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Prolog



An einem fernen Ort, an dem Träume wahr werden können, lebt eine junge, temperamentvolle Frau namens Jessica Lee Jackson.

Mit ihrem langen, blonden Haar und ihren himmelblauen Augen gleicht sie einem Engel. Doch schaut man etwas genauer hin, sieht man das lodernde Feuer in ihrem Inneren.
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist ihrer Sehnsucht Heimat.

Eines verregneten Morgens über ihre Ranch wandernd, schweift ihr Blick in die Ferne, wo ihre Sehnsucht ruft. Wann erfüllt sich ihr innigster Wunsch? Wann wird er kommen, der Mann den sie schon so lange erwartet?


Ich sehe den tristen, grauen Himmel, der meine Stimmung widerspiegelt.
Freiheit und Zufriedenheit erfahre ich nur auf dem Rücken meines schwarzen Hengstes. Er verleiht mir die Flügel, auf denen ich über die Ebenen zu fliegen vermag.
Black Thunder - meine Freiheit, mein Traum.
Ich fühle unendliches Glück, wenn ich mit im dahin-galoppiere - ohne Fesseln, ohne Grenzen, die uns Einhalt gebieten könnten.
Endlich frei, doch verlasse ich den Rücken dieses edlen, feurigen Tieres, bin ich wieder schwach und hilflos.

Sein zu können, wer ich mir zu sein ersehne - einfach nur ICH sein. Wild und frei wie dieses Land. Das ist mein Wunsch. Das ist mein Traum.

In meinen Träumen wachsen mir Flügel. Sie verleihen mir einen inneren Frieden, denn sie tragen mich weit fort von hier.
Dort kann ich sie sehen, diese dunklen, ernsten Augen, die mir so viel verheißen. Augen so tief, dass man darin zu ertrinken glaubt, und die dennoch ein solches Gefühl der Geborgenheit vermitteln, dass es mein Herz mit süßer, schmerzlicher Sehnsucht erfüllt.

Einige Tage später...

Ein bronzener Krieger mit schwarzem, wehendem Haar und dem stolzen Blick eines Mannes, den weder Tod noch Teufel schrecken. Sein Blick schweift über die Unendlichkeit der Prärie. Die warmen Strahlen der aufgehenden Sonne streicheln zärtlich seine edlen Züge.

Ich ritt über die raue Ebene und genoss den Sieg der aufgehenden Sonne über die grauen Wolken. Black Thunder schien mit dem Wind um die Wette zu laufen.

Plötzlich durchbrach ein Schrei das Donnern seiner Hufe auf dem harten Boden. Ich lenkte Black Thunder in die Richtung des Schreis und entdeckte einen kleinen Indianerjungen von etwa sechs Jahren. Er war in ein Erdloch getreten und hatte wahrscheinlich seinen Fuß dabei verstaucht. Ich stieg vom Pferd und sah mir das Unglück etwas genauer an, dann suchte ich einen kleinen Ast. Der Junge sah mich verängstigt an, sagte jedoch kein Wort. "Keine Sorge, Kleiner, das haben wir gleich!" Vorsichtig schiente ich zur Sicherheit seinen Fuß, der Doc würde sich das später noch ansehen, damit keine Schäden zurückblieben.

Sachte hob ich den Jungen auf Black Thunders Rücken und machte mich auf den Heimweg. Ich hätte gern gewusst, was das Kind hier so alleine zu suchen hatte.

Wieder auf der Ranch...

"Joe, reite in die Stadt und bring den Doc her. Er soll sich den Fuß des Jungen mal ansehen." - "In Ordnung, Jess. Wird erledigt." Wenige Minuten später war der Cowboy bereits im Galopp auf dem Weg in die Stadt.

Maria, die gute Seele der Ranch, hatte in der Zwischenzeit eine Mahlzeit und Wasser für das Kind gebracht und die beiden Frauen beobachteten schweigend, wie er sich hunrig darüber her machte. "Würdest du für Joe und den Doc bitte noch Kaffee machen? Ich bleibe solange bei meinem kleinen Gast." - "Natürlich, aber du solltest auch einen Happen essen, du warst schließlich den ganzen Morgen unterwegs!" Schmunzelnd über den mütterlichen Rat meiner Freundin setzte ich mich mit meinem Teller zu dem Kind.

Kaum hatten wir unser Mahl beendet, hörten wir schon Reiter nahen.

Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und Joe trat gefolgt vom Doc ein. "Guten Tag, Jess. Joe erzählte mir von dem verletzten Indianerjungen. Dann wollen wir uns seinen Fuß einmal anschauen."
Langsam näherte sich der Doktor dem verängstigten Kind und untersuchte vorsichtig die Verletzung. Anschließend schiente er den Fuß erneut und wies mich nur noch an, dafür zu sorgen, dass der Junge ihn schonte. "Danke, Doc!" - "Keine Ursache, Jess. Du kannst immer auf mich zählen. Immerhin waren dein Großvater und ich enge Freunde und du bist wie eine Enkelin für mich. Pass` auf dich auf!"

Ich begleitete ihn noch zur Tür hinaus und verabschiedete mich mit dem Versprechen, ihn bald einmal besuchen zu kommen.

