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Hey Kate.
Ich habe mir den Arm gebrochen und muss alles am PC schreiben. Nervig.
Und, bei dir? In einer Woche fängt bei euch schon die Schule an, oder? Bei uns ja erst in drei. Wie ist es denn so in Wien? Also wenn meine Mutter nen neuen Job in Österreich hätte, dann würd ich ja noch eher zu meinem Vater ziehen, und wenn er eine noch so blöde Freundin hätte. Dann würdest du wenigstens noch auf unsere Schule gehen können.
Ich soll dich von Alina grüßen. Wir alle vermissen dich. Vanessa ist übrigens geflogen. Wurde hinter der Turnhalle beim Rauchen erwischt und ein Lehrer hat gesehen, wie sie einem Siebtklässler Kokain verkauft hat. Schulverweis plus Geldstrafe.
Naja, geschieht ihr eigentlich ganz recht. Nein, ich bin nicht schadenfroh, nur fair.
Biss dennne.
Liebe Grüße, Darline

„Essen kommen!“
„Jaaaahaaaa, Momehent! Ich muss nur noch …“
„Gar nichts musst du noch, Barn! Komm jetzt essen!“
„EINEN MOMENT, VERDAMMT!“
„Du kommst jetzt AUF DER STELLE runter, und wenn du nicht innerhalb 20 Sekunden am Tisch sitzt, hast du eine Woche PC- und Play-Station-Verbot!“
„Was heißt hier eine Woche? Er hat mindestens sechs verdient!“
„Liza, halt du dich da raus!“
„GENAU!"
„Barn, wenn du nicht AUGENBLICKLICH…“
„Ich komm ja schon, ich komm ja schon!“
Ich zog es vor, ohne Diskussion runterzugehen.
„Katy, räum doch bitte noch vor dem Essen schnell die Spülmaschine aus, wir haben überhaupt keine Löffel mehr!“
„Ja, Mummy, natürlich, Mummy, mach ich…“
Ich seufzte. Immer musste ich solche Sachen machen, obwohl Barn und Liza die waren, die sich dauernd stritten. Ich saß schließlich den ganzen Tag nur in meinem Zimmer, störte oder ärgerte niemanden, und trauerte leise und einsam vor mich hin. Wen bitte störte das?
Was hätte ich dafür gegeben, in Berlin bleiben zu dürfen.
Natürlich nicht bei meinem Vater…
Der mit seiner blöden neuen Freundin und die mit ihrer blöden blonden Tochter und die mit ihrem blöden rosa Zimmer.
Aber Darline hatte schon recht.
Ich hätte wenigstens noch auf meine alte Schule gehen können, und wenn ich mit dem Fahrrad durch den kleinen Wald fahren würde, dann wäre ich direkt bei Alina und Darline…
„Kate, was um Himmelswillen machst du da?
Du solltest Löffel mitbringen, keine Pfannen!“
Immer wenn ich irgendwas machte, was meiner Mutter nicht passte, nannte sie mich Kate.
Wie ich diesen Namen hasse.
Katy war mir schon immer viel lieber.
Meine Freundinnen konnte ich auch nicht überzeugen.
Und die rosa Freundin meines Vaters nannte mich entweder „Plage“ oder, wenn Paps dabei ist „Katyli“ oder „Katylein“.
Oh, grusel!
„Kate, träumst du?!“, fragte Liza. „Gib mir doch mal endlich die Soße, ich habe schon dreimal gefragt!“
„Ääh, was? Achso, die Soße, ja, hier hast du sie…“
„Wer geht heute mit Michelle zum Spielplatz?“
„Ich war gestern!“
„Ich bin mit dem Jungen von nebenan im Kino verabredet!“
„Ich mach schon…“, murmelte ich.
Wie schnell Liza es immer schaffte, Kontakte zu knüpfen, während ich wochenlang allein auf dem Pausenhof stehen werde.
In Berlin hatte ich mein eigenes Zimmer gehabt.
Jetzt muss ich eins mit meiner vier-jährigen Schwester teilen.
Und Barn und Liza haben jeder ihr eigenes Zimmer.
Aber wenn ich sage, dass das unfair ist, krieg ich eh nur Ärger und noch mehr Hausarbeit aufgebrummt.
Deshalb lass‘ ich’s.
In drei Wochen hat Michelle Geburtstag.
Oh je…


