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Truckstopp

Unter ihm zog sich die Landstrasse hin. Jeden Moment würde er am Etappenziel ankommen; bei seiner Stammkneipe „Truckstopp“. Er freute sich schon auf den heissen Kaffee und die Waffel, die Holly und Dan ihm zubereiten würden. Meile um Meile kam er der wohltuenden, staubigen Bar näher. Das Schild Westborne war zu sehen. Nur noch elf Meilen und er konnte seinen letzten Stopp vor dem Heimatort machen. Logan war nun schon 17 Stunden auf Achse und freute sich auf den Feierabend Kaffee und anschliessend auf das Bett im eigenen Heim. Die Lichter des Trucks leuchteten die Strasse ab und die unterbrochenen Streifen in der Mitte der Fahrbahn verschmolzen immer mehr zu einem einzigen, schier endlosen, gelben Richtungsweiser. An den Seiten des Asphalts gab es kleine, staubige Vertiefungen. Ihnen folgten kleine Hügel und hinter diesen erstreckte sich im Norden die Wüste und verlor sich am Horizont tagsüber in flimmerndem Nichts. Der Süden schien durch das Gebirge wie abgeschnitten. Jetzt, abends, bildeten die Berge eine schwarze Wand und der Himmel über ihnen wurde durch die bereits untergegangene Sonne mit einem dunkelblauen Leuchten noch ein wenig erhellt. Es war, als würde sie noch einmal all ihre Kraft bündeln, um dieses Wunder der Natur für die bevorstehende Nacht unvergesslich zu machen. Die Sterne waren schon sichtbar. Kleine, leuchtende Kügelchen am Firmament. Manchmal hielt er abends kurz vor den Motels an und setzte sich ans Rad seines Trucks in den staubigen Untergrund. Fernab von den Lichtern der Städte konnte er ungestört die unzähligen weissen und gelben Punkte am Himmel beobachten. Logan spielte gerne mit den Sternen. Mit seinem Finger verband er die grössten, die am hellsten leuchtenden Sterne und machte sich damit Bilder. Es konnte vorkommen, dass er eine halbe Stunde da sass und sich so alle möglichen Sachen ausmalte. Im Städtchen nannte man ihn deshalb liebevoll „den Sternspanner“. Die Menschen, die ihn kannten, mochten ihn. Logan war stets hilfsbereit. Hatte jemand ein Problem mit einem Gerät, konnte er helfen. Blieb jemand mit dem Wagen stecken, holte Logan ihn ab. Jeden Freitag, wenn er wieder nach Hause kam, winkten die Menschen ihm in seinem grossen, schweren Truck zu. Nun endlich hatte er es geschafft. An der Kneipe angekommen, begrüsste Holly ihn wie jede Woche mit einem Lächeln.

   „Na Logan, wieder einmal zurück im Lande?“

   „Du weißt ja wie das ist Holly, die Wochen vergehen so schnell, doch die Arbeit wartet nicht.“

Ohne eine Bestellung aufzunehmen, brachte Holly ihm wie gewohnt seinen Kaffee und die Waffel, deren Duft er schon seit einigen Meilen in der Nase hatte.

   „Logan, nimm dir mal frei! Du siehst erschöpft aus!“ Holly’s Worte klangen ernst, ja geradezu besorgt.

   Doch Logan winkte nur ab. Nun widmete er sich ganz der kräftigenden Mahlzeit. Nur ein paar Tage frei, dachte er, ja das wäre schön. Doch der Boss war unbarmherzig. „Die Ware muss an den Mann!“, pflegte er stets zu sagen. Und Logan gehorchte immer. Dreizehn Jahre nun fuhr er Woche um Woche denselben Weg. An den Wochenenden konnte er jedoch die Strassen und den Geruch von Motoröl und Diesel vergessen. Und wenn er ehrlich sein wollte, gehörte er auf den Highway. Ein Leben ohne unterwegs zu sein, konnte er sich nicht mehr vorstellen. Auf was sollte er sich denn jeweils die ganze Woche freuen, wenn nicht auf den Kaffee und die Waffel seiner lieben Kollegen Holly und Dan? Oder auf die Kumpels, die zur gleichen Zeit in der gleichen Kneipe Kaffee tranken? Jene, die von der anderen Seite kamen um im nächsten Dorf im Osten des Restaurants ihr Wochenende in ihren Häusern zu geniessen? Einer davon war Ray. Mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter begrüsste er seinen alten Kollegen Logan:

   „Hallo altes Eisen! Haben wir’s wieder für einmal geschafft.“ Logan hustete kurz auf und wischte sich dann den Kaffee ab, den er sich dank Ray’s Begrüssung über den Ärmel geschüttet hatte.