Zurück im Haus betrachtete ich den inzwischen schlafenden Jungen. Er schien den Kleidern nach zu urteilen ein Comanche zu sein, aber es war mir nach wie vor ein Rätsel, was er hier in der Gegend allein zu suchen hatte...

"Jess!" Das aufgebrachte Rufen kam von Ben, einem meiner Viehtreiber. "Komm` raus! Wir bekommen Besuch! Es sind sieben Reiter. Verdammt, das sind Comanchen!"

Mit meiner Winchester in der Hand trat ich ins Freie, als auch ich sie sah. Ben hatte Recht, es waren tatsächlich Krieger der Comanchen und ich hatte so eine Ahnung, was oder vielmehr wen sie hier suchten.

Joe hatte bereits sein Gewehr auf einen der Krieger angelegt und hatte gerade den Abzug betätigt, als ich sein Gewehr zur Seite riss. Der Schuss, der den Comanchen treffen sollte verfehlte sein Ziel nur um wenige Zentimeter.

Der Indianer hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, sondern nur mit durchdringendem Blick den Cowboy angestarrt.
Einer der anderen Krieger hatte einen Pfeil auf Joe gerichtet, als dieser die Waffe gegen seinen Freund erhoben hatte und zielte noch immer auf den Cowboy, der nun wütend in die Runde blickte.
Der Anführer der Indianergruppe sprach nun leise zu dem Krieger und dieser senkte seine Waffe.

Währenddessen befasste ich mich mit meinem Kindheitsfreund: "Joe, was sollte das? Willst du uns alle umbringen?" - "Warum hast du dich eingemischt, Jess", forderte er nun von mir zu wissen. Mein Freund starrte mich wütend an, so hatte ich ihn noch nie erlebt. "Ich will hier kein Blutvergießen. Das ist schließlich meine Ranch, und du hast meinem Befehl zu gehorchen, immerhin bist du mein Vorarbeiter. Also verhalte dich ruhig und lass mich mit den Comanchen reden" Joe machte ohne ein weiteres Wort kehrt und verschwand in den Ställen.

Resigniert wandte ich mich um und redete den Anführer der Krieger in seiner eigenen Sprache an: "Ich grüße dich und deine Krieger. Ich hoffe ihr verzeiht meinem Freund für seine Tat." Der Mann hatte bei meinen Worten in seiner Muttersprache für den Bruchteil eines Wimpernschlags einen überraschten Ausdruck. Doch er hatte sich schnell wieder gefasst.

"Ich bin gekommen, meinen Sohn zu holen, den du gefangen hast." - "Der Junge ist hier, aber du irrst dich. Er ist kein Gefangener sondern als mein Gast hier. Ich fand ihn draussen in der Ebene, dort hat er sich bei einem Sturz den Fuß verletzt. Der Arzt hat sich darum gekümmert. Du kannst dich selbst von meinen Worten überzeugen, komm mit in mein Haus, dann siehst du, dass ich die Wahrheit sage." Einladend wies ich in Richtung Haus und hoffte, er würde der Einladung Folge leisten.

Einen endlosen Moment lang schwieg er, dann beriet sich der Anführer kurz mit seinen Begleitern und folgte mir anschließend ins Haus.

Wenig später traten wir wieder hinaus. Der Comanche trug den Jungen zu seinem gescheckten Pony und gemeinsam verließen die beiden zusammen mit den übrigen Kriegern schweigend meine Ranch.

Endlich konnten wir alle aufatmen, das hätte auch ins Auge gehen können! Ich musste unbedingt mit Joe sprechen, so etwas durfte nicht noch einmal passieren.

Ich wollte gerade in die Stallungen gehen, als Maria mich aufhielt: "Warte, Jess! Lass` Joe, du hast ihn vor den anderen Männern zurechtgewiesen und damit seinen Stolz verletzt. Er muss sich erst wieder beruhigen." Meine Freundin sah mich eindringlich an und wandte sich ohne weitere Erklärung zum Gehen.

Was sollte ich denn nun tun? Was er getan hat hätte uns allen das Leben kosten können! Ich hoffe nur, er kommt bald wieder zu sich. Ich möchte ihn als Berater und Freund nicht verlieren!

Einen halben Tagesritt entfernt...

Grey Eagle saß auf einem Felsen am Rande des Dorfes und hing seinen Gedanken nach.

Die weiße Frau von heute Morgen ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Sie stellte für ihn ein Rätsel dar. Im Gegensatz zu anderen weißen Frauen hatte sie nicht die Flucht beim Anblick der Krieger ergriffen. Im Gegenteil, sie hatte sogar diesen Mann davon abgehalten, auf ihn zu schießen. Warum hatte sie das getan? Und wieso beherrschte sie die Sprache des Volkes?

Es sind einige Tage seit dem Zwischenfall mit den Comanchen vergangen, aber ich habe noch nicht herausgefunden, was sie hier in unserer Gegend zu suchen hatten. Ich hoffe, es kommt nicht wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen uns und den Indianern. In der Vergangenheit ist bereits genug Blut geflossen.

