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Seit seiner Geburt, in den frühen Dezembertagen, träumte der Schneemann Ernesto davon, nur einmal das große weite Meer zu sehen. Eines Nachts, als alle Lichter ausgegangen waren und die Menschen schliefen, machte Ernesto sich auf den Weg. Vorsichtig kletterte der dicke Schneemann über den Gartenzaun und lief im Schein der Neonlichter die Straße entlang. Aber da der Schneemann bisher nie seinen Garten verlassen hatte, wusste er natürlich nicht wie er überhaupt zum Meer gelangen konnte. So irrte der arme Schneemann ganz alleine im Wald umher, bis er völlig erschöpft an einer großen Eiche niedersank und tief und fest einschlief. Ernesto träumte wieder einmal davon am Meer zu sein. Und dabei wurde ihm wohlig warm um sein großes Schneemannherz.
Als die ersten Sonnenstrahlen den Wintermorgen bestrahlten, schlichen sich zwei kleine, rote Eichhörnchen an den schlafenden Schneemann heran. Das eine zwickte Ernesto in die Seite, doch dieser war so erschöpft und so in seinen Traum versunken das er sich nicht regte. Da wurden die kleinen Nager mutig und kletterten auf den dicken Bauch des Schneemanns. Dort machten sie sich an den Walnussknöpfen seiner Schneejacke zu schaffen. Eine Nuss nach der anderen fiel neben Ernesto auf den Boden. Mit einem Sprung standen die Eichhörnchen neben den Nüssen und ruckzuck hatten sie sie geknackt und verputzt. Aber da der Schneemann sich immer noch nicht bewegt hatte, wurden sie noch dreister. Eines kletterte auf Ernestos Schulter und biss ihm in die dicke Mohrrübe, die die Menschenkinder ihm als Nase angesteckt hatten. Da schrie der Schneemann laut auf und die Eichhörnchen versteckten sich völlig verängstigt hinter der Eiche. Ernesto hatte sie nicht gesehen. Er schaute sich hektisch in alle Richtungen um, konnte aber niemanden sehen. Da hatte die große, stolze Eiche Mitleid mit dem verwirrten Schneemann und schob die Eichhörnchen mit einem ihrer Äste hinter dem Stamm hervor. Zitternd standen die beiden Nager engumschlungen vor dem, für sie riesigen Schneemann. Dieser beugte sich zu ihnen hinunter: „Hey, was habt ihr mit mir gemacht? Schaut euch meine Nase an!" Er zeigte auf die angeknabberte Mohrrübe. "Und meine Knöpfe habt ihr auch geklaut!" "Wer bist denn du?" fragte das eine Eichhörnchen verschüchtert.
"Ich bin der Schneemann Ernesto und ich bin auf dem Weg zum Meer!"
Da lachten die Beiden und kullerten über den schneebedeckten Waldboden: „Zum Meer, zum Meer, der Schneemann will zum Meer! HaHaHa!" Sie lachten und spotteten über den armen Ernesto. „Könnt ihr mir denn nicht sagen wie ich zum Meer komme?“
„Hahaha, wir sind doch nur zwei Eichhörnchen die in diesem Wald hier leben, wir möchten auch nicht irgendwo anders hin!“ Traurig wendete er sich ab und ging enttäuscht weiter seinen Weg. Als er so, mit hängendem Kopf, eine Weile gewandert war, das Lachen der Eichhörnchen war schon lange verhallt, hörte er auf einmal eine Stimme: „Hallo Schneemann, warum siehst du denn so traurig aus?"
Er schaute erschrocken hoch und erblickte eine alte, große Eule auf einem Baum vor ihm.
"Ach, liebe Eule, ich bin ein dummer, kleiner Schneemann. Ich habe meinen Garten verlassen, weil ich das große Meer sehen wollte und nun weiß ich nicht mal in welche Richtung ich laufen muss."
