwähnte Johanna nichts über dieses Ereignis. Sie zog sich für die kommende Woche erneut zurück, vertiefte sich in ihre Lernbücher, hörte Musik beschäftigte sich mit ihrem Laptop, den sie sich erst vor wenigen Tagen gekauft hatte. Johanna machte alles Mögliche um bloß Ricky nicht über den Weg zu laufen und falls sich dies nicht verhindern lies, war das Gespräch zwischen ihnen meist nur von kurzer Dauer. Nein Johanna machte sich auch keine Hoffnungen, dass sich mit Ricarda etwas entwickeln könnte. Jo wollte eigentlich eher das Gegenteil in dem Moment. Alles verwirrte sie. Jeder Tag war aufs Neue eine Herausforderung, denn manchmal war Ricky so nah bei ihr, wie noch nie, man könnte meinen, dass Ricky Jo begehrte, sich nach ihr sehnte, doch genau so plötzlich wie diese Momente kamen, gingen diese auch, vor allem wen Michi in Ricardas Nähe auftauchte. Der schöne Augenblick war damit zerstört. Inzwischen verspürte Johanna einen leichten Hass gegen ihn, denn er machte alles kaputt. Nur seinetwegen wurde Ricky wieder so cool, gefühllos und sehr distanziert gegenüber Jo. Er war es auch, der Ricky berühren durfte, sei es in der Gegenwart von Johanna oder in Ricardas Zimmer. Auch, wenn Jo es nicht sah, hörte sie an manchen Tagen mehr als ihr lieb war, jedoch wuchs mit jedem solchen Tag nicht nur Johannas Hass gegen Michael, sondern auch das Verlangen nach Ricarda. Sie wollte SIE haben, ganz für sich allein. Sie wollt SIE berühren und Ricarda sollte nur dann vor Lust schreien, wenn Jo anwesend war.
***
Es war die Woche vor Weihnachten, als alle gemeinsam in der Küche beim Essen waren. Inzwischen schien es schon nahezu eine Gewohnheit geworden zu sein, dass mindestens einmal am Tag man wenige Minuten gemeinsam verbrachte. Sandra und Nadine verkrochen sich den ganzen Vormittag in Sandras Zimmer. Ricky war irgendwo unterwegs gewesen, wahrscheinlich bei Michi, dachte sich Jo, wobei sie den schon seit einigen Tagen nicht mehr in der WG sah. ‚Ob das etwas zu bedeuten hat?’ Sofort schweifte Johannas Blich zu Ricarda die sich mit den anderen beiden Mädels unterhielt und bereits den Tisch herrichtete.
Als alle endlich Platz nahmen und ein Gespräch sich entwickelte, schnitt Sandra ein Thema an, bei dem nicht jeder im Haus ein Wörtchen übrig hatte.
„Nadine und ich sind in den kommenden zwei Wochen nicht hier. Wir fahren zu meinen Eltern und über die Feiertage kommen ihre dann auch zu uns. Also falls ihr Feiern wollt, könnt ihr das gern machen, solange es im Rahmen des zivilisierten Verhalten bleibt.“, Mit ernstem Blick beäugte sie Ricky und Jo.
„Also ich werde nichts Feiern, denn ich fahre am ende der Woche zu meinen Eltern. Die werden zwar erst kurz vorm Silvester aus ihrem sonnigen Italien zurückkehren aber die ersten Feiertage verbringe ich sowieso bei meinen Großeltern.“, entgegnete Ricky. Nun richteten sich alle Blicke auf Johanna, die inzwischen mit einem finsteren Blick am Tisch saß.
„Was machst du den so Jo?“, fragte nun Sandra und sprengte damit dem Rahmen, der Jo´s Gefühle gerade noch beisammen hielt.
„Nichts“, murmelte sie kaum verständlich.
„Entschuldigt, ich esse oben zu Ende.“, fügte sie hinzu und verschwand sofort in der Tür. Es dauerte einige Minuten, bis bei Ricky endlich der Groschen gefallen war. Sie stellte ihr Essen bei Seite, da ihr nun ebenfalls der Appetit vergangen war und ging nach oben. Vorsichtig klopfte sie an und betrat erst das Zimmer, als sie von Johanna ein ‚komm rein’ hörte. Sie stellte sich vor Johannas Bett und schaute ihr eine Weile beim Buchlesen zu.
„Dein Essen wird ja ganz kalt.“, sagte sie schließlich um die Stille im Raum zu beseitigen.
„Egal. In der Mikrowelle wird es in wenigen Minuten wieder warm.“, entgegnete Johanna ohne ihren Blick vom Buch zu wenden.
„Johanna es tut mir Leid.“
„Was tut dir Leid?“, fragte Jo und sah nun doch auf.
„Na das Gespräch.“ Jo seufzte.
„Nein es muss mir Leid tun. Ich hatte nicht das Recht dazu, mich so zu benehmen, denn es wirkte jetzt bestimmt so, als wäre es verboten über eure Familien zu reden und zu erzählen, was ihr in den kommenden Feiertagen so macht und das nur weil ich in dem Punkt nicht mitreden kann.“
„Ach Jo. Es ist schon OK.“, antwortete Ricarda und setzte sich neben Johanna aufs Bett.
„Ich hätte nur eine Frage. Eine einzige. WARUM?. Warum wollte man mich nicht haben? Es wäre doch viel leichter gewesen abzutreiben, dann müsste ich jetzt nicht jeden Tag mit diesen Gedanken aufwachen und mir überlegen WARUM? Stand es mir denn schon vielleicht als Baby auf der Stirn geschrieben ‚Lesbe’ oder sah ich nicht gut genug für sie aus? Gab es Probleme?“ Ricky näherte sich zu Jo und legte ihr das Buch aus der Hand.
„Ich will nie wieder so was hören. Du bist das Beste was mir je passieren konnte und ich bin froh darüber, dass ich dich kenne.“, Ricarda näherte sich ganz nah zu Jo, sodass sich ihre Köpfe berührten. „Du bist die beste Freundin, die man je haben könnte“, fügte sie schnell hinzu als sie merkte, dass ihr Satz auch anders verstanden werden könnte und entfernte sich wieder.
‚Freundin. So ist das also. Wenn ich für dich nichts weiter als nur eine Freundin sein kann, dann würde ich jede Zeit den Tot bevorzugen.’, dachte sich Jo. Ricarda richtete sich währenddessen auf und schien in ihren Gedanken versunken zu sein.
„Jo. Ich habe mich gerade eben dazu entschlossen, dass du mich nach Frankfurt begleitest. Dann bist du nicht so allein und ich habe Gesellschaft. Dich.“, teilte sie Johanna ihre Überlegung mit.
„Ich weis nicht ob…“ an dieser Stelle unterbrach Ricarda Johanna und meinte bloß, dass es nichts mehr zum Überdenken gäbe und diese Sache nun felsenfest sei. Jo begleitet Ricky. Punkt. Mit diesen Worten verschwand Ricarda in ihr Zimmer. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, rutschte Ricky an der Türwand auf den Boden und hielt sich die Hände vors Gesicht.
‚Ricarda du bist der dümmste Mensch auf dieser Welt. Was hast du bloß getan. Das wird die reinste Katastrophe. Nein es wird noch schlimmer’, überlegte sie sich und wurde von Minute zu Minute verzweifelter. Jo war ebenfalls sehr geschockt von so einer Wendung. Wie sollte es denn bloß gut gehen? Zwei Wochen mit Ricarda zusammen verbringen und dabei sie jeden Tag sehen. Was ist, wenn Michi auch noch mitkommen würde, dann wäre es die reinste Hölle auf Erden. Johanna zweifelte sehr daran, ob sie genug Selbstbeherrschung hätte um Ricky in dieser Zeit zu widerstehen und das noch dazu in einem Haus, in dem nur sie zu zweit wären oder auch zu dritt.
Die nächsten Tage vergingen schnell. Für Jo was es eindeutig zu schnell. Am letzten Tag packte sie noch die letzten Sachen. Dabei stopfte sie alles quer und irgendwie in den Rücksack. Viele male überlegte sich Johanna, ob sie doch nicht Ricky absagen sollte, doch jedes Mal hielt sie etwas zurück. Vielleicht war es die Angst oder doch der Wunsch Ricarda nah sein zu können ohne, dass jemand anders dabei anwesend war. Am späten Nachmittag war es endlich soweit. Ricarda lief noch mal im Haus herum und überprüfte ob alles ausgeschaltet war und sie nichts vergessen hatte. Sandra und Nadine waren inzwischen auch weggefahren.
Eine halbe Stunde später saßen die beiden bereits im Zug. Jo hörte Musik, während Ricarda aus dem Fenster sah und immer noch sich große Sorgen darüber machte, was alles passieren könnte. Dabei fiel ihr ein, dass es vielleicht alles gar nicht so eine schlechte Idee war. Vielleicht würde Jo sich ja trauen. Vielleicht würden sie endlich zusammenkommen. Sie selbst hatte viel zu viel Angst um den ersten Schritt zu machen und Ricky war sich absolut sicher, dass sie nie den Mut dazu hätte aber Jo hätte den bestimmt, schließlich sah es voll danach aus, dass Jo genau wusste was sie tat, als sie mit Laura im Umkleideraum….Jetzt erinnerte sich erst Ricarda daran, dass es ja immer noch die Laura in Jo´s Leben gab. Das brachte Ricarda erneut vollkommen aus der Fassung. Sie musste in dem Augenblick an Michi denken, mit dem sie vor einer Woche Schluss gemacht hatte. Es tat ihr immer noch weh. Wieder tauchte das Bild in Rickys Gedanken auf, wie er sie mit dunklen Augen und gesenkten Schultern ansah und unbedingt wissen wollte wen Ricarda den liebte. Wie gerne hätte sie ihm dies erzählt, doch die Angst, er könne jemanden etwas erzählen, zum Beispiel Jo, war größer und so schwieg sie. Nun überlegte sich Ricky, ob Jo für sie bereit wäre Laura zu verlassen oder hatte sie vielleicht bereits Schluss gemacht, da in den letzten zwei Wochen lies sie sich kein einziges Mal in der WG blicken, was eigentlich verdammt ungewöhnlich für Lauras Verhalten war.
Vor lauter Gedanken hörte Ricarda nicht einmal die Durchsagen, dass sie in wenigen Minuten Frankfurt erreichen würden. Erst als Jo sie antippte und auf ihre Armbanduhr zeigte, kehrte sie wieder in die Realität zurück. Nachdem sie ausgestiegen waren, marschierte Ricky zielgerichtet zum Haus ihrer Eltern. Es dauerte etwa eine halbe Stunde bis sie das Haus endlich erreichten. Es war eine sehr ruhige Gegend. Ein Haus stand neben dem Anderen. Alles war schön sauber, jeder hatte einen kleinen Garten und jedes Haus sah irgendwie luxuriös aus. Jo musste nicht mal nachdenken um zu wissen, dass es eine Gegend war, in der Leute gute Jobs hatte und viel Geld verdienten, teure Autos fuhren und öfter als 2 mal im Jahr sich einen Urlaub leisten konnten. Johanna hatte bis jetzt nie die Gelegenheit solch eine Gegend zu sehen, den in Berlin gab es so was nicht, zumindest nicht in der Nähe von ihrem Viertel und sonst kam Jo nie in solche Gebiete.
Endlich blieb Ricky vor einem Haus stehen. Es war hellblau gestrichen. Der Garten war bis aufs kleinste Detail perfekt hergerichtet. Ein kleiner schmaler, mit Pflastersteinen ausgelegter, Weg führte vom Gartentor bis zu der großen massiven Metalltür, vor der Ricky stand und nach dem passenden Schlüssel in ihrem Schlüsselbund mit circa 10 verschiedenen Schlüsseln und diversen kleine Plüschanhängern und andrem Krimskrams, den man so auf eine Schlüsselbund dran machen konnte, suchte. Nachdem sie endlich den passenden gefunden hatte, öffnete Ricky die Tür und bat Jo herein. Ein kleiner Flur war das erst, was Jo zu sehen bekam. Rechts an der Wand befand sich eine Anrichte, die einstmals bestimmt einen anderen Zweck erfüllte, als ein Schuhschrank zu sein.
„Die Lackierung ist ja grauenhaft. Das schöne Holz“, murmelte Jo und strich mit der Hand über den verpfuschten Anstrich.
„Derjenige, der das gemacht hat, muss ja blind sein.“, fügte sie hinzu.
„Es war meine Mum.“, entgegnete Ricky gelassen.
„Oh. Entschuldige.“
„Jo, jetzt lass doch den Schrank, Schrank sein und komm mit. Manchmal denke ich mir echt, dass du in deinem früheren Leben ein Borkenkäfer warst, denn das Holz zieht dich anscheinend magisch an.“, lachte Ricky, nahm Johanna bei der Hand und zog sie hinter sich her.
„Na danke. Borkenkäfer. Tz. Außerdem ist es eine Anrichte.“, nuschelte Jo und folgte Ricarda in die erste Etage. Ricky öffnete eine Tür und Johanna merkte sofort, dass es wohl ihr kleines Reich sein musste, denn die Einrichtung passte absolut nicht zu den anderen Bereichen des Hauses. Hier ähnelte alles dem Stil in Rickys WG-Zimmer. Beide legten ihre Rücksäcke ab und Ricarda führte Jo kurz im ganzen Haus rum und zeigte ihr die anderen Zimmer. Anschließend begaben sie sich in die Küche und Ricky schaute in den Kühlschrank.
„Also wie es aussieht, müssen wir heute noch Einkaufen gehen, denn hier ist nichts Essbares mehr da.“ Mit gerümpfter Nase holte sie etwas inzwischen schon mit schimmligem Pelz überzogenes aus dem Kühlschrank raus und hielt es mit zwei Fingerspitzen am Stiel.
„Igitt. Ist das eklig.“, sagte sie und entsorgte das Pelzige Etwas im Müll, während Jo sich vor Lachen kaum halten konnte.
„Das ist nicht witzig. Es sah aus wie eine Ratte. Na ja oder so ähnlich und ich habe große Angst vor Ratten.“, verteidigte sich Ricky.
„Oh toll. Ich wollte schon immer mir eine Ratte kaufen. Hmm das werde ich dann bestimmt demnächst mal machen.“ Sofort starrte Ricarda Jo fassungslos an.
„Das meinst du aber nicht ernst, oder?“
„Denkst du ihr wird es gefallen, wenn ich sie bei mir überall am Boden freilaufen lassen werde?“, fuhr Johanna fort.
„Jo. Das ist nicht witzig.“
„Okay, dann eben keine Ratte. Aber eine Maus darf ich mir doch kaufen oder?“ Ricarda warf einen ernsten Blick zu Jo und damit war das Gespräch über Ratten und Mäuse erledigt. Ricky holte einen Stift und einen Zettel aus einer Schublade raus und fing an aufzuschreiben was sie brauchten. Dabei lief sie in der ganzen Küche hin und her, öffnete Schranktüren und Schubladen und schaute sich alles genau an. In der Zeit schlenderte Jo im Haus rum. Die Neugier trieb sie in das Arbeitszimmer von Ricardas Eltern. Der Raum war sehr Groß und in der Mitte stand ein Regal. Es sollte wohl als Raumteiler dienen. Links war der Bereich von Rickys Mutter. Alicia. Von Ricardas Erzählungen wusste Johanna, dass Alicia Ärztin war und der Vater, Stefan, einen Beruf, der irgendetwas mit Finanzen und Beratung zutun hatte, jedoch war er kein Finanzberater. Ricky kannte die richtige Berufsbezeichnung nicht. Bei Alicias Bereich betrachtete Jo einige Fotos, Urkunden und Auszeichnungen, die an der Wand eingerahmt hingen.
„Ricky. Ist deine Mum etwa Frauenärztin?“, rief Jo aus dem Arbeitszimmer und bekam von Ricarda ein „Ja“ und „Das habe ich dir aber glaube ich schon mal erzählt.“ Jo zuckte mit den Schultern. Das hätte in der Tat sein können. Sie kehrte wieder in die Küche zurück und lehnte sich an den Türrahmen an. Ricky stand etwa einen Meter vor ihr und schreib immer noch die Einkaufsliste. Johannas Augen wurden, wie von einem Magneten immer wieder in Ricardas Richtung gezogen. An dem Tag hatte sie eine weite Jeans und einen weißen Pulli an aber sogar in diesen nichtkörperbetonten Sachen, sah Ricarda umwerfend aus. Alles an ihr war perfekt, zumindest für Jo.
„So ich bin fertig. Wir können gehen.“
Nun drehte sich Ricky um und erst da realisierte Johanna, dass sie die ganze Zeit ihr auf den Hintern gestarrt hatte. Sofort stieg Jo die Röte ins Gesicht, während Ricarda etwas verwirrt zu ihr blickte. Jo drehte sich um, ging in den Flur und zog sich an.
Auf dem Weg sprachen sie erneut kaum miteinander, was eigentlich ungewöhnlich für beide war. Sonst fanden sie immer ein Thema, über was sie reden konnten aber heute war es nicht der Fall. Jo verdaute immer noch den peinlichen Moment von vorhin und erst im Supermarkt lenkte sie sich mit dem Einkauf ab.
Als sie wieder im Elternhaus ankamen, meinte Ricky, dass sie nicht zu Hause bleiben wolle, stattdessen schlug sie vor noch mal raus zu gehen. Einen Spaziergang zu machen. Gesagt, getan.
Der Ausflug ins Freie dauerte allerdings nicht einmal eine Stunde, denn die Kälte trieb sie wieder zurück ins Haus. Ricky machte für Jo und sich heißen Kakao und beide machten es sich im Wohnzimmer vorm Fernseher gemütlich. Zwei Filme später verkündete Ricky, das sie jetzt unter die dusche und dann ins Bett gehen würde, da sie bereits sehr müde war. Jo stimmte dem zu und ging als erstes ins Bad. Danach setzte sie sich auf Ricardas Bett und überlegte sich, wo sie eigentlich schlafen sollte. Es gab zwar ein Gästezimmer aber es war nicht hergerichtet. Als Ricky ebenfalls ins Zimmer kam, ließ sie sich aufs Bett fallen und schien schon beinahe einzuschlafen als ihr selbst einfiel, dass noch kein Schlafplatz für Jo zur Verfügung stand.
„Shit. Das Gästezimmer. Das habe ich ja ganz vergessen. Oh Gott ich bin so müde.“ Mit letzten Kräften versuchte sie sich aufzurappeln.
„Lass es. Ich kann doch in deinem Bett heute schlafen. Es ist groß genug. Ich bräuchte nur noch eine Decke, dann passt es schon.“, erwiderte Johanna und war selber über ihre gelassene Art überrascht. Kein Herzpochen, keine Nervosität oder Aufregung. Nichts. In dem Augenblick hatte sie keine Hintergedanken und es war ihr auch egal ob sie diese Nacht ganz nah bei Ricarda verbringen würde, sie merkte bloß, dass Ricky wirklich schon sehr müde war.
Nach ihren Anweisungen holte Jo für sich eine Decke und suchte bereits ihre Schlafsachen aus ihren Rücksack heraus, als ihr Handy klingelte.
„Hallo Jo. Hast du ein paar Minuten Zeit? Ich muss dir unbedingt was ganz wichtiges erzählen!“
„Hey Sanny. Ja die paar Minuten habe ich.“, antwortete Johanna, schnappte sich ihre Boxershorts in der sie immer schlief und verschwand im Bad.
Natürlich blieb es nicht bei den einigen Minuten. Erst erzählte Sanny, dass sie mit Mike schon seit über einem Monat in Kontakt war, dass sie fast jeden Tag telefonierten und unzählige Sms-Nachrichten und Mails sich gegenseitig schickten. Der Höhepunkt der Erzählung war, dass Mike für einige Tage zu ihr kommen würde, über Silvester. Sanny kreischte vor Freude in den Hörer, so dass Jo ihn sich einige Zentimeter vom Ohr weg halten musste um nicht taub zu werden. Nach den Thema Mike folgten noch einige weitere und erst als Jo mit müder Stimme sagte, dass sie kurz vorm Einschlafen sei und Sanny sie ja gerne nach dem Schönheitsschlaf anrufen könnte, legten die beiden auf. Jo ging hoch, da sie im Wohnzimmer telefonierte. Ricky schien schon tief und fest zu schlafen und nur bei Johannas Bettseite brannte das Licht der kleinen Tischlampe. Sie setzte sich an den Rand des Bettes hin und zog ihr Sweatshirt aus um das Nachtshirt anzuziehen. Vorher schaltete Jo aber sicherheitshalber ihr Handy ganz ab, damit ja keiner mehr irgendwelche Gespräche in dieser Nacht mit ihr führen konnte. Ganz unerwartet spürte sie plötzlich eine zarte Berührung. Ricky fuhr ganz vorsichtig über Johannas Narben am Rücken.
„Woher stammen die?“, fragte sie flüsternd. Durch Jo´s Körper zog sich ein Kribbeln, welches von einer Art Stromschlag begleitet wurde. Diese Berührungen. Alles drehte sich in Johannas Kopf. Was machte bloß Ricarda mit ihr?
„Es ist eine lange Geschichte“, erwiderte Jo ohne sich zu Ricky umzudrehen. Sie wollte sie nicht sehen. Jetzt nicht.
„Wir haben doch Zeit. Erzählst du es mir?“ Johanna seufzte. In den Händen hielt sie immer noch ihr T-Shirt, an dem sie die ganze Zeit rumzerrte, anstatt es anzuziehen.
„Diese Narben habe ich, seit ich im Heim anonym abgegeben wurde. Es waren Glassplitter. Vielleicht von einer Autoglasscheibe. Manche wurden mir rausoperiert.“, erzählte Jo.
„So lang war die Geschichte doch gar nicht.“, erwiderte Ricky mit einer leisen Stimme, die Jo´s Puls in die Höhe trieb.
„Ich denke aber, dass du auch wissen willst woher die Narbe an meiner linken Seite kommt, oder?“. Nun richtete sich Ricarda auf, und nahm Platz genau hinter Jo und deckte sich mit ihrer Decke zu. Anschließend strich sie zart über Jos Narbe an der Seite.
„Ja“, flüsterte sie zu ihr.
„Hmm. Das ist schon einige Jahre her. Es war Abend und ich war auf dem Weg von Sanny ins Heim. Uli, meine Erzieherin hat mich noch gewarnt, dass ich nicht meine gewöhnliche Abkürzung durch einen Park nehmen soll. Zu der Zeit wurden dort immer die Straßenlaternen zerschlagen. Es war also dunkel. Ich hörte natürlich nicht auf sie und schlug den gewohnten Weg ein. Erst war es mir gar nicht aufgefallen, dass hinter mir jemand herging aber als ich immer näher und näher kommende Schritte hörte wurde ich ebenfalls schneller, bis eine feste Hand meine Schulter packte und mich festhielt. Es waren zwei Typen. Einer war etwas größer als der andere. Ich weis nicht ob sie nun rechtsradikal oder einfach nur brutal oder gefühlskalt waren. Jedenfalls der Kleine meinte sofort, er würde mich irgendwoher kennen. Ich wollte weitergehen, doch der Große hielt mich zurück und meine wieso ich es denn so eilig hätte. Inzwischen erinnerte sich der Kurze, wo er mich schon mal getroffen hatte. Es war erst wenige Tage zuvor, als ich wieder etwas mit meiner „Coming-Out“ Gruppe unternahm. Da hatte er mich gesehen.“ Jo machte eine kurze Pause, blickte auf den Boden und fuhr fort.
„Nun brauchten sie eigentlich keinen Grund mehr um mich zu verprügeln, denn den hatten sie ja bereits. Ehrlich, ich weis nicht wie lang das Ganze ging, aber als ich halbbewusstlos auf dem Boden lag, wollte der Kleinere wissen ob ich schon hinüber sei, da ich auf etliche Tritte und Schläge keine Reaktionen mehr zeigte. Der Große holte daraufhin sein Taschenmesser aus und prüfte es auf diese Weise. Mein Leben habe ich zwei Polizisten zu verdanken, die zu der Zeit den Park aufgrund der andauernden Beschädigung öfters kontrollierten. Ich erinnere mich selber nicht mehr an den Moment als sie kamen und was danach passierte. Erst im Krankenhaus, als ich zu mir kam erzählte mir Sanny was genau danach passier ist. Vielleicht ist es genau der Grund, wieso ich selber unbedingt zur Polizei wollte. Menschen helfen. Leben retten. Viele verstehen das nicht aber, wenn man erst selber in so einer Situation war, kann man dies nachvollziehen.“, sprach Johanna.
„Du bist die Erste, der ich die Geschichte erzähle.“, füge sie hinzu und drehte sich nun um. Ricky saß immer noch hinter Jo. Über ihre Wange liefen Tränen. Jo kam zu ihr näher und wischte sie ihr weg.
„Hey das ist kein Grund um zu weinen. Ich bin doch hier“
„Schon aber es ist so schlimm. Du erlebst in deinem Leben so viele schlimme Sachen. Das hast du nicht verdient Jo. Wirklich nicht. Du bist so ein toller Mensch. Wenn jeder so wie du wäre….“ Jo unterbrach Ricky.
„Dann würde die Menschheit mit großer Sicherheit aussterben“, erwiderte sie mit einem Lächeln und drehte sich wieder weg von Ricky um endlich ihr Shirt anzuziehen, welches sie schon in ihren Händen total zerknüllt hatte. Plötzlich spürte Johanna auf ihrem Hals Rickys warme Lippen. Ein Kuss nach dem Anderen bedeckte Johannas Nacken, Hals und Schulter.
„Jo, ich will dich spüren.“, hauchte sie Johanna ins Ohr und löste eine Gänsehaut am ganzen Körper bei ihr aus. Jo konnte es kaum glauben, was sie da hörte. Ricarda wollte tatsächlich mehr als nur Freundschaft? Nein das konnte auf keinen Fall die Realität sein. Jo war sich sicher, dass sie alles nur träumte. Zur Vergewisserung kniff sie sich unauffällig am Arm um sicherzugehen, dass es nur ein Traum war. Nein war es nicht. Ricarda wollte es wirklich. Was wollte sie wirklich? Jo? Oder nur ein Experiment? Wollte sie nur etwas ausprobieren? Was war mit Michi? Wusste er davon? Ist er deswegen nicht mitgefahren? Fragen über Fragen spukten in Jo´s Kopf, während Ricky sie von hinten Umarmte und immer wieder zärtlich am Hals und Schulter küsste.
„Nein Ricarda. Stopp. Ich will das nicht.“, rief Jo und versuchte sich von Ricky loszumachen.
***
„Warte Jo. Beruhige dich doch. Was ist mit dir Los? Ich will es nicht glauben was du gerade sagst.“ Ricarda hielt Jo immer noch fest.
„Ich will nicht eine wichtige Rolle in deinem Leben spielen nur für diese Nacht. Ricarda ich bin kein Versuchskaninchen, klar?“, entgegnete Johanna und befreite sich von Rickys Umarmung auch, wenn nur für wenige Sekunden.
„Süße wer spricht den hier von einer Nacht?“, Sie näherte sich wieder zu Jo und umschlang sie erneut.
„Ich will dich jede Nacht spüren.“, hauchte sie Johanna ins Ohr.
„Ich will in deinen Armen einschlafen und wieder aufwachen. Ich will dich Jo und das schon seit unserer ersten Begegnung. Eine einzige gemeinsame Nacht mit dir würde mich töten Johanna, denn es ist nicht genug. Das reicht mir nicht.“ Vorsichtig streichelte Ricky über Jo´s Körper bis zu ihren Armen, nahm ihr das Shirt aus den Händen und schmiss es irgendwohin in den Raum. Anschließend zog sie Jo zu sich ins Bett. Dabei fiel Johanna auf Ricky. Sie konnte genau den schnellen Herzschlag von Ricarda hören.
‚Hat sie etwa Angst? Oder ist es nur die Aufregung? Sie wirkt aber so gelassen und sicher. Was geht in Ricky wohl vor sich?’, überlegte sich Jo.
„Bitte sag mir nicht, dass du nichts für mich empfindest.“, flüsterte Ricarda während Johanna schwieg.
„Johanna sag doch irgendwas.“, flüsterte Ricky erneut. Jo kam über Ricarda, näherte sich ihr und Küsste sie ganz zart auf ihre weichen Lippen. Erst ganz vorsichtig, doch mit jeder Sekunde verschwand die Vorsicht immer mehr und machte der Leidenschaft platz. Es war ein herausforderndes Spiel zwischen ihren Zungen, die miteinander nahezu verschmolzen in purer Erregung, die mit jedem Moment wuchs.
„Ist das eine Antwort, die du haben wolltest?“, fragte Johanna, als sie sich kurz von Ricky löste. Daraufhin zog Ricarda Jo wieder zu sich und stöhnte ihr ein „Ja“ ins Ohr. Ein Kuss nach dem anderen bedeckte Rickys Hals, Wangen und Lippen. Johannas Hände wanderten langsam an Rickys Körper entlang und ganz zart berührte sie ihre Brüste, die noch mit ihrem Shirt bedeckt waren. Sofort zog Jo Ricarda zu sich hoch und befreite sie langsam und spielerisch von dem lästigen Stück Stoff. Wie Johannas Shirt landete Rickys ebenso irgendwo im Raum. Wieder verfielen die Beiden in einen langen intensiven Kuss. Zärtlich streichelte Johanna Rickys Wange. Das Licht der kleinen Tischlampe reichte kaum bis zu ihrem Gesicht, doch Jo konnte genau das Funkeln in Rickys Augen Erkennen. Ihre Augen glühten förmlich und schrieen nach mehr. Sie Verlangten nach Berührungen. Sie Forderten Leidenschaft. SIE wollte eine Lust erleben, die ihr bis jetzt verwehrt war.
Jo´s Hände wanderten inzwischen etwas tiefer und streichelten sanft Rickys Brüste. Bei jeder Berührung von Johannas Händen nahmen Rickys Knospen eine feste Form an. Ein tiefes Atmen bestätigte Johanna, dass es Ricarda gefiel. Langsam Küsste sich Jo einen Weg von Rickys Lippen bis zu ihren, inzwischen hart gewordenen Brustwarzen. Verführerisch umspielte sie diese mit ihrer Zunge, während Ricky ihre Hände durch Johannas Haare gleiten lies. Erneut stöhnte Ricarda leise auf und zog Johanna wieder zu sich hoch um mit ihr in einen tiefen Kuss zu verfallen. In der Zeit wanderte Johannas Hand langsam immer tiefer Rickys Körper entlang, umkreiste sanft ihre Oberschenkel und kehrte wieder ein Stück nach oben zu Ricardas Bauch. Dieses Spielchen wiederholte Jo einige Male, bis Ricky Johanna fest an sich zog und Jo´s Schenkel zwischen Ricardas Beinen landete. Sofort spürte Jo die Feuchte, die durch Rickys Slip durchdrang. Nach einem weiteren Kuss rutschte Johanna etwas weiter runter und zog Ricky ganz langsam das letzte Kleidungsstück aus, welches achtlos, wie der Rest im Zimmer landete. Beide schauten sich tief in die Augen und Ricarda streichelte zärtlich Johannas Wange.
„Ich liebe dich Jo“, flüsterte sie leise und ohne auf Jo’s Antwort zu warten berührten sich ihre Lippen erneut. Mit einem leichten Schups landete Johanna in dem weichen Kissen und Ricky kam über sie her und küsste sie zärtlich am Hals, immer weiter abwärts. Einige Minuten später war auch Johanna von ihrem letzten Kleidungsstück befreit und Ricky entpuppte sich als eine kleine Wildkatze, die gern auch mal bissig wurde.
„Bist du dir sicher, dass es das erste mal für dich ist?“, fragte Johanna etwas erstaunt.
„Ja, ich bin mir absolut sicher, wieso fragst du den?“
„Weil man es dir kaum anmerkt, so wild wie du hier bist.“, erwiderte Jo und streichelte sanft über Ricardas Bauch.
„Nun dafür bist wohl ganz allein du verantwortlich, denn ich kann ja nichts dafür, dass du mich so wild machst.“, entgegnete Ricky. Beide lächelten und schauten sich gegenseitig in die Augen. Inzwischen waren die Angst und die Schüchternheit, welche die beiden anfangs noch beherrschten spurlos verschwunden. Jo näherte sich wieder zu Ricky, die neben ihr lag, küsste sie sanft, streichelte sie am ganzen Körper, wobei Jo immer wieder sich der Empfindlichen Stelle näherte, jedoch nie nah genug. Dieses necken trieb Ricky fast in den Wahnsinn, sie lies es aber zu. Bei einem erneutem ‚Streichelangriff’ wanderte Johannas Hand nicht wie die Male zuvor kurz vorm Ziel wieder hoch, nein es ging dieses mal abwärts. Ricky war deswegen so überrascht, dass sie für eine kurze Zeit den Atem anhielt, bis ein heftiges Kribbeln ihren Körper durchzog und die Erregung in Form eines lauten Aufstöhnens aus ihr heraus brach. Immer schneller und fordernder lies Jo ihr Fingerspiel vollbringen, währende Ricardas Stöhnen stets heftiger und lauter wurde. Immer wieder zog sie in der Zeit Johanna zu sich und ihre Zungen verschmolzen aufs neue Miteinander. Nun drückte Ricky Johanna ganz fest an sich ran, ihre Fingernägel krallten sich in Jo´s Rücken, gleichzeitig bebte ihr Körper vor Erregung, doch das war Johanna auf keinen Fall genug. Sie stoppte unerwartet ihre Handbewegungen, während Ricky sie verwirrt anschaute.
