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Prolog

Da war es wieder, dieses Gefühl, nichts zustande zu bringen. Schon lange hatte ich mit mir gehadert. Würde es mir wirklich gut tun von hier weg zu gehen? Würde es mir etwas bringen?

Andererseits, wenn ich es nicht versuchte, würde sich nie etwas in meinem Leben tun. Ich konnte also entweder weiterhin in Selbstmitleid versinken und mich in meinem Bett verkriechen oder aber an den verdammten Schreibtisch gehen und dafür sorgen, dass sich etwas änderte. Also raffte ich mich auf, solange ich noch den Mut dazu hatte, diesen Neuanfang zu wagen. Stellte dabei allerdings fest, dass man einen Bücherstapel niemals neben dem Bett auftürmen sollte, denn ich stieß dagegen und auf meinem kleinen Zeh landete ein wirklich schwerer Fachliteratur-Broken mit annähernd 1500 Seiten. Aber wie heißt es doch so schön? Dummheit gehört bestraft, also schnell wegräumen, kurz Ballerina spielen und weiter zum Laptop.

Da ich den jedoch selten ausmachte, erspare ich mir dieses leidige hochfahren. So blieb mir definitiv mehr Zeit für die wichtigeren Dinge im Leben, zum Beispiel meinen Browser mit der Frage nach einem perfekten Job in London zu befragen. Natürlich war das Meiste davon mal wieder Müll, das kannte ich immerhin ja schon. Das war die Kategorie Job, die man entweder liebte oder machen musste und beides tat ich nicht, also scrollte ich schnell weiter und klickte auf 'Tourism' was ja das war, welches ich eigentlich gesucht hatte. Sofort sprang mir das Übliche entgegen. Kellnern hier, Servicemitarbeiter dort, aber nicht das, worauf ich eigentlich gehofft hatte. Normalerweise war unter diesem ganzen Quatsch ja auch immer das ein oder andere seriöse Angebot versteckt, aber da schien ich heute nicht wirklich Glück zu haben.

Frustriert scrollte ich weiter und unterdrückte den Drang, einfach mit dem Finger lautstark auf meinem Touchpad herum zu tippen, aber das brachte weder mir noch meinem Touchpad was. Also ließ ich es lieber bleiben, scrollte noch ein wenig weiter und fand mit dem letzten Eintrag doch noch etwas sehr Spannendes. Beinahe hätte ich laut aufgeschrien, aber ich wollte keine unnötige Zeit vergeuden, also öffnete ich es so schnell ich nur konnte.

Schon nach dem ersten kurzen überfliegen musste ich meine Freude dann allerdings doch laut herausbrüllen, denn ich hatte hier den Jackpot. Der Laden hieß 'Melodic Kisses', lag perfekt in der belebten Stadtmitte und suchte Aushilfen und Praktikanten für den Event-Bereich. Angehangen war natürlich auch ein Formular, worüber man sich bewerben konnte. Zwar glaubte ich nicht wirklich daran, genommen zu werden, aber ein Versuch schien hier nicht verkehrt.

Keine zehn Minuten später war ich fertig, hängte meinen Lebenslauf an und schickte es ab. Jetzt war beten angesagt. Nun ja, vielleicht eher ein bisschen Musik und meine Freundin Leyla, die ich auch sofort anrufen musste. Sie klang zwar nicht gerade begeistert, da sie dies eher für eine vorübergehende Phase hielt, aber das war mir eigentlich egal. Sie war eher die Realistin von uns, was teilweise ganz schön nervig war, mich jedoch bereits vor der ein oder anderen größeren Dummheit gerettet hat. Genau dafür liebte ich sie, dafür und für die leckeren türkischen Abende, zu denen mich ihre Eltern ständig einluden. Man konnte nur vollkommen satt nach Hause zurückkehren, was gar nicht schlecht war, wenn man allein lebte. Der einzige Nachteil dabei war, dass mich ständig jemand davon zu überzeugen versuchte, wie schnell ich doch einen Job in der Türkei finden könne. Immerhin sei der Tourismus dort außerordentlich stark am Marktanteil beteiligt und ich könne quasi morgen schon rüber fliegen, weil meine Qualifikationen dafür sogar perfekt gewesen wären. Aber ich wehrte es jedes Mal dankend ab.

Jetzt jedoch war mein Ziel zum Greifen nah. Ich war meinem großen Traum, einen Job in London zu ergattern einen riesengroßen Schritt näher gerückt. Deswegen erhoffte ich mir so viel von dieser Stelle. Aber allen Ablehnungen zum Trotz würde ich weiterhin für meinen Traum kämpfen, denn nur so konnte ich wirklich etwas schaffen.

 

Kapitel 1

3 Tage später...

 

Noch immer hatte ich nichts gehört oder gelesen und wurde jetzt doch ein bisschen sehr nervös. Was wenn es doch nicht klappte? Ich redete mir ein, dass es sicherlich einen ganzen Haufen an Bewerbern gab und die erst einmal geprüft werden müssten, aber das half nur bedingt. Selbst ein Blick nach draußen half mir nicht wirklich, denn es goss in Strömen und schien nicht so bald aufzuhören. Seufzend sank ich also in meine Kissen zurück und betrachtete verschlafen mein Zimmer.

