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Vorwort

Liebe Leser*innen

Ich wünsche euch viel Spaß beim lesen meines Werkes und bitte euch mir Kritik da zulassen. Mir genügen schon ein bis zwei Sätze, in denen ihr mir mitteilt, was euch sehr gefallen hat und was nicht.

Eure

Julia

 

Loki ist wieder in Arbeit

Prolog noch nicht bearbeitet

"Vater, die Nornen kommen", der alte Gott sah von seinem Mahl auf und ließ den Blick auf dem Jungen ruhen, der ihm wie ein Bruder und wie ein Sohn geworden war. Er war ein hübscher Bursche, aber ein listiger. Die Mädchen in Asgard hielten sich fern von ihm, obgleich sie seinen Ziehbruder feierten, als würde dieser bereits selbst auf dem Thron sitzen.
„Odin Allvater“, drei alte Frauen standen nebeneinander vor Odins Tafel und sanken auf die Knie.
Er verneigte sich vor ihnen und Loki, der listige tat es ihm gleich. Er gab seinem Freund Thor einen Hieb mit der flachen Hand, da er nicht sofort verstand. Nun verneigte auch dieser sich.
Erst als der Allvater sich erhob taten alle weiteren Anwesenden es ihm gleich.
"Es ist so weit", Urd, eine der Nornen trat einen weiteren Schritt an die Tafel heran und warf eine Hand voll Steine auf den Tisch.
"Wie könnt ihr es wagen-", "Still! Dummkopf, das sind Runensteine", Odin musste sein Lachen herunterschlucken. Thor war ein großer Krieger, sein Erbe und damit der Anwärter auf den Thron, doch was den Verstand anging, so hatte Loki den Löwenanteil unter ihnen.
Sein scharfer Blick, der die Farbe von Smaragden hatte nahm alles in sich auf. Er erkannte die Runensteine sofort als solche. Nicht zuletzt, dachte Odin, weil er die Gesellschaft eines dicken Buches derer, eines schönen Mädchens vorzog.
"Was ist so weit?", wollte Odin von der Greisin wissen."Das Mädchen, Sie braucht euren Schutz", "Welches Mädchen?", fragten die ungleichen Burschen wie aus einem Munde. "Ist es denn sicher sie her zu bringen? Sicher für Asgard meine ich?", ungeachtet ihrer Frage hielt er weiter Rat mit den Frauen. "Die Gefahr ist größer, Ihr lasst sie unwissend auf Midgard, Allvater. Sie ist bei den Kindern Midgards noch ein Kleinkind. Sie hat Gaben, derer sie sich nicht bewusst ist, in ihrer Welt würde man sie für von Sinnen erklären.
Noch ist Zeit. Doch ihr solltet darauf vorbereitet sein, sie zu Euch zu holen. Einer von euch ganz besonders", Urd blickte bedeutungsschwanger auf die Runensteine. Ein einzelner lag abseits der anderen.
DAGAZ.

Anfang

Sie sitzt dort, in dieser viel zu kleinen, weißen Kammer. Alles ist weiß. Der Boden, die Decke, die Wände. Keine Farben. Viel zu kalt. Klein ist sie, ich muss an meine eigene Kindheit denken, an meinen Vater. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen. Jedes Mal ist es mir, als sähe ich sie zum ersten mal. Sie will mir einfach nicht im Gedächtnis bleiben. Langes braunes Haar fällt über ihre Schultern, über ihren Busen. Mein Blick verweilt dort, unabsichtlich. Sie ist kein Mädchen mehr. Ich mache mir nichts aus den Menschen, doch wenn der alte Gott will, dass ich ein Auge auf sie habe, dann will ich ihm diesen Gefallen erweisen. Der Sessel auf dem sie sitzt ist schwarz und aus Leder. Sie hält etwas in der Hand, ein kleines Steinchen. Von meinem Platz am Fenster kann ich es nicht genau erkennen. Die Tür öffnet sich, fast erschrecke ich, ehe mir einfällt, dass er mich nicht würde erkennen können. Um das Mädchen mache ich mir keine Sorgen. Ihr Blick ist so leer, dass sie mich nicht erkennen würde, wenn ich direkt vor ihr stünde. Der Mann ist alt und unsympathisch. Mager sieht er aus und ein Halbkreis aus grauweißem Haar klebt schwitzig an seinem, ansonsten kahlen, Schädel. Er setzt sich in den Sessel ihr gegenüber. „Guten Tag, Meyla. Wie geht es dir heute?“, Meyla, so heißt sie. Meyla bedeutet so viel wie ''kleines Mädchen''. Das passt. Sie antwortet nicht. Das tat sie niemals. Es geht ihr schlecht, dafür brauche ich keine Zauber. Aber er fragt immer wieder. „Was hast du da in deiner Hand, Kind?“, er tut immer so, als wäre er ihr Vater, ein Vertrauter. Das ist er nicht.

„Einen Runenstein“, ihre Antworten sind immer kurz. Sie spricht nur das Nötigste zu ihm.
„Was ist ein Runenstein?“, er weiß es. Wieso fragt er sie? Sie hatte schon öfter einen bei sich.
„Ein Stein oder ein Stück Holz, in das eine Rune geritzt ist. Sie beschützen einen“
Der Alte schüttelt den Kopf. Er ist mit der Antwort nicht zufrieden.
„Was für eine Rune ist es diesmal?“, fragt er mit geheuchelt interessiertem Blick.
„Das ist Dagaz“, ich sehe auf, beim Wortlaut meiner Rune. Dagaz sieht aus, wie eine Sanduhr, die auf der Seite liegt. „Sie beschützt mich. Sie zeigt mir, was Wahrheit und was Lüge ist“, murmelt sie kaum hörbar. Ich würde lachen, ließe diese Gestalt dies zu. Wenn diese Tochter Midgards nur wüsste, dass ich hier bin. Sie lässt Dagaz durch ihre Finger gleiten. Sie blickt aus dem Fenster und mir geradewegs in die Augen. Fast schon fühle ich mich ertappt, als sie ganz seicht, kaum merkbar zu lächeln anfängt. „Ein Kätzchen!“, entfährt es ihr und sie läuft zum Fenster und mich einzulassen. Ehe der alte Mann etwas erwidern kann, sitzt sie schon wieder in dem Sessel und ich auf ihrem Schoß. Sie hatte mich schon ein, zwei Mal in dieser Gestalt entdeckt und jedes mal nahm sie sich meiner an, gab mir Nahrung und die Wärme ihres Schoßes und erzählte mir von den Göttern.

 

~

 

Meyla hatte nie Geschwister. Ihre Mutter starb, als sie ein kleines Mädchen war. Ihre Großmutter, die ebenfalls Meyla hieß, kümmerte sich rührend um sie. In dieser Zeit kam ich zu ihr. Sollte auf sie Acht geben und sie vor den Gefahren Midgards schützen. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich sie das erste Mal sah. Sie war vielleicht vier Winter alt und saß in einem weißen Raum wie diesem hier. Sie hatte aufgeschlagene Knie und heulte Rotz und Wasser. In der Hand hielt sie eine kleine Strohpuppe und um ihren kleinen Hals baumelte eine Schutzrune. Ihr hübsches Kleid war zerrissen und ihr damals noch rostfarbenes Haar war verklebt von Blut und Laub. Eine ältere Frau lief zu Männern und Frauen in weißen und blauen Gewändern. Sie schrie sie an. Ich hörte nichts von dem was sie sagte. Ich saß neben dem Mädchen auf dem Bett, nur für sie sichtbar. 
„Wer bist du?“, fragte die kleine unter Tränen. 
„Ich bin Loptr, aber meine Freunde nennen mich Loki, also darfst auch du mich Loki nennen.“
„Also bist du mein Freund?“, die kleine blickte erstaunt auf „Ich hatte noch nie einen Freund“, sagte sie traurig. „Die anderen finden mich komisch, weil ich mit diesen Steinen rede“, sie deutet auf die Rune, die ihr um den Hals hing. Dagaz war schon damals ihre liebste. „aber Oma hat gesagt, dass wenn ich Angst habe oder traurig bin, dass ich mir dann einen der Steine nehmen soll und mit ihnen reden soll. Sie sagt immer, dass die Götter mich dann besser hören können und mir dann helfen.“ 
„Deine Oma ist eine kluge Frau“, sagte ich ihr und strich ihr sachte über den kleinen Kopf. „Weißt du, ich bin ein Gott. Ich bin der Gott, dem diese Rune gehört!“, erschrocken sah sie von dem Steinchen zu mir. „Ich wusste nicht, dass sie jemandem gehört. Bitte nimm sie mir nicht weg! Ich mag sie!“, ich lachte, was die Kleine nicht so recht verstand. 
„Nein, nein“, versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Behalte sie nur. Dann weiß ich immer, wann du mich brauchst. Ich passe auf dich auf!“ 
„Du bist also ein Gott? Bist du der mit dem einem Auge? Nein, du hast ja beide noch. Oder der mit dem Hammer? Hast du ihn dabei? Zeig ihn mir!“, das Mädchen suchte an mir nach etwas, das mich verriet, doch sie fand nichts, keinen Hammer der Mjölnir hieß und kein Galljahorn. Enttäuscht und fragend blickte sie mich an. Sie kannte also Odin, meinen Blutsbruder und Thor, Odins Sohn, der mir wie ein Bruder geworden ist. 
„Ich bin der Schlaue“, gab ich zu „der Listige, der, der aus allem einen Ausweg findet und der, der alle zum Lachen bringt.“ Die kleine sah überhaupt nicht nach lachen aus. „Wenn du schlau bist, dann weißt du doch viel?“, „Das ist richtig“, bestätigte ich ihre Vermutung. „Weißt du dann auch, wo meine Eltern sind?“, jetzt wirkte sie wieder so unendlich traurig. „Ja, ich weiß wo sie sind“, gab ich vorsichtig zurück und überlegte, wie ich es dem Mädchen erklären sollte. „Wo sind sie? Warum sind sie nicht hier? Ich will zu ihnen!“, jetzt fing sie zu heulen an. Mir brach es das Herz die kleine so zu sehen. „Sie sind bei Helja in Helheim. Du kannst sie leider nicht besuchen kommen. Aber es geht ihnen sehr gut. Helja ist meine Tochter weißt du, sie ist schon groß und kümmert sich um all diejenigen, die nach Helheim gelangen.“

In dem Moment kam die alte Frau, ich vermutete die Großmutter der Kleinen in das Zimmer gestürmt. Unter tränen nahm sie sie in den Arm. „Oh meine kleine, süße, Meyla! Es tut mir so leid, wie geht es dir? Bist du in Ordnung?“, über die Schulter ihrer Großmutter blickte das kleine Mädchen mich mit großen Augen an. „Ich habe einen Gott kennengelernt, Oma. Er heißt Loki und sagt das Mama und Papa in Helheim sind. Ist das weit von hier weg?“

 

Die Alte drehte sich um und blickte in meine Richtung. Ich wagte, mich ihr zu erkennen zu geben. Sie nickte mir wissend zu, dann ging sie aus dem Zimmer und ich verbarg mich wieder. Ich sollte sie etwas alleine lassen. Ihre Großmutter scheint wahrhaft eine kluge Frau zu sein. Sie erschrak nicht, als ich vor ihr auftauchte und glaubte ihrer Enkelin gleich, als diese ihr von mir erzählte. Sie ist eine gute Frau und sie wird gut auf das Mädchen Acht geben.

