Cover

A story begins

 

 

Etwas benommen öffnete Caleb die Augen. Das Herz pochte und die Welt um ihn schimmerte noch ein wenig trüb. Sein Blick richtete sich zum Fenster hin, welches direkt vor ihm die Abendsonne in goldenem Glanz passieren liess. Die digitale Wanduhr daneben stand gleichgültig einfach da. Das letzte woran er sich erinnern konnte war, dass die Uhr noch funktionstüchtig die Zeit in den Raum strahlte, welche Caleb zugegebenermassen nicht mehr wusste. Nun funktionierte sie jedoch nicht mehr.

 

Er hatte überlebt! Was auch immer es war, Caleb hatte es überlebt! Im nächsten Moment meinte er aus den Augenwinkeln bei der Tür einen Robot gesehen zu haben. Wie die Rücklichter eines Elektrowagens in der Nacht, schweiften zwei rote Augen hastig zur Tür hinaus. Caleb fühlte sich schwach und realisierte, dass dies blosse Einbildung gewesen sein musste, da die Augen der Robots hellblau und nicht rot leuchteten. Für einen Moment blieb er noch sitzen…

 

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Slightly dizzy, Caleb opened his eyes. The heart throbbed and the world around him shimmered a little cloudy. His gaze was directed towards the window watching the golden glance of the evening sun passing by. The digital clock was standing cold next to it. The last thing he remembered was the clock radiating the time into the room, which Caleb avowedly did not know anymore. Now it stopped working.

He had survived! Whatever it was, Caleb had survived! The next moment he noticed a Robot at the door from the corner of his eye. As the rear lights of an electric car at night, two red eyes wandered hastily out the door. Caleb felt weak and realized that this must have been mere imagination, as the eyes of the Robot have been red instead of blue. For a moment he sat there quiet…

Überblick

 

 

Caleb merkte nicht, dass Robert – sein Haushilfsroboter – hinter ihm stand. Plötzlich spürte er die kalten Stahlhände in seinen Achselkehlen, war jedoch noch zu schwach um zu reagieren. Robert half ihm auf die Beine und in seinem Kopf kreisten Gedanken und Erinnerungen umher. Mühsam quälte er sich zum Fenster um sich ein Bild zu machen von dem, was passiert war, zumal er nicht wusste, welche Uhrzeit oder gar welcher Tag war.

 

„Robert, wie lange war ich weg und was zum Teufel ist passiert?“ Caleb bemühte sich, nicht zu streng zu seinem Roboter zu sein. Immer wieder ertappte er sich selbst dabei, wie er die blecherne Menschenimitation wahrhaftig vermenschlichte.

 

„Sie waren bloss ein paar Stunden weg, Sir. Was jedoch passiert ist? Auf diese Frage kann ich Ihnen keine Antwort geben.“

 

Caleb blieb vor dem Fenster stehen und liess eine Weile das Chaos auf der Strasse auf sich wirken. Die Transparenz in seinem Kopf nahm zu und das Gewirr schien sich direkt von der Gasse in sein Gehirn zu projizieren. Menschen irrten umher wie Zombies. Dies gab ihm die Bestätigung, dass er nicht das einzige Opfer gewesen war. Manche Roboter halfen den verletzen Menschen auf die Beine, andere rannten wie wild umher. Jedes Licht und jede Warnleuchten war ausgegangen. Selbst die Reklametafeln im Distrikt liessen keine Slogans oder Werbungen von Robots mehr durch die Stadt gleiten. Caleb erblickte immer mehr Menschen, die verstört aus den Hochhäusern blickten um sich wie er, ein Bild von all dem zu machen, was passiert war. Die Abendsonne glänzte hell wie nie zuvor. Caleb ertappte sich dabei, wie er ungläubig den Kopf schüttelte. Seine Augen suchten nach den betenden Händen im Schoss, bevor er sie schloss um zu hoffen, dass dies bloss ein schlechter Traum war.

