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Der vergessene Schatz

Der vergessene Schatz – Tamurat, Kaiserreich Jemas, südliche Reiche im Sommer des Jahres 13.266.

 

Er, Kentarian ti Daraterium stolzer Spross und Erbe des Hauses Daraterium, sollte ganz sicher nicht so einen widerwärtig niederen Dienst verrichten – ein besserer Lagerverwalter war er hier. Auch wenn jedermann es als Schatzkammer bezeichnete, war es in den Augen des kleinen dicken Mannes eine Ansammlung mit altem Müll, dem keiner mehr Beachtung schenkte.

Hier lagerten nur Dinge, die zu groß, zu alt oder nicht wertvoll genug waren, um in der großen kaiserlichen Schatzkammer im zentralen Palast zu liegen. Und er war dazu verurteilt, diese Rumpelkammer zu verwalten – es war eine Schande!

Dass er durch eine dieser unsinnigen Verordnungen des Kaisers dazu gezwungen war, ein Amt in der Hauptstadt des Reiches auszuüben, empfand er wie viele andere des Reichsadels als Zumutung. Aber im Gegensatz zu ihm konnten manch andere über Dienerschaft befehlen und so ihre Arbeit angenehm gestalten, er musste tatsächlich heute selber Hand anlegen – eine Zumutung!

Während er sich bemitleidete, ging er durch einen der langen Gänge der Schatzkammer und suchte ein ganz bestimmtes Stück dieses Plunders, das der Großkanzler persönlich angefordert hatte. Warum dieser allerdings gerade heute nach einem sicherlich unwichtigen Gegenstand verlangte, an einem der hemmungslosesten Feiertage des Reiches, war ihm völlig schleierhaft.

Gerade heute wo alles Gesinde auf den Straßen seinem niederen Gelüsten nachging, musste er hier im Dreck wühlen – ein unwürdiger Zustand! Wo er doch jetzt schon bei einem der Feste in der Oberstadt, zwischen willigen Dirnen liegen und den besten Wein auf Kosten des Kaisers saufen konnte.

Das kaiserliche Mondfest, das am Abend des ersten Vollmonds nach der Sonnenwende gefeiert wurde, war mit Abstand das wichtigste und beliebteste Fest im Reich. Das lag wohl zum einen an einem halben arbeitsfreien Tag und zum anderen an den freien Speisen und Getränken, die überall auf Kosten des Kaisers auslagen.

Aber er, Kentarian ti Daraterium musste hier eine elende Truhe suchen, nur weil ein Diener des kaiserlichen Hofes ihn gerade noch bevor er das Stadthaus verlassen konnte, erwischte und ihm eine offizielle Pergamentrolle übergeben hatte. Wäre er doch nur ein paar Augenblicke früher weg gewesen!

Was wollte der Großkanzler bloß mit einer dieser alten staubigen Kisten, die er als Herr über diesen Abfall noch nie bewusst wahrgenommen hatte.

Der Kämmerer des Großkanzlers hatte sie in seinem Anforderungsschreiben als schwarze Kiste mit breiten Metallbeschlägen beschrieben, die etwa eine Elle lang, halb so breit und eine Handspanne hoch war. Kentarian schaute sich um und musste feststellen, dass viele Kisten fast genau dieser Beschreibung entsprachen, einige vielleicht kleiner, einige unter Umständen heller. Wie sollte er diese verdammte Kiste finden, bevor der Kämmerer wieder hier auftauchte und die Kiste abholen wollte.

Das Schlimme an der ganzen Sache war, dass der Kämmerer des Großkanzlers ein Adliger im Rang eines ‚te‘ war, er also nicht mal seine üble Laune an ihm auslassen konnte.

Wie fast überall in Tiehera war es ebenso im Kaiserreich Jemas so, dass der niedere Land- und Stadtadel den Namenszusatz ‚ti‘ führte, was vom alten Ti’Anar Onmar, des Volkes Kraft herrührte.

Die höhere Adelstufe wurde dann nach Te’Anak Onmar ‚te‘ genannt, was übersetzt so viel wie des Volkes Geist bedeutete. Der Hochadel durfte den Zusatz ‚ta‘, nach Ta’Ranak Onmar führen, was bezeichnenderweise des Volkes Führer hieß.

Der Kaiser selbst wurde deswegen oft ‚Ta Maos‘ genannt, was in der alten Hochsprache dann einfach nur ‚Höchster Führer‘ bedeutete.

Der kleine Mann aus dem niederen Stadtadel der kaiserlichen Hauptstadt, der heute in eine grüne mit goldenen Streifen verzierte Robe gekleidet war, die für seinen Körperumfang eine Nummer zu klein ausfiel, ganz so, wie es der letzte Modestil es erforderte, sah nochmals auf seine Lagerliste. Das aufgerollte, dicht beschriebene Pergament führte alle Objekte in diesem Teil der westlichen Schatzkammer auf.

In diesem und einem weiteren Gang wurden Truhen, Kisten und andere sperrige Dinge, in dreistöckigen Regalen aufbewahrt. Wobei Kentarian sich lieber im oberen Stockwerk aufhielt, dort gab es einen Bereich mit Schmuck und anderem Zierrat, der seinem verwöhnten Auge schon eher behagte.

Auf der verdammten Liste stand eindeutig, dass die gesuchte Kiste in diesem Teil des Ganges sein musste, also fing er an jedes dieser hässlichen Gegenstände, genauer anzuschauen.

Als er eines dieser widerlichen staubigen Dinger sogar anfassen musste, um zu sehen, ob es die rechte Größe hatte, wäre er fast ohnmächtig geworden. Dreck an seinen Fingern, ein unhaltbarer Zustand!

Er verfluchte neben der Kammer und dem übellaunigen Schicksal ebenso die Mode, die zurzeit keine Handschuhe duldete. Und nahm sich vor dem Diener morgen anzuweisen jedes Stück in der Kammer zu putzen, und wenn es Monde dauern sollte, es war ihm egal! Hauptsache der Dreck verschwand und er musste sich nie wieder die Hände schmutzig machen.

Als er gerade aufgeben wollte, weil seine Schuhe ihn schmerzvoll drückten, die selbstverständlich der Mode folgten und sehr schmal und hochhackig waren, sah er endlich das gesuchte Stück.

„Hätte ich mir doch denken können! Das schäbigste Stück, das man sich vorstellen kann, in der hintersten Ecke!“

Dass die Kiste weder schäbig noch in der hintersten Ecke war, spielte dabei keine Rolle. Als er die glücklicherweise recht leichte Kiste aus dem Regal zog und zur Schreibstube trug, ließ er bei fast jeden Schritt einen bitterlichen Fluch hören, der einem Straßenräuber die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Das leichte Kribbeln in seinen Händen ignorierte er und schrieb es dem Dreck zu, der an seine Finger gekommen war.

Endlich oben angekommen rieb er sich mit einem parfümierten Tuch die Finger ab und ließ sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen, um seine Schuhe auszuziehen. Bevor er allerdings diese verdammten Dinger von seinen Füßen ziehen konnte, klopfte es schon fordernd an der Tür. Einen weiteren derben Fluch unterdrückte er mühsam, setzte sich gerade hinter seinem Schreibtisch und flötete in seiner lieblichsten Stimme.

„Nur herein!“

Schwungvoll wurde die Tür aufgestoßen und der Kämmerer des Großkanzlers, Dutaros te Maurion zwängte sich durch die Tür. Ein mächtiger Mann – mächtig im Einfluss auf das Reich und mächtig im Körperumfang. Auch er war in festliche Kleidung gehüllt, nur das er blau und rot als Farben gewählt hatte. Ansonsten entsprach sein Äußeres der gängigen Mode. Die goldene Kette als Zeichen eines Reichskämmerers unterstrich sein machtvolles Aussehen zusätzlich und genauso gab er sich auch – so wie immer!

„Hat er das benötigte, um das ihn der hochehrenvolle Großkanzler gebeten hat?“

Die Stimme des Kämmerers war eine unangenehme Mischung, aus Näseln und Quieken die immer zwischen den Tonhöhen wechselte und so nochmals unangenehmer wirkte.

„Hat er?“ quiekte er ungeduldig.

Am liebsten hätte Kentarian ihm sein Frühstück vor die Füße gespuckt, lächelte aber sein liebenswertestes Lächeln und säuselte: „Aber selbstverständlich ehrenwerter Kämmerer, ich freue mich, euch und dem Großkanzler zu Diensten sein zu dürfen.“

Der einen Kopf größere und recht korpulente Mann, mit der typisch teigigen Haut eines Adligen wedelte mit den überraschend kleinen wulstigen Händen.

„Nehme er diese unsägliche Kiste und folge er mir!“

Fast hätte Kentarian laut protestiert, schluckte aber trocken herunter und schaute den Kämmerer beleidigt an.

„Ich bin Kentarian ti Daraterium, Erbe und Sohn von Kuntarias ti Daraterium! Verwalter dieser kaiserlichen Schatzkammer und mit Verlaub kein einfacher Dienstbote. Bemüht doch bitte einen eurer sicher zahlreichen Lakaien diese unwürdige Aufgabe zu ertragen.“

Der Blick, mit dem der Kämmerer ihn nun bedachte, hätte einer Schlange gut zu Gesicht gestanden – einer dicken bleichhäutigen, aber dennoch sehr gefährlichen!

„Möchte er Verwalter der kaiserlichen Latrinen werden?“, sagte er nun mit völlig anderer Stimme, kein Quieken mehr, sondern ein leises sehr gefährliches Zischen.

Das war ziemlich deutlich und leider völlig in den Möglichkeiten des Kämmerers, da blieb ihm wohl keine andere Wahl, als diese verfluchte Kiste zu tragen.

Mit einem leisen Fluch, der vom Kämmerer mit einem abfälligen Lächeln quittiert wurde, nahm Kentarian die Kiste und folgte dem feisten Widerling zur Tür.

Mit seinem, am Gürtel hängenden Schlüsselbund verriegelte er die Schlösser der schweren Eingangstür und folgte Dutaros te Maurion durch die Gänge des Nebenpalastes. Zu fragen, wohin sie wollten, brannte Kentarian zwar auf der Zunge, weil ihm die Arme lang wurden und die Schuhe furchtbar drückten, hielt er sich aber zurück, weil die Latrinen als Aufgabengebiet zu abschreckend waren.

Auf ihrem Weg durch die Gänge des riesigen Palastes begegneten ihnen nur wenige Wächter und Diener, die alle sehr mürrisch dreinschauten, weil sie an einem solchen Tag Dienst hatten. Fast alle Würdenträger des Reiches waren heute in den eigenen Palästen, bei ihren Familien, oder wo immer sie das Fest begehen wollten.

Kentarian wusste, dass der Kaiser wie jedes Jahr zum Mondfest in seinem Sommerpalast in den südlichen Bergen war und das viele der Reichsminister diese Tage ebenfalls in den südlichen Sommerresidenzen verbrachten. Das Mondfest war kein Fest des Adels, sondern des gemeinen Volkes, trotzdem nahm der Adel gern teil. Das, obwohl es keine Bankette oder Gelage gab, denn die meisten Diener hatten ja dienstfrei und die Wache war auf das Nötigste beschränkt.

So liefen sie also durch fast menschenleere Palastgänge und Kentarian war fast so weit die Truhe einfach auf den Boden zu werfen und sich jammernd danebenzulegen, denn seine Füße taten ihm schrecklich weh.

Als der dicke Kämmerer endlich in einem breiten Gang an eine dunkelblaue verzierte Tür trat, hätte er fast vor Glück gejubelt, hielt sich aber weiterhin mühsam zurück.

Ohne zu klopfen, trat Maurion ein und Kentarian folgte ihm in einen großen lichtdurchfluteten Raum. Zu seiner Überraschung sah er, dass neben zwei Gardewachen und einem Diener, auch der Großkanzler persönlich anwesend war. Kentarian kannte ihn zwar vom Sehen, bezweifelte aber das der Großkanzler wusste, wer er war. Makuu ta Morras würde sich wohl nicht an einen Mann aus dem niederen Adel erinnern, er verkehrte in Kreisen, die für ihn unerreichbar bleiben würden.