 

Die Tage vergingen und die große Meyla erzählte der kleinen Meyla alles über Helheim. Früher hieß dieser Ort Ginnungagap. Dort in der Schlucht wanderten einst die Toten. Seelen, die in der Schlucht zwischen der Feuerwelt Musplheim und der Eiswelt Niflheim weilten. Ich hatte drei Kinder die mir genommen wurden. Helja war die jüngste, sie wurde mit ihren Brüdern entführt, alle drei galten – und gelten immer noch – als Unheil Bringer. Man wollte das Mädchen nicht töten, doch konnte man sie auch nicht am Leben lassen. So brachte man sie geradewegs in die Totenwelt. Als Kind schon besaß sie zwei Seiten an sich. Die eine, die Helle und die andere die Dunkle Seite. Jetzt, da sie in Ginungagap war, gehörte sie nicht mehr zu den Lebenden, doch war sie auch keine Tote. So kam es, dass sie sich der Toten annahm. Menschen und Asen, Riesen und Zwerge, Elfen und Wanen. Allesamt konnten sterben und gelangten an den Ort den man nun Helheim – Das zuhause der Helja – nannte. Auch von meinen anderen Kindern erzählte sie ihr später. Ebenso von den Asengöttern und den neun Welten. Eines Abends, die beiden wärmten sich am Herdfeuer, denn es war kalt draußen, fragte klein Meyla wie denn nun alles begann? Da erzählte die alte es ihr:

 

Einst war in der Welt nichts als zwei Welten. Die eine war Muspelheim, im Süden. Das war die Welt des Feuers und der Riesen. Die andere war Niflheim im Norden. Hier gab es nur Eis und Kälte. Zwischen den beiden Welten war ein großer Abgrund, den man Ginungagap nannte.

 In Niflheim gab es einen Brunnen, der Hvergelmir hieß. Elf Ströme entsprangen von ihm, die man Elivagar nannte. Sie flossen in den Abgrund und schoben das Eis immer weiter in den Spalt. Auf der anderen Seite übte Surt, der Anführer der Feuerriesen mit seinem Flammenschwert. Als einmal die Funken des Schwertes über den Abgrund hinweg und auf das Eis zuflogen, erweckten sie es zum leben und Ymir entstand. Er war ein gigantischer Riese. Auch die Kuh Audhumla entstand auf diese Weise. Ymir ernährte sich von den prall gefüllten Eutern der Kuh und Audhumla leckte an den Salzigen Steinen, denn Graß und Klee gab es noch nicht. Aus dem Stein leckte die Kuh einen Mann frei, der den Namen Buri trug. Er war der Vater von Bor und der war der Vater von Odin, Vili und Ve und damit war Buri der Vater aller Asengötter. Surt übte weiter mit dem Schwert und erneut flogen Funken hinüber die den Riesen Ymir zum schwitzen brachten. Aus seinem Schweiß entstanden ein Mann und eine Frau und auch seine Füße paarten sich und schufen so den mehrköpfigen Riesen Thrudgelmir. So waren die Asen geschaffen und die Riesen. Doch keinen Ort an dem sie Leben konnten, denn die Eiswelt war zu kalt und Muspelheim zu heiß und unerreichbar. So geschah es, dass Odin und seine Brüder Vili und Ve den Riesen Ymir töteten und aus seinem Körper die Welt erschufen. Aus seinem Fleisch formten sie Midgard, aus den Knochen die Berge, aus den Zähen die Steine und aus dem Schädel den Himmel. Aus dem Gehirn machten sie die Wolken und aus den Augenbrauen sollte eine Mauer werden, die Midgard umgibt. Die Sterne und der Mond und die Sonne machten sie aus Funken, die aus Muspelheim zu ihnen hinüber wehten.

 Neun Welten schufen sie aus dem Riesen. Sein Blut jedoch, spülte alle Riesen in den Abgrund, nur Bergelmir und seine Frau konnten fliehen und wurden so in Jötunheim die Ureltern der Riesen.

Da kam es, dass ein gewaltiger Baum aus den Welten entwuchs. Eine Esche, genannt Yggdrasil. Der Weltenbaum, der alle Welten miteinander verband.

 

 

 

Das Feuer war fast herunter gebrannt und der Mond stand hoch. „Und wo sind die Menschen? Und wo ist Loki? Und wo sind die Riesen jetzt?“

 „Das sind ja viele Fragen“, lachte die Alte. Sie hob das Mädchen hoch und trug es in ihre Kammer wo sie sie liebevoll zudeckte und küsste. „Wie geht es denn weiter? Wo ist Loki? Mein lieber Freund Loki?“

 „Dein Loki kam erst viel später auf die Welt. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt schlaf, meine kleine“

 Als die Alte das Zimmer verließ, surrte ich als Fliege hinein. Sie war wirklich gut aufgehoben hier. Auch der Allvater Odin empfand dies so.

 

Meine Besuche wurden seltener. Die Großmutter lehrte das Mädchen alles was sie wissen musste über die Götter und das Leben. Ich kam nicht mehr zu ihr. Hatte meine eigenen Abenteuer zu erleben. Es gab anderes zu tun. Sollte sie mich jemals brauchen, würde ich sie hören. So ging ich und sie vergaß mich. Sie erinnert sich nicht daran, dass wir uns je begegnet sind.

 

Eines Tages fand ich Odin alleine in seiner Halle vor. Er saß auf Hlidskialf, dem Thron, von dem aus er alles sehen konnte. Ich verneigte mich vor ihm zum Gruße. Er Ahnte meine Frage bevor ich sie stellte. „Odin Allvater-“, „Loki, wir sind Brüder, rede offen mit mir, es ist wegen des Mädchens.“

„Ich frage mich bloß, warum man Acht auf sie geben muss und warum ich es bin, der dazu erwählt ist.“

„Das Mädchen ist etwas besonderes. Du wirst es noch erfahren wenn die Zeit dazu gekommen ist. Warum du es bist, wissen nur die Nornen“

 „Wäre es nicht einfacher, Heimdall auf sie blicken zu lassen? Er sieht und hört ohnehin alles“

 „Nein“, der alte Gott schüttelte den Kopf „Heimdall kann den Bifröst nicht verlassen für so lange Zeit. Es ist wichtig, dass jemand sie beschützt, falls es notwendig wird. Die Entscheidung ist auf dich gefallen Loptr.“

 „Nenne mich nicht so!“, es ist mir zu wider von dem Allvater so genannt zu werden. Mein Vater Farbauti gab mir diesen Namen. Er ist ein Sturmriese, doch bin ich nur ein leichtes Lüftchen, denn das bedeutet Loptr. Es ist eine Kränkung, von meinem Freund und Blutsbruder so genannt zu werden. Ich ging aus der Halle hinaus und meiner Wege.

 

Viel Zeit verging, bis ich den Ruf eines zerrissenen Herzens vernahm. Es zog mich nach Midgard, in ein Gebäude, in dem alles weiß war. In den Kammern stehen Betten und Menschen in weißen und blauen Gewändern schreiten umher. Ich erinnere mich an diesen Ort. Ich wandelte, vor der Menschen Blicke verhüllt durch die langen Gänge, bis das Rufen und Wehklagen lauter wurde. Da sah ich die alte Meyla in einem der Betten liegen. Sie schlief, oder so schien es mir zunächst, doch war keine Wärme mehr in ihr. Sie war nach Helheim gegangen. Die Menschen werden so schnell so alt. Ich schritt in das Kämmerchen und ließ mich in einem der Stühle zu ihrer Seite nieder. Da erst bemerkte ich das Häufchen Elend, welches zusammengesunken auf der anderen Seite des Bettes saß. Ihr Kopf lag im Schoß der Alten und sie wimmerte und murmelte. Dunkelbraunes, dickes Haar wuchs aus ihrem Haupt wie Unkraut auf den Feldern. Die Haut an ihren Armen war weiß, wie das Eis in Niflheim. Sie hob den Kopf und sah mich an. Nein, sie sah durch mich hindurch.

„Loki, lieber, weiser Loptr, zeig mit den Sinn“, flüsterte sie leise. Eine junge Frau saß da vor mir. Augen so grün wie der Wald und Wangen, vom heulen gerötet. Dieser Blick, diese Trauer darin, als hätte ich dieses Menschenkind schon einmal gesehen. Sie griff an ihren Busen und ließ ein Steinchen in ihre Hand fallen. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Meyla. Das kleine Mädchen Meyla, das ihre Eltern verlor. Sie war kein kleines Mädchen mehr, viel Zeit war vergangen. Ihre Augen veränderten sich, als sie die Männer erblickte, die in das Zimmer kamen. Sie nahmen sie mit. Sie weigerte sich, blieb stur, wollte bei dem Leichnam ihrer Großmutter bleiben. Sie schrie, wurde biestig. Ich sah ein funkeln in ihren Augen, welches ich bis dahin noch nie bei ihr vernahm. Doch war auch sie lediglich ein Mensch und auch sie hatte ihre dunkle Seite.

 

~

 

Ein heulen zerrt mich aus meinen Erinnerungen. „Versteh doch Kind! Es sind lügen, Ammenmärchen die man kleinen Kindern erzählt, die die Welt noch nicht verstehen.“, der Mann redet auf sie ein. Meyla ist schwach geworden. Als Kind war sie vielversprechender. Doch jetzt heult sie vor diesem Mann. Es ist nicht rechtens, dass er das immer wieder tut. Er verleugnet mich und bricht sie damit immer mehr. Sie weint so oft. Sie ist nicht mehr das süße, liebe Mädchen von damals. Naiv ist sie immer noch, doch füllt sich ihr Herz mit Hass und Misstrauen. Sie redet mit den Menschen, als spucke sie Gift und Galle. Zu mir ist sie lieb. In meiner Gestalt als Kätzchen mag sie mich. Sie mag die Tiere. Als ich schon wieder fast in meine Gedanken verfalle, greift sie mich fest und hebt mich hoch. Ich erschrecke so sehr, dass ich mich in ihre Brust verkralle. Es stört sie nicht, sie bemerkt es nicht einmal. Sie läuft in ihre Kammer, die Treppen hoch. Legt sich aufs Bett und zieht mich nah an sich heran. Das Gestaltwandeln wandelt nicht nur den Körper sondern auch das Empfinden. So lasse ich es – als Kätzchen – geschehen, dass sie leise in mein Fell weint und mich dabei am Kopf krault.

