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Kapitel 1: Sh...in...



„Perfektion?“, seine Stimme war gedämpft, er hatte den Kopf immer noch gesenkt, sein Gesicht wurden von einem Schatten verdeckt. Das Schwert, von dem ein Gemisch aus Gift und Blut tropfte, umschloss er mit eisernem Griff. Ich streckte eine Hand nach ihm aus. Er schien nicht mehr als ein Schatten zu sein. „Ewigkeit...“, ich konnte hören, wie eine seiner Tränen auf den Steinboden tropfte. Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch als er die Hand mit dem Schwert langsame bewegte, erstarrte ich wieder. „Perfektion...“, flüsterte er wieder. Seine Stimme zitterte. Langsam erhob er sich. Der Schatten, der sein Gesicht bedeckt hatte, wie eine Decke den Körper eines Kindes, verschwand. Aus seinen Augen tropften schimmernde Tränen, die sich mit der roten Flüssigkeit auf dem Boden zu einem schier endlosen Meer aus Schmerz vereinten. Ich wich zurück, starrte ihn geschockt an. Er weinte...er weinte und dennoch waren seine Mundwinkel nach oben gezogen, bildeten ein dämonisches Lächeln. Ich wollte seinen Namen sagen, doch nur ein leises Geräusch, das klang wie ein ´hi´, entfloh meiner Kehle. Er machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich einen zurück und schon spürte ich die kalte Steinwand, die sich an meine nackte Haut schmiegte. Ein eiskalter Schauer durchzog meinen zuckenden Körper. Er machte einen weiteren Schritt auf mich zu, war mir jetzt so nahe, dass ich seinen Atem atmen musste, spürte wie seine Nasenspitze leicht meine berührte. „Ewigkeit...“, seine Stimme schnitt noch tiefer Wunden der Angst in mich. Ein stummer Schrei verlies meinen geöffneten Mund, als seine Hand meine berührte, sie umschloss und etwas zusammen drückte. Eine Träne rann mein Gesicht hinunter, fiel auf meine Füße. //Wieso...?//, meine Gedanken verfingen sich in der Vergangenheit, als sein Gesicht sich dem meinem näherte. „Ewigkeit...“, wiederholte er ein letztes Mal, sodass sich Vergangenes mit Gegenwärtigem mischte, ineinander verstrickte und so verzerrte, veränderte Bilder vor meinem inneren Auge flackerten „E-E-...“, ich versuchte zu sprechen, doch es kam nur ein heiseres stottern heraus. Ich ballte meine andere Hand zu einer Faust, presste sie an mein Herz, während unser Lippen leicht berührten. Er zuckt zurück, als ich mich bewege, nähert sich mir dann aber wieder um mich erneut zu küssen. Die Dunkelheit umschloss uns, genauso wie die Stille. Niemand würde mich je finden, wenn er es nicht wollte...niemand würde mich je befreien....wenn er es nicht wollte. Ich begann zu weinen. In mir schien alles zerfetzt zu werden, jede Erinnerung, jeder Wunsch, jede Sehnsucht. Ich krallte mich mit einer Hand in sein Hemd. Mein Blut lief die Wand hinunter, meine Tränen mein Gesicht. Seine Hand strich über meine Wunde, seine Blut vermengte sich mit meinem. Unsere Tränen wurden eins, unsere stummen Schreie stiegen gemeinsam in die eiskalte, schwarze Nacht hinauf während er mich küsste...


Ich war noch sehr jung gewesen, als meine Mutter starb. Ich hatte neben ihr gesessen, während sie verendete, hatte ihr direkt in die Augen gesehen. Ich sah, wie ihr Blick verschwamm, glasig wurde. Tage, Wochen, Monate, Jahre danach, projizierte mein Kopf diesen Blick in die Augen meines Vaters, meines Bruders. Ewige Angst hatte mich dazu gebracht, mich in meinem Zimmer einzusperren...mein Leben lang. Ich war nie herausgekommen, nicht mal zum essen. Mein Vater musste mich 13 Jahre lang in meinem Zimmer zwangsernähren und mich dort unterrichten. Ich hatte nie Freunde, oder etwas ähnliches, legte es aber auch nie darauf an. Wenn jemand Interesse an mir zeigte, mich anrief oder mich besuchte, strafte ich ihn mit schweigen und Ignoranz. Irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, mit jemandem zu reden, oder jemanden zu mögen. Die einzigen, die je meine Stimme gehört hatten, waren mein Vater, meine Mutter und mein Bruder. Die einzige Person, die mich je berührt hatte, war mein Bruder. Mein Vater hatte nach dem Tod meiner Mutter oft versucht mich in den Arm zu nehmen, mich zu küssen, mich zu streicheln um mich zu trösten, doch ich lies es nicht zu, dass er mich auch nur anfasste. Mein großer Bruder war der einzige, der mich berühren durfte...
Ich war mein Leben lang von der Außenwelt abgeschnitten, hatte seit dem Tot meiner Mutter nie mehr auch nur einen Fuß aus dem Haus gesetzt. Schwarze, dicke Vorhänge verdeckten seit Jahren meine Fenster, ließen nur vereinzelte Sonnenstrahlen hindurch. Meine Haut war nicht mehr einfach nur bleich, sie war weiß. Mein blondes Haar war lang, da ich es nicht schnitt. In dem kleinen Dorf, in dem das Haus stand indem ich lebte, erzählte man schon seit Jahren, ich wäre Tot und die Meisten...Alle glaubten das auch, eigentlich existierte ich nicht mehr. Nur meine Familie wusste, dass es mich gab. Ich war wie ein Geheimnis, das sich selbst versteckte, da es zu skurril war um wirklich zu erscheinen . Doch selbst das best gehüteteste Geheimnis wird einmal aufgedeckt...

