Cover

Jetzt

Und du hast mit ihm
den Boden bearbeitet

und als ihr die Steine berührtet
nahmt ihr sie
Stein für Stein

und legtet sie am Feldrand zusammen

Das Feld bestelltet ihr
Jahr für Jahr

Doch dann
wurde die Ernte geringer
und die Halme standen
mit leeren Ähren im Wind

Jetzt
nimmst du die Steine
und wirfst sie nach ihm

Du schreist ihn an:
Bewege dich doch!
Ich bewege mich doch auch!
Tu was!
Ich arbeite doch auch!
Sieh!
Schau hin, so wie ich!
Ich wachse doch!
Aber du ....

Dann weinst du
aber nur
für dich


(12.12.2006)

Träume

 

 

 

Träten die Jäger
aus dem Schatten heraus
wären sie für längere Zeit
geblendet vom gleißenden Sonnenlicht
Träten sie doch heraus
wir hätten noch etwas Zeit 

Vasa

 

 

 

Da gab es einen König
der ließ ein Schiff bauen
schön
und
groß

schöner und größer als

und dieses Schiff
auf der Jungfernfahrt
es sank
noch im Hafen

dreißig Tote
nur
fünfzehn Gerippe
wurden bei der Bergung
Jahrhunderte später
gefunden

Gehsse mit?

 

 

„Gehsse mit?“
Dieter stieß mich an.
„Gehsse gezz mit?“

„Ey, wohin denn?“
ließ ich mich verleiten.

Er lachte keckernd.
„Na, gehsse mit kaputt?“
Er schüttelte sich vor lauter Freude über diesen uralten Witz.

„Arschloch“,
war meine einzige Antwort. Vor Rudis Bude knallte ich meine Flasche gegen seine.
„Prost. Und hör auf mit dem Scheiß.“

Drei Wochen später ist er von der Brücke gesprungen. Alleine.

Es war der Habicht

 

 

 

... und es war der Habicht
dem die Krähe folgte ....

unerbittlich

jeder Bewegung folgend
bis ihn die Dunkelheit

erlöste ...

Schnecken

 

 

 

Schleimig
die Spur
deiner Worte
in wilden Mustern
auf Stein geklebt.

Salz
gestreut
auf deinen weiteren Weg
und
Alles Gute

Schweine

 

 

 

Wilde Schweine
brechen des nachts
aus dem Gehölz heraus
in Weinberge ein

Geiles Geschmatze
zwischen den Rebstöcken
wühlt tief
den Boden auf

Am Morgen
säumen zerrissene Trauben
den Weg zurück
ins Unterholz

Arbeiterlyrik I

 

Im Bergwerk auf der 5. Sohle
im trüben Licht vor schwarzer Kohle
da schaffte Gustav, unser Hauer
wurd' Tag für Tag ein wenig grauer.
Und saß er mittags beim Gezähe
dann taten ihm die Knochen wehe.
Und auch der Staub in seiner Lunge
der ließ die rasseln, Junge, Junge.
"In ein paar Jährchen," sagt' er sich,
"geh ich in Rente sicherlich."

Nun, das sei hier von mir gesagt
weil man bestimmt gleich danach fragt:
In Rente ging Karl Gustav nicht
weil ausblies ihm sein Lebenslicht
ein dicker Brocken fetter Kohle
im Bergwerk auf der 5. Sohle

Arbeiterlyrik II

 

 

 

Mutterklötzkes kleinhacken
muß ich oben noch

für meine kleine Else
zuhause für Feueranmachen

war der letzte Gedanke
von Gustav Guhse

als ihn die Schremmaschine
links an der Seite packte

seine Else konnte dann erstmal
kein Feuer mehr anmachen

Arbeiterlyrik III

 

 

 

Wenn der Steiger kommt
freut sich die Mutter
Nur sollte er zuvor
sein Arschleder
ausziehen

Arbeiterlyrik IV

 

 

 

Vorhölle

Staub in der Lunge
Staub in den Augen
Staub im Mund
ständiger Lärm
Dunkelheit
VorOrt eben
wie in der Hölle
na,
ist ja auch nahe dran

Arbeiterlyrik V

 

 

 

Drama aus der Arbeitswelt

Putzfrau Nolte
jung an Jahren
doch mit leicht ergrauten Haaren
zog mit ihrem Wischi-Mob
dem Polizisten Oberschulte
mit voller Kraft 'nen saub'ren Scheitel

Der Polizist, Herr Oberschulte
mit dickem Bauch und ziemlich eitel
griff sich die resolute Dame
und sperrte uns're Putzfrau Nolte
in eine kleine Zelle
zum Fegen ....