 Ich bleibe bei ihr so liegen, bis sie einschläft. Dann schleiche ich mich aus ihrer Kammer und erkunde das Haus. Es muss ein Gefängnis sein. Viele Menschen sind hier in winzigen Räumen und die Menschen, die mit ihnen reden, bringen sie zum heulen und zum jammern. Es muss eine Art der Folter sein, doch der Sinn will sich mir nicht erschließen. Auch verstehe ich nicht, was Meyla getan hat um hier zu landen. Sie ist unausstehlich und ich bin nur noch hier, weil Odin es mir befohlen hat, doch ist Meyla wahrhaftig nicht das, was man in einem Kerker erwarten würde. Als ich hier keine neuen Erkenntnisse erlangen kann, beschließe ich zurück nach Asgard zu gehen. In meiner eigenen Gestalt kann ich meine Gedanken besser ordnen. Als Kind mochte sie etwas besonderes gewesen sein, doch warum sie immer noch meinen Schutz benötigt, ist mir unklar. Viele Male streite ich mit dem Allvater darüber und auch mit den Nornen, die das Schicksal aller Wesen weben und die in dieser Zeit so oft dem Rat beiwohnten, doch bleiben sie mir alle eine Antwort schuldig.

 

Wiedersehen - noch nicht bearbeitet

 

Meyla liegt in ihrem Bett und starrt an die Decke. Nichts ist gut, denkt sie. Niemanden habe ich mehr. Nichteinmal das Kätzchen taucht mehr auf. Die Ärzte und Psychologen versuchen immer wieder neue Methoden und Therapien mit ihr, doch hilft nichts. Wie auch? Wobei auch? Ihr fehlt ja nichts. Sie ist nur einsam. Sie vermisst ihre Großmutter. Nicht mal mehr ihre Eltern, an die sie sich ohnehin nicht mehr erinnert. Und sie weiß mehr, als all die anderen Menschen. Sie weiß um die Götter. Um ihre Macht. Doch liebt sie die Götter nicht mehr. Sie hofft zwar auf ihren Schutz, darauf, dass sie ihr zur Hilfe eilen, doch nichts geschieht. Sie glaubt sich zu erinnern, dass sie ihr früher geholfen haben. Kindheitsträume sagt sie sich. Hier kann ich nicht bleiben! Hier werde ich tatsächlich verrückt! Die Nervenheilanstalt schadet ihr mehr, als sie nutzt. Man brachte sie her, damit sich jemand um sie kümmert und ihr bei ihrer Trauer half. Zu Anfang war auch alles noch gut gewesen. Die Schwester, die sich um die Patienten kümmerten waren alle freundlich und mit der ein oder anderen konnte man sogar geistreiche Gespräche führen. Sie hatte ja niemanden mehr gehabt, als sie herkam. Gerade wollte sie anfangen zu studieren, da wurde ihre Großmutter krank. Sie war schon so alt gewesen, dass hatte Meyla nie bemerkt, bis die Frau stürzte und sich viele Knochen auf einmal brach. Die Bettruhe machte ihr zu schaffen, mehr als die Verletzungen. Als die Knochen verheilt waren, hatte sich ihr alter blitzschnell ausgebreitet. Mager war sie geworden, durfte sich ja nicht mehr bewegen, hat also auch nichts mehr gegessen. Ich habe sie nie gefragt, wie alt sie eigentlich ist, denkt Meyla. Es schien ihr immer, als wäre ihre Großmutter so alt, wie die Zeit selbst und ebenso endlos.

Schreie im Gang wecken ihre Aufmerksamkeit. Maya. Das Mädchen, das ihr Zimmer gegenüber hat. Sie ist eigentlich nett aber unglaublich jähzornig. Warum genau sie hier ist, weiß Meyla nicht genau. Hat auch nie nachgefragt.

Ich muss hier weg! Das Versprechen gibt sie sich selbst.

Nachdem Schwester Helga ihr ihr Abendessen mit den Schlafmitteln brachte, bei denen sie schon lange nur so tat, als würde sie diese nehmen, überlegt sie, wie sie das anstellen sollte. Sie steht vor dem Fenster. 1. Stock. Sie könnte springen, das wäre aber zu gefährlich. Wenn sie nun falsch aufkäme und sich den Fuß brach? Dann würde ihr plan nicht funktionieren. Da kommt ihr eine Idee. Sie nimmt die gesammelten Schlafpillen und schleicht die Tür heraus. Im Korridor ist es dunkel und absolut still. Aus leisen Sohlen durchquert sie ihn und greift nach der Klinke, der gegenüberliegenden Türe. Leise öffnet sie diese und gleitet in das Zimmer von Maya. Sie legt ihren Finger an die Lippen und ihr zu bedeuten still zu sein. „Wenn du mich nicht verrätst, dann habe ich was für dich“, flötet sie ihr zu. Maya wird hellhörig und steht auf. „Du willst abhauen?“, „Nur mal frische Luft schnappen, ohne von den Schwestern an der Leine geführt zu werden“, erwidert Meyla.

 

Misstrauisch beäugt ihre Leidensgenossin die weißen Pillen in ihrer Hand. „Schlafmittel?“, Meyla nickt. „Aber verpfeife' mich nicht!“, „Würde ich niemals tun!“, sie flüstert sie und greift nach den Tabletten. Sieht sie sich eine weile an und schluckt dann ein paar auf einmal. Sie ist keine Gefahr mehr. Weiß morgen vermutlich nicht mal mehr, dass Meyla hier war. Sie läuft zum Fenster und Öffnet es. Dieses Zimmer lag genau über dem Gemeinschaftsraum, vor dem eine Terrasse gebaut wurde. Sie schlüpft aus dem Fenster, klettert über die Terrasse zur anderen Seite. Der Wind weht stark und eisig. Verdammt. Ich hätte mir eine Jacke mitnehmen sollen. Das ist jetzt auch egal. Sie ist draußen und nur das zählt. Jetzt muss sie nur noch irgendwie hier runter kommen. Neben dem Eingang von der Terrasse zum Gemeinschaftsraum wächst ein kleiner, mickriger Baum. Er sieht nicht besonders stark aus, doch wird er reichen, um sich an ihm herunter zu angeln. Die kriecht auf allen Vieren zu dem Bäumchen. Der Wind wird immer stärker, so dass sie sich kaum noch halten kann. Sie greift nach einem der dürren Äste und verlagert langsam ihr Gewicht darauf. Er hält. Sie setzt sich, weiter an dem Ast festhaltend, auf das Dach, so dass die Beine runter baumeln. Sie sucht mit dem einen Fuß einen weiteren Ast und tritt in eine Gablung im Stamm, die ihr wahrscheinlich mehr halt bieten würde, als die Ästchen. Sie rutscht von dem Plexiglas der Terrasse hinunter und klammert sich an den Baum. Ihr ganzes Gewicht ruht nun auf ihm. Langsam, einen Fuß und eine Hand nach der anderen setzend klettert sie hinunter und muss einen Freudenschrei unterdrücken, als ihr Füße den Boden berühren. Erst läuft sie auf den Hof. Das Gras ist weich und der nasse Boden gibt unter ihren nackten Füßen nach. Sie atmet die eisige Luft tief ein, lässt sie ihre Lunge füllen und stößt sie dann als Dampfwolke wieder aus. Ein Käuzchen kreischt irgendwo und die Wolken fliegen über den Himmel. November ist es. Die Zeig verging so schnell in den letzten Monaten, seit dem sie hierher kam. Die muss an ihre Großmutter denken. Tränen liefen ihr über die Wangen.

Verlassen. Kalt. Dunkel. Das war ihre Welt. „das ist unfair“, murmelt sie leise, dann fängt sie an zu rennen. Lange rennt sie und lässt die Tränen einfach fließen. Nichts würde sie zurückbringen. Nicht in dieses grauenhafte Haus. Lieber will sie vor Kälte sterben, als wieder dorthin zurück zu kehren.

„das ist unfair“, sagt sie erneut und läuft schneller, gelangt an den Wald, der das Ende des Grundstückes markiert. Sie läuft weiter, immer weiter. Tränen brennen heiß auf ihrem Gesicht und ihre Sicht verschwimmt. Alle Farben verlieren sich. Das Grün der Wiesen, das Rot der Abenddämmerung. Der Wald lichtet sich, das sieht sie, im Gegensatz zu der Wurzel vor ihr auf dem Waldboden. Wie hätte sie sie sehen sollen unter ihrem Tränenschleier? Meyla fällt. Sie schreit. Nicht vor Schmerz, sondern vor Wut „DAS IST UNFAIR!“, schreit sie in den Himmel, reißt ihr Gesicht in die Höhe „LOKI!“, sie schreit nach dem Gott, der ihr als das eingebracht hatte. Er war es, den sie geglaubt hatte zu sehen, als sie ein kleines Mädchen war. „LOKI! ZEIG DICH DU FEIGLING!“, sie ist wütend auf diesen Gott der List und der Täuschung. Sie ist sich ihrer Sinne nicht mehr sicher, weiß nicht, was wahr ist und was Traum. Wer anders könnte dafür verantwortlich sein als er? „LOOKIII!! TREIB DEIN SPIEL NICHT MEHR MIT MIR!“, er beginnt zu regnen und die kalten Wassertropen kühlte ihre erhitzten Wangen. Sie kann den Regen fühlen, wie er ihren dünnen, weißen Krankenhauskittel durchnässt. Nichts anderes durfte sie tragen in dieser Hölle auf Erden. Verletzungsrisiko sagten die Ärzte immer. Reine Schikane denkt Meyla, die plötzlich daran denken muss. Ihre Wut entfachte erneut. „LOOKII!!!“ ihre Stimme erstirbt in dem Donnergrollen, welches den Himmel erfüllt. „Habe ich euch jemals Schande gemacht, ihr Götter? Habe ich jemals gegen euren Willen gehandelt?“, ein eisiger Windhauch bringt sie zum innehalten. Sie schlingt die Arme um ihren kalten, nassen Körper und schreit erneut gen Himmel. „LOKI! ANTWORTE MIR DU GRAUSAMER GOTT“. Es blitzt. So hell, dass sie die Augen schließen muss um nicht geblendet zu werden. Als sie sie wieder öffnet, leuchtet der Himmel in allen Farben des Regenbogens. Nordlichter sind das nicht. Sie ist so geblendet, von diesem Lichterdspektakel, dass sie die Männer nicht bemerkt, die plötzlich vor ihr stehen.