Mein Bruder klopfte an meiner Tür. „Shin?“, er öffnete sie einen Spalt, trat ein und schloss sie leise wieder. Ich kauerte wie immer in einer Ecke meines fast leeren Zimmers und starrte auf die Tür. Er kam zu mir und setzte sich neben mich. „Shin?“, fragte er erneut, als ich auch nach zehn Minuten immer noch auf die Tür starrte. „Wer ist da?“, meine Stimme war leise, nur ein leiser Hauch, um die fremden Stimmen von unten weiter belauschen zu können, denn das war das einzige, was ich den Tag und die Nacht über tat, das Leben meines Vaters zu belauschen. Nach 13 Jahren des Lauschens und des Schweigens waren meine Ohren sehr empfindlich geworden, meine Stimme sehr leise. „...die Neue unseres Vaters...“, er antwortete stockend. Ich zuckte zusammen, verkrampfte mich. //Wie kann er nur? Er ist immer noch mit unserer Mutter verheiratet...//, sofort verspürte ich wieder diesen Hass auf diese Person, die noch nicht einmal wusste, dass ich existierte...die noch nicht einmal wusste, was für ein Geheimnis ihr Lover im hintersten Zimmer des oberen Stockwerks nährte „Dachte ich mir doch, dass ich ihre Stimme kenne...“, ich wand meinen Blick ab und sah ihn an. „...sie weiß noch nicht, dass es mich gibt...“
„Bist du dir sicher?“, er streichelte sanft meinen Rücken um mich zu beruhigen, als er meine verkrampften Hände sah.
„Ja...“, ich schob seine Hand weg. „Ganz sicher...“ Er sah mich eine Zeitlang schweigend an. „Willst du, dass sie dich kennt?“, fragte er dann vorsichtig. „Ich will, dass sie verschwindet...“, zischte ich und ich spürte fast, wie meine Augen vor Wut blitzten. Ich wollte keine neue Mutter...niemals. Hoshima blieb für immer meine Mutter, die EINZIGE. Und die Liebe meines Vaters, gehört nur ihr, niemand anderes hatte sie verdient und niemand anderes würde sie je bekommen, dafür würde ich sorgen.
Mein Bruder strich mir noch einmal durch die Haare, drückte mich an sich und stand dann auf um hinunter zu gehen. Ich hörte wie sich seine Schritte entfernten. Von unten hörte ich, wie er von meinem Vater und dieser Schlampe begrüßt wurde. Sie redeten kurz, dann hörte ich die Stimme meines Bruders, Rem, fragen: „Ich glaub Deidara hat Hunger, wollen wir ihm etwas bringen?“, dann Stille. Genau, wie ich es mir Gedacht hatte. Mein Vater wollte ihr nichts von mir erzählen. Ich knurrte leise, stand dann auf, riss meinen Block heraus, nahm mir einen Stift, setzte mich in das wenige Licht, das in den Raum fiel und begann zu zeichnen. Von unten schalte Stimmengewirr nach oben, doch ich blendete es aus. Für ein paar Sekunden, war ich komplett in mein Bild vertieft, fasziniert, wie schnell aus den einzelnen, wirren Strichen ein Bild wurde. Wie ein Irrer in seinem Wahn vertiefte ich mich in die Zeichnung, hörte nichts mehr, sah nichts mehr außer den Stift, wie er langsam das Gesicht eines Jungen formte. Er starrte gerade aus ins Nichts. Seine Augen hatten diesen glasigen Blick, der sich für immer in meinem Kopf festgebissen hatte.
Klopfen.
Ich blendete es aus, zeichnete weiter.
Klopfen.
Ich wurde aus meinem Wahn gerissen, zurück in die Realität. Mein Blickt suchte die Tür, fand sie, haftete sich daran. Besagte Tür ging langsam auf und mein Vater, mein Bruder und eine junge Frau betraten den Raum. Ich saß einfach weiter mit angezogenen Beinen vor dem wenigen Licht, dass in mein Zimmer viel und starrte diese Schlampe an, die wiederum entsetzt mich anstarrte. „D-Das ist dein anderer Sohn?“, sie schluckte. Mein Vater nickte stumm. Ich bewegte mich keinen Zentimeter, lies meinen Blick nicht von diesem billigen Flittchen weichen, dass nun die Liebe bekam, die eigentlich meiner Mutter gehörte. „Hallo.“, sie versuchte zu lächeln, kam auf mich zu und hielt mir ihre Hand hin. „Mein Name ist Kaori.“, ich starrte sie an. Sagte nichts, bewegte mich nicht, starrte sie nur an. Sie schien auf eine Reaktion von mir zu warten, doch sie wartete vergeblich. Nach ein paar Sekunden schlug all meine Wut gegen sie in Verzweiflung und Trauer um. Nun schien es Offiziell, Hoshima, meine MUTTER, war endgültig tot. Und nun wurde sie auch noch durch so ne dumme Schlampe ersetzt. Sie wurde einfach verdrängt, als hätte es sie nie gegeben. Genauso, wie mein Vater versucht, mich zu verdrängen. Doch mich konnte er nicht völlig ausblenden, denn ich lebte noch.
Tränen rannen meine Wangen herunter, ich lies den Stift fallen, warf den Block von mir weg, vergrub mein Gesicht in den nun freien Händen und lies der Verzweiflung ihren Lauf. Ich schluchzte, wimmerte. Ich hörte, wie mein Bruder das Tablett mit dem Essen für mich abstellte und zu mir kam. Ich spürte wie er seinen Arm um mich legte, mich zu sich zog und in die Arme schloss. Ich schluchzte noch mehr, krallte mich in seine Hand, so fest, dass er vor Schmerz zusammenzuckte. Trotz des Schmerzes zog er seine Hand nicht weg. Ich vergrub meinen Kopf in seinem Hemd und krallte mich mit meiner anderen Hand in dem dunkelblauen Stoff fest. „Tot...“, flüsterte ich leise. Meine Stimme war wegen meinem Schluchzen nur schwer zu verstehen. „Sie ist tot...“, vor mir sah ich die zuckende Hand meiner Mutter, wie das Fleisch vom Knochen fiel. Ich hörte sie schreien, sah, wie sie sich wand. Und ich stand nur da und hatte zugesehen, wie sie sich vor Schmerzen gewunden hatte. Meine Gedanken rannten, wie ein Marathonläufer, im Kreis. Das Schreien, das Zucken, das Erschlaffen ihrer Gliedmaßen, wieder das Schreien. Zu ihrer Stimme mischte sich meine. Ich schrie ebenfalls. Für ein paar Sekunden, begriff ich nicht mal, dass ich wirklich angefangen hatte zu schreien, doch als ich es bemerkte war es mir auch schon egal. Ich schrie so laut ich konnte den Namen meiner verstorbenen Mutter, immer und immer wieder. Plötzlich viel mir auf, wie sehr mich der Tot meiner Mutter eigentlich geschädigt hatte. Plötzlich viel mir auf, was ich all die Jahre über in mir eingeschlossen hatte... Damals, an ihrer Beerdigung, hatte ich nicht geweint...ich hatte nur dagestanden und auf ihr Grab gestarrt.
Eine dritte Hand strich mir über den Rücken, die Hand meines Vaters. Er schien neben mir zu knien. Seine Neue stand anscheinend immer noch reglos da und starrte mich an, wie ich mich in die Hand meines Bruders krallte, so fest, dass sie blutete, wie ich mich in ihn krallte und den Namen meiner Mutter schrie, den Namen meiner Mutter, die schon vor dreizehn Jahren gestorben war...

