Cover

Der liebende Vater




Charaktere:



- Ruprecht Santer:
Mitte 50, psychisch labil, attraktiv, Einzelgänger

- Elke Santer:
damals 17, wunderhübsch, selbstbewusst, Spaß am Leben, tot

- Henry Thierry:
25, wohlhabend, Franzose aus dem Elsass, Frauenheld

- Doreen Müller:
ca. 25, hübsch, Studentin, aus ärmlichen Verhältnissen, zuverlässig

- ein Kneipenwirt
- ein betrunkener Kneipengast


Handlungsüberblick:



Ein psychisch verwirrter Mann lebte einsam und verlassen in einer Holzhütte in den Wäldern des Hunsrücks. Sein Name war Ruprecht Santer und er war Mitte 50.
Eines Tages erklangen wieder einmal aus dem Nichts seltsame Stimmen und er wusste nicht, was es damit auf sich hatte. Nach einiger Zeit des Denkens erschien ihm eine längst verdrängte Szene: Er sieht seine Tochter – tot – am Boden. Es war seine Schuld gewesen, damals.
Seine Tochter Elke hatte einen französischen Freund, der Ruprecht nicht gefiel, erstens war er um einiges älter als seine Tochter, zweitens war er arrogant und aus reichem Hause und drittens: Er war Franzose! Elke war eine selbstbewusste, 17-Jährige junge Dame, die sich nicht einfach alles sagen ließ. Diese Widerspenstigkeit gefiel dem Vater gar nicht und er sperrte sie für einige Zeit im Keller ein. Als die Situation eines Tages eskalierte, beging die Tochter mit einem Schnitt in die Pulsader Suizid. Diese Tatsache konnte Ruprecht Santer jahrelang vertuschen und niemand hatte auch nur den Zweifel daran, dass Elke Santer nicht mehr leben könnte.
Doch nachdem diese seltsamen Gedanken gekommen waren, ging es Ruprecht nicht mehr gut und sein schlechtes Gewissen schien ihn auffressen zu wollen. Diese Situation hielt er nicht lange aus, bis er sein Hab und Gut zusammenpackte, seine Hütte verbrannte und ein kleines Grabmal für seine verstorbene Tochter schuf. So zog er ein paar Tage durch die Landschaft, bis er sich in Trier niederließ. Dort hoffte er, den selbstverschuldeten Tod seiner Tochter wieder irgendwie gutmachen zu können.
In der Stadt einigermaßen gut eingelebt und auch eine anständige Wohnung gefunden, traf er beim Spazierengehen auf eine hübsche junge Frau, die sein eintöniges Leben verändern sollte. Sie erinnerte ihn sofort an ein bekanntes Gesicht, welches konnte er nicht sagen, doch sie schien sehr sympathisch zu sein und von Anfang an bedeutete sie ihm einiges. Er verbrachte mit der, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden, Frau eine wunderschöne Zeit und kümmerte sich um ihre Anliegen. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte er sich jung und dynamisch, als wäre er in diese tolle Frau verliebt. Doch plötzlich, eines Nachts, als er mal wieder nicht schlafen wollte, sah er die Ähnlichkeit, die er die ganze Zeit nicht erkannt hatte: Sie sah aus wie seine Tochter! Diese Erkenntnis stürzte ihn in ein tiefes Loch, er fing an, an seinem Verstand zu zweifeln, die Wahnzustände nahmen wieder zu und er hielt sich an mehr Alkohol denn je fest.
In der nächsten Nacht zog er los, um sich von seiner jungen Freundin zu verabschieden, er hielt es nicht mehr in der gleichen Stadt mit ihr aus, denn er erkannte seinen langsamen Rückfall in alte Zeiten. Auf dem Weg zu ihr gab es einige Kneipen, die er alle noch einmal von innen sehen wollte und so wurde die Nacht länger und länger. Nach der vierten Kneipe wurde er müde und er legte sich völlig betrunken auf eine der vielen Parkbänke im Hochhäuserblock und schlief ein – für immer.

Am nächsten Tag, es war ein Samstag, wollten die beiden unterschiedlichen Freunde, eine Museumstour machen und deshalb stand die junge Frau schon früh vor ihrer Wohnungstür und wartete auf Herrn Santer. Dieser kam nicht und so ging sie noch ein bisschen im verschneiten Park spazieren, wo sie ihn erfroren auf einer Parkbank liegend fand. In den folgenden Tagen kümmerte sich Doreen, so hieß sie, um ein anständiges Begräbnis für den seltsamen alten Mann, der ihr doch mittlerweile so ans Herz gewachsen war. Sie kümmerte sich rührend um das Grab des Mannes, den sie sogar „Großvater“ nennen durfte.


Aufführung:

Regieanweisungen:
Einsame Holzhütte im Wald.
Winter und der Nebel zieht mit einem eiskalten Wind durch die Bäume.
Der helle Vollmond erleuchtete die vernebelten Lichtungen.
Ein Mann geht um seine Hütte herum und sucht Brennholz.