"Ich weiß von deinem Problem, deshalb haben wir dich gesucht! Deine beiden kleinen Freunde da drüben haben mir von dir erzählt!“ Ernesto blickte in die Richtung in die die Eule wies und da blickten hinter einem Baum die beiden Eichhörnchen hervor! Sie winkten ihm zu und riefen: „Viel Glück auf deiner Reise, Ernesto. Wir hoffen du wirst das Meer finden!“ Dann drehten sie sich um und sprangen davon. „Ach, Schneemann,“ sagte die weise Eule „nur wer sich selber aufgibt, wird niemals seine Träume verwirklichen können! Du weißt nicht wohin du laufen musst? Nun da gibt es einen kleinen Trick. Siehst du den kleinen Bach da vorne?"
Natürlich sah Ernesto den Bach, aber er wollte zum Meer und nicht bloß an einen einfachen kleinen Bach.
"Nun pass gut auf, Schneemann, jeder Bach fließt in einen größeren Bach und dieser wiederum in einen Fluss. Und alle Flüsse fließen irgendwann ins Meer! Also brauchst du nur der Strömung des Baches zu folgen. Sein Fluss wird dich dann zum Meer führen!"
Das leuchtete Ernesto natürlich auch ein und so folgte er mit neuem Mut dem kleinen Bach. Nun war er sich wieder sicher das er das Meer sehen würde.
Einige Tage später gelangte er an einen Fluss und am Ufer sah er ein kleines Floß liegen. Da er von der langen Wanderschaft müde war, entschloss er sich seine Reise mit dem Floß fortzusetzen. Vorsichtig ließ er das Floß zu Wasser und setzte sich darauf, dann stieß er sich mit einem kräftigen Ruck vom Ufer ab und ließ sich von der sanften Strömung seinem Ziel entgegen treiben. Er kam an kleinen Wäldern vorbei und alle Tiere schauten ihm staunend hinterher. Einige liefen am Ufer ein Stück mit, doch sie konnten ihm nicht lange folgen. Dann trieb er an Dörfern vorbei und hörte wie die Kinder erstaunt riefen: „Schau mal, Mama, da ist ein Schneemann auf dem Fluss!" Ja so etwas hatte man noch nie gesehen, ein dicker Schneemann saß auf einem Floß und trieb auf dem Fluss entlang.
Ernesto trieb wochenlang auf dem Fluss dahin, aber seine Fahrt wurde nie langweilig. Ständig bekam er etwas neues zu sehen.
Und dann war der große Tag endlich da! Vor ihm wurde der Fluss breiter und immer breiter. Und als er das Ufer erreichte, blickte er auf einen endlosen weißen Sandstrand. Und dahinter kam Wasser, nichts als Wasser und Wellen. Ernesto konnte es kaum glauben.
„Da...Da... Das Me...Me..Meer!" stotterte er. Dann wurde ihm klar das er sein Ziel tatsächlich erreicht hatte. Er rannte den Strand hinunter und legte zwischendurch mehrere kleine Tänzchen auf den Sand hin. Die Sonne spiegelte sich auf den Wellen und Ernesto begann zu schwitzen, auch das war für ihn neu, geschwitzt hatte er noch nie.
"Ich wünschte die beiden Eichhörnchen würden mich jetzt sehen, nun würden sie mich nicht mehr auslachen. Und die alte Eule, ohne ihre Weisheit hätte ich mir diesen Traum niemals erfüllen können!"
Es wurde langsam Frühling und der Schneemann fing an zu schmelzen, aber er war glücklich wie nie zuvor, da er am Meer war und mit dem salzigen Wasser verschmelzte. Nun konnte Ernesto im großen Meer schwimmen.
Und noch heute, wenn man im Meer schwimmt, kommt es vor das eine Stelle kälter ist als andere und dann kannst du dir sicher sein das es Ernesto, der Schneemann, ist, der da um deine Beine schwimmt.

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Tag der Veröffentlichung: 22.10.2009

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