"Jess, Ben will wissen, ob die neuen Pferde jetzt schon zugeritten oder erst auf die Weide gebracht werden sollen." - "Ich komme schon, John!" Das Zureiten wird mich auf andere Gedanken bringen. Vielleicht fällt mir dabei noch ein, was ich wegen Joe unternehmen könnte.

Der braune Mustang machte seinem Namen alle Ehre - El Diabolo, wie ihn meine mexikanischen Cowboys schon nannten, war wirklich ein äußerst temperamentvoller Bursche. Beinahe hätte er auch mich abgeworfen. Mit letzter Kraft hielt ich mich im Sattel und ritt schließlich mit einem Gefühl der Zufriedenheit aus der Koppel.

Doch ich hatte mich zu früh gefreut, denn darauf schien der Mustang gewartet zu haben. Plötzlich machte er einen Satz und galoppierte mit mir auf die Ebene hinaus. Mir blieb nur eines, mich gut fest zu halten und zu hoffen, dass ihn bald seine Kraft verlies. Natürlich tat er mir diesen Gefallen nicht!

Inzwischen waren wir wohl mehrere Meilen von meiner Ranch entfernt - meine Leute hatten es nicht geschafft, uns beide einzuholen, als plötzlich aus der Ferne ein kurzer Pfiff ertönte. Bevor ich wusste wie mir geschah, fand ich mich schon auf dem Boden wieder. Von dem Sturz taten mir sämtliche Knochen weh und ich konnte mich einen Moment lang kaum rühren.

Wenn ich erst wieder auf meinen Füßen stehe, kann der Bursche was erleben! Ich war so sehr damit beschäftigt vor mich hin zu fluchen, dass ich den sich nähernden Reiter erst bemerkte, als dieser mich auf den Rücken seines Ponys hochzog.

Überrumpelt und verärgert wollte ich protestieren, da sah ich plötzlich in jene dunklen Augen, die mich seit Wochen schon in meinen Träumen verfolgten.
Einen schier endlosen Moment lang blickten wir einander nur an, dann ritten wir gefolgt von einem brav hinterhertrabenden El Diabolo Richtung Westen.

Vergessen war mein Ärger über den unsanften Sturz, nun kreisten meine Gedanken nur noch um den stolzen Krieger. Träumte ich das Ganze etwa nur oder hatte ich mir bei meinem Sturz wohlmöglich den Kopf irgendwo angeschlagen? Nein, der Schmerz in meinem rechten Arm auf den ich gefallen war, verriet mir, dass es real war.

Wie sollte ich den Krieger nur davon überzeugen, mich abzusetzen und gehen zu lassen? Ich wollte ihn auf meine Freiheit hin ansprechen, als er in gebrochenem Englisch zuerst das Wort ergriff: "Wir sind da. Das ist das Lager meines Volkes. Du wirst hier auf mich warten!" Es war keine Bitte. Der Krieger stieg von seinem Pony, zog mich hinunter und setzte mich unsanft auf dem Boden ab. Dann ging er ohne ein weiteres Wort zum Tipi in der Mitte des Lagers, welches vermutlich dem Häuptling des Stammes gehörte.

Inzwischen hatten sich einige der Dorfbewohner um mich herum versammelt und beäugten mich mit Neugier oder Verachtung. Eine der mutigeren jungen Frauen trat nahe an mich heran und versetzte mir unvermittelt einen derben Stoß. Dadurch fand ich mich heute bereits zum zweiten Mal auf dem Boden wieder. Doch nun war ich am Ende meiner Geduld! Mit einem Zornesschrei sprang ich auf die Füße, meine Schmerzen ignorierend, und verpasste der dreisten Indianerin einen harten Schlag ins Gesicht.

Nun brach ein Tumult aus, bei dem einige der Dorfbewohner, die sich zu nahe herangewagt hatten, ein paar blaue Flecken und Schrammen davontrugen.
Bevor jedoch ernsthaft jemand zu Schaden kommen konnte, ertönte ein ruhiger Befehl und die Menge teilte sich. Die wütende Indianerin und ich standen nach Luft ringend am Ende der entstandenen Gasse und blickten einander mit zornigen Blicken an. Ein weiterer Befehl genügte, um die junge Frau unter wüsten Schimpftiraden in einem nahegelegenen Tipi verschwinden zu lassen.

Der Krieger, dessen Befehle für Ruhe sorgten, tauchte nun vor mir auf. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, um in sein Gesicht schauen zu können.
In diesem Moment kam ich mir ziemlich klein vor, doch er schien keine Bedrohung für mich darzustellen - im Gegenteil, der Mann sah schmunzelnd auf mich hinab. Er machte den Eindruck als amüsierte er sich auf meine Kosten.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum war ich hier und weshalb amüsierte sich der Comanche so über mein Hiersein? Hatte ich nicht eine seiner Stammesschwestern angegriffen? Warum hatte er mich in Schutz genommen, statt mich seinen Leuten zur Folter auszuliefern? Himmel, war ich müde! Ich konnte kaum noch klar denken, so erschöpft war ich.