„Was ist den los? Wieso hörst du auf?“, flüsterte sie. Jo antwortete ihr jedoch nicht und rutschte bloß an Rickys Körper entlang, bis sie an der richtigen Stelle war. Ganz vorsichtig berührten Johannas Lippen die weiche Haut. Mit ihrer Zunge erforschte sie langsam das Feuchte und umspielte Rickys Perle erst ganz sanft nur mit der Zungenspitze, wurde jedoch zunehmend fordernder bei diesem Zungenspiel. Rickys Erregung war schnell wieder kurz vor ihrem Höhepunkt. Ihr ganzer Körper bebte vor Lust, mit der linken Hand fuhr sie Jo durchs Haar, während die Rechte sich fest in die Bettdecke bohrte. Leise stöhnte sie Johanna solle dieses mal bloß nicht aufhören, doch dies hatte Jo gar nicht vor. Ihre Zunge umspielte immer wieder Ricky Weiblichkeit, vorsichtig saugte sie und biss ganz leicht an Rickys Lustpunkt. Erst durch ein lautes Aufstöhnen und die darauf folgende Entspannung von Ricardas Körper, hörte Jo auf und blickte zu Ricarda die mit geschlossenen Augen immer noch tief atmend vor ihr lag. Johanna setzte sich neben Ricky, die ganz ruhig neben ihr lag. Sie konnte es selber kaum fassen, dass es tatsächlich Ricarda war, die nackt neben ihr im Bett lag, dass Ricky wirklich Gefühle für sie hatte, große Gefühle und, dass ihr sehnlichster Traum nun wirklich zur Realität wurde nach so vielen Monaten. Ricky, die immer noch still neben ihr lag drehte sie in dem Moment zu Jo auf die Seite.
„Jo?“, fragte sie ohne ihre Augen aufzumachen. „Das muss einfach nur ein total schöner Traum sein. Habe ich Recht?“, fügte sie hinzu.
Johanna lächelte: „Ja, doch dieser Traum ist in Erfüllung gegangen.“
„Das fällt mir so schwer es zu glauben, weil ich schon lange all meine Hoffnung aufgegeben hatte, dass dieser mir erfüllt wird.“
„Es ist aber war. Öffne deine Augen und du wirst es schon sehen!“
„Was werde ich sehen?“
„Jemanden, der dich über alles liebt und sich nichts anderes vorstellen kann, als mit dir zusammen zu sein.“ Vorsichtig öffnete Ricky ihre Augen und Blickte zu Johanna, die ihr zulächelte.
„Willst du jetzt schlafen?“, fragte Jo nach einer kurzen Pause, während ihr Blick über Ricardas Rücken und Po schweifte und bei diesem Anblick unzählige male ein Kribbeln in Jo’s Bauch auslöste.
„Wie kommst du den auf so was?“, fragte Ricky überrascht.
„Du wirkst müde“
„Da irrst du dich aber gewaltig, denn das ist nur der Anfang Süße. In mir ist noch so viel Wildnis, dass es glatt bis zum Frühstück ausreichen würde.“, entgegnete Ricky mit einer verführerischen Stimme, die Jo sofort erneut eine Kribbelattacke verpasste. Elegant zog Ricky Johanna zu sich, sodass diese ganz nah neben ihr landete. Sanft küsste Ricarda sie und streichelte mit ihrer Hand über Jo’s Brust. Für einen kurzen Moment lösten sich ihre Lippen.
„Eine Frage hätte ich noch. Jo, was werde ich sehen, wenn ich nach dieser Nacht meine Augen öffne?“ Gespannt schaute sie Johanna tief in die Augen, während ihr Zeigefinger langsam um Jo’s Brustwarze kreiste.
„Eine junge Frau, die dich unheimlich attraktiv findet.“
Am nächsten Morgen wurde Ricarda von den sanften Sonnenstrahlen, die durch das Fenster strahlten aus ihrem tiefen Schlaf geweckt. Noch mit geschlossenen Augen tastete sie vorsichtig mit ihrer Hand nach Jo und lies zur gleichen Zeit noch einige Momente der letzten Nacht in ihrem Kopf Revue passieren. Als sie jedoch niemanden in ihrer Nähe ertasten konnte öffnete sie langsam ihre Augen. Ihr erster Blick fiel auf die Uhr, welche bereits kurz vor drei Uhr nachmittags anzeigte. Der nächste Blick wanderte über das ganze Bett und nirgends war Jo zu sehen. Zum Schluss widmete Ricky ihren dritten Blick ins Zimmer, auf der Suche nach Johannas Sachen aber auch diese waren nicht da. Sogar ihr Rücksack war verschwunden, der am Tag zuvor noch neben dem Bett stand. Was hatte das zu bedeuten? Wo war Johanna? Langsam aber sicher stieg in Ricky die Angst. Angst, dass die so schöne Nacht mit Jo nur eine Einmalig Sache war und diese nicht die gleichen Gefühle für sie empfand. Ricky wurde ganz still. Sie hielt sogar für einige Sekunden ihren Atem an. Doch nichts war zu hören. Keine Toilettenspülung, kein Klirren von Geschirr. Es hatte den Anschein, als wäre das Haus bis auf sie komplett leer. Sie reif einige male nach Johanna aber auch darauf bekam sie keine Antwort. Wo war Jo? Was war passiert?
***
Ricarda überkam eine leichte Panik und sie wurde mit jeder Minute trauriger. Eine kleine Träne lief ihr die Wange hinunter und verschwand im Kissen. Sie konnte es einfach nicht glauben, dass Johanna weg war. Sie hatte es doch versprochen, dass sie da sein würde. Genau in dem Moment hörte sie Schritte auf der Treppe und gleich darauf öffnete sich die Zimmertür und Johanna trat ein mit einem Tablett, auf dem ein leckeres Frühstück zubereitet war.
„Gute Morgen! Ich dachte schon du verschläfst noch den ganzen Tag.“ Johanna stellte das Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Bett und setzte sich hin, während Ricarda ihr Gesicht in ihr Kissen vergrub und somit versuchte die restlichen Tränen wegzuwischen.
„Ist alles in Ordnung, Maus?“, fragte Johanna und drehte vorsichtig Ricarda zu sich um. Sofort fiel es ihr auf.
„Hast du geweint?“
„Nein, ich mein doch. Ich wachte auf und du warst nicht da. Nichts war von dir da. Keine Sachen, kein Rücksack. Nichts. Da dachte ich….“ An dieser Stelle unterbrach Jo Ricky indem sie ihr zärtlich über ihre Wange strich.
„Ach Ricarda. Hast du wirklich gedacht ich wäre weg?“ Ricky schwieg.
„Den Rücksack habe ich an die andere Seite gestellt, weil ich heute über diesen in der Früh gestolpert bin und beinahe hingeflogen wäre. Ich hatte schon angst, dich geweckt zu haben aber du hast so tief und fest geschlafen, dass du den Krach nicht gehört hast. Außerdem habe ich eine ganze Stunde neben dir gelegen und habe gewartete bis du endlich wach wirst, bis ich schließlich mich entschlossen habe runter zu gehen und uns beiden ein Frühstück zu machen und anschließend dich mit der Überraschung zu wecken.“ Johanna machte eine kurze Pause. „Also, wie du siehst, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn ich bleibe bei dir, versprochen.“ Für einen kurzen Moment beruhigte sich Ricky, doch zugleich fiel ihr etwas ein, was sie wieder ins Zweifeln brachte.
„Was ist mit Laura?“, fragte sie sofort. Jo hatte auch schon beinahe dieselbe Frage den ganzen Morgen beschäftigt, doch bei ihr drehte sich alles um Michi. Johanna spielte schon einige Male in Gedanken durch, wie sie um Ricarda kämpfen würde und Michael endgültig aus Rickys Leben verschwinden könnte.
„Was ist mit Michael?“, konterte sie zugleich und blickte erwartungsvoll in Ricardas Augen.
„Ich konnte nicht mit ihm zusammen sein, weil ich nur an dich denken musste. Er war ein Ersatz, doch ich wollte das Original. Somit bin ich voll und ganz deins Jo.“, offenbarte Ricky und wartete bereits ungeduldig auf Johannas Antwort.
„Nun, ich habe die Beziehung mit Laura schon vor einigen Wochen beendet, da wir einfach zu verschiedene Ziele verfolgten. Sie mich aber ich hatte Augen nur für dich. Somit sehen ich von meiner Seite aus auch keine Hindernisse.“, entgegnete Johanna mit ruhiger Stimme, gleichzeitig füllte sich ihr ganzer Körper mit Glückshormonen über die erfreuliche Nachricht von Ricky. Nach diesem kleinen Tief frühstückten beide erstmal und unterhielten sich den restlichen Nachmittag darüber, wie dumm sie beide doch im Grunde die ganze Zeit waren. Sie redeten über ihre Ängste und Gedanken, welche sie in den vergangenen Monaten begleitet hatten. Ricarda erzählte Johanna auch von dem Tag im Umkleideraum.
„Wie dumm waren wir eigentlich bloß?“, fragte Ricky, näherte sich zu Jo, die neben ihr im Wohnzimmer saß und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
„Wir haben uns selbst mit Vermutungen und Möglichkeiten eine Blockade aus Ängsten aufgebaut, welche all unsere Gefühle die ganze Zeit zurück hielt.“ Ricarda blickte kurz Jo in die Augen und legte anschließend ihren Kopf auf Johannas Schulter. Sie konnte ihr Glück kaum in Worte fassen, denn nun konnte sie Johanna ohne bedenken berühren, küssen und ihre Nähe in vollen Umfang genießen. Nie wieder mussten dafür Abende mit DVD’s als Tarnung dienen, wenn sie sich nach Johanna sehnt. Keine Geheimnise mehr und keine Tränen wegen dem Liebeskummer. Ja so viel und noch viel mehr hatte sich in der letzten Nacht verändert. Jo ging es da nicht anderes. Auch sie war erleichtert darüber, dass sie nun nicht mehr ihre Gefühle verstecken musste und das erreichte, was sie seit dem ersten Tag in der WG begehrte. Ricky. Den ganzen Nachmittag verbrachten die beiden kuschelnd und konnten bei anderen Hinsichten ebenfalls nicht die Finger von einander lassen, denn zu viel hatten sie in den letzten Monaten geheim gehalten und mindestens das doppelte an den Gefühlen strömten nun nach und nach aus dem Verlies, welches diese die ganze Zeit über gefangen hielt. Erst als das Telefon klingelte wurden die beiden unterbrochen.
„Meine Oma hat gerade angerufen und fragte, ob wir nicht zu ihnen heute Abend kommen wollen. Ist ja schließlich Heiligabend. Was meinst du dazu?“, fragte Ricky und strich dabei mit ihrer Hand Jo über die Wange. Johanna Stimmte sofort Ricardas Vorschlag zu. So machten sich die beiden am Abend auf den Weg. Für Johanna war es ungewöhnlich, dass sie auf einmal einfach so nach Ricardas Hand greifen konnte, oder kurz stehen blieb und ihr ein Küsschen gab. Auch für Ricky war einiges neu. Einfach so von einem Tag auf den anderen wurde aus zwei guten Freundinnen plötzlich ein Paar. Es war ein unglaubliches Gefühl. Ein Gefühl der Freiheit und der Liebe.
Ricardas Großeltern wohnten nicht allzu weit von Rickys Elternhaus entfernt. Man brauchte etwa 15 Minuten zu Fuß. Ricarda und Jo brauchten an diesem Abend jedoch um einiges länger. Sie ließen sich Zeit, blieben öfters stehen und waren nicht in der Lage dem Blick des Andren zu widerstehen. Johanna konnte einfach nicht anders, denn Rickys Gegenwart zog sie magisch an. Am liebsten hätte Jo Ricarda den ganzen Tag angesehen, beobachtet angestarrt, betrachtet egal wie man dies bezeichnet Johanna war hin und weg vor Begeisterung und sie war sich sehr sicher, das nun alles nur noch besser werden würde. Nein es MUSSTE einfach alles besser werden. Der Abend bei den Großeltern verlief sehr ruhig und gemütlich. Schon bei der Begrüßung hatte Jo das Gefühl, dass sie genau richtig hier war. Ricardas Oma Felisa meckerte zwar ein wenig, weil die beiden so lange rumgetrödelt hatten aber dies war schnell vergessen und alle machten es sich im Wohnzimmer gemütlich, wo bereits ein gedeckter Tisch stand und Opa Stephan bequem in seinem Ohrensessel saß und seinen Blick auf den Fernseher richtete.
„Oh da kommen ja auch mal die Jungen Leute. Ich dachte schon ihr habt uns ganz vergessen und seit irgendwo unterwegs auf diesen Feiern für Jugendliche oder so.“, murmelte Stephan und richtete sich langsam auf. Rickys Oma schaute die beiden Mädels kurz an, die noch immer im Türrahmen standen.
„Setzt euch schon mal hin. Das Essen wird doch ganz kalt.“ Während sie selber noch einmal aufstand und eine gekühlte Flasche Sekt aus dem Kühlschrank holte, nahmen die anderen bereits ihre Plätze ein. Felisa setzte sich ebenfalls hin genau gegenüber von Ricarda. Neben ihr saß Stephan und ihm gegenüber Johanna.
„¿Cómo está a ti así Ricarda?”, fragte Oma Felisa Ricky.
“Nunca estaba a mí mejor la abuelita.”, antwortete Ricarda mit einem Lächeln auf den Lippen.
„¿Ellos hablan también español a Johanna?“, fragte Felisa Jo, die kein Wort davon verstand. Natürlich wusste Jo, dass Ricardas Oma in Spanien geboren worden war. Sie wusste auch, das Ricky ein bisschen spanisch konnte und sich meistens mit ihrer Oma in dieser Sprache unterhielt. Auch konnte man die Herkunft von beiden nicht übersehen, denn der leicht bräunliche Hauttaint fiel sofort auf, welchen Johanna an Ricarda so anziehend empfand. Jo hatte zwar in den vergangenen Monaten einige Male Ricarda auf Spanisch reden gehört, jedoch waren es meistens Momenten in denen Ricky sich über etwas aufregte und somit ein spanisches Schimpfwort von sich lies, was wiederum Jo irgendwie sehr süß fand.
„No la abuelita. Jo habla sólo alemán.“, beantwortete Ricarda die Frage für Jo.
„Oh, wieso sagst du es denn nicht gleich Ricarda. Es ist ja kein Problem für mich deutsch zu sprechen.“, erwiderte Felisa mit ihrem leichten Akzent. Stephan zuckte in der Zeit leicht mit den Schultern und meinte zu Jo, dass er selber manchmal so einiges nicht verstehe, obwohl er mit seiner Frau nun schon über 30 Jahre verheiratet sei. Jo lächelte und fragte Ricky über was sie sich den mit ihrer Oma unterhalten hatte.
„Ach sie hat mich eigentlich bloß gefragt wie es mir geht und ob du auch spanisch sprichst. Das ist eigentlich schon alles.“, bekam Johanna als Antwort.
Nach der Hauptspeise brachte Felisa einen großen Kuchen aus der Küche und stellte diesen in die Mitte auf den Tisch.
„Ich hoffe ihr habt noch Hunger, denn das ist der Nachtisch.“, erklärte sie und nahm ebenfalls platz. Jo wusste nicht genau wie andere Familien so einen Abend verbrachten aber bei Ricarda gefiel es ihr sehr. Schon allein das Essen war fantastisch aber die Überraschung sollte erst kommen, als Stephan und Felisa zwei nicht sehr große Päckchen unter dem keinen Tannenbaum hervorholten, welcher in einer Ecke des Wohnzimmers stand.
„Unsere Ricarda hat uns sehr viel von dir erzählt und als sie sagte, dass du auch zu uns kommen wirst habe ich sofort auch für dich ein kleines Geschenk vorbereitet.“, verkündete die Oma. „Das ist aber nichts besonderes, jedoch kommt es persönlich von uns.“, fügte sie hinzu, doch für Johanna war schon allein die Tatsachen, dass ihr im Grunde fremde Menschen plötzlich so nah waren etwas wirklich Besonderes. In dem Augenblick stand Ricky auf und holte aus ihrer Tasche, welche im Flur lag ihr Geschenk für ihre Großeltern. Johanna war dabei, als Ricky dieses kaufte und sie suchten es zusammen aus. Mit einem Lächeln übereichte sie ihrem Opa das verpackte Präsent.
„Wir haben auch nichts besonders aber ich denke es wird euch trotzdem gefallen!“
Ricarda und Jo wartete ab bis Stephan die Verpackung öffnete und ein Schachbrett hervorzog. In dem zusammengeklappten Holzbrett befanden sich die Figuren, welche jedoch aus Stein gemeißelt waren und einen leichten bläulichen Farbton hatten. Natürlich nur einen hälfte, die anderen sahen eher orange aus. Die gesamten Figuren waren jedoch mir kleinen dunklen Unreinheiten und Pünktchen versehen, sodass die Farben dadurch viel dunkler und verblasster wirkten. . Mit einem Lächeln stand er auf und umarmte seine Enkelin und anschließend Johanna.
„Danke. Es ist wirklich ein tolles Geschenk. Du weist ja wie gerne wir es uns hier gemütlich machen und stundenlang Schachspielen.“
„Richtig. Unser altes Brett fällt schon auseinander und zwei Figuren hat dein Opa irgendwo verschlampt.“, fügte Felisa hinzu.
„Ich soll sie verschlampt haben? Niemals! Ich passe immer gut auf wenn, dann warst höchstwahrscheinlich du es.“, verteidigte sich Stephan und schüttelte dabei mit dem Kopf. Ricky und Jo lächelten und packten währenddessen ihre Geschenke vorsichtig aus. Sie waren beide gleich verpackt und weich. Zum Vorschein kamen zwei identische Schale, welche Felisa selbst gestrickt hatte und etwas Süßes. Wie gesagt es war nichts Besonderes, doch für Jo war es das beste Geschenk, was sie je bekommen hatte. Sie freute sich wirklich und außerdem sah der dunkelblaue Schal richtig gut aus, denn dieser war an den Enden mit einem kreativen weißen Muster versehen, welches irgendwie einem Tribal ähnelte. Auch Ricky war begeistert. Sie meinte nun könnten sie durch die Straßen im Pärchenlook laufen. Dabei zwinkerte sie Johanna zu und beide grinsten sich gegenseitig an. Ricky hatte schon Jo erzählt, dass ihre Oma echt gut stricken, und nähen konnte. Manchmal ging Ricarda zu ihr hin, wenn sie einfach mal etwas außergewöhnlichen haben wollte. Etwas, was keiner sonst hat. So wurde schnell aus einem langweiligen Shirt oder einer einfachen blauen Jeans ein kleines Kunstwerk, dank Felisa.
‚Nun weis ich ja endlich woher Ricky diese Ader für ausgeflippte Kreationen und Wohnungseinrichtungen hat.’, dachte sich Johanna.
Den restlichen Abend verbrachten alle noch mit einem Gesellschaftsspiel. Anschließend bot Oma Felisa den beiden jungen Damen an über Nacht zu bleiben, doch Ricky lehnte dankend ab und versprach ihren Großeltern sie demnächst mal wieder zu besuchen. Mit Umarmungen und Küsschen verabschiedeten sie sich und machten sich auf dem Heimweg.
„Hast du gehört was deine Oma gesagt hat?“, fragte Johanna atemlos vor Freude.
„Natürlich habe ich es gehört. Sie hat gesagt, dass sie dich mag und mein Opa auch. Sie meinten auch, dass sie sich freuen würden, wenn du das nächste mal wieder mitkommst.“, entgegnete Ricky lächelnd.
„Es war wirklich ein toller Abend und wir hätten eigentlich auch noch etwas länger bleiben können. Ich bin weder müde noch habe ich große Lust jetzt zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen.“
Ricarda lächelte sehr verführerisch „Warts ab Jo. Es gibt auch ganz andere Beschäftigungen außer dem TV.“ Anschließend hackte sie sich bei Jo ein.
Im Elternhaus angekommen marschierte Jo sofort in Richtung Küche, da diese bereits wieder Hunger verspürte. Glücklicherweise hatte Felisa den beiden noch etwas vom Hauptgericht und dem Kuchen mit eingepackt. Sofort wärmte sich Johanna das Essen in der Mikrowelle auf und machte es sich im Wohnzimmer auf der Couch bequem. Nebenbei lies sie natürlich den Fernseher laufen und wartete bis Ricky endlich wieder runterkommen würde.
Vorsichtig schlich Ricky sich nach wenigen Minuten an Jo heran. Johanna bemerkte es jedoch nicht, da sie zu vertief mit dem Essen beschäftigt war und nebenbei sich auf den Fernseher konzentrierte. Erst als Ricky sie zart von hinten umarmte zuckte sie kurz zusammen vor Schreck und drehte sich sofort um.
„Sei doch nicht so schreckhaft.“, flüsterte Ricky Johanna ins Ohr. „Und ich hoffe doch, dass deine Aufmerksamkeit und Konzentration heute nicht nur beim Essen und TV gucken bleiben?“, fuhr sie fort und strich sanft durch Jo’s Haare.
„Klingt fast so, als hättest du da schon einen verlockenden Vorschlag, habe ich Recht?“
Ricky lächelte. „Ganz genau.“
„Und der währe?“ daraufhin nahm Ricarda Jo den Teller aus den Händen, zog sie hoch und führte sie an der Hand hinter sich her die Treppen hinauf. Kurz vorm Bad blieb sie stehen und verschloss Jo mit den Händen die Augen.
„Du darfst erst schauen wenn wir drin sind.“, sagte sie mit einer geheimnisvollen Stimme. Vorsichtig betrat Johanna das Bad und sofort nahm sie einen angenehmen Duft von Rosen entgegen. Sie hörte ein rauschen. Es war der Wasserhahn. Ricky nahm ihre Hände weg und flüsterte, dass Johanna nun ihre Augen öffnen dürfe. Ihre Vermutung bestätigte sich sofort als sie es tat. Überall lagen schön verteilt Rosenblüten, die Badewanne füllte sich und ein großer Schaumberg verdeckte bereits fast das ganze Wasser.
„Das ist mein persönliches Geschenk an dich. Zumindest ein Teil davon. Der Rest folgt später.“, hauchte Ricarda Jo ins Ohr und begann langsam Johannas Gürtel aufzumachen. Jo drehte sich zu Ricky um.
„Das scheint ja eine ganz interessante Nacht zu werden. Gefällt mir.“, lachte sie, umfasste behutsam mit beiden Händen Ricardas Gesicht und küsste sie zart auf die Lippen.
***
25. Dezember.
An diesem Morgen, als Ricarda ihre Augen öffnete saß Jo neben ihr mit einem lächeln auf den Lippen.
„Guten Morgen Schatz!“, flüsterte sie. Ricky rieb sich kurz die Augen und richtete sich anschließend ebenfalls auf.
„Morgen.“, entgegnete sie mit noch total müder Stimme. „Wie lange sitzt du jetzt schon hier?“, fragte sie anschließend, nachdem sie einen kurzen Blick auf die Uhr warf.
Johanna schmunzelte: „Nicht lange. Maximal ein paar Stunden.“
„So lange? Ach Hasi, dass hättest du doch nicht tun brauchen.“, zärtlich strich Ricky Johanna über die Wange.
„Ich wollte nicht, dass du dir vielleicht wieder sorgen machst. Aber nun bist du wach und wir können endlich Frühstücken gehen. Ich hab nämlich einen Bärenhunger.“, gab Jo zur Antwort und sprang in selben Moment vom Bett, schnappte sich Rickys Sachen und reichte ihr diese.
„Hier, ich geh schon mal runter und mach uns einen Kaffee.“ Ricky nickte und Jo verschwand sofort in der Tür. Einige Minuten betrat Ricarda die Küche und fand bereits einen fertig gedeckten Frühstückstisch vor sich stehen.
„Ich dachte du wolltest nur Kaffee machen?“
„Ja eigentlich schon aber du hast so lange gebraucht, dass ich mich entschied den Rest ebenfalls zu erledigen.“
„Du bezeichnest 5 Minuten als eine lange Zeit?“ Johanna überlegte einen kurzen Moment.
„Ähm ja.“
„Ach gib es doch zu, dass du mich bloß die ganze Zeit verwöhnen willst.“, erwiderte Ricarda und nahm Platz.
„Wäre es denn so schlimm, wenn ich es täte?“, fragte Jo und gab ihrer Freundin einen Kuss bevor sie ebenfalls sich hinsetzte. Ricky lächelte und schüttelte mit dem Kopf, denn insgeheim freute sie sich sehr darüber, wie Johanna sie umschwärmte und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas, denn das hatte bis jetzt für sie noch keine Peson getan und sie so liebevoll behandelt.
Genau in diesem Augenblick klingelte das Telefon und unterbrach die romantische Morgenstimmung. Ricky schaute kurz auf den Display bevor sie das Telefonat annahm.
„Es ist meine Mum“, flüsterte sie und nahm an.
„Hallo Schätzchen. Wie geht es dir denn so?“
„Hi Mum. Bei mir ist alles in Ordnung. Rufst du an wegen der Ankunftszeit?“ Rickys Mutter schwieg einen Moment lang.
„Nun genau wegen dem rufe ich an. Also Ricarda dein Vater und ich, wir haben uns überlegt hier in Italien Silvester zu feiern. Weist du hier ist es so schön warm und der Strand erst, einfach herrlich.“
„Aber was ist mit dem gemeinsamen feiern? Heißt das ihr wollt mich wieder allein lassen, nur weil es bei euch warm ist?“
„Nein Liebling auf keinen Fall, was denkst du den von mir. Wir haben uns überlegt, dass du einfach zu uns kommst. Dein Vati wird sofort ein Flugticket reservieren. Am besten für morgen. Schaffst du das zeitlich?“
„Moment. Stopp. Mutter ich habe dir doch gesagt, dass ich noch eine Freundin mitnehmen werde. Ich kann, beziehungsweise ich will sie nicht allein lassen.“ In dem Moment schaute Johanna etwas besorgt zu Ricarda, die ihr einen verärgerten Blick zuwarf.
„Nein Ricky das habe ich natürlich nicht vergessen. Wie war ihr Name noch mal. Johanna oder?“
Ohne auf Ricardas Antwort zu warten fuhr Alicia fort.
„Ihr kommt natürlich beide hierher. Richte bitte Johanna aus, dass es eine Einladung ist. Also schafft ihr es bis morgen, sagen wir Mittag, eure Sachen zu packen und am Frankfurter Flughafen zu sein?“
Ricky war in dem Augenblick so perplex, dass es ihr sogar die Sprache verschlug.
„Das bezeichne ich als ein ja Schätzchen. Es wird euch bestimmt hier gefallen.“ Im selben Moment rief Alicia ihrem Mann zu, er solle die Tickets schon mal bestellen.
„Aber Mum. Ich habe Johanna noch gar nicht gefragt und ich weis nicht so recht…“
„Ach so ein Quatsch natürlich wird sie einverstanden sein, wieso denn auch nicht. Da gibt es nichts zum Diskutieren wir sehen uns dann morgen mein Liebling. Ich hab dich sehr lieb. Tschöö viel Spaß beim Packen.“ Mit diesen Worten legte Ricardas Mum auf, während Ricky immer noch total verwirrt ihren starren Blick auf den Frühstückstisch fixierte.
„Was ist los?“, fragte Jo, die ebenfalls etwas verwirrt war, denn sie konnte natürlich nicht viel Informatives aus dem Gespräch ziehen.
„Ähm eigentlich nichts, außer, dass wir heute einen langen Tag vor uns haben. Wir müssen nach Koblenz, unsere Sommersachen holen und morgen Mittag am Flughafen sein. Außerdem muss ich mal schauen, wann genau ein Flug nach Italien geht.“ Johanna schaute total verwirrt zu Ricky, die bereits ein fettes Grinsen im Gesicht hatte.
„Koblenz, Sommersachen, Italien? Hä? Also ich versteh nur Bahnhof.“
„Nein Schatzi kein Bahnhof sonder Flughafen, verstehst du Flughafen. Du und ich fliegen morgen nach Italien“ Beim aussprechen diesen Satzes versuchte Ricarda jedes Wort mit ihren Hände nachzuahmen was sehr lustig aussah und Jo zum lächeln brachte, obwohl sie immer noch nicht ganz verstand was da gerade beim Telefonat geschehen war. Ja sie hielt es für einen Scherz, doch Ricky erklärte es Jo erneut und versicherte ihr, dass es auf keinen Fall nur ein Witz sein sollte.
„Aber wir können doch nicht so einfach fliegen? Das geht doch nicht. Ich mein, ich bin überhaupt nicht auf so was vorbereitet.“
„Ach Jo es ist doch nichts dabei. Du gibst dein Gepäck ab, steigst in die Maschine und schwupp in wenigen Stunden sind wir schon bei meinen Elter in unserem Ferienhaus an einem Strand und beobachten zusammen den Sonnenuntergang. Klingt doch gut oder?“
„Ja schon aber fliegen? Muss das sein?“ Ricky setzte sich neben Jo auf die Couch im Wohnzimmer, denn nach dem Telefonat waren beide inzwischen fertig mit dem frühstücken und machten es sich im Wohnzimmer bequem.
„Jetzt versteh ich es. Du hast Angst vor dem Flug nicht wahr?“
„Nein wie kommst du den drauf.“, erwiderte Johanna mit einer unsicheren Stimme.
„Klar hast du Schiss, sonst wärst du jetzt nicht so voller Panik“
„Nein habe ich nicht.“ Johanna schaute in Ricardas lächelndes Gesicht.
„Na gut OK. Ja ich habe Angst aber ich bin noch nie geflogen. Was ist, wenn mir schlecht wird oder wir abstürzen?“
„Sehr tolle Kombination Schlechtwerden und Abstürzen. Du musst keine Angst haben es ist echt nicht so schlimm, wie du denkst. Außerdem ich bin doch bei dir und du darfst sogar den ganzen Flug über meine Hand halten. Einverstanden?“ Johanna zuckte leicht mit den Schultern, sagte jedoch nichts mehr.
„Jetzt hast du wenigstens eine Schwäche, die mir bekannt ist und ich finde Schwächen können auch eine sehr süße Wirkung haben.“, erwiderte Ricky und ging wieder in die Küche. Jo konnte natürlich dieser Versuchung nicht widerstehen und blickte ihrer Freundin hinterher. Für Jo sah Ricarda immer attraktiv aus egal was sie anhatte. Sei es ein Rock, Kleid, eine eng anliegende Jeans oder wie in dem Moment eine Jogginghose aber am besten fand es Johanna, wenn Ricky absolut nichts anhatte.
„Es sind schon zwei, die du kennst, rief ihr Jo hinterher.“
„Ich zähle nicht dazu“, erwiderte Ricarda lächelnd aus der Küche.
„Aber du bist meine größte Schwäche, denn ich werde nur für dich morgen in den Flieger steigen.“
„Das freut mich Schatz. Aber wir sollten uns beeilen, denn wir müssen mit dem nächstmöglichen Zug nach Koblenz um unsere Sachen zu holen, die für Italien geeigneter sind als Pullis und lange Hosen und Wollsocken.“ Nachdem Ricky und Jo alles in der Küche aufgeräumt hatten, zogen sich beide an, packten ihre warmen Sachen ein und fuhren wie geplant zu der WG. Das Haus war leer und somit nutzten es die beiden sofort aus um ungestört ihre Liebe zueinander erneut durch zärtliche Liebkosungen in Ricardas Zimmer zu besiegeln. Anschließend führte Ricky Jo eine kleine Modenschau vor, bevor sie die Sachen, die sie ausgesucht hatte einpackte.
Am nächsten Tag waren Ricarda und Jo bereits um 11 Uhr am Flughafen und holten als erstes die reservierten Tickets ab.
„Hallo. Ich wollte meine reservierten Tickets abholen.“, sagte Ricky zu dem Mitarbeiter am Informationsschalter.
„Guten Morgen. Ich schau mal gleich nach. Auf welchen Namen sind sie den reserviert?“
„Lores Ricarda.“
„Alles klar hier sind sie. Zwei Tickets nach Italien. Ich wünsche euch viel spaß.“ Nun war es soweit Jo war kurz davor in das Flugzeug einzusteigen und ihr Puls stieg mit jeder Sekunde immer höher und höher. Johanna wollte schon immer irgendwann mal ins Ausland fliegen, Abenteuer erleben, andere Länder besichtigen, doch sie dachte nie daran, dass es bereits so schnell geschehen würde. Auch der Gedanke zu Fliegen kam ihr frühe so toll und interessant vor aber nun stand sie in diesem langen Gang, der sie in wenigen Sekunden in das Flugzeug befördern würde und ihre ganze Begeisterung war die weggeblasen. Ricarda lächelte sie lieb an und meinte sie müssten sich beeilen, denn sie wären schon die Letzten. Jo schluckte und betrat die Maschine.