 

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Caleb didn’t notice that Robert - his household robot - stood behind him. Suddenly he felt the cold steel hands in his armpits, but he was still too weak to respond. Robert helped him back on his feet and in his head, thoughts and memories circled. With difficulty he tortured himself to the window to get a picture of what had happened, especially since he didn’t know what time or even what day it was.

 

"Robert, how long was I away and what the hell happened?“ Caleb tried not to be too harsh to his robot. He often found himself humanizing the metal imitation of a human being.

"You were only a few hours away, sir. However, what happened? To this question I can’t give you an answer."

 

Caleb remained on the window and let the chaos on the road work on him. The transparency in his head increased and the tangle projected directly from the alleys into his brain. People wandered around like zombies. This gave him the confirmation that he has not been the only victim. Some robots helped injured people on their feet, others ran around in a wild motion. Even the billboards in the district stopped advertising any slogans. Caleb saw more and more people who watched visibly distraught the scene from the skyscrapers like himself. The evening sun shone bright as ever. Caleb caught himself, as he shook his head in disbelief. His eyes searched for praying hands in the lap, before he closed them in hope that this was merely a bad dream.

Joe Elox Story - Part 1

Die Kleine starrte auf seinen Oberarm, dann hin zum Unterarm. Sie musterte jedes einzelne seiner Tattoos. Heute spielte er beim Eingang zur U-Bahn. Bis anhin hatte Joe Elox, der Mann mit der Gitarre, dort recht gute Resonanzen erhalten und, wenn man ehrlich sein wollte, auch sehr gut verdient. Viele Leute hörten dem Strassenmusiker hier gebannt zu. Auch viele ältere Menschen konnte man im Publikum sehen, da Joe nicht selten die alten Kracher des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts zum Besten gab. Seine Tattoos wiegten sich im Rhythmus des Gitarrespiels. Die Sprüche, Mottos, Bilder und Warnungen unter seiner Haut stellten ein einzigartiges Gemälde davon dar, was er bis jetzt erlebt hatte. Doch ob die Leute das sahen oder nicht, interessierte Joe keineswegs. Für ihn war wichtig, dass er sein persönliches Tagebuch unter seiner Haut tragen konnte und sich bei jedem einzelnen Bild an die Phase seines Lebens erinnern konnte, in der er es gestochen hatte.

 

„Mummy, was heisst; Dare to leap, the sky is yours?“ Das Mädchen zupfte an Mamas Bluse und zeigte auf das Bild auf dem Oberarm des Musikers. Die Mutter blickte kurz zu ihrer hübschen Tochter und hob unwissend die Schultern, bevor sie sich wieder dem Song widmete. Joe’s Bart und die langen Haare machten aus ihm einen Rocker der alten Garde. Die jungen Mädchen und Buben hatten dies meist bloss auf Bildern von Musikern aus den Siebzigern oder Achtzigern gesehen. Er war der Kurt Cobain der Neuzeit.

 

Joe Elox bedankte sich nach jedem Song herzlich und beinahe ein wenig scheu bei seinem Publikum. Viele Leute waren Stammgäste an jener Ecke, an der er gerade zu spielen vermochte. Und viele kannten ihn beim Namen. Er liebte den Wortwechsel mit den Menschen, die ihn nicht selten in seinen Pausen fragten, woher er komme und was er sonst noch so mache. Manche wussten sogar von seinem Buch, welches die Gefahren der „Roboterisierung“ – wie er es nannte – aufzeigte und dokumentiert hatte. Joe selber redete nicht gerne darüber. Es versprach sein Durchbruch zu werden in der Welt der Literatur. Ein renommierter Verlag erklärte sich bereit, die Verschwörungsgeschichte zu drucken und das Buch zum Bestseller zu pushen. Dann aber machten die Herren der Schöpfung, die Erfinder der modernen Roboter ihm und dem Verlag den Garaus. Der Druck des Buches wurde plötzlich und ohne offizielle Stellungnahme eingestellt. Das Projekt wurde eingefroren. Diejenigen, die zuvor Feuer und Flamme von der Story waren, stellten sich urplötzlich dagegen. Ein Akt der Sabotage! Joe schrieb daraufhin unter dem Pseudonym „Mike S.“ bloss noch einige Kolumnen in kleinen, unbedeutenden Zeitungen und Zeitschriften. Seine grosse Leidenschaft, die Musik konnte ihm jedoch keiner nehmen.