Seit diesem Tag kam mein Vater täglich zu mir nach oben. Trotzdem hatte ich weiterhin das Gefühl, dass er mich verdrängte, wie eine Tatsache, die zu schmerzhaft ist, um sie zu verkraften.
Ich wurde vom Läuten des Telefons geweckt. Ich sah auf die Uhr. Es war erst ein Uhr morgens. Womöglich war es die Schlampe meines Vaters, die einfach nur Lust auf Telefonsex hatte oder es war irgendein Freund meines Bruders. Ich hörte die Schritte Rem´s der zum Telefon schlich. Auch sein müdes `Hallo` vernahm ich. Dann war es Still. Er wiederholte ungläubig etwas, das ähnlich wie mein Name klang. Es folgte ein ´ok`, dann nährten sich seine Schritte meinem Zimmer. Als die Tür aufging sah ich ihn erstaunt an. „Shin, es ist für dich...“, er hielt mir das Telefon hin. Ich nahm schweigend den Hörer und murmelte ein verschlafenes `ja?` vor mich hin. Mein Bruder verlies das Zimmer wieder und schloss dir Tür.
Von der anderen Seite der Leitung, kam erst Stille. „Sh...in...“, die Stimme klang erschöpft irgendwie...krank. „Hab...ich...dich...ge...weckt?“, es war unglaublich unangenehm diesen geröchelten Wörtern zuzuhören. Sie hatten etwas...etwas Kriechendes an sich.
Für ein paar Sekunden hatte ich zu viel Angst um zu antworten, bekam dann allerdings doch ein leises „Ja...“, heraus. Dann war es plötzlich totenstill am anderen Ende. Ich wartete, doch auch nach Minuten der Stille, die meine Nerven zerfetzten und mich schier wahnsinnig vor Angst machten, kam kein Geräusch. „Hallo?“, flüsterte ich leise. Ich zuckte zurück, als ein Schrei sich in mein Ohr bohrte. Der Schrei war gefolgt von leisem röcheln, einem Schuss und erneuter Stille. Ich erstarrte zu einem vollkommenen Eisblock. Der Schrei hallte in meinem Kopf hin und her, wollte einfach nicht verklingen. Vergangenes überflutete Gegenwärtiges. Ich war wieder drei Jahre alt, saß vor dem Bett meiner Mutter, hörte sie schreien. Ich verkrampfte mich, krallte meine Fingernägel in mein Bein um mich mit Schmerz vor der Trauer zu retten. „Sh...in...“, hauchte die Stimme wieder und riss mich so gewaltsam zurück in die Gegenwart, vertrieb die Vergangenheit und die Trauer, schaffte so Platzt für Angst. „Ja...“, meine Stimme war nicht mehr als ein leises Wispern, doch lauter zu sprechen traute ich mich nicht. Ein rasselndes Atmen war meine einzige Antwort, bevor er, wer auch immer es gewesen war, auflegte.
Ich starrte einfach weiter geradeaus in die Dunkelheit in der sich langsam die Schatten meiner Gedanken zu Formen verwandelten, Gestalt annahmen, sich zu Albträumen entwickelten, so irreal, dass man nur wissen konnte, dass sie real waren. Und diese Träume schlossen mich langsam in den Arm. Ich fühlte, wie sie mich ins Bett drückten und mich übermannten. Ich bildete mir ein ihr leises Kichern zu hören, als sie in meinen Kopf schlichen und all das, was ich mir Jahre lang eingebildet hatte mit alledem zu verknüpfen was wirklich geschehen ist, um die Realität neu zu erschaffen.

Leise, schleichende Schritte. Sie kommen langsam, ganz langsam näher. Ich kauere in der Ecke eines dunklen Raumes mit steinernen Wänden. Meine Knie habe ich nah an den Körper gezogen, meine Arme um den Körper geschlungen. Ich zittere, zur Hälfte vor Kälte zur Hälfte vor Angst. Die Schritte kommen immer näher. Mein Herz rast, als ich höre wie sich der Schlüssel im Schloss umdreht. Ich presse mich näher an die eiskalte Wand, kneife die Augen zusammen, als die Tür aufschwingt. Sie schließt sich wieder. Nochmehr Schritte. Eine Hand, die meine umschließt und sie sanft zusammen drückt, eine andere unter meinem Kinn die mich dazu zwingt den Kopf etwas zu heben. Fremde Lippen auf den Meinen, eine fremde Zunge in meinem Mund. Süßer, fremder Geruch, der mir unglaublich bekannt vorkommt...