 

***

 

Als der Bifröst sich wieder schließt und das helle Licht verschwindet, sehe ich das junge Ding auf dem Boden kauernd, das mich gerufen hat. Ich stehe etwas abseits, wie Thor es mir geheißen hat. Er jedoch steht direkt vor dem Geschöpf. „WIE KANNST DU ES WAGEN, SO MIT DEINEN GÖTTERN ZU SPRECHEN?“, herrscht er sie an. Seine Stimme ist gewaltig, ebenso wie er selbst. Er hält Mjölnir, den Hammer bedrohlich in seiner Hand. Das Mädchen kniet zusammengesunken auf dem Boden. Tränen rinnen über ihre geröteten Wangen. Ihr Blick, von Wut und Hass erfüllt, ruht auf Thor. Auch ihm ist Zorn ins Gesicht geschrieben. Ihm ist es egal ob ein König oder ein kleines Mädchen vor ihm sitzt, sie hatte nach den Göttern gebrüllt und jetzt muss sie sich ihnen erklären. Kein Wort bringt sie jedoch heraus. Hat nur Augen für Thor. Schön muss er für sie sein. Er mit seinen von Muskels umspannten Gliedern und seinem wallend Blondem Haar. Seine Rüstung glänzt und sein Umhang weht in meinem Wind. Mich übersieht sie vollkommen. Das soll mir recht sein. Ich bin nur mitgekommen, weil ich es bin, den sie gerufen hat. Thor ist der Beschützer Midgards, nicht ich. Jetzt richtet sie sich auf. Seltsam sind diese Menschen. Bringt diese Kälte des Winters sogar mich zum frösteln, steht sie da mit nackten Füßen und einem Hauch von Gewand, welches, nass wie es ist, an ihrem Körper klebt. Blut fließt in Rinnsalen ihre Beine hinab. Hat sich wohl die Knie aufgeschlagen. Auch das kommt mir schrecklich bekannt vor. Die Tränen in ihren Augen, das dicke, braune Haar, das, wenn es trocken ist, vermutlich ganz hübsch anzusehen ist. Die aufgeschlagenen Knie. „Ihr seid nicht meine Götter!“, faucht sie dem Donnergott entgegen, den sie also als solchen erkannt hat. Auch die Stimme ist mir vertraut. Ich sehe mich um wehrend Thor um Fassung ringt. Wald, Wiesen, da in der Ferne steht ein Haus. Es ist weiß wie der Schnee in Niflheim. Da fällt es mir wieder ein. Jahre sind es her, seid dem ich zum letzten mal hier gewesen bin. Das Mädchen – die junge Frau – korrigiere ich mich, ist Meyla. Ehe Thor aus seine Sprachlosigkeit erwacht, schreit sie ihn erneut an. „Die Götter haben mich schon vor Jahren verlassen! Ich bin Euch nichts schuldig! Ich habe die Schlange gerufen und nicht den Donner!“, Thor blickt mich an. Wie vom Donner gerührt, ich muss fast Lachen, als mir dieser Sinnspruch der Menschen einfällt. „Sie ist dein Problem, Loptr!“, er pfeift seinen Wagen, von zwei Ziegenböcken gezogen, herbei und rast davon. Ich trete aus dem Schatten, in dem ich zuvor verweilte. Ihr Blick ruht nun auf mir, auf meiner bescheidenen Gestalt. Was mag sie in mir sehen? Ich bin gänzlich anders als Thor, von schlanker Natur, mit rabenschwarzem Haar. Eine Rüstung trage ich nicht. Auch ein Schwert führe ich nicht mit mir. Nur einen kleinen Dolch, der in meinem Gürtel steckt. Mein Umhang ist vom Grün des Waldes, mit Runen bestickt. Doch all das mag sie höchstens erkennen lassen, wer ich nicht bin. „Eine Schlange willst du zum reden, ja?“, Thor hat mich Loptr genannt. Kaum ein Bewohner Midgards kennt diesen Namen. Loki nennt man mich hier, was mir nur recht ist. „Reden kann ich mit einem Baumstumpf besser! Zu Reden und zu Bitten versuche ich seit langem, doch hat mich von euch niemand gehört“, sie blickt zum Himmel. „Jetzt bin ich tatsächlich verrückt geworden und sehe schon Thor und Loki vor mir“. Sie weiß wer ich bin. Darauf hätte ich nicht gewettet. „Was lässt dich zweifeln, dass ich wahrhaftig hier bin?“, frage ich um ihre Worte zu begreifen. Sie hat all ihre Kindlichkeit verloren. Schade. Darin hatte etwas interessantes gelegen. Jetzt ist sie eine leere Hülle, wie die anderen Menschen auch. „Welcher Gott würde sich dazu herab lassen, zu mir zu kommen? Wie wahrscheinlich ist das? Und dann auch noch gleich zwei. Ich habe immer auf Loki vertraut, doch trügt er meinen Geist und macht mich unfähig, die Wahrheit zu sehen“ Sie redet von mir, als wäre ich nicht da. „Du kannst mit geschlossenen Augen überhaupt nicht sehen. Merk dir das“, in diesem Moment kommt Thor zurück. Schlecht gelaunt sieht er aus, was auch sofort den Himmel aufheulen lässt. Fragend schaue ich ihn an. Auch Meyla wirkt noch irritierter als vorher. „Wir sollen sie nach Asgard bringen“, brummt er. „Was?“, fragen das Mädchen und ich gleichzeitig. Jetzt schaut Thor verwirrt. Ich müsste ob dieser bizarren Situation lachen, wenn sie nicht so unerfreulich wäre. „Ich werde nicht mit euch kommen! Ich weiß nicht wer ihr seid oder ob ihr überhaupt seid“, sie schüttelt den Kopf ungläubig. Seit wann glaubt sie nicht mehr an uns? Seit wann bezweifelt sie, dass ich zu ihr komme? Als sie noch Kind war, hegte sie keinerlei zweifel gegen mich. War dies das Werk dieser Männer in dem weißen Haus?

Thor geht einige Schritte auf sie zu. Angst taucht plötzlich in ihrem Blick auf, doch scheint sie zu erschöpft zu sein, um ihn abzuwehren als er einen Arm um sie schlingt und sie hoch zieht. Sie starrt ihn an. Es wurde mit der Zeit ermüdend zu sehen, wie sich die Weiber um Thor rissen. Ob in Asgard oder in Midgard. Es soll sogar Jötenmädchen in Thors Bett gegeben haben. Wo Thor die Riesen aus Jötunheim doch immer wieder bekämpft. Er stiehlt ihnen jedes mal aufs Neue den Verstand. „Hast du mit Odin gesprochen, Thor?“, frage ich um ihn davon abzuhalten, was auch immer er mit Meyla vor hat. „Nein“, erwidert er „Ich bin nicht mal bis Asgard gekommen. Heimdall hat mich aufgehalten und erzählte mir, dass Vater zur Urdquelle gegangen ist um mit den Schicksalsweibern Rat zu halten. Er konnte hören, was sie redeten und das Odin will, dass wir das Mädchen mitbringen. Ist sie das Mädchen, von dem die Nornen vor so langer Zeit berichteten?“ fragt er an mich gewandt, während er Meyla stützt, damit sie nicht fällt. Ich nicke, „Ja, das ist sie. Meyla ist ihr Name. Dann ist es nun wohl so weit“. Ich bin mir selber nicht sicher was es heißt, dass es so weit ist. Diese Worte benutzte Urd damals, als sie zu Odin sprach.

„Du weißt meinen Namen? Woher? Das muss Einbildung sein“, ihre Augen rollen nach hinten und sie wäre beinahe zusammengesackt, würde Thor sie nicht weiter festhalten. Auch er blickt mich fragend an. Mal wieder. „Ich kenne ihren Namen, weil ich seit dem Tag, an dem die Runensteine fielen auf sie Acht geben sollte“, ich zucke entschuldigend mit den Schultern.

„Toll Acht gegeben hast du. Sieh sie dir an! Sie ist leicht wie eine Feder, fast so mager wie du! Sie heult und schreit und ruft bereits nach Helja“

„Ich war bei ihr, immer wenn sie mich brauchte“, versuche ich mich heraus zu reden. „Ihre Großmutter ist gut zu ihr gewesen. Da brauchte sie meine Hilfe nicht mehr“

„Und wo ist diese Großmutter jetzt?“, fragt Thor erbost.

„Sie ist Tod“, gestehe ich leise. Mir ist bewusst, worauf er hinaus will.

„Ich bin nicht ihre Amme, Thor! Viele andere Menschenkinder leben und sterben ebenfalls ohne die Hilfe der Götter. Wieso sollte dieses eine Ausnahme bilden? Wenn sie so gefährlich ist, warum hat sie nicht schon jemand nach Helheim gebracht?“, ich versuche mich zu beruhigen. Ich will ihn nicht noch mehr erzürnen. Ich spüre wie mir das Blut in den Kopf schießt und die kleine Ader an meiner Schläfe zu pochen beginnt. Ruhig Loptr! Unwillkürlich lasse ich den Wind etwas heftiger wehen um meinen Schädel abzukühlen.