 

Jeweils auf dem Heimweg schaute er noch im Kinderheim neben seinem kleinen, schäbigen Häuschen vorbei und spielte den einen Song, der auf der Strasse an dem Tag am besten angekommen war, für die Kleinen. Hier schien die Welt noch in Ordnung. Diese Kinder kannten keine Hautfarben oder Rassen. Sie interessierten sich weder für teure Halsketten, noch für glitzernde Uhren. Wie Joe wollten diese kleinen Wesen nur eins: Zufriedenheit.

 

So war er eben. Das Chaos in der Welt nach der Wende hielt ihn nicht davon ab, seinen Traum weiter zu leben. Sein Bestreben, mit dem was er gerne tat, andere glücklich zu machen, lebte er tagtäglich auf den Strassen aus.

Polarlichter

 

„Joe, was ist hier los?“ Die Gitarre des Strassenmusikers war zerbrochen, sein Kopf wies Spuren getrockneten Blutes auf. Caleb half ihm während seiner Frage auf die Beine. Die letzten Sonnenstrahlen warfen schier endlose Schatten und die Dunkelheit bestimmte mehr und mehr das Bild der in Chaos gehüllten Stadt.

 

„Ich habe keine Ahnung, Caleb. Plötzlich war alles schwarz und ich verlor das Bewusstsein. Ich nehme an, es geht hier allen so.“ Joe blickte verbittert hinab auf seine Gitarre. Caleb hingegen sah, wie sich die Köpfe der Menschen gen Himmel reckten. Elektrizität funktionierte nicht mehr, dennoch huschte ein leichtes Flimmern unaufhörlich über das Firmament und hüllte die Welt in einen wunderschönen Glanz, wie selbst sein Freund Joe Elox ihn nie hätte besingen können. Der Smaragdgrüne Schleier zauberte den Menschen ein Staunen auf die Gesichter. Es war, als würde das Polarlicht nun auch in den Breitengraden über Caleb’s Stadt brennen.

 

„Es ist ein Gedicht. Dieses Bild, es ist ein Gedicht!“ Auch Joe’s Blick hatte nun den Weg in die unendlichen Weiten des Universums gefunden. Sogar einige Robots schauten hin. Da fiel es Caleb erneut auf! Wahrlich waren da Roboter mit roten Augen. Noch nie zuvor hatte er dies gesehen. Und ausgerechnet diese waren die einzigen Gestalten, die nicht hin schauten.

 

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"Joe, what's going on here?" The guitar of the street musician was broken, his head showed traces of dried blood. Caleb helped him during his question on his legs. The last rays of the sun threw endless shadows and the darkness set more and more the image of the city in chaos. "I have no idea, Caleb. Suddenly everything was black and I lost consciousness. I suppose this is happening to everyone here." Joe looked bitterly down at his guitar. Caleb watched, however, how the heads of the people craned skyward. Electricity did not work, instead a slight flicker fluttered incessantly across the sky and enveloped the world in a beautiful brilliance, in a way his friend Joe Elox would have never been able to sing about. The emerald veil brought astonishment on the people’s faces. It was as if the northern lights burned brightly in the latitudes of Caleb's city. "It's a poem. This picture is a poem! "Even Joe's gaze found his way into the vast openness of the universe. Even some robots watched the scene in the sky. Then Caleb remembered! There were robots with red eyes. Never before had he seen this. And they were the only figures, who did not watch.