Ich schlug die Augen auf, saß kerzengerade in meinem Bett. Ich war schweißgebadet, zitterte am ganzen Körper. Dieser Traum war so verdammt real...ich konnte seine Lippen immer noch auf den meinen spüren, genauso wie die kalte Steinwand in meinem Rücken. Ich roch noch immer diesen süßlichen Geruch nach dem sich mein Körper zu sehnen schien.
Ich sah mich in meinem Zimmer um. Es war anscheinend schon morgens, da ich Vogelgesang hören konnte. Mir fiel auf, dass das Telefon immer noch neben mir lag. Etwas verwundert betrachtete ich es eine Weile, fast schon fasziniert darüber, dass ich es nicht vom Bett gestoßen hatte, wie ich es sonst immer machte. Nach einer Weile legte ich es auf das dunkelblaue Nachtkästchen neben meinem schwarz gestrichenen Bett. Ich stand auf um duschen zu gehen.
Das warme Wasser lies meine so verkrampften Muskeln etwas entspannen. Doch nicht mal nachdem ich knapp eine halbe Stunde lang unter der Dusche gestanden hatte ging mir dieser Geruch aus dem Kopf.
Das Wasser verstummte, ich wickelte mir ein Tuch um die Hüften und trat dann zurück in mein Zimmer, legte mich dort auf mein Bett und wartete. Ich lag zwei Stunden da, ohne mich zu regen, starrte einfach weiter auf die weiße Decke von der Stellenweise die Farbe blätterte. Ich hatte keine Ahnung worauf genau ich wartete, aber mein Körper befahl es mir, mein Kopf sagte mir ich sollte es tun. Und deshalb wartete ich. Doch, wenn man nicht weiß worauf man wartet, kann das worauf man wartet nicht kommen. Selbst nach der dritten Stunde, die mir vorkamen wie ewige Jahre, war meine Erwartung nicht erfüllt. Mein Kopf wollte anscheinend einfach nicht verstehen, dass es nichts gab, worauf ich warten musste.
Das Klopfen riss mich aus meinen Gedanken über meine unerklärliche Erwartung. Für ein paar Sekunden musste ich wieder an meinen Traum denken, an diesen süßen Duft, an die kalte Steinwand, an die Wärme des fremden Mannes. Eiskalte Schauer gefolgt von erbarmungsloser Angst durchzuckten meinen Körper, als eine Gestalt in den Raum trat, die ich nicht erkannte. Schatten hatte sich über das Gesicht gelegte, verdeckten es vollständig. Die Haare schimmerten braunrot im Tageslicht, die Gestalt wirkte mager.
Doch, als der Schatten, der aus meinem Traum herausgeschlüpft zu seien schien, in das wenige Licht trat, erkannte ich, dass es nur mein Bruder wurde. Seine Haare schimmerten wieder blauschwarz im Morgenrot, seine schönen, treuen, eisblauen Augen blickten mich etwas besorgt an. Selbst seine gut gebaute Gestallt hatte er wieder. „Shin…ist alles in Ordnung?“, er stellte das Tablett mit meinem Essen neben das Telefon auf mein Nachtkästchen. „Ja…“, ich senkte den Kopf. „Alles…in Ordnung.“, ich wurde überfallen von unerklärlicher Enttäuschung, seufzte leise. „Wirklich?“, er setzte sich neben mich. „Ja, wirklich.“, ich sah ihn an und versuchte zu lächeln. Nicht einmal jetzt konnte ich den süßen Geruch vergessen.
Seine Hand strich sanft durch mein dünnes, blondes Haar. Ich sah ihn mit den Augen an, die so ziemlich das einzige wahren, das zeigte, dass wir Brüder waren. Wir hatten beide die Augen unserer Mutter: eisblau. Er hatte die Haare unseres Vaters, ich die unserer Urgroßmutter.
Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss für ein paar Minuten die Augen. Vor mir sah ich diesen Raum, der einfach zu real schien um einfach nur ein Traum zu sein. Er schien wie eine böse Vorahnung. Wenn nicht sogar etwas schlimmeres. Er war nicht einfach nur ein Objekt aus meinem Traum…nein…es gab ihn wirklich, da war ich mir sicher. Irgendwo da draußen in irgendeinem Haus lag dieser schrecklich Raum mit diesem schrecklichen Schloss, dessen Schlüssel dieser seltsame Mann hatte, der diesen süßen Duft verbreitete, dieser Mann auf den mein Körper voll Angst, voll Vorfreude zu erwarten schien. Einzig und allein mein Kopf sagte mir, dass es ihn nicht gab, dass er einfach nur eine Traumgestalt war, nur ein Schatten meiner Einbildung. Nichts weiter als ein Schatten…
„Shin?“, mal wieder war die Stimme meines Bruders das Tor zu Wirklichkeit. „Ja?“, ich öffnete die Augen, der Raum, die Schlüssel, der Duft, der Schatten, all das verschwand mit einemmal. Zuckersüßes Vergessen begann sich vorsichtig auf diesen Traum zu legen und ihn einzuschließen. „Willst du etwas essen? Ich hab dir etwas Müsli mitgebracht.“, er zeigte auf das Tablett, auf dem tatsächlich eine kleine, hellgrüne Schüssel stand, daneben ein gläserner Behälter, gefüllt mit Milch. Ich nickte stumm, schüttete die Milch auf die Cornflakes und begann ein wenig zu essen. „Willst die allein sein?“, fragte Rem leise, als ich nach einer ganzen Weile nichts gesagt hatte. Panisch schüttelte ich den Kopf. „Nein.“, antwortete ich schnell. Ich stellte die geleerte Schüssel wieder auf das rote Tablett. „Ok…“, er streichelte beruhigend meinen Rücken.