Bevor ich wusste wie mir geschah, wurde ich schon von einer älteren Indianerin in eines der Tipis geschoben. Sie forderte mich auf, mich auf die Felle zu setzen und reichte mir dann eine Schale mit Trockenfleisch. Dankbar nahm ich die Gabe an und nachdem ich sie verspeist hatte, verharrte ich dessen, was nun wohl kommen würde.

Die Indianerin verlies das Zelt. Nun traten der Comanche, der zuvor über mich geschmunzelt und der Krieger, der mich gefangen genommen hatte ein.

Sie nahmen um das Feuer herum Platz und sahen mich erwartungsvoll an, doch ich schwieg. Sollten sie doch den Anfang machen.
Schließlich sprach der lächelnde Riese: "Ich bin Yellow Hand, Häuptling der Comanchen. Du warst freundlich zu meinem Sohn Little Fox, dafür danke ich dir." - "Der Kleine ist also dein Sohn. Was hatte er ganz allein draußen in der Ebene zu suchen?" - "Ein paar unserer jungen Krieger war auf der Jagd und er hatte sich hinterhergeschlichen. Mein Sohn ist tapfer und er wird einmal ein großer Jäger und Krieger des Volkes werden", erklärte mir der Häuptling voller Stolz. "Ich stimme dir zu, dass er tapfer ist. Little Fox hat keinen Laut von sich gegeben, obwohl seine Verletzung sicherlich sehr schmerzhaft war. Da wir dieses Thema nun geklärt haben, kann ich ja jetzt wieder zu meiner Ranch zurückkehren." Mit diesem Satz wollte ich bereits aufstehen, doch der Häuptling hielt mich mit einem bedauerndem Blick zurück.

"Mein Neffe Grey Eagle hat dich gefunden und nach unserem Brauch gehörst du ihm. Er wird entscheiden, was nun mit dir geschieht."
Wie vom Donner gerührt starrte ich erst den einen, dann den anderen an. Das war doch ein schlechter Scherz!
"Soll das etwa heißen, ich bin jetzt eure Gefangene? Soll das euer Dank für meine Hilfe sein?"
Ohne ein weiteres Wort erhob sich der Häuptling und ließ mich mit dem Comanchen - Krieger allein.
Ich war empört. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Das war kein Traum, wie ich anfangs noch vermutete. Das war ein Albtraum!

Grey Eagle hatte die Reaktion der weißen Frau ruhig beobachtet. Er bewunderte ihren Mut. Sie musste noch lernen, dass sie nun ihm gehörte - und sie würde es lernen!

"Hier wirst du bleiben, bis ich dir erlaube hinaus zu kommen", hatte der Krieger die Dreistigkeit mir zu befehlen. Verblüfft verstummte ich mitten in meiner Schimpferei und schaute dem Mann, in dessen Händen mein weiteres Schicksal lag, direkt in die Augen.

"Was hast du mit mir vor? Glaubst du etwa, ich bleibe hier seelenruhig sitzen und nehme meine Gefangen-schaft einfach so hin?!" - "Reden alle weißen Frauen so viel? Du wirst hier bleiben und gehorchen! Niemand wird dir etwas tun, solange du unter meinem Schutz stehst. Versuche nicht zu fliehen. Du würdest nicht weit kommen!" Mit diesem letzten Befehl verließ auch er das Zelt und ließ eine äußerst grimmige Jessica zurück.

Was sollte ich machen? An eine Flucht war momentan tatsächlich nicht zu denken, in dieser Hinsicht unterschätzte ich die Ernsthaftigkeit seiner Worte durchaus nicht. Allerdings würde Grey Eagle sich schon bald wünschen, er hätte mich niemals hierher gebracht!

Der Rest meines ersten Tages in Gefangenschaft verlief ohne weitere besondere Vorkommnisse.
Lediglich die alte Indianerin, die sich später am Abend als Dreaming Woman und Großmutter von Grey Eagle vorstellte, suchte das Tipi auf. Sie brachte mir erneut etwas Fleisch und Wasser. Obendrein legte sie noch ein hübsches Wildlederkleid und ein paar Mokassins für mich auf die Felle.
Ich dankte ihr, wusste ich doch, dass sie keine Schuld an meiner misslichen Lage hatte.
Einzig dem arroganten Krieger verdankte ich meine aktuelle Situation und - wie ich mir selbst eingestehen musste, der falschen Einschätzung meiner Fähigkeiten beim Zureiten El Diabolos...

Ich brütete noch eine ganze Weile über die Ungerechtigkeit meiner Lage als ich ein leises Rascheln hörte. Kurz darauf entdeckte ich den kleinen Burschen, der Auslöser der Ereignisse gewesen war. Little Fox schien wieder recht munter zu sein und sich von den Strapazen des Tages erholt zu haben. Nun schlich er grinsend auf mich zu. Selbst trotz meines Ärgers konnte ich nicht anders als das Grinsen zu erwidern.
Der Junge war einfach ein süßer kleiner Bursche, dem wohl keine Frau auf Erden wirklich böse sein konnte.

Little Fox war gekommen, um mir für meine Hilfe zu danken. Zum Abschied überreichte er mir mit feierlicher Miene ein kleines Messer und kehrte anschließend zu seinen beiden Freunden zurück, die vor dem Tipi auf ihn gewartet hatten.
Der Kleine wusste ja nicht, wie sehr ich mich über sein Geschenk freute, war es doch genau das Mittel, was mir zur erfolgreichen Flucht noch fehlte.