   „Holly, Dan, ihr seid keinen Tag älter geworden!“ Lächelnd schaute der junge Truckerfahrer über die Theke und zwinkerte Holly zu. Diese grinste ihn an und schüttelte den Kopf.

   „Na Ray?“ Holly’s Worte klangen sehr vertraut. Auch er war ein Stammgast und auch er bekam jeden Freitagabend seinen Kaffee und seine Waffel ohne dies vorher bestellen zu müssen.

   „Hallo Ray! Und? Alles gut gegangen?“ Logan wischte sich langsam mit dem Handrücken über den Bart.

   „Diese Woche nicht, Logan! Habe einen Hirsch erwischt, unten im Glen Cold. Ich musste das arme Tier erschiessen, sonst hätte es zu sehr leiden müssen. Der Truck hat wenig abbekommen und ich überhaupt nichts. Kein Wunder mit den ganzen Tonnen, die von hinten nachschieben! Aber ist halb so schlimm! Meine Versicherung bezahlt solche Dinge. Kriegt mein Baby eine neue Schnauze.“ Das war typisch Ray, immer gut gelaunt und immer wieder einen passenden Spruch auf Lager. Nun stellte Holly auch ihm Speis und Trank auf die Theke. Dankend nickte er und fing an die Waffel mit der Gabel zu zerteilen.

   „Ray, dafür gibt’s auch Messer!“ Logan versuchte den jungen Mann zu erziehen, ihm Manieren beizubringen.

   „Die sind hier schmutzig!“ Dieser wiederum stotterte beim Versuch, eine geeignete Ausrede zu finden und Holly musste lachen. Erst seit einem Jahr fuhr er mit dem schweren Truck durch die Gegend. Und erst seit einem Jahr kam er Freitag für Freitag vor dem Schlafengehen in die Kneipe, um Feierabend zu machen. Doch die Leute um ihn herum konnten sich einen Wochenendstart ohne ihn nicht mehr vorstellen. Er heiterte die Meute auf, witzelte und das war noch ein Grund, immer wieder dort einzukehren. Ausserdem war Ray ein ausgezeichneter Billard Spieler. Keiner hatte ihn je geschlagen. Immer und immer wieder wetteten Dan und Holly auf Logan, doch er schaffte es nie. Es war wie ein Fluch.

   „Holly. Na, bist du dabei?“ Mit einem Grinsen im Gesicht blickte Dan, der Koch, zu seiner Frau Holly und dann zu Logan. Ein Zeichen mit dem Kopf auf den grünen Tisch und auch Logan wusste bescheit.

   „Ach nein! Wenn ihr heute auf mich wettet, verliert ihr garantiert!“

   Jetzt mischte sich auch Ray ein: „Traust du dich nicht?“.

   Logan konterte: „Von dir lass ich mich nicht provozieren. Dafür bist du zu jung und ich zu alt!“ Doch so sehr er sich auch wehren wollte, ein leichtes Kribbeln machte sich dennoch in Logan’s Fingerspitzen bemerkbar. Sein Herzschlag nahm zu. Sein Puls war deutlich an dem Hals unter dem Bart und an den Handgelenken zu sehen. Seine Augen wanderten langsam von links nach rechts. Was tun die anderen? Sehen sie ihn erwartungsvoll an? Würde er aufstehen und sich der Herausforderung stellen? Sein Atem wurde schwerer. Holly, Dan und Ray wussten nun, dass sie ihn soweit hatten. Endlich sprang er auf:

   „Wir wetten um den Kaffee und die Waffel!“ Und auch Ray sprang von seinem Sessel auf und schrie wie wild:

   „Abgemacht!“ Die beiden Männer streckten sich ihre Hände entgegen und mit einem festen Druck wurde die Wette besiegelt. Erwartungsvoll traten die beiden an den Tisch. Holly hatte ihn gerade erst restaurieren lassen. Der grüne Überzug war glatt und die Kugeln glänzten schön. In ihnen spiegelte sich das Licht der Kneipe. Auch die Banden waren wie frisch poliert. Man hatte fast Respekt davor, die Kugeln gegen die frisch gemachten Banden zu schleudern. Was für ein Tisch. Ausserdem hatte Holly von einem Schnitzer die Beine des Tisches verzieren lassen. Ein zu edles Stück für solch eine Kneipe, wie „Truckstopp“ es war. Die Queues wurden selten gebraucht. Die Oberfläche war glatt und die Holzstruktur wunderschön. Ray hielt den Stock in der Hand und streichelte ihn. Er musterte das Stück Holz wie er eine schöne Frau musterte. Wie in Trance schweiften seine Augen über den ganzen Stock.

   „Holly, wer hat das so schön hinbekommen?“ Ray war sichtlich angetan von der restaurierten Ausrüstung.

   „Von dem Tisch kriegst du mich nie wieder weg!“ Staunend betrachtete er nun auch den Rest.

   „Der alte Tony war Schnitzer.“

   „Tony, der Bauer?“ Ein wenig verwirrt sah Ray Holly an.

   „Ja genau. Tony, der Bauer. Er hat das Holz poliert und die Beine verziert. Den Rest hat ein Billardtisch Hersteller gemacht, ein alter Kumpel von Dan. Selbst dieser hat zum Schluss gesagt, einen solch schönen Tisch hätte er noch selten gesehen.“

   „Logan!“ Ray schrie und warf Logan einen Queue zu. Für einen Moment sahen sie sich düster an. Das gehörte zur Show der beiden. Ray stellte den Stock auf den Boden, nahm die Zigarettenschachtel aus der Hemdtasche und steckte sich einen dieser Glimmstängel an.

   „Das bringt dich eines Tages ins Grab!“ Logan redete während er um den Tisch schritt. Grinsend gab der junge Mann zurück: „Sterben müssen wir doch alle!“

   „Soll ich euch noch einen Kaffee und eine Waffel machen, Jungs? Kann’s ja dort auf den Tisch stellen! Geht auf’s Haus!“ Ray und Logan sahen zuerst Holly und dann einander an.

   „Ja warum eigentlich nicht! Sehr gerne, danke Holly.“ Zur selben Zeit ging die Tür auf und eine junge Dame betrat die Kneipe. Ray gab Logan mit dem Ellbogen einen sanften Hieb in die Seite und deutete mit dem Kopf zur Tür. Auch Logan drehte sich um. Es schien als wäre die ganze Kneipe nun stumm geworden. Kein Wort war nun mehr zu vernehmen. Alle Köpfe richteten sich zur jungen Frau. Sie war schon einmal am Freitag im „Truckstopp“ aufgetaucht. Damals war es dasselbe Bild. Ray hatte sich danach einige Freitage ziemlich rausgeputzt, in der Hoffnung, dass sie wieder dort auftauchen würde. Doch seine Hoffnung war vergeblich.

   Die Dame stand in einem eleganten Abendkleid da. Ihre Haare waren schwarz und lang. Durch das offene Fenster auf der Westseite der Kneipe hauchte ein leiser Wind und liess ihr Haar hin und her wehen. Logan stellte sich noch ein wenig Nebel und Pianomusik vor, um in seinem Kopf das perfekte Klischee zu schaffen. Ray öffnete Augen und Mund und aus seinem Mundwinkel fiel die Zigarette auf den Boden. Die Szenerie verlief wie in Zeitlupe. Logan richtete nun seinen Blick auf Ray und dann auf die Zigarette und sagte leicht gereizt:

   „Mein Gott Ray, pass doch auf!“ Blitzschnell war sein Fuss auf der Kippe und zerdrückte die Glut auf dem Boden. Flüsternd kam Ray nun näher zu Logan:

   „Das ist sie! Von ihr habe ich seit langer Zeit geträumt. Logan wie soll ich sie ansprechen?“ Logan gab flüsternd zurück:

   „Spiel einfach und bleib du selber! Ich glaube die steht auf Gewinner.“ Dann zwinkerte Logan seinem Gegenüber zu. Endlich bewegte sich die junge Frau und kam genau auf den Billardtisch zu. Ray schaute hin und her, versuchte sich cool an die Bar zu lehnen, probierte Gesten aus, doch Logan winkte schwach ab. Sein Zeichen war unmissverständlich, Ray würde sich so nur zum Affen machen. Also liess der Junge das sein und trat wieder an den Tisch. Die junge Frau schritt neben den beiden vorbei und setzte sich an die Bar. Holly trat heran und bediente die Dame. Ihre Stimme war weich und sehr angenehm. Sie war wie ein Engel. Wenn man sie länger ansah, hatte man sogar das Gefühl, sie würde strahlen wie ein Engel. Ein schwaches Licht vom Himmel schien sie stets zu begleiten. Sie war nicht eine dieser Aufreissertypen, die in die Bars gehen, um reihenweise Männer abzukriegen. Weder Ray und Logan, noch Holly hatten ein schlechtes Gefühl mit ihr. Holly war da immer ziemlich misstrauisch, was schöne Frauen anging, doch in der Gegenwart dieser jungen Dame, fühlte sogar sie sich wohl. Holly und Ray schauten sich kurz an. Ray deutete mit seinem Finger zuerst auf den Drink der jungen Frau, dann auf sich selber. Holly verstand sofort, was er meinte.

   „Das ist vom Herrn da drüben am Billardtisch.“ Holly beugte sich leicht vor, während sie das sagte und zwinkerte der Unbekannten zu. Diese riss die Augen auf, lächelte verlegen und blickte kurz zu Ray. Auch er sah die junge Frau kurz an und konzentrierte sich dann schnell wieder auf seinen ersten Schlag. Beide grinsten scheu.

   „Wow, Ray, was für ein Schlag. Das war wieder ein Meisterstück von dir!“ Logan sprach bewusst lauter, damit die Hübsche an der Bar es hören konnte. Ray konzentrierte sich auf den nächsten Ball und mit Erfolg stiess er zu. Eine Kugel nach der anderen flog in die kleinen Beuteltäschchen an den Ecken und Rändern des Tisches. Es schien, als würde der Junge in Hochform kommen, wenn ihm eine schöne Dame beim Spielen zusah. Zwischendurch kam auch Logan ein oder zweimal an die Reihe, doch seine Schläge führten nur selten zum Triumph. Ray gewann hoch überlegen.

   „Schlechter Tag, hmm?“ Anerkennend klopfte er Logan auf die Schulter. Dieser nickte ein wenig enttäuscht, doch dieses Bild war man in der Kneipe ja gewohnt.

Nun wagte es Ray aber endgültig. Mit neu getanktem Selbstvertrauen setzte er sich neben die Hübsche an die Bar und bestellte einen Drink für sich. Logan ging währenddessen zur Judebox und warf ein paar Münzen in die leicht rostende Kiste hinein. „Aerosmith“, das war sein Sound. „I don’t want to miss a thing“ sein Song. Und er passte gerade perfekt zur Situation. Langsam schielte Logan nach hinten um sich Ray und seine neue Flamme anzuschauen. Sie prosteten sich bereits zu und lächelten einander an. Ray sah um sich herum nichts mehr. Seine Augen klebten buchstäblich an der Frau. Seine Sinne waren wie ausgeschalten. Wollte man ihm nun die Brieftasche klauen, wäre das bestimmt kein Problem gewesen. Auch die Frau starrte nur noch in die eine Richtung. Es schien fast, als hätten die beiden auf einander gewartet, als wären sie genau an dieser Stelle verabredet gewesen. Ein Lächeln hier, ein Zwinkern dort, ein Nicken da, nichts und niemand konnte die beiden aus der Ruhe bringen.