Am Mittag kam Kaori zu besuch. Sie kam zu mir nach oben, aus welchem Grund auch immer. Sie redete ziemlich viel, doch ich beachtete sie nicht. Meine Gedanken waren bei meiner Mutter.
Dieses Zucken…es ging mir nicht mehr aus dem Kopf, ähnlich wie ihr Schreien. Doch dieses Zucken schien mich zu verfolgen. Wenn mein Bruder nervös war, oder Angst hatte, dann zitterte er. Ich allerdings zitterte nur bei Kälte. Wenn ich nervös war, oder Angst hatte, dann zuckte ich. Ich zuckte, wie meine Mutter gezuckt hatte, bevor ihre Gliedmaßen erschlafft waren. Sie war ihr Leben lang Lebrahkrank gewesen. Jedenfalls hatten die Ärzte mir das gesagt. Genau an ihrem dreißigsten Geburtstag war die Krankheit schlimmer geworden. Die Ärzte hatten sogar gesagt, sie wäre der schlimmste Fall, den sie je hatten. Ihre Beine bestanden kurz vor ihrem Tot fast nur noch aus Sehnen, Gewebe und Knochen. Wieso genau sie gestorben war, hatte man mir nie gesagt. Ein paar Jahre später hatte ich erfahren, dass Lebrah mit Antibiotika zu heilen war. Doch, ich erinnerte mich noch genau daran, dass die Antibiotika bei ihr nicht gewirkt hatten, alles nur noch schlimmer gemacht hatten. Ihre Beerdigung kam mir in den Sinn, nistete sich dort ein…wie ich damals da gestanden hatte, noch nicht wirklich realisieren konnte, dass sie wirklich tot war. Damals hatte ich es verdrängt, dass sie nie wieder kommen würde, ich hatte sie verdrängt, wie meine Vater nun mich zu verdrängen versuchte, doch man kann einen geliebten Menschen nicht ewig verdrängen, deshalb war ich bis heute nicht über ihren Tot hinweggekommen. Ich hatte ihr Grab nach ihrer Beerdigung kein einziges Mal besucht, ich wusste nicht einmal, wo sie begraben war und wie ihr Grabstein aussah hatte ich schon vor langer Zeit vergessen…
„…neue Mutter.“, diese Worte krallten sich in mein Gehirn, machten es unmöglich, diese nervige Stimme zu ignorieren und meinen Gedanken weiter nachzurennen. „Was??“, ich musste mich verhört haben. Mein Kopf schnellte in ihre Richtung, mein Blick klammerte sich an sie. „Ich meine nur, du könntest wenigstens versuchen, mich ein wenig zu mögen, immerhin bin ich deine neue Mutter.“, wiederholte sie. Sie bewegte ihre Lippen weiter, doch ihr Gesagtes drang nicht an mein Ohr, wurde von meinem Gehirn nicht realisiert. In mir hallten diese zwei Wörter wieder `neue Mutter´. Eine Träne rann mir über die Wange. „…so etwas wie eine neue Mutter gibt es nicht…“, flüsterte ich leise. Ihre Lippen verstummten. „…du bist nicht meine Mutter…“, meine Stimme zitterte leicht, war aber dennoch eiskalt. „…du bist…Nichts…“, die Worte flossen aus meinem Mund, wie Wasser einen Fluss entlang. Wie von weit her hörte ich meine Stimme. Sie klang verändert, dennoch wusste ich ganz genau, dass sie zu mir gehörte. Denn, jeder einzelne Buchstabe, der meine Kehle verlies, war eine unglaublich Erleichterung. „…du bist gar Nichts…“, wiederholte ich. Ich starrte sie immer noch an. Sie sagte plötzlich kein Wort mehr. Meine Finger wischten etwas Nasses aus meinem Gesicht. Es war keine Träne, es war viel mehr ein Ausdruck meines Widerspruches, meiner Ablehnung dieser Frau, die niemals irgendeine Bedeutung für mich haben würde.
Kaori sah mich an. Ihre hundebraunen Augen blickten tief in die meinen, die so blau und klar waren, wie die endlos tiefen Eisbäche, die meine Mutter in ihren Augen getragen hatte. Eine Träne rann aus ihren Augen. Doch, für mich schimmerte sie nicht, sie glänzte nicht silbern, wie die meines Bruders, schimmerten nicht leicht golden wie die meines Vaters. Sie war irgendwie matt, gefühllos, falsch, unbedeutend. Schweigend stand sie auf, schluchzte leise und verlies mein Zimmer. Ich sah ihr hinterher. Die Wut in mir war verpufft. Ich freute mich über ihre Tränen, über ihren inneren Schmerz. Sie hatte es nicht anders verdient. All das, was sie bekam stahl sie meiner Mutter. Sie raubte ihr den Mann, seine Liebe, das Haus, ja, sie versuchte sogar ihr die Kinder wegzunehmen. Doch Diebe verdienen keine Bestätigung in ihren Fehlern. Sie war nicht meine Mutter. Sie hatte mir nicht mein Leben geschenkt. Sie war irgendeine Frau, irgendeine x-beliebige, die draußen auf der Straße herumlief. Meine Mutter war etwas Besonderes gewesen. Ihre Seeaugen, ihre Mondsilbernen Haare, ihre dünne, zerbrechlich wirkende Haut. Sie war wie ein Traum gewesen. Zu schön um Wahr zu sein. Man hatte Angst gehabt, dass sie zerbricht, wenn man sie berührt.
Kaori, war nichts von alle dem. Sie war nicht besonders hübsch, hatte nichts Besonderes an sich. Sie gehörte zu Masse. Ihre Augen strahlten nichts aus, man hätte sie übersehen können. Sie war Nichts…sie war gar Nichts…
Von unten hörte ich meinen Vater ihren Namen rufen, dann wie die Haustür aufging und wieder geschlossen wurde. Kaori war gegangen, vielleicht sogar für immer. Ich lächelte.
In mir machte sich teuflische Zufriedenheit breit, doch nicht einmal dieses dämonische Gefühl konnte meine Erwartung übertönen, dieses seltsame Gefühl, warten zu müsse, auf wen auch immer...
Vier Tage verstrichen, doch das Gefühl wich nicht aus meinem Herzen. Ich hatte sogar begonnen, die Nacht über aus dem Fenster zu spähen. Ich lies meinen Blick durch den kleinen Wald streifen, der sich neben unserem Haus erstreckte. Er war klein, dennoch schien er sich bis an das Ende der Welt zu erstrecken. Sein endloses Grün schien sich in der Ferne mit dem Himmel zu vereinen. Meine Augen suchte im wenigen Mondlicht nach einer Gestallt, doch sie fanden nie etwas. Das Seltsamste war, dass ich eigentlich panische Angst davor hatte, dass mein Blick jemanden treffen würde...jemanden mit braunroten Haaren, einer abgemagerten Gestalt...doch meine Angst war unberechtigt. Vier Tage lang sah ich niemanden den ich nicht kannte. Am Anfang des fünften Tages, wurden die Augen meiner Mutter, welche mein Gesicht zierten, von dunklen Ringen untermalt. Denn, sobald ich die Augen schloss, sah ich ihn vor mir, spürte die eiskalte Wand an meinem Rücken, roch seinen süßen Duft. Ich hatte es bis heute nur ein paar mal fertig gebracht, mich vom Schlaf in den Arm schließen zu lassen. Doch mit ihm kamen auch all die Schatten, die meinen Verstand allmählich zerrissen. Langsam überkam mich die Angst wahnsinnig zu werden. Ich war mir nur nicht sicher, ob man vor Angst verrückt werden konnte...Einzig und Allein mein Bruder half mir dabei, meinen Verstand zu behalten. Er kam immer öfter zu mir nach oben, hatte sogar einmal die ganze Nacht schweigend neben mir gesessen und mit mir nach draußen gesehen. Mein Vater kam nur ab und zu, doch wenn er kam, blieb er eine ganze Weile bei mir. Wir sagte kein Wort, aber die Anwesenheit des anderen war angenehm, entspannte mich einwenig. Doch, am Morgen, der wohl der letzte meines Verstandes war, sah ich ihn. Es war vielleicht drei Uhr morgens, doch da es Sommer war, tötete die Sonne jetzt schon die Nacht und das Blut des Mondes färbte den Himmel bereits rot. Er verhüllte seinen mageren Körper mit einem langen, schwarzen Mantel, der im Atem des Morgens flatterte, wie tausend zerfetzte Flügel, seine Haare wurden bedeckt von einer Kapuze. Dennoch konnte ich sein braunroten Haare im Morgenblut sehen, welches auf ihn herabzutropfen schien, ihn noch mehr wie einen Traum wirken lies. Mein Herz machte einen Sprung vor Freude, doch, als es wieder auf dem Boden aufkam, schlug es sich Wund an den Steinen der Angst, die meinen Sinn bedeckten. Er hob den Kopf, er schien in mein Fenster, in mich hinein zu schauen, mit Augen, brauner als jeder Ast. Ich wich vom Fenster zurück. Für ein paar Sekunden hatte ich das Gefühl, der Boden unter mir wäre verschwunden, ich würde in ein schwarzes Loch fallen. Doch, ich klammerte mich schnell an dem Seil fest, welches sich Realität nannte, und zog mich daran wieder zurück. Ich sah wieder zum Fenster hinaus, doch er stand nicht mehr dort. Hatte ich mir diesen Schatten nur eingebildet, war er das Zeichen dafür, dass ich den Verstand verloren hatte? ...oder...war...er... Nicht einmal das Wort zu denken traute ich mich. Es war einfach ein zu mächtiges Wort in diesem Zusammenhang. Er war nur ein Traum, nicht mehr! Er war falsch, nicht echt...er war eine Ausgeburt der Schatten, die verblasste, wenn sie ins Licht trat. Er konnte einfach nicht... „Real sein...“, ich zuckte zurück, wollte schreien, konnte es aber nicht. Ich wirbelte herum. Hinter mir stand...niemand. Doch die Wörter hallten immer noch durch mein Zimmer. Stießen sich von den Wänden ab, immer und immer wieder, wurden immer lauter. Sie erstarben urplötzlich. Ich stand immer noch da und starrte auf die Tür, wich zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spürte, damit nichts hinter mir sein konnte. Ich wartete...diese mal, mit einem Grund. Ich hörte Schritte...Schritte die immernäher kamen...näher und näher...
Ein Kratzen...etwas kratzte an meiner Tür. Besser gesagt...er kratzte an meiner Tür... ich glitt langsam an der Wand herunter, kauerte mich auf dem Boden zu einem kleinen, zuckenden Häufchen, kniff die Augen ganz fest zusammen um nichts sehen zu müssen, presste mir die Hände an die Ohren um nichts hören zu müssen...vergeblich...Ich hörte, sein Kratzen an der Tür, das einfach nicht ersterben wollte, wie ein Hund der halbverhungert vor der Haustür sitzt und nach hause will...nach hause...zu mir...ich drückte meine Ohren noch fester zu, doch nicht einmal das verhinderte, dass ich hörte, wie sich die Tür langsam öffnete. Ich sah auf, starrte auf die Tür, die langsam, ganz langsam aufschwang. Mein Gehirn war gelähmt vor Angst, ich wusste nicht was ich tun sollte... „GEH WEG!!!“, meine Stimme hallte durch die Hausgänge, schien sich draußen in der Nacht zu verfangen. „DU BIST NICHT REAL!!!“, ich schrie lauter als ich je geschrieen hatte. Tränen der Angst liefen meine Wangen herunter. „DU BIST NICHT REAL!!!!“