„Loki, wir handeln auf Vaters Geheiß. Es muss nicht alles immer einen Sinn ergeben. Sie ist wichtig, das muss genügen.“, er spricht leiser, als er eigentlich will, um sie in ihrer Erschöpfung nicht zu stören. „Als die Alte starb war ich auch bei ihr!“, verteidige ich mich erneut. „Dann kam sie in dieses Gefängnis der Menschen. Was sollte ich tun? Als Kätzchen hab ich ihr beigestanden. Schnurrte, bis sie sich in den Schlaf geheult hat. Ich durfte nichts ändern. Was sollte ihr also daran schaden, wenn ich mich wieder meinen Dingen zu wende?“, darüber muss Thor nachdenken. „Nichts hättest du tun können“, knurrt er „Du hättest sie trotz dessen nicht allein lassen dürfen. Sieh sie dir an, Loki. Sie ist kaum mehr ein Schatten. Lass sie uns nach Hause bringen, dass sich die Heilfrauen ihrer annehmen können“

Er gibt den Ziegenböcken ein Zeichen, auf das hin sie sich zu uns bewegten. Als er mir das Mädchen in die Arme drückt, schaue ich ihn verwirrt an. „Ich muss den Wagen nach Asgard lenken. Also hältst du sie fest!“, das ergibt Sinn. So setze ich mich hinter Thor in den Wagen und ziehe Meyla in meinen Schoß. Sie ist eiskalt und zittert am ganzem Leib. Ich ziehe sie näher an mich heran, so dass ihr Kopf auf meiner Schulter ruht. Ihr seltsames Gewand ist immer noch durchnässt, obwohl es schon längst zu regnen aufgehört hat. Sie wird sich den Tod holen. Ich ziehe meinen Umhang hinter mir hervor und hülle uns beide damit ein. Ich kann hier kein Feuer entfachen, aber ich kann versuchen, sie mit meinem innerem Feuer zu wärmen. Thor betrachtet mich, wie ich da so saß mit dem Mädchen fest im Arm, von der ich vorher so unglimpflich gesprochen hatte. Aus dem Augenwinkel sehe ich sein Schmunzeln, was ich mir jedoch nicht anmerken lasse. Ich streiche ihr das nasse Haar aus der Stirn. „Sie glüht vom Fieber und ihr Leib ist kalt wie Niflheim. Treib deine Böcke an! Wenn sie so wichtig ist, will Odin sie sicher sehen, bevor sie der Fiebertod ereilt“. Gesagt, getan. Diesmal habe ich keinen Blick für den Bifröst, der von Midgard aus ein atemberaubender Anblick ist. Meine volle Aufmerksamkeit gilt Meyla. Kleine, süße Meyla. Wie ich sie im Arm halte erinnert sie mich an das kleine Mädchen von damals. Sie ist kein Mädchen mehr. Immer muss ich mich zu diesem Gedanken ermahnen. Sie ist eine junge Frau geworden. Sie würde es beschämend finden, wenn ich sie entwanden würde um sie zu trocknen und in den Mantel zu hüllen. Ich versuche das Feuer in meiner Hand zu halten, mit der ich über ihre Haut fahre um sie wenigstens ein bisschen zu wärmen. Sie ist tatsächlich leicht wie eine Feder und dürr. Ich frage mich, wie sie auf die Idee kam, in dem dünnen Gewand und mit blanken Füßen mitten in der Nacht hinaus zu rennen. Ihr Körper wärmt sich langsam doch beginnt sie nun zu zucken und gequälte Laute von sich zu geben. Sie ist im Fiebertraum. Unwohlsein macht sich in mir breit. Die in ihrer Kindheit für sie gehegte Sympathie regt sich und verbietet mir die Anteilslosigkeit an ihrem Leiden. Ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann, also ziehe ich sie wieder an mich heran. Thor fährt so schnell, dass der Wagen schaukelt und Meyla mir andauernd vom Schoß rutscht. Diesmal halte ich sie fester in meinem Armen und muss daran denken, dass sie es in Thors Armen vermutlich sogar genossen hätte. Ihre Augen sind geschlossenen, doch sehe ich ihre Augäpfel darunter zucken. Ihre Haut ist so hell. Nichteinmal ihre Lippen sind von einer anderen Farbe. Sie sieht aus, als hätte sie die Brücke nach Helheim längst überquert. Erleichtert atme ich auf, als die Burgen Asgards sich in der Ferne erheben.

 

Asgard - noch nicht bearbeitet

 

Oma, Oma!“, das kleine Mädchen kam in die Wohnstube gelaufen, die Augen vor Schreck geweitet, barfuß und mit einer kleinen Strohpuppe im Arm. „Was ist den los, mein Schatz?“, die alte Frau stand von ihrem Platz vom Kamin auf, an dem sie zuvor, lesend, gesessen hatte und lief zu der Kleinen hin. „Da waren Wölfe! Die sind riesengroß und Schlangen und die wollten mir das Kätzchen weg nehmen!“ Die Großmutter lächelte und küsste sie auf den kleinen Kopf. „Du hast geträumt mein Schatz. Loptr hat dir einen Streich gespielt. Alles ist gut und dein Kätzchen streunt draußen beim Teich herum und ärgert die Fische“ „Warum spielt Loptr mir einen Streich? Ich dachte er beschützt mich?“ Die Alte ließ sich wieder in ihren Stuhl fallen und bedeutete ihrer Enkelin sich auf ihren Schoß zu setzen. „Weiß du, Loptr ist ein Meister der Streiche. Er spielt sie jedem, sogar den anderen Göttern. Aber nur harmlose und wenn er andere mit seinem Schabernack doch einmal in Gefahr gebracht hat, dann findet er eine List um ihnen wieder heraus zu helfen.“ Das Mädchen schien mit der Antwort zufrieden zu sein. Fürs Erste jedenfalls. „Erzähl mir von ihm, Oma!“, verlange sie dann. „Nun gut“, lachte die Alte „Loptr ist der Sohn der Sturmriesen Farbauti und Laufey. Er war so klein und dünn als er geboren wurde, dass sein Vater ihm den Namen Loptr gab. Das bedeutet nämlich „laues Lüftchen“. Seine Mutter gab ihm deshalb den Spitznamen Loki, der weniger beleidigend für den Sohn eines Sturmriesen war. Als er älter wurde verliebte er sich in die Riesenfrau Angrboda. Mit ihr bekam er zwei Söhne und eine Tochter. Den Fenriswolf, die Midgardschlange und Helja, die später die Göttin der Toten wurde, aber die Geschichte kennst du ja schon.“ die Kleine nickte eifrig „erzähl mir, wie Loki nach Asgard gekommen ist und warum wir ihm zu Essen geben!“ „Ja doch. Loki ist ein sehr neugieriger Bursche gewesen und wollte die neun Welten erkunden. Also kam er irgendwann nach Midgard. Dort saßen Odin und einige andere Asen zusammen und spielten. Sie forderten Loki auf mitzuspielen. Loki und Odin wurden in dieser Zeit wie Brüder und so beschlossen sie aus im Blute Brüder zu werden und mischten ihr Blut. Loki sollte überall in Asgard willkommen sein und Odin wollte sich nur dort Gast nennen, wo auch Loki gern gesehen war.“ „und was ist mit den Baumstümpfen? Wie war das genau? Erzähl!"
Du bist ja genauso neugierig wie Loki! Nicht, dass du mir noch wegläufst um die Welt zu erkunden und dann in der Eiswelt verschwindest“, die Großmutter lächelte und ihre Enkelin versprach nun still zu sein und zuzuhören. „Eines Tages, als die Götter wieder mal in Midgard waren, langweilten sie sich. Es gab hier kein Geschöpf, welches den Göttern in Aussehen und Verstand glich und ihre Spiele wurden ihnen zu öde geworden. Da gingen Odin, Loki und ein Ase namens Hönir am Stand entlang. Dort fanden sie zwei Baumstümpfe. Tot waren sie. Da hauchte Odin ihnen Leben ein, gab ihnen Atem und eine Seele. Hönir gab ihnen Verstand und Leidenschaft. Und Loki...“ erwartungsvoll sah das Mädchen die Alte an. „Dein Loki wurde von Odin aufgefordert ihnen zu geben, was er dachte was ihnen fehlen würde. Loki fand sie hässlich, also gab er ihnen das Aussehen der Menschen und warmes Blut floss von da an durch ihre Adern. Er gab ihnen ihre Stimmen und das Lachen in ihren Herzen. Die Baumstümpfe wurden nun Ask und Embla genannt und waren die ersten Menschen. Als Loki viele, viele Jahre später nach Midgard zurück kehrte, sah er, dass die Menschen froren. Weil er ihnen die innere Wärme gegeben hatte, fühlte er sich für ihr Leid verantwortlich und brachte ihnen das Herdfeuer und die Fähigkeit, es selbst zu entfachen. Weil die Menschen dort ihr Essen zubereiten konnten, bedanken sie sich bei ihm, indem wie den ersten Bissen für Loki ins Feuer werfen.“ „Muss Loki verhungern wenn wir das nicht machen?“, fragte die Kleine gähnend „Nein, das muss er nicht aber er freut sich sehr darüber.“ „Also kann Loki Feuer machen?“ „Ja, das kann er und er braucht noch nicht einmal Streichhölzer wie wir. Sein Feuer kommt aus seinem Inneren. Es ist eine Art Magie die er beherrscht. Genauso wie das Gestaltwandeln.“ „Erzähl mir mehr“, forderte das Mädchen. Die Alte jedoch schüttelte den Kopf und trug sie in ihr Bett, in dem sie sofort einschlief.

 

***

 