Normandie

 

 

 

Normandie

Eiserne Zunge
zermalmt jedes Wort
das mit stampfender Stimme
der rauen Kehle entweicht

Aus dem Mund
aufsteigender Rauch
verflüchtigt sich nicht
im dampfenden Morgengrauen

wenn das Gewitter entweicht
aus schwieligen Händen
in schäumenden Regen

der durch rissige Haut
auf schwarze Knochen hämmert 

Verbranntes Land

 

Ver
lockend
die Stimme
jenseits der Grenze
Bildhaft
die Sprache
Und in den glänzenden Augen
spiegelt sich
das im Diesseits
Zerstörte

Hinter dem Schlagbaum
jedoch

Niemandes Land
mit Blumen aus vergilbtem Papier
und der Aufschrift

Wir duften

Sommerabend

 

 

 

Gewittertierchen
reißen pfade
in dünne haut

Der blitz
in der ferne
atemloses warten

auf den donner

der nicht kommt

matt

 Ich lebe allein.
Habe keinen Hund.
Keine Katze.
Kein sonstiges Tier.

Auf einem Wohnzimmertisch
habe ich ein Schachspiel stehen.
Jeden Abend spiele ich
auf dem Brett eine Partie
gegen mich
selbst.

In der Regel
breche ich
kurz vor dem Endspiel ab,
gehe ins Bett.

Morgens
führt mich meine erster Weg
nach der Toilette
und der Körperpflege
zu dem Brett.

Und jeden Morgen
sehe ich mich dort
Matt gesetzt.

Wie ich schon sagte:
Ich lebe allein.
Habe keinen Hund.
Keine Katze.
Kein sonstiges Tier.

scheu

 

 

 

Scheue Vögel
die ihre Sonne
mit unserem Leichnam füttern

haben Angst

vor der Zukunft

unserer Unsterblichkeit

die ihre Sonne
nie erkalten läßt

unerwartet

 

 

Er kam
zu uns
unerwartet

Seinen Pappkoffer
hielt er
vor seine Brust gedrückt

Als die Morgennebel
uns die Sicht nahmen
öffnete er den Koffer

schaufelte geduldig
die grauen Schwaden hinein
und lächelte

mehr

 

 

 

 

Beim Strandlauf
Möwengelächter
über mir
in den Nebeln

zukunft

 

 

Mit dem Entfernen
voneinander
wird Wut
weicher
weicht
der Enttäuschung

Die Täuschung
verliert ihre Macht
hinterlässt
einen bitteren Geschmack

Auf dem weiteren Weg
finden sich Beeren
die zuvor
unsichtbar
waren 

Verlust

 

 

 

 

Verlust

Am Morgen
das Vermissen
der schlagenden Amsel

Zwei Amseln

 

Zwei Amseln

Ich bot ihnen an
in meinem Zimmer
ein Nest zu bauen

Durch die Gitterstäbe
kamen sie
schauten sich um
ließen sich nieder
für kurze Zeit

und fanden

es ist nicht gut
genug
für unsere Brut

dein Zimmer

beschränkt

 

 

 

Beschränke
deine Worte
auf die Oberfläche
poliere sie
sie muss spiegeln
lass nicht zu
dass jemand
durch sie
hindurch
schaut

Farben fühlen

 

Es sind
die Farben
der Blätter
in der Sonne

Es sind
die kahl werdenden Äste
die in den Himmel ragen

Es ist
das Rascheln unter den Füßen

Und auch
der Nebel
am Morgen
am Abend

auf der Haut

terra firma

 

 

 

terra firma

Aus dem Dunkel heraus
das Niemandsland

übersprungen

erst nach Tagen
auf festem Boden

gelandet

stiller Kampf

 

Zwei Menschen stehen sich gegenüber.
Vor dem Bahnhof einer kleinen Stadt.

Sie reden miteinander.
Distanz zwischen ihnen.
Nicht wenig - nicht viel.
Einige verkrampfte Gesten.

Sie lassen sich nicht los mit den Augen.
Werden nicht laut.
Ich sehe einem Kampf zu.
Sie werden still.