„Maus, willst du neben dem Fenster sitzen oder soll ich…..“, fragte Ricarda und wurde sogleich von Jo unterbrochen, die meinte sie wolle sich bloß nicht neben dem Fenster aufhalten. Somit nahm Ricky neben der Luke platz und Johanna neben ihr.
„Reg dich nicht auf Süße. Es wird echt nicht lange dauern, dann sind wir schon da.“, meinte Ricky und strich Jo zärtlich mit dem Zeigefinger über ihr Gesicht. Johanna lächelte schwach, versucht aber ihre Nervosität in den Griff zu bekommen, was bereits beim start des Fluges scheiterte. Durch den plötzlichen Druck, der Jo leicht in den Sitz presste, verschwand sofort die ganze Sicherheit und sie griff automatisch nach der Hand ihrer Geliebten, die sofort den Griff erwiderte und Johanna mit sanften Worten zu beruhigen versuchte. Einige Zeit später wurde ein leckeres Mittagessen serviert, über welches Ricarda mit hohem Genuss herfiel. Nur Jo konnte sich für das Essen nicht wirklich begeistern und beim Anblick von Kartoffelpüree und Schnitzelstückchen in Sauce verschlimmerte sich ihr Zustand zunehmend. Eine Stewardess entging dieses Geschehen nicht, denn sie beobachtete schon seit beginn des Fluges sehr interessiert das verliebte Pärchen.
„Entschuldigung? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein. Es scheint so, als ginge es Ihnen nicht gut?!“, fragte die junge Frau höflich.
„Oh ja. Irgendwie wird mir schlecht, glaube ich.“
„Brauchen sie etwas Wasser und vielleicht eine Tablette gegen Übelkeit?“
„Danke das wäre jetzt glaube ich gar nicht so verkehrt.“, antwortete Johanna und lächelte kaum bemerkbar. Die Stewardess kam schnell wieder zurück mit den gerade erwähnten Dingen und reichte diese Johanna.
„Ist es ihr erster Flug?“, fragte sie anschließend.
„Ja und ich denke ich werde nie wieder fliegen.“ An der Stelle grinste Ricarda. Und meinte, dass Jo ja auf jeden Fall noch zurück fliegen müsste worauf Johanna ihre Augen verdrehte und tief seufzte. Nachdem Die Flugbegleitung wieder gegangen war wurde der Nachtisch gebracht.
„Oh Gott Tiramisutörtchen!“, rief Ricarda begeistert und verputzte rasch ihr Stückchen.
„Ähm Schatz, willst du eigentlich noch dein Stück essen?“, fragte sie ganz unschuldig und schielte dabei auf Johannas Nachtischportion. Jo, die immer noch leicht grünlich im Gesicht war, schob den Plastikteller von sich weg.
„Bloß nicht das, sonst wird mir wieder schlecht. Du kannst es ruhig essen.“
„Danke“ Und schon wanderte ein Bissen in Rickys Mund.
Nach dem anstrengenden Flug und der für Johanna atemberaubenden Landung, bei der ihr wieder das Adrenalin in den ganzen Körper schoss, war sie sichtlich erleichtert endlich festen Boden unter den Füßen zu spüren. Ricky und sie begaben sich zu der Gepäckausgabe, holten es sich nach 5 Minuten Wartezeit ab und machten sich anschließend auf den Weg zum Ausgang des Flughafens. Dort wartete bereits Ricardas Vater, der heftig den beiden zuwinkte und auf seine Tochter zuging mit großen Schritten, bis er sie endlich in seine Arme schließen konnte. Er sah ganz anders aus als Jo ihn sich aus Rickys Erzählungen vorgestellt hatte. Stefan war etwa 1,80 groß, hatte kurzes, leicht gelocktes Haar und einen Bart, der sich um seinen ganzen Mud zog, jedoch gepflegt war. Kurz, bestehend aus Strichen, die eine Art Viereck bildeten.
„Hallo du bist also die Johanna von der Ricky uns schon so viel erzählt hat. Ich bin Stefan.“
„Hallo. Tatsächlich? Ich hoffe die Erzählungen waren nicht allzu negativ.“, erwiderte Jo und gab Stefan zur Begrüßung die Hand.
„Nein, keine Sorge. Sie hat nur das Gute erwähnt.“, grinste er und nahm den beiden Damen die Koffer ab.
„Los Mädels. Ich habe gleich vor dem Eingang geparkt und Ricky deine Mutter wartet schon ungeduldig zu Hause auf euch. Sie hat was Leckeres gekocht.“
***
„Das hättest du lieber nicht erwähnen sollen“, entgegnete Ricarda mit einem Grinsen auf den Lippen und blickte zu Johanna, die immer noch etwas benommen von dem Flug war.
„Stimmt. Ich glaube mir wird wieder schlecht, wenn ich ans Essen denke.“ Stefan warf einen kurzen Blick zu Johanna und verfrachtete das Gepäck in den Kofferraum. Jo konnte sich schon vorstellen was er in diesem Augenblick wohl dachte. ‚Hoffentlich kotzt sie mir bloß nicht ins Auto.’ Bestimmt so was in der Richtung. ‚Na toll“, überlegte sich Jo sofort. ‚Kaum lern ich Rickys Vater kennen und schon vermassle ich es.’ Es schien so als könnte Ricarda Johannas Gedanken mitverfolgen, denn sie drückte leicht Jo’s Hand und lächelte sie ganz lieb an. Bevor die beiden den Flug antraten, bat Ricarda Jo vor ihren Eltern so normal wie möglich aufzutreten, denn sie wussten ja noch nichts von ihren Gefühlen zu Johanna. Sie wollte sich Zeit lassen um ihnen dies möglichst schonend beizubringen und es würde auch gewiss nicht in dieser Woche geschehen. Ricky meinte es wäre alles noch so frisch, all die Gefühle, die Situation, einfach das gesamte Geschehen, das sie erstmal selber Zeit bräuchte um dies Alles zu realisieren. Sie musste sich selbst daran gewöhnen, dass sie nun Johanna an ihrer Seite hatte und das nicht nur als eine Freundin, sonder als eine Person, die sie über alles liebte.
Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde und Johanna hielt es nur mit viel Mühe aus, denn der Weg war so extrem kurvig und ihr war immer noch übel, da machte es die Straße nicht gerade leichter. Stefan fragte zwischendurch, ob es noch ginge. Es schien als hätte er wirklich Mitgefühl für Jo oder er hatte große Angst um seinen Wagen und wollte für den Fall vorbereitet sein. Johanna dacht, dass es gar nicht mehr schlimmer kommen konnte doch es passierte, als sie endlich ankamen. Alicia kam sofort raus und begrüßte alle mit Küsschen und Umarmungen. Sie hatte ebenfalls wie Ricky lockiges Schulterlanges Haar. Johanna merkte, dass Ricarda allgemein ihrer Mutter sehr ähnlich aussah. Nur die Braunen Augen hatte sie eindeutig von ihren Vater. Plötzlich verspürte Jo eine extreme Übelkeit. Sie schaffte es gerade noch Ricarda zu fragen wo sie das Klo finden könnte und rannte sofort los.
„Was ist den mit ihr los? Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Alicia und schaute ihrer ebenfalls wegrennenden Tochter hinterher. Stefan klärte sie natürlich auf während Johanna ihr Frühstück von dem Morgen wieder zu Gesicht bekam.
„Oh süße. Ich glaube am Besten ist es, du bleibst heute mal im Bett und morgen zeige ich dir die Gegend.“
„Das glaub eich auch. Nur bei deinen Eltern habe ich schon mal keinen guten Eindruck hinterlassen.“
Ricarda schüttelte mit dem Kopf: „Ach quatsch. Die verstehen das schon. Ich mein du kannst doch nichts dafür, dass es dir schlecht geht.“
„Na ja zumindest ist es nicht im Auto oder vor deiner Mutter passiert, sonst wär’s wohl echt ein Kennen lernen, was tief im Gedächtnis geblieben währe.“, lachte Jo und wusch sich das Gesicht.
„Irgendwie geht’s mir schon besser aber essen werde ich heute nichts mehr.“ Ricky nickte und umarmte ihre Freundin.
„Ich bin so glücklich mit dir. Du bist so faszinierend und es wird eine tolle Woche. Das spüre ich ganz fest.“, flüsterte sie. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Das paar löste sich blitzartig und starrte gemeinsam auf die Tür.
„Johanna?“, fragte Rickys Mum und öffnete vorsichtig die nicht abgeschlossene Tür.
„Ich habe hier ein Glas Wasser und etwas gegen Übelkeit. Hoffentlich geht es dir schnell wieder besser.“ Alicia reichte Jo das Glas und eine Tablette.
Einige Stunden später fühlte sich Johanna wirklich um einiges besser, jedoch verzichtete sie auf das Mittag und Abendessen aus Angst ihr könnte wieder schlecht werden. Sie redete dafür mit Ricardas Eltern über eine Stunde, denn Ricky war in der Zeit damit beschäftigt sich fertig zu machen für die Stadt, da Jo sie überredet hatte doch noch auszugehen, weil es ihr am Abend schon wieder gut ging.. Sie erzählte ihnen so einiges aus ihrem Leben. Alicia dagegen erzählte von sich und sprach dabei auch einige Themen über Ricarda an. Sie meinte sie wäre so glücklich, dass Ricky jemanden hatte, mit dem sie sich so gut verstand. Sie erwähnte auch wie aufgeregt Ricarda immer von Johanna am Telefon erzählte, was Jo die ganze Zeit zum Schmunzeln brachte. Als Ricarda endlich fertig war, verließen die beiden das Haus und machten sich auf den Weg ins Zentrum der örtlichen Umgebung. Ihr Flugzeug landete in Padova und Rickys Vater brachte sie nach Chioggia, einer kleinen Gegend an der Küste. Johanna war fasziniert von all dem was sie umgab. Palmen und andere Pflanzen, die sie nur aus Filmen und diversen Bildern kannte, standen massenhaft überall in der Gegend rum. Auch der Baustil war ihr komplett neu. Viele Häuser, vor allem im Zentrum hatten ein altes Bauschema. Johanna hatte sich schon öfters vor Beginn ihrer Ausbildung überlegt, ob sie doch lieber weiter lernen sollte und anschließend eventuell in Richtung Architektur eine Ausbildung anstreben könnte. Dieser bereich lies Johannas Fantasien regelrecht beflügeln und schon befand sie sich in einer anderen Welt. In ihren Träumen. Ja, Johanna war ein hoffnungsloser Träumer und das am Tag und in der Nacht. Aber am aller öftesten träumte sie von ihrer Familie. Nein, sie kannte keinen von der Verwandtschaft. Johanna wusste nicht einmal, ob sie eine besaß aber sie stellte sich oft vor, wie wohl alles verlaufen währe, wenn sie eine hätte? Manchmal beobachtete sie fremde Menschen und überlegte sich, ob eine dieser Personen ja möglicherweise ihr Verwandter sein könnte. Doch schnell fand sie diese Überlegung schwachsinnig, denn wieso sollte sie sich Gedanken über die Menschen machen, die sie nicht wollten? Dachten diese etwa auch an sie? Nein, das konnte sich Johanna definitiv nicht vorstellen.
Am Abend konnte man in Chioggia nicht all zu viel machen, meinte Ricarda aber es gab einige gute Plätze, wo man einen Abend schön verbringen konnte. Es war eine kleine Diskothek in der sich die Touristen und andere Persönlichkeiten eindeutig in der Überzahl befanden. Die andern Personen waren Reiche Geschäftsleute, die in dieser Region ihre übergroßen Häuser und Villas hatten. Rickys Eltern gehörten jedoch keineswegs zu solch einer Gesellschaft. Ihr Häuschen war klein im vergleich zu dem Rest. Außerdem war es eine ruhige Gegend und man konnte hier auf jeden Fall einen schönen Urlaub verbringen.
In der Disko suchte sich Johanna ein gemütliches Plätzchen aus und setzte sich schon mal hin, während Ricky den beiden was zu Trinken organisierte. Natürlich hatte Ricarda nicht vor den ganzen Abend nur rum zu sitzen, denn sie machte sich ja nicht umsonst so lange schick. Dabei zog sie sogar die Sachen an, die Jo bei der Privatmodenschau am besten fand. Jedoch lehnte Johanna trotzdem Rickys mehrmalige Aufforderung zum Tanzen ab. Letztendlich gab Ricarda auf, warf ihrer Freundin einen finsteren Blick zu und verschwand in der Menge. Johanna blieb, denn sie war wirklich an dem Tag nicht in der Stimmung sich zu irgendwelcher Musik zu bewegen. Der grausame Flug raubte ihr die letzten Energiereserven. Es dauerte nicht lange, bis Ricky tanzend vor Johannas Augen wieder auftauchte. Neben ihr stand ein junger Mann und tanzte mit ihr wild zu der Musik. Jo blieb locker und sah ihrer Flamme zu, welche sie neckisch anlächelte, als würde sie sagen wollen. ‚Tja das kommt nun davon, wenn du nicht mit mir tanzen willst!’ Der Typ versuchte mit allen möglichen Tanzschritten Ricarda zu beeindrucken. Mal kam er ihr nah und dann entfernte er sich wieder. Seine Hände berührte einige male Rickys Oberarme und er flüsterte ihr etwas ins Ohr, was Ricarda zum lächeln brachte. Johanna schaute sich das ganze sehr gelassen an, sagte auch nichts als Ricky wieder sich zu ihr gesellte und sie immer noch mit einem fiesen Lächeln angrinste. Erst auf dem Weg zum Haus sprach sie das Thema an.
„Was sollte das auf der Tanzfläche?“
„Nichts ich habe bloß getanzt.“
„Aja und der Typ war wohl bloß Dekoration zu deinen Bewegungen oder wie?“
„Oh du bist do nicht etwa eifersüchtig?“ Johanna schaute etwas beleidigt und blickte aufs Meer, welches gleich in ihrer Nähe war, da sie sich entschlossen der Küste entlang zurück zu gehen. Es war einfach wunderschön. Diese Wellen, die dieses typische Meeresgeräusch erzeugten. Johanna überlegte sich wieso wohl man meint, dass Muscheln dieses Rauschen ebenfalls hätten. Es hörte sich doch so anders an. Jo ging einige Schritte vom Weg ab und fing an langsam ihre Sneakers auszuziehen. Anschließend folgten die Socken.
„Was hast du denn vor?“, fragte Ricarda, die immer noch am gepflasterten Weg stand und Jo neugierig zuschaute.
„komm her!“, rief Johanna und lief schon mal vor. „Ich will kurz zum Wasser“, fügte sie hinzu. Ricky machte es Jo nach und entledigte sich ebenfalls ihrer Sandalen.
„Warte doch. Sag mal bist du mir jetzt böse, wegen der Sache in der Disko? Das war doch nicht so gemeint.“ Johanna stand bereits an einer Stelle, wo sie die kommenden Wellen immer wieder leicht berührten. Es kitzelte Johanna irgendwie an den Füßen aber es war ein schönes Gefühl das erste Mal das Meereswasser zu spüren.
„Nein ich bin dir nicht böse. Ich weis ja, dass du mich bloß provoziert hast, weil ich mit dir nicht tanzen wollte.“, antwortete sie und blickte in den schwarzen Himmel. Um sie herum war weit und breit keine Menschenseele. Johanna schaute Ricky genau an. Sie hatte nur ihr Kleid an. Die kleine Tasche mit den Wertgegenständen, die nicht wasserfest waren lag ebenfalls bei den Schuhen. Ricky näherte sich ihr.
„Kein bisschen sauer? Das sah aber nicht so in der Diskothek aus.“
„Stimmt, denn ich lasse mich nur sehr ungern provozieren und ich sehe es nicht gern, wenn irgendwelche Typen meine Freundin anfassen und ihr etwas ins Ohr flüstern.“ Mit diesen Worten zog Jo rasch ihr Hemd aus und warf es ebenfall zu den Schuhen.
„Spinnst du? Willst du jetzt etwa Nacktbaden?“, fragte Ricky etwas erschrocken.
„Nein ich will bloß wenigstens etwas trockenes später anziehen können!“ rief sie und zog sogleich ihre Freundin in die kommende Welle. Ricarda war so erschrocken über diese Aktion, dass sie total vergaß sich zu währen und so zog Johanna sie immer weiter in das kühle Wasser.
„Oh Gott du spinnst ja völlig. Soll ich jetzt total durchnässt nach Hause gehen?“, schimpfte sie und wollte wieder aus dem Wasser gehen, doch Jo hielt sie fest.
„Ist doch egal. Es ist warm und ich bin auch nass. Komm her.“ Ricky blieb stehen und schaute Johanna in die Augen. Beide waren etwa bis zu den schulten im Wasser, je nach dem wie die Wellen kamen und gingen. Johanna strich sich das salzige Wasser aus dem Gesicht denn eine Welle hatte bereits sie komplett unters Wasser gedrückt. Sie lächelte und schwamm einen Kreis um Ricky, die immer noch mit bissigem Blick sie beobachtete.
„Ach komm, wenn du mit Typen tanzen darfst, dann habe ich wohl das Recht dich nass zu machen. So sind wir nun quitt.“ Jo blieb stehen und kam Ricky ganz nah.
„Ach zieh doch nicht so eine Grimasse. Das sieht ja aus, als hätte man dir den Lolly weggenommen.“ Ricky lächelte leicht und wollte gerade etwas sagen als ihr Johanna zuvor kam mit einem zärtlichen Kuss auf die Lippen. Sofort spürte sie den leicht salzigen Geschmack aber es war ihr in dem Moment egal, denn perfekter konnte der Augenblick für den ersten Kuss im Meer nicht sein können. Nacht, Sternenklarer Himmel, Stille, Meer und nur sie beide waren da. Der Rest um sie herum schien sich im tiefen Schlaf zu befinden. Nur die Geräusche der Nacht umgaben die beiden, welche man sogar noch im Wasser hören konnte.
„Mach das nie wieder OK? Es macht mich brennend eifersüchtig.“, flüsterte Johanna, während Ricky sie umarmte, ihr zunickte und bereits in einen erneuten tiefen Kuss im Wasser mit ihrer Liebsten verfiel.
***
Den ganzen Weg über konnte das verliebte Paar nur mit viel Mühe die Finger von einander lassen. Beim Haus angekommen war dies nicht anders. Sofort schlichen die beiden in den Kellen, wo sich auch Rickys Zimmer befand. Sie hatte es extra ausgesucht, denn dort war es immer kühl und still, denn man bekam so gut wie gar nichts mit, was ein Stockwerk höher geschah. Im Keller befand sich auch eine Dusche. Rickys wichtigster Grund, wieso sie auf jeden Fall den Keller bevorzugte. In dieser Nacht war sie auch erneut glücklich über ihre Wahl gewesen, denn sie und Jo zogen schnell die nassen Klamotten aus und stellten sich unter das lauwarme Wasser in der Dusche. Natürlich konnte Johanna der Versuchung nicht widerstehen, wie denn auch, wenn zum Einem ihre Freundin ihr den ganzen Weg über Dinge ins Ohr flüsterte, bei denen Johanna sofort ein angenehmes Kribbeln überkam. Zum Anderem stand Ricky nun ganz nackt vor ihr und überfiel sie immer wieder mit Kussattacken, worauf Jo Ricky für einen Moment an die kalte Wand der Duschkabine drückte. Ricarda stöhnte kurz auf und löste sich sogleich davon. Johanna fuhr zärtlich über den nassen Körper ihrer Partnerin, was die andere ebenfalls tat. Das Wasser lief beiden über die Gesichter und wusch sogleich den salzigen Geschmack von ihren Körpern. Mit jeder Minute steig die Erregung und das Verlangen nach mehr, doch dies wurde durch eine kleine Panne unterbrochen, denn bei diesem leidenschaftlichen Liebesspiel unter dem Wasser, rutschte Ricky beinahe aus und wurde nur durch den starken Griff von Jo wieder hochgezogen.
„Ich glaube es ist vielleicht besser, wenn wir im Bett weitermachen?“, fragte sie mit erregter Stimme und hüpfte sogleich aus der Kabine. Auf das abtrocknen verzichtete Ricky ebenfalls und zog ihre Geliebte prompt ins Zimmer.
„Oho. Da ist ja jemand sehr stürmisch heute!“, flüsterte Johanna und bekam im gleichen Moment von Ricky einen kleinen Schubs, so dass sie im weichen Bett landete. Ricarda kam über Jo her, küsste sie leidenschaftlich an den Lippen, am Hals und wanderte langsam weiter abwärts.
„Nun wem könnte ich wohl dieses stürmische Verhalten zu verdanken haben?“, fragte sie und biss Johanna leicht in die Schulter.
„Keine Ahnung. Aha bissig ist die Dame heute auch noch.“, grinste sie und drehte sich um, so dass sie sich nun über Ricky befand. Von Johannas Haaren tropfte immer noch das Wasser. Die kleinen Wasserkugelchen, fielen eine nach der anderen auf Ricardas heißen Körper hinab. Manche flossen sofort an den Hüften herunter und hinterließen nasse Flecken auf dem Bettlaken. Andere blieben auf Rickys Körper und bildeten eine kleine Wasserpfütze um den Bauchnabel. Vorsichtig Küsste Jo sich einen Weg von Ricardas Brüsten zu dieser Stelle und blies leicht. Sofort perlte das Wasser wie der Rest an den Seiten ab. Vorsichtig küsste Johanna die immer noch feuchte Stelle, während Ricarda ihr dabei mit großer Erregung zusah.
„Du bist verdammt heiß!“, verkündete Johanna und schaute ihrer Freundin in die Augen.
„Und wie du gerade guckst, hast du bestimmt schon eine Idee, wie du mich wieder abkühlen kannst, oder?“ Jo grinste, kam wieder zu Ricky hoch, küsste sie und flüsterte ihr ins Ohr:
„Was hältst du von einem kleinen Spielchen mit Eiswürfeln?“
27. Dezember.
Am diesem Morgen schlenderten die beiden erste gegen Mittag immer noch total müde in die Küche. Ricardas Mutter saß am Frühstückstisch und trank ihren Kaffee. Stefan machte sich in zwischen einen Ice-coffee und las nebenbei eine Zeitschrift.
„Liebling. Haben wir etwa schon wieder keine Eiswürfel mehr? Ich habe doch erst Vorgestern welche einfrieren lassen. Das gibt’s doch nicht.“, schimpfte er, während Ricarda und Jo sich nur schwer das Grinsen verkneifen konnten. Bei dem Gedanken an die letzte Nacht mit Jo, stieg in Ricarda erneut diese Hitze, die jedoch sofort unterdrückt wurde durch Alicias Frage, was die beiden denn letzte Nacht so gemacht haben. Jo schluckte.
‚Aha so viel also zu der Theorie, man hört ja nix, was unten geschieht. Deshalb ist das Zimmer im Keller so toll!’ An dieser Stelle fügte Rickys Mum noch die Wörtchen -in der Stadt- hinzu, was Johanna wieder zu Erleichterung brachte.
Nach dem Frühstück, welches Jo mit großem Genuss verdrückte, da sie ja am vorherigem Tag im Grunde nichts aß und noch dazu eine sehr Energieraubende Nacht hinter sich hatte, packten sie und Ricarda ihre Badesachen und einiges zu Essen ein und machten sich auf den Weg zum Meer. Doch es sollte nicht nur irgendein Platz am Strand sein, nein Ricky strebte da etwas ganz besonderes an. Vor einigen Jahren nahm ihr Dad sie auf eine Bootsfahrt mit und da entdeckten sie eine wunderschöne kleine Insel mit einer Bucht. Es war sehr abgelegen und ruhig dort und um diese Insel erreichen zu können musste Ricarda das Boot nehmen, wovon Jo anfangs nicht begeistert war.
„Bist du dir ganz sicher, dass du mit dem Teil umgehen kannst?“, fragte sie mehrmals und bekam natürlich jedes Mal ein ‚Ja’ als Antwort. Jo’s Skepsis verflog erst, als sie die Insel erreichten und sie sich selbst von der Schönheit dieses kleinen Stückchens Erde beeindrucken konnte. Johanna fand es tatsächlich schön an diesem Ort. Keiner außer ihnen war hier anwesend und überall sah man nur Grüne Pflanzen, Sträucher und Bäume wachsen. Der Sand war ebenfalls so weich.
„Und habe ich zu viel versprochen?“, fragte Ricky und sah Jo mit einem Triumphierenden blick an.
„Nein keineswegs.“, entgegnete ihr diese. Beide verbrachten den ganzen Tag auf der Insel. Zwischendurch unternehmen sie kurze Bootsfahrten, blieben jedoch meist in der nähe der Bucht, damit kein anderer diese besetzen konnte. Zum ersten Mal lernte Johanna solch ein Fahrzeug zu steuern. Am Abend wechselten Ricarda und Johanna die Seite der Insel, damit sie den Sonnenuntergang in vollen Zügen genießen konnten, auch wenn sie an der anderen Seite keinen Zugang zum Festland hatten und somit auf dem Boot bleiben mussten. An diesem Abend sprach Ricky ein Thema an, welches sie noch Monatespäter vergeblich beschäftigen sollte. Nein es war eigentlich nicht nur ein Thema, es handelte sich um einen verlorenen Lebensabschnitt, den Jo immer bei sich trug. Ihre Familie. Ricarda stieß auf dieses Thema als sie anfing darüber nachzudenken ob es nun Schicksal oder bloß alles ein großer Zufall war, dass Jo ausgerechnet ihr begegnete. Sie dachte darüber nach, wie es passieren konnte, dass die Polizei für Johanna kein Platz fand. Eigentlich klang es doch total seltsam. Zum Schluss fragte sie Johanna, wieso sie eigentlich ausgerechnet dieses Bundesland ausgesucht hatte und traf somit vollkommen ins Schwarze.
„Es hat keinen Grund.“, antwortet Jo hastig und wollte das angefangene Thema somit auch schon beenden, doch Ricky kannte sie inzwischen lange genug um zu wissen, wenn Jo log. Es gab da gewisse Andeutungen, wie zum Beispiel das verräterische Zusammenziehen der Augenbrauen. Somit hackte Ricarda natürlich nach und lies das Gespräch nicht los. Es dauerte auch nicht lange, bis Jo nachgab und mit der Sprache rausrückte.
„Nun OK. Du hast ja schon Recht. Natürlich gibt es einen Grund. Es gibt doch immer Gründe für alles.“, begann sie.
„Meiner ist aber echt dumm. Eigentlich ist es nur eine Fiktion, Illusion, etwas, was ich mir vormache und so oder so weis, dass es nicht stimmt oder einfach nicht stimmen kann. Ich habe nämlich das Gefühl, dass ich genau hierher gehöre.“, sagte Johanna leise und schaute in das schöne Orange, Rot Gelb, der untergehenden Sonne. Man konnte sogar etwas Rosa erkennen und je weiter die Sonnenstrahlen reichten desto blauer wurde die Farbe. Es war ein sehr schöner Sonnenuntergang und würde ihr wahrscheinlich noch sehr lang ein Erinnerung bleiben.
„Ich habe oft diese Träume. Seltsame Bilder tauchen vor mir auf. Mal ist es ein Feuer, welches mir Angst mach ein anderes Mal sehe ich ein kleines Mädchen welches neben mir sitzt. Oder es sind Menschen da, die mir etwas erzählen. Das habe ich immer. Fast jede Nacht. Von diesem Feuer habe ich am meisten angst, manchmal auch am Tag. Ich weis auch nicht wieso aber es war mir immer klar, dass ich genau hier her, nach Reinland-Pfalz will. Ich verbinde diese Träume und das Verlangen damit, dass hier meine Familie sein muss. Eine andere Begründung habe ich dafür nicht.“, erzählte Jo und streichelte sanft über Rickys Hände, welche sie von hinten umschlungen hatten. Ricarda war sehr berührt von dieser Erzählung. Sie war allgemein ein sehr emotionaler Mensch, der einfach nur in der Pubertät auf die schiefe Bahn geraten war, durch eigene Dummheit, falsche Freunde und zu wenig Aufmerksamkeit der Eltern. Auch sie hatte es nicht leicht. Es war irgendwann im Herbst, als Ricarda Jo erzählte, wie schlecht es ihr nach der ganzen Geschichte mit Lukas und dem tödlichen Unfall ging. Sie erzählte Johanna, dass sie eine Zeitlang, wie Ricky es nannte einen Seelenklempner aufsuchte. Ricarda wollte zu der Zeit ihre Eltern nicht sehen und somit entschloss sie sich wegzuziehen. Es dauerte zwar eine Weile, bis sie selbst dazu im Stande war aber sie sagte es wäre die beste Entscheidung in ihrem Leben gewesen, denn in Koblenz war sie nie allein, lernte neue Leute kennen an der neuen Schule und fing ihr Leben so zu sagen von einem Nullpunkt erneut an zu leben. Doch dieses Mal verlief alles positiv und nun der größte Höhepunkt bei dieser zweiten Chance war für sie Johanna.
„Hast du den schon versucht irgendwelche Informationen zu sammeln? Vielleicht kann man deine Eltern ja finden?“, fragte Ricky und küsste Jo in den Nacken. Sofort veränderte sich Johannas Laune schlagartig.
„Nein, ich werde doch nicht sinnlos meine Zeit opfern um Menschen zu finden die erstens, mich nicht haben wollten und zweitens, weil diese Überlegung schwachsinnig ist. Wieso sollten sie mich denn ausgerechnet in Berlich vor die Tür eines Heims angelegt haben? Außerdem was haben sie mit mir angestellt, dass ich mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde? Nein ich will sie nicht einmal finden und kennen lernen.“, rief Johanna und dies lauter als sie wollte.
„Beruhige dich. Ich kann dich verstehen aber genau um diese Fragen loszuwerden, solltest du es zumindest versuchen und das du sie nicht kennen lernen willst, das glaube ich dir nicht, denn du redest einfach zu oft davon, wie toll es doch wäre, wenn du wüsstest wo oder zu wem du eigentlich hingehörst.“
„Ach lass mich doch in Ruhe. Ich habe dir ja am Anfang gesagt, dass ich über dieses Thema nicht reden will und du hast trotzdem nicht losgelassen. Ist es den so schwer zu verstehen, dass ich nichts von ihnen wissen will, egal was ich manchmal sage oder denke. NICHTS. Absolut nichts will ich wissen!“, rief Johanna erneut nun total verärgert und befreite sich von Ricardas Umarmung. Somit war die romantische Stimmung beim schönen Sonnenuntergang endgültig zerstört.
Die restliche Woche verging sehr schön, trotz des Vorfalls. Ricky sprach mit keinem Wort das verletzliche Thema an, damit Johanna sich nicht mehr aufregte, doch aus ihren Gedanken konnte sie diese Worte nicht mehr verbannen. Nur ein kleiner Zwischenfall brachte ihr etwas Ablenkung. Es war der Morgen nach dem Silvesterabend aber eigentlich war es bereits später Nachmittag, als alle wieder wach wurden und sich erneut an die vergangenen Stunden des letzten Jahres erinnerten. Die Eltern waren wie immer früher wach und befanden sich bereits in der Küche. Ricarda wollte noch etwas im Bett bleiben und bat Johanna ihr das Frühstück zu bringen. Jo tapste barfuss mit ihren Boxershorts, die Ricarda ihr allzu gern in den letzten Tagen mopste und selber trug und einem Shirt in die Küche, begrüßte Stefan und Alicia mit einem -Guten Morgen- und stellte sich neben die Kaffeemaschine. Stefan verzog sich wie immer mit einer Zeitschrift und Tasse auf die Terrasse, nachdem er seiner Frau einen Kuss gab.
„Wie geht es dir den heute Johanna?“, fragte Ricardas Mutter und biss ein Stückchen von ihrem belegten Brot ab.
„Sehr gut und dir?“, entgegnete sie. Rickys Eltern stellten schon gleich am ersten Tag klar, dass sie geduzt werden wollten.
„Ja ich fühle mich auch sehr gut aber ihr habt ja gestern echt viel getrunken. Pass mir bloß auf meine Ricky auf. Sie hat dir ja bestimmt erzählt, dass sie eine schlimme Zeit hinter sich hat, in der Alkohol und andere Dinge eine große Rolle gespielt haben?“
„Ja das hat sie aber nun ist es ganz anders und wir trinken auch normalerweise so gut wie nichts. Es war halt nur wegen dem letzten Tag des nun vergangenen Jahres. Kommt also erst in 366 Tagen wieder vor.“, entgegnete Jo und machte einen kleinen Schluck des heißen Kaffees.
„Dir liegt viel an Ricky, nicht wahr?“, fragte Alicia erneut. Langsam fand Johanna das Gespräch sehr seltsam und wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder in den Keller zu Ricarda aber daraus wurde nichts.
„Nun ich will bei dem Gespräch kein bestimmtes Thema anschneiden aber Johanna du trägst eine große Verantwortung und ich hoffe, dass du nicht wie manche anderen Frauen mit ernsten Gefühlen spielst. Ich kenne meine Tochter sehr gut und ja, ich habe Fehler bei ihrer Erziehung gemacht. Große Fehler die unverzeihlich sind. Aber ich will nicht, dass sich dese wiederholen, wenn du verstehst was ich meine?“ Nein Jo verstand selbstverständlich kein Wort davon was Alicia ihr versuchte klar zu machen. Sie wusste nur, dass Ricardas Mum inzwischen es bereits anscheinend schon wusste, dass Ricky und sie mehr als nur Freundinnen waren, obwohl Ricky noch kein Wort davon erwähnte.