Thor und ich betreten die große Halle in Odins Palast. Hier steht die Sonne bereits hoch am Himmel und reges Treiben herrscht. Wir durchschreiten die Räumlichkeiten bis wir an eine lange, gedeckte Tafel kommen und lassen uns nieder. Odin ist noch nicht zurückgekehrt doch sagt man uns, dass er jeden Augenblick heimkehren würde. Der Allvater ist schon viele Male bei den Schicksalsweibern gewesen und immer kam er mit noch düsterer Laune zurück. Der Mann vergisst ob seiner Weisheit den Spaß am Leben. Ich erhebe mich wieder und bewege mich zu den Fensterbögen von denen man auf das Idafeld hinaus schauen kann. Das Idafeld ist eine große, weite, immergrüne Wiese, die den Asen als heilig gilt. Auf ihr werden Zeremonien abgehalten, Hochzeiten beschlossen und so Mancher hat hier schon einem schönen Weib seine Liebe gestanden. Außerdem darf hier kein Blut vergossen und kein Streit ausgetragen werden. Einige Asinnen gehen in kleinen Grüppchen über die Wiese und lachen. Es ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint und dennoch ist es hier drin kalt und die Luft zum schneiden Dick. Es wird Zeit, dass Odin zurückkehrt und diese Sache bereinigt. Ich lasse meinen Blick durch die Halle schweifen. Thor sitzt dort immer noch an der Tafel, beachtet mich nicht, spricht mit Sif. Die Steinwände, die wie Gold in der Mittagssonne schienen, sind mit Staturen aus Rabenstein besetzt, die Drachen, Raben und andere Gestalten darstellen. In den Boden sind künstlerische Ornamente eingelassen die unter Anderem Yggdrasil, den Weltenbaum mit verschlungenen Wipfeln und Wurzeln zeigten.
Frigga taucht in der Halle auf, stürmt auf Thor zu und umarmt ihn. Sie ist Thors Mutter und Odins Gemahlin. Frigga ist eine sehr schöne und kluge Frau. Sie hat ihr langes, blondes Haar zu einem dicken Zopf geflochten und trägt ein hellbraunes Gewand, welches mit Goldbestickten Borten versehen ist. Sie nickt mir zu, bedeutet mir, ich solle mich zu ihnen gesellen. Sie umarmt auch mich, bin ich ihr in der Zeit, in der ich mit Thor durch die Welten reiste doch wie ein Sohn geworden. Ich finde es seltsam, dass sie vor den anderen Asinnen keinen Hehl darum macht, wie sie zu mir steht. Ich mag sie, wenn unsere seltenen Gespräche auch eher distanziert ausfallen. „Thor, Loki, wie geht es euch? Was ist mit dem Mädchen? Geht es ihr gut, wo ist sie?“, sie scheint besorgt zu sein. Was ist nur mit dieser Meyla, dass sich alle immerzu um sie sorgen? „Sie weilt im Fieberwahn. Die Heilfrauen haben sich ihrer angenommen. Sie schläft nun vermutlich, wir haben sie in die Kammer bringen lassen, die für sie vorgesehenen war“ Frigga wirkt nervös, als ich ihr diese Neuigkeiten verkünde. „Was ist an ihr so besonders?“, verlangt Thor zu wissen, der nun allmählich auch von der Neugierde gepackt wurde. Diese direkte Frage scheint sie in Erklärungsnot zu bringen und ich lege mir bereits die besten Worte zurecht, um ihr Schweigen zu brechen, als Odin nun endlich die Halle betritt. Es wird schlagartig still und erst jetzt bemerke ich, dass das Treiben zugenommen hatte. Es waren weitere Tafeln hergebracht worden und man schmückt die Halle mit Blumen. Ich vergaß das anstehende Fest vollkommen wehrend unserer Reise nach Midgard und der Aufregung um das Mädchen. Der Allvater nickt und die Gesellschaft nimmt ihre Tätigkeiten wieder auf. Dann wendet er sich an mich und seinem Sohn. „Ist sie hier?“, lautet seine knappe Frage. Thor nickt, dann sieht er mich an. „Sie liegt im Fieberwahn“, sage ich erneut, diesmal vorsichtiger. „Wir fanden sie durchnässt in Eiseskälte auf Midgard. Sie hätte sich beinahe den Tod geholt.“ Odins Augen weiten sich bei diesen Worten und sein Gesicht färbt sich rot vor Zorn. „Wie konntest du das zulassen, Loptr?“, er spricht mich nur mit Namen an, wenn er wahrlich erbost ist über meine Taten, nur dass es diesmal nicht meine Schuld war. „Es war deine Aufgabe darauf zu Achten, dass ihr nichts zustößt! Und jetzt schleppt ihr mir dieses Mädchen halb tot an? Ich will sie sehen, sofort!“, jetzt beteiligt sich Frigga an der Unterredung und versucht ihren Gemahl zu beschwichtigen. „Liebster, das Mädchen liegt im Erschöpfungsschlaf. Lasst sie das Fieber besiegen, ehe sie sich euch behaupten muss.“ Friggas Worte wirken wie Honig auf Odins Zorn. „Sie wird sicher bald genesen. Bis dahin sollte sie das Bett hüten. Das ist, was auch die Heilerinnen sagten“, stimme ich zu, was mir von Thor einen misstrauischen Blick beschert.
„Nun gut“, lenkt der alte Gott ein „Ich will ihr die Zeit geben zu erstarken. Sie soll die Ruhe bekommen, die sie bedürft“

Der Tag neigt sich dem Ende zu und das Fest ist bereits in vollem Gange. Musik dröhnt durch die Hallen und über das Idafeld. Alle Bewohner Asgards sind versammelt und tanzen und saufen. Von meinem Platz am hinteren Ende der Tafel aus beobachte ich das Geschehen. Alle stehen sie beieinander und lachen und reden und erzählen von ihren Abenteuern. Thor steht bei Sif und unterhält sich angeregt mit ihr. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden einander sehr zugetan sind. Zumindest nicht für den Rest der Welt. Die beiden jedoch benehmen sich wie Kinder, umgarnen einander, beschenken einander. Und doch sind sie Blind dafür, dass ihre Gefühle erwidert werden. Narren, allesamt. Als habe Thor meine Gedanken gehört, blickt er mich nun an und kommt herbei. „Loki! Amüsiere dich! Die Fässer sind voll und es wimmelt von Weibern. Irgendeine wird dir schon gefallen. Jetzt sitze nicht so übellaunig da“ „Weißt du, Thor“, antworte ich „ich habe Freude daran euch beim Feiern zuzusehen. Darüber hinaus können nicht jedem die Weiber so erliegen sein wie dir“ Thor schlägt mir fest auf die Schulter. Es ist eine freundschaftliche Geste, jedoch schmerzt es nicht minder. Er lacht, als er mein schmerzverzerrtes Gesicht sieht. „Freude am herumsitzen, ja? Was bedrückt dich Loki?“ er sorgt sich wirklich. Ich winke ab. „Mich bedrückt, dass du Blinder als Hödur bist, Bruder!“ Ich bin zwar nicht Thors Bruder, jedoch ist liebe ich ihn wie einen und Thor, wenn er wie so oft zu viel vom süßen Wein getrunken hatte, beteuerte mir stets, dass ich ihm wie ein Bruder sei und er ebenfalls mit mir den Blutbund beschließen will. Ich necke ihn damit, wenn er sich allzu gluckenhaft verhält. „Ganz Asgard und vermutlich alle anderen Welten auch sehen, was du für Sif empfindest.“ verwundert schaut er mich an. „Nur ein Narr würde dies nicht bemerken“, füge ich hinzu. Er grinst. „Und was ist mit dir? Dieses Menschenkind, du magst sie“, er will mich necken, dass kann er haben „Du hast mich erwischt, Thor. Ich habe mich unsterblich in ein dürres, dummes Menschenkind verliebt, das dem Tode näher ist als dem Leben. Ich werde sie aus ihren menschlichen Fesseln befreien und sie auf einem schneeweißen Klepper reitend aus den Fängen eines dreckigen Schwarzalben befreien.“ ich versuche, ein möglichst verzweifeltes Gesicht aufzusetzen welches, wären meine Worte nicht so übertrieben, vielleicht sogar aufrecht gewirkt hätte. Thor schüttelt mit dem Kopf. „Du kannst schwatzen so viel du willst, Loki. Du hast dich um sie gesorgt als wir sie herbrachten und das will was heißen bei Loki Laufeyson.“ er reicht mir einen, mit Honigwein gefüllten Krug „Vergiss die Weiber! Was bedrückt dich nun wirklich?“ wechselt er das Thema. Es bedrückt mich nicht, es stimmt mich nur missmutig. Thor folgt meinem Blick und versteht. „Sie misstrauen dir immer noch“ stellt er nüchtern fest. „Ja, das tun sie.“ gebe ich zur Antwort und es reizt mich, dass ich mich nicht vor ihm verbergen kann. „Du hast doch nichts vor, oder?“ was sollte ich denn vor haben? Allen Wein auf saufen? Das schafft Thor alleine. Nein, mir steht der Sinn heute nicht nach Schabernack. Der Diebstahl von Freyjas Halskette sitzt allen noch im Nacken, obwohl Odin es war, der mich dazu aufforderte. „Keiner ist mehr böse mit dir, Loki“, versucht er meine Gedanken zu deuten. „Sie meiden mich, dass ist alles, was ich wissen muss.“ ich weiß nicht, weshalb ich das sage. Es ist mir gleichgültig, ob die Asen mich meiden oder nicht. „Nicht alle meiden dich“, gibt Thor zurück und wie auf Stichwort beugt sie Freyja über meine Schulter und fragt, worüber wir uns so angeregt unterhalten. Nichteinmal sie ist mir böse. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen und sie weiß, dass ich nur den Anweisungen nachging, die der Allvater mir gegeben hatte. Wir unterhalten uns ein wenig und als Thor sich verabschiedet und mit Sif Richtung Idafeld verschwindet, entschuldige auch ich mich und mache mich auf, mir ein wenig die Beine zu vertreten.

***

 

Licht. Helles Licht. Alles wirkt verschwommen. Schmerzen. Solche schmerzen. Wo kommt dieses Licht her? Die Großmutter. Sie steht dort auf der Wiese. Ganz allein. Unerreichbar. Der Schrei erstickt. Es ist laut. So unfassbar Laut. Ein Dröhnen. Ein Lachen. Ein schreckliches, verzerrtes Lachen. Eine Stimme. Die Worte sind unverständlich. Dunkle Gestalten umkreisen die Großmutter. Zerren an ihr. Treiben sie fort. Die Großmutter verschwindet. Die Schatten bleiben. Sie kommen näher. Immer näher und dieses Lachen. Farben vermischen sich, die Sicht verschwimmt wieder. Schreie und Lachen. Der Schmerz hört nicht auf. Und dann, Finsternis. Ein Radio spielt Neil Young. Dann fängt der Lärm wieder an. Reifen quietschen. Lichter tauchen auf, flackern. Sirenen brüllen. Wieder Schreie. Wieder Dunkelheit. Eine Katze verwandelt sich in ein Ungeheuer. Geifer tropft aus seinem Maul. Es ist nicht schnell genug. Breitet die Flügel aus und fliegt davon.