Der im Moment mächtigste Mann der Reichshauptstadt stand mit auf dem Rücken gelegten Händen an einem in der Mitte des Raumes stehenden Tisch, auf dem eine Karaffe und einige Gläser standen.

Er unterhielt sich mit jemandem, der von den Wachen verdeckt an diesem Tisch saß. Kentarian versuchte sich aufzurichten, und einen möglichst selbstsicheren Eindruck zu vermitteln. Hinderlich war dabei, dass er mittlerweile doch recht stark schwitzte, ihm die Tropfen von der Nase fielen und er ein wenig Humpeln musste, weil er sich wohl Blasen gelaufen hatte. Bauch einziehen klappte auch nicht so recht, weil sein Wanst schon von der viel zu engen Jacke eingezwängt wurde.

Direkt hinter dem Kämmerer trat er neben den Großkanzler und wuchtete die Kiste auf einen Fingerzeig hin auf die Tischplatte. Er nickte würdevoll in Richtung des Großkanzlers, versuchte dabei nicht allzu viel Schweiß zu verlieren und schaute dann vorsichtig zum sitzenden Teilnehmer dieser Runde.

Fast hätte er vor Schreck einen schon länger drückenden Furz losgelassen, denn in dem großen bequem gepolsterten Stuhl saß entspannt zurückgelehnt, in aufreizend lockerer Pose, die schönste Frau die er jemals gesehen hatte. Sie lächelte und nickte ihm zu, schaute zur Kiste und sprach mit leiser Stimme.

„Ist sie das mein lieber Großkanzler?“

Kentarian hing an ihren vollen roten Lippen und merkte erst ziemlich spät das er immer noch mit offenem Mund starrte. Sie trug ein schlichtes weißes Kleid mit einigen kleinen Mustern aus Hellblau und hellem Rot. Ihre mit Spangen und Nadeln hochgesteckten langen Haare waren von einem silbernen Weiß, das sie wie eine Krone umgab. Obwohl sie saß, konnte Kentarian erkennen, dass sie deutlich größer war als er und ihre Proportionen fast schon unschicklich perfekt waren.

Obwohl sie keinem der Modestile des Hofes folgte, erkannte Kentarian, das diese Frau eine Adlige sein musste, vielleicht sogar die Herrscherin eines benachbarten Reiches. Ein schwerer süßlicher Geruch ging von ihr aus, der eine stark bittere Note beinhaltete. Kein Duftwasser, das der kleine Mann kannte, oder je gerochen hatte.

Erst als der Großkanzler sich räusperte, konnte Kentarian sich von diesem Anblick lösen, er schaute den mächtigen Mann neben sich an und erkannte die unausgesprochene Frage in seinen Augen glücklicherweise sofort.

„Ja mein hochverehrter Großkanzler, dies ist der von euch gewünschte Gegenstand aus der von mir geführten Schatzkammer! Ich habe es mir selbstverständlich nicht nehmen lassen ihn persönlich zu euch zu bringen, solch einmalige Stücke sollten immer in sicheren Händen bleiben.“

Insgeheim beglückwünschte er sich über den Seitenhieb, dem er dem Kämmerer gegeben hatte.

„Aha“, machte der Großkanzler mit einem vielsagenden Blick. „Du bist Kentu …?“

„Kentarian, Kentarian ti Daraterium, euer hochwohlgeboren, der Verwalter der westlichen Schatzkammer.“ half ihm Kentarian aus.

„Gut, Kentarian ich danke für deine Dienste.“

Weil er den Tonfall des Mannes genau deuten konnte, trat Kentarian mit einem Nicken drei Schritte vom Tisch zurück, beobachtete aber weiterhin den Großkanzler und die wunderschöne Frau.

Aus den Augenwinkeln erkannte er den wütenden Blick des Kämmerers und musste innerlich lächeln, diesem Widerling hatte er es gezeigt! Als sich der kleine dickliche Hüter der westlichen Schatzkammer weit genug entfernt hatte, schaute der Großkanzler von der Truhe zur Frau und zurück.

„Nun Lady Diranis wollt ihr euch vergewissern, dass dies die gesuchte Truhe ist?“

Die blonde Frau erhob sich von ihrem Stuhl und Kentarian hätte dabei am liebsten ihre Kleidung vom Leib gerissen und sie angefallen. Selbst der Großkanzler betrachtete sie mit einem Blick, der von Gier und Verlangen geprägt war.

Neben dem hochgewachsenen hageren Mann fiel besonders auf, wie groß sie wirklich war. Es gab im gesamten Reich sicherlich nicht viele, die ihre Größe erreichten. Ohne die Truhe zu berühren, betrachtete die silberhaarige Frau, sie von allen Seiten, schien sogar dran zu schnuppern.

„Und? Ist sie es?“, fragte der Großkanzler. „Soweit ich die Geschichte des Reiches kenne, müsste es die einzige Truhe sein, die aus der Zeit des großen Zuges übrig ist.“

Sie lächelte den Kanzler an. „Ich denke, dass sie es ist! Aber um ganz sicher zu sein, müsste ich einen kleinen Test machen.“

„Nur zu!“, sagte der Großkanzler, „Solange der Truhe dabei nichts passiert. Wir wissen zwar bis heute nicht, was in ihr verborgen ist, aber sie ist nun mal das einzige Stück aus einer längst vergangenen Zeit.“

Die Frau lächelte und nickte, „Aber sicher! Der Truhe soll und darf nichts geschehen!“

Sie schaute den Großkanzler, den Kämmerer, Kentarian, die Wächter und den Diener nacheinander an und runzelte leicht die Stirn.

„Würde einer der edlen Herren einen Tropfen Blut für diesen Test zur Verfügung stellen? Ich möchte mir mein Kleid nur sehr ungern mit meinem Blut ruinieren. Wäre jemand so frei?“

„Genad!“, sagte der Großkanzler an den Diener gewandt, „würdest du bitte einen Tropfen Blut für uns erübrigen?“

Weil sich das Ganze nicht nach einer Bitte anhörte, schaute der Diener auf und nickte sogleich. „Gern euer hochwohlgeboren!“, sagte er dienstbeflissen, trat an den Tisch heran und hielt seine Hand hoch.

Die hochgewachsene Frau lächelte den um einen Kopf kleineren Mann an und zupfte sich aus ihrer Haarpracht eine der vielen Nadeln heraus, wobei sich eine Haarsträhne löste, die sie mit einer anmutigen Bewegung zurückstrich.

Sie nahm vorsichtig die Hand des Dieners und führte sie über die Kiste. Mit einer schnellen, aber gezielten Bewegung pikste sie mit der Nadel in den Zeigefinger des Mannes, der dabei nicht einmal zuckte.

Ein einzelner Tropfen Blut trat aus der Stelle aus und fiel auf die Truhe hinab. Zuerst tat sich nichts, dann brodelte der Blutstropfen kurz auf und war Augenblicke später spurlos verschwunden.

„Das würde ich als letzten Beweis sehen!“, sprach die Frau wie zu sich selbst, drehte sich zum Großkanzler um und deutete einen leichten Knicks an.

„Ich bin mir nun sicher, dass diese Truhe genau die gesuchte ist, damit habe ich eine sehr lange Suche abgeschlossen.“

„Kommen wir nun zu unserem Geschäft, meine liebste Lady Diranis“, sprach der Großkanzler mit tiefer und jetzt sonderbar weicher Stimme. „Ihr hattet mir einen besonderen Gefallen versprochen! Einen, der mir unbekannte Dinge zeigt und mich in Gefilde entführt, die ich noch nie erlebte!“

Kentarian, der bei der Frage nach dem Tropfen Blut zwei Schritte weiter in den Hintergrund getreten war, konnte sich schon fast denken, wie dieses Geschäft aussah. „Verflucht noch mal“, dachte er bei sich, warum ist diese Schönheit nicht direkt zu ihm gekommen? Er hätte für diese Bezahlung die Truhe aus der Kammer geschafft und sie aus den Büchern löschen können, ganz ohne den Großkanzler.

Die blonde Frau, von der Kentarian, nicht einmal die Herkunft kannte, steckte ihre Nadel wieder zurück ins Haar, was bei ihrem Kleid und den vorzüglich geformten Brüsten eine wahre Augenweide war. Nachdem ihre Haare wieder sauber sortiert waren, schmunzelte sie leicht, wobei sie die Lippen auf eine Weise verzog, die irgendwie merkwürdig aussah, wie Kentarian fand.

Dann geschahen Dinge, die Kentarian zwar sah, aber in ihrer ganzen Vielfalt nicht einmal ansatzweise verarbeiten konnte. Zuerst griff sich die blonde schlanke Frau über die Schulter, zog an einem Band und ließ ihr Kleid zu Boden gehen.

Dass sie darunter nichts als nackte Haut trug, erstaunte und erfreute Kentarian, sein Kopf und andere Dinge seines Körpers reagierten sofort. Er starrte von ihren prallen Brüsten zu ihrem flachen wohlgeformten Bauch und weiter tiefer zwischen ihre Beine. Ein Großteil des kleinen dicken Mannes war nun damit beschäftigt, die Eindrücke zu verarbeiten und nicht von den Reizen überwältigt zu werden.

Einen Moment stand die Frau einfach da und ließ, wie es aussah die Männer genießen, jeder der sechs Männer trat ein oder zwei Schritte näher heran, um ein bisschen besser sehen zu können. Dann kam schlagartig Bewegung in den Frauenkörper, eine Abfolge so schneller Bewegungen, dass keiner der Anwesenden sie alle verfolgen, oder gar darauf reagieren konnte.

Mit einem gezielten Schlag der Handkante brach sie dem Großkanzler den Kehlkopf, der mit aufgerissenen Augen zusammenbrach. Der Ellenbogen des anderen Arms zertrümmerte kurz darauf die Schläfe des Kämmerers, so das Blut und Hirnmasse aus einer aufgeplatzten Augenhöhle über den Tisch spritzten und dabei ebenfalls die prallen Brüste der Frau trafen.

Dem Diener, der nahe am Tisch stand, rammte sie mit den Handballen die Nasenknochen tief in den Schädel und wandte sich dann den Wächtern zu, die gerade versuchten ihre Schwerter zu ziehen.

Der Erste schaffte es nicht einmal sein Schwert ganz aus der Scheide zu bekommen, bevor sie ihm mit einem gezielten Fußtritt das Genick brach. Der andere hatte mehr Glück mit seinem Schwert und schwang es in einem mächtigen Schlag von oben nach schräg unten, um die Angreiferin in Stücke zu hacken.

Die nackte unendlich gelenkige Frau tauchte unter diesem Schlag hinweg und rammte ihr Knie kräftig zwischen die Beine des Mannes, der sofort wie ein nasser Sack zusammenbrach und es wahrscheinlich nicht einmal mitbekam, wie sie ihm kurz darauf mit beiden Händen das Genick brach.

Kentarian hörte, wie der Großkanzler röchelte und auf dem Boden herum zuckte, sah dann vor Schreck und Schock wie gelähmt zu, wie die schlanke nackte Kämpferin auf ihn zusprang. Ihn mit einem Bein von den Füßen holte, sodass er einfach zu Boden ging und auf dem Rücken liegen blieb. Dass, was dann passierte, mochte vielleicht in wildesten Träumen das gewünschte Ende von Kentarian gewesen sein, aber als er es dann erlebte, war es doch nicht so, wie er es vielleicht erhofft hatte.

Die nackte Schönheit sprang auf ihn und dass letzte, was er erblickte, waren ihre langen schlanken Beine und die dazwischen liegende von jedem Haar befreite Scham. Mund und Nase des Mannes fest in ihrem Schoß verborgen, lauschte sie dem letzten Röcheln des Großkanzlers von Jemas und erfreute sich mit tiefen Atemzügen am Zucken und Winden des unter ihr langsam sterbenden Mannes.

Als es im Raum und unter ihr ganz still war, stand sie leichtfüßig auf, reinigte sich mit dem auf dem Tisch stehenden Wasser aus der Karaffe und einem Tuch, das sie aus einer Tasche des Dieners zog, ging zu ihrem Kleid und zog es wieder an.