„Ich habe meine Tochter schon so lange nicht mehr glücklich gesehen, wie in den letzten Tagen. Es soll auch so bleiben Johanna.“, fügte sie hinzu. Jo war in dem Augenblick so geschockt, dass sie total vergas wie heiß ihr Kaffee war und macht einen großen Schluck, was natürlich dazu führte, dass sie sich die Zunge verbrannte. In dem Augenblick kam Stefan wieder herein.
„Schatz ich habe dir doch gesagt, lass die Mädels in Ruhe. Sie wissen schon was sie tun und außerdem steht vor dir eine zukünftige Polizistin. Sie weis genau was richtig und was falsch ist.“, sagte Stefan mit ruhiger Stimme und zwinkerte Johanna zu. Nun kam auch Ricky und beschwerte sich, ob Jo sie vergessen hätte, als sie unerwartet von ihrer Mum unterbrochen wurde.
„Schätzchen, wann wolltest du es uns den erzählen, dass du mit Johanna zusammen bist?“ Diese direkte und unerwartete Frage machte Ricky blitzartig wach und sie schaute sofort mit einem finsteren Blick zu Johanna, die mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck ihr verkündete sie habe kein Sterbenswörtchen erzählt.
„Wie kommst du den drauf Mum? Ich mein ist es denn so offensichtlich?“ fragte sie erstaunt
„Nein. Ich habe zwar so was in Erwägung gezogen aber hätte es wohl nie laut ausgesprochen, wäre da nicht dieser interessante Knutschfleck an Johannas Hals, der auf wundersame Weise über Nacht aufgetaucht ist.“ Jetzt blickte Johanna mit strenger Miene zu ihrer Freundin, die immer noch irritiert dastand.
„Mum damit es dir klar ist. Es st mir egal, wenn du es nicht verstehst oder nicht akzeptieren kannst. Mich interessieren nur Frauen und ich liebe Johanna und daran wird sich nichts ändern.“
„Ich weis ja nicht welches Bild du von deinem Vater und mir hast aber wir stehen immer hinter unserer Tochter und wenn es nun mal eine Frau ist, die dich so glücklich macht, will ich dieser Entscheidung bestimmt nicht im Wege stehen. Ich finde es nur schade, dass ich gezwungen war euch so unerwartet mit diesem Thema zu überfallen, da du mir anscheinend nichts mehr erzählen willst!“ Ricarda versicherte ihrer Mum, dass es nicht so sei und erklärte ihr, dass sie es selbst bloß seit einer Woche wissen würden. Dies beruhigte ihre Mutter und Jo war total überrascht, dass Ricardas Eltern so locker reagierten und keinerlei Einwände dagegen hatte. Im Gegenteil es schien als wären sie darüber glücklich, dass ihre Tochter jemanden wie Jo an ihrer Seite hatte. Das Gespräch endete jedoch nicht bei so einen untypischen Coming-Out. Nein es sollte erst beginnen, denn nachdem Stefan sie erneut verzogen hatte, fing die Belehrung von Alicia über Verhütungsmöglichkeiten beim Sex zwischen zwei Frauen an, anschließend folgten nahezu Anleitungen zum besseren Kommen und endete schließlich bei dem Ratschlag die Mädchen könnten sich ja Spielzeug besorgen um das Liebesspiel aufregender zu gestalten. Dies alles war Ricarda zu viel, die bereits mit einem knallroten Kopf durchs Haus lief und Johanna grimmig anschaute, die sich das Grinsen schon seit Stunden nicht mehr verkneifen konnte.
„Mum. Jetzt reicht es aber. Ja? Du behandelst uns ja wie 10 Jährige Mädchen. Klar du bist Frauenärztin und so aber wir brauchen keine Tipps, wie wir Sex haben könnten, müssten, sollte oder wie auch immer. Ich hab Jo und sie reicht mir vollkommen aus, weil sie mich allein schon mit ihrer Gegenwart zu solchen Erregungen bringt, was nichts auf der Welt toppen könnte. Somit entschuldige uns wir wollten heute eigentlich in die Stadt.“ Alicia wollte etwas noch hinzufügen, jedoch entschied sie sich doch fürs Schweigen, lächelte ihre Tochter lieb an und wünschte den beiden noch einen schönen Tag, bevor sie ebenfalls auf der Terrasse sich zu ihrem Mann gesellte.
„Wie es aussieht ist unsere Tochter wirklich schon eine erwachsene Frau geworden und weis womöglich viel mehr über sexuelle Lüste als wir beide.“, sagte sie und nahm neben Stefan platz.
„Nun ich hatte es dir ja von Anfang an gesagt, du sollt die Mädchen nicht belästigen. Die werden sicher schon wissen was sie tun. Außerdem macht Johanna einen guten Eindruck auf mich, sodass ich mir deswegen auch keine Sorgen mache.“
„Stefan. Ich mach mir auch keine Sorgen, es war ja nur eine Überlegung von mir, dass für die beiden es doch wohl Neuland sein muss und….“ Stefan unterbrach seine Frau in dem er ihr einen Kuss gab und beendete sogleich dieses Gespräch.
Jo und Ricky waren inzwischen bereits aus dem Haus und gingen nun durch kleine Gässchen und Straßen in Richtung Stadtzentrum.
„Ach stimmt es wirklich, dass mit der Gegenwart und der Erregung?“, fragte Jo auf dem Weg.
„Ja.“, lautete die kurze Antwort von Ricky.
„Wieso erfahr ich es denn erst jetzt?“
„Nun eigentlich solltest du es ja gar nicht erfahren. Aber nicht dass du es jetzt falsch verstehst. Es ist kein Dauerzstand, nur manchmal bist du soooo süß und guckst so verführerisch, ach da kann man einfach nicht widerstehen. Bild dir trotzdem nichts drauf ein.“ Johanna nickte.
Nach der Stadt entschlossen sie sich wieder zu ihrer Lieblingsbucht zu fahren. Inzwischen befand sich Jo hinterm Steuer, während Ricarda Freudentänze neben ihr aufführte. Sie war sehr erleichtert darüber, dass ihre Eltern ihr Lesbischsein absolut nicht störte. Sie hatte bereits einiges gelesen und auch Informationen aus dem Internet geholt. Meist waren es bericht von Gleichgesinnten, die ihre Erfahrungen als kleine Geschichten in das Internet stellten. Eine Erzählung klang schlimmer als die andere und Ricky versank immer tiefer und tiefer in ihrer Verzweiflung. Aber nun war es endlich weg. Diese Last Namens -Outing-. Jo meinte zwar, dass Ricarda nur Glück hatte und es hätte auch anderes verlaufen können aber ihr war es egal, denn nun konnte sie wenigstens ihrer Mutter ohne verschweigen von Details erzählen was sie für eine Frau, für Johanna fühlte und wie glücklich diese Person sie machte. Es klang wie ein Märchen, nur dass es für Ricky zur Realität wurde.
Zurück in Deutschland angekommen merkten die beiden schnell, dass es hier im Gegensatz zu Italien verdammt kalt und düster war. Johanna überstand den Flug wieder mal mit viel Mühe, behielt jedoch dieses mal ihren Mageninhalt für sich, was Ricky als einen kleinen aber doch wichtigen Fortschritt bezeichnete. Nach der Verabschiedung von ihre Eltern wollten die beiden nur noch eins….in die warme WG.
Sie hatten Glück, denn Sandra und Nadine waren ebenfalls bereits wieder anwesend und durchwärmten mit Hilfe von Heizungen das komplette alte Haus.
„Hallo!“, brüllte Ricky als sie die Eingangstür aufmachte. Kurz darauf bekam sie ebenfalls ein Hallo zurück und das sogar im Duo.
„Na ihr. Wie geht es euch so?“, fragte Sandra und grinste die beiden frech an, so als würde sie es schon ahnen, dass Jo und Ricarda nun mehr als nur Freundschaft verband.
„Wo wart ihr denn, dass ich so schön braun geworden seid?“, unterbrach Nadine, die total überrascht die beiden betrachtete.
Ricarda setzte sich erstmal hin und atmete tief durch, bis sie anschleißend die ganze Geschichte in verkürzter und Jugendfreier Form wiedergab. Sofort sprang Nadine auf und zeigte auf Sandra mit dem Zeigefinger.
„Ha! Was habe ich dir gesagt? Was? Gleich am Anfang als ich Johanna sah, wusste ich, dass sie eindeutig vom anderen Ufer ist und womöglich ein Auge auf Ricky geworfen hat. Aber nö, mir glaubt ja keiner wieder mal. ‚Nein’ sagte Miss Unsicher. ‚Sagen wir erstmal nichts’. Tz. Hätte man auf mich gehört, wäre nun zwei Herzen schon seit einem halben Jahr zusammen.“, verkündete Nadine mit ihrer trotzigen Art, die sie immer “einsetzte“, wenn sie Sandra versuchte zu necken. Die beiden waren so oder so für Johanna ein Buch mit sieben Siegeln. Erst stritten sie sich, dann zogen sich die beiden gegenseitig mit Kleinigkeiten auf aber immer war dieses gewisse Funkeln in ihren Augen, welches deutlich machte, dass sie sich über alles leibten, egal was für ein Thema gerade wieder zur Diskussion anstand.
Alles beruhigte sich und kehrte langsam zur Normalität. Nur die Gefühle von Johanna und Ricky blieben dieselben. Bereits nach einigen Wochen gab’s erneut einen kleinen Grund zum Feiern. Ricky hatte endlich ihren Termin beim Kieferorthopäden. Die lästige Zahnspange, die sie inzwischen in den Wahnsinn trieb, würde für immer verschwinden. Sie fühlte sich mit ihr nicht wohl und schon erst recht nicht, wenn sie Johanna küsste. Entweder sie befürchtete, sie würde Jo wehtun mit diesen Metallstäbchen im Mund oder es könnt nicht gut riechen, denn das Putzen von solch einem Gestell ist auch nicht gerade leicht. Allerdings sollte es eine Überraschung werden und somit erzählte sie Jo nichts davon. Erst als sie wieder daheim war und Johanna in ihrem Zimmer vorfand, kam sie langsam auf sie zu.
„Hey. Was machst du den so gerade?“, fragte sie und schaute auf den Berg von Büchern und Heften, die vor Jo ausgebreitet lagen.
„Hallo Schatz. Ich muss hier etwas abschreiben. Mir fehlen drei Hefteinträge und ich finde sie einfach nicht mehr.“
„Ach so, OK. Ich wollte auch nicht lange stören. Nur eine Frage. Fällt dir etwas an mir auf?“ Johanna betrachtete ihre Freundin genau, konnte jedoch nichts Neues entdecken. Wie den auch, wenn Ricky mit geschlossenem Mund vor ihr stand und richtig glücklich vor sich hin grinste.
„Nein. Mir fällt nix auf.“
„Tatsächlich nicht? Nun wenn nicht sehen, dann aber spüren. Mach deine Augen zu.“, befahl Ricarda. Johanna grinste nun ebenfalls und schloss ihre Lider. Sofort spürte sie Rickys Lippen auf ihren, anschließend ihre Zunge und tatsächlich sogar ihre Zähne.
Zähne?
Schnell öffnete Jo ihre Augen wieder und fragte sofort nach ob sie richtig gefühlt hätte. Ricarda lächelte daraufhin und zeigte dabei ihre weißen und nun geraden Beißerchen. Jo fand schon immer Ricardas Lächeln zauberhaft aber nun ohne der Spange im Mund sah dies um viele Male besser aus. Diese Neuigkeit wurde selbstverständlich sofort ausgenutzt was natürlich, wie eine der vielen leidenschaftlichen Kussszenen von Jo und Ricky im Bett endete. Nach wie vor hatte jede sein eigenes Zimmer. Das war Johanna am wichtigsten. Ihren eignen privaten Raum zu haben, in dem sie sich auch mal verkriechen konnte, ohne jedes Mal von Ricarda gestört zu werden. Dies berücksichtigte sie natürlich, denn ihr erging es da nicht anders. Nur in der Nacht verließen die beiden abwechselnd ihre Zimmer um in der Nähe der anderen sein zu können.
Es verging Monat für Monat. Johanna und Ricky machten inzwischen ihren Führerschein. Es würde zwar noch etwas dauern, bis Ricky fahren könnte, denn ihr 18. Geburtstag war erst im Juni, jedoch Jo könnte es bereits sofort nach der bestandenen Prüfung und somit hätte sie etwas mehr Freiheit und wären nicht mehr auf jemanden angewiesen, der sie zu den Orten wo sie hinwollten mitnahm. Außerdem brauchte Johanna eine Fahrerlaubnis für ihre Ausbildung.
Mit den Monaten veränderte sich aber auch die Landschaft. Der Schnee machte den blühendem Gänseblümchen, Löwenzähnen, Tulpen, Knospen und anderen Pflanzen platz. Das Leben erwachte in jedem Lebewesen aufs Neue und die Sonne hinterließ auf der Haut wieder ihre Wärme. Die Zeit des Verliebens war gekommen und dieses Jahr schaute Johanna und Ricarda keineswegs mit leicht neidischen Blicken den verliebten Pärchen auf den Straßen hinterher. Nein, denn nun wurden sie mit solchen Blicken von gleich gesinnten beobachtet von anderen bewundert und leider gab es auch einige Blicke die alles andre als etwas Positives deuteten. Aber das war den beiden egal. Während Jo nichts davon ahnte, versuchte Ricky selbst etwas über Johannas Familie raus zu finden. Dieser Gedanke ließ sie einfach nicht mehr los.
‚Was ist, wenn Jo’s Gefühl der Wahrheit entspricht?’
Es soll ja Menschen geben, die eine feste Verbindung zu ihren Angehörigen haben. Außerdem glaubte Ricarda nicht daran, dass Johanna sie nicht kennen lernen wollte. Sie träumte doch so oft von einer Familie, von Antworten auf so viele Fragen und es waren wirklich sehr Merkwürdige Umstände. Wieso war sie zum Beispiel Verletzt? Was war passiert?
Es stellte sich raus, dass es wirklich nicht leicht war mit so gut wie gar keiner Information etwas raus zu finden, doch Ricarda gab nicht so leicht auf, sie arbeitet doch schließlich im Krankenhaus und da gab es genug Leute, die gute Verbindungen hatten. Somit machte sie alles was in ihrer Macht stand und hoffte auf eine positive Antwort, die jedoch einfach nicht kommen wollte.
Es war inzwischen März und auch das Fußballtraining fand wieder in der freien Natur statt. Es wäre wirklich alles wunderbar gewesen, wenn es nicht Laura jedes Mal aufs Neue mit ihrem auftreten zerstörte. Nachdem sie erfuhr, an wen sie Johanna verloren hatte, änderte sie schlagartig ihre Meinung bezüglich des Freundschaftsangebots zwischen ihnen und sprach Jo seit dem kein einziges mal an. Stattdessen versuchte sie wirklich alles um Johanna zu stören, sie wütend zu machen und verhielt sich allgemein sehr unreif und zickig. Dies entging auch dem Rest der Mannschaft nicht. Teamkapitän Jackie sprach Johanna mehrmals auf dieses Thema an. Sie meinte immer wieder Johanna solle etwas machen. Mit Laura reden und diese Situation klären. Laura und Jo waren ein super Stürmerteam und machten zusammen schon so einige tolle Treffen aber seit der Trennung war dies nicht mehr der Fall.
„Jo, bald fangen die Punktespiele an und unser Team kann sich keine geschenkten Tore erlauben. Wenn sich demnächst zwischen euch nichts ändert, dann muss ich wohl da auch eingreifen. Die Trainerin hat mich auch schon drauf angesprochen. Steffi meinte sie will damit nichts zu tun haben und ich soll es erst mal versuchen zu schlichten.“ erklärte Jackie Johanna bereits zum Ixten mal am Abend, als die beiden etwas zusammen unternehmen. Jo verstand sich mit allen gut, nur mit Laura wollte es nicht klappen.
Es war ein Freitag. Das erste Spiel. Leider war Ricky nicht anwesend, denn sie machte schon einige Tage vorher mit ihren Freundinnen aus, dass sie diesen Tag gemeinsam beim Shoppen verbringen würden. Jo hatte dafür Verständnis, auch wenn sie Ricarda gern in ihrer Nähe gehabt hätte. Die gegnerische Mannschaft zählte zu einer der schwächeren und bis jetzt gab es noch nie eine Niederlage gegen sie. Es fing ganz ruhig an und Laura spielte mit viel Mühe, zumindest die ersten 10 Minuten. Dann ging es los. Ein toller Angriff, die gegnerischen Verteidigerinnen hatten nicht aufgepasst und nun stand Johanna ein fast leeres Stück Feld im Elfmeterbereich zur Verfügung. An dieser Stelle hätte Laura ihr sofort zupassen müssen doch diese entschied sich für eine der hinteren Spielerinnen. Der Augenblick war vorbei. Solche Momente wiederholten sich in den nächsten 15 Minuten einige male und nun war es nicht nur Johanna klar, sondern auch dem restlichen Team, dass es heute keinen Sieg geben würde. 1:0 stand es bereits für die Gäste. Jo war schon rasend vor Wut und kurz vor der Halbzeit hatten sie erneut die Chance auf einen Treffer. Jo besprach sich kurz mit Jackie, die ihr bei diesem Angriff helfen sollte, da auf Laura kein verlass mehr war. Johanna war am Ball, spielte bereits auf der gegnerischen Feldseite. Pass zur Mittelfeldspielerin Lisa. Lauf. Pass zurück. Super Moment. Als sie gerade den Ball Jackie zuspielen wollte, tauchte plötzlich Laura auf und spielte ihre diesen weg. Wenige Sekunden später war die gegnerische Mannschaft im Ballbesitz und erzielte das zweite Tor und das wenige Sekunden vor der Halbzeit. Johanna war wutentbrannt über diese Aktion von Laura, die seelenruhig da stand als wäre nichts passiert und unschuldig den Rest der Mannschaft anguckte. Mit schnellen Schritten näherte sich Jo ihr.
„Sag mal bist du vollkommen gestört oder was ist mit dir los?“ schrie sie Laura ins Gesicht. Diese machte einen Schritt zurück und verdrehte die Augen.
„Nein mit mir ist doch alles in Ordnung. Du bist doch diejenige, die ständig hier schlechtgelaunt rum läuft. Lässt dich etwa deine nicht ran?“ Johanna starrte fassungslos Laura an. Wer war diese Person, die da vor ihr stand? DIE Laura, in die sich Johanna einst verliebte? Nein! Niemals!
„Du tickst ja wohl nicht mehr richtig. Kannst du es immer noch nicht akzeptieren, dass ich mit dir Schluss gemacht habe. Ist es das?“ Laura sagte nichts, während die anderen schon neugierig zu den Streitenden rüberschielten.
„Du bist so ein egoistisches, kleines Arschloch Laura. Nur weil du es nicht wahrhaben willst, versuchst du es mir mit diesem Verhalten heimzuzahlen? Wie wäre es mal wenn du zum Doc. gehst. Anscheinend hast du inzwischen nur noch Brei in der Birne statt Hirn.“ rief Jo immer noch total wütend und spürte sogleich ein Schmerzgefühl auf der Wange, der durch eine Ohrfeige von Laura verursacht wurde. Plötzlich war es ganz still. Alle starrten Johanna und Laura an. Das eigene Team und die Gegner, bei denen bereits ein Kichern zu vernehmen war. Johanna war wie erstarrt. Es kam ihr vor, als wären es mehrere Minuten, die da vergingen und sie total irritiert in Lauras Augen blickte. Schließlich kam sie zu sich.
„Nein das tue ich mir keine Minute länger an. Das reicht mir jetzt langsam. Ich machen mich doch nicht zum Deppen.“ rief sie und ging geradewegs auf die anderen aus ihrer Mannschaft zu.
„Ich mach nicht mehr mit. Ich hör auf. Das war zu viel. Nein es war schon vor Monaten zu viel aber das übertriff t jede Grenze.“ fügte sie hinzu und steuerte geradewegs auf die Umkleidekabine zu an ihren Leuten vorbei. Laura stand noch einen Momentlang da, bis auch sie Johanna folgen wollte, wurde jedoch von Jackie aufgehalten.
„Hör mir jetzt gut zu. Wenn Johanna geht, dann fliegst du aus dem Team. Dafür werde ich schon sorgen ist das klar? Auf dich können wir locker verzichten aber sie will ich nicht verlieren. Also überleg es dir noch mal gut was du als nächstes vorhast zu tun, denn du hast schon sehr viel getan, ohne an die Folgen zu denken.“ sagte sie und lies Lauras Arm wieder los.
Johanna war gerade dabei sich de Schuhe auszuziehen, als Laura den Raum betrat.
„Hast du immer noch nicht genug? Hau ab, ich habe mit dir absolut nichts mehr zu tun.“ zischte Jo und packte ihre Schuhe ein.
„Nein Johanna. Es tut mir leid ich weis nicht was mit mir gerade los war. Ich wollte dir doch nie wehtun. Bitte ich meine es ernst.“ versicherte Laura und kam näher zu Johanna. Ihre Blicke trafen sich
„Jo. Wirklich es war nicht meine Absicht.“ dabei strich Laura vorsichtig Jo über die immer noch rote Wange.
„Johanna ich liebe dich doch. Ich will, nein ich kann nicht ohne dich sein.“ flüsterte sie nun und versuchte den Tränenfluss zu unterdrücken. Johannas verärgerter Blick veränderte sich sofort zu einem überraschten. Sie war sich sehr sicher, dass diese Sache abgeschlossen war. Schien sich aber geirrt zu haben.
Plötzlich ganz unerwartet umarmte Laura Jo und wenige Sekunden später spürte Johanna Lauras Lippen auf ihren. Es war fast genauso wie der erste Kuss zwischen ihnen. Wieder standen sie genau in diesem Raum, nur statt Ricarda, kam Jackie gerade herein und war erstmal perplex, weil sie sich eher vorgestellt hatte, dass die beiden heftig stritten, womöglich sich gegenseitig angriffen aber so was? Jo drückte Laura sofort von sich weg. Sie verstand es selber nicht, wieso sie diesen Kuss erwiderte. Sie liebte doch Ricarda oder etwa nicht?
***
Nicht nur Jo war sehr verwirrt auch Jackie, die sich kurz räusperte, als sie die beiden sah.
„Wir müssen reden Laura. Unbedingt. Morgen Abend. Nur du und ich. OK? fragte Johanna. Laura stimmte zu und verließ den Raum.
„Was sollt das eben?“ fragte Jaqueline.
„Gar nichts. Es war nichts.“
„So so. sah aber irgendwie anders aus. Jo ich sag’s dir nur einmal. Mach kein Scheiß. Ricarda ist das Beste, was dir passieren konnte. So eine Frau wirst du nie wieder treffen. Merk dir diese Worte.“
„Jackie. Ich liebe nur Ricky. Das gerade…..das…keine Ahnung was es war aber es wird nie wieder vorkommen. Ich rede bloß mit Laura und kläre die ganze Sache auf. Ich glaube da gibt es Missverständnisse.“
„Hmm. Du wirst aber nicht im ernst das Spielen hinschmeißen oder?“ erkundigte sich Jackie.
„Wenn ich alles kläre dann bestimmt nicht.“
„Und was, wenn du nichts klärst?“
„Daran will ich erstmal absolut nicht denken. So und nun hau ich ab. Für Heute reicht es mir mit dem Spielen.“ Jaqueline klopfte Johanna leicht auf die Schulter und verabschiedete sich von ihr.
Auf dem Weg zur WG musste Jo immer wieder an diesen Kuss denken. Was war mit ihr los? Stimmte etwas nicht mit ihr? Sie war doch so glücklich mit Ricarda, wieso löste dann ein bedeutungsloser Kuss so viel Verwirrung in ihr aus? Hatte der doch irgendeine Bedeutung? Jo erzählte Ricky nichts über den Vorfall mit Laura und sie erwähnte auch nicht, dass sie mit Laura am nächsten Abend verabredet war. Ricarda mochte allgemein Laura nicht besonderes. Einerseits wegen dem Konkurrenzgefühl und andererseits wegen ihrem verhalten in den letzten Monaten.
Kurz bevor sie das Haus verließ, erzählte sie Ricarda, sie wäre bei Jackie und wisse noch nicht wann sie wieder nach Hause kommen würde. Ricarda dachte sich natürlich nichts dabei, denn solche Abende veranstaltete Jo öfters und bei Jackie machte sie sich absolut keine sorgen, da sie definitiv nicht Johannas Typ war. Außerdem hatte Ricky nie einen Grund zum Zweifeln, zumindest nicht bis zu diesem Abend.
Jo und Laura trafen sich im Rainbow, wo sie auch das klärende Gespräch hatten. Es gab tatsächlich so einiges, was falsch verstanden wurde. Laura glaubte nämlich, dass Jo sich erst in Ricarda verliebte, als diese bei dem Flaschendrehen erwähnte sie hätte nichts gegen Sex mit Frauen. Außerdem war sie der Meinung Johanna hätte sie nur benutzt bis sie etwas anderes fand. Es gab auch noch ein anderes Problem. Laura empfand nach wie vor große Gefühle für Jo. Diese Vermutung hatte Johanna schon die ganze Zeit aber sie wollte es nie wahrhaben. All die kleinen Annäherungsversuche, die jedes Mal sofort erloschen durch die Ignoranz ihrerseits und das Zusammensein mit Ricarda ergaben nun ein komplett anderes Bild. Jetzt konnte Jo Lauras Verhalten sogar teilweise nachvollziehen. Trotzdem gab es keinen Grund dieses Verhalten auf die gesamte Mannschaft zu verteilen. Schließlich ging es hier nur um sie.
„Das musste doch alles nicht so enden, wenn du bloß früher zu mir gekommen wärst und wir diese Situation anders geklärt hätten. Nun ist die ganze Mannschaft gegen dich und es wird bestimmt dauern, bis sie wieder dir vertrauen können, wenn überhaupt. Laura Du musst es wieder irgendwie gut machen bei den anderen, sonst wird es wohl nicht lange dauern, bis Jackie Steffi dazu bringt dich raus zu werfen.“ erklärte Johanna. Inzwischen war die gesamte Wut, die sie bis zu dem Gespräch mit sich schleppte verschwunden. Nun herrschte in Johanna ein anderes Gefühl, welches sie nirgends einordnen konnte oder aber auch nicht wollte. Diese Empfindung war umgeben von Wärme, einer Art Zuneigung, die Johanna versuchte zu verdrängen. Sie erinnerte sich immer wieder an die alte Zeit mit Laura. Klar es gab Probleme und sie war ebenfalls für diese verantwortlich, weil zu der Zeit in Johannas Kopf nur Ricky platz hatte. Jetzt war es anderes.
„Ich weis. Jackie hat mir schon so zu sagen gedroht, dass ich nicht lange spielen werde, wenn du gehst. Es tut mir alles schrecklich Leid. Ich versteh mich ja selbst in den letzten Monaten absolut nicht. Ich bin nicht so, Jo. Das….ich kann es mir selbst nicht erklären, wieso ich so drauf war und dir wollte ich doch auch nie wehtun. Kannst du mir verzeihen?“ Bei jedem Wort zitterte Lauras Stimme mehr und mehr bist sie am ende des Satzes endgültig in Tränen ausbrach und diese versuchte mit ihrem Ärmel wegzuwischen. Johanna stand auf, näherte sich ihrer ehemaligen Freundin und umarmte sie.
„Es ist alles OK. Das bekommen wir schon wieder hin. Vorausgesetzt du machst nie wieder so eine scheiße klar?“ flüsterte Jo Laura ins Ohr. Diese nickte nur und legte ebenfalls ihre Arme um Johanna.
Da war es wieder. Diese Wärme. Der Vertraute Geruch. Johanna war verwirrt, weil sie nicht verstand wieso sie plötzlich solche Gefühle für Laura empfand, obwohl sie doch immer Ricarda wollte und mit ihr so glücklich war. Hatte sie sich etwa doch geirrt? War sie Blind vor der Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, so dass sie nun die falsche Entscheidung getroffen hatte?
Zu der gleichen Zeit verabredete sich Ricarda mit einer guten Freundin in Frankfurt für den kommenden Tag. Jo sollte natürlich mit und somit rief Ricky sie am Handy an um ihr mitzuteilen, dass sie nicht zu lange wegbleiben sollte. Ricarda lauschte dem monotonem Ton in der Leitung zu und vernahm sofort das Klingeln von Johannas Handy aus ihrem Zimmer. Sie hatte es nicht mitgenommen. Daraufhin rief sie Jackie an.
„Hey. Johanna hat ihr Handy nicht mitgenommen und deshalb ruf ich bei dir an. Kannst du sie mir kurz geben?“, fragte sie.
„Johanna? Aber die ist doch beim Treffen mit Laura?“ entgegnete Jackie und biss sich sogleich auf die Zunge, da sie nun begriff, dass sie wohl unwissend ein Scheinalibi für Johanna war.
„Mit Laura? Was macht sie denn mit ihr? Ich dachte sie ist bei dir? So hat sie es mit zumindest gesagt.“ erwiderte Ricky nun etwas verwirrt und unsicher.
„Hat dir Jo denn gar nichts erzählt von dem Vorfall beim Spiel gestern?“
„Nein ich weis von nix, sollte ich wohl anscheinend.“ Jackie schwieg einen kurzen Moment.
„Nun ich denke du solltest dies erstmal mit Jo allein klären. Ich will hier nicht den Buhmann spielen.“ Ricarda lies sich jedoch nicht so leicht abschütteln und hackte bei diesem Thema nach, so dass Jaqueline ihr letztendlich doch die ganze Geschichte erzählte, verschwieg selbstverständlich aber den Teil mit dem Kuss.
Nach dem Telefonat war Ricky total aufgewühlt, sagte das Treffen ab und begann unruhig durchs ganze Haus zu wandern. Sie fragte sich, was wohl Jo mit Laura so dringen besprechen musste, wieso sie ihr nichts von dem Vorfall erzählte und warum Jo sie anlog? Gab es da etwa ein Geheimnis, welches sie nicht erfahren durfte? War es das erste Mal oder log Johanna schon öfters und benutzte Jackie als ausrede für so manche Übernachtungen. An diesem Abend kam Jo ebenfalls nicht aber dieses mal konnte Ricky nicht so einfach und ruhig einschlafen wie sonst immer. Viele Gedanken und Fantasien plagten sie die ganze Nacht. Ricarda hatte Angst. Angst davor, ihre Freundin zu verlieren oder bereits verloren zu haben. Größer war jedoch im Moment die Wut. Am liebste wäre Ricky auf der Stelle zu Laura gegangen um sich eine Bestätigung zu holen, dass all ihre Sorgen umsonst waren und Jo gar nicht da war. Was aber, wenn sie doch da war. Bei Laura? Womöglich in ihrem Bett? Erst gegen Drei Uhr Morgens überwältigte die Müdigkeit Ricarda endgültig und diese schlief ein.
Johanna stattdessen kämpfte an dem restlichen Abend mit anderen Problemen. Nach dem Gespräch schaffte es Laura sich extrem zu betrinken, obwohl sie im Grunde nicht viel zu sich nahm. Jo rief daraufhin Mike an, mit dem sie in letzter Zeit kaum Kontakt hatte, da sie Lauras und auch sein Haus um jeden Preis mied. Nach etwa einer halben Stunde und weiteren Drinks für Laura kam er endlich. Inzwischen warteten die beiden schon draußen, da Johanna Laura nicht davon abhalten konnte im Rainbow sich keine weiteren alkoholischen Getränke zu bestellen. Zusammen mit Mike schafften sie es seine Schwester heil nach Hause zu befördern, was viel Zeit und Mühe kosteten. Zum Glück schlief aber diese sogleich ein, nach dem Jo sie ihn ihr Bett brachte. Kurz darauf rief Jackie Jo an und erzählte ihr von dem sehr unangenehmen Telefonat mit Ricarda, die bereits am Telefon sehr wutentbrannt klang, so berichtete zumindest Jaqueline. Außerdem konnte Johanna sich eine Weile einen Vortrag über ‚Wenn du lügst, dann weih wenigstens die beteiligten ein’ anhören. Natürlich bekam sie so gut wie nichts mit von Jackies Belehrung, da sie nun mit ihren Gedanken nur bei Ricarda war, was auch nach dem Telefonat sich nicht änderte. Jetzt nach Hause zu gehen wäre die eigentlich beste Sache, doch Jo bekam Angst davor, dass Ricky sie falsch verstehen würde. Eventuell die Beziehung beenden könnte. Im Grunde waren es nur ausreden um sich nicht mit dem auseinander zu setzen, vor was Johanna am meisten Angst hatte. Festzustellen, dass Ricarda doch nicht die Person war, die sie liebte und mit der sie zusammenbleiben wollen würde.