   Logan ging nun an die Bar um einen letzten Drink zu nehmen. Holly sah ihm an, was er wollte und ohne Kommentar stellte sie ihm das Glas auf die Theke. Müde und bedächtig trank Logan den kleinen Schnaps. Ab und zu schielte er hinüber zu seinem Freund, der ihn gerade vor allen wieder bloss gestellt hatte, in einem Spiel das er, so schien es, nie gewinnen würde. Dennoch, oder gerade deshalb schmunzelte er. Der junge Ray, irgendwie erinnerte er Logan an sich selber, als er noch jung gewesen war. Ray begann gerade dieselbe Geschichte die er in dem alter begonnen hatte. Die Strasse war sein Zuhause. Keine Zeit für die anderen Albernheiten, die die jungen Menschen tagtäglich aus der Bahn werfen. Keine Zeit für halbe Sachen und falsche Wahrheiten, die aus den Fernsehgeräten, überall in den Vereinigten Staaten herausschossen, um sich aus den Portemonnaies der jungen Menschen zu bereichern. Nein, Ray war wie er gewesen war, ein bodenständiger, junger Mann. Immer bereit zu Arbeiten und zu Helfen und von allen geschätzt und geachtet. Ein arbeitswilliger Bursche. Das war gut. Das war das, was die Leute in dieser Gegend brauchten. Nun wurde Logan ein wenig melancholisch zu Mute. Er vermisste seine jungen Tage, seine Dynamik. Wäre er nur noch einmal so jung. Würde er sein Leben in dieselbe Richtung steuern? Bestimmt. Mach’s gut, junger Ray, und mach’s vor allem richtig. Seine Gedanken versiegten in einem herzlichen Lächeln.

   Nun war es Zeit. Logan verliess die Kneipe dankend. Jede Woche gebrauchte er dieselben Worte, als er die Tür aufstiess und nochmals zurück blickte:

   „Vielen Dank Holly und Dan. Ray, wir sehen uns nächste Woche. Und…“ da unterbrach der junge Mann ihn wie jeden Freitagabend:

   „Ja ich weiss, Logan…“ und nun erklangen alle Stimmen wie im Chor:

   „Die Vorsicht sollte stets mitfahren!“ Jetzt lächelte er, drehte sich um und ging zu seinem Truck. Beim Verlassen des Parkplatzes winkte er Tony, dem Bauer. Dieser fuhr gerade mit seinem Traktor nach Osten, nach Hause auf seine Farm. Er kannte den Truckerfahrer schon seit einer Ewigkeit. Sie gingen zusammen zur Schule. Und manchmal half Logan ihm am Wochenende auf den Feldern.

   „Der arme Kerl!“ Tony richtete die Worte an seinen Neffen, der neben ihm auf dem Traktor sass. Er war kürzlich von der grossen Stadt angereist um ein paar Tage mit seinem Onkel auf dem Land zu verbringen.

   „Was zum Teufel hat der in deiner alten Scheune gemacht, Onkel Tony?“ Der Neffe konnte kaum glauben, dass um diese Zeit noch jemand, der mit einem Truck unterwegs war, in der Scheune seines Onkels arbeitete.

   „Weißt du; er macht das jeden Freitag, wenn er von seinen langen Fahrten nach Hause kommt. Logan ist krank. Er stellt sich vor, in dieser Scheune wären seine Kollegen und Freunde. Er stellt sich sogar vor, er würde dort etwas zu Essen und zu Trinken kaufen können. Ich war einmal dort, als er herein kam. Er beachtete mich nicht. Er redete mit Personen, die gar nicht da waren. Er nannte verschiedene Namen, gestikulierte und lachte mit ihnen. An diesem Freitag nahm er einen Stock in die Hand. Ich bekam es mit der Angst zu tun, meinte, er wolle mich verprügeln. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Dann aber machte er Bewegungen wie ein Billardspieler sie macht, wenn er zum nächsten Stoss ausholt. In seiner Phantasie spielte er und verlor gegen seinen Gegner. Er hat sich viele Holzsplitter geholt an dem Abend. Seine Hände waren voll davon, doch er merkte das nicht. Vor Jahren einmal versuchten seine zwei Brüder ihm die Geschichte auszureden, da die Leute immer mehr über den armen Kerl lachten. Doch er liess sich das nicht nehmen. Der Versuch scheiterte und endete im Chaos. Logan war kurz davor, sich selber umzubringen. Die Menschen im Dorf achten ihn nicht. Er möchte überall mithelfen und packt immer mit an, doch sie achten ihn nicht. Er ist und bleibt immer und für alle der Spinner, der freitags in seinem imaginären Stammlokal sitzt und sich mit den einzigen Freunden unterhält, die ihm über die Jahre noch geblieben sind.“ Jetzt blickte der Neffe mit Tränen in den Augen zurück auf die alte, zerfallende Scheune und sagte traurig:

   „Das ist sein Truckstopp!“

Impressum

Texte: Mike Sterren
Bildmaterialien: Mike Sterren
Tag der Veröffentlichung: 17.08.2013

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