Die Wände waren beinahe blank und das Weiß der Wände hatte schon wesentlich bessere Zeiten gesehen, aber immerhin war es nicht schimmelig, was in dieser Stadt ein echter Glücksgriff war. Die einzigen Möbel waren ein großer Schrank, der kaum Platz genug für meine Sachen bot, ein Schreibtisch, an dem ich arbeitete und zugleich auch aß und ein kleines Einzelbett, dessen Federn bereits schmerzhaft in den Rücken zu stechen begannen.

Alles in allem nicht wirklich traumhaft, aber mir reichte es vorerst aus. Ich hatte ohnehin nicht genug Geld für einen Umzug oder überhaupt für eine größere Wohnung, also machte ich einfach das Beste aus meiner momentanen Situation. Sehr viel Anderes blieb mir eigentlich auch nicht wirklich übrig.

Da ich heute eh nichts mehr mit meiner Zeit anfangen konnte, nahm ich einfach den Stapel Bücher, der sich neben dem Bett befand, breitete diese auf meinem Bett aus und schnappte mir meinen Notizblock.

Es war besser zu lernen, als hier einfach nur herumzuliegen. So konnte ich immerhin glänzen, sollte ich wirklich angenommen werden. Doch irgendwie erschien mir das derzeit sehr surreal und so versuchte ich alles, was mich von meinen dummen Gedanken ablenkte.

Aber ganz verhindern konnte ich es nicht und dachte immer wieder an die Chance, die ich vertan hätte, hätte ich eine Sache nicht so ausgefüllt, wie die Firma es gern mochte. Was aber vollkommender Quatsch ist, denn entweder wollten sie mich, oder eben nicht. Ich hatte meine Qualitäten, auch wenn ich diese noch nicht hatte beweisen können. An irgendeiner Kleinigkeit scheiterte es irgendwie immer, was ich mittlerweile sehr frustrierend fand.

Bevor mich allerdings weitere Gedanken quälen konnten, oder ich meiner masochistischen Ader freien Lauf lassen konnte, rettete mich mein Handy.

"Hey, hast du schon was gehört?", Leyla war so unverblümt neugierig und ich musste beinahe hysterisch loslachen, aber ich verkniff es mir gerade noch ebenso.

"Nein, dabei stand doch im Inserat das sie sich in kurzer Zeit melden würden.", meine Verzweiflung war fast greifbar und ich seufze einmal tief durch bevor ich mich wieder auf mein Handy konzentrierte.

"Gib denen noch eine Woche und dann hakst du es ab, es bringt ja nichts wenn du dich auf so eine Firma verlässt."

"Ja, du hast ja recht, aber die Chance war im Gegensatz zu all dem, was ich davor gefunden hatte wirklich bombastisch. Ich hatte einfach so sehr gehofft das ich endlich mal Glück haben würde.", gab ich niedergeschlagen zu und diesmal war es Leyla die seufze.

"Ich hab dir doch gesagt du sollst es mal in der Türkei versuchen, dort wird sowas immer gesucht.", lamentierte sie wieder doch ich hatte nicht die Kraft zu streiten, vor allem dann nicht, wenn sie mich nicht verstand.

"Zum einen kann ich kein einziges Wort türkisch und zum anderen kennst du mich doch so langsam Leyla. Seit ich in London war, möchte ich dort arbeiten. Genau deswegen habe ich doch diesen Beruf gewählt. Es wird sich schon irgendwann was ergeben und bis dahin arbeite ich einfach weiterhin als Kellnerin."

"Du kannst aber auch nicht ewig kellnern Sophie. Jetzt ist die Zeit wo du dich mal am Riemen reißen musst. Bewirb dich doch trotzdem einfach mal dort, ablehnen kannst du immer noch wenn London ruft.", sie brachte es wirklich vernünftig herüber und um ein Haar hätte ich ihr zugestimmt, aber das wäre dann nicht mehr das gewesen, was ich mir gewünscht hatte.

"Hör zu, ich muss eben noch was erledigen, ich ruf dich später wieder an. Hab dich lieb.", wimmelte ich sie ab und legte einfach auf, ohne mich zu vergewissern, dass sie wirklich hinter mir stand. So langsam zweifelte ich wirklich daran, denn alles was sie brachte, waren nur diese Ratschläge, die mich weiter denn je von meinem eigentlichen Traum entfernten.

Aber was würde ich tun, wenn dieser Traum sich niemals erfüllte? Ewig die kleine Kellnerin spielen und die Leute um mich herum bedienen? Die Lösung konnte das nicht wirklich sein, aber das würde sich hoffentlich so schnell es nur geht ändern. Wie lange ich das psychisch allerdings noch aushalten würde, war eine andere Frage. Eigentlich war ich mit meinen 22 Jahren schon zu alt für solche Sachen und sollte mich wirklich langsam mal daranmachen, eine langfristigere Lösung zu finden. Verdammt, jetzt gab ich Leyla schon in Gedanken recht, das war ganz und gar nicht gut.

Ohne es wirklich zu wollen, fasste ich daraufhin den Entschluss, mich in der Türkei zu bewerben, wie Leyla es bereits vorgeschlagen hat. Jeder brauchte ja einen Plan B, also konnte ich meinen ein bisschen weiter östlich ansiedeln.

 

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Tag der Veröffentlichung: 14.03.2016

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