Sie griff sich die Truhe, die nicht mal annähernd so schwer war, wie der jetzt tote Adlige hatte vermuten lassen. Leichtfüßig, ein wenig beschwingt, ging sie aus der Tür und spazierte wie selbstverständlich durch die Gänge des Palastes, niemand stellte ihr Fragen, niemand hielt sie auf ihrem Weg nach draußen auf.

Die sechs Leichen fand man erst am nächsten Tag, aber da waren die wunderschöne Frau und die alte Truhe schon längst nicht mehr in der Hauptstadt des Kaiserreiches Jemas.

 

 

Ein Kunde

Ein Kunde – Talir, freie Handelsstadt, Südreiche im Spätherbst des Jahres 13.266.

 

Lestraja beobachte gelangweilt die Händler auf dem Trabortak, dem südlichen Handelshafen von Talir. Ihr Auftraggeber hatte mitgeteilt, dass der Kunde um den es ging, gegen Abend hier vorbeikommen sollte. Ein Blick zur Sonne zeigte, dass dies noch eine ganze Weile dauern würde. Also Zeit, um entweder hier zu warten, oder etwas anderes zu tun. Lestraja entschied sich für das Zweite, sie machte sich auf den Weg zum einzig interessanten Ort hier im Hafen – dem Wirtshaus von Jumalo.

Der Eisentaler lag am westlichen Rand des Hafens, nah an der Mauer zum Stadtgebiet von Talir. Eine typische Hafenkneipe, die von den üblichen Gästen besucht wurde. Lestraja sah gerade zwei Seeleute Arm in Arm aus der Tür wanken, als sie um die Ecke der Gasse bog, an deren Ende die Schenke lag. Die beiden betrunkenen Männer waren, wie es aussah, aus dem Kaiserreich, also entweder von einem der Handelssegler, die am Südkai lagen, oder von der großen Fregatte der kaiserlichen Kriegsmarine, die draußen am Oststeg lag.

Lestrajas Beruf brachte es mit sich, dass sie ihre Umgebung immer genau beobachtete und jeden, der ihr entgegenkam, genau studierte. In dieser etwas vom Trubel entfernten Straße konnte sie im Moment nur die zwei betrunkenen Seeleute, auf sich zuwanken sehen. Außerdem bemerkte sie in Schatten eines Eingangs einen Tark, der aber gerade in der Dunkelheit verschwand. Tark sah man in Talir äußerst selten und wenn dann eher in den Händlervierteln oder bei den Handwerkshäusern in der Nordstadt.

Die beiden angetrunkenen Matrosen, die auf sie zukamen, bemerkten sie erst, als sie nur noch zwanzig Schritte von ihnen entfernt war.

„Aber Hallo! Na kleine … Dame!“, versuchte der eine ein paar zusammenhängende Worte schwerfällig über die Lippen zu bekommen.

„häddest du seit für swei einsame seemänner?“, nuschelte der andere, der Mühe hatte sie mit den Augen zu fangen.

Lestraja wusste, was die beiden von ihr wollten. Sie sahen eine große schlanke, sehr gut gewachsene Frau, die im Gegensatz zu den meisten Mädchen in der Stadt nicht bronzene Haut hatte, sondern sehr helle, fast weiße. Dazu besaß sie langes blondes Haar, hellblaue große Augen und einen kleinen kirschroten Mund. Eine Zusammenstellung, die ihr in der Stadt des Öfteren lüsterne Blicke von Männern einbrachte, aber ebenso oft bitterböse von deren Weibern.

Ausschlaggebend für das deutliche Interesse der beiden Seemänner war wohl das Kleid, das den Ansatz ihrer durchaus üppigen Brüste gut hervorhob und eine Handbreit kürzer ausfiel, als es sonst üblich war, was aber eher daran lag, dass sie ein Stück größer war als die meisten Frauen in Talir.

Als die Männer auf gleicher Höhe waren, versuchte einer der beiden, das Mädchen mit seiner großen Hand zu greifen.

„Komm meine Kleine!“

Lestraja tauchte unter seinem Arm hindurch und lächelte die beiden frech an: „Ihr beiden seit viel zu betrunken um eine gute Figur in einem Spiel zu machen, das ich viel besser beherrsche, als ihr es euch jemals erträumen könntet.“

„Aber aber“, brabbelte der größere der beiden und nestelte an seiner Hose herum.

„Lass den kleinen Seemann, wo er ist“, lachte Lestraja. „Der weiß ja nicht, was er im Freien sollte.“

Durch den Versuch seine Hose zu öffnen, gerieten beide aus der Balance und hatten einige Momente zu kämpfen, um wieder gerade auf der Gasse zu stehen. Diese Zeit reichte ihr aus, um bis zur Tür der Hafenkneipe zu kommen. Sie wuchtete die schwere aus Schiffsplanken gefertigte Eingangstür auf und trat in den dunklen Raum dahinter ein.

Ihre Augen brauchten einen kleinen Augenblick um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, deswegen hatte sie einen Schritt nach links gemacht und sich auf ihre anderen Sinne verlassen.

Am Tisch hinten rechts in der Ecke würde wie üblich der alte Elebnam sitzen, also jemand den sie nicht beachten musste. Von vorne links hörte sie ein leises Schnaufen, gefolgt von einem schleifenden Geräusch, das konnte nur der Wirt sein, der sein Holzbein über den Boden bewegte.

„Was willst du hier?“, hörte sie seine knurrige Stimme.

„Dein vorzügliches Essen genießen!“, antwortete sie.

In jeder anderen Hafenkneipe im Umkreis von tausend Seemeilen wäre das wohl ein schlechter Witz gewesen, nicht aber so im Eisentaler. Ganz im Gegensatz zum äußeren Schein gab es hier wirklich gutes Essen. Jumalo der Wirt, den jeder nur „Wirt“ nannte, war einmal Schiffskoch gewesen, wohl auf einem Schiff auf dem Wert auf gutes Essen gelegt wurde. Da Lestraja wusste, das Essen in ihrem Beruf wichtig war, kannte sie überall in der Stadt die Besten Plätze, im Hafen war es der Eisentaler, nicht eben günstig, dafür gut und reichlich.

„Wir haben noch Reste vom Mittag“, sagte der Wirt nun deutlich freundlicher.

„Das ist gut, ich hätte dann gerne eine kleine Portion.“

Mittlerweile hatten sich ihre Augen an das dämmerige Licht im Raum gewöhnt und sie konnte erkennen, dass außer dem alten Elebnam noch jemand anderes im Raum saß.

Ein Drohk hockte mit gekrümmten Nacken an einem Tisch und hatte einen Teller und einen großen Holzbecher vor sich stehen. Zwar waren die Drohk hier im Süden weitaus öfter anzutreffen als im Norden, aber trotzdem war es eher selten, dass sie in einer Kneipe an einem Tisch saßen.

Das Wesen war wie alle seine Artgenossen in eine graubraune Kutte mit Kapuze gekleidet, die Kopf und Körper komplett verbarg. Auffällig an diesem hier, war sein Gesicht, das zwar wie alle anderen Drohk aussah, aber von einer markanten tiefen Narbe unter dem rechten Auge gezeichnet war. Lestraja war verwundert, dass sie das riesige Reptil nicht gerochen hatte, denn normalerweise konnte sie sich auf ihre Nase verlassen. Vielleicht lag es an der üblen Luft hier im Raum.

Sie schaute sich um und suchte sich einen Platz zu sitzen aus, was bei einem Raum mit nur fünf Tischen eigentlich leicht sein sollte. Aber neben Elebnam wollte sie nicht sitzen, es ging ihr auf die Nerven, andauernd von seinen Blicken ausgezogen und mit lüsternen Bemerkungen versehen zu werden. Vorne links konnte sie nicht sitzen, dort hatten die beiden Matrosen wohl ihr Essen und andere Dinge auf dem Boden verteilt, die der Wirt gerade versuchte zu entfernen. Also blieb ihr der Tisch neben dem Drohk, den sie ansteuerte und sich mit dem Rücken zur Wand hinsetzte.

Nach einem knappen Docht kam der Wirt mit einem Teller und einem kleinen Holzbecher zum Tisch und stellte ihn vor Lestraja hin.

„Das macht einen Kupfer“, sagte er.

Sie griff sich in den Ausschnitt und holte das Geforderte hervor, legte es auf die Tischplatte und lächelte den Wirt an.

„Danke“

Es gab ein recht großes Stück helles Fleisch, von dem sie nicht sagen konnte, was es war, das aber einen appetitlichen Geruch verströmte. Dazu gab es verschiedenes Gemüse mit einer hellen würzigen Soße. Im Holzbecher befand sich, wie im Süden üblich, ein verdünnter Gewürzwein. Alles zusammen eine ausreichende Mahlzeit, die wirklich gut schmeckte und vor allem aus frischen Zutaten bestand.

Nachdem Lestraja ihren Teller leer gegessen und den Becher fast ausgetrunken hatte, beobachtete sie den Drohk, der auf seinem Teller eine Mischung aus rohem Fisch und merkwürdigen grünen Sprossen gehabt hatte und nun damit beschäftigt war, seinen Becher mit einem scharf riechenden Tee auszutrinken.

„Dein nächster Kunde wird dir Probleme bereiten“, sagte der Drohk unvermittelt und starrte weiterhin in seinen Becher.

Zuerst dachte Lestraja, sie hätte sich verhört, oder ihre Sinne hätten ihr einen Streich gespielt, dann aber wiederholte der Drohk sich.

„Dieser Kunde und die darauf folgenden Ereignisse werden dir mehr Probleme bereiten, als jemals ein Kunde zuvor“, sagte er leise aber deutlich.

Normalerweise nicht auf den Mund gefallen, fehlten ihr jetzt völlig die Worte. Was wollte der Drohk von ihr, wie kam er auf die absonderliche Idee, ihr so etwas zu sagen? Sie wusste wie jeder in Talir, das die großen Reptilien Dinge wussten und taten, die ein normaler Mensch nicht verstehen konnte. Sich aber in die Belange von anderen einzumischen, gehörte normalerweise nicht zu ihren Gepflogenheiten.

„Woher willst du von meinen Kunden oder meinen Tätigkeiten wissen? Kümmere dich um die Angelegenheiten deines Volkes!“

Sie hörte ein rasselndes Geräusch und dann blickte sie der Drohk direkt an: „Das tue ich kleine Menschenfrau.“

„Was weißt du über meine Kunden und über meine Arbeit?“

Wieder dieses rasselnde Geräusch, das wie Lestraja nun vermutete, eine Art Lachen darstellte.

„Ich weiß alles, was ich wissen muss. Deinen Kunden beobachte ich schon länger und die Art deiner Geschäfte ist mir bekannt.“

„Wenn du schon alles weißt, kümmere dich um andere Dinge, ich brauche deinen Rat nicht!“, fauchte Lestraja und leerte ihren Becher.

„Ich weiß genügend über dich, du wirst, egal was ich dir jetzt sage, deinem Auftraggeber nicht die Dienste verweigern und deinen Kunden wie von ihm gewünscht aufsuchen. Ich kann dich also nur warnen und dir dies hier geben“, mit diesen Worten warf er ihr etwas zu.

Noch im Flug konnte Lestraja den Gegenstand erkennen und entschied ihn zu fangen – ein Lederband mit einem kleinen runden Anhänger. Mit einer schnellen Bewegung fischte sie die Kette aus der Luft und wurde von dem unerwartet hohen Gewicht des Amuletts überrascht. Es war oval und vielleicht doppelt so groß wie ihr Daumennagel, aus einem Metall, das schwarzblau glimmerte, mit eigenartigen Zeichen, die rundherum eingraviert waren.

„Schmuck bekomme ich in meinem Gewerbe nicht sehr häufig, also was soll ich für dich machen?“, sie schaute das Amulett an. „Nein, für ein bisschen schönen Tand verkaufe ich mich nicht an eine Kreatur wie dich!“, sagte sie und wollte es zurückwerfen, als der Drohk wieder dieses Rasseln ausstieß.

„Ihr Menschen seid ein wunderliches Volk! Nimm das Geschenk an und sei achtsam in Zukunft.“

Mit diesen Worten stand das Wesen auf, musste dabei aber seinen Kopf schräg stellen, weil die Decke zu niedrig für ihn war.