Ende von Kapitel 1


Nach einer ganzen Ewigkeit hörte das schreckliche Kratzen auf, doch mein Schreien verstummte nicht. Ich schrie nach meinem Bruder, nach meinem Vater, ja sogar nach meiner Mutter. Doch niemand hörte mich. Egal, wie laut ich auch schrie, keiner von ihnen hörte mich…
Irgendwann war meine Stimme nur noch ein leises Röcheln, so heiser hatte ich sie geschrieen. Mein Herz hämmerte, meine Gedanken rasten hin und her. Adrenalin schoss durch meine Adern, überholte mein Blut und kam vor den klaren Gedanken in meinem Gehirn an. Mein gesamter Körper zitterte, mein Atem war nicht mehr als ein leises Krächzten, klang wie ein sterbender Rabe. Ich legte meinen Kopf auf meinen Knien ab, schluchzte leise. Die Tür öffnete sich, leise quietschend. Ich biss mir so fest auf die Unterlippe, dass ich etwas von meinem Blut schmecken konnte. Jemand trat in meine Zimmer. Ich verkrampfte mich so sehr, dass meine Adern aus meiner weißen Haut hervortraten. Ich hörte leise Schritte die auf mich zukamen. Ich starrte einfach nur auf meinen Unterkörper, zog mich noch mehr zusammen. Die angst lähmte meinen Verstand, dass Adrenalin meine Gedanken.
Er schien wenige Meter vor mir stehen zu bleiben, aufblicken konnte ich nicht.