 

***

 

Ich kann dem drang nicht entfliehen einen Blick auf Meyla zu erhaschen und so laufe ich den Korridor entlang, der zu ihrer Kammer führt. In der Wand zu dem geräumigen aber leeren Raum ist eine Fenster eingelassen, durch welches man hinein schauen kann. Diese gibt es nur in diesem Bereich des Palastes, denn hier leisten die Heilerinnen ihre Dienste und diese müssen ihre Schützlinge schließlich beaufsichtigen können. Mir dient es nun, um sie zu beobachten. Sie wälzt sich auf ihrem Lager. Ist wohl immer noch im Fiebertraum. Alle sorgen sich um sie, sogar Frigga, die sich sonst von nichts aus der Ruhe bringen lässt. Meyla ist nicht einmal aufgewacht, obwohl sich die Heilfrauen den gesamten Tag um sie bemüht haben. Ihr Fieber hat sich gelegt, doch die Träume werden immer schlimmer. Ob sie wohl von mir träumt? Das würde die Angst erklären, die ihr ins Gesicht geschrieben steht. Ich muss unweigerlich an die vergangene Nacht denken. An den Blick, den Thor mir zuwarf, als ich sie in meinen Armen hielt. Ob er eifersüchtig war? Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Er ist in Sif vernarrt, seit dem er ein Knabe ist. Was mag es dann sein, was er mir mit diesem Blick sagen wollte? Weiter komme ich mit meinen Gedanken nicht, denn ich höre Schritte näher kommen. Dann Stimmen. „Liebster, du musst einsehen, dass sie zu geschwächt ist. Sieh sie dir an, wenn du unbedingt musst, doch störe sie nicht in ihrer Ruhe“, das ist Friggas Stimme. „Das werde ich nicht, Frau. Ich warte nun schon so lange darauf, sie endlich her holen zu können, da werde ich auch noch die paar Tage ausharren. Ich will mich nur versichern, dass sie wahrhaft hier ist und ihr nichts geschehen kann“, Odins Stimme. Sie kommen näher. Ich ahne, wohin sich ihr Gespräch entwickeln könnte und sammle all meine Magie. Odin zu täuschen, bedarf es mehr als ein Kätzchen. Ich atme tief ein und wieder aus. Gerade rechtzeitig, denn der Allvater und seine Gemahlin biegen in diesem Augenblick in den Gang ein, in dem ich als Marienkäfer im Efeu sitze, die an allen Säulen des Palastes rankten. Wie ich es vermutet habe, reden sie weiterhin über Meyla. Sie bleiben vor ihrer Kammer kurz stehen, blicken einige Zeit stumm hinein und ziehen dann, murmelnd, weiter. Ich folge ihnen.

 

 

 

 

Ein erstes Lächeln - noch nicht bearbeitet

 

Vogelgezwitscher und die Sonne, die auf Meylas Gesicht scheint wecken sie aus ihrem Schlaf. Sie öffnet die Augen und sieht sich um. Sie liegt auf einem weichen Bett in einem großen, freundlichen Raum. Der Boden scheint aus Stein zu bestehen. Die Wände sind von einer sandigen Farbe und mit Efeu bewachsen. Abgesehen von ihrer Schlafstätte befinden sich lediglich ein Stuhl und ein kleiner Tisch in dem Raum, auf dem ein Tonkrug und ein Becher stehen.
Es braucht einige Augenblicke, bis sie sich an die Nacht erinnert, in der sie weggelaufen war. Meyla geht die Ereignisse noch einmal in ihren Gedanken durch und kommt zu dem Schluss, dass sie nun vollkommen verrückt sein muss. Thor, Loki, der Bifröst. Das ist Irrsinn! Sie wollten sie nach Asgard bringen. Sie blicht sich erneut um und entdeckt ein Fenster, welches in einen offenen Gang blicken lässt. Von ihrem Bett aus kann sie zwischen den sandsteinfarbenen Säulen des Ganges nach draußen schauen. Dort erblickt sie sie eine riesige Wiese, gesäumt von alten Eschen und Rosenbüschen. Ich bin nicht mehr in der Klinik, denkt sie sich. Doch wo hat man sie hingebracht?
Sie lässt sich wieder in die weichen Federkissen sinken. Diese Männer hat sie sich wohl doch nicht eingebildet. Ob sie glücklich darüber sein soll, dass sie dieser Hölle entflohen ist, die sie Klinik nennen oder ob sie sich fürchten sollte, weil sie hier ist, wo auch immer hier sein mag, weiß sie nicht.
Es klopft. Meyla antwortet nicht. Die Türe wird geöffnet und ein Mann tritt, ein Tablett balancierend ein. „Darf ich eintreten?“, fragt er gespielt höflich. Er wartet keine Antwort ab sondern kommt weiter in das Zimmer hinein und stellt das Tablett auf dem kleinen Tisch ab.
Er hat langes, rabenschwarzes Haar und trägt einen waldgrünen Umhang. „Du könntest das Bett mit mir teilen und ich würde es nicht bemerken, wenn du nicht wolltest, dass ich es bemerke“, ein sanftes Lächeln umspielt seine schmalen Lippen. „Du bist klüger als die meisten Menschen“, Meyla antwortet mit einem Seufzer. Sie wendet ihren Blick wieder der Zimmerdecke zu.
„Iss etwas! Du hast nichts zu dir genommen seit dem du hier bist“
"Es sind doch bloß ein paar Stunden vergangen“, antwortet sie kurz, ohne ihn anzusehen. Die aufgehende Sonne scheint durch den Gang und in ihr Zimmer hinein. Sie fühlt die Kälte der vergangenen Nacht noch in ihren Gliedern.
„Du irrst!“, widerspricht er ihr. „Du bist bereits seit drei Tagen hier“, Meyla blickt ihn erschrocken an. „Du hattest Fieber und warst sehr erschöpft, du bist noch auf Midgard in einen Erschöpfungsschlaf gefallen.“
Midgard? Sie traut ihren Ohren kaum. Versucht sich zu beruhigen, die Gedanken zuzulassen, die die Ärzte ihr verwehrt hatten. Wenn das hier Asgard ist, dann ist das vor mir... „Mein Name ist Loki“, sag der Mann, als hätte er ihre Gedanken gehört. „Das hier ist Asgard, ich nehme an, du bist mit diesen Namen vertraut?“, Meyla richtet sich auf ihrem Bett auf und blickt ihm das erste Mal richtig in die Augen. Sie haben die Farbe von Smaragden und beobachten sie sehr intensiv. Sie nickt, ist kaum im Stande zu sprechen. „An was erinnerst du dich?“, will Loki wissen, doch Meyla schüttelt nur den Kopf. „Das kann alles nicht wahr sein“, murmelt sie mehr zu sich, als zu ihrem Besucher. „Das ist vollkommen unmöglich“
„Was ist unmöglich? Dass du hier bist? Dass ich hier bin? Dass das alles wirklich existiert?“, fragt er erzürnt. Meyla öffnet den Mund zur Antwort. Schließt ihn wieder. Sie weiß nicht, was sie darauf antworten soll. Diese Augen, Lokis Augen kommen ihr so schrecklich bekannt vor. „Du bist nicht echt!“, schreit sie ihm plötzlich entgegen. „Du kannst nicht echt sein! Das alles hier kann nicht echt sein!“, sie versucht die Tränen zurück zu halten. Es gelingt ihr nicht. Loki sieht sie noch einen Augenblick an und stürmt dann aus dem Zimmer.

 

 

 

***

 

 

 