Ich beschloss, den folgenden Tag bis zum Einbruch der Nacht noch ruhig abzuwarten, um meine Fluchtmöglichkeiten besser abzuwägen. Dann würde der arrogante Krieger schon sehen, dass er eine Jessica Lee Jackson nicht zum Bleiben zwingen konnte! Mit diesem erfreulichen Gedanken legte ich mich, nachdem ich meine staubigen Kleider gegen die Gabe der alten Indianerin getaucht hatte, auf die einladenden Felle.

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, war es voll- kommen dunkel im Tipi, und ich war nicht länger allein...
Er musste, während ich geschlafen hatte, ins Tipi geschlichen sein. Ein leises Rascheln verriet mir, dass er sich seiner Kleider entledigte. Mit pochendem Herzen lauschte ich, um auszumachen, wo genau er sich gerade befand. Ich war sehr erleichtert, als er keine Anstalten machte, mir zu nahe zu kommen.

Im Gegenteil, Grey Eagle hatte es sich auf der an- deren Seite der Feuerstelle gemütlich gemacht. Nach einigen schier endlosen Minuten hörte ich seine leisen, ruhigen Atemzüge. Er schien eingeschlafen zu sein, doch mein Instinkt sagte mir etwas Anderes. Ich erwartete fast, Grey Eagle würde seine Absicht noch ändern, doch nichts geschah.

Erleichtert schlief ich wieder ein und träumte von dunklen, braunen Augen, die mich schon seit vielen Nächten verfolgten und nun ein Gesicht erhalten hatten...

Am nächsten Morgen erwachte ich mit knurrendem Magen. Ich stellte zu meiner Erleichterung fest, dass ich alleine war, daher durchsuchte ich schamlos das Tipi nach etwas Essbaren. Nach erfolgloser Suche beschloss ich, Grey Eagles Befehl zum Trotz, das Zelt zu verlasen. Bevor ich hinaus trat, versteckte ich das Messer mit Hilfe eines Lederbands unter dem Kleid.

Vor dem Tipi schien niemand Notiz von meinem Erscheinen zu nehmen. Die Frauen des Dorfes gingen ihren alltäglichen Arbeiten nach und die Kinder liefen spielend zwischen den Zelten umher.
Ich entschied, zum Fluss zu gehen, um zuerst einmal ein erfrischendes Bad zu nehmen. Mein Hunger musste warten.

Niemand hielt mich unterwegs auf, was mir sehr gelegen kam. Dennoch war ich mir nur allzu sehr bewusst, dass - sollte ich versuchen zu fliehen, die Comanchen mich innerhalb kurzer Zeit wieder eingefangen hätten.

Am Fluss angekommen, ließ ich mich an einer von Büschen geschützteren Ecke nur noch in meiner Unterwäsche ins Wasser gleiten. Die Kälte ließ mir den Atem stocken, doch ich gewöhnte mich schnell daran. Ich genoss mein Bad in vollen Zügen, nichts ahnend, dass ich nicht allein war. Der heimliche Beobachter blieb von mir unbemerkt im Schatten der umstehenden Bäume versteckt und hielt ein wachsames Auge auf seine Gefangene.

Die Sonne ließ die Wassertropfen auf der Haut wie Edelsteine funkeln und ihre Strahlen wärmten mein Gesicht. Nach so langer Zeit in dem kalten Fluss begann ich nun doch zu frieren, sodass ich wieder aus dem Wasser stieg, das Kleid überwarf und ins Dorf zurückkehrte.

Auf halbem Weg kam mir Dreaming Woman entgegen. Sie trug mir auf, ihr zu folgen und bei den Essensvorbereitungen zu helfen. Diese Aufgabe brachte meinen hungrigen Magen nur umso lauter zum Knurren, sodass mir die alte Indianerin unter Lachen eine kleine Schale voll Trockenfleisch reichte. Mit schamroten Gesicht und verlegen lächelnd nahm ich diese dankbar entgegen.

Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, sollte ich der alten Frau noch bei einer weitaus unangenehmeren Arbeit behilflich sein: Fellegerben.
Felle zu gerben war keine besonders leichte Aufgabe, obwohl ich harte Arbeit von der Ranch her gewöhnt war. Nachdem mir Dreaming Woman die richtige Grifftechnik für den Schaber aus Büffelknochen gezeigt hatte, ging die Tätig- keit leichter von der Hand. Einzig der Gestank des Gerbemittels, das fest in die Felle eingerieben werden musste, damit sie schön geschmeidig wurden, war einfach unerträglich.
Dreaming Woman erklärte mir, es handele sich dabei um ein Gemisch aus Büffelhirn und einigen Kräutern. Dieses neue Wissen erleichterte mir die Arbeit nicht gerade. Ich war daher mehr als froh, als wir fertig waren und sie entschied, es sei nun an der Zeit, uns im Fluss waschen zu gehen.