Es war nichts geschehen…absolut nichts. Als ich meinen Kopf nach einer halben Ewigkeit hob, um in das Gesicht des Schattens zu sehen, welcher der meine zu sein schien, sah ich nichts. Nur den dunklen Raum, welcher mein Zimmer war. Ich sah nur die zahllosen Bilder die die ehemals weiße Wand überdeckten, sah nur das graue Sofa, nur den dunklen, hohen Schrank. Ich stand, immer noch zitternd, auf. Langsam, vorsichtig ging ich auf die Stelle zu, wo er hätte stehen müssen, griff nach der Leere. Doch, da war nichts. Nur der kalte Nachtwind leistet mir Gesellschaft. Erleichtert atmete ich aus. Doch mein Ausatmen klang auf eine Art und Weise auch wie ein Seufzen. Ein geradezu enttäuschtes Seufzen.
Ich ging zu meiner Tür und betrachtete sie genauer. Sie schien nie geöffnet worden zu sein. Das unsichtbare Siegel, war unberührt. Etwas nervös sah ich mich in meinem Zimmer um. Das Bett aus schwarz gefärbtem Holz, das dunkelblaue Nachtkästchen, der dunkle Schrank an der rechten Wand meines Zimmers, der zweite an der linken Wand. Mein Zeichenblock, meine Bleistifte auf dem dunkelblauen Teppich verteilt. Die Bilder an meiner Wand. Nichts war geschehen. Von draußen prasselte der Regen gegen meine geschlossenes, von dunklen Vorhängen verhangenes Fenster. Ich schob den schwarzen Stoff weg und sah nach draußen. Der Wind peitschte durch die Blätter des Waldes, stieß die Wipfel hin und her wie es ihm gefiel. Die Regentropfen schossen auf die Erde herab, so schnell, dass man Angst hatte, sie könnten einem den Kopf zerschlagen, wenn man nach draußen ging. Ich blickte nach links, in Richtung Dorf. Die Lichter blinkten mir fröhlich zu. Doch ich wusste, dass sie nicht mir blinkte, sondern nur meinem Bruder. Nicht mir…denn ich existierte nicht. Ich wand den Blick ab, zog die Vorhänge zu und betrachtete eines meiner Bilder. Es bildete den Ausblick aus meinem Fenster ab. Der Wald erstreckte sich von der Hälfte des Bilder bis zum hinteren Rand, man sah Teile meines Fensterbrettes, meine Hand und Stück des Vorhanges. Ich wusste nicht mehr, wann ich es gezeichnet hatte, deshalb las ich das Datum, welches ich immer an den unteren Rand schrieb: 27.10.2006. Vor knapp vier Jahren hatte ich es also vollendet. Ich betrachtete es noch einmal und wollte mich dann schon wieder umdrehen, doch da viel mir eine Person auf. Ich sah mir das Bild genauer an, wich dann zurück. Ein leiser, heiserer Schrei entglitt meinen zusammen gepressten Lippen. Tränen füllten meine weit geöffneten Augen. Ich wirbelte herum, betrachtete meine anderen Bilder. Das eine zeigte ein altes Haus, umgeben von Wald. Datum: 14.4.2007. Auf dem anderen ein Tunnel, in dem ich, als kleines Kind dargestellt, kauerte. Datum: 03.01.2005 Das Bild eines Teiches auf denen Seerosen schwammen, ich blickte mit starrem Blick hinein. Datum 16.04.2008
23.12.2008 24.05.2007 25.05.2007
Überall…
Meine Finger zuckten so stark, das mein ganzer Arm bebte. Ich rannte durch mein Zimmer, schreiend, weinend, zuckend. Ich riss die Tür auf, wollte nur noch raus aus diesem Zimmer, welches von Dämonen und Schatten eingenommen war, welches früher mein Gefängnis gewesen war und nun schloss es meine Ängste in sich ein.
Doch, als ich in die Arme der Nacht fliehen wollte, mich von ihr verschlucken lassen wollte, rannte ich direkt in meinem Bruder hinein. „Deidara? Um Himmels Willen, was ist passiert?“, er hielt mich an der Schulter fest, sah mich mehr als nur geschockt an. Ich brachte nur ein heiseres Krächzen heraus. Meine Beine wurden plötzlich weich, konnten mein Gewicht nicht mehr tragen, ließen mich zu Boden gehen. Ich kniete auf dem hellen Holzboden, starrte auf das Licht von Rem´s Taschenlampe, welches auf sich auf dem Boden spiegelte und kleine Figuren zeichnete. „Herr Gott, was ist denn los?“, Rem kniete sich neben mich, hob meinen Kopf hoch damit ich ihn ansah. „D-Die Bilder…“, die Aussprache der Wörter war so schwer, als wären sie auf einer anderen Sprache, mit Lauten, zu der meine Zunge nicht fähig war, sie zu bilden. „Was ist ihnen? Was ist mit ihnen?“, fragte mich mein Bruder immer wieder, doch ihm eine Antwort zu geben, war einfach zu schwer. Ich deutete nur mit einem meiner zuckenden Finger auf eines der vielen Gemälde, welche vor so vielen Jahren vollendet wurden.
Mein Bruder ging zögernd auf eines der Bilder zu, besah es sich genauer. Er hatte jede meiner Zeichnungen schon so oft gesehen, kannte jede Einzelne haargenau.
Er betrachtete das Bild eine ganze Weile, drehte sich dann Verständnislos zu mir um. „Was ist denn mit den Bildern?“, er sah mich verwirrt an. In mir verkrampfte sich alles. Mein Herz wurde zusammen gepresst, meinem Hirn wurde Blut entzogen und ich musste mich auf dem stützen, um nicht umzufallen. „A-aber…da ist…dieser Mann“, stotterte ich, mehr zu mir gewand als zu meinem Bruder. „…du meinst diesen Rothaarigen?“, mein Bruder sah mein Bild wieder an. „ROTHAARIG? Woher weißt du, dass er rothaarig ist?“, ich starrte ihn fassungslos an. Meine Augen waren rot geschwollen, meine Tränen hatten lange, schimmernde Spuren hinterlassen, und dennoch wollten sie nicht versiegen.
Alle meiner Bilder waren schwarz weiß gemalt, ich hatte noch nie auch nur einem Einzigen Farbe verliehen. „Eh…“, Rem stutzte, schien verunsichert. Ich ging zu ihm, stieß ihn grob weg. Er hatte sich das Bild mit dem Tunnel angesehen. Neben dem kleinen, verängstigt zusammen gekauerten Kind, welches mich darstellte, kniete ein Mann. Nein, kein Mann…es war ein Schatten. Ein Schatten, der aus meinen Träumen geflohen war und Wirklichkeit geworden war. Es war der Mann, mit den roten Haaren, der Mann mit den Ast braunen Augen, der Mann welcher vor ein paar Minuten mit seinen langen Fingernägeln an meiner Tür gekratzt hatte. Und genau dieser Schatten, diese Vatermorgana meiner Träume, kniete auf diesem Bild neben mir. Sein Gesicht war von Schatten, von seines Gleichen bedeckt, sodass man seine Augen nicht sehen konnte. Nur sein Mund war nicht in schwarzes Licht getaucht. Die Mundwinkel waren nach oben gezogen, ließen ihn dämonisch lächeln. Er hatte seine Arme um mich gelegt, unsere Körper waren sich viel zu nah.
Plötzlich, schien meine Erwartung befriedigt zu sein. Plötzlich hörte ich auf zu warten, worauf auch immer ich all die Zeit gewartet hatte. Plötzlich war derjenige, auf den ich gewartet hatte da.
Er stand neben mir, sein Gesicht war mit Schatten bedeckt, ein teuflisches Lächeln umspielte seine Lippen, seine Arme waren um mich gelegt und unsere Körper waren sich viel zu nah…