Dieses Biest! Eine letzte Chance wollte ich ihr noch geben – Ich fluche vor mich hin, als ich Thor bemerke. „Du hast dich schon besser angeschlichen!“, zische ich ihm zu. Ich bin aufgebracht von so viel Ahnungslosigkeit. „Vater ruft dich zum Rat“, erklärt er seine Anwesenheit. „Was war los?“
„Nichts!“, als er mich misstrauisch ansieht, füge ich hinzu „Wieso will er mich dabei haben?“
„Es geht um das Mädchen“, antwortet er mir. Schon wieder dieses Weib. Was hab ich nur mit der ganzen Angelegenheit zu tun? Thor scheint meine mangelnde Begeisterung wahrzunehmen. „Ich weiß auch nicht, weshalb er dich dazu ruft. Ich soll auch erscheinen“, sein versuch mich zu beschwichtigen verfehlt seine Wirkung. Dennoch begleite ich ihn in die Ratshalle.
Auf den weg dorthin fallen mir seine Seitenblicke auf, die er mir immer mal wieder zuwirft.
„Thor! Bei der Weltenesche, was ist?“, ich bin immer noch gereizt und meine es nicht halb so böse, wie es sich angehört haben muss. „Du hast dich mit ihr gestritten“, es war eine Feststellung und keine Frage. „Ich hab euch schreien hören, als ich auf dich wartete.“, entschuldigend zuckt er mit den Schultern. Ich massiere mir mit zwei Fingern die Schläfe. Hört das denn nie auf?
Wir erreichen die Halle, ehe ich antworten muss.
Odin erhebt sich von seinem Thron als er uns erblickt und setzt eine ernste Miene auf.
„Wo ist sie?“, donnert seine gewaltige Stimme. „Es erfüllt mich ebenfalls mit unermessliche Freude Euch zu sehen, Allvater.“, antworte ich auf seine Begrüßung.
„Ich will sie sehen. Sofort!“, er duldet keine Widerrede, wenn er so gelaunt ist.
„Ich dachte, Euch liegt etwas an dem Mädchen“, antworte ich, gespielt höflich. Der Allvater scheint verwirrt. „Sie erträgt den Gedanken kaum, hier zu sein. Ganz zu schweigen, von der Tatsache, dass es uns Götter tatsächlich gibt“, auf meine Erläuterung folgt ein verächtliches Schnauben meinerseits und ein ärgerliches Knurren auf Seiten des alten Gottes. „Sie muss Vater die Ehre erweisen!“ meldet sich Thor, ebenfalls verärgert zu Wort. „Bist du des Wahnsinns, Thor? Du hast sie selbst gesehen auf Midgard. Sie hegt ohnehin schon Zweifel an ihrer geistigen Gesundheit; Sie hat als kleines Mädchen ihre Eltern verloren, etwas später starb ihre Großmutter und die letzten drei Jahre verbrachte sie in diesem Foltergefängnis der Menschen. Sie ist verwirrt und Ihr werdet sie gerade Wegs in den Wahnsinn treiben, beordert Ihr sie jetzt zu Euch!“, misstrauische Blicke werden mir zugeworfen. Schon wieder. Ich weiß, dass es für mich eher ungewöhnlich ist, doch irgendwie erregt der Gedanke, Meyla könnte vollkommen den Verstand verlieren, mein Mitleid. Ich schreibe es der Tatsache zu, dass ich sie schon als kleines Mädchen gekannt habe.
„Er hat recht, Liebster!“, jetzt bin ich es, der misstrauisch drein blickt. Frigga hat das Wort erhoben und alle Augen sind auf sie gerichtet. „Sie wird einige Zeit brauchen, um sich an Asgard zu gewöhnen. Sie ist hier in Sicherheit und wird dir sicherlich nichts erzählen können, was du nicht ohnehin schon weißt“, aufmunternd, fast mütterlich, lächelt sie mir zu als Odin resigniert die Hände hebt. „Schon gut, schon gut. Wenn auch du dieser Meinung bist, Frau, dann werde ich warten müssen. Mein Alter sollte mich meiner Neugierde längst beraubt haben, doch wie mir scheint dürste ich immer noch nach dem Unbekannten“, ich will mich schon abwenden, denke, meine Arbeit ist getan, als Frigga eine Hand auf meinen Arm legt. Odin spricht weiter: „Loki“, zähneknirschend warte ich auf das Folgende. „Da das Mädchen nach dir gerufen hat, wirst du dich um sie kümmern, ist das klar?“, ein Raunen geht durch die Menge, deren Ablehnung ich nur allzu gerne bereit wäre nachzugeben. Ich soll die Amme für dieses undankbare Frauenzimmer spielen? Ich öffne den Mund zum Einspruch, schließe ihn jedoch wieder, als ich Friggas mahnenden Blick auf mir spüre. „Damals schon haben die Runen der Schicksalsnornen auf dich gezeigt, Loki. Und das mit Sicherheit nicht nur, damit zu als Kätzchen ein paar mal nach ihr siehst. Es wird das Beste sein, wenn du dich ihrer annimmst. Du scheinst ihr am realsten“ Ich widerspreche nicht, mache jedoch kehrt um geradewegs aus der Halle zu gehen. Ich höre schritte hinter mir, halte sie erst für Friggas, ehe ich hinter mich blicke und Thor auf mich zu gehen sehe. Er legt mir eine Hand auf die Schulter und zwinkert mir zu. „Wird schon nicht so schlimm werden, Brüderchen.“, es ist eine kuriose Eigenart seinerseits, dass er in dem einen Augenblick noch erbost sein konnte und mich im nächsten Brüderchen nennt. Vielleicht sollte ich dieses Blutband doch mit ihm schließen. Womöglich bringt mir das mein Ansehen wieder. Thor begleitet mich, die Halle hinaus und aufs Idafeld. „Ich weiß nicht einmal, was ich mir ihr anfangen soll?“
„Na, zeig ihr Asgard! Das Idafeld bei Sonnenaufgang, reite mit ihr aus, in die Wälder oder zeig ihr den See in dem wir früher so oft baden waren“, er zählt Orte auf, an denen er mit Sif gewesen ist. „Ich will sie nicht verführen, Thor! Ich will, dass sie möglichst schnell wieder Herrin ihrer Sinne ist, damit ich mich nicht weiter mit diesem Weib herum schlagen muss.“, sein Grinsen wird breiter. „Wonach würde dir denn der Sinn stehen, wenn du Jahrelang eingepfercht gewesen wärst?“
„Nach süßem Wein und einem guten Buch“, gebe ich eher im Spott als ernstgemeint zurück. „dann versuche es damit! Vielleicht ist sie dir ja ähnlicher, als du denkst?“, das bezweifle ich inständig. Dennoch danke ich ihm für den Vorschlag, verabschiede mich und laufe zur Bücherstube. Was lesen Menschen? Ich wähle ein Buch aus, in dem eine simple Liebesgeschichte zwischen einer Wanenfrau und einem Bergriesen niedergeschrieben steht. Die Weiber reißen sich um solche Geschichten, ich finde die Reaktionen der Frauen derweilen amüsanter, als die Geschichte selbst. Für ein schlichtes Gemüt, wie das einer Menschenfrau scheint sie angemessen. Den Wein lasse ich jedoch weg, ich will ihre Gedanken schärfen und sie nicht trüben. Sie Sonne steht hoch als ich den Gang erreiche, in dem Meyla untergebracht ist. Es ist angenehm warm und der Wind, der durch die offenen Säulen weht kühlt einen dann und wann die Haut. Ein kurzer Blick durch das Fenster verrät mir, dass sie wach ist und noch immer auf ihrem Lager liegt. Diesmal verzichte ich auf das Klopfen und trete direkt herein. Sie hebt den Kopf, fixiert mich kurz mit ihren müden Augen und wendet sich wieder einmal der Decke zu. „Mir war nicht bewusst, dass der Krankenflügel des Palastes über derart interessante Decken verfügt.“, sie kichert. Ist das zu fassen?
„Du brauchst nicht weiterhin in dieser Kammer nächtigen. Dir wird eine eigene Kemenate vorbereitet, die nicht ganz so einsichtig ist“, bei diesen Worten nicke ich in Richtung des Fensters. Sie zuckt mit den Schultern. „Jetzt hör endlich auf mit diesem Schweigen. Du bist hier keine Gefangene und mehr in Sicherheit als du es auf Midgard je warst.“ Ich lege so viel Freundlichkeit in meine Stimme, wie es mir möglich ist.
„Ich bin hier nicht weniger gefangen, als ich es zuhause war“
Bitterkeit mischt sich in ihre Stimme. „Was willst du überhaupt hier?“, ich überspiele meinen angeknacksten Stolz mit einem Lächeln.
„Der Rat ist der Meinung, dass ich dir helfen soll doch hier zu recht zu finden und deine Gedanken zu ordnen,“ Ich versuche diplomatisch zu klingen, was mir nicht so recht gelingt. Sie stößt ein nervöses Kichern aus, „na großartig, sie schicken mir den Gott der Lügen um die Wahrheit zu erkennen?“, ich muss mir tatsächlich ein Lachen verkneifen, Das bringt es auf den Punkt. „Glaub mir, ich bin davon ebenso wenig begeistert, wie du es bist, aber ändern können wir es vorerst nicht, es sei denn, du wünschst Odin Allvater zu widersprechen?“, ich weiß nicht, ob ich nicht zu viel preisgegeben habe, doch es scheint mir, dass ihr diese Wahrheit gefallen könnte. Und tatsächlich setzt sie sich in ihrem Bett auf uns sieht mich eher neugierig als verängstigt an. Die Heilfrauen haben sie gebadet und neu eingekleidet, was mir nun auffällt. Sie trägt ein schlichtes, braunes Gewand und ihr Haar ist zu einem dicken Zopf zusammengebunden, aus dem sich allerdings schon einige Strähnen gelöst haben.
„Beantwortest du mir eine Frage?“, sie nickt.
„Was ist das für ein Ort, an dem du gelebt hast?“, ihr Blick wandert zum Boden hin „Dieser Ort ist die Hölle auf Erden!“, antwortet sie, doch ich verstehe nicht ganz.
„Es ist eine Nervenheilanstalt.“, eine Röte steigt ihr ins Gesicht, die mich vermuten lässt, dass es ihr unangenehm ist, darüber zu sprechen. Dennoch frage ich weiter; „Welches Verbrechen hast du begangen, um an solch einem Ort zu landen?“
„Verbrechen?“, Meylas Augen weiten sich und Verwirrung liegt abermals darin.
„Ich hab nichts getan!“, ruft sie. Welch kluger Schachzug, Loki. Stecke deinen Finger ganz fest in die tiefste Wunde die du Finden kannst. Das bringt dir sicher ihr vertrauen. „Ist es nicht eine Art -“, ich zögere einen Augenblick „Gefängnis der Menschen?“, sie schüttelt vehement den Kopf. „Du weiß nicht was das ist?“, fragt sie ungläubig? „Nein“, antworte ich, und füge kleinlaut hinzu „erklärst du es mir?“ die Situation ist gerettet. Sie zieht die Beine an, umschlingt sie mit ihren Armen und legt ihr Kinn auf die Knie. Sie wirkt sehr verletzlich. „Normalerweise landen da Leute, die den Verstand verloren haben. Menschen, die nicht ganz Dicht sind, verstehst du?“, ich verstehe kein einziges Wort. Undichte Menschen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wörtlich gemeint ist, nicke aber und lasse sie weiter erzählen. „Nachdem meine Großmutter gestorben ist -“ sie schluckt bei diesen Worten „- hatte ich niemanden mehr, zu dem ich hin konnte. Meine Eltern sind schon lange tot. Ich war mit den Nerven am Ende und wusste nicht wohin. Eigentlich hätte ich in diesem Jahr anfangen wollen zu studieren. Ich war damals 19. Die Ärzte, die mich betreuten, rieten mir damals, dass ich in so eine Nervenklinik gehen soll, bis es mir besser geht. Ich wusste nicht wohin, also folgte ich ihrem Rat und landete in dieser Hölle. Ich bin nicht verrückt gewesen, als ich hineinging. Jetzt bin ich es mit Sicherheit.“, sie starrt in die Ferne und erschrickt, als ich sie frage, was man ihr antat in dieser Klinik. „Meine Großmutter hat mir die Geschichten der alten Götter beigebracht. Als Kind bin ich davon überzeugt gewesen, dass einer von ihnen oft bei mir war. Er kam mich besuchen und sprach mit mir -“, sie warf mir einen scheuen Blick zu und sah dann, errötend wieder weg. Ich schmunzele innerlich, das war keine Einbildung würde ich ihr am liebsten sagen, doch dafür ist es noch zu früh. „Die Ärzte in dieser Klinik erklärten mich für verrückt, als ich ihnen das erzählte. Ich bin so dumm! Wie musste sich das auch angehört haben? Sie versuchten mich zu therapieren und machten versuche und gaben mir zig verschiedene Medikamente. Doch ich träumte immer mehr von meiner Großmutter und meinen Eltern und von dem Kätzchen, dass mir die ersten Wochen in der Klinik immer hinterher lief. Und von den Göttern. Ich sollte ihnen erzählen, was ich träumte. Das hat ihnen nicht gepasst und so gab es noch mehr Therapie und noch mehr Medikamente. Bis ihr gekommen seid.“, sie hört auf zu erzählen und sieht mir jetzt in die Augen. Sie sucht nach einer Reaktion. „Wünschst du zurück zu kehren?“, frage ich statt dessen. „Nein“, langsam schüttelt sie den Kopf, nachdenklich. „Nein, überall ist es besser als dort“, „wünschst du dir an einem anderen Ort zu sein?“, frage ich weiter, ohne meinen Blick von ihren Augen abzulassen. „Ich wüsste keinen Ort zu dem ich könnte“, sagt sie leise. „Und wenn das hier wirklich Asgard ist, dann könnte ich mir auch keinen besseren ausdenken.“ Jetzt wendet sie den Blick von mir ab, an mir vorbei, hinaus aufs Idafeld. „Wie kann ich dir beweisen, dass ich wirklich Loki bin und dass das hier wirklich Asgard ist?“ „Ich will es sehen! Deine Magie, Asgard, einfach alles!“

 

 

 

Nachwort

Liebe Leser,

mein "Buch" - wenn man es denn schon so nennen darf - war jetzt länger Pausiert, aus privaten Gründen.Nun möchte ich meine Zeit aber wieder dem schreiben widmen und habe bereits begonnen, das bisherige Geschriebene aufzuarbeiten. Ich hoffe, dass ich euch mit dem zukünftig Kommenden ebenso begeistern kann, wie es das bereits Verfasste vermag.

 

Liebe Grüße

Julia

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.11.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Loki Faufeyson. Einem der Götter, der zu wenig geachtet und zu sehr gefürchtet wird.

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