C.I.P

 

Die Idylle war perfekt. Die malerische Szene über den Köpfen der Erdbevölkerung blieb bestehen. Einige wenige wandten sich bereits nach Sekunden ab, doch die meisten Blicke hafteten schier wie ein Magnet an dem Farbenspiel am Himmel. Dann spürte plötzlich Caleb ein leichtes Stechen im Arm und reflexartig griff er an den C.I.P. in seinem linken Handgelenk. Seit dieser Chip 2018 als obligatorisch erklärt worden war, hatte er nie Mühe damit gehabt, geschweige denn ein Stechen verspürt.

 

„Communication.Independence.Power“. Als die Firma „CIP Robotics“ diese bahnbrechende Erfindung 2016 präsentierte, waren die Kontrahenten klar in der Mehrzahl. Caleb selbst zählte zu ihnen. Er war zwar sehr passiv eingestellt, doch er war ein klarer Gegner des Chips. Irgendein redegewandter Befürworter mit Einfluss überzeugte später die Regierung davon, dass das C.I.P. überlebenswichtig für die menschliche Rasse sei und somit nahm diese Geschichte ihren Anfang.

 

Doch heute, am 15. Mai 2020 sollte das erste Kapitel zu Ende gehen und ein erster Rückschlag kerbte den Erfolg: Neben Caleb ging ein Mann zu Boden. Der Übergewichtige knallte mit voller Wucht auf den harten Stein und sofort tröpfelte Blut aus einer relativ kleinen Wunde. Caleb und Joe Elox rissen sich in Sekundenschnelle von dem Farbenspiel am Himmel los um dem Fremden zu helfen. „Caleb, sieh dir seinen C.I.P. an.“ Joe machte große Augen, als er sah, wie der Chip unter der Haut langsam zu verblassen begann. Sie waren sich bald einig, dass die Energiezufuhr durch die Sonne gewährleistet hätte sein müssen in den letzten Stunden. Somit konnten sie sich nicht erklären, warum der Übergewichtige zusammenbrach. Joe fing urplötzlich mit der Reanimation an. Obwohl der C.I.P. den Herzstillstand sowohl verursachen, als auch abwenden konnte, versuchte der Strassenmusiker die Wiederbelebung auf altmodische Art. Leider jedoch war es schon zu spät. Zwanzig Minuten später mussten die Sanitäter ein großes Tuch über den Mann legen.

 

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The idyll was perfect. The pictorial scene remained over the heads of the world's population. A few of the crowd turned away after seconds, but most starred almost like a magnet on the play of colours. Then suddenly Caleb felt a slight pain in his arm and grabbed reflexively the CIP in his left wrist. Since this chip was declared in 2018 as mandatory, he never had trouble with it, much less felt a stinging.

 

"Communication.Independence.Power". When the company "CIP Robotics" revealed its groundbreaking invention in 2016, the opponents were clearly in the majority. Caleb himself was one of them. Although he remained very passive, he was a clear opponent of the chip. Some eloquent proponents convinced later the government that the CIP is vital for the human race and thus took this story began.

 

But today, on 15 May 2020, this first chapter should come to an end and a setback marked the track record: Next to Caleb a man fall to the ground. An overweight slammed full force on the hard stone and immediately blood dribbled from a relatively small wound. Caleb and Joe Elox backed off in seconds of the play of colors and rushed to help the stranger. "Caleb, look at his C.I.P." Joe's eyes widened when he saw the chip’s lights slowly fading away under the skin. They agreed that the power supply should have been ensured by the sun in the final hours, thus they could not explain why the overweight man broke down. Joe began suddenly with resuscitation. Although the C.I.P. could cause cardiac arrest, the street musicians tried reviving him in the old-fashioned way. Unfortunately, it was too late. Twenty minutes later the paramedics laid a large cloth over the man.

Impressum

Texte: Mike Sterren
Bildmaterialien: Maya Squar / lilaquadrat unterhaltung
Übersetzung: Maya Squar / lilaquadrat unterhaltung
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
lilaquadrat unterhaltung Deutsche Schulgasse 11 92224 Amberg

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