„Deine Tage werden außergewöhnlich, selbst für jemanden in deinem Gewerbe“, raunte er ihr abschließend zu.

Ohne sich umzudrehen, ging der Drohk zur Tür und verschwand aus dem dunklen Raum. Zuerst wollte Lestraja hinterher, um zu sehen, wohin dieses Wesen ging, entschied sich aber dagegen.

Der Wirt, der die ganze Zeit schweigend hinter dem Tresen gestanden hatte, ging zum Tisch des Drohk und räumte Teller und Becher weg.

„Dann war er die ganze Zeit wegen einer Dirne hier?“, grummelte er leise.

„Bitte was?“, wollte Lestraja wissen.

„Der Drohk, er kommt schon seit zehn Tagen jeden Morgen hierher und bleibt bis zur Abendglocke. Jeden Tag das gleiche Essen und jeden Tag hat er einfach nur dort gesessen. Jetzt kommst du, er spricht mit dir, gibt dir den Anhänger und verschwindet dann einfach. Ich bin mir sicher, er wird morgen nicht mehr kommen.“

„Nur um mir dieses Schmuckstück zu geben?“, sie zeigte es dem Wirt. „Was soll ich damit, selbst in einem Leihhaus würde ich dafür nur ein paar Kupfer bekommen!“

„Man sagt, die Drohk haben besondere Gaben und sie beherrschen Magie!“

„Was man so alles sagt“, sie stopfte sich den Anhänger samt Lederband in den Ausschnitt und stand auf. „Ich habe zu tun! Danke euch für das gute Essen Wirt.“

Jumalo sagte nichts mehr, sondern starrte ihr nur nach, wie sie den Gastraum verließ. „Eine seltsame Dirne“, dachte er bei sich. Normalerweise strahlten die Straßenmädchen der Stadt nicht so viel Selbstsicherheit aus. Außerdem war sie die Einzige von ihnen, die hier ab und an ein Essen bestellte, die anderen gingen in ihre Freudenhäuser oder in billige Herbergen in der Nordstadt. Er zuckte mit den Schultern: „Kunde ist Kunde“, sagte er sich und ging zum alten Elebnam, der mal wieder an seinem Tisch eingeschlafen war.

Lestraja ging unterdessen zurück zum Trabortak, ihr Kunde würde mit Sicherheit bald hier eintreffen, also wollte sie vor Ort sein, um ihn nicht zu verpassen. Pünktlichkeit war einer der Dinge, die in ihrem Gewerbe mehr bedeuteten, als so mancher es glauben würde.

Ihr Auftraggeber hatte ihr mitgeteilt, dass der Kunde einer der Bajur war, also einer der von sich selbst behauptete ein Wüstenprinz zu sein. In Wirklichkeit waren sie aber nur Wegelagerer und Räuber, die in der Wüste alles ausraubten, was sie fanden. Dass die Bajur von sich selber als Adelsgeschlecht sprachen, fand Lestraja fast lustig, denn so etwas wie Benehmen kannten sie alle nicht, das hatte sie selbst schon öfters aus nächster Nähe kennengelernt.

Die Wüstenräuber waren wie die Ratten, man traf sie selten alleine. Es war also davon auszugehen, dass es auffallen würde, wenn sie auf dem Gebiet es Handelshafens auftauchten. Vor allem würde es Aufsehen erregen, wenn sie mit ihren Reittieren durch die Menge zogen. Sehr wahrscheinlich wäre das der beste Zeitpunkt um einen ersten Kontakt herzustellen, ohne das es zu auffällig wäre. Diskretion, Verschwiegenheit und Zurückhaltung gehörten zu den Eckpfeilern ihres Gewerbes.

Nur wenig später konnte sie die ersten Rufe, der Tutuks hören. Die Reittiere der Wüstennomaden waren schon, über weite Strecken zu hören. Tutuks waren riesige Echsen mit Nackenschild und breiter Schnauze. Auf ihnen konnte man große Mengen an Waren transportieren und lange Strecken in der Wüste überwinden, weil sie wenig Wasser benötigten und ausdauernd marschieren konnten.

Nach etwa drei Dochten trampelten die ersten beiden Tiere auf den großen zentralen Platz des Handelsmarktes, nacheinander folgten, sieben weitere. Alle waren bepackt mit Waren und Ausrüstung der Bajur, mindesten siebzig vermummte saßen auf den breiten Rücken und beobachteten von oben das Geschehen auf dem Markt um sie herum. Vor jeder der Reitechsen gingen zwei weitere vermummte Gestalten, die ein dünnes Seil in der Hand hatten, das durch die Nase der Tiere lief, sodass sie gelenkt werden konnten.

Lestraja schlenderte unauffällig näher an die Tiere und suchte unter den Vermummten ihren Kunden. Der Auftraggeber hatte gesagt, dass es der Auffälligste von ihnen sein würde. Im Moment war aber keiner der Bajur anders als der andere, alle in graubraune Umhänge gehüllt und alle mit den typischen Stofftüchern um den Kopf.

Die Tiere wurden mit lauten Kommandos zum Stehen gebracht und die ersten der Vermummten sprangen hinunter. Hier würde in spätestens einer Kerze ein großes Zelt stehen und viele Marktstände drum herum. Denn obwohl die Bajur zu zuallererst Wüstenräuber und Wegelagerer waren, hatten sie doch etwas von Händlern, sie boten ihre Beute wie selbstverständlich in den verschiedensten Städten an. Gar nicht so selten konnten dann die Beraubten, falls sie den Überfall überlebt hatten, ihre eigenen Waren auf diesen Märkten wiederfinden.

Wie viele andere beobachtete die blonde Frau, wie die Bajur ihr Marktlager errichteten, schon in den ersten Momenten wurde ihr klar, wer der Kunde sein musste. Ein Mann brüllte Anweisungen und trieb alle zur Eile an, es musste der Anführer dieser Gruppe sein. Völlig im Gegensatz zu den übrigen Wüstenbewohnern, die meist nur knapp sechs Fuß maßen, war ihr Anführer ein Riese, mit über sieben Fuß überragte er alle anderen um ihn herum. Er hatte imposante Oberarme und ein breites Kreuz, das nun, nachdem er seinen staubigen Umhang abgelegt hatte, gut zu erkennen war.

Unauffällig bewegte sich Lestraja näher an den Anführer heran, sie zog ihr Kleid zurecht, so das ihr Busen besser zur Geltung kam und wartete ab was weiter passieren würde. Sie war sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst, denn in der meist dunkelhäutigen Bevölkerung stach sie alleine durch ihre Haare und die helle Haut hervor. Wurde ein Mann dann erst einmal auf sie aufmerksam, reichte meist ein Blick auf ihren schlanken und trotzdem üppigen Körper, um ihm die Säfte zusammenzutreiben.

Es dauerte gar nicht so lange, bis der Anführer der Wüstenräuber einen ersten Blick in ihre Richtung warf. Schon kurz darauf der Zweite, dann beim Dritten bückte sich Lestraja leicht, wie um ihren Rocksaum zu glätten, ließ dabei die Schultern etwas angezogen und erlaubte ihm einen direkten Einblick in den Ausschnitt ihres Kleides. Der Vierte, fünfte und sechste Blick, machten dann ganz deutlich, dass er in der Falle saß.

Als das Hauptzelt der Bajur stand, ging der Oberräuber zum Angriff über, das glaubte wenigstens er. Lestraja musste sich das Lachen verkneifen, denn in ihren Augen war es kein Angriff, sondern nur der Opfergang eines in die Falle gegangenen Beutetiers.

Er war einer der Männer, der von sich glaubte, er sei die Krone der Schöpfung und alle Frauen würden ihm zu Füßen liegen.

„Eine kleine strahlende Blume in den dunklen Gärten von Talir“, säuselte er mit einem leichten Singen in der Stimme.

„Darf ich mich dir vorstellen? Hassik itan Tir, Fürst der Bajur, Anführer dieser kleinen edlen Schar!“, sagte er mit einer leichten Verbeugung.

Lestraja lächelte nur leicht und senkte den Blick, sie wusste ganz genau, dass jetzt ein bisschen schüchtern sein, ihre Position nur noch festigte und ihn umso leichtsinniger machte.

„Nicht so Scheu kleine Blume! Wie heißt du?“

„Lestraja, Herr“, sagte sie gerade laut genug, damit er es hören konnte.

„Ah! Ein schöner Name – es würde mich freuen, wenn ich dir persönlich die schönsten Stücke unserer Waren zeigen dürfte, kleine Lestraja.“

Er hatte laut gesprochen, sodass die Menschen um sie herum alles Hören konnten, ein schlauer Schachzug, denn alle konnten an seiner Großzügigkeit teilhaben, und ein schüchternes Mädchen würde nun nicht mehr Nein sagen können.

„Oh gerne, Herr“, hauchte sie deswegen kleinlaut, ein wenig pipsig in der Stimme.

„Dann komm!“, rief er und zog sie zu sich in den Arm.

Er roch ungewaschen und nach den scharfen Ausdünstungen der großen Echsen, seine Hand, die er auf ihre Schulter gelegt hatte, war schwielig und hart. Trotzdem lächelte sie ihn von unten heraus lieblich und schüchtern an – Kunde war Kunde! Da er fast einen Kopf größer war als sie, musste sie ihren Nacken fast verrenken, um ihm direkt ins Gesicht schauen zu können.

Er hatte dunkelbraune, fast schwarze Augen, eine Hakennase, einen schmalen harten Mund, ein breites Kinn und kleine Ohren, die unter dem langen fettigen schwarzen Haar kaum zu sehen waren. Unter dem linken Auge hatte er eine Narbe, die fast bis zum Haaransatz vor dem Ohr reichte. Insgesamt war er ein unansehnliches Stück Mann, für das Lestraja sich im Normalfall nicht einmal umgedreht hätte. Geschäft war Geschäft, also lächelte sie lieblich und schüchtern und drängte sich ein bisschen näher an ihn heran.

Das Hauptzelt war zuallererst einmal dunkel und roch ebenso wie der Wüstenräuber nach den Echsen, hinzu kam kalter Rauch und ein eigenartiger Geruch nach Gewürzen.

„Was möchtest du zuerst sehen, kleine Blume?“, sagte Hassik noch laut für das Publikum vor dem Zelt. Dann leiser: „Mein Lager, oder soll ich es dir gleich hier besorgen?“

Das war eindeutig, dachte Lestraja sich lächelnd und schaute sich im Zelt um. Das Zeltinnere durchmaß knapp vierzig Schritte, an den Außenseiten waren Decken und Felle ausgebreitet, einige Säcke und Kisten standen dazwischen. Hier schienen die Bajur zu schlafen, aber im Moment war keiner außer ihnen im Inneren, was bestimmt kein Zufall war. Sehr wahrscheinlich kannten die Mitglieder der Gruppe das Verhalten ihres Anführers schon, sodass sie es bestimmt nicht wagen würden, jetzt das Zelt zu betreten.

„Na meine Schöne, wie möchtest du es, dass ich es dir besorge?“, kam es nun fordernder.

„Dein Lager wäre mir recht“, sie schaute ihn, mit einem Lächeln an und zwinkerte. „Ich hoffe, du bist so stark, wie du aussiehst, und vermagst mich zu bändigen“, schnurrte sie und zog ihn zur gegenüberliegenden Wand des Zeltes.

Von ihrer plötzlichen Aktivität überrascht, ließ er sich mitziehen und folgte gehorsam. Der Platz war ideal für die Dinge, die sie vorhatte, diesen Platz konnte man von außerhalb nicht sehen und keiner der Bajur würde es wagen hier hineinzukommen, wenn ihr Anführer mit einer Frau im Zelt war.

„Dann wollen wir doch mal sehen was du zu bieten hast?“, sagte Hassik itan Tir gierig und fasste ihr in die Bluse. Seine große raue Hand umfasste ihre linke Brust und drückte unsanft zu.

„Das ist doch schon mal ein pralles Stück, wenn der Rest genauso stramm ist, werden wir unseren Spaß haben“, grunzte er zufrieden.

 

 

Störenfriede

Störenfriede – Talir, freie Handelsstadt, Südreiche im Spätherbst des Jahres 13.266.

