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Es war schon Herbst geworden und Herr Dr. Enosch Occasus hatte seine Arbeiten immer noch nicht beendet.

Dr. Occasus war ein Mann, dem alles gelang. Sei es in der schulischen Laufbahn, der Karriereleiter, im Sport oder in der Liebe. Kein Mittel und kein Aufwand war ihm zu schade um seine Ziele zu erreichen und sich durchzusetzen. Das machte ihn zu einem sehr – sagen wir - ausgeglichenem Menschen, jemand mit einem solchen Ehrgeiz hat ein gesundes Selbstbewusstsein, kennt seine Kräfte und würde sie nicht durch den Konsum von Alkohol oder Tabak mindern, im Gegenteil, sein Rausch und seine Sucht ist das Erreichen von Zielen, das fertigbringen von Aufgaben und das beginnen von neuen.
Gewissenhaftigkeit, Disziplin, Durchhaltevermögen – diese drei Attribute schmücken unseren Dr. Occasus und lassen ihn täglich glänzen und strahlen wie die Sonne, zu der wir alle aufsehen.

Doch wie gesagt, es war schon Herbst geworden und Dr. Occasus steckte in vollem Maße im Verzug. Es erweckte den Anschein als sei er dieser Aufgabe nicht gewachsen zu sein, oder war er sie nur zu leichtsinnig angegangen? Zu leichtsinnig, seines Sieges schon sicher aus früheren Siegen? Zu viel Selbstbewusstsein, zu wenig „Bewusstsein“?

Die Tage zogen an Dr. Occasus vorbei und auch er sah schließlich ein, dass er diese Aufgabe wohl oder übel nicht mehr meistern konnte.
Erschrocken wie auch schockiert entschloss er ich doch auch mal den Drink zu gönnen, den sich schließlich alle Kollegen in der Firma gönnten um abzuschalten. Einen Whiskey und eine gute Zigarre, um wieder Boden zu fassen, zu entspannen und sich zu sammeln. Vielleicht noch einen zweiten?
Er bemerkte noch die Umrisse der leeren Flasche, als er aufstand um sich zu übergeben.

Jahre später – Dr. Occasus, gerade erwacht, sitzt unter seiner Brücke, sieht die Züge an ihm Vorbeistreifen wie die Tage damals, als er versagt hatte, wie damals, als ihm das Glück wie Wasser förmlich aus den Händen floss. Er beginnt jetzt erst zu reflektieren und zu begreifen wer er war, wer er ist und wieso er so wurde. Gelebt wie ein Selbstbewusster, ist er unbewusst geknickt als sein eigener Vorhang fiel und er wie sein eigener Regisseur keinen starken und großen, sondern kleinen und kümmerlichen Mann vor sich hat, in Fötusstellung zusammengerollt, bitter weinend, nach Hilfe rufend, nach Anerkennung. Alles was er je gewollt hatte hat er damals erreicht, doch das Leben mit der Selbstlüge der Perfektion ließ ihn schließlich an Leberzirrhose kümmerlich verrecken.
Er lebte immer auf einer Ebene, war sich aber seines tatsächlichen „Ich“ nie bewusst, das „Ich“ im heute und jetzt, mit Stärken und Schwächen, das Wissen des „Bewussten Seins“ hatte er nie wahrhaben wollen. Heute ist der Tag der Erkenntnis, der – wie allzu oft – zu spät kommt, nichts mehr nützt, nur dem Ende einen Grund gibt und ihn sich selbst verständlicher macht, den Dr. Occasus.

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Tag der Veröffentlichung: 29.08.2012

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