Nach diesem verstörenden Beginn der Nacht, hatte ich erst gedacht, ich könnte wahrscheinlich gar nicht mehr in meinem Zimmer schlafen. Könnte mich nicht mehr in mein Bett legen, da der Rothaarige dort auf mich wartete. Könnte nicht mehr die Tür schließen, da er mich sonst in meinen Träumen einschließt.
Doch ich konnte es. Ich schlief in dieser Nacht unglaublich gut. Nur ein einziges Mal wachte ich auf, drehte mich, mit einem stummen Schrei auf den Lippen um, da ich das Gefühl hatte, als hätte jemand sanft seinen Arm um mich gelegt. Ich hatte erwartet jemanden zu sehen, doch ich starrte nur in das Dunkel der Nacht. Ich sage bewusst jemand, obwohl ich genau weiß, wer es war…er war es. Und das wusste ich damals und ich weiß es jetzt. Ich weiß heute genauso wie damals, dass er die ganze Nacht über neben mir auf dem Bett gesessen hatte und mich beobachtet hat. Einem Schutzengel und einem Dämon ähnelnd, welcher sich jede Sekunde auf mich stürzen konnte, mich in blutige Fetzten zerreisen konnte und mich gleichzeitig vor allem Bösen schützte. Ich wusste es, weil ich ihn spürte, ich spürte seine Anwesenheit, während ich schlief und es machte mir keine Angst. Ich fühlte mich geborgen unter den Flügeln des Engels mit den langen Reiszähnen, den langen Krallen und dem Dämonischen Lächeln. Die besagte Nacht war viel, viel zu schnell vorbei. Sie war vorbei, als Kaori um neun Uhr morgens in mein Zimmer kam. Sie warf die Tür auf, das es krachte und ich zusammen zuckte. Ich setzte mich kerzengrade auf und starrte zuerst auf die linke Bettseite, auf der ich den Rothaarigen die Nacht über gespürt hatte. Ich bildete mir ein, wie seine Umrissen langsam verschwanden, wie er auf schmolz, wenn man so will. „Guten Morgen Deidara!“, flötete Kaori und kam zu mir. Sie stellte ein rotes Tablett neben mir ab. Auf besagtem Tablett stand ein Teller, auf den feinsäuberlich mehrere Scheiben Brot gelegt worden waren. Neben dem Teller standen ein Glas mit Erdbeermarmeladen, eines mit Nusscreme und eins mit Margarine. //Na ganz toll…//, ich murrte missmutig. //Ich hasse es Brot zum Frühstück zu essen…dann auch noch Margarine…//, ich verzog mein Gesicht, wand mich dann aber doch wieder ihr zu. „Morgen.“, grummelte ich. „Na, hast du gut geschlafen?“, ihre gute Laune war geradezu abstoßend. „Ja, was willst du?“, ich dachte mir, desto schneller ich auf den Punkt komme, desto schneller bin ich sie wieder los. „Ich-Ich wollte mich nur ein wenig mit dir unterhalten. Ich hab so das Gefühl, dass du mich nicht wirklich magst…“-//Nein, wie kommst du denn darauf?//, ich knurrte etwas. –„Deshalb dachte ich, wir könnte uns ein bisschen besser kennen lernen.“, sie mühte sich ein Lächeln ab. //Na dann also: mein Name ist Deidara, ich werde wahrscheinlich gerade wahnsinnig, irgendein Psychopath ist hinter mir her und du Schlampe bekommst die Liebe, die eigentlich meiner Mutter gehört, sonst noch was? Achja: ich HASSE Margarine…//, dachte ich mir und musste fast ein wenig kichern.
„Danke, kein Interesse…“, sie blickte mich mit großen, erstaunten Augen an. „W-Wie meinst du das?“ -„So wie ich es sage, ich will dich nicht besser kennen lernen und ich würde es sehr begrüßen, wenn du jetzt gehen würdest!“, ich schenkte ihr ein schlecht gespieltes Lächeln, stand dann auf und schob sie zur Tür. „A-Aber…“, sie wollte anscheinend noch etwas sagen, als sie schon im Gang stand, doch ich knallte ihr die Tür vor der Nase zu. „Dumme Ziege…“, fauchte ich leise ging dann zurück zu meinem Bett und besah mir das Bild, welches daneben hang. Es war das vom 27.10.2006, das den Ausblick aus meinem Fenster zeigte. Nur ein paar Schritte vor dem Wald, stand der Schatten und starrte mich an. Er schien mir direkt in die Augen zusehen. Ich musste mich überwinden, weiter hinzusehen, seinem bohrenden Blick standzuhalten. Sein Körper wurde von einem langen, schwarzen Mantel umhüllt, seine Augen schienen vor Vorfreude zu blitzten, sein Mund formte dieses schrecklich Lächeln. Ich schluckte, erlaubte mir dann endlich, weg zu sehen. Ich atmete tief ein und wieder aus, füllte meine Lungen mit frischer Luft. Dann wand ich mich meinem Frühstück zu. Da ich Margarine verabscheute und mir die Marmelade zu süß war, aß ich trockenes Brot. Es schmeckte ganz gut, aber natürlich schmeckte es nicht ansatzweise so gut, wie das was ich sonst zum frühstück aß. Müsli mit kalter Milch. Um genau zu sein Haferflocken mit kalter Milch, zwei Löffeln Honig und einem geschnittenen Apfel. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich daran dachte und kaute dann umso enttäuschter auf dem trockenen Brot herum.


(das kapi ist noch nicht fertig und auch noch nicht gebtetat, also entschuldigt bitte al die schlimmen rechtschreibfehler >.<)


(noch nicht fertig/ tut mir leid, wenn die namen sich plötzlich mal ändern >.< ich schreib das ganze nähmlich im privaten als ff unddeshalb kanns sein, dass ich mal vergesse die namen umzuändern deshalb:
Deidara=Shin >.< tut mir schrecklich leid)

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Tag der Veröffentlichung: 05.07.2010

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