Johanna sprach in dieser Nacht ausführlich mit Mike darüber. Sie redeten über jedes auch so kleinste Detail. Auch über Mikes Situation. Er war nach wie vor in Kontakt mit Sanny. Er war bereits 3-mal bei ihr in Berlin. Die Familie war sehr nett und Sanny faszinierte ihn immer wieder aufs Neue. Sie wollte nun zu ihm kommen in den Osterferien. Jo wusste zwar auch einiges, weil sie regelmäßig mit Sandra, Marcel und Georg telefonierte aber, dass es so ernst war, dachte sie nicht.
„Liebe auf Entfernung kann so grausam sein, Jo. Ich vermisse sie jeden Tag und es macht mich wahnsinnig, sie am Telefon so oft zu höre aber nicht bei mir haben zu können. Ich überlege mir schon sogar, ob ich vielleicht nach Berlin ziehen sollte. Zu Ihr.“ erzählte Mike. Johanna schüttelte daraufhin mit dem Kopf.
„Lass dir Zeit. Klar bist du verliebt und willst in ihrer Nähe sein und dies so oft wie möglich aber so schnelle Entscheidungen zu treffen ist keine Lösung. So was ist meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt. So gut kennt ihr euch noch nicht.“
„Du hast leicht reden. Ricarda ist immer bei dir. Ihr wohnt ja schon sogar eigentlich zusammen. Ich dagegen sehe Sanny nur entweder via Webcam oder alle zwei Monate, wenn ich Glück habe.“
„Ja da hast du Recht. Nur mal sehen was auf mich zukommt. Ich muss es mit Ricky erstmal klären und selber mal begreifen was mit mir los ist. Ich wollte sie doch immer. Konnte nicht aufhören von ihr zu träumen und nun bin ich mir absolut nicht sicher was beziehungsweise wen ich will.“ Während Johanna sprach hob Mike sein Kopf und betrachtete den Sternenklaren Himmel. Beide waren auf einer Wiese nicht weit von Mikes Haus. An diesem Ort waren sie einige Male seit es wieder wärmer geworden war.
„Lass dir Zeit Jo.“ antwortete er und grinste vor sich hin.
„Überleg doch mal. Du wolltest Ricky und hast so lange nun gelitten um sie zu bekommen. Wieso jetzt auf einmal dieser Zweifel?“
„Das weis ich ja genau nicht. Es ist Laura. Sie löst in mir diese Unsicherheit aus. Vielleicht mach ich mir aber auch zu viele Gedanken und es ist nichts. Nur wie erkläre ich es Ricarda?“
„So wie du es mir erklärt hast. Etwas zu verschweigen bringt dich auch nicht weiter. Außerdem ist es doch nicht schlimm. Du hast nichts getan. OK nur der Kuss aber da kannst du auch nichts dafür. War ein Reflex.“ Jo schielte Mike kurz an.
„Seit wann gibt es beim Küssen Reflexe? Entweder man will’s oder nicht.“
„Bezeichne es wie du willst aber deswegen wird sie noch lange nicht mit dir Schlussmachen.“
Johanna wusste nicht was noch alles passieren würde, wie sie ihre Gefühle nun zu zwei Frauen deuten sollte und vor allem wie der nächste Morgen aussehen sollte.
Bis vier Uhr morgens verbrachte Jo die Zeit mit Mike. Anschließend machte sie sich auf den Weg in die WG. Alles schlief und das ganze Haus war ruhig. Johanna schaute kurz bei Ricky ins Zimmer, wagte es jedoch nicht sich neben sie zu legen und verschwand wieder in ihr eigenes.
Erst spät am Nachmittag wachte sie wieder auf und schlenderte wie immer langsam in Richtung Bad. Doch an diesem Morgen gab es statt dem gewöhnlichen „Gutenmorgenkuss“ einen bösen Blick von Ricarda, die ebenfalls ins Bad wollte.
„Morgen“, gähnte Jo und lies Ricky vorgehen. Ohne zu antworten verschwand Ricarda im Bad und Schloss die Tür hinter sich ab, was Johanna erst mal rasch wach werden lies. Noch nie hat ihr Ricky die Tür vor den Augen zugeschlagen.
Das hat sie wohl um einiges ernster aufgenommen als ich dachte. überlegte sich Johanna und klopfte vorsichtig.
„Ricky. Komm bitte raus. Ich glaube du hast was missverstanden.“ Erst nach einigen Minuten kam Ricarda wieder aus dem Bad mit einem großen Handtuch um die Brust gewickelt, welches ihr bis zu den Knien reichte. Mit einem finsteren Blick betrachtete sie Johannas Hals.
„Nein ich denke ich hab’s genau richtig verstanden, wenn ich nach diesem Biss an deinem Hals zu urteilen habe.“
„Biss? welcher Biss den?“ fragte Jo total panisch, während Ricarda die Augen verdrehte und in ihr Zimmer verschwand. Jo lief in der Zeit sofort ins Bad und betrachtete den Bissabdruck an ihrem Hals.
„Was zum Teufel ist das den?“ fluchte sie und kam noch näher an den Spiegel heran.
Woher habe ich bloß das den schon wieder ich hab doch nichts getan. Hab ich was getan? fragte sich Jo und versuchte sich an die Nacht mit Laura und Mike zu erinnern. Sie war zwar nicht betrunken aber einige Drinks landeten dennoch in Jo’s Magen. Sie ging erneut in Gedanken alles durch bis ihr es endlich einfiel. Als sie Laura in ihr Bett gebracht hatte, klammerte diese sich plötzlich in einem unpassenden Moment um sie und hinterließ diesen Abdruck.
„Mist. Das hat mir ja noch echt gefehlt. Nun wird’s ja ein Kinderspiel Ricarda davon zu überzeugen dass ich nichts getan habe.“, murmelte Jo erneut, verließ mit einem etwas mürrischen Blick den Raum und Klopfte nun an Ricardas Tür. Keine Antwort war zu hören. Auch nicht nach dem zweiten Versuch. Daraufhin öffnete Johanna langsam die Tür.
„Hab ich dir etwa erlaubt rein zu kommen“ fauchte Ricky sie sofort an.
„Nein du hast gar nicht reagiert auf mein Klopfen“
„Keine Antwort ist auch eine Antwort.“
„Schatz, wir müssen reden, denn das ist alles echt ein großes Missverständnis“ Ricky warf einen scharfen Blick in Johannas Richtung.
„Erstens. Nenn mich nicht Schatz und zweitens. Ich se hier absolut kein Missverständnis. Es ist doch alles absolut klar. Du gehst fremd mit Laura und mir erzählst du von wegen sie wäre ja so gemein und schlimm in den letzten Monaten und würde dich nie in Ruhe lassen. Noch dazu lügst du mich an und behauptest, dass du bei Jackie bist. Zum Schluss sagt mir das Beweisstück an deinem Hals mehr als 1000 Worte.“ Ricarda zog sich zu ende um und wollte gerade den Raum verlassen als Jo sie festhielt und versucht ihr etwas zu sagen.
„Fass mich nie wieder an. Hast du verstanden?“ sagte plötzlich Ricarda mit einer wutvollen Stimme. Jo lies sofort los und blieb total perplex stehen. So hatte sie Ricky noch nie erlebt. Nie erntete sie solch einen gleichgültigen Blick von ihr. Noch kein einziges Mal sah Johanna Ricarda so wütend und lies sich nicht von ihr anfassen. Erst jetzt verstand Jo den Ernst der Lage. Sie musste Handeln und das so schnell es ging sonst würde sie ihr Freundin womöglich für immer verlieren. Nun begriff Johanna wie sehr sie ihr bedeutete und das nichts auf diesem Planeten ihr Ricky ersetzen könnte. Nicht Laura und keine andere Person.
***
Wie erstarrt blieb Jo noch einige Minuten stehen, während Ricarda das Zimmer mit einem letzten Blick zu Johanna verlies. Plötzlich schmerzte es gewaltig in Johannas Brust. Eine unheimliche Panik breitete sich in ihr aus, doch sie blieb einfach stehen anstatt Ricky hinterher zu laufen, ihr alles erklären und dieses dumme Missverständnis auflösen. Ja es war nichts als ein großer Irrtum und das launische Verhalten von Johanna in der letzten Zeit. Wie konnte sie bloß je daran zweifeln, dass Ricky nicht die richtige Frau für sie war? Was hatte sie sich bloß die ganze Zeit dabei gedacht?
NICHTS!
Jo hatte keinerlei Begründungen oder Erklärungen für die Verwirrtheit und das Anzweifeln der Beziehung zu Ricky. Es war einfach passiert obwohl im Grunde rein gar nichts geschah und dennoch gab es nun ein ernstes Problem. Endlich kehrte Johanna mit ihren Gedanken in die Realität zurück, verlies den Raum, rannte hektisch die Treppen hinunter und bog sofort in die Küche ein.
„Morgen ihr beiden“, sagte sie zu Sandra und Nadine und atmete tief durch.
„Wo ist den Ricarda hin?“ fügte sie anschließend hinzu.
„Die ist gerade eben raus. Wohin, hat sie uns nicht gesagt.“ antwortete Nadine und starrte direkt auf Johanns Hals, da man den Biss keineswegs übersehen konnte.
„Sag mal habt ihr Streit oder so?“ interessierte sich Sandra, während sie Nadine mit einem ernsten blick ermahnte und gleichzeitig signalisierte, dass sie Johanna besser nicht auf ihr verräterisches „Kennzeichen“ ansprechen sollte.
„Ach nur eine Kleinigkeit. Hat sie etwas gesagt, wann sie wieder kommt?“
„Nein, hat sie nicht.“ Jo biss sich kurz auf die Lippe. Wohin war wohl Ricky verschwunden. Normalerweise sagte sie immer wohin sie ging. Nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr entschloss sich Jo erstmal mit etwas anderem abzulenken und am Abend mit Ricky reden. So griff sie zum Telefon, welches im Flur lag und rief Jackie an.
„Hallo. Hast du heute für mich Zeit?“
„Nun ich weis nicht. Weist du, ich bin nicht gern ein Scheinalibi. So was muss ich erstmal verdauen. Echt hart das ganze.“ antwortete Jackie mit übertriebener Dramatik und Ironie in ihrer Stimme. Jo reagierte jedoch nicht darauf und fuhr fort.
„OK. dann bin ich spätestens in einer Stunde bei dir. Muss vorher noch zu Laura. So viel Verdauungszeit reicht doch aus oder?“
„Was willst du den bei der? Reicht es dir nicht, dass Ricky schon allein bei ihrem Namen ausflippt?“ Johanna seufzte.
„Ja ich erklär dir dann alles schon, also bis später.“ Mit den Worten legte sie auf, ging noch mal in ihr Zimmer zurück, zog sich an, holte einige CDs aus ihrem Regal, die sie am Abend zuvor Mike versprach zu geben und kehrte wieder kurz in die Küche um den beiden Turteltauben, die in dem Moment wieder dabei waren über einander herzufallen noch tschüss zu sagen.
„Aber wehe ihr beschmutzt unseren Frühstückstisch!“ rief sie noch, bevor die Eingangstür zufiel. An diesem Tag entschied sich Jo fürs Fahrrad anstatt zu Fuß durch die Gegend zu laufen. Bei Laura angekommen fand sie die beiden auf der Terrasse vor. Laura sah sehr angeschlagen aus, was Jo nicht überraschte. Mike dagegen schien wieder komplett in seinen Träumen versunken zu sein.
„Morgen ihr beiden.“ rief Johanna bereits vom Weitem und bekam ein nicken von Laura und eine winkende Handbewegung von Mike.
„Na ihr. Wie geht’s euch, vor allem dir Laura. Ich hoffe doch, dass du noch einiges aus unserem Gespräch behalten hast?“
„Welches Gespräch?“ fragte Laura mit total überraschter Mine, was Jo fast dazu brachte ihr Gleichgewicht zu verlieren.
„Ach spinn doch nicht rum. Willst du, dass Jo jetzt ein Herzinfarkt hier bekommt?“ mischte sich Mike ein und kniff seine Schwester in die Seite.
„Spielverderber. Ich wollt sie doch bloß etwas schocken. Aber Jo keine Angst ich erinnere mich glücklicherweise an alles und das noch verdammt gut.“ Johanna atmete tief durch, denn so einen Schreck hatte sie schon lange nicht mehr verspürt. Es wäre ja total dumm gelaufen, wenn nun sich rausstellen würde, dass sie einiges riskierte, um genauer zu sagen ihre Beziehung und das alles umsonst.
„Erinnerst du dich auch noch an das da?“ fragte sie Laura und zeigte ihr ihren Bissabdruck.
„Nein daran kann ich mich nicht erinnern. War das etwa Ich?“ Jo nickte und warf ihr einen verärgerten Blick zu.
„Oh du scheiße. Hat das schon Ricky gesehen?“
„Ja“
„Und ist sie sauer?“
„Sie hat so was wie Schluss gemacht“
„WASSSS?“ fragten nun Mike und Laura im Chor.
„Nun nicht ganz aber ich glaube es steht alles grad ziemlich auf der Klippe und wankt hin und her. Wir haben uns gestritten und dann ist sie weg. Keine Ahnung wohin und ans Handy geht sie auch nicht.“ Laura sprang sofort auf.
„Hey also ich kann’s bestätigen das du nichts gemacht hast. Und Mike auch. Ich mein sie kann doch nicht wegen nichts mit dir die Beziehung beenden?“ Johanna zuckte mit den Schultern
„Tja sie denkt aber, dass ich die ganze Zeit ihr mit dir fremdgegangen bin. Aber ich werde nicht so leicht aufgeben. Sie wird mir schon noch zuhören. Ach ja die CDs, die du haben wolltest Mike, hier.“ sagte Jo und reichte ihm die verpackten Scheiben, die im Sonnenschein das Licht auf eine schöne Art reflektierten.
„Ich hau wieder ab. Wollte nur sichergehen, dass nun zwischen uns alles geklärt ist, Laura. Fahr gleich zu Jackie. Werd dann also noch mit ihr über das Thema etwas diskutieren und du Madam überleg dir mal in Ruhe wie du es bei der Mannschaft für das verpatzte Spiel wieder gut machen willst. Also wir sehen uns.“ Nach einem Nicken von Laura, winkte Jo den beiden kurz mit der Hand in der Luft, drehte sich um und ging wieder zurück zum Rad.
Irgendwie war Johanna froh über alles auch, wenn ihr im Moment richtig schaurig wurde, wenn sie an Ricarda dachte, doch so leicht würde Jo nicht aufgeben und wenn es nötig sein sollte, würden die Beteiligten Ricky ebenfalls die Situation aufklären, doch so weit wollte Johanna nicht gehen. Sie wollte erst in Ruhe mit ihrer Freundin reden. Eine Sache jedoch machte Johanna sehr glücklich. In letzter Zeit hatte sie nur wenig Kontakt zu Mike, da sie einfach keine Lust hatte auf Auseinandersetzungen mit ihm und vor allem mit Laura. Mike war immer eine sehr neugierige Persönlichkeit. Er war auch einer, nein eigentlich der einzige Mann in Johannas Umfeld, der so offen und ruhig über seine Gefühle und Gedanken reden konnte. Er begründete dies zwar mit der Erklärung sie wären gleich, er und Jo. Sie, beide vergötterten Frauen und hatten große Leidenschaft fürs Fußballspielen. Außerdem hatten sie in vielen weiteren Hinsichten einen gleichen Geschmack.
„Du bist wie eine zweite Schwester für mich“ erklärte er ihr einmal. Diese Worte hallten nun in ihren Gedanken und sie trat mit voller Kraft in die Pedalen um schnell zu Jackie zu fahren. Diese wohnte nicht gerade in der Nähe von Johanna. Es war eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in der bis vor vier Wochen sie noch mit ihrer, nun Ex Freundin wohnte. Nach der Trennung einigten sich die beiden, dass Maria sich eine Wohnung sucht und bis dahin sie bei Jaqueline bleiben könnte. Dabei hoffte Jackie sehr, dass sie sich vielleicht das ganze noch mal überlegen würde und sich entschließe bei ihr zu bleiben. Nein diese Hoffnung wurde ihr leider nicht erfüllt. Maria verließ sie endgültig.
In der letzten Zeit hatte Jo nur wenig Aufmerksamkeit ihrem Umfeld geschenkt. Einerseits war sie damit beschäftigt für ihre Ausbildung zu pauken, die wirklich manchmal den letzten Nerv rauben konnte. Andererseits war ja da das Problem mit Laura, welches nun aber schließlich gelöst wurde.
Jetzt wollte sich Johanna endlich mal Zeit nehmen um Jackie auch zu zuhören, wie diese es bei Johanna ebenfalls tat. Der Punkt Trennung war bei ihr noch lange nicht verdauet, schließlich waren sie über 3 Jahre zusammen.
Die beiden begrüßten sich mit einer Umarmung als Johanna endlich ankam und Jackie ihr öffnete. Langsam schlenderten die beiden Frauen auf den Balkon, da es einfach zu schade war um so einen warmen und sonnigen Tag komplett drinnen zu verbringen. Auf den kleinen Tisch standen bereits 2 Flaschen Biermixgetränk und Johanna nahm Platz.
„Also Jackie die Sache mit dem Alibi. Es tut mir Leid dies wird nicht mehr vorkommen. Ich weis es war dumm von mir. Ich hätte es dir wenigstens vorher sagen sollen.“ Jaqueline zog ihre Augenbraue hoch und machte einen schluck.
„Also weist es gibt schon Momente wo Frau einfach ein Alibi braucht nur ich werd nicht jedes Mal für dich geradestehen. Außerdem du Nuss, wieso hast du dein Handy vergessen? So was lässt Frau nicht daheim.“ Jackie hatte diese Macke alle Sätze in denen „man“ vorkam durch „Frau“ zu ersetzen, wieso sie dies immer tat, konnte Johanna ihr nicht entlocken. Gewohnheit? Sturheit?
„Ja ist OK. Schwamm drüber. Heute werde ich Ricarda alles genau erklären und ich hoffe, dass sie sich dann wieder beruhigt und mir wieder nach und nach vertraut.“ Johanna seufzte und nahm nun ebenfalls ihre Flasche in die Hand. Das kühle Nass breitete sich sofort auf der ganzen Handfläche aus und ein paar Tropfen rasselten auf Jo’s Hose.
„Wie geht es dir eigentlich? Du weist schon, die Sache mit Maria.“
„Na ja wie soll es mir schon gehen. Alles muss irgendwie vorangehen und wie heißt der Spruch, den Frau doch so oft hört“ Wie auf Kommando zitierten beide gleichzeitig,
>> Zeit heilt alle Wunden <<
Jackie überlegte einen kurzen Augenblick.
„Lass uns Karten spielen? Hab im Moment nicht wirklich Lust über die Probleme und Kummer zu reden“ Johanna nickte und trank erneut ihr Bier.
Natürlich blieb es nicht nur beim Kartenspielen. Immer wieder verfielen die beiden zeitweise in kurze Gespräche über Gott und die Welt und natürlich wie immer die Frauen. Mal schimpfte Jackie über die Liebe und wenige Minuten später schwärmte sie wieder von der Zeit, wenn man frisch verliebt ist und alles einen komplett anderen Sinn ergibt oder aber auch gar keinen Sinn hat.
Es war Abend inzwischen und Johanna hatte nun vor aufzubrechen, obwohl sie nach wie vor Ricarda nicht erreichen konnte.
„Oh Also die Wolken sehen aber irgendwie nicht besonders gut aus“ sprach ihre Vereinsfreundin und deutete auf den Himmel der komplett mit grauen zuckerwatteähnlichen Wolken bedeckt war.
„Ach das schaff ich schon und wenn nicht was soll’s, dann spar ich mir eben das Duschen“ scherzte Johanna und verabschiedete sich.
Auf dem halben Weg fing es tatsächlichen an heftig zu regnen und da Johanna es kaum erwarten konnte mir Ricarda zu sprechen, verzichtete sie auf das Abwarten unter irgendeiner Überdachung, außer einem kurzen Stopp neben einer Wiese. An dieser Stelle schien noch die Sonne und man konnte einen leichten Regenbogen erkennen. Einen Momentlang stand Johanna einfach so da streckte die Hände aus, Schloss ihre Augen und genoss die herabfallenden Regentropfen auf ihrem Körper. Sie mochte Regen, vor allem wenn es draußen warm war. Jo kam selbstverständlich komplett durchnässt in der WG an.
Inzwischen war aber auch bei Ricky so einiges passiert an dem Tag.
Als erstes sagte sie in der Früh ihrer Freundin doch zu und verbrachte somit den Ganzen Tag in Frankfurt. Sie wollte eigentlich Johanna so einschüchtern und ihr damit zeigen, dass sie genauso Macht hatte etwas zu bewirken. Nicht nur Jo. Als sie jedoch wieder zurückkehrte und Nadine sie darauf ansprach seit wann Johanna sich wieder mit der Laura gut verstand, dass sie sogar anscheinend etwas zusammen unternahmen, verschwand die ganze Sicherheit aus Rickys Kopf. Natürlich glaubte sie Johanna, dass es alles ein großes Missverständnis war aber langsam kamen ihr doch große Zweifel, denn mit jeder Nachricht wurde sie mehr und mehr schockiert.
War da doch mehr als nur eine Falsche Auslegung, wollte sie Johanna nicht mehr? Ricky verzog sich daraufhin sofort in ihr Zimmer und grübelte nach was das zu bedeuten haben könnte. Dabei kamen ihr so viele schlimmen Gedanken, wenn sie sich Vorstellte, dass Johanna sie die ganze Zeit doch belog und mit Laura hinter ihrem Rücken etwas hatte, woher kam wohl sonst der Biss an ihrem Hals. Diese Frage stelle Nadine ebenfalls, die es sich einfach nicht verkneifen konnte.
„Das würde ich aber auch gern wissen“ antwortete sie ihr.
„Sie lässt mich ja nicht mal einen leichten Knutschfleck ihr am Hals machen, denkst du da dürfte ich so was tun?“ fügte sie hinzu.
Je mehr Ricarda nachdachte, desto mehr Angst überkam sie. Johanna war doch die Frau an ihrer Seite. Ein Sonnenschein am dunklen Horizont. Mit ihr ging es Ricky so gut wie noch nie in ihrem Leben. Diese Frau machte sie so glücklich, dass es einfach keine Worte gab, die sie beschreiben könnten. Das konnte doch alles nicht ein Ende haben? War sie, denn nicht gut genug für sie? Machte Ricarda etwas falsch? Oder ging es hier nur um den Sex mit anderen Frauen. Mit all den Fragen und Vorstellungen schüchterte sich Ricarda selber ein und brachte sich schließlich dazu in Tränen auszubrechen aus Angst eine schlimme Wahrheit zu erfahren.
Inzwischen kam auch Johanna komplett durchnässt in den Flur und schaute erst mal kurz in die Küche, in der Hoffnung dort Ricky zu finden.
„Na du siehst ja aus wie ein begossener Pudel, Jo!“ lachte Nadine und rührte weiter etwas gut riechendes in ihrem Topf, welcher auf der Herdplatte stand.
„Ist Ricky schon da?“
„Ja sie ist oben und Jo?.....“ Weiter kam sie nicht da Johanna bereits verschwunden war.
Vorsichtig näherte sich Johanna Ricardas Tür und vernahm sofort ein leises Schluchzen. Eigentlich wollte sie sich erst umziehen aber nun konnte Jo nicht anders und öffnete die Tür ohne anzuklopfen.
„Wieso kannst du nicht wie alle andere anklopfen“ jammerte Ricky und wischte sich rasch die Tränen mit der Decke weg, in die sie eingewickelt war. Es half trotzdem nicht, denn beim Anblick von Johanna kullerten bereits schon die nächsten und der Bissabdruck sprang ihr ebenfalls sofort ins Blickfeld. Dabei dachte sie wieder an die Möglichkeiten, was Johanna wohl den ganzen Tag gemacht hat.
MIT LAURA!
Dies führte natürlich, wie schon erwartet zu einem erneutem Tränenausbruch und Ricarda machte sich nicht mehr Mal die Mühe es zu verbergen.
„Süße beruhig dich doch. Ich werde ab jetzt immer anklopfen, versprochen, deshalb musst du nicht mehr weinen.“ erwiderte Johanna und bekamt sofort den Angriff von einem fliegenden Kissen zu spüren, den Ricky ihr nachwarf.
„Du bist so dumm Johanna.“ rief sie unter Tränen und setzte sich auf den Rand des Bettes.
„Ich will dich nicht verlieren Jo. Ich gebe dich nicht her. Wenn es an mir liegt, dann kann ich mich ändern. Was gefällt dir an mir nicht, dass du mit….“ Ricky schluchzte auf und schnappte kurz nach Luft. „…..dass du mit anderen Frauen dich triffst? Was hab ich nicht was sie haben?“
Johanna schaute ihre Freundin total irritiert und fassungslos an.
„Welche Frauen den? Ricarda ich liebe nur allein dich. Keine kann dir das Wasser reichen“
„Und was ist dann mit Laura?“
„Da war nie etwas und wird nie etwas sein.“
„Und dieser Biss? Wie kommt der an deinen Hals?“ Johanna schaute kurz auf den Boden und die kleine Wasserpfütze, die sich inzwischen um sie gebildet hatte.
„Moment ich zieh mich nur schnell um.“ Erst jetzt fiel es Ricky überhaupt auf, dass Jo total durchnässt neben ihr stand. Wenige Minuten später kehrte Johanna zurück und setzte sich neben Ricarda.
„Also. Die ganze Sache ist komplett anders verlaufen“ erklärte sie und erzählte Ricky die komplette Geschichte von dem Streit beim Spiel und dem Kuss bis zu dem Abend mit Mike und Laura und dem Biss. Nach dieser Erzählung schaute Ricarda sie kurz an und wendete anschleißend den Blick auf den Boden. Beide schwiegen. Es vergingen Minuten bist Ricky diese Ruhe unterbrach.
„Du hast sie also geküsst.“ Jo wollte sich verteidigen und dies verneinen aber dann lies sie es sein und nickte bloß ihrer Freundin zu.
„Willst du etwas von Laura? Sei ehrlich!“
„Nein. Ich will nur dich. Ich weis auch nicht wieso ich dieses Gefühl plötzlich hatte. Ich kann es dir auch nicht erklären.“
„Aha. Und bei der nächsten Frau kommt das Gefühl wieder und du zweifelst erneut?“
„Nein mach ich nicht. Es war nur ein dummer Gedanke der nichts zu bedeuten hat.“
Ricky wickelte sich erneut in die Decke ein und schaute Johanna mit einem misstrauischen Blick an.
„Das soll ich dir glauben? Wenn du einmal Zweifel hattest, ob du mich liebst, dann wird es wieder kommen. Bin ich dir also doch nicht gut genug, wie du immer mir einredest?“
„Ach Ricky. Einmal will man wirklich total ehrlich sein und erzählt dir alles und was kommt. Es wird noch schlimmer. Ich versichere dir, dass ich nur dich will und liebe, wenn dir mein Wort nicht reicht, dann weis ich auch nicht weiter.“ erwiderte Jo etwas lauter als normal.
„Jo. Hältst du mich für total blöd? Wenn du keine Lust auf mich hast dann gib es doch zu? Ich mein was nutzt es, wenn du mir jetzt das sagst und bei der nächsten wieder Zweifel hast.“
„Ich habe keine Zweifel. Mensch Ricarda kapier es doch, dass ich nie was gemacht hab und es nie tun würde, weil ich dich liebe.“
„Das nennst du nichts gemacht? Du has eine andere Frau geküsst, hast sich von ihr beißen lassen und hast gezweifelt ob ich die Richtige bin. Das soll wohl alles nix gewesen sein?“ Johanna seufzte und schaute mit müden Augen zu Ricky.
„Ich gebe es auf. Du bist stur und willst mir nicht glauben. Gute Nacht.“ gab Jo von sich und verließ Rickys Zimmer. Eine ganze weile saß Ricarda noch da und zerlegte das Gespräch in kleine Abschnitte.
***
Noch einige Minuten saß Ricarda reglos da und überlegt was sie nun machen sollte. Anschließend fuhr sie sich durch ihr Lockiges Haar mit den Händen, schniefte einige male und stand auf. Sie ging ins Bad ohne auch nur eine Blick auf Johannas Türe zu werfen und wusch sich als erstes diesen salzigen Geschmack von den Wangen und Lippen. Danach blickte sie kurz in den Spiegel. Eine junge Frau mit müden und verweinten Augen blickte ihr entgegen. Einige Augenringe waren ebenfalls zu entdecken, wenn man nah genug an den Spiegel trat.
„Was glotz du so?“ fragte sie ihr eigenes Spiegelbild und spritzte einige Tropfen Wasser an die Glasscheibe.
„Ich werde jetzt alles wieder in Ordnung bringen. So sieht’s aus und nicht anders. Ich will doch nicht wegen dieser dummen Sachen meine Freundin verlieren. Nein, das wird nicht passieren. Nicht JETZT!“ flüsterte Ricarda erneut, sah nun zielstrebig in ihr 2. Ich, streckte kurz die Zunge aus und verschwand aus dem Raum. Vorsichtig öffnete sie Johannas Tür und tapste auf Zähnspitzen zum Bett, wobei sie in der Dunkelheit gegen das Bettende stieß und leise aufstöhnte. Johanna rührte sich jedoch nicht. So unauffällig wie möglich legte sich Ricky zu ihrer Liebsten ins Bett und küsste sie zärtlich im Nacken. Jetzt wollte sich Johanna umdrehen, Ricky lies es jedoch nicht zu.
„Warte, bleib einfach so liegen und hör mir zu. Sag nichts. Lausche nur meinen Worten.“ flüsterte sie Jo leise ins Ohr und küsste sie an der Schulter.
„Jo ich liebe dich wirklich über alles. Du bist die wichtigste Person in meinem Leben geworden. Ich weis nicht was auf uns noch zukommen wird aber im Moment gibt es nicht schöneres, als an deiner Seite zu sein. Mit dir einschlafen und wieder aufwachen. Von dir geliebt zu werden und mit dir all die kleinen und Größen schönen Momente des Lebens erfahren. Du Johanna bist nicht nur ein Teil von meinem Leben, nein das bist du inzwischen vollkommen. Du bist mein Schatz. Ich will aber von dir wissen. Liebst du mich Jo?“
Nun drehte sich Johanna um und umfasste behutsam das Gesicht ihrer Liebsten.
„Ich tu es mit jedem Herzschlag und mit jedem Atemzug, den ich mache. Es gibt für mich nichts und Niemanden, den ich mehr begehre als dich Ricarda. Ich kann auch deine Zweifel nachvollziehen aber du musst mir glauben. Es wird nie wieder passieren!“ erwiderte Johanna und küsste sie ganz sanft auf die Lippen. Eng aneinander gekuschelt schliefen die beiden ein und wurden erst durch das unsanfte Klingeln des Weckers aus dem tiefen Schlaf gerissen. Wieder hatte eine anstrengende Woche begonnen und es hieß erneut in die Schule gehen oder Arbeiten. Erst am Nachmittag hatte Ricarda wieder zeit für sich selbst und saß in der WG Küche in eine Zeitschrift vertieft.
„Na du? Was schaust du so betrübt?“ fragte Sandra die eben rein kam und sich etwas in der Küche umsah.
„Aha OK Milch haben wir wieder keine da.“ murmelte sie vor sich hin und schrieb ihren Einkaufszettel weiter, lies jedoch Ricky nicht aus den Augen.
„Habt ihr Streit?“ fragte sie munter weiter ohne auf die betrübte Miene ihrer Mitbewohnerin zu achten.
„Ja haben wir. Es ist echt eine total dumme Geschichte aber sie lässt mich doch nicht so wirklich zur Ruhe kommen obwohl ja schon alles geklärt wurde.“
„So so. Erzähl mal.“ fragte Sandra und setzte sich nun neben Ricarda hin. Nach der Schilderung der vergangen Tage seufzte Ricarda und legte das Magazin beiseite.
„Weist du, ich habe nun diese Zweifel. Oder diese was ist wenn… Gedanken, die mir im Kopf rumschwirren.“
„Das kann ich verstehen aber du musst bedenken, dass keiner dir diese Zweifel nehmen kann, außer du selbst.“ Ricarda nickte.
„Mach dir nicht so viele Gedanken darüber. Man sieht es sehr deutlich, dass Jo dich liebt und diese Geschichte nur ein einmaliges negatives Erlebnis war.“ meinte Sandra und lächelte Ricarda lieb an worauf Ricky sich nach der Lage zwischen ihr und Nadine erkundigte.
„Ach es geht uns gut. Wir planen gerade unsere Geburtstagsfeier. Dieses Jahr wollen wir nur an meinem B-day feiern. Ist ja so oder so bloß ein unterscheid von 14 Tagen. Tja so Jahr für Jahr altert man vor sich hin. Nadine meint zwar ich soll sie nicht mit irgendetwas überraschen aber ich kann’s halt nicht lassen und überleg mir schon die ganze Zeit, was ich tun könnte.“
„Was hältst du von einem Ruhigen Wochenende in einer Pension oder so was. Ich kenn da einen guten Freund von meinem Paps. Der hat nicht weit von hier so was Ähnliches und bestimmt könnte ich mich da mal erkundigen. Interesse?“
„Oh ja. Es klingt in der Tat gut. Würde mich freuen, wenn du dich da mal informierst.“ Ricky nickte und grinste bis über beide Ohren.