 

Gerade wollte die blonde Frau ihrem Kunden das volle Programm bieten, als auf einmal die Zeltplane des Eingangs kurz aufging und sich ebenso schnell wieder schloss. Ärgerlich schaute sich Lestraja um, wer wagte es, sie gerade jetzt zu stören?

Zwei schlanke Gestalten standen im Gegenlicht, das durch die Ritzen des Eingangs fiel. Dies waren keine der anderen Bajur, das konnte man schon an den Umrissen erkennen, die deutlich größer ausfielen.

„Wer wagt es hier einzudringen?“, schnaubte der Anführer der Bajur ärgerlich, zog die Hand aus der Bluse der blonden Frau und griff zum langen Dolch an seinem Gürtel.

„Bist du der, den man Hassik nennt, Sohn von Asif, Familienmitglied der Tir?“, sagte eine kalte glatte Stimme, die einen eigentümlichen Akzent aufwies.

„Wer will das wissen?“, schnarrte der Angesprochene zurück.

Lestraja nutzte den Augenblick der Ablenkung und trat zwei Schritte zur Seite, ihr Instinkt schrie sie geradezu an, zu verschwinden, aber ihre Neugier behielt noch die Oberhand.

„Das tut nichts zur Sache, bist du der, den wir suchen?“

„Und wenn? Was wollt ihr beiden dürren Marunap“, er lachte meckernd über einen Scherz, den wohl nur er verstand.

„Wir suchen etwas, das nach unseren Informationen nur du haben kannst!“

„Ich habe vieles!“, lachte der Bajur. „Vielleicht auch etwas für euch, wenn ihr genügend Gold dabei habt!“

„Das sollte das geringste Problem sein“, sagte die kalte Stimme und man hörte das Klimpern von Münzen.

„Ich höre die Worte eines Geschäftsmannes! Also was sucht ihr beiden so dringend?“

Die beiden Eindringlinge traten von dem Eingang weiter in die Mitte des Zeltes und waren nun besser zu erkennen. Lestraja hatte niemals solche Männer gesehen, so völlig anders als jeder andere Mann in Talir und sonst in den Südreichen. Sie waren in feine hellbraune Lederhosen mit Stickereien an den Seiten gekleidet und hatten dazu hohe Stiefel in derselben Farbe an, die fast so schmal wie Frauenschuhe waren.

An ihren mit Schmucksteinen besetzten Gürteln hingen jeweils zwei schmale lange Schwerter mit aufwendig gearbeiteten Griffen, dazu ein silberner reich verzierter Dolch. Darüber trugen sie jeweils ein weißes Hemd aus feinem Stoff, das ebenfalls mit Stickereien versehen war und eine hellbraune Jacke aus feinstem Leder.

Die Gesichter waren erschreckend gleichförmig und unnatürlich schön, wie die Statuen die Lestraja im Kaiserreich schon gesehen hatte. In der bleichen glatten Haut, des Gesichts stachen die hellblauen leicht schräg gestellten Augen kalt und grausam hervor.

Lange hellblonde Haare umrahmten die Gesichter und kleine, wie es aussah spitz zulaufende Ohren, schauten daraus hervor. Das Nächste, was ihr auffiel, war der bittere Geruch, der die anderen im Zelt überlagerte und im Hals kratzte.

„Uns wurde zugetragen, dass du die alte Wüstenstadt Artuuma gefunden und dort einige Dinge mitgenommen hast, die du heute hier anbieten möchtest.“

„Könnte sein! Was interessiert dich die Hinterlassenschaft einer alten Stadt?“

„Das geht dich nichts an! Hast du diese Stadt gefunden und betreten?“

„Beides ja! Und wenn du noch mal so anmaßend mit mir redest, wenn eine Dame in der Nähe ist“, er wies auf Lestraja, „dann schlitze ich euch beide von oben bis unten auf! Haben wir uns so weit verstanden?“

Ein kaltes abschätziges Lachen war die einzige Antwort auf die Drohung des Bajur, die beiden Fremden schienen sich sehr sicher zu sein.

Lestraja machte sicherheitshalber noch einen Schritt, bis ganz an die Außenwand des Zeltes. Ihr waren diese beiden immer weniger geheuer, aber die Zeit zur Flucht war vorbei. Sie hatte im Laufe der Zeit eine Menge Erfahrung mit allen Arten von Männern sammeln können, normalerweise waren sie mit den richtigen Mitteln leicht manipulierbar, aber diese beiden hier, verursachten ihr so etwas wie Unbehagen.

„Wir suchen ein besonders Stück. Eine Truhe aus schwarzem Holz mit breiten silbernen Bügeln, die du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht öffnen konntest.“

„Und wenn ich sie gefunden hätte? Was wäret ihr bereit dafür zu bezahlen?“, fragte der Wüstenräuber lauernd.

„Genügend für dich und deine Familie“, sagte einer der beiden merkwürdig schönen Männer.

„Dann lass sehen was du zu bieten hast, die ganze Truhe könnte voller Gold sein. Da musst du schon einiges dabeihaben.“

Langsam schlenderte der Linke der beiden Männer näher an den Bajur und schaute ihn durchdringend an. In Lestraja läuteten alle Alarmglocken, irgendetwas hatte er vor und ganz bestimmt bedeutete das nichts Gutes.

Selbst dem Wüstenbewohner wurde jetzt, trotz seiner Goldgier bewusst, dass er in Gefahr schwebte, er zog seinen langen schmalen Dolch blank und knurrte: „Bleib, wo du bist, ansonsten schneide ich dir die Ohren vom Kopf!“

„Die Truhe ist hier? Habe ich recht?“, sagte der Blonde jetzt schneidend, blieb dabei aber nicht stehen, sondern ging langsam weiter.

Der Bajur erkannte spätestens jetzt, dass ihm die Situation entglitt und er etwas unternehmen musste, um nicht unterzugehen. Er setzte an, um nach seinen Männern zu rufen, die draußen wohl weiterhin ihrer Arbeit nachgingen.

Noch, bevor der Anführer der Wüstenräuber nur ein Wort rufen konnte, zog der schlanke Mann beide Schwerter aus den Lederscheiden an seinem Gürtel und vollführte eine schnelle Bewegung mit beiden Klingen.

Es geschah so schnell, das man mit den Augen kaum folgen konnte, die eine Klinge schlug den Dolch des Bajur zur Seite, die andere trennte ihm den Kopf sauber vom Körper.

„Ab hier brauchen wir dich nicht mehr, dummer stinkender Mensch!“, schnarrte der Mann mit kalter Stimme.

„Ich spüre die Truhe und ihren Inhalt“, sagte der andere. „Sie ist hinter der kleinen Straßendirne, beseitige sie und lass uns mit der Truhe verschwinden.“

Lestraja war nicht wirklich traurig darüber, dass der Bajur tot am Boden lag, ein bisschen aber, über die Schnelligkeit seines Ablebens. Ihr Auftraggeber hatte diesem Kunden ein qualvolles Ende gewünscht, deswegen war gerade sie für diesen Auftrag ausgewählt worden.

Sie war der Assassine im Bund der Mörder, der dafür bekannt war, besonders grausam und schmerzhaft töten zu können. Was der Bajur getan hatte, um so ein Ende zu verdienen, war ihr im Endeffekt egal, es war ihr Auftrag gewesen ihn langsam und schmerzvoll zu beseitigen und sie erfüllte ihre Aufgaben immer wie gewünscht.

Jetzt aber war es wohl an der Zeit die Tarnung fallen zu lassen und ihr Leben zu verteidigen. Sie griff unter ihren Rock, zog ihre beiden schmalen Dolche hervor, die sie immer im Unterkleid trug, und brachte sich in Verteidigungsposition.

„Oh, eine kleine Kämpferin“, lachte der Mann, der näher an ihr stand. „Das Menschenweib hat vor sich zu verteidigen! Ich werde sie bei lebendigem Leibe in kleine Stücke schneiden – das wird ein Spaß.“, er grunzte genüsslich.

„Lass den Unsinn“, sagte der hintere der beiden Männer, „schlag ihr den hässlichen Schädel ab und komm!“

Der Angesprochene schnaufte ärgerlich, verdrehte die Augen und griff an. Er wollte dieselbe Attacke wie bei dem Bajur nutzen, er schlug mit einem Schwert den rechten Dolch zur Seite, mit dem anderen einen schnellen gerade geführten Schlag zu ihrem Hals. Nur das sie bei seinem zweiten Schlag gar nicht mehr dort war, wo er sie vermutete. Die jahrelange Ausbildung zum Assassinen gab ihr den Vorteil, seinen Angriff schon vor der eigentlichen Bewegung zu erkennen.

Zwar war er in seinen Bewegungen ungewöhnlich schnell, selbst für sie als ausgebildete Mörderin. Trotzdem schaffte sie es, sich unter seine Klinge wegzudrehen und aus dieser Drehung heraus ihren zweiten Dolch von unten in seinen Brustkorb zu rammen.

Weil sie sich auf langsames qualvolles Töten spezialisiert hatte, wusste sie, wie und wo sie zustoßen musste, um jemanden nur Schmerzen zuzufügen, aber ebenso genau, wo es sofort zum tot führte.

Noch bevor ihr Gegner auf dem Boden aufschlug, stand sie schon wieder aufrecht und suchte den Augenkontakt zum zweiten Fremden. Vor ihr zuckte der Erste noch ein wenig, unter ihm breitete sich eine Blutlache aus.

„Dein Freund hat meinen Kunden umgebracht! So etwas mag ich nicht! Ich nehme seinen Tod als Entschuldigung an“, sagte sie mit einem liebenswürdigen Lächeln. „Falls du es möchtest, lasse ich dich gehen!“, fügte sie hinzu. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, beugte sie sich zum Toten und zog ihren Dolch aus dem noch zitternden Leichnam.

„Du kleine Menschenschlampe“, zischte er. „hast meinen Bruder umgebracht.“

Er schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an und sah nun so abgrundtief Böse aus, dass es Lestraja kalt über den Rücken lief.

Anstatt allerdings seine Schwerter zu ziehen, griff er sich in eine seiner Jackentaschen und förderte eine kleine silberne Dose hervor. Er öffnete sie, leckte einen seiner Finger nass und tauchte ihn in die Dose. Als er ihn hervorzog, war er mit einer Schicht aus etwas Graubraunem bedeckt.

Der blonde Mann steckte sich den Finger in den Mund und massierte sich das Zeug langsam und ausgiebig ins Zahnfleisch ein. Ein ekelerregender bitterer Gestank verbreitete sich schlagartig im Zelt, Lestrajas Hals und Nase fing an zu brennen. Während der ganzen Zeit schaute der Fremde sie an, so wie einige Männer, die es liebten sich selbst zu befriedigen, wenn eine Frau zuschaute und sie ihr Gesicht dabei anschauen konnten.

„Was bei allen Göttern machst du da?“, wollte die blonde Assassinin wissen.

Der Fremde schloss die Dose und stecke sie zurück in seine Jackentasche, er atmete tief durch und knurrte sie mit einem jetzt wahrhaftig irren Blick an: „Ich will deinen Tod in vollen Zügen genießen, deine Eingeweide riechen, dein Blut schmecken, deine Angst kosten.“

Anstatt etwas auf diesen Unsinn zu erwidern, schüttelte sie einfach nur den Kopf und fragte sich, was das für ein Zeug gewesen war, das er sich gerade in den Mund gerieben hatte.

Von der nächsten Aktion ihres Gegners wurde sie dann doch fast überrascht, in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit zog er seine Schwerter und stürmte auf sie zu. Selbst mit ihren geübten Reflexen hätte sie es fast nicht geschafft auszuweichen, so schnell war er bei ihr. Nur ein verzweifelter Sprung nach rechts brachte sie gerade noch aus dem Wirkungsbereich seiner Schwerter. Niemals zuvor hatte sie ein Wesen gesehen, das sich so schnell bewegen konnte – mit Ausnahme ihres Lehrers vielleicht.