Ruprecht: „Ganz schön kalt geworden, die letzten Tage. Oh, das Telefon...oder was ist das?“

Ruprecht läuft in Richtung Wohnung zurück, doch auf dem Weg dorthin bleibt er stehen und sieht sich hektisch um.

Ruprecht (erregt):
„Wie bitte? Ich bin draußen? Im Wald? Ich kann mich da finden? Wer ist denn da am Apparat? Wie bitte? Ich? Was soll denn der Mist? Wollen Sie mich verarschen? Wie soll ich mich denn selber anrufen? IDIOT!
Was sollte denn das jetzt?
Wer will mich ärgern?
Naja egal, trink ich erst mal einen Tee. Gut schmeckt der teure Holundertee, bequem ist er, der alte Ohrensessel. Schade, dass es heute Nacht geschneit hat, so find ich doch kaum trockenes Brennholz. Noch ist es warm, aber morgen sollte ich dann schon etwas mehr Holz finden...
Oh, schon wieder das Telefon, wer will mich denn jetzt schon wieder erreichen?“

Ruprecht erhebt sich aus seinem Sessel, bleibt stehen und sieht sich hektisch um.

Ruprecht:
„Wie bitte? Ich bin draußen!? Im Wald? Ich kann mich da finden? Wer ist denn da am Apparat? Wie bitte? Ich? Was soll denn der Mist? Wollen Sie mich verarschen? Wie soll ich mich denn selber anrufen? IDIOT!
Was sollte das?
...
Sollte es etwas mit der uralten Geschichte zu tun haben?“

Ruprecht setzt sich wieder und denkt laut nach.

Ruprecht: „Damals, als meine Elke diesen Henry, den Franzosen, mit nach Hause brachte. Er war doch nicht gut für sie. Das konnte ich nicht dulden! Hätte ich meine Tochter nicht einsperren dürfen? Wäre sie dann heute noch am Leben?“

Ruprecht fängt an zu weinen.

Ruprecht: “Ich sehe es noch genau vor meinem Augen, diesen Tag werde ich nie vergessen können: Henry kam nach einer längeren Pause mal wieder vorbei um Elke abzuholen...“

Alte Geschehnisse werden als Rückblende gespielt:

Henry: „Bonjour Monsieur Santer, isch möschte zu ihre Tochter. Elle est là?“

Ruprecht: „Verziehen Sie sich, ich will Sie hier nie wieder sehen, Herr Thierry! Meine Tochter möchte erstens nichts mehr mit Ihnen zu tun haben und zweitens ist sie nach Barcelona um dort ein Gaststudium zu belegen. Können Sie das verstehen, Sie Froschfresser? Comprendre?“

Henry: „Mince! Kann isch sie erreischen? J’aime ta fille...“

Ruprecht (verärgert): „Verstehen Sie mich nicht? Wir wollen nichts mehr mit Ihnen zu tun haben! Und jetzt au revoir.“

Henry bekommt die Haustür vor der Nase zugeschlagen.
Ruprecht geht zum Kellerraum, in dem Elke gefangen gehalten wird.

Ruprecht: „Geht’s dir gut, mein Schatz? Dieser Franzose war gerade wieder da und ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass er sich hier nicht noch einmal blicken lassen sollte...

Schatz, was ist los? Weinst du? Brauchst du etwas?“

Elke: „Nein danke, aber ich habe ihn doch geliebt, Vater. Wie kannst du mir das antun, ich will hier raus!“

Ruprecht: „Das geht nicht, sonst verlierst du dich noch in der weiten Welt, wie Mutter. Willst du das?“

Elke (verzweifelt): „Mutter hatte einen Unfall, das kann immer passieren, lass mich jetzt raus hier, sie hätte das auch nicht gewollt!“

Ruprecht: „Hätte sie gewollt, dass dich ein lächerlicher, viel zu alter Franzose verletzt? Ich denke nicht. Ich hol dir was zu essen, dann geht es dir gleich wieder besser.“

Ruprecht geht und holt etwas Brot mit Wurst.

Ruprecht (säuselnd): „Schatz, ich komme jetzt dann rein, keine Angst, gleich wird’s hell.“

Er sieht Blut unter der Tür herausfließen.

Ruprecht (laut): „Was ist das denn? ELKE!? Mach keinen Mist!
Mensch, wo ist denn jetzt der Schlüssel?“

Ruprecht sieht seine Tochter kurz vor ihrem Tod auf dem Boden liegen und das Blut fließt aus der Pulsader.
Rückblende - Ende

Ruprecht sitzt in seinem Sessel.

Ruprecht: „Ich wollte sie doch nur nicht, wie schon ihre Mutter, verlieren, ich wäre doch so allein gewesen. Und sie bringt sich einfach um, mit einem rostigen Nagel aus der alten Pritsche. Hätte ich doch einen Arzt rufen sollen? Wäre sie dann noch am Leben?“

Längere Pause.

Ruprecht: „Ich muss hier weg, das halte ich nicht mehr aus. Ich werd noch verrückt bei der ganzen Situation, ich muss weg hier und alles hinter mir lassen. Als erstes pack ich alles zusammen, die alten Geldreserven nehm ich mit, Elke bau ich ein Grab und die scheiß Hütte verbrenn ich!“

Ruprecht marschiert durch die Landschaft und kommt in einem Park in Trier an.
Er setzt sich auf eine Parkbank und macht Rast.