„So gefällst du mir auf jeden Fall viel besser, als dein grimmiger Ausdruck. Ach genau, wie geht es dir mit dem Führerschein?“
„Es geht alles super. Bis jetzt hab ich keine Probleme und Jo darf heute zum ersten Mal fahren. Hat die Theorie hinter sich. Wir haben ja nicht zur gleichen Zeit angefangen, weil ich damals krank war und sie nicht warten wollte, die Nuss.“ Sandra schmunzelte und meinte nur zum Abschied, dass Johanna sich wahrscheinlich nicht unnötig ablenken lassen wollte und ihr somit der unterschied besser passte. Anschließend verschwand sie wieder um die aufgeschriebenen Dinge zu besorgen und Ricky blieb allein zurück. Das Gespräch mit Sandra tat irgendwie gut, denn Sandra war allgemein die Person, mit der Ricarda am besten über alle dinge Reden konnte. Ihre Mum war da nie so wirklich begabt dafür. Sie wusste nie wie man in gewissen Situationen am besten reagierte, so war’s auch nach der Geschichte mit Lukas. Sie entschied sich für den leichteren Weg und rief einen Psychiater an, anstatt sich selber mit ihrer Tochter zu unterhalten. OK vielleicht war es auch besser so, nur sie hatte sich nicht mal die Mühe gemacht um es zu versuchen. Sandra war da komplett anders, wenn es sein musste würde die nächtelang mit Ricky verbringen, mit ihr bei bestimmten Themen zusammen weinen und lachen, ihr Ratschläge geben, sie ablenken und trösten, wenn es sein musste. Ja, Sandra was für Ricarda so was wie eine Schwester geworden in den vergangenen Jahren. Sie und Nadine haben ihr wirklich sehr geholfen, vor allem mit der Erlaubnis, dass Ricky bei ihnen einziehen durfte, was ja nie so geplant war.
Eigentlich hatte Ricarda genug zu tun. Für die Ausbildung lernen, ihre Theoriebögen mal weitermachen oder ein Buch lesen, denn an Literatur, vor allem lesbischer Art mangelte es in der WG nie. Nadine und Johanna hatten beide eine nahezu Sucht nach solchen Büchern und kauften abwechselnd ab und zu sich neue Schmöker, jedoch war Ricky an dem Tag faul und hätte am liebsten nur mit Johanna im Bett gelegen und gekuschelt. Einfach ihre Nähe gespürt, als so einsam im Haus zu sitzen. Letztendlich überredete sich Ricky dazu einige Bögen auszufüllen, denn ihre Theorieprüfung stand auch demnächst bevor und sie fühlte sich noch nicht genug vorbereitet, auch wenn sie die gesamten Blätter bereits mindestens einmal durch hatte.
Natürlich bestand Ricarda ohne Probleme den schriftlichen Teil und durfte anschleißend ebenfalls hinters Steuer, während Johanna schon sicher durch die Straßen kurvte. Das Wort Sicher lag jedoch im Auge des Betrachters und wurde nicht von allen so empfunden, wie zum Beispiel von Nadine, die sich jedes Mal ein Witzchen erlaubte, wenn Johanna von der Fahrt zurückkehrte. Sandra dagegen bekam in den Tagen nach dem Gespräch mit Ricky die nötige Information zu ihrem Vorhaben und lockte Nadine am kommenden Freitag mit einem Vorwand in die frische Natur. Das Wochenende gestaltete sich sehr gut und Nadine redete noch wochenlang nach der Überraschung und schwärmte jeder Mitbewohnerin die Ohren voll von all der Romantik und der so tollen Atmosphäre in der kleinen Pension am Waldrand. Die offizielle Geburtstagsparty dagegen war eher konservativ gestaltet. Die Eltern von Sandra und die Mutter von Nadine waren anwesend, sowohl einige Freunde von den beiden. Während Sandras Mutter sich lebhaft mit allen Gästen unterhielt und von einer Ecke ihres Gartens zur nächsten schwebte, hielt sich Nadines Mum immer leicht im Hintergrund, lächelte ab und zu und sah allgemein aus, als würde sie am liebsten flüchten. Vielleicht lag es an den Freunden, überlegte sich Johanna und sah sich etwas um. Man konnte nicht übersehen, dass mindestens die hälfte von ihnen entweder Schwul, Lesbisch oder zumindest Bi war.
„Was ist den mit deiner Mum los?“ fragte Jo leiste als sie Nadine endlich in der Küche fand.
„Ach die hat so ihre Macken. Weist du, die hat’s bis heute nicht wirklich akzeptiert und versucht mir nach wie vor irgendwelche Typen anzudrehen.“ erwiderte sie gelassen und fütterte Sandra mit einer weiteren Erdbeere, welche eigentlich für den Kuchen bestimmt war. Sandra biss in die kleine rote Frucht und schielte kurz in die Schüssel, in der sich nicht all zu viele von den Beeren befanden.
„Wenn du so weiter machst haben wir für den Nachtisch einen Erdbeerkuchen ohne Erdbeeren.“ Nadine grinste und meinte bloß es würde reichen.
„Sandras Mutter ist dagegen voll cool. Sie hat absolut keine Probleme damit und versucht schon seit Jahren auch meine Mum zur „Erleuchtung“ zu bringen. Bis jetzt erfolglos.“ Johanna schaute etwas verwirrt und fragte anschließend was Nina dann eigentlich hier tun würde.
„Sie wollte selber unbedingt kommen. Ich habe sie gewarnt, dass wir auch unsere Freunde einladen werden aber sie meinte es sei ihr egal. So und nun machen wir dies noch fertig und dann kann der Nachtisch eigentlich schon serviert werden.“
Die Erdbeeren reichten nicht wirklich aus und so sah der letzte Kuchen von insgesamt drei etwas mager aus, was aber keinen zu stören schien. Am Tisch setzte sich Nina neben Johanna. Ricarda war wieder in der Küche und half Sabine, einer guten Freundin von Sandra beim überflüssigen Geschirr wegbringen und in die Spülmaschine einräumen. Sandras Mutter lief denen zwar hinterher und meinte es wäre doch nicht nötig gewesen, denn die wären schließlich Gäste aber die beiden weigerten sich strickt zum ‚nicht mithelfen’.
„Haben sie schon den Kuchen probiert? Der ist wirklich lecker.“ sagte Johanna und verputzte ein weiteres Stück. Die Dame neben ihr schüttelte den Kopf.
„Soll ich ihnen einen holen?“ fragte Jo erneut und schaute zum Kuchentablett, welches etwas weiter weg stand.
„Das wäre sehr nett von ihnen.“ Johanna nickte und brachte ihr ein Stück.
„Ich bin übrigens die Johanna.“ erwähnte Jo und beförderte ein weiteres Stück in ihren Mund.
„Oh die Johanna aus der WG?“
„Ja“
„Sie sind doch Polizistin, nicht war?“ Jo schmunzelte.
„Nicht ganz. Bin erst Auszubildende im ersten Lehrjahr.“
„Ach so. Aber trotzdem so was ist doch immer schön. Eine Person, die für Recht und Ordnung sorgen will.“ Beim aussprechen diesen Satzes warf Nina einen Blick zu den Gästen und begann ein etwas zögerndes aber interessantes Gespräch mit Johanna und da Ricarda nicht in Sicht war ging Jo aufs Gespräch ein. Nach einer Weile schaute Nina wieder im Garten umher.
„Fühlen sie sich eigentlich hier wohl?“ fragte sie nach dem bereits ixten Erkundungsblick. Johanna war es in der tat etwas unwohl, da sie keinen der Leute kannte und Ricky sie auch zurück gelassen hatte. So schüttelte sie leicht mit dem Kopf.
„Im Grunde fühl ich mich hier auch total fehl am Platz. Die ganzen Leute und ihre Vorliebe zum gleichen Geschlecht. Vor allem macht mir dieser Zustand von meiner Tochter zu schaffen. Egal was ich mache, sie will einfach nicht auf mich hören. Ständig redet sie nur von Sandra, wobei ich nicht behaupten will, dass sie ein schlechter Mensch wäre. Ganz im Gegenteil. Die beiden sind so hübsche junge Damen und könnten sich anständige Kerle suchen, die nicht solche Angeber und Nichtskönner sind. Sie haben doch bestimmt einen netten jungen Mann an ihrer Seite?“ Johanna hätte sich beinahe mit ihrem bereits 3 Stück Kuchen verschluckt und legte deshalb nun die Gabel beiseite, hustete einige male und wollte etwas dazu sagen aber Nina fuhr bereits fort.
„Es ist doch nicht normal so was? Wie können nur all die Leute hier so eine fast schon krankhafte Einstellung haben? Manchmal denke ich mir, das Umfeld wäre schuld daran und es wäre besser, wenn Nadine mit all den Personen nichts zu tun hätte. Sie beeinflussen sie doch bestimmt zu solchen Aktivitäten. Ich habe es mir nun lange genug angeschaut und denke es wird Zeit, dass hier mal eine professionelle Hilfe in Kraft tritt.“ verkündete sie mit einer sichern Stimme. Jo dagegen wurde etwas weis im Gesicht. Über eine halbe Stunde haben sie sich unterhalten und nun so was? Wie kam diese Frau dazu sie als krankhaft zu bezeichnen oder meinen zu müssen es wäre das Umfeld daran schuld? Im welchem Zeitalter lebte sie den eigentlich? Johanna sagte jedoch nichts von all dem, trank lediglich ein Schluck Cola, weil sie eine plötzliche Trockenheit im Mund verspürte und fragte an welche Hilfe denn Nina da gedacht hätte.
„Nun ich habe mir einiges durchgelesen und es gibt tolle psychiatrische Kliniken nicht nur in Deutschland. Die könnten Nadine bestimmt helfen. Außerdem könnten sie doch gewiss so was melden. Die Polizei würde doch sicherlich etwas tun. Gegen diese Leute?“ fragte Nadines Mutter und schaute Johanna erwartungsvoll an. Jo dagegen starrte die Frau nur total verwirrt und zugleich entsetzt an. Woher nahm sich diese Person das Recht so über gleichgeschlechtliche Liebe zu reden? Ihr Blick sagte bereits mehr als 1000 Worte und die Betonung, wie sie den Satz Gegen diese Leute aussprach lies in Johanna das Blut gefrieren.
In dem Augenblick kam Ricarda, umarmte ihre Freundin von hinten und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange mit den Worten
„So da bin ich wieder mein Schatz. Hoffe du hast dich nicht zu sehr gelangweilt.“ Nina sprang sofort auf und starrte nun Jo ebenfalls mit einem panischen Blick an.
„Ich dachte sie wären normal. Sie sind schließlich doch bei der Polizei, da werden doch nur die besten ausgewählt und nicht so was zugelassen.“ kreischte sie und ging einige Schritte von Jo weg, währen diese sich von Rickys Umarmung befreite und auf die Frau zuging.
„Bleiben sie mir bloß weg. Hören sie? Ich lasse mich nicht von so einem Unsinn beeinflussen“ schrie sie nun etwas lauter. Johanna blieb stehen und schaute Nadines Mutter mit einer verärgerten Miene an.
„Wenn hier jemand in die psychiatrische Klinik muss, dann wohl sie. Ich bin weder krank noch ein schlechtes Umfeld für irgendjemanden. Außerdem hätten sie sich lieber, anstatt Heilmethoden auszudenken mehr mit dem Thema Homosexualität befassen sollen. So würden sie jetzt nicht so viel scheiße erzählen.“ entgegnete Jo wütend und merkte, dass inzwischen alle versammelt waren und neugierig zuschauten, Auch Nadine und Sandra eilten herbei und fragte sofort Johanna was hier geschehen sei. Eine junge Dame, die Jo nicht kannte, erzählte in Kurzform, wie sich das Gespräch entwickelt hätte, da sie in der Nähe der beiden saß und sich ebenfalls sehr über die Worte der Dame aufregte, zu gern aber wissen wollte was Johanna tun würde und blieb somit im Hintergrund still. Nun schaute Nadine total entsetzt auf ihre Mutter.
„Wie kannst du nur so was tun Mum? Du lädst dich selber ein, sitzt die ganze Zeit über mit einer schiefen Miene da und nun beleidigst du auch unsere Geste? Wobei was heißt hier beleidigen. Du bist total Intolerant und redest einen absurden Unsinn. Ist dir das den nicht klar?“
„Aber Liebling, siehst du den nicht, wie sie alle beeinflussen diese Leute. Schau doch Sandras Mutter haben die auch schon auf ihre Seite gezogen. Sie redet vom all dem so, als wär’s das normalste der Welt. Es ist aber krank, abartig und unanständig. Lass dir helfen Kind. Bitte“ flehte sie und wollte auf ihre Tochter zugehen, doch diese wich aus.
„Verlass sofort dieses Haus“ mischte sich Rebekka, Sandras Mutter ein.
„So ein Verhalten dulde ich auf meinem Grundstück nicht. Es ist der Geburtstag meiner Tochter und es ist unverzeihlich, dass du den Tag so ruinieren musstest.“ Nadine fing inzwischen das Weinen an und suchte die Nähe von Sandra, die ihr sofort zu Seite Stand.
„Nadine kommst du jetzt mit mir? Kind, wenn du nicht jetzt kommst, dann ist es zu spät und ich will dich nie wieder in meinen Haus willkommen heißen. Also entscheide dich jetzt.“ Sandras Freundin brach nun komplett in Tränen aus. Nach all den Jahren kam so eine Grausamkeit ihrer Mutter ans Tageslicht. Nie hätte sie gedacht, dass sie solch eine Einstellung vertreten würde. Es war ein sehr großer Schock für sie aber in dem Moment riss sie sich zusammen um nicht die Beherrschung über sich zu verlieren.
„Nein ich werde bestimmt nicht mitkommen. Das wird nie passieren und Mutter ich wollte es nicht wahrhaben aber Dad und mein Bruder hatten recht du bist wahnsinnig geworden. Kein Wunder das alle dich verlassen haben und nun hast du auch mich endgültig verloren, denn so was ist nicht wieder gut zu machen.“ entgegnete sie unter Tränen und sah zu wie Nina schweigend den Garte und das Haus verließ. Nie wollte sie Andreas oder ihrem Dad glauben und nahm ihre Warnungen als übertrieben entgegen aber nun hat sie es höchstpersönlich erlebt, wie schrecklich ihre eigene Mutter sein konnte. Mit dieser Aktion war natürlich die Feier beendet und alle halfen zusammen beim Aufräumen, bevor sich die Eingeladenen mit verständnisvollen Worten verabschiedeten. Nur Jo und Ricarda blieben da um Nadine beizustehen. Diese rief dagegen ihren Dad und ihren Bruden an. Diese waren nur aus einem Grund nicht erschienen. Nina. Beide waren bereits eine halbe Stunde später eingetroffen und spendeten ebenfalls Trost.
„Schwesterchen. Ich habe dich doch gewarnt, dass die Alte nicht ganz richtig tickt. Hab dir doch so oft erzählt, wie sie auf meine Gespräche über Homosexualität und Co. reagierte. Weist du, deshalb habe ich die ganzen Jahre geschwiegen und ihr nie was gesagt, nur Dad.“ erzählte Andreas und umarmte Nadine während des Gesprächs.
„Was erzählt?“, fragte diese nach.
„Nun, dass ich Schwul bin. Dir hab ich es auch nicht erzählt, da ich befürchtete du würdest in einem erneuten Streit mit ihr dies erwähnen und egal wie sehr ich dich lieb habe, so mich von der vollstalkern zu lassen, wie du dich, nein das kommt mir nicht in die Tüte.“ Nadine wischte sich mit ihrem Taschentuch die Tränen weg und lächelte leicht.
„Ach das wusste ich doch schon immer. Hab bereits vor Jahren deine Magazine mit den Sexy Boys, statt Girls gefunden und außerdem die angeblichen Freunde aus der Schule sah ich immer auf verschiedenen Partys in der Szene. Damit überraschst du mich jetzt nicht wirklich. Und ja ich hab’s mir doch schon immer gedacht, dass Nina nie damit klarkommen wird aber, dass es so extrem ist, wusste ich doch nicht. Mir tut es jetzt auch schrecklich Leid, da ich Sandra den Geburtstag versaut habe. Ach das sollte doch ein schöner Tag werden.“ Nadines Freundin umarmte ihre Partnerin und beruhigte sie, dass es nicht so schlimm sei und noch viele weitere Geburtstage folgen werden, an denen keine bösen Überraschungen erscheinen würden. Natürlich half es nur wenig Nadine und sie verdaute die ganze Geschichte sehr langsam, was auch verständlich war. Die ganzen Jahre dachte sie, ihre Mutter würde damit klar kommen und sich mit der Zeit beruhigen. Nie wollte sie ihre Mutter auf diese Weise verlieren. Es war schwer aber Sandra hielt zu Nadine und versuchte sogar Nina einige Tage später bei einem Gespräch von einer anderen Meinung zu überzeugen, wurde jedoch nur beschimpft und unsanft aus dem Haus geschmissen. Dies behielt Sandra jedoch für sich. Ricky traf dies auch sehr, denn vor einigen Monaten las sie noch schlimme Erzählungen von andren jungen Frauen, wie ihre Väter, Mütter, Geschwister und Freunde auf solche Nachrichten reagierten. Die meisten schlimm, so ähnlich wie Nadines Mutter, nur damals wusste sie nicht wie es ist, so welche Ausdrücke wirklich mal von einer Person zu hören und zu sehen was so eine Meinung ausrichten kann. Ricarda war sehr traurig darüber, denn bis jetzt erlebte sie nur Positives bezüglich ihrer Liebe zu einer Frau.
Nachdem Jo und Ricky beide Auch den praktischen Teil der Prüfung hinter sich hatten, erfüllte Rickys Dad seinen Teil der Abmachung und schenkte seiner Tochter ein Auto. Nichts besonders, auch kein Neuwagen aber für den Anfang war es geradezu Perfekt für das junge Paar und bis Ricardas 18. Geburtstag sollte Jo ihren Chauffeur spielen.
***
Inzwischen wurde auch Lauras Entschuldigung bei der Mannschaft akzeptiert und der groll vergessen. Das Topstürmerteam war also auch wieder da.
In der darauf folgenden Woche telefonierte Jo wieder mal mit Uli, ihrer Erzieherin. Dies machte sie mindestens 2-mal im Monat, seit sie in der WG eingezogen war. Uli war für Johanna immer die Person, die ihr Mut machte, sie aufbaute und ihr zuhörte, wenn es Probleme gab. In letzter Zeit beschäftigte Jo ein ganz besonderes Problem. Das Gespräch mit Ricarda über ihre Familie welches nun schon Monate zurück lag, ging ihr seit dem Tag nie wirklich aus dem Kopf. Egal wie sehr Johanna es versuchte zu verdrängen, kam die Frage jedes Mal zurück. Wer war sie? Wo gehörte sie hin? Gab es wirklich eine Chance, egal wie klein diese auch sein mochte? Über all die Verwirrungen und Gefühle sprach Johanna mit Uli, die sie anhörte und ihr versprach zu helfen, wenn es möglich wäre. Dieses Gespräch fand Anfang des Jahres statt nun war es mitte Mai und Jo dachte nicht mehr daran, dass Uli wirklich etwas finden würde. Eigentlich war es schlicht unmöglich aber Uli war bekannt dafür, dass sie in manchen Fällen sogar das Unmögliche möglich machte und so überraschte sie Johanna bei diesem Gespräch mit der Verkündung einer kleinen Spur auf der Suche nach dem Unmöglichen. Es war eine Adresse von einem gewissen Andreas Marks. Ob es eine Verbindung gab oder nicht, war unklar aber Uli munterte Jo dafür auf dahin zu fahren und es einfach raus zu finden, ob es nun eine hilfreiche Information war oder nicht.
„Johanna du musst es einfach probieren, wenn du erfahren willst, ob es womöglich deine Verwandten sind oder doch nicht. Klar ist es nicht leicht, wenn bei dieser Suche nichts rauskommen würde aber du darfst nicht aufgeben. Hab ich dir eigentlich schon mal die Geschichte erzählt, wie kritisch deine Situation war, als wir dich vor unserer Haustür fanden?“
„Ja Uli. Die Story hast du mir in den letzten Jahren echt verdammt oft erzählt.“ seufzte Jo.
„Dann weist du ja, dass du eine Kämpferin bist. Wirklich Johanna du bist was Besonderes und ich werde dir helfen auf deiner Suche. Du darfst bloß nicht aufgeben.“
Ja, Johanna war in der Tat eine starke Persönlichkeit. Als sie von den Erziehrinnen gefunden wurde, war ihr Zustand kritisch und es folgten einige Operationen, Aufenthalt auf der Intensivstation und ein Jahrelanges Trauma. Bis zu ihrer Einschulung war Johanna in ihrer eigenen Welt gefangen. Sie redete nur selten mit anderen Personen und führte lieber Selbstgespräche, verstand dann meistens nicht, wieso die anderen nie ihre Freunde sehen konnten und verkroch sich immer mehr und mehr in ihre eigene Welt. Uli versuchte es immer wieder und wieder Johanna etwas beizubringen, mit ihr zu reden, doch es brachte nie eine Lösung. Bis sie einmal bei einem erneuten Versuch ein Satz fallen ließ der Johanna aus ihrer Scheinwelt erwachen lies und alles folgende komplett änderte.
„Johanna Schatz bitte rede doch mit mir. Du bist so ein besonderes Kind aber, wenn wir keine Fortschritte erzielen, wirst du in ein anderes Heim gebracht. Da kann ich leider nicht mit. Das heißt wir werden getrennt und das willst du doch nicht, oder? Also ich will das ganz bestimmt nicht, denn weist du ich mag dich sehr und finde du kannst viel mehr als du vorgibst zu können. Wenn du allein bist beobachte ich dich manchmal und du tust Dinge, die wir zusammen in der Gruppe mit den anderen Kindern auch tun. Du kannst es doch alles, wieso willst du nie mitmachen?“
„Nein. Ich will hier bei dir bleiben. Bis ich groß bin und dann weg kann. Dann suche ich meine Eltern und werde sie fragen wieso sie mich nicht haben wollten und wieso sie mich nicht ganz umgebracht hatten, sondern nur viele Wunden hinterlassen haben. Wieso muss ich leben Uli? Es macht kein spaß, es ist schrecklich, wenn ich einschlafe und Dinge träume, die ich nicht kenne.“ gab Jo zur Antwort und schaute von Uli weg in eine andere Richtung und warf einen ernsten Blick zu jemanden, den Uli natürlich nicht sehen konnte.
„Johanna von was redest du denn da? Wer sagt, dass du sterben solltest?“
„Soje sagt das. Sie meint, dass ich sterben sollte an dem Tag, als ihr mich gefunden habt.“
„Wer ist Soje? Ist das ein Mädchen aus deiner Gruppe? Also ich kenne keine Soje oder ist das ein Spitzname? Und was genau träumst du? Was macht dir so große Angst?“
„Das Feuer. Es ist überall und es ist heiß. Ein Kind schreit immer in dem Traum aber ich sehe es nicht und es ist Nacht. Ich mag das Feuer nicht es macht mir Angst.“ erwiderte Jo, wendete ihren Blick jedoch von der, für Uli unsichtbaren Gestalt nicht ab.
„Wer ist Soje“ fragte Uli nervös und blickte ebenfalls zur Seite, sah aber natürlich niemanden.
„Sie sitzt neben dir aber du siehst sie natürlich nicht. Ihr alle sieht sie nicht. Ich schon.“
Schweißgebadet wachte Jo auf und schaute um sich herum.
„Süße was ist den los? Du bist ja total verschwitzt! Geht’s dir gut?“ fragte Ricky, die sich nun ebenfalls aufgerichtet hatte und vorsichtig Johanna an die schweißvolle Stirn fasste.
„War es wieder das Feuer? Du hattest schon lange nicht mehr so schlecht geträumt. Ist alles Ok?“ fragte sie erneut.
„Nein kein Feuer. Alles Ok. War nur ein anderer schlechter Traum.“ antwortete Johanna und schaute auf die Uhr, die kurz nach fünf Uhr morgens anzeigte und das an einem Samstag. Ricarda fragte Jo nebenbei, ob sie reden wollte aber Johanna verneinte, stand auf und ging erstmal unter die Dusche. Wieso ausgerechnet dieser Traum? An so ein Gespräch konnte sich Johanna natürlich nicht erinnern. Nur, wenn Uli sie früher ab und zu mal nach dieser mysteriösen Soje fragte, konnte Johanna manchmal einige Bruchteile in Erinnerung ziehen, verneinte jedoch stets die Frage, da sie keine Lust auf therapeutische Gespräche mit Uli hatte.
Als junger Teenager wollte Johanna nicht glauben, dass es wohl ein Teil des unverarbeiteten Schocks war und nach wie vor in Form von Flashbacks zu ihr zurückkehrte. Es reichte manchmal schon, wenn jemand ein Feuerzeug anmachte und sie das kleine Feuer sah. Sofort herrschte in Johanna eine komische Unruhe und sie wollte am liebsten das Feuer wieder ausmachen, wegwerfen so weit wie es geht, damit es ja nicht ihr zu nah kommen konnte. Auch jetzt gab es manchmal Momente, in denen Jo eine Panik überkam, wenn sie ein Feuer sah. Das war auch wahrscheinlich der Hauptgrund, wieso sie sich nicht lange als Raucher bezeichnen konnte.
Das lauwarme Wasser lief Johanna den Körper hinunter, währen sie sich an die Wand lehnte und über
all dies nachdachte. Erst als die Duschkabinentür aufging, kehrte sie zurück in die Realität.
„Süße du bist nun über eine halbe Stunde hier! Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“ fragte Ricky mit besorgter Stimme.
„Ja Schatz es ist alles OK ich war wohl nur zu tief in meinen Gedanken versunken.“ Daraufhin zog Ricky ihre Schlafsachen aus und kam ebenfalls zu Johann unters Wasser.
„Ah, das ist ja kalt. Wie kannst du hier bloß die ganze Zeit so stehen? Da erkältest du dich ja noch.“ rief sie und drehte das warme Wasser auf. Auch dies war Johanna nicht aufgefallen, erst jetzt, wo Ricarda es erwähnte.
Schlafen konnte Johanna an diesem Morgen nicht mehr, denn nun ging ihr das Telefonat mit Uli vor wenigen Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Die Adresse hatte sie sich notiert und fand im Internet bereits eine Wegbeschreibung zu dem besagten Ort, der nicht allzu weit weg von Koblenz entfernt war. Trotzdem hatte sie sich bis jetzt nicht dazu entschließen können dahin zu fahren und eventuell das zu finden, was sie schon lange gesucht hatte, auch wenn sie es nie zugeben würde. Der Traum brachte sie jedoch wieder verstärkt auf die Idee und so schnappte sie sich gegen 12 Uhr die Autoschlüssel von Rickys Wagen und fuhr los. Die ganze Fahrt über hörte sie nur Musik und versuchte keineswegs daran zu denken, wer oder was sie erwarten könnte. Erst als sie in der richtigen Straße hielt und zu der aufgeschriebenen Hausnummer ging, spürte Johanna wie nervös sie war. Ricarda sagte sie nichts von dem, denn sie wollte nicht, dass Ricky ihr und sich selber Hoffnungen machte und womöglich ebenfalls zu Suchen anfing.
Johanna ging zu der Haustür und sah auf das Schild auf dem in Druckbuchstaben ANDREAS MARKS stand. Mit zittriger Hand klingelte sie und wäre sogleich am liebsten weggelaufen, wie bei einem Klingelstreich, doch Jo riss sich zusammen und wartete solange, bis eine Junge Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm ihr die Tür öffnete. Sofort verschwand die große Nervosität und nur eine kleine Unruhe herrschte jetzt, welche Johanna gut überspielen konnte. Sie stellte sich kurz vor und die Frau bat sie sogleich herein. Johanna erklärte, dass sie auf der Suche nach ihrer Familie wäre und womöglich ja sie ihr helfen könnte. Die Frau, die sich als Natalia vorstellte erklärte Johanna, dass Ihr Mann, Andreas Marks hieße, dieser jedoch im Moment nicht im Haus wäre. Sie bat Jo aber an solange zu warten und beide sprachen in der Zeit über diverse Themen. Insgeheim mochte Johanna Natalia bereits nach kurzer Zeit und hoffte schon irgendwo tief in ihrem Wunschdenken, dass Andreas mit ihr verwand wäre. Dieser kam erst nach 2 Stunden und war erstmal sehr überrascht über den fremden Besuch. Auch nachdem Johanna ihm die Situation erklärte, staunte er und meinte ihm sei leider nichts über eine eventuelle Schwester bekannt. Er rief jedoch seine Mutter an und erzählte ihr ebenfalls, das was er von Johanna berichtet bekam. Aber auch da kam nichts raus. Andreas war immer ein Einzelkind und es gab sonst keine ähnlichen Vorfälle.
Für Johanna war dies wie ein kleiner Schock, denn irgendwie wünschte sie sich es so sehr, dass diese Leute ihre Verwandten waren, dass es ihr zum Schluss verdammt weh tat zu hören, dass es nicht der Fall war. Trotzdem tauschte sie mit Andreas die Handynummern aus und das Paar bat Jo ihnen, wenn sie ihre Familie gefunden hat es mitzuteilen. Das waren wirklich sehr nette Menschen dachte sich Johanna, als sie auf dem Nachhauseweg war. Eins stand aber jedoch schon fest. Keine weitere Suchaktion. Keine weiteren sinnlosen Hoffnungen und Belästigungen von fremden Personen. Wie konnte Jo überhaupt tatsächlich glauben, sie würde ihre Angehörigen ausgerechnet hier finden? Welches Gefühl leitete sie dazu?
Den restlichen Tag verbrachte Johanna in ihrem Zimmer und wollte mit keinem reden, auch nicht mit Ricky, die sie einige Male fragte, wo Johanna den ganzen Nachmittag verbracht hatte. Jo wollte nur ihre Ruhe. Erst am nächsten Morgen war ihre Laune wieder soweit hergestellt, dass sie sich zu den restlichen Bewohnerinnen des Hauses an den Frühstückstisch gesellte und Ricardas Urlaubsplanungen zuhörte.
***
Die Urlaubszeit, von der Ricky sprach, war schon seit einigen Monaten geplant. Jo, sie und Mike hatten sich entschlossen für eine Woche nach Berlin zu fahren. Diese Idee kam von Mike, der wieder mal unbedingt zu Sanny wollte. Beide stritten immer wieder komplett ab, dass sie eine Fernbeziehung führten aber Johanna hatte es schon längst gemerkt, dass zwischen den beiden weitaus viel mehr als nur freundschaftliche Gefühle existierten. Der Vorschlag wurde von Jo und Ricarda sofort angenommen, denn Jo sehnte sich auch bereits seit Längerem die alte Heimatstadt zu besuchen. Außerdem fehlte ihr Uli, mit der sie früher über all ihre Probleme und Sorgen sprechen konnte. Das ging zwar am Telefon nach wie vor aber ein reales Gespräch unter vier Augen war trotzdem eine komplett andere Situation und im Moment hatte Jo genug Gesprächsstoff, den sie Uli nur zu gern mitteilen wollte.
Der Termin stand also schon fest und war auf ende Juli eingeplant, auf der Arbeit hatte jeder sich ebenfalls für die selbe Woche frei genommen, was am Anfang nicht so leicht war, weil Sanny beinahe nicht freibekam wie der Rest, abgesehen von Mike, der sich statt der Arbeit für eine schulische Weiterbildung entschieden hatte und somit seine Ferienzeit in ruhe genießen konnte. Bis zu dem Abreisetag konnte Johanna es kaum abwarten und markierte sehnsüchtig jeden verstrichenen Tag mit einem roten Kreuz in ihrem Kalender. Auch Ricky freute sich sehr auf die Woche, denn sie war noch nie in Berlin und wollte unbedingt für einen ganzen Tag in die Große Stadt und das mit einer wundervollen Frau an ihrer Seite, mit der sie ende Juli 7 Monate zusammen war und ein Jahr befreundet. Mike war aber am aller ungeduldigsten, was man auch sehr gut verstehen konnte. Er hatte in diesem Jahr Sanny bereits 5 Mal besucht. Die Reisekosten teilten sich die beiden immer auf. Neben diesen Wünschen und Sehnsüchten gab es auch noch einen anderen Grund, wieso ausgerechnet ende Juli sich alle wieder treffen wollten, denn auch Georg und Marcel wären selbstverständlich in dieser Woche anwesend, auch wenn diese keinen Urlaub bekommen hatten. Der Grund war Johannas Geburtstag und somit fast ein Jahr seit sie aus der Stadt geflohen war.
Dieses Mal dauerte die Fahrt nur 5 Stunden und nicht wie bei Johannas Reise das doppelte an Zeit, da sie damals nur ein begrenztes Budget hatte und sich somit teuer Fahrtickets nicht leisten konnte.
Bei der Ankunft wartete Sanny schon auf ihren Besuch. Sie freute sich natürlich sehr Jo und Ricky wieder zu sehen aber ihre besondere Freude und Ungeduld galt natürlich Mike. Dies zeigte sie auch mit einer innigen Umarmung und vielen Küssen beim ersten Blickkontakt mit ihm. Johanna und Ricky standen daneben und konnten sich nicht mehr das Grinsen verkneifen. Ein Blick zum Gegenüber genügte um zu wissen, dass sie im dem Moment wohl das selbe dachten.