Ihre Schatten.
Sie kreuzen sich.
Fressen sich auf.
Gegenseitig.

bedeutungsvoll

 Vor mir liegt
ein leichtes Blatt

Papier

Holzfrei
Säurefrei

In der Hand
halte ich

einen Bleistift

Hielten sie doch
das Graphit für Bleierz

und gaben
dem Papier

Gewicht

komisch

 

Es war
die Zeit

der Clowns

Wir lachten
über sie

die Clowns

Sie ist
vorüber

die Zeit

Im Havelka am Sonntag



Beim Eintritt beschlägt die Brille
wir schieben uns an besetzten Tischen vorbei
finden einen freien
mit Sofa und Stuhl

Wer hat auf dem Sofa
schon gesessen?

Die Melange wird bestellt,
die Empfehlung - Apfelstrudel
ist aus
sagt der Kellner (heißt er auch Fritz?)
es gäbe nur noch
Sacher.

Oh nein.

Flott ist er
freundlich
bringt die Melange (der - die??)
mit Milchschaum
nicht wie am Vortag
in der Neustadt
mit Sahne (schüttel)

 

 

 

Und würzig ist er
der Kaffee
in der Melange

Korrektur vom Kellner
Sacher war auch schon aus
aber Topfenstrudel
den gäbe es noch.

Gut ist er
der Topfenstrudel

Immer wieder neue Gäste
Stühle haben keine Zeit
kalt zu werden

An der Wand
Plakate
Fotos
der Herr Hawelka
der Herr Fritz
Gäste

und es stellt sich in dieser Atmosphäre
nicht die Frage

ob hier mal renoviert werden sollte .....

Dorfkirmes (I)



Einhändiges Rückwärtsfahren
ein Arm über der Rücklehne
allein im Autoscooter
es riecht - elektrisch

Am Rand die Mädels
lässig eine Zigarette in der Hand
Mit dem Fuß wippend
zu Mendocino

Von oben regnet es Funken...

Dorfkirmes (II)




Die Schießbude

billiges Zeug an der Wand
Tonröhrchen darunter
Rosen, Nelken,
Kuscheltiere als Sonderpreise
die Gewehre wechselten wir immer wieder
die waren bewusst krumm und schief gemacht
damit man nichts trifft
denn wir
wir waren ja
M e i s t e r s c h ü t z e n
nach jedem Schuss den Karabiner laden
sollte wirken wie „das mache ich nachts im Schlaf“
das Schussgeräusch irgendwie
das Zerplatzen der Röhrchen
ja – kirmeshaft
und dann
manchmal
war niemand da
dem wir die Rose …. 

Irrende Herren

 

Über mir
die Ballonhülle
gefüllt mit Helium
wie man mir wissend sagt

denn
früher
ohne Helium
es sei sehr gefährlich gewesen
ich hätte bestimmt davon gehört
es gäbe Bücher, Filme

Was nun
wenn diese wissenden Herren
irren
wenn doch Wasserstoff

Mein Feuerzeug klickte

Basar

 

Auf dem Basar
kam ihm der Gedanke
vielleicht ..
Und tatsächlich.
Er steckte die Geldscheine ein
und gab später bei der Polizei an,
sie, seine Gattin,
sei plötzlich verschwunden.
Ja, man habe sie vorher gewarnt,
aber sie habe es für ein Märchen gehalten. 

Castrop - Kingston

 

Von Castrop Rauxel
nach Kingston (Jamaika)
ist es nur ein Gedankensprung

Der Rückweg
gestaltet sich jedoch deutlich
schwieriger

Fortschritt

 

 

Es gab
zu Beginn
des Eisenbahnverkehrs
warnende Stimmen

Diese Geschwindigkeit
sie würde die Menschen
zerreissen

Diese Stimmen verstummten
als der Speisewagen
eingeführt wurde

Suchmeldung

 Zuerst habe ich es
mit Zetteln versucht
die ich vor meinem Haus
an die Bäume geheftet habe

dann bat ich den Lebensmittelhändler
meine Nachricht an seiner Eingangstür auszuhängen

Die Anzeige in der Lokalzeitung
kostet mich 20 Euro

Über das Internet verbreitete ich
die Suchmeldung.

Vor einer halben Stunde
erhielt ich eine Nachricht
aus Übersee:

Man habe sie gefunden,
könne aber noch nicht genau sagen,
ob es meine Wörter sind

die ich verloren habe.

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Tag der Veröffentlichung: 28.07.2016

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