Die folgenden Tage verliefen in einer gewissen Mono- tonie: morgens holte ich am Fluss frisches Wasser, dann sammelte ich Feuerholz, half dabei Essen zu kochen und räumte Grey Eagles Tipi auf. Abends legte ich mich zeitig zum Schlafen hin jedes Mal in der Angst, der Krieger würde sich nicht mehr lange von mir fernhalten. Doch nichts geschah. Er verfolgte mich, wenn er in meiner Sichtweite war, meist mit seinem ernsten Blick, sagte jedoch nichts.
Seine Freunde verfolgten sein Verhalten amüsiert und warteten gespannt darauf, wann er wohl etwas wegen der weißen Frau unternehmen würde.

Dreaming Woman und der kleine Comanchen - Junge Little Fox unterrichteten mich täglich in den Gebräuchen des Volkes und mit ihrer Hilfe erweiterte ich meinen Wortschatz in ihrer Sprache. So hatte ich wenig Muße, mir über eventuelle Fluchtmöglichkeiten Gedanken zu machen. Mit der Zeit hatte ich die alte Indianerin und den reizenden Jungen liebgewonnen. Allerdings war ich mir bewusst, dass ich bald von hier fort musste. Meine eigenen Leute waren sicherlich schon auf der Suche nach mir.

Es war etwa eine Woche seit meiner Gefangennahme vergangen, als sich die erste Chance zur Flucht ergab. Die Krieger, unter ihnen auch Grey Eagle, waren auf die Jagd geritten und nur Frauen und Kinder sowie die Alten waren zurückgeblieben.
Wie es mir inzwischen zur Gewohnheit geworden war, ging ich auch diesen Morgen zum Baden an den Fluß. Niemand würde also Verdacht schöpfen. Doch heute hatte ich mir einen kleinen Beutel mit Trockenfleisch unter dem Kleid versteckt und eine Wasserflasche zum Füllen mitgenommen. Mein Messer befand sich wie üblich an meinem Bein gebunden ebenfalls unter dem Indianerkleid.

Es hätte alles so einfach werden können, aber ich hatte meine Rechnung ohne den Fluss gemacht. Kaum hatte ich die Mitte des Gewässers erreicht, als mich eine starke Strömung erfasste. Ich versuchte wieder ans rettende Ufer zurück zu gelangen, doch meine Kleidung sog sich voll Wasser und zog mich immer wieder hinunter. Nach einigen Minuten des Überlebenskampfes verließen mich die Kräfte und meine Lunge brannte vor Anstrengung. Ich drohte ohnmächtig zu werden, doch plötzlich wurde ich von zwei kräftigen Händen gepackt und aus dem Fluss gezerrt.
Endlich am Ufer angekommen, öffnete ich die Augen und schaute in Grey Eagles besorgtes Gesicht. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, zwar war ich dem Tode durch Ertrinken entkommen, nicht jedoch meiner Gefangenschaft.
Erschöpft schloss ich meine Augen und nahm nur noch verschwommen war, wie ich von Grey Eagle auf die starken Arme genommen und ins Dorf zurückgetragen wurde.

Dort angekommen, kamen uns Dreaming Woman und Little Fox entgegen, die uns besorgt musterten. Mit wenigen Worten berichtete ihnen der Krieger, ich sei beim Schwimmen in eine Strömung geraten, von meinem misslungenen Fluchtversuch erwähnte er jedoch nichts.

Der Krieger brachte mich in sein Tipi und schickte die beiden Freunde entschieden fort.
Ich nahm nur noch vage wahr, wie mir das nasse Leder über den Kopf gezogen und ich sachte in Felle einge-wickelt wurde. Nun hörte ich, wie Feuer entfacht wurde und er sich seiner Kleidung entledigte. Kurz darauf wurde es zunächst kühler, dann spürte ich plötzlich eine angenehme Wärme. Grey Eagle war zu mir unter die Felle gekommen und wärmte mich mit seinem Körper. Sanft zog er mich an seine Brust und umschloss mich eng mit seinen Armen.

Langsam erwärmte sich mein Körper wieder und ich erwachte mehr und mehr aus meinem Dämmerzustand. Ich verspürte nun ein seltsames Kribbeln in meiner Magengegend, das nicht vom Hunger herrührte. Vorsichtig öffnete ich die Augen und schaute direkt in Grey Eagles dunklen Augen. Darin las ich Sorge und noch etwas Anderes - Sehnsucht.

Mein Verstand riet mir ihn fort zu schieben, doch mein Körper sehnte sich nach seiner Wärme und seiner Nähe. Daher kuschelte ich mich erneut in seine starken Arme und fühlte mich darin so sicher und geborgen wie nie zuvor in meinem Leben. So verbrachten wir beinahe den Rest des Tages und die ganze Nacht in engster Umarmung.

Am nächsten Morgen legte Grey Eagle sachte seine Hand auf meine Schulter und ich erwachte aus meinem Traum.
Ich war etwas überrascht, den Krieger zu sehen, war er doch sonst schon vor dem Morgengrauen aus seinem Tipi verschwunden.
Als ich ihn zurückhaltend anlächelte, erwiderte er das Lächeln und reichte mir eine Wasserflasche. Dankbar nahm ich einen tiefen Schluck und gab sie ihm zurück.
Ein Tropfen Wasser haftete noch auf meinen Lippen und zärtlich strich Grey Eagle mit dem Daumen darüber. Dabei sah er mir eindringlich in die Augen. Ich erwiderte wie gebannt seinen Blick und fühlte erneut ein starkes Kribbeln in der Magengegend. Sein Gesicht näherte sich dem meinen und schließlich verschmolzen unsere Lippen zu einem zärtlichen Kuss.