‚Und die wollen uns echt weismachen es wäre alles NUR rein platonisch?’
Nachdem auch Johanna und ihre Freundin sich ihre Knuddelportionen bei Sanny abholten, machten sich alle vier auf den Weg zu Sandra nach Hause. Einige Zeit später trudelten auch Georg und Marcel endlich ein, die ihren letzen Tag vor Wochenendbeginn endlich hinter sich hatten. Gemeinsam wurde beschlossen, dass die Ankunft auf jeden Fall gefeiert werden müsste und so verbrachte die Qlicke den restlichen Abend im „Mecks“ einem kleinen Club außerhalb Johannas Heimatstadt.
Bereits sehr Früh am nächsten Morgen war Jo bereits auf den Beinen und machte sich fertig. Ricky lag immer noch im Bett, war jedoch ebenfalls wach und schaute ihrer Liebsten dabei zu, wie diese wild im Zimmer umher lief und sich stylte.
„Ricky, wie sehe ich aus? Denkst du das passt so?“ fragte Johanna, nachdem sie nun an dem Morgen zum ixten Mal in den Spiegel sah.
„Ach Schatzi, du siehst immer gut aus und heute besonders sexy. Bist du dir sicher, dass du dich nur mit Uli triffst?“ erwiderte sie, stand auch und richtete ihrer Freundin den Kragen gerade.
„Aber klar. Ich treffe mich mit all meinen Frauen, die ich vor dir hatte und da muss ich mich doch „lecker“ präsentieren, findest du nicht?“ scherzte Jo und wurde sofort von Ricarda umklammert und aufs Bett geworfen.
„Oh das macht mich jetzt aber verdammt böse und eifersüchtig. Ich denke ich lass dich jetzt doch nicht gehen und hol stattdessen unsere Handschellen raus.“
„Die hast du doch gar nicht dabei.“
„Willst du es drauf ankommen lassen?“ Ricky blickte ganz verführerisch zu Johanna und gab ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Süße das will ich unbedingt drauf ankommen lassen aber nicht jetzt. Ich muss echt los. Ich liebe dich und NUR dich.“ Mit diesen Worten rollte sie Ricky zur Seite und stand auf. Ein erneuter Blick in den Spiegel, schnell alles wieder zurechtgemacht. Fertig. An dem Tag hatte Johanna ein eng anliegendes schwarzes Shirt, drüber ein weises Hemd und Jeans an. Einige Accessoires schmückten ihren Hals und Handgelenk. Das Beste, so fand es zumindest Jo selber war ihr neuer Haarschnitt, den sie sich erst einige Tage zuvor von Anton machen ließ. Johanna schnappte sich den Blumenstrauß, den sie bereits bei der Ankunft gekauft hatte und verabschiedete sich mit einem erneuten Kuss von ihrer Freundin.
Uli hatte nie eine bestimmte Sorte am liebsten, was Blumen betraf und somit war dieser bunt gemischt. Die große Überraschung an dem ganzen Treffen war, dass Uli noch gar keine Ahnung hatte von Johannas Aufenthalt in Berlin. Johanna hatte sich beim letzten Telefonat, welches erst kürzlich stattfand genau erkundigt, wo Uli wann wäre. Somit war es eigentlich ausgeschlossen, dass Jo sie an dem Tag nicht sehen würde. Je nähe sie der Wohnanlage sich näherte desto nervöser wurde sie. Fast ein Jahr war es schon her, seit sie sich nicht mehr gesehen hatten. So vieles haben die beiden zwar am Telefon besprochen, jedoch mit Ulrike persönlich zu reden war unersetzbar. Johanna blieb kurz stehen und lächelte. Sie hatte in ihren Gedanken Ulrike „gesagt“. So nannte nur sie Uli. Aber dies passierte in den letzten Monaten so selten, dass Johanna nun der Name sogar irgendwie fremd vorkam. Frühre als sie klein war, nannte sie Uli immer mit ihrem vollen Namen und dies ergab sich wohl nur dauraß, weil Uli es vor 15 Jahren nicht mochte so genannt zu werden. Ihrer Meinung nach klang dies alt. Dieses Jahr feierte sie nun aber ihren 40. Geburtstag.
Wie die Zeit verfliegt…, dachte sich Johanna und klingelte an der Tür, da sie bereits angekommen war. Eine Männerstimme ertönte durch den kleinen Lautsprecher und fragte wer da sei. Jo antwortete nur Besuch für Uli und hörte sogleich den Summer an der Tür. Langsam ging sie die Treppen hoch in die erste Etage. In der Tür stand schon jemand. Es war Simon, Ulis Sohn. Als dieser Johanna erkannte wollte er sich schon umdrehen und etwas laut losbrüllen als Johanna ihn daran hinderte indem sie ihn wieder nach draußen zog.
„Psssst. Ist deine Mum da?“ fragte sie leise.
„Ja. Sie liest grad ein Buch. Komm rein.“ Bekam Johanna als Antwort zugeflüstert und betrat die ihr nur zu gut bekannte Wohnung. Hier war se sehr oft früher, denn Uli hatte zu Johanna ein sehr besonderes Verhältnis, so stellte Jo es für sich im laufe der Jahre fest.
Vorsichtig schlich Johanna ins Wohnzimmer, in dem sich Uli befand. Sie saß mit dem Rücken zur Tür und konnte somit auch nicht sehen, wer sich an sie ran schlich und mit den Händen plötzlich die Sicht nahm.
„Simon? Was treibst du da?“ fragte sie überrascht und versuchte sich von den Händen vor ihren Augen zu befreien.
„Nö, so ist das ja zu leicht. Du musst raten!“ erwiderte Jo und lies ihre Hände nicht von Uli los. Diese blieb ganz ruhig und schien nachzudenken.
„Ich habe absolut keine Ahnung wer mich da so plötzlich und unerwartet überrascht, außer dieser Jemand kommt vielleicht von weit her und heißt zufällig Jo?“ Mit diesen Worten befreite sich Uli von Johannas Händen und schaute prompt nach hinten und sah natürlich Jo mit einem breiten grinsen vor ihr stehen. Simon reichte ihr noch schnell den Blumenstrauß, den er die ganze Zeit über halten musste.
„Woher hast du den das jetzt so schnell gewusst?“ fragte Jo etwas erstaunt.
„Na ja ich hab eben den Sinn dafür Menschen bereits an der Stimme zu erkennen.“
„Den hast du aber dann nicht lange, denn mich kannst du am Telefon nie von Sebastian unterscheiden.“ mischte sich Simon ein.
„Das war doch auch nicht ernst gemeint. Gerüchte verbreiten sich hier sehr schnell. Auch was Besuche angeht. Aber die Überraschung ist dir trotzdem gelungen. Auf jeden Fall.“
Johanna glaubte dies nicht aber trotzdem lächelte sie und überreichte Uli die Blumen. Einige Minuten späte standen diese bereits in einer Vase und Uli fragte Johanna, ob sie nicht Lust auf einen Spaziergang hätte. Jo stimmte und beide verließen die Wohnung. Der Tag war wirklich einfach zu schön, um diesen drinnen zu verbringen. Die Sonne schien, alles war grün und voller Leben. Sommer. Die ersten Stunden redeten sie über alles Mögliche. Ulis Söhne Simon und Sebastian, Johannas Ausbildung, Ricarda. Ja Uli wusste schon einiges über Ricky. Eigentlich die ganze Geschichte wie die zwei zusammen kamen. Uli dagegen berichtete über ihre Arbeit und im Grunde unwichtige Dinge.
„Etwas bedrückt dich nicht war?“, fragte sie anschließend. Johanna blieb stehen und zeigte stumm auf eine Bank, die sich unter einem großen Kastanienbaum befand.
„Ja es gibt da wirklich etwas was mich in den letzten Monaten nicht mehr loslässt.“, sprach Johanna nachdem sie platz nahm und einem Jogger, der mit seinem Hund den kleinen Pfad entlanglief hinterher sah. Es schien alles um sie voller Leben zu sein. Eine Familie stand am anderen Ufer eines Sees, der sich in der Mitte des gesamten Parks erstreckte. Alle lachten und waren offensichtlich sehr glücklich, zumindest für diesen einen Moment. Johannas Welt dagegen wurde in dem Augenblick düster, denn schon allein ein kleiner Gedanke an ihre Träume oder Erinnerungen, die sie nun seit einigen Monaten heimsuchten und Rickys Gespräche über eine eventuelle Suche, trieben sie in den Wahnsinn. Nein es waren nie wirkliche Gespräche, denn soweit lies es Jo nicht kommen und brach aus ihrer Sicht, die sinnlose und unnötige Diskussion ab.
„Also kleine was ist den los. Ich kenn dich nun seit dem ersten Tag und weis genau, wenn bei dir etwas nicht stimmt.“
„Du kennst mich wohl echt verdammt gut Uli. Erzähl mir von der Nacht, als du mich gefunden hast.“ Uli schaute etwas unsicher, denn bis jetzt hatte sich Johanna nie für diese Geschichte interessiert. Sie wusste zwar grob was vorgefallen war, weil sie als Kind einst mal nachfragte, woher ihre Narben herkamen. Damals hatte Jo noch einige davon, heute sah man die meisten gar nicht mehr.
„Also OK. Es war der 23. Juni. Der Tag an dem wir deinen Geburtstag feiern, denn ein anderes Datum haben wir ja nicht. Die Uhrzeit weis ich leider nicht mehr so genau aber es war schon dunkel und ein Gewitter kündigte sich an. Ich habe an dem Abend meine Runde gemacht durchs Haus. Zu der Zeit war ich selber erst ganz neu hier und versuchte mich mit meinem damaligen Freund einzuleben und an die neue Stelle sich zu gewöhnen. Weist du es war sehr schwer für mich wegzuziehen und hier neu anzufangen und das obwohl es nur 200 km zu meinen Eltern waren. Deshalb bewundere ich dich in dem Punkt so sehr.“ Uli machte an der Stelle in kurze Pause und sah in den Himmel.
„Ich lenk grad von deine Frage ab.“ lächelte sie.
„Das macht nichts, ich hör dir sehr gern zu und alles hat ja mit mir zu tun irgendwie.“ Uli nickte und fuhr fort.
„Richtig. Also an dem Abend als ich so durch den stillen Flur ging, hörte ich plötzlich ein Schreien. Es kam mir vor als hätte ein Baby geschrieen aber zur gleichen Zeit hat es auch angefangen zu regnen. So dachte ich mir, dass es nur Einbildung war. Aber nein nach wenigen Schritten hörte ich es erneut. So kam es dazu, dass ich die Tür öffnete und dich da liegen sah. Ehrlich gesagt ich war sehr beunruhigt. Ausgerechnet in meiner ersten Nachtschicht und da ich ja noch sehr neu auf dem Gebiet war, wusste ich in den ersten Minuten gar nicht was ich tun sollte. Während ich vor Panik schon kurz davor war selber zu schreien und zu heulen, hast du einfach so angefangen zu lachen. Bei jedem Regentropfen der auf dich fiel, hast du gegrinst du gegluckst. Vielleicht war es die Angst oder auch nur die Freude jemanden zu sehen.“ Ulrike machte wieder eine Pause und fragte Johanna, ob sie weitergehen wollte. Jo stand auf und hörte aufmerksam der Erzählung von Uli zu, denn so hoffte sie eventuell eine Antwort zu bekommen auf die Fragen, die in ihrem Kopf sich angesammelt hatten.
„Was danach passiert ist, war alles andere als schön. Du hattest zahlreiche Verletzungen. Es wunderte mich überhaupt, wieso du noch gelacht hast und nicht vor Schmerzen geschrieen. Einige davon hatten in den nächsten Tagen auf der Intensivstation deinen Zustand verschlechtert und eine Notoperation war die einzige Lösung. Was genau Vorgefallen ist, weis ich nicht mehr. Tja Johanna aber ich hab es dir ja immer gesagt, du bist eine Kämpferin und gibst nie auf.“ erzählte Uli weiter.
„Hast du noch weitere Fragen?“ erkundigte sie sich. Jo nickte.
„Es ist weniger ein Frage aber Uli ich fühle mich in letzter Zeit sehr schlecht. Nachts kann ich nie wirklich schlafen und diese Bilder gehen nicht aus meinem Kopf. Ich weis einfach nicht mehr weiter.“
„Ganz ruhig Jo. Eins nach dem anderen. Was genau ist den los?“ fragte Uli.
„Ich weis selber nicht was los ist. Mal träume ich von einem Dialog mit dir indem ich über eine Imaginäre Person rede Namens Soje, mal kommen diese Bilder wieder. Das Feuer, das schreiende Kind und der Regen alles vermischt sich und ich habe keine Ahnung, ob es vielleicht noch etwas gibt, was ich nicht weis, ein Geheimnis oder ist es nur ein harmloses Déjà-vu aus meiner ‚Babyzeit’ oder gar nur Einbildungen, die ich erschaffe, weil ich unbedingt mehr wissen und sehen will.“ Uli blieb stehen und umarmte Johanna ganz fest.
„Bei mir Liebling bist du immer richt du das weist du hoffentlich.“ flüsterte sie, als Jo bereits die ersten Tränen über die Wangen flossen und an Ulis Bluse ihre Spur hinterließen. Erst jetzt verstand Johanna welche Gefühle sie immer für Ulrike hatte. Uli war für sie über die Jahre hinweg stets ein Mutterersatz gewesen. Es war tatsächlich so, dass die beiden gemeinsam viel mehr Zeit verbrachten als in der Gruppe, dass Jo immer Uli um Rat bat oder sich bei ihr auch ausweinen konnte, falls es notwendig war. All die Gespräche zwischen ihnen waren auf einer Ebene die der Mutter Tochter sehr nah stand. Ja beide fühlte die Verbindung aber die eine war zu jung um dies zu begreifen und die andere…..
„Weis du Jo ich habe so oft daran gedacht. So viele male versuchte ich damals mich selber zu überreden. Aber ich war einfach zu feige und wollte nicht die große Verantwortung übernehmen, wollte mich nicht so früh damit verpflichten….“, erklärte Ulrike und atmete tief durch.
„An was hast du oft gedacht“ Johanna war natürlich in ihren Gedanken bereits bei etlichen Möglichkeiten auf was das gesagte bezogen sein konnte. Darunter stellte sie sich sogar vor, dass Uli ja möglicherweise ihre Mutter war, doch schnell verwarf sie natürlich diesen Gedanken, da er ihr zu unrealistisch erschien.
„An eine Adoption. Du hast mich in den ersten 3 Jahren so fasziniert so begeistert und ich hab wirklich Gefühle für dich entwickelt und wollte dir, zumindest in meiner Vorstellung die Möglichkeit geben ein normales Leben zu führen ohne diese abstürze in die Tiefe. Vielleicht irre ich mich auch und es hätte nur noch einiges verschlimmert oder auch nichts an der jetzigen Situation geändert aber dies werden wir beide nie erfahren, da ich damals zu viel Angst vor einem Risiko hatte und als ich schwanger wurde hatte ich diese Idee komplett verworfen. Nun bereu ich es sehr.“ Jo nahm Ulis Hand und lächelte sie an.
„Uli das hast du auch so. Was ist schon eine Urkunde auf der es schriftlich vermerkt ist. Du warst stets für mich da hast mir in meinen schwierigsten Situationen geholfen und mich ermuntert. Mir Ratschläge gegeben und wenn es sein musste auf den Boden der Tatsachen gebracht, als ich mal wieder kurz davor war anzuheben wegen Kleinigkeiten oder einfach nur aus Unwissenheit über das Leben. Uli du warst die Erste, der ich mich getraut habe zu sagen, was ich über meine Sexualität denke und wie ich mich fühle. Du hast mir erst alles erklärt und mir im Grunde die Angst genommen. Andere hätten so einiges nicht gemacht.“ Uli wischte sich ihre Tränen weg und nickte leicht mit dem Kopf.
Diese Unterhaltung löste bei beiden etwas aus. Die eine wurde entspannter, was ihre mögliche Fehlentscheidung betrag und die andere wusste nun, dass sie immer einen Ort und eine Person hatte, die im Grunde auch ihre Familie war. Nicht auf dem Papier oder biologisch aber im Herzen. Es war jedoch nicht die einzige Information und Erkenntnis an dem Tag. Uli riet Jo sich einer Hypnose zu unterziehen. Sie erzählte ihr, dass man so Dinge, die im Unterbewusstsein sind besser wiedergeben könnte. Auch Ereignisse, die unbewusst zu einem Zeitpunkt aufgenommen wurden könnte man so unter Umständen erfahren. Natürlich klappe diese Art von Informationsbeschaffung nur, wenn man selbst komplett bei der Sache ist. Ein Versuch wäre es allerdings wert.
Die Zeit in Berlin war einfach unglaublich toll für Jo, Ricarda und Mike. Es wurde viel gefeiert. Jos Geburtstag, Ihr erfolgreich abgeschlossenes erstes Jahr Ausbildung. Rickys Geburtstag, der einige Wochen zuvor war und natürlich das einfache Beisammensein. Die Woche verflog jedoch schnell, viel zu schnell und die Rückreise musste stattfinden. Es wurde jedoch gegenseitig versprochen, dass man sich bald wieder sehen würde. Sanny sprach sogar von einem eventuellen Umzug und Jo befolgte Ulis Rat und suchte mit ihrer Freundin einen Hypnotiseur auf. Im Großen und Ganzen verlief dieser Besuch so ähnlich wie bei einem Therapeuten. Der Unterscheid war lediglich der, dass man nicht freiwillig über seine Probleme sprach, sondern durch gezielte Fragen unter Beeinflussung redete. Bei Jo dauerte dieses Reden allerdings etwas und klappte auch erst beim 2. Versuch. Der erste fand in Abwesenheit von Ricky statt, die bei der Aktion nicht stören wollte. Der zweite versuch mit ihr. Sie hielt Johanna die ganze Zeit über die Hand und es klappte tatsächlich. Was anschließend folgte, konnte weder Herr Dr. Schilk noch Ricarda mit eigenen Worten wiedergeben. Lediglich das Band, welches jedes einzelne Wort aufzeichnete war der Beweis für Johannas Worte. Als sie nach dem ‚Aufwachen’ nach dem Resultat fragte, erklärte Herr Schilk sehr lange ihr etwas was sie nur mit viel Interpretation verstand. Er verwendete ausschließlich Fachbegriffe und fasste sich sehr umständlich. Kurz und knapp er redeten um den heißen Brei herum. Auch Ricky konnte nur wenig Jo erzählen und verlies das Zimmer für wenige Minuten, weil Dr. Schilk mit Johanna allein reden wollte. Er machte ihr einiges klar indem er ihr das Band vorspielte. Das Wunder, welches in dem Augenblick für Johanna ein Puzzle aus mindestens einer Million Teilen darstellte, setzte sich erst nach dem Besuch langsam aber sicher zusammen.
Daheim spielte Johanna das Band unzählige Male ab um das Gerede Wort für Wort zu verstehen, den Sinn zu finden und es notieren.
„ 3….4…5. Jo du bist jetzt ganz ruhig und Entspannt. Um dich herum ist alles still“ Jo spulte weiter, denn was der Doktor sagte interessierte sie nicht.
„Was siehst du jetzt Johanna?“
„Eine Frau.“ Stille.
„Wer ist es, kennst du sie?“
„Ja. Sie heißt Miriam.“
„In welcher Verbindung stehst du zu ihr?“
„Ich weis es nicht. Es ist dunkel. Jetzt brennt alles. Das Feuer. Überall.“
„Beruhige dich Johanna. Ganz ruhig. Ich zähle nun bis drei und du entspannst dich wieder. Das Bild ist weg und alles ist still.“ Jo schaltete das Diktiergerät ab und schmiss es auf das Bett. Sie wollte es nicht mehr hören. Inzwischen hatte sie alles aufgeschrieben was sie gehört hatte. Das meiste wusste sie bereits aus ihren Träumen und das Feuer spielte dabei eine große Rolle. Doch einige Bruchstücke kamen dazu und ergaben nun ein neues Bild von ihrer „Geschichte“. Johanna war sich nun sehr sicher, dass etwas vorgefallen sein musste, als sie ein Baby war. Dies musste einfach so gewaltig sein, dass es ihr bis heute in Erinnerung blieb. Die Situation spielte sich irgendwo im Freien ab. Bei Nacht. Miriam war wohl eine Verwandte oder sogar vielleicht ihre Mutter. Etwas hatte gebrannt und ist explodiert. Das schreiende Baby war sie selbst, so deutete es zumindest Dr. Schilk. Und Soje war lediglich eine Puppe, die Johanna in ihrem Korb hatte und seit dem Tag nach wie vor aufbewahrte. Wieso Jo sich jedoch nicht daran erinnerte, konnte sie sich nicht erklären. Auch, wenn es nach viel Information klang, wusste Johanna im Grunde nach wie vor nicht genug, um damit selber was anzufangen. Ricarda jedoch war ihr bereits einige Schritte voraus. Sie notierte sich schon bei dem Besuch alle Informationen und reimte sich selbst eine etwas kariöse aber doch mögliche Version des Geschehens. Um ihren Gedanken zu bestätigen oder wieder zu verwerfen, musste sie allerdings einige Informationen beschaffen und dies war gar nicht so einfach wie gedacht. Doch alles ereignete sich zum positiven, denn genau zu der Zeit bekam sie im Krankenhaus die Information, die sie bereits am Anfang des Jahres versuchte herauszufinden. Es war nicht viel. Die Namen hatten keinerlei Ähnlichkeiten mit Johannas Nachnamen aber eins bestätigte Rickys Vermutung bereits jetzt. Es handelte sich um ein älteres Paar. Der Sohn kam vor ca. 18 Jahren ums Leben bei einem Autounfall genauso wie seine Frau und ihr Baby. Jemand anderes würde da keinen Zusammenhang erkenne aber Ricarda war immer schon eine Träumerin und erfand aus einem einzelnen Wort bereits eine große Erzählung. Ob es nun wieder ihre Fantasie war oder ein Funken Wahrheit sich in diesem Gedanken verbarg, wollte Ricky unbedingt herausfinden und suchte erst im Internet nach diesem Unfall und fand zu ihrer Überraschung heraus, dass dieser nicht allzu weit von Johannas ehemaligem Wohnort entfernt war. Nun war es an der Zeit professionelle Hilfe dazu zu fügen.
Da spielte ein Kollege von Jo eine wichtige Rolle. Ab und zu war er bei ihnen in der WG, ging auch mal abends mit den Mädels weg und war allgemein ein sehr netter Bursche. Genau ihn fragte auch Ricky um Hilfe. Dieser lehnte erst dies ab und wollte nichts damit zu tun haben, da die Sache nicht ganz legal war, so erklärte er es zumindest. Ricarda bettelte jedoch solange, bis er endlich klein bei gab nachdem Ricky ihm die Situation grob schilderte. Ricarda bekam ihre Bestätigung einige Wochen später aber bis zu dem Zeitpunkt passierte noch etwas, was Johanna und sie sich schon dachten nur es nicht laut aussprachen. Es ging um Sandra und Nadine und eine besondere Aktion, die Sandra schon seit Monaten plante und unbedingt noch diesen Sommer vollbringen wollte. Dabei wendete sie sich Anfang August jedoch nach all der Geheimnistuerei doch an Ricky und Jo und bat die beidem And endlich um Hilfe.
„Mädels ich komm einfach nicht mehr weiter. Ich plane und versuche alles schön zu machen aber Nadine muss mir immer in die Quere kommen, nachschnüffeln und läst mich nicht in Ruhe. Könnt ihr sie ablenken? Und mir etwas bei manchen Plandetails helfen.?“
„Wenn wir wissen um was es geht, bestimmt.“ antwortete Ricarda.
„Na ja ich bin jetzt seit über drei Jahren mir meiner Süßen zusammen und ich würde gerne den nächsten Schritt machen, da ich mir absolut sicher bin, dass SIE die Frau ist, die ich auch in 40 Jahren an meiner Seite haben will. Kurz gesagt. Ich will ihr ein Antrag machen aber dabei muss ich doch wie immer romantisch und schnulzig sein.“ Ricky und Jo nickten sich gegenseitig zu, denn sie hatten es ja vermutet. Jo übernahm daraufhin die Ablenkung für Nadine und Ricarda bot sich als Hilfe für die Planung. DER Tag war ein ganz bestimmter. Der Jahrestag von den beiden, der Mitte August war. An dem Tag wollte Sandra ihr Vorhaben auch durchziehen. An dem 4. Jahrestag. Rickys Aufgabe erwies sich als eine sehr leichte, den sie gab gern Sandra Tipps und Ratschläge, ging noch mal alles durch und half bei listigen Vereinbarungen mit Nadine, die nur zur Tarnung dienten und selbstverständlich für einen anderen Zweck gedacht waren. Jo dagegen bereute es beinahe schon, denn Nadine belagerte sie stets und versuchte mit Fragereien und Schnüffeleien etwas herauszufinden.
„Wieso deckt ihr alle Sandra. Was hat sie den jetzt angestellt, dass es so geheim von mir verborgen wird. Ehrlich, langsam finde ich es überhaupt nicht mehr toll. Seit Monaten werde ich vernachlässigt, Sandra will mich nirgends dabei haben und macht eine ‚one women show’ so zu sagen und ich bleib immer allein. Jetzt spielt ihr auch noch mit und ich sitz da wie ein dummes Blondchen und weis von nichts.“ Das Wort Blondchen war wirklich auf sie bezogen, denn seit einigen Wochen hatte Nadine zum ersten Mal ihre echte Haarfarbe. Sonst war Johanna es gewöhnt, dass man Nadine mit den verrücktesten Haarfarben antraf. Vor einem Jahr hatte sie noch leichtes Rosa in ihrer Mähne. Später wurde diese um ganze 20 cm kürzer und reichte ihr kaum bis zu den Schultern. Sie kündigte auch öfters mal an den Haarschnitt von Johanna aus zu probieren, doch Sandra protestierte an dem Punkt, denn sie fand Nadine mit Langen Haaren umwerfend schön und diese müsste keineswegs ihre Frisuren ständig verändern um ihr zu gefallen. Doch nun war mal Kreationspause angesagt.
„Was denkst du eigentlich? Schildere mir mal deine Version?“ fragte Jo etwas genervt und schnitt ihren Apfel in kleine Stückchen. Dabei entfernte sie ebenfalls die Stelle mit den Kernen und den Stiel.
„Was ich denke? Also, wenn es etwas Schlimmes wäre, würdest du es mir doch sagen oder?“ Jos Miene änderte sich kein bisschen. Diese kaute genüsslich ihren Apfel und bat Nadine ebenfalls ein Scheibe an, doch sie lehnte ab.
„Also OK. Du schweigst wohl wie ein Grab. Was denke ich den. Lass mich mal überlegen. Sandra trifft sich mit anderen Frauen, das habe ich selbst gesehen, als ich ihr mal gefolgt bin. Darauf angesprochen habe ich sie nicht, da ich viel zu große Angst habe, dass sie mir etwas sagt, was ich nicht verkraften würde. Sie schleppt haufenweise Rosen ins Haus und starrt diese verträumt an. Immer andere immer sehr hübsche Rosen und ich bekomm nie eine. So wie die schaut, so beobachte ich sie manchmal. Verstehst du was ich damit sagen will? Sie ist verträumt, verliebt und denkt an was komplett anderes. Nicht an mich, so denke ich zumindest. Sie hat seit zwei Monaten nie für mich Zeit und das, obwohl sie neulich mich ausgerechnet jetzt darum bat für den August mir die dritte Woche frei zu nehmen, für unseren Jahrestag. Wenn ich jedoch ehrlich bin, habe ich langsam die Schnauze voll und will den Tag nicht mal mehr feiern oder sonst was. Ich will nur meine Sandra für mich allein. So wie früher. Kuscheln bis der Arzt kommt, sich die unwichtigsten Dinge erzählen, die einem im Alltag passieren, miteinander spontane Ausflüge unternehmen….“ An der Stelle verfiel Jo selber in ihre Alltagsgedanken mit Ricarda. Nun kannten sich die beiden bereits über ein Jahr und es war nach wie vor ein Traum mit ihrer Liebsten Tag für Tag aufzuwachen und so wie Nadine es beschrieb diese kleinen Höhenflüge zusammen erleben. Herrlich.
„…Ich will keine Geheimnisse mehr und einfach nur mal wieder hemmungslosen Sex haben, spontan und voller Leidenschaft. Nicht mal das ist der Fall.“ Jo hustete, denn nun hatte sie sich vor Überraschung an ihrem Apfelstück verschluckt und musste dabei immer noch grinsen.
„Ach das findest du wieder lustig was. Pass bloß auf. Notgeile Nadines könne echt gefährlich werden. Die fallen dann auch gern mal über unschuldige Johannas her.“ Scherzte sie, äußerte sich jedoch sehr ernsthaft, wobei ihr das Verkneifen des Lächelns nicht ganz gelungen war.
„Also du notgeile Nadine. Ich kann dich zwar sehr gut verstehen, denn das was du siehst und spürst ergibt durchaus Sinn, jedoch, wieso lässt du Manches nicht geschehen ohne immer alles wissen zu wollen. Manches ist nämlich erst dann schön, wenn es lange genug geheim gehalten wird. Merk dir das.“ Mit den Worten verschwand Jo aus der Küche und bei Nadine verschwand seit dem Tag die Lust auf Spionage. Sie ließ geschehen. Johanna sprach natürlich auch Sandra auf dieses Thema an und berichtete ihr das Erzählte von Nadine mit der Bitte sie solle sich doch mal, vor allem in der sexueller Hinsicht um ihre zukünftige Frau kümmern, da sie und Ricarda es nicht sehr darauf anlegten, dass eine ‚notgeile’ Nadine über Johanna noch tatsächlich irgendwann herfällt.
Dies waren drei Wochen, in den Ricky auf ihre Antwort waren musste aber danach hielt sie endlich ein Blatt in der Hand. Die Antwort auf ihre Frage. Nein, ihre Bestätigung mit der sie sicherlich auch Johanna überzeugen könnte. Es musste nur alles geschickt zusammengefasst werden.
Es war inzwischen Mitte August. Sandra und Nadine genossen die sonnige Karibik, denn dort sollte alles stattfinden. Nicht umsonst hatte Sandra monatelang diesen einen Tag geplant mit professioneller Unterstützung. Das überreden von Johanna war allerdings nicht so ausgegangen, wie Ricky das erwartet hätte. Johanna hörte sich zwar alles genau an, hielt jedoch dies für den reinsten ‚Bullshit’ und wollte auf keinen Fall diesen Hinweisen nachgehen. Dabei hinderte sie sich jedoch selbst daran, dass ihr Wunsch vielleicht ja schon bald in Erfüllung gehen könnte. Erst nachdem Ricarda sich telefonisch mit Uli in Verbindung setzte und ihr die Situation detailliert schilderte und diese dann auf Jo einredete löste es in ihr etwas aus. Sie war bereit. Wenige Tage später ging’s auch schon los. Eine stunde fahrt entfernt in Blankenheim wohnte das ältere Paar. Herr und Frau Brand. Bis zur Letzten Minute fand Johanna die Idee sinnlos und einfach nur dumm. Ricky dagegen munterte sie auf und meinte bloß es wäre ein Versuch wert und wenn dies nicht weiterhelfen würde, dann würde sie Johanna nicht erneut mit so einer fantastischen und unglaublichen Geschichte daherkommen und sie nerven. In Wirklichkeit nervte es Johanna auch kein bisschen. Sie fand es umgekehrt sehr toll und gefühlsvoll von ihrer Freundin, dass diese sich solche Mühe gab und so viel herausgefunden hatte. Es ergab zudem auch noch eine glaubwürdige Geschichte. Eine Junge Familie besucht Bekannte, die weiter weg wohnen, verunglückt jedoch bei einem tragischen Unfall. Das Baby wird jedoch auf mysteriöse Weise gerettet und vor die Tür eines Heims gelegt. Die Wunden würden dann ebenfalls Sinn ergeben. Eine schöne Version, jedoch etwas zu schön um wahr zu sein. dachte sich Johanna und stieg aus dem Auto aus. Ricarda blieb in einer Pension nicht weit entfernt zurück, denn sie wollte nicht selbst dabei sein aber an dem Tag wollten sie auf keinen Fall mehr zurück, egal wie sich alles ergeben würde und somit war ein Zimmer bereits gebucht.
Vorsichtig und unsicher näherte Johanna sich einem nicht zu großen aber auch nicht kleinen Haus. Es machte keinen alten Eindruck, man merkte es jedoch sofort, zumindest jemand, der Gespür für Holz und alles rund um dieses Thema hat, dass es nur von außen erneuert wurde. Vielleicht auch innen aber gebaut wurde es dennoch lange her. Jo blieb vor der großen eisernen massiven Tür stehen. Diese war voller Muster die eingeprägt waren in das Metall. Kupfer. Man sah es deutlich, denn es war an manchen Stellen angelaufen.