Trotz der Eile schaffte sie eine einigermaßen saubere Rolle und war sofort wieder auf den Beinen und in Abwehrposition. In diesem Augenblick spürte sie ein scharfes Brennen zwischen ihren Brüsten und hätte fast geglaubt von einer der Klingen, getroffen worden zu sein. Ein schneller Blick nach unten zeigte ihr, dass dort nichts war, was sie hätte verletzten können.

Dann erinnerte sie sich an das Amulett, das sie von dem Drohk bekommen hatte, es war der einzige Gegenstand, der dort außer ihrem Busen war. Verborgen in einer kleinen Tasche, die sie in ihr Unterkleid, zwischen den Brüsten eingenäht hatte, lag das Amulett. Aus dem Brennen wurde schnell ein Prickeln, dann ein wohliges warmes Gefühl, das durch den gesamten Körper strömte.

Das Ganze dauerte nur die Bruchteile eines Augenblicks, in dieser Zeit hatte der Fremde sich orientiert und startete seinen nächsten Angriff. Merkwürdigerweise konnte sie diesem völlig mühelos ausweichen. Es reichten eine minimale Drehung ihres Oberkörpers und ein Schritt zur Seite, um seinen Schwertern auszuweichen. Die folgenden zwei Angriffe, waren ebenso voraussehbar, lange bevor sie die Schwerter erreichten, wusste sie schon, wohin sie sich bewegen musste, um ihm kein Ziel zu bieten. Die ganze Zeit durchflutete sie das wundervoll warme Gefühl, ausgehend von dem Amulett zwischen ihren Brüsten.

„Du dreckige Hure!“, keuchte der blonde Mann nach dem vierten fehlgegangen Angriff wütend.

Zwei weitere Versuche des Angreifers liefen ins Leere, er wurde merklich langsamer und kraftloser, während sie selbst keinerlei Ermüdung verspürte.

„Dreckige Menschenbrut! Was bist du? Niemand vermag es sich einem Varalam zu widersetzen!“, zischte der Mann und brach seine Angriffsserie ab.

Lestraja verbeugte sich leicht und behielt den Fremden dabei im Auge. „Lestraja! Assassinin des schwarzen Bundes, letzte und einzige Schülerin von Fatkur dem grauen Mörder. Stets zu diensten!“

Ihr gegenüber schaute sie finster an und knurrte: „Welche Art Magie nutzt du?“

„Magie?“, fragte sie kopfschüttelnd. „Wir sind der schwarze Bund und kein Zirkel von Zauberern!“

„Lügnerin, du stinkst geradezu nach alter Magie!“, sagte er und warf ansatzlos beide Schwerter in ihre Richtung.

Unter normalen Umständen hätte keiner beiden Schwertern gleichzeitig ausweichen können, sie waren so geworfen, das links und rechts ein Ausweichen völlig ausgeschlossen war. Lestraja hatte jedoch schon, bevor er die Waffen gehoben hatte, gesehen was passieren würde. Ein Vorgang, den selbst sie nicht mit ihrer langen harten Ausbildung als Mörderin erklären konnte. Anstatt den beiden Klingen auszuweichen, blieb sie stillstehen und konnte spüren, wie beiden Schneiden ihr ein paar Haarsträhnen vom Kopf schnitten.

Die schlanke Mörderin sah ihre Chance in diesem Kampf und machte einen Ausfall nach vorne in Richtung des Fremden. Dieser starrte seinen Waffen hinterher und schien erstaunt, dass seine Attacke neuerlich ins Leere gegangen war. Trotzdem, bevor sie nahe genug für einen direkten Angriff war, hatte er seinen eigenen Dolch gezogen und war bereit sie zu empfangen.

Dolch gegen Dolch, fast wie eine Spielsituation beim Yiilo, dem Spiel das Fatkur ihr beigebracht hatte. Es ging um Taktik, Überblick und Planung, genau wie bei einem Kampf zwischen zwei gleichwertigen Gegnern. Nur dass in diesem Kampf, Lestraja einen riesigen Vorteil hatte, sie konnte in dem Bruchteil eines Augenblicks, den dieser Angriff dauerte, alle Varianten erkennen die geschehen konnten. Ihre einzige Möglichkeit diesen Angriff erfolgreich zu beenden, lag im Vertrauen auf sein Können, sie musste seine Geschwindigkeit und seine Fertigkeiten gegen ihn benutzen.

Sie täuschte einen Angriff über seine linke Seite an, ließ dabei aber den rechten Fuß ein wenig zu weit nach innen gleiten und nahm die rechte Schulter ein Stück zu hoch. Ein geübter Krieger würde die Zeichen eindeutig als Finte erkennen können, sie aber legte alle Hoffnung in sein Können.

Die falsche Beinstellung und die erhobene Schulter würden einem wahrhaft guten Kämpfer zeigen, dass die Finte keine Finte war. Trotz allem wollte sie kein Risiko eingehen, sie konnte zwar sehen, das er auf ihren Angriff wie gewünscht reagieren würde, machte aber etwas, was mit Sicherheit niemand in dieser Situation gemacht hätte.

Lestraja sprang auf ihn zu, ließ sich fallen, tauchte im letzten Moment unter seinen Dolch hinweg, nutzte den Schwung ihres Angriffs und schlidderte über den Sandboden zwischen seine breit aufgestellten Beine. Noch bevor er sie mit seinem Knie auf dem Boden fixieren und ausschalten konnte, rammte sie ihm ihren Dolch genau zwischen die Beine.

Mit aller Kraft stieß sie zu und versenkte ihre Waffe bis zum Heft in seiner Männlichkeit. Blitzschnell war sie mir einer seitlichen Rolle wieder auf den Beinen, konnte nun das ungläubige und schmerzverzerrte Gesicht des Fremden sehen, der unfähig war, sich zu rühren. Der Dolch fiel ihm aus seiner kraftlos gewordenen Hand und landete direkt vor der Blutlache, die sich merkwürdig langsam ausbreitete.

Kurz überlegte Lestraja, ob sie mit ihrem anderen Dolch seine Kehle öffnen sollte, entschied sich aber dagegen, weil die Qual in seinem Gesicht ihr fast so etwas wie Freude bereitete.

„Ich weiß nicht wer oder was ihr beiden seid, aber ihr hättet meinen Kunden nicht töten sollen!“, sagte sie mit einem nachdenklichen Blick auf den langsam sterbenden Mann. Dies war einer der Augenblicke, in denen sie ihren Beruf genoss, es war die Macht, die sie über Leben und Tod hatte und das Gefühl von Lust das der Tod eines anderen ihr bereitete.

Nach einer Weile verließen Schmerz und Unglaube das Gesicht des Mannes, die Augen verloren Glanz und den Ausdruck. Die blonde Mörderin riss sich von seinem Anblick los und überlegte kurz, was zu tun wäre, um unbeschadet von hier zu verschwinden. Sie entschied die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen und ging zum immer noch aufrecht stehenden, aber schwankenden Fremden. Entschlossen griff sie sich den Dolch, der immer noch zwischen seinen Beinen steckte, und riss ihn mit einem Ruck heraus. Ein Schwall dunkles Blut schoss aus der Wunde, lief über ihren Arm und bespritze ihr Kleid. Der Fremde grunzte noch einmal, brach in die Knie und fiel vornüber in den Sand, das folgende Zucken seiner Beine endete schnell und er lag still.

„Dann wollen wir mal!“, sagte Lestraja entschlossen und begann damit ihren Abgang vorzubereiten.

Zuerst schaffte sie die drei Männerleichen dichter zusammen, beseitigte überzählige Blutflecken und Schleifspuren im Sand. Sie durchsuchte die beiden Fremden und förderte eine erstaunliche Anzahl Goldmünzen zutage, die sie um die drei Körper verteilte. Danach nahm sie den Dolch des Bajur, tauchte ihn in das Blut eines der Fremden und legte ihn zurück zum Wüstenräuber. Ihre eigenen Dolche legte sie zu den toten Fremden, denn man sollte keine Waffen bei ihr finden.

Sie schaute sich ihr Werk kritisch an, dachte kurz daran nach dieser Truhe zu suchen, um die es eben gegangen war. Entschied sich aber dagegen, denn was sollte sie mit einer Kiste, die sie nicht öffnen und mit Sicherheit hier nicht raustragen konnte. Der Auftrag hatte sich mit dem Tod des Bajurs erledigt, also war die Kiste für sie nicht wichtig.

Sie zog das Amulett zwischen ihren Brüsten hervor und band es sich um den Hals. Irgendetwas sagte ihr, das sie diesen Sieg nicht nur ihrer Schnelligkeit und Ausbildung zu verdanken hatte. Abschließend entledigte sie sich ihrer ganzen Kleidung, wischte sich das Blut des Fremden vom Arm und warf die Sachen in die Blutlache, die sich um den Bajur im Sand gebildet hatte.

Völlig nackt setzte sie sich ein paar Schritte von den Leichen entfernt in den Sand, rieb sich so lange die Augen, bis sie tränten. Holte tief Luft und fing an, laut zu schreien.

 

 

Banner der Jäger des Kaisers

 

Die Jäger des Kaiserreiches

Die Jäger des Kaiserreiches – Tamurat, Kaiserreich Jemas, südliche Reiche im Sommer des Jahres 13.266.

 

Der Kaiser persönlich hatte ihn angefordert, eine Tatsache die Berna ta Narrsil nicht ignorieren konnte, selbst sein Status als Hochadliger konnte ihn nicht vor dem direkten Befehl seiner erhabenen Majestät schützen. Wenn der Kaiser jemanden rief, hatte dieser zu folgen, wollte er nicht riskieren, seinen Kopf zu verlieren und seiner Familie dasselbe Schicksal aufzuzwingen.

Eine Familie hatte Berna zwar nicht, aber er war sich recht sicher, dass der Kaiser seinen gesamten Palast mitsamt der Dienerschaft hätte anzünden lassen, wäre er so dreist gewesen, nicht zu erscheinen. Diener waren ihm herzlich egal, aber die Dirnen, die er zur Belustigung eingekauft hatte, wären fürs Feuer zu schade gewesen. Außerdem mochte er das alte Haus mit seinen hohen Decken und den vielen gemütlichen Schlafzimmern.

Den Grund für sein Hiersein konnte er sich selbstverständlich denken, auch wenn er meist eher zurückgezogen, weit von der täglichen Politik lebte, hatte er die letzten Neuigkeiten aus dem Reich mitbekommen. Das gesamte Kaiserreich sprach von dem feigen Mord am Großkanzler und seinem Kämmerer, der am Tag des kaiserlichen Mondfestes, vor fast zwanzig Tagen stattgefunden hatte.

Aber warum gerade er, wegen dieses Mordes hierher gerufen wurde, vermochte er nicht zu sagen, denn er war schon seit mehr als fünf Jahren nicht mehr in aktiven Dienst. Mit dem Erreichen seines fünfzigsten Lebensjahres hatte er sein Anrecht auf Ruhestand wahrgenommen und lebte nun von seiner kaiserlichen Pension. Nicht viele Männer erreichten ein so hohes Alter in dem speziellen Dienst, den Berna für den Kaiser geleistet hatte.

Im Rang eines Generals erster Klasse hatte er seinen Dienst beendet und somit ein Anrecht auf Lebenszeit den Titel eines Hochadligen zu tragen. Mit dem Namen Berna ta Narrsil lebte es sich weitaus besser als mit dem, den er vorher getragen hatte und den außer ihm keiner mehr kannte.

Das er mit seinen fast 56 Jahren eher, wie ein Vierzigjähriger aussah, verdankte er seinem ihm unbekannten Vater, wenn man die Geschichten seiner Mutter glauben konnte. Sie hatte ihm an ihrem Sterbebett verraten, das er von einem besonderen Mann gezeugt worden war – einem Mann der, obwohl alt und weise, auch stark und energiegeladen war.

Was er von den Geschichten glauben konnte, wusste er nicht, es hatte sich aber im Laufe der Zeit herausgestellt, dass sie mit dem ‚Besonders‘ recht behalten hatte. Krank war er niemals gewesen, Verletzungen hatte er überstanden, die kein anderer überlebt hätte und Frauen konnte er beglücken wie ein junger Hengst.

Eigentlich hatte er vorgehabt diese Gaben noch viele, viele Jahre zu genießen und dem kaiserlichen Schatzmeister ordentlich auf die Tasche zu gehen. Deswegen war er umso missmutiger über die Order hier an den Hof zu kommen und womöglich wieder aktiv werden zu müssen.