Die Sonne hatte bereits den Zenit erreicht, als Grey Eagle und ich das Tipi verließen. Wir spazierten ohne Worte zum Fluss. Schließlich brach ich das Schweigen: "Ich kann nicht bleiben, nicht als Gefangene. Bitte verstehe mich! Außerdem werde ich auf meiner Ranch gebraucht. Meine Leute suchen sicherlich schon nach mir und machen sich große Sorgen. So sehr es mir auch hier mittlerweile gefällt, ich muss zurück in mein altes Leben." Grey Eagle sah mich eindringlich an, schwieg jedoch weiterhin. Dann wandte er sich von mir ab und kehrte ins Dorf zurück. Ich bat ihn zu warten, doch auch diese Bitte ignorierte er.
Verzwiefelt setzte ich mich ans Flussufer und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Nachdem sie versiegt waren kehrte ich ins Dorf zurück, wo sich mir Black Rain, die energische junge Indianerin, mit der ich an meinem ersten Tag aneinander geraten war, in den Weg stellte.
"Was hast du weisse Schlange mit Grey Eagle gemacht? Er ist in sein Tipi gegangen, hat seine Waffen geholt und aus dem Dorf galoppiert." Ich starrte die Indianerin einige Sekunden lang fassungslos an, bis ich den Sinn ihrer Worte richtig erfasst hatte und lief dann ohne Erwiderung zu Grey Eagles Tipi. Sein Pony war nicht mehr da. Er war fort. Ohne ein Wort des Abschieds. Einfach so.

Ich rannte zu Dreaming Womans Tipi, die mich bereits erwartete. Sie hielt El Diabolos Zügel.
"Grey Eagle bat mich, dir dein Pferd zu geben und dir zu sagen, dass du frei bist. Du kannst wieder nach Hause zurückkehren." Traurig übergab mir die alte Frau die Zügel, drückte mich kurz an sich und ging in ihr Tipi.

Little Fox, der wenige Meter entfernt gestanden und alles mitangehört hatte, kam nun auf mich zu. "Willst du uns wirklich verlassen? Magst du uns denn nicht?" - "Ach, mein Kleiner", traurig ging ich vor ihm in die Hocke und streichelte zärtlich seine Wange, "natürlich mag ich euch. Ihr seid meine Freunde, aber ich muss zurück. Ich brauche meine Freiheit. Ich kann nicht bleiben."

Erneut stahlen sich Tränen in meine Augen und bevor ich erneut zu Weinen begann, stand ich auf und schwang mich auf El Diabolos Rücken. Dieses Mal ver- suchte er nicht, mich abzuwerfen.

Ich ließ meine Freunde und das Dorf weit hinter mir und kehrte in mein altes Leben zurück. Schon von Weitem sah ich meine Ranch. Einige meiner Leute hatten mich bereits entdeckt und kamen aufgeregt auf mich zu. Ich war wieder zu Hause. Ich hatte meine Freiheit zurückgewonnen, aber ich hatte mein Herz dabei verloren.

Joe erreichte mich als erster und bestürmte mich mit seinen Fragen: "Was ist denn mit El Diabolo passiert? Wir suchen dich schon seit Tagen! Seit du mit dem Gaul auf und davon galoppiert bist, haben wir nichts mehr von dir gesehen oder gehört. Was hast du denn die ganze Zeit getrieben und warum trägst du jetzt Indianerkleider?" - "Joe, bitte...lass mich...Ich möchte jetzt einfach nur allein sein. Bitte!" Mit diesen Worten ließ ich meinen besten Freund und die inzwischen anwesenden Cowboys stehen.

Nachdem ich El Diabolo versorgt hatte, ging ich ins Haus. Joe hatte ich erst einmal abgewimmelt, doch so leicht würde ich es mit Maria nicht schaffen.

Unter Tränen berichtete ich meiner lieben Freundin, was seit dem Vorfall mit El Diabolo geschehen war. Ich erzählte ihr auch von dem Comanchen Grey Eagle, und dass ich mein Herz an ihn verloren hatte.
Maria hatte mich zunächst aussprechen lassen und dachte dann einen Moment nach. "Liebst du diesen Krieger?" - "Ja, ich liebe Grey Eagle mehr als ich sagen kann."
Meine Freundin sah mich eindringlich an, seufzte schließlich und meinte lächelnd: "Worauf wartest du dann noch?"