Ruprecht: „Ach hier ist’s schön, wenn auch kalt.“

Junge Frau kommt zur Parkbank.

Doreen: „Guten Tag, darf ich mich setzen?“

Ruprecht: „Gerne, Gesellschaft ist nie schlecht“

Doreen: „Dankeschön. Kommen Sie von hier aus Trier? Ich habe Sie hier im Park noch nie gesehen? Sie müssen wissen, dieser Platz auf der Bank ist mein Lieblingsplatz der Stadt.“

Ruprecht: „Nein, ich komme nicht von hier. Aus meiner Heimat musste ich gehen, da war’s nicht mehr allzu angenehm für mich, aber darüber möchte ich nicht reden, das ist vergangen. Jetzt suche ich hier erst einmal eine Bleibe, die Stadt gefällt mir, hier habe ich früher schon einmal gelebt. Haben Sie vielleicht Lust einen Kaffee trinken zu gehen? Ich kenn mich hier zwar nicht mehr so toll aus, aber ich würde Sie sehr gerne dazu einladen.“

Doreen: „Ja sehr gerne, es muss schon sehr lange her sein, dass mich jemand zu etwas eingeladen hat.“

Beide stehen auf und gehen.
Aus dem Hintergrund der Bühne:

Doreen: „Okay, dann wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit, danke für die Einladung und vielleicht sieht man sich mal wieder hier im Park?“

Ruprecht: „Danke, ich hoffe doch.“

Eines neuen Tages im Park auf der Parkbank.

Ruprecht: „Oh man, heute Nacht konnte ich kaum schlafen, musste immer an Doreen denken. Was ist nur los mit mir?“

Doreen kommt um die Ecke in Richtung Bank.

Doreen: „Ach guten Morgen Ruprecht, auch hier? Ich musste irgendwie die ganze Zeit an dich denken. Hast du Zeit etwas mit mir zu unternehmen?“

Ruprecht: „Für dich hab ich immer Zeit.“

Beide stehen auf und laufen zusammen davon.


Es wird dunkel und Ruprecht kommt wieder alleine auf die Bühne.

Ruprecht: „Hach ist das schön, zum ersten Mal seit langer Zeit bin ich glücklich. Fast, als wäre ich verliebt in diese tolle Frau – NEIN, das kann nicht sein!
Diese Augen, diese Lippen und ihre gesamte Erscheinung erinnern mich an irgendjemanden, nur an wen?

Elke!? Sie sieht aus wie Elke aussah, das kann doch nicht sein!“

Ruprecht schlägt die Hände vor den Kopf und fängt an zu weinen. Er holt eine Flasche Wodka und trinkt eine Weile.

Ruprecht: „Jetzt muss ich erstmal was trinken gehen, ich bin schon ganz durstig...
Ich sollte die Stadt verlassen, das geht so nicht, ich höre schon wieder Stimmen…Ach geh ich erstmal in die Kneipen, die will ich noch mal von innen sehen.“

In der vierten Kneipe:

Wirt: „Meinen Sie nicht, dass es langsam genug Apfelwein ist?“

Ruprecht: „Einer geht schon noch!“

Wirt: „Sind Sie sich sicher, Sie können doch jetzt schon fast nicht mehr sitzen? Ich will nicht, dass mir hier noch die Zeche geprellt wird.“

Ruprecht (lallend): „Keine Angst, hier haben Sie 50¤ und jetzt bitte her mit der guten Flüssigkeit. Was hat denn der Typ da drüben?“

Wirt: „Der hat seine Tochter vor ein paar Tagen bei einem Verkehrsunfall verloren, armer Kerl, seitdem fast durchgehend hier bei mir am Trinken.“

Ruprecht (nachdenklich): „Kenn ich, schlimme Sache.“

Ruprecht stürmt ohne ein Wort aus der Kneipe in die dunkle kalte Nacht hinaus...

Ruprecht: „Oh Gott bin ich müde und wie komm ich jetzt überhaupt zu Doreen!? Die schläft doch bestimmt schon...Erst setz ich mich mal kurz auf die Bank, bin ja ganz zittrig.“

Der kalte Winterwind stürmt durch den Park und der alte Mann schläft auf einer Parkbank ein.

Es wird wieder hell, Doreen schlendert etwas durch den verschneiten Park und sieht einen Mann auf der Parkbank liegen.

Doreen (entsetzt): „Hallo? Ruprecht!? Was ist mit dir?“

Sie fühlt den Puls, doch Ruprecht ist bereits tot – erfroren.

Doreen (weinend): „Warum nur? Es war doch alles so schön, jetzt durfte ich dich schon „Großvater“ nennen und nun bist du weg, für immer. Ich werde dein Grab pflegen und behüten, so wie du dich um das deiner Tochter und um mich gekümmert hast“

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Tag der Veröffentlichung: 11.05.2009

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