„Mummy, warum hast du mich nicht geweckt? Es ist schon acht Uhr!“
„Kate, du bist alt genug und du hast einen Wecker!“
„Ich komme an meinem ersten Morgen zu spät in die Schule! Was sollen die denn denken?“
Meine Mutter seufzte.
Hach, Herrje bin ich anstrengend!
Auf dem Weg zur Schule verfuhr ich mich auch noch und weil ich die Klasse nicht fand, musste ich mich von der Rektorin hinbringen lassen.
Als ich dann in die Klasse kam, sahen mich ca. 30 Augen neugierig an.
Peiiiiiiiiinlich…!
„Du bist Kate Josie Goggles, nicht war?“, fragte mich die Lehrerin.
„Äähm, ja. Aber ich werde nur Katy genannt.“
„Okay. Katy. Dann machen wir eine kurze Vorstellungsrunde. Die anderen kennen mich ja auch noch nicht. Setz dich nach da hinten neben das Mädel mich den grünen Haaren.“
„Hey! Ich bin Jam, und wie heißt du nochmal?“, fragt mich das Mädchen, neben dem ich saß.
„Ehm, Katy.“, murmelte ich und drehte den Kopf wieder nach vorn.
Bei der Vorstellungsrunde erfuhr ich, das Jam eigentlich Jamie heißt, gerne zeichnete, kletterte, Fußball spielte, skatete und außerdem selbst neu war.
Als ich an der Reihe war, bekam ich einen roten Kopf und nuschelte:
„Ich bin Katy, komme aus Berlin in Deutschland und ich mache Kunstspringen.“
Einige kicherten. Ein Mädchen drehte sich zu einem Jungen um und sagte extralaut: „Die hält uns wohl für blöd! Als ob wir nicht wissen wo Berlin liegt!“
Die im Umkreis sitzenden Mädchen und Jungs nickten.
„Und ob das wirklich Kunstspringen ist, werden wir ja nächste Woche beim Schwimmunterricht sehen!“, meinte ein andere.
Es klingelte.
Ich rannte aus dem Zimmer und verkroch mich für den Rest der Pause in der Bücherei.
Nach der Pause hatten wir „Hausaufgabenstunde“.
Ich nutzte die Zeit, um Alina zu schreiben.


Hey Ali-Ali-Ali!
Hier ist es sooo schrecklich! Als ich gesagt habe, dass ich Kunstspringen mache, haben sie angefangen zu flüstern und zu lästern. Da ist nur ein einziges Mädchen, das nett zu mir ist. Sie ist auch neu, ist ganz lustig und hat grüne Haare. Ich will nach HAUSEEEE!!! Achso, die mit den grünen Haaren heißt Jamie. Und die sitzt neben mir. Und die sind hier schon viel weiter als wir. Oder fangt ihr auch gerade mit diesen komischen Häkchen an??! Ich mag die nicht.
Überhaupt, hier ist alles blöd.
Die erste Pause hab ich in der Bücherei verbracht, und in der zweiten Pause kam so eine blondgelockte mit drei Pfund Schminke im Gesicht, und fragte, ob ich Paris Hilton möge.
Ich hab natürlich nein gesagt, ich meine, als ob ich so eine aufgetakelte Tussi auch noch gut finden würde!
Und dann meinte sie: „Ja, man sieht dir an, dass du keinen Geschmack hast. Außer dir selbst findest du ja sowieso nichts gut.“
Dann kam aber Jamie, und hat gesagt, dass ich vollkommen recht habe, und zu der blonden hat sie gesagt, sie sähe ja wohl auch so beknackt aus, dass sie Paris Hilton ja gut finden müsse, und eh‘ nichts in der Birne habe.
Hinterher hat ein anderes Mädchen zu uns gesagt, dass die Zicke Inessa heiße, und dass sie immer allen das Leben schwermacht.
So, ich muss jetzt Schluss machen.
Die Hausaufgabenstunde ist zu Ende.
Xoxo, deine Volltrottelfreundin Katy aus WIEN =( =( =(