"Ich kann nicht", erwiderte ich traurig, "ich muss mich um die Ranch kümmern. Sie ist alles, was mir von Großvater geblieben ist. Wie könnte ich ihn enttäuschen und alles im Stich lassen, wofür er so hart gearbeitet hat?!"
- "Glaubst du dein Großvater hätte gewollt, dass du ein Leben ohne Liebe führst. DU warst sein Ein und Alles, nicht die Ranch. Wäre er noch unter uns, würde er dir schon deinen hübschen Lockenkopf zurechtstutzen!" - "Aber..." - "Papperlapapp, keine Widerrede mehr. Wenn du dir wirklich solche Sorgen um die Ranch machst, dann bestimme einen Nachfolger, der sich um alles hier kümmert. Übergib die Leitung jemandem, dem du vertraust und der die Farm ebenso liebt wie dein Großvater und du", energisch vertrat die junge Frau ihren Standpunkt und hatte mich nach- denklich gemacht.
"Aber wem könnte ich sie anvertrauen?" Plötzlich kam mir ein Gedanke... "Ganz recht", mit einem zufriedenem Lächeln blickte mich Maria an und ließ mich dann allein zurück.

Sollte es tatsächlich so einfach sein? Mit neu aufkeimender Hoffnung verließ auch ich das Haus. Mein Weg führte mich direkt zu meinem besten Freund.

"Joe, hast du einen Moment Zeit? Ich muss dringend mit dir sprechen." Bei meinen Worten hatte er sich mir zugewandt und erwiderte nun brummig: "Du wolltest doch vorhin nicht mit mir reden. Woher also der plötzliche Sinneswandel?" - "Bitte, Joe. Es tut mir leid, aber ich war so...so..." - "Erschöpft, ver- stört, verzweifelt?" - "Ja, das war ich wohl, aber jetzt bin ich wieder ich selbst. An dem Tag als El Diabolo mit mir durchging, wurde ich mitten auf der Ebene abgeworfen..." - "Du bist vom Pferd gefallen? DU?!" Joe schaute mich mit einem so verdutzten Gesichtsausdruck an, dass ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
"Das ist nicht lustig, du Witzbold! Also, nachdem ich gestürzt war, fand mich ein Comanchen - Krieger und brachte mich in sein Dorf. Dort wurde ich vor den Häuptling geführt, der sich als der Vater des Indianerjungen von neulich vorstellte." Ich erzählte meinem Freund lieber nichts von der Gefangennahme und meinem missglückten Fluchtversuch. Er würde sich nur aufregen.
"Ich blieb einige Tage dort, bis es mir besser ging. Eine alte Indianerin namens Dreaming Woman und der kleine Indianerjunge Little Fox brachten mir währenddessen ihre Bräuche näher.
Schließlich verliebte ich mich in den Krieger, der mich dorthin gebracht hatte..."
"Das ist doch wohl nicht dein Ernst?! Ich glaub es einfach nicht! Du hast dich in einen Wilden verliebt? Wer ist er?" - "Grey Eagle ist kein Wilder! Er mag ja arrogant und stur sein, aber ein Wilder ist er nicht!"

Joe starrte mich bei meinem Ausbruch einen Moment lang fassungslos an, dann schaute er mir ernst in die Augen: "Was hast du jetzt vor, Jess?" - "Ich kann Großvaters Ranch nicht einfach so sich selbst überlassen, deshalb brauche ich dich. Ich bitte dich, übernimm du die Leitung solange ich fort bin. Ich weiß, bei dir ist die Ranch in guten Händen."
Mit flehendem Blick sah ich meinen besten Freund an, und wusste, ich hatte gewonnen.
Er konnte mir einfach keinen Wunsch abschlagen. So war es schon immer gewesen.

Resigniert gab er meiner Bitte nach: "Also gut. Ich werde die Ranch während deiner Abwesenheit leiten, aber ich werde dich nur vertreten, bis du dich entschließt zurückzukommen."
Überglücklich streckte ich ihm meine Hand entgegen, um den Pakt zu besiegeln. Anschließend fiel ich meinem besten Freund jauchzend um den Hals und gab ihm einen herzlichen Kuss auf die Wange.
Ich verfasste noch am gleichen Tag ein Schriftstück, in dem Joe Petersen die Leitung meiner Ranch in meiner Abwesenheit zugesprochen wurde. Dieses Schreiben wurde von Doc Matthews als Zeuge gegengezeichnet und sicher aufbewahrt.

Nachdem die Formalitäten erledigt und die Ranch meines Großvaters in die fähigen Hände meines besten Freundes gelegt waren, hatten
Maria und Joe zusammen mit den anderen Rancharbeitern eine kleine Abschiedsfeier auf die Beine gestellt. Meine Leute hatten die neue Situation erstaunlich gut aufgenommen, nicht zuletzt, da sie wussten, dass Joe Ahnung davon hatte, wie eine große Ranch zu führen war.

Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und es kam die Zeit des Abschieds. Maria und mein bester Freund umarmten mich zum Schluss noch einmal herzlich und gaben mir gute Ratschläge mit auf den Weg. Sollte ich jemals Hilfe benötigen, wüsste ich, wo ich sie finden würde.

Ich sattelte El Diabolo trotz Joes scherzhafter Warnung, mich nur nicht wieder abwerfen zu lassen und ritt meinem neuen Leben mit offenen Armen entgegen.

Grey Eagle, bitte warte auf mich. Bald bin ich zu Hause...


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Tag der Veröffentlichung: 05.03.2010

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