Trotz seiner vielen Jahre im Kreise der Hochadligen und Müßiggänger, hatte er es sich immer noch nicht abgewöhnen können auf Pünktlichkeit und Erscheinung zu achten, deswegen war er fast eine Kerze zu früh anwesend und hatte sich den Umständen entsprechend gekleidet. Fein, in edle Stoffe, aber nicht zu auffällig, dunkle dezente Farben mit den Insignien seines Hauses, die er sich selber ausgedacht hatte – einem Fünfeck mit einem Dolch in der Mitte.

Die, die es zu deuten wussten, konnten sich denken, welchem Umstand er seinen Adelstitel und das viele Gold zu verdanken hatte. Er war einer der Jäger des Kaisers gewesen, einer der zehn kaiserlichen Attentäter, die nur dem Kaiser selbst gehorchten und nur ihm Rechenschaft schuldeten.

Und genau deswegen war es verwunderlich, dass er hier erscheinen sollte! Er selbst hatte seinen Nachfolger ausgebildet und in die Gemeinschaft eingeführt, er selbst hatte dafür gesorgt, dass die zehn Jäger komplett blieben. Was sollte ein alter Mann schon ausrichten, was die zehn Attentäter nicht konnten?

„Berna!“, hörte er auf einmal eine leise Stimme hinter sich.

„Eure Majestät!“, er brauchte sich nicht umzudrehen, um genau zu wissen, wer sich dort an ihn herangepirscht hatte, nicht viele konnten das so perfekt wie der Kaiser selbst.

„Bist du alt oder unvorsichtig geworden Berna?“

„Beides eure Hoheit! Es ist lange her, das ich meine Fähigkeiten schulen konnte!“

Das war zwar gelogen, hörte sich aber besser an fand er. Dass er zum Spaß, und um in Übung zu bleiben, ab und an Gegner des Reiches jagte und tötete, musste ja nicht jeder wissen, obwohl er sich fast sicher war, dass der Kaiser es trotzdem wusste.

Durch seine Freizeitbeschäftigung hatte er auch seine Informationen über die Vorgänge im Reich, denn er unterhielt sich seine eigenen Agenten und Informanten, die ihm potenzielle Gegner lieferten.

„Du bist wie immer vor der Zeit erschienen!“, sagte der Kaiser nun und Berna konnte hören, wie er sich langsam näherte.

„Alte Gewohnheiten lassen sich nicht so leicht ändern, Majestät!“

„Weißt du, warum du hierher bestellt wurdest?“

„Ich ahne den Grund, aber nicht meine Rolle, euer Erhabenheit!“

„Deine Rolle ist die, die du immer hattest! Du bist der erfahrenste meiner Jäger und du bist der Einzige, der jemals das Vergnügen hatte die Eindringlinge aus dem Westen zu treffen und noch zu leben. Laut meinen Informationen sind sie es gewesen, die Makuu umgebracht haben.“

Dass er es nicht als Vergnügen empfunden hatte die Fremden aus dem Westen zu treffen, sagte er dem Kaiser nicht, zum einen wusste der Herrscher es sicherlich selbst, außerdem hätte es seinen Ruf als absolut furchtlos untergraben. Damals hatte er einige schwere Verletzungen davongetragen, die ihn lange daran erinnerten, dass er diesen Kampf nicht gewonnen hatte.

„Welche Informationen sprechen für die Fremden, mein Kaiser?“

„Der Tod eines Leichenwäschers!“

„Bitte?“, Berna drehte sich um und sah den Kaiser erstaunt an, der ihn unter seiner weißen Kutte streng ansah.

„Entschuldigt, kaiserliche Hoheit, aber wie kann der Tod eines Leichenwäschers von Bedeutung sein?“, beeilte sich Berna zu sagen, denn er hatte vergessen, in einem Satz seine Ehrerbietung auszudrücken.

„Nun, normalerweise würde man annehmen der hierbei keinerlei Zusammenhang besteht, nur dass dieser Mann an einer seltenen Vergiftung gestorben ist.“

„Thujon, Erhabener?“

„Eben dies!“

„Dann wurde der Großkanzler nicht wie berichtet durch Waffengewalt getötet, Hoheit, sondern mit diesem Gift?“

„Nein, Makuu wurde der Kehlkopf zertrümmert! Er starb langsam und qualvoll! Ein unbedeutender Adliger, der in einer der Schatzkammern beschäftigt war, hatte das Thujon an sich, man nimmt an, er hatte es im Mund oder Nase. Der Leichenwäscher hatte diesen Mann wohl gerade erst auf dem Tisch, da wurde im übel und innerhalb einer Kerze war er tot! Einer meiner Magister hat den Geruch des Giftes erkannt und mir einen Bericht zukommen lassen.“

„Wäre es nicht möglich, dass irgendjemand dieses Gift nutzt, um zu töten und den Verdacht in eine falsche Richtung zu lenken, Majestät?“

„Ausgeschlossen! Natürliche Vorkommen des Thujonbaumes gibt es nur noch ganz weit im Westen, das Gift selbst herzustellen, vermag heute aber keiner mehr! Meinen Informationen nach gibt es noch etwas davon im Besitz der Akademie von Mirtas, und weit im Süden, alles andere habe ich sicher in meinen Archiven verwahrt!“

„Mirtas, mein Kaiser?“

„Nein, sie haben ihre Vorräte nicht angetastet, auch aus dem Süden ist meines Wissens nichts ins Reich gelangt. Bleibt nur der Westen!“

„Also die Shin’Tai, aber welche Dienste könnte ich euch anbieten, die nicht auch die aktiven Jäger ausführen könnten, Hoheit?“

„Zum einen wird mir deine Erfahrung von Nutzen sein, zum anderen habe ich den Großteil meiner Jäger in den Osten geschickt um die Truppen von Mirtas davon abzuhalten, Teile des Reiches zu annektieren.“

„Ich hörte davon, Erhabener!“

„Dann weißt du um die Dringlichkeit dieser Aktion! Ich teile dir Alon, Teihor und Milja zu, finde heraus, warum Makuu sterben musste und lasse die Schuldigen meinen Verlust spüren!“

Berna, der den Kaiser lange genug kannte, um zu erkennen, dass er für die Täter einen langsamen schmerzvollen Tod wünschte, wusste, was nun zu tun war.

„Mit meinem Leben! Dem Wunsch des Höchsten zu Willen!“, sprach er die rituellen Worte des Schwurs und kniete sich hin. Vor fünf Jahren hatte er gehofft diese Worte niemals wieder sagen zu müssen, nun aber war es fast so etwas wie eine Erlösung. Eine Erlösung aus dem weichen Käfig des Alters und der Eintönigkeit, die er nun endlich wieder verlassen konnte.

Der Kaiser trat auf ihn zu und legte die Hand auf seine Schulter.

„Dein Leben für meinen Willen!“, sagte er mit leiser fester Stimme.

Berna schaute zu ihm auf und war wieder einmal erstaunt, wie jung der Kaiser unter seiner Kutte aussah. Er hatte so ausgesehen, als Berna das erste Mal auf ihn getroffen war, und noch heute unterschied ihn nichts von damals. Keine Falte, kein graues Haar, nichts was auf Alter hindeutete. Der Mann, dessen Name so weit Berna wusste, Herdir ta Maos lautete, schien voller Geheimnisse.

Auf die Weisung seines Vorgängers hin hatte Berna niemals viele Gedanken an die Besonderheiten seines Herrschers verloren, niemals nachgefragt, warum dieser nicht alterte, warum er vor zwanzig Jahren vorgetäuscht hatte, als sein eigener Sohn den Thron zu besteigen. Der Kaiser hatte seine eigenen Geheimnisse, konnte aber die von anderen ebenso für sich behalten, so wie in Bernas Fall. Als alleiniger und allmächtiger Herrscher des Kaiserreiches mochte er es nicht, wenn jemand ihm zu nahe kam und Fragen stellte.

Sicher war es gut gewesen, nicht zu viel wissen zu wollen, denn es gingen die Gerüchte herum, über Männer mit zu viel Neugier, die einfach verschwanden. Maßvolles Wissen stärkte die Position, zu viel davon kostete den Kopf! Ein Leitmotiv, dem er bisher treu geblieben war.

„Welche Mittel habe ich zur Verfügung mein Kaiser?“, fragte Berna und erhob sich.

„Alle!“, nickte ihm der Kaiser zu. „Im Turm findest du einen meiner Siegelringe und genügend Gold. Bedenke aber, dass du kein unnötiges Aufsehen erregst.“

„Ja, Gebieter!“, mit einer tiefen Verbeugung sah Berna dem Kaiser hinterher, der für seinen Teil alles Nötige gesagt hatte und nun wieder in den Tiefen des riesigen Palastes verschwand. Wenn der Herrscher einen seiner Siegelringe bereitstellte, bedeutete es, dass ihm alle Mittel zur Verfügung standen, die er wollte. Er hätte ohne Weiteres eine Armee zu seiner Unterstützung anfordern können, hätte er es denn gewollt. Aber eine Armee war nicht die Art, die die Jäger des Kaisers nutzten, um ihre Ziele zu erreichen.

Berna schaute noch einmal in die Richtung, in die der Kaiser verschwunden war, und machte sich selbst auf den Weg zum Turm – der Rüstkammer der Jäger.

Der als Turm bezeichnete Gebäudekomplex lag direkt an der Nordseite des Kaiserpalastes, sodass der Kaiser ungesehen ein und ausgehen konnte, wenn er Aufträge für seine zehn Attentäter hatte. In den letzten fünf Jahren hatte sich genauso wenig verändert, wie in den fast fünfunddreißig Jahre vorher, in denen er im Turm gelebt hatte. Soweit Berna wusste, gab es die Jäger des Kaisers seit mehr als eintausend Jahren, vielleicht sogar länger, und wenn er alten Aufzeichnungen glauben konnte, hatte es selbst damals genauso ausgesehen wie heute.

Vor dem Haupttor standen wie üblich vier der Jägergarden genannten Wachsoldaten, die nur hier am und im Turm ihren Dienst verrichteten. Sie waren genauso wie ein Stab von speziellen Dienern und Dienstboten einzig für den Turm verantwortlich. Die Garden und Diener hatten im Gefüge des Kaiserpalastes eine gesonderte Stellung, sie nahmen nur vom Kaiser selbst und von den Jägern ihre Anweisungen entgegen, so das ausgeschlossen werden konnte, das es Einmischungen von außen gab.

Berna nahm nicht an, dass er von den Wachen erkannt werden würde, denn selbst für die meist lang gedienten Garden waren fünf Jahre eine lange Zeit. Zu seiner Verwunderung wurde ihm aber sofort platz gemacht und die beiden inneren Wachen öffneten mit einer Ehrenbezeigung die Dicken Eisentore.

„Eine Freude euch wiederzusehen Jäger!“, sagte der ältere der beiden und nickte ihm zu. „Ihr wurdet vom Kaiser persönlich angekündigt!“

Einen Moment musste Berna in seinem Kopf herumkramen, bis er auf den Namen des Gardisten kam.

„Ulbert! Ihr seid immer noch im Dienst? Ich hätte gedacht, ihr habt das Alter fürs Ruhegeld längst erreicht!“

„Noch zwei Jahre!“, grinste der Mann stolz. „Ihr werdet im kleinen Saal an der Westseite erwartet!“

„Danke Ulbert!“, grüßend ging Berna durch das Tor und wandte sich zum kleinen Saal, er fand sich wie blind in diesen Mauern zurecht.

Er hatte nicht den kleinsten Stein in den Mauern vergessen und konnte sich an jede Unebenheit der Stufen zum Saal hinauf erinnern. Unterwegs traf er auf zwei Dienstboten, die ihren Aufgaben nachgingen und ihn nur flüchtig ansahen, denn wer an den Wachen ins Innere der Anlage gelangte, der hatte das Recht hier zu sein. Außerdem trug er im Gegensatz zu den aktiven Jägern keine schwarze Uniform, sondern seine normale Straßenkleidung, die ihn hier im Inneren des Turms fast unsichtbar werden ließ.