Nach der Schule schmiss ich den Brief in einen Briefkasten und ging heim.
Dort wartete Mummy bereits mit dem Essen.
„Na, wie war dein erster Tag?“
„Beschissen…“
„Na, na, na! Hast du keine Freunde gefunden?“
„Doch. Eine. Und um die 15 Feindinnen. Oder vielleicht 1½ Freundinnnen. Aber… Ich weiß nicht…“
Ich seufzte.
Für heute Nachmittag hatte ich mich mit Jam an der Eisdiele verabredet.
„Mummy, ich kann übrigens heute nicht auf Michelle aufpassen.“
„Warum das denn nicht??!“
„Ich bin mit Jam an der Eisdiele verabredet.“
Nachdem ich meiner Mutter erklärt hatte, wer Jam war, wie sie aussah usw. fragte sie: „Und sie hat wirklich grüne Haare?“
„Naja, nicht ganz grün. Sie hat noch ein paar pinke und blaue und lila Strähnen. Und die Haare gehen ihr bis zum Po!“
Meine Mutter machte ein missmutiges Gesicht.
„Naja… ich muss los!“
Als ich zur Eisdiele kam, saß Jamie schon dort.
Ich bestellte eine Cola und ein Spaghetti-Eis. Jamie bestellte das gleiche, aber mit Kaffee statt Cola.
Wir unterhielten uns erst über Berlin, und dann über die Gegend im Hamburg, wo Jamie herkam.
Dort, in Jams Straße, hatten nur stinkreiche Leute gewohnt, und ihre Eltern sind ja auch nicht gerade arm.
Aber die Kinder da, die waren sehr verwöhnt, wie sie erzählte.
Plötzlich wurde meine Cola vom Tisch gefegt, und ich hörte eine wohlbekannte Stimme.
„Blöd aber auch, dass manche Leute so ungeschickt sind, und es noch nicht mal hinkriegen, dass die Cola auf dem Tisch stehen bleibt! Und jetzt muss der arme Paolo alles wegmachen!“
„Inessa, ja, schön dass du endlich einsiehst, wie blöd du bist!“
„Ich? War es meine oder Kates Cola?“
„Kates. Aber du hast sie mit deinem Handtäschchen vom Tisch gefegt!“
„Oooh! Armes Jamieleinchen!“
„Du musst es ja echt bitter nötig haben, dass du dir durch solche Aktivitäten Aufmerksamkeit verschaffen musst!“
„Das muss ich mir nicht von einer sagen lassen, die wie ein Papagei aussieht! Es macht Spaß, euch Spielkinder zuzusehen, wie ihr mit eurer Ungeschicklichkeit zu kämpfen habt!“
„Keine Hobbies oder was?“
„Mehr als du hast und denkst!“
„Oooh! Sorry, das wusste ich nicht!“
„Was? Wo? Hää, wie jetzt?“
„Uuh, ist es so schlimm??“
„Was ist denn??!“
„Warum hast du nichts gesagt?“
„WOVON DENN?“
„Ja, das mit deiner Intelligenzallergie!“
Leise schlich ich mich davon, um den Besitzer der Eisdiele wegen der Cola zu benachrichtigen.
Er sagte, er käme sofort, er müsse nur noch schnell was machen.
Ich ging schon mal zurück.
„Also Inessa, jeder hat ja das Recht, dumm zu sein, aber DU übertreibst!“
„Ach ja? Aber nicht alles was zwei Backen hat ist ein Gesicht, du…“
Da griff Jam zur Seite (sie war längst aufgesprungen) nahm ihren Kaffee, und kippte ihn Inessa ins Gesicht. Der noch lauwarme Milchschaum lief über ihr Oberteil, und dann immer weiter Richtung Boden.
Sie sah Jam fassungslos an.
Dann griff auch sie nach etwas und zwar… nach meinem Spaghetti-Eis!
Sie klatschte es Jam auf den Kopf, und nach fünf Sekunden war die reinste Eisschlacht im Gange.
Sie packten das Eis nun nicht mehr nur von unserem Tisch, sie griffen nach allen Seiten, und die Leute, denen das Eis weggenommen wurde, machten mit. Als der arme Paolo kam, fand er seine Eisdiele in einem sehr, sehr schlechten Zustand wieder. Inessa und Jam bekamen Hausverbot und sie mussten alles wieder aufräumen.
Als ich abends nach Hause kam, klebte ich wie sonst was, und wollte erst mal duschen, aber Liza besetzte das Bad.
Auch ein Nachteil, hier in diesem Haus. Es gab nur ein Bad mit Dusche.
Als meine Schwester endlich rauskam, musterte sie mich von oben bis unten.
„Kuchenschlacht?“
„Schlimmer. Frag nicht.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Eltern. Und für Jacob.

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