Mit einer Schutzglasur wäre das nicht passiert, dachte sie wieder um sich von ihrer Nervosität zu befreien, jedoch erfolglos. Es Klingelte. Nein Johanna hatte geklingelte, ohne es selber zu realisieren hielt sie nun einige Sekunden die Hand auf der Klingel. Eindeutig zu lange, denn im Haus hörte sie eine Frauenstimme die etwas rief. Vor Aufregung verstand Johanna jedoch kein Wort. In ihrem Bauch flogen mindestens ein dutzend Flugzeuge. Es musste sich dabei eindeutig um Düsenjets handeln, die sich im Kriegsgebiet befangen und Raketen abfeuerten. Eine nach der Anderen. Jo fühlte einen Augenblick lang eine ansteigende Übelkeit, denn so nervös war sie noch nie in ihrem Leben. Nicht mal beim ersten Besuch einer Fremden Familie. Aber da war es auch nicht so glaubwürdig und es gab nicht so viele Gründe, die tatsächlich dafür sprachen. Hier schon.
Endlich ging die Tür auf und eine alte Dame stand Johanna gegenüber. Sie sah etwas verärgert aus. Jo dachte sich, es lag wohl an der Klingel beziehungsweise daran, dass sie so lange geklingelt hatte und die alte Frau unnötig dadurch hetzte. Gerade als sie sich vorstellen wollte und ihr die durchaus ungewöhnliche Situation erklären, kam ihr die Frau zuvor.
„Also Jessica das ist wieder mal typisch für dich. Wir hatten doch klar und deutlich 15 Uhr ausgemacht. Nun ist es schon zwanzig vor vier und das Essen ist natürlich kalt und nein ich will es nicht in der Mikrowelle warm machen. Das ist alles nur schädlich und ungesund. Außerdem verliert der Braten seinen Geschmack durch andauerndes wiederaufwärmen. Kind du Muss auch mal endlich das Wort Pünktlichkeit lernen und auch anwenden“ erklärte sie und ging schon voraus. Johanna stand da wie angewurzelt und war sprachlos. Erst dachte sie, die Dame hätte vielleicht ihre Brille nicht an und ohne erkannte sie nichts, aber nein die saß auf der Nase.
Als plötzlich Herr Brand, so nahm es Jo zumindest an auch noch auf sie zu kam und sie fragte wieso sie den hier so rum stehe und starre als hätte sie eine Geist gesehen und dabei wieder der Namen Jessica erwähnte, wurde Johanna komisch sehr komisch und sie glaubte so langsam aber sicher ihr Bewusstsein zu verlieren, weil ihr die Aufregung eindeutig zu Kopf stieg.
***
Wie in Trance betrat sie das Haus und blieb m Flur stehen. Das Paar sah sie etwas verwirrt an und Jo glaubte zu hören, wie sie mit ihr sprachen, doch sie verstand kein einziges Wort. Es kam ihr vor, als würden diese Leute eine andere Sprache reden als sie. Langsam aber aufmerksam schaute sich Johanna um und erblickte ein Regal mit unzähligen kleinen Porzellanfiguren, doch eine Ebene war nur mit Fotos besetzt, die Johanna magisch anzogen. Wieso? Was gab es da so interessanten zu sehen. Sie musste es erfahren und steuerte geradewegs drauf zu. Einige Schritte blieb Johanna davor stehen und starrte mit offenem Mund auf die zahlreichen Fotos, auf denen die Entwicklung von einem Mädchen festgehalten wurde. Die Reihe begann ganz links und erstreckte sich über die gesamte Ebene. Jo’s Blick fixierte ein Foto in der Mitte. Ein kleines Mädchen war darauf zusehen mit langen Zöpfen und einer großen Schultüte. Anschließend folgten mehrere Klassenfotos. Wohl von jedem Jahr eins. Mit jedem Bild wurde das Mädchen größer und wirkte erwachsener. Das letzte Foto zeigte bereits eine erwachsene junge Dame mit einem Pokal in der Hand. Um Sie herum standen weitere Frauen. Ihr Team. Um was es sich genau handelte, wusste Johanna nicht. Vielleicht Handball? Alle lächelten und freuten sich sicherlich über diesen Sieg. Jo schluckte. Sie verstand absolut nichts mehr. Wie konnte das sein? Was war hier überhaupt los? Sie war im Fremden Haus, bei fremden Menschen und in einer fremden Stadt und doch sah sie sich gerade auf all den Fotos. Nein Jo war nicht verrückt auch, wenn sie dies in dem Augenblick glaubte und annahm, dass es wohl nur ein dummer Traum war und sie jeden Augenblick aufwachen würde. Sie schloss ihre Augen, wartete einige Sekunden und starrte wieder konzentriert die Fotos an. Nichts hatte sich verändert, nach wie vor war sie zu sehen, obwohl Johanna nie diese Momente erlebt hatte. Plötzlich sah sie ein Foto ganz links in dem Regal. Darauf war ein junger Mann zu sehen, der eng umschlungen mit einer Frau stand. Die Köpfe an einander gelehnt. Beide lächelten bis über beide Ohren. Vor ihnen stand ein Kinderwagen, mit zwei Babys. Zwei. Beide waren identisch angezogen und sahen sich auch sehr gleich aus von den Gesichtszügen, doch bei so kleinen Kindern ist es so oder so schwer zu unterscheiden, dachte sich Jo und merkte wie übel ihr in dem Augenblick wurde. Sie kannte nicht diese Frau auf dem Foto aber sie wusste genau wer es war.
„Miriam“ flüsterte Johanna leise. Kein Zweifel, sie war es.
Alles drehte sich Plötzlich, denn ihr Gehirn war nicht mehr in der Lage all diese Information zu verarbeiten und eine vernünftige Antwort auf diese Situation zu geben. Johanna sah wie die alte Dame besorgt z ihr sprach, doch Jo hörte nur ein lautes Rauschen und das Bild verschwand langsam vor ihren Augen. Plötzlich ging die Eingangstür auf und eine Person rief laut, sie sei endlich da und entschuldigte sich sogleich für die Verspätung. Jo musste unbedingt diese Person sehen. War es das, was sie befürchtete? Mit letzten Kräften drehte sich Johanna um und blickte in zwei komplett Überraschte Augen. Ihre Augen. Das rauschen verschwand mit einem Mal. Alles war ruhig, während Johanna wie erstarrt die junge Frau im Eingang bemusterte. Nicht lange, denn bereits nach wenigen Sekunden wurde erneut alles verschwommen und Johanna vernahm noch schwach, wie sie zu Boden sank. Dunkelheit. Stille. Angst.
„Oma sie kommt zu sich, komm schnell her. Sie wacht auf.“ Das war das erste, was Jo wieder zu hören bekam, als sie langsam zu sich kam. Sie lag nicht wie erwartete in ihrem Bett oder zumindest auf dem Boden vor dem Regal und die Dame hätte ihr eine Geschichte erzählt, von wegen, Jo wäre gestolpert. Nein sie sah wieder diese Augen, die sie anstarrten.
„Bist du mein Clon?“ fragten die Augen.
„Seit wann können Augen sprechen?“ murmelte Jo ihre Gedanken laut.
„Oh was hast du den heute gekifft Mädchen. Das Zeug will ich auch mal haben.“ entgegneten wieder die Augen aber nun hatte Jo endlich genug Verstand aus den Ecken ihres verstreuten Gehirns beisammen, um auch den Rest dieser Augen wahrzunehmen. Sie hielt sich die Hand an den Kopf, denn es tat am Hinterkopf sehr weh. Kam wohl von dem Sturz.
„Du hast echt eine super Bruchlandung hingelegt. So was hab ich nicht mal geschafft, als ich alles 5-fach gesehen hab. Tja diese Parties halt.“
„Was laberst du für einen scheiß. Oder was für Halluzinationen hab ich, dass ich mich selber andauernd sehe. Ist hier ein Spiegel?“ fragte Johanna und schaute sich im Zimmer um. Es war wohl das Zimmer von den sprechenden Augen, denn es war einfach zu modern, und provokativ für einen älteren Herrn oder die Dame eingerichtet. Außerdem war zu viel schwedischer Möbelgeschmack im Raum, was Jo sofort an Ricarda denken lies. Kunterbunt und doch passend.
„Du wer bist du den nun? Stimmt es dass du Johanna bist?“ fragte die junge Frau, denn nun sah Jo sie sehr gut vor sich sitzen. Nicht nur die Augen.
„Nein ich bin Marko. Sieht man doch.“
„Ach so ist das. Findest du mich den soooooo hübsch, dass du auch genau so wie ich aussehen wolltest?“
„Nein war ein Irrtum. Ich hatte dem Arzt extra gesagt, ich will groß und Blond sein und mit einem kleinen Köter unterm Arm rumlaufen nach der OP. Das kann ich ja jetzt wohl vergessen.“ antwortete Johanna, die sich inzwischen etwas erholt hatte und auf eine unglaubliche Art sich sehr gut mit ihrem „eigenen“ gegenüber verstand. Es kam ihr schon fast vor, als würde sie diese Frau ihr ganzes Leben lag kennen und genau wissen wie sie drauf sein könnte. In dem Augenblick kam die alte Dame herein und schaute die beiden Frauen lange an. Dabei flossen ihr die Tränen über die Wangen, tropften auf den Teppichboden oder blieben an ihrer gestrickten Weste hängen. Manche hinterließen sogar ihre Spur auf der Brille, welche die Dame einige Male mit dem Finger wegwischte, da sie wohl so nichts mehr sah.
Jo war inzwischen irgendwie heiter gestimmt. Vielleicht lag es an dem Sturz aber die Angst und Nervosität waren weg.
„Ich kann es immer noch nicht fassen. Johanna, bis du es?“ Jo nickte bloß, wusste aber gar nicht was sie sonst noch antworten hätte können. Nun betrat auch der Herr das Zimmer und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.
„Na wie fühlst du dich. Brauchst du ein paar Eiswürfel für die Beule?“ fragte er und bewegte dabei seinen Schnurrbart auf eine lustige Weise. Beinahe hätte Jo sogar wegen dieser Kleinigkeit angefangen zu lachen. Allgemein kam sie sich echt komisch vor. Betrunken? Unter Drogen? Hatte sie in den letzten Stunden irgendwelche Medikamente eingenommen, die verdammt realistische Wahnvorstellungen verursachten? War die Mandarine eventuell schlecht, die sie im Auto gegessen hatte? Können Mandarinen überhaupt so was verursachen? In Johannas Kopf ratterten alle möglichen Zellen und versuchten eine vernünftige Antwort zu finden, doch leider vergeblich. Kein Alkohol, Drogen oder schlechtes Essen waren daran schuld. Es war einfach nur die Realität.
„Oma hol doch das Album. Vielleicht sollten wir jetzt mal was sagen, ich glaube sie hält sich für irre und denk, das alles ist nur eine Einbildung.“ Die Frau wendete sich zu Jo.
„Also für dich noch mal zum mitschreiben. Du lebst noch, bist nicht irre und ich denke mal nicht unter Drogen oder so. Oma, also die Silke wird dir gleich alles erklären. Und das da ist der Opa Peter. Ja und ich bin die Jess. Nenn mich ja nicht Jessica. Das mag ich überhaupt nicht. Nur Oma du Opa dürfen es noch laut aussprechen, denn die werden es nie lernen die kürzere Variante anzuwenden.“ erzählte Jess. Sie plapperte einfach so munter vor sich hin und erzählte bereits von irgendwelchen anderen Dingen, die Jo gerade wieder nicht aufnehmen konnte, da sie zu sehr damit beschäftigt war den Opa Peter anzustarren.
„Hey, du hörst mir ja gar nicht zu, du Nuss! Toll da passiert mal so was und ich bekomm ne Schwester und die interessiert sich nicht mal für meine Erzählung.“
„Schwester? Und wie lange war ich eigentlich weg?“
„Ach das erklärt dir Silke gleich. Ähm eine Stunde glaube ich. Weis nicht ich war damit beschäftigt einen, wenigstens einen Unterschied bei uns zu erkennen. OK abgesehen von deinen Narben und meinem Piercing.“ Nun kam wieder Silke mit einem großen Buch und setzte sich zu Jo an die Bettkante. Sie begann ganz langsam an zu erzählen und Johanna hörte aufmerksam zu. Diese Geschichte von Silke wurde mit vielen Fotos begleitet. Eigentlich war es eine Bildergeschichte und Johanna hörte bloß der Stimme zu, die jeweils mit dem Finger auf die jeweiligen Bilder tippte und dazu viel, sehr viel erzählte. Dann wurde sie plötzlich still, räusperte sich und blätterte eine Seite weiter. Hier waren keine Fotos zu sehen nur ein Ausschnitt aus einer Zeitung. Der Titel jagte Johanna einen Schauer über den Rücken. „Junge Familie im Auto verbrannt!“.
Das ist brutal, dachte sich Jo und hörte den Worten der Oma oder ihrer Oma? Sie konnte sich in dem Moment nicht so ganz dafür entscheiden, da alles noch so fremd wirkte und dieser Gedanke nun wirklich nicht in Jo’s Hirn reinpassen wollte, dass sie eine Oma hatte.
„…Das alles ist wirklich sehr schwer für uns nach wie vor und eigentlich reden wir nicht oft über diesen Unfall, weil wir dadurch drei uns so wichtige Menschen verloren hatten aber es war folgendes Passiert. Es war der 23 Juni. Miriam und Sergej, deine Eltern hatten mit euch beiden einen Besuch bei eurer Tante geplant. Sie wollten einige Tage in Berlin blieben und euch endlich mal der Verwandtschaft dort zeigen. Zu der Zeit wart ihr etwas älter als ein Jahr. Leider hatte Jessica jedoch eine schwere Erkältung eingefangen und deshalb wurde entschieden, dass es wohl das Beste sei, wenn sie hier bei uns bleibt als, dass es noch schlimmer wird. So haben deine Eltern nur dich mitgenommen Johanna. Sie waren schon fast angekommen, als dieser grausame Unfall sich ereignete und das Auto von der Straße abkam. Aufgrund des sehr steilen Abhangs wurde das Auto in die Tiefe geschleudert und prallte schließlich gegen einen Baum. Sofort brachen Flammen aus und kurz darauf eine Explosion. Bis Rettungskräfte an Ort und Stelle waren, war es für die Insassenden viel zu spät. Es gab kaum Überreste und es wurde angenommen, dass keiner dieses Unglück überlegt hatte. Außerdem gab es nur eine Zeugin, die einen LKW von der Unglücksstelle wegfahren sah. Sie konnte jedoch weder Nummernschild noch Angaben zu dem Fahrer geben. Es war zu dunkel. Ein möglicher Unfallverursacher wurde leider somit nie gefunden. Beigesetzt wurden alle hier bei uns in der Stadt. Keiner hätte je gedacht, dass es eine Überlende gab. Wir glaubten all die Jahre du wärst ebenfalls im Auto umgekommen. Was war passiert?“ Jo braucht erst einmal einige Minuten um sich zu sammeln. Bis dahin starrte sie bloß in die Leere.
Das Feuer, die Explosion, das Geschrei. Nun ergab alles einen Sinn. Sie verstand nun endlich was diese Bilder zu bedeuten hatten. Johanna hatte nun ihre Antwort auf die unheimlichen Träume. Endlich.
„Ich weis es nicht. Keiner weis es. Ich wurde vor die Tür der Gardseck-Stiftung abgelegt und wuchs da auf. Bin erst vor etwa einem Jahr nach Reinlandpfalz gezogen. Tja ansonsten gibt es nicht all zu viel über mich zu berichten.“ erwiderte Jo zögernd.
„Nicht viel? Du spinnst ja wohl. Ich will wirklich alles von dir wissen von Lieblingsfarbe bis zu deinen Jahren, die du in Berlin verbracht hast. Das ist so spannend. Ich bin 19 und hab seit heute eine Zwillingsschwester.“ jubelte Jess, sprang auf und hüpfte erstmal im Zimmer herum.
„Daran wirst du dich noch gewöhnen, sie war immer schon etwas verrückt gewesen.“ lächelte Peter Jo zu.
„Wer gab dir eigentlich den Namen?“ fragtet nun Silke und berührte währenddessen mit ihrem Finger ein Foto im Album.
„Eine Erzieherin. Aber das war nicht schwer. Auf meiner Kleidung stand Johanna und bei der Decke, in die ich eingewickelt war stand in einer Ecke J. Marks. So entstand daraus mein Name.“
„Oh die Decke. Diese hat meine Mutter gehört. Julia Marks. Sie wurde bis jetzt immer der Tochter weitergegeben in unserer Familie. Bei euch zwei haben wir uns vorher schon für das Zweitgeborene entschieden. Das ist schon fast wie eine Tradition für uns. Hast du sie denn noch?“
„Ja alles was aufhebbar war, wurde behalten und mir später gegeben.“ erwiderte Johanna.
Nach dem Gehüpfe im Zimmer sprang Jessica wieder aufs Bett und fragte Johanna alles Mögliche aus. Unwichtige Dinge, wichtige, interessante und uninteressante. Jo kam es sogar vor, als hätte sie ein kleines Kind vor sich statt einer jungen Dame in ihrem Alter aber das Unglaubliche war, wie sehr sie sich dennoch ähnlich waren, nicht nur äußerlich, sondern auch vom Charakter. Johanna begriff auch erst jetzt, dass sie nicht nur Sehnsucht nach einer, nein ihrer Familie hatte, sondern auch nach ihrem „zweiten Ich“. So erging es auch Jessica, die immer dieses Gefühl auf die fehlenden Eltern schob. Nun aber herrschte bei beiden eine große Zufriedenheit und Glück. Es verging Stunde für Stunde bei dem Gespräch. Natürlich konnten die Frauen nicht alles an diesem einem Abend bereden und sich erzählen aber dafür würden sie noch massenhaft Zeit haben. Als Johanna wieder auf die Uhr sah war es schon fast sieben Uhr abends. Während sie redeten, bereitete Silke ein leckeres Essen vor und rief einige Verwandte an. Einige rief Jess an. Dabei musste es jedoch nur um junge Leute handeln, denn so wie die Gespräche abliefen, hätten Erwachsene eher einen Nervenzusammenbruch erlitten.
„Simone? Du musst sofort zu mir kommen. Das ist lebensnotwendig. Hier ist was soooo schrecklich Unglaubliches passiert, das wirst du mir nie am Telefon glauben. Ähm, nein sofort klappt’s doch nicht aber so gegen halb neun? Ja geht klar. Ja wer kommt noch, die ganze Verwandtschaft. Weil es wichtig ist, ich sag ja Unglaublich schrecklich, verrückt…einfach nur wow. Also bis dann, bye.“ Das war eines der harmlosesten Telefonate von Jess. In den paar Stunden konnte Jo sich bereits ein kleines Bild von ihrer „Kopie“ machen. Jessica war eine sehr lockere, ausgeflippte Persönlichkeit, wobei dies bestimmt nur an der ausgeflippten Situation lag. Oder war sie etwa immer so drauf?
„Los Jo. Das darf ich doch sagen zu dir oder? Wir müssen los. Oma brauch noch schnell was aus dem Supermarkt.“
„Klar darfst du mich Jo nennen, macht ja so oder so jeder.“ Beide gingen runter in die Küche, wo Silke bereits mit einer Liste auf sie wartete. Während sie noch die letzten Dinge dazufügte, fragte Peter endlich, ob Jo ganz allein hier wäre und da machte es Klick.
„Ricky!“, rief sie. Alle schauten sie an mit verwirrten Blicken.
„Ja auf mich wartet meine, ich mein eine Freundin von mir. Sie ist hier nicht weit weg in einer Pension.“ Jo schaute auf ihr Handy. 6 Anrufe in Abwesenheit und eine Sms.
„Die macht sich bestimmt höllische Sorgen.“ murmelte sie vor sich hin, während Peter mit dem Kopf schüttelte.
„Da war ich mal für einige Stunden fest davon überzeugt wenigstens eine meine Enkeltöchter würde mich noch mit ihren eigenen Kindern glücklich machen, denn was den Beruf betrifft ist das eine Freude für sich selbst aber nein Beide aus dem gleichen Holz geschnitzt. Silke, liegt wohl doch an den Genen, oder was denkst du darüber?“ fragte er mit einem Grinsen auf dem Schnurbart, da man seine Lippen so gut wie kaum sehen konnte. Jo verstand es zu dem Zeitpunkt nicht so ganz, was der Opa damit meinte.
„Opa es muss heutzutage nicht unbedingt ein Mann sein. Entwicklung in der Medizin und Forschung machen alles möglich!“ Mit den Worten packte Jess Johanna am Ärmel und schleppte sie mit nach draußen.
„Komm schon, der Laden schließt doch bald“ rief sie und wollte bereits in die Richtung des Supermarkts gehen, als Johanna stehen blieb und auf Rickys Auto zeigte.
„Du hast ein Auto? Krass. Wie viel verdient man noch mal bei der Polizei. Vielleicht sollte ich es auch ausprobieren, denn geistig müssten wir doch eigentlich auf dem gleichen stand sein?“ fragte Jess und begutachtete den Wagen einen Augenblick lang.
„Oh das bezweifle ich sehr, bezüglich des Verstandes und nein ist nicht meiner. Gehört Ricarda.“
„Also das werden wir noch herausfinden, wer klüger ist. Ich zumindest bin um 3 Minuten älter als du.“ Dabei streckte Jess die Zunge aus und schnallte sich anschließend an.
„Nebenbei wer ist Ricky?“ Johanna zögerte eine Weile, den wusste sie nicht so ganz, ob dies der richtige Zeitpunkt war sich vor der neu gewonnenen Schwester zu outen auch, wenn Peter wohl etwas in die Richtung erwähnt hatte.
„Ricarda ist meine Freundin. So wie bei andere Mädchen üblicherweise ein Freund an der Stelle ist.“, antwortete sie sehr gelassen, denn, wenn dies jetzt nicht akzeptiert wird, dann wohl nie und somit, würde Jo auch sofort wissen wo ihre familiären Grenzen wären.
„Du bist also lesbisch?“
„Ja“
„Cool, ich auch.“ erwiderte Jess ganz locker und sah dabei nur auf die Straße, doch bereits nach wenigen Sekunden zog sie der Blick zu ihrem Zwilling, der sie ebenso mit einem Lächeln ansah.
„Jess ich glaube wir werden uns echt gut verstehen.“ verkündete Jo und schaltete das Radio ein.
Im Laden, besorgten beide die nötigen Produkte. Dabei teilten sich die Geschwister auf und jede bekam ein Teil der Liste, die auseinander gerissen wurde. Jo schlenderte durch die Regale auf der Suche nach einer Dose Erbsen, als eine junge Frau plötzlich vor ihr stand und die Armen an den Hüften anstützte.
„Hast du nicht gesagt, dass du sehr beschäftigt wärst heute und absolut keine Zeit mehr findest, um dich mit mir erneut zu treffen?“ fragte sie mit etwas gekränkter Stimme.
„Wer bist du den? Kennen wir uns?“
„Willst du mich jetzt verarschen Jess? Sag mal, was ist den los mit dir? Ich schütt dir mein Herz aus und du rennst einfach weg. Ich renn hinter dir her, du stößt mich immer wieder weg, dann tauchst du wieder bei mir auf und wir verbringen ein unglaublich schönes Wochenende zusammen und dann lässt du wieder nichts von dir hören und weichst mir aus. Jetzt findest du es auch noch wohl komisch und lustig mich anzulügen und dann mit so einer miesen Ausrede daherkommen.“
„Du verwechselst mich da aber mit jemand. Ich bin nicht Jess.“
„Das reicht mir endgültig. Wirklich. Du hast kein bock auf mich? OK. Versteh ich schon. So was wie dich hab ich wohl auch gar nicht verdient, was. Du bist genau wie all die anderen auch und für mich bloß ein weiteres abgeschlossenes Kapitel einer No Happy End Story.“
„Warte doch ich bin echt nicht Jess, sie ist hier irgendwo.“ verteidigte sich Johanna und rief einmal ganz laut nach Jessica. Dabei verwendete sie extra die lange Form, damit diese auch rasch bei dem Regal ankam.
„Du musst nicht brüllen wie ein Gorilla. Ich bin gleich hier drüben.“ bekam sie als Antwort und plötzlich tauchte Jess im Durchgang, sodass die junge fremde Frau zwischen den zwei eingeschlossen war.
„Was geht hier vor. Seit wann. Wie. Was zum Teufel wird hier gespielt?“ fragte sie und drehte sie hin und her um beide im Blick zu behalten.
„Wieso hast du mir nie gesagt, dass du eine Schwester hast und, dass auch noch Zwilling? Sie ist doch tot, das du mal erwähnt, oder nicht?“ Schweigen.
„Nein warte mal. Ihr habt nicht das gemacht was ich gerade vermute oder? Ihr..“ die Frau stotterte und war nun total verunsichert. Jo hatte jedoch schon längst begriffen was sie damit versuchte zu fragen.
„Wir kennen uns seit etwa 5 stunden und in der Zeit haben wir nichts angestellt.“
„5 Stunden? Wie ist das möglich? Ich bin grad echt total verwirrt. Wer von euch ist den nun eigentlich Jess?“ Jessica hob ihre freie Hand hoch und schaute dabei schnell auf die Uhr.
„Kommt wir müssen uns beeilen. Das erklären wir dir alles später. Komm einfach mit.“ Schnell wurden die restlichen Sachen gesucht und gefunden. Nach dem Einkauf fuhren alle drei zur Pension, denn Silke und Peter bestanden drauf, dass Ricarda auf jeden Fall bei ihnen zusammen mit Johanna diese Nacht verbringen sollte. Zimmer gab es genug, somit herrschte es nicht an Platzmangel.
Die Verwirrung bei Mandy, Jess Freundin oder so was in der Art, brachte die beiden Zwillinge auf eine, aus ihrer Sicht lustige Idee. Beide stiegen aus dem Wagen und Jess klopfte an die Zimmertür von Ricarda. Sie Öffnete und viel sofort der Fremden um den Hals ohne es zu ahnen.
„Ach Baby. Wieso hat es den so lange gedauert und was ist den passiert, ich konnte dich nicht erreichen und habe mir….“ Erst jetzt erblickte sie Jo, die neben der Tür an die Wand angelehnt stand und schrie vor Schreck kurz auf. Genau wie Mandy starrte auch sie die beiden im Grunde identischen Frauen an und verstand nur Bahnhof. Erst als Jo endlich zu ihr kam und ihr eine Kuss gab, realisierte es Ricarda und stellte natürlich unzählige Fragen nacheinander und das in einem Tempo, welches Johanna nicht mehr akustisch wahrnehmen konnte.
„Erklärungen gibt es später. Pack alle Sachen und komm mit. Die anderen warten schon alle. Das ist übrigens Jess, die du da gerade abgeknutscht hast.“ Anschließend sah sie zu ihrer Schwester die grinsend dastand.
„Das ist nicht witzig. Ich habe mich echt wahnsinnig erschrocken. Erst dachte ich ein Irrer würde da stehen und gleich über uns herfallen aber dann. Ich weis nicht. Das alles ist grad echt zu viel für mich.“ erklärte Ricky und packte schnell ihre Sachen wieder ein, wobei es auch gar nicht so viele waren, lediglich ein Rücksack für sie und einer für Johanna. Auf dem Weg zum Haus erzählte Ricarda von Sandras Anruf, den sie vor einigen Stunden mit ihr geführt hatte. Alles war wie geplant verlaufen und Nadine war überglücklich, was Ricky auch beim telefonieren mitbekommen hatte, da diese im Hintergrund Jubelschreie verbreitete, die jedoch fast einem amazonischen Jagtsignal ähneln könnten.
Wieder bei dem Haus angekommen, halfen alle den rest fertig herzurichten und klärten die sprachlose Mandy und Ricarda zu ende auf. Dabei wechselten die Zwillinge sich jeweils ab beim erzählen, unterbrachen jedoch einander, gingen spielerisch aufeinander los und zerfusselten sich gegenseitig die kurzen Haare.
„Also wir haben definitiv Kleinkinder als Freundinnen“ sagte Ricky und lächelte die beiden „Kleinkinder“ an.
„Jess ist nicht meine Freundin. Leider. Ich weis überhaupt nicht was mit uns los ist oder was nicht.“ antwortete Mandy und seufzte, denn an dieser Stelle wünschte sie sich sehr, dass sie genauso glücklich wie Ricarda wäre und mit der Frau, die sie begehrte zusammenkommen könnte.
„Jess?“
„Wasn los Jo?
„Bei mir ist nichts los aber was geht zwischen Mandy und dir ab?“
„Das ist eine Sache nur zwischen mir und ihr.“
„So so. Die Frau ist wohl echt total verrückt nach dir. Mich wundert’s schon etwas, wieso es anscheinend dich kalt lässt. Sie ist doch echt heiß.“
„Sie lässt mich auch nicht kalt aber es ist…..schwer.“ Jess überlegte einige Sekunden. Suchte womöglich nach den passenden Worten um es besser klingen zu lassen.
„Ich habe erst vor einem halben Jahr meine Freundin verloren und daran bin nur ich schuld. Ich will einfach niemand mehr wehtun. Ich will nicht wieder in ein Tief fallen und mir ständig die Schuld geben. Ich hab es erst vor kurzen teilweise verdauert und habe einfach angst, denn Mandy sieht ihr ähnlich aus und hat einen ähnlichen Charakter wie die Frau, die sich nur meinetwegen das Leben genommen hatte. Verstehst du, ich verkrafte kein zweites Mal.“ Jo schluckte. Das kam ihr so bekannt vor dieses Gefühl und die Angst. Sie konnte Jess sehr gut erstehen, denn solche Tiefs und Situationen, in denen sie sich ähnlich füllte, hatte Johanna sehr oft in ihrem Leben erlebt. Keinesfalls vergleichbar mit dieser, aber einige Parallelen gab es auf jeden Fall.
„Rede mit ihr. Erkläre es ihr. Worte und Kommunikation sind verdammt wichtig in einer Beziehung oder Freundschaft. Reden ist immer wichtig.“ Jess schwieg. Ihr fiel es offensichtlich sehr schwer über das Thema zu reden. Verständlich.
An diesem Abend versammelten sich etwa 15 Verwandte in dem Haus und feierten die Wiederkehrt der verstorben geglaubten Enkelin. Jo lernte alle kennen, konnte sich jedoch im Laufe des Abends nur schwer die Namen merken und wer alles was nun für sie war. Onkel?, Tante? Cousine welchen Grades? Doch dies hatte Zeit. Viel Zeit. Johanna hatte nun endlich das gefunden, was sie sich so lange schon gewünscht hatte. Eine Familie. Ihr Wunsch wurde ihr doch noch erfüllt.
Als fast alle sich schon verabschiedet hatten und es bereits nach Mitternacht war, hörte Jo, wie Jessica mit Mandy sprach. Sie verstand sofort um was es ging. Sie hatte ihren Ratschlag befolg. Dies machte Johanna umso glücklicher, denn gleich am ersten Tag und schon so eine tolle Atmosphäre und Verständnis untereinander. Herrlich. Dabei empfand Jo nicht mal ein komisches Gefühl der Unsicherheit oder den Eindruck, hier wäre alles fremd. Im Gegenteil, sie füllte sie wie daheim. Nein es was ihr Heim. Ein echtes Zuhause mit Angehörigen, die sie liebten und die Freude durch Umarmungen und Tränen an diesem Abend zum Ausdruck brachten. Vor allem Silke und Peter waren sehr glücklich und ließen Jo kaum aus den Armen den ganzen Abend lang.
Die Nacht verbrachten Johanna und Ricarda im Gästezimmer, denn Morgen warteten auf beide und vor allem auf Johanna ein neuer spannender Tag mit all denn tollen neuen Dingen, die sie nun erleben würde mit ihrer neune Familie.
„Schatz ich danke dir über alles, was du für mich getan hast. Das ist das schönste was mir je passiert ist, nach dir natürlich. Ich bin so überglücklich und froh dich zu haben. Du hast es durchgezogen und hast nicht aufgegeben, wie ich das tat. Danke.“ sagte Johanna, als die beiden bereits im Bett lagen. Mandy blieb ebenfalls nach dem Gespräch im Haus. Jo war sehr davon überzeugt, dass dies ein gutes Zeichen war.
„Du musst mir nicht danken, denn ich hab es so gern für dich getan. Dich heute so strahlen zu sehen war einfach ein wunderschöner Anblick, den ich wohl nie wieder vergessen werde. Jess und du. Ihr versteht euch jetzt schon so gut. Das ist wunderbar, finde ich.“
„Ja das ist es in der Tat. Wer hätte das gedacht. Mein Glück befand sich die ganze Zeit 600 km von mir entfernt. Gar nicht mal so weit weg.“ lächelte Jo, drehte sich zu Ricarda um und küsste sie zärtlich.
„Was hast du eigentlich morgen vor?“, fragte sie zwischendurch.
„Als Erstes werde ich meine Eltern besuchen und dann..“ Jo machte eine kurze Pause und küsste Ricky erneut.
„Ach es gibt viel was ich machen will und unbedingt nachholen muss. Viel. Sehr viel.“
ENDE
(Juni 2009)
Texte: AJ Fox
Bildmaterialien: AJ Fox
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2010
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