Im kleinen Saal erwarteten ihn drei Personen, von denen er nur eine kannte. Alon der Schlitzer, wie Berna ihn immer gern genannt hatte, saß auf einem Sessel direkt an einem schmalen Fester des Raumes und schien den Neuankömmling nicht zu beachten.

Berna wusste es besser, Alon hatte immer alles im Blick, er war immer der, der beobachtete und wenig sagte, das überließ er gern anderen. Alon, dessen Nachnamen er genauso wenig kannte wie die der anderen, war ein typischer Bewohner aus Dejas, der auf einem Piratenschiff groß geworden war. Er kannte sich besonders mit dem südlichen Teil der Tempelreiche aus, hatte ausgezeichnete Kontakte mit Piraten und der Handelsmarine von Dejas, Croma und dem Kaiserreich. Er konnte Spuren und Landschaften lesen wie kein anderer und schien in seinem Kopf eine ganze Truhe Landkarten herumzutragen.

Schlank, lange Arme, immer wirr abstehende hellblonde Haare, leicht hervorquellende graue Augen und schiefe Zähne. Hätte er jetzt gestanden, hätte man seinen O-beinigen Gang erkennen können, wegen dem ihn immer viele unterschätzten. Im Einsatz war er ein sehr ernst zu nehmender Gegner, der spielend auch mit mehreren Feinden fertig wurde.

Einziges Zeichen, das Alon ihn bemerkt hatte, war das leichte heben einer der struppigen Augenbrauen und das Rümpfen der Nase. Diese Reaktion reichte Berna fürs Erste, alles Weitere würden sie später bei einem Schluck Brandwein besprechen, wie sie es auch früher schon oft getan hatten.

Die beiden anderen waren erst in den letzten Jahren zu den Jägern gestoßen, sodass Berna ihre Gesichter nicht kannte. Der Mann war ein riesiger Kerl, der die Statur eines Nordländers besaß, aber eine tiefschwarze Hautfarbe, die ihn fast mit seiner schwarzen Kleidung verschmelzen ließ. Er hatte die langen lackschwarzen Haare zu kleinen Zöpfen geflochten, wie es im Südwesten des Reiches Mode war, und einen schmalen Kinnbart, der mit einer kleinen goldenen Perle verziert war.

Die Frau war eine eher unscheinbare Vertreterin ihres Geschlechts, sie war etwas zu breit und zu muskulös, hatte ein zu breites Gesicht und viel zu verkniffene Züge um den Mund, um auch nur halbwegs schön zu sein. Die wenigen Frauen die es in die Reihen der Jäger schafften waren meist vielen ihren männlichen Kollegen überlegen, da sie oftmals völlig ohne Skrupel und Gewissen handelten und so für jeden unberechenbar waren.

„Du bist also dieser Berna Ta Narrsil?“, schnarrte die Frau mit einer nasalen rauen Stimme die Berna in den Ohren schmerzte.

„Eben der!“, sagte er nur und näherte sich den drei aktiven Jägern. „Ich wurde vom Kaiser verpflichtet, eine Aufgabe in seinem Interesse zu vertreten!“

Er hatte diesen Satz extra so formuliert, damit sie nicht glauben konnten, er hätte um diese Aufgabe beim Kaiser gebettelt. Er konnte sich denken, wie sie dachten, denn einen alten ausgemusterten Jäger vor die Nase gesetzt zu bekommen hätte ihm in seinen aktiven Tagen auch nicht geschmeckt.

„Warum du?“, brummte der schwarze Riese und schaute ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Der Kaiser hat mich rufen lassen, weil ich mit unserer Beute schon zu tun hatte und er hofft, wir könnten so Erfolg haben!“

„Wir könnten?“, schnarrte die Frau. „Wir sind die Jäger des Kaisers! Bist du schon so alt und senil, dass du nicht mehr an den Erfolg der Jäger glaubst?“

Das hatte er in etwa erwartet, sie war von sich und ihren Fähigkeiten völlig überzeugt. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte sie ein paar Aufträge als Jäger hinter sich und glaubte sie wäre so gut wie unbesiegbar. Er hatte in den ersten Jahren so ähnlich gedacht, daran konnte er sich erinnern, dann war er zuerst auf einen der Nordlandwölfe getroffen und dann auf die Shin’Tai, danach war er von seine Größenwahn geheilt und nahm jeden neuen Gegner sehr ernst.

„Wir werden nicht irgendwelche Strauchdiebe oder Straßenräuber jagen! Unsere Beute wird sich nicht auf den Rücken legen und um den Gnadenstoß betteln, wenn sie dich sehen!“, sagte er möglichst hart und ging dabei auf sie zu.

„Wir werden die gefährlichsten Gegner verfolgen, die es auf ganz Tiehera gibt! Wenn du viel Glück hast, wirst du die erste Begegnung mit ihnen lange genug überleben, um deine Großschnäuzigkeit zu bedauern!“

Mittlerweile stand er nur ein paar daumenbreit von ihr entfernt und schaute ihr direkt ins Gesicht, ohne mit einer Wimper zu zucken. Sollte sie versuchen ihn von ihrer Stärke zu überzeugen, würde er ihr ein für alle Mal zeigen, wer hier das Sagen haben würde.

Da Berna selbst kein sehr großer Mann war, standen sich beide, Auge in Auge gegenüber und maßen sich mit ihren Blicken. Der dunkelhäutige Riese mischte sich in diese Auseinandersetzung nicht ein, sondern schien zu warten, wie es ausging.

„Sie wird nicht so dumm sein, dich anzugreifen Berna“, hörten sie die leise Stimme von Alon, der immer noch auf seinem Sessel saß und aus dem Fenster schaute. „Dein Ruf ist noch nicht erloschen. Niemand, der einigermaßen Grips im Schädel hat, würde versuchen sich mit dir anzulegen.“

Alon stand nun auf und kam mit seinem eigenartig wackelnden Gang zu ihnen und schaute sie nacheinander mit einem schiefen Grinsen an.

„Wenn der Kaiser dich beruft, muss schon etwas Besonderes vorgefallen sein. Ich nehme mal an, es geht um den Mord am Großkanzler!“, er wartete einen Moment, bedachte Berna mit noch einem Grinsen und fuhr fort: „Der Kaiser war außer sich, als er davon gehört hat, er hat die komplette Palastwache, die zu dieser Zeit eingeteilt war, noch am selben Tag strafversetzt. Zwei der Torwachen hat er als Abschreckung vierteilen lassen, außerdem ist der Kommandant der Wachen vor die Wahl gestellt worden, entweder den Kopf zu verlieren oder strafversetzt zu werden.“

Berna nickte und verstand, welch Aufruhr im Palast geherrscht haben musste, fragte sich aber kurz, wie der Kaiser so schnell wieder im Palast sein konnte, wo er doch, wie alle wussten, normalerweise im südlichen Bergpalast den Hochsommer verbrachte.

„Wir sollen Shin’Tai jagen und zur Strecke bringen!“, sagte er in Richtung des Mannes aus Dejas und verdrängte den vorherigen Gedankengang als vorerst unwichtig.

„Verdammt!“, war das Einzige, was Alon antwortete und sich zum Riesen mit dem Namen Teihor wandte. „Jetzt kannst du die Geister deiner Ahnengeschichten jagen gehen mein Freund! Hoffen wir, das sie nicht halb so schrecklich sind wie in deinen wirren Märchen!“

Mit einer merkwürdigen Handbewegung stieß der Riese ein paar kurze Laute aus, und schien ein ganzes Stückchen heller geworden zu sein.

„Deine Geisterbeschwörungen helfen dir jetzt auch nicht Teihor“, zischte die Frau und machte einen Schritt zurück, um aus dem direkten Bereich von Berna herauszukommen.

Diesen Kampf hatte er gewonnen, das machte den ehemaligen Jäger ruhiger, Konflikte in einer Jagdgruppe konnte er bei dieser Beute ganz gewiss nicht brauchen, wollten sie nur den Hauch einer Chance haben.

„Weiß man bisher etwas über das Motiv für den Anschlag auf den Großkanzler? Denn selbst die Shin’Tai bringen nicht mitten im Palast des Kaiserreichs ohne Grund eine einflussreiche Person um, sie müssen irgendeinen Sinn darin gesehen haben!“

„Die Magister des Kaisers haben außer der Tatsache das Thujon genutzt wurde, noch nicht viel herausgefunden“, zu Bernas Verwunderung begann die Frau völlig selbstverständlich zu berichten, sie schien seine Rolle als Führer der Gruppe nicht mehr infrage zu stellen, auch hatte ihre Stimme eine deutlich angenehmere Klangfarbe angenommen.

„Neben dem Großkanzler wurden sein Kämmerer, der Verwalter einer Nebenschatzkammer, zwei Wachen und ein Diener getötet. Nur einer der Wachen ist es überhaupt gelungen sein Schwert zu ziehen, also muss der Angreifer ungewöhnlich schnell und effektiv gehandelt haben.“

„Was wollte der Verwalter einer Nebenschatzkammer in diesem Raum?“, fragte sich Berna laut. „Der Kaiser hat mir berichtet, dass es ein Adliger von niederem Rang war. Was sollte so ein Niemand beim Großkanzler?“

„Er hieß Kentarian ti Daraterium, ein kleines Adelshaus aus dem Nordosten des Reiches. Anhand seines nur maßvollen Geschicks wurde er für die westliche Schatzkammer eingeteilt, die in der die älteren Stücke lagern.“, Alon hatte mit seinem Wissen bewiesen, dass auch er sich eingehend mit dem Mord am Großkanzler beschäftigt hatte.

„Fehlt etwas aus der Kammer?“

„Laut den Unterlagen fehlt ein Gegenstand!“, beantwortete Alon die Frage. „Es ist leider nur eine Lagernummer, die in der Liste aufgeführt ist, aber anhand des Platzes, an dem dieser Gegenstand gelagert wurde, müsste es sich um eine kleinere Truhe oder eine Kiste gehandelt haben. Inhalt und Aussehen sind uns leider nicht bekannt!“

„Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der Großkanzler nicht das Ziel war!“, brummte Teihor nachdenklich. „Vielleicht waren die Shin’Tai hinter dieser Kiste her?“

„Möglich“, bestätigte Berna und fühlte sich deutlich wohler, da er nun sicher war, dass alle Mitglieder dieser Gruppe mitdachten. „Finden wir heraus, wer zur fraglichen Zeit den Palast betreten oder verlassen hat?“

„Schwierig, zur Zeit des Mordes waren nicht viele Wachen eingeteilt, die beiden vom Haupttor sind tot, der Rest ist irgendwo in den Norden strafversetzt worden. Ich habe aber ein paar Dienstboten losgeschickt, um Informationen einzuholen, habe aber nicht viel Hoffnung.“, Milja schaute aus dem Fenster und schätzte die Zeit ab. „Außerdem habe ich Diener zum Haus von Geiron ti Julek geschickt, der die westlich Schatzkammer vor dem Ermordeten betreut hat. Ich hoffe, er kann sich an den fehlenden Gegenstand erinnern!“

„Dann müssten wir nur noch herausbekommen, wohin die Täter verschwunden sind und wie wir an sie herankommen!“

„Dafür haben Teihor und ich gesorgt“, sagte Alon. „Er hat ein paar Brüder in der Nordstadt, die bei den Händlern und Karawanenführern nachfragen. Ich habe Kontaktleute runter zum Tamuur geschickt, um herauszufinden, ob die Mörder auf einen der Flusskähne gestiegen sind!“

Berna nickte zufrieden, auch wenn die beiden, im Gegensatz zu Alon sehr junge Jäger waren, bewiesen sie doch ihre Klasse und hatten im Voraus eigene Maßnahmen ergriffen. Wieder einmal wurde deutlich, dass nur die Besten der Besten in den Kreis der Jäger aufgenommen wurden.

„Ich werde mir erst einmal vernünftige Sachen anziehen und schauen, ob ich meine Ausrüstung zusammenbekomme!“, er hob einen seiner Füße und zeige so die engen Schuhe,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Frank Butenhoff
Bildmaterialien: Frank Butenhoff
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2015
ISBN: 978-3-7396-2890-5

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