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Bei Klaus

Schneeflocken wirbelten am Nachthimmel und bedeckten das Dachfenster in der winzigen Küche. Auf der nahegelegenen Autobahn war Chaos ausgebrochen und Blaulicht flackerte hier und dort.

Das alles kümmerte Klaus nicht im Geringsten. Er öffnete ein weiteres Tetrapack mit Billigwein und machte es sich auf seinem abgewetzten Sofa im Wohnzimmer bequem, die Füße überkreuzt auf dem Tischchen in der dafür vorgesehenen Lücke zwischen Aschenbecher und Programmzeitschriften. Aus dem Röhrenfernseher flimmerte die Wiederholung einer Talentshow.

Die Werbepause war gerade vorüber, als vom Balkon her ein Rumpeln erklang und eine Erschütterung durch die Wohnung ging, gefolgt von Stille.

"Was zum Teufel?" Klaus fuhr sich über die Bartstoppel.

Er stemmte sich hoch und reckte den Hals in Richtung Fenster. Vom Sofa aus war nichts zu erkennen. Wohl oder Übel musste sich Klaus erheben und die drei Schritte zur Balkontür wanken. Er öffnete sie und Kälte schwappte ihm entgegen.

Die Wohnzimmerlampe warf gerade genug Licht auf das Geschehen: Ein Mann in einem klatschnassen dunkelgrauen Overall hing über dem Balkongeländer, kämpfte sich mit letzter Kraft auf die Innenseite und ließ sich zu Boden fallen. Er zitterte durchfroren, während er sich den Helm vom Kopf riss. Schneeflocken landeten auf seinem schmerzverzerrten Gesicht.

"Du meine Güte!" Klaus strich sich eine graue Strähne aus dem Gesicht.

Der Fremde realisierte erst jetzt, dass jemand über ihm stand. Er streckte eine Hand in Klaus' Richtung. "Mein Bein. Bitte helfen sie mir!"

"Ja, äh... Am besten schaffen wir dich erst mal ins Trockene."

"Ich hänge fest. Mein Fallschirm..." Der Fremde begann an dem Gewirr aus Gurten und Schnüren zu zerren, welche von seinen Schultern aus über das Geländer hingen.

"Warte, ich mache das." Klaus stolperte beinah über den Fremden beim Versuch die Schnüre zu fassen. Er konnte sich gerade noch am Fenstersims auffangen.

Schließlich gelang es ihm, den Fallschirm auf den Balkon zu hieven. Währenddessen konnte sich der Fremde aus den Gurten befreien.

Klaus schob den Wulst aus Stoff und Schnüren beiseite, griff dem Fremden zögernd unter die Arme und schleifte ihn über die Schwelle ins Wohnzimmer. Der Fremde ließ Klaus' unbeholfene Art tapfer über sich ergehen.

"Entschuldige die Unordnung, ich habe nicht oft Besuch. Genau genommen seit Jahren nicht mehr." Klaus hob den Fremden der Länge nach aufs Sofa und setzte sich auf den Sessel welcher im rechten Winkel dazu stand. Sein Kopf sackte einen Moment nach hinten und er atmete schwer. Seine Hand griff nach dem Tetrapack und er genehmigte sich einen großen Schluck.

"Ich habe mich zu entschuldigen." Der Fremde blickte auf die Wasserspur auf dem Parkett.

Klaus winkte ab. "Kannst von Glück reden, dass die Pokerrunde ausgefallen ist, sonst wär ich gar nicht zu Hause. Oder Moment, wie spät haben wir's eigentlich?" Er

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 25.10.2017
ISBN: 978-3-7438-3808-6

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