Cover

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Da stand er, wie Gott ihn schuf.
Seine großen Finger bohrten sich in die Arschbacken einer nackten Frau, die stöhnend in seinen Armen hing und ihren Unterleib mit rhythmischen Bewegungen an seinen presste. Sie vergrub ihre schmalen, langen Finger in seinem abstehenden blonden Haar, murmelte ein verhaltenes „Fick mich“ und biss ihm ins Kinn.
Glitzernde Schweißperlen bedeckten seinen ganzen, himmlischen Körper. Die Muskelberge an Armen und Beinen wölbten sich unter dem schneller werdenden Hüpfen der nackten Braut an seinem Schoß.
„Oh ja, Baby … du bist so gut.“
Dass er sich kein Stück mehr rührte, war ihr noch gar nicht aufgefallen.
Denn der schockierte Blick seiner saphirblauen Augen ruhte nämlich auf mir.
Seiner Freundin!
Die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf leicht schief gelegt, stand ich nun da und musterte das nackte, heiße Teil, das ihn ritt als gäbe es keinen Morgen mehr.
Toma, so hieß der geile Typ, den ich irgendwann einmal mein Eigentum geschimpft hatte, hielt immer noch ihre kleinen Popbacken fest. Die Tussi, die ihre Beine nun fester um seine Hüften schlang, den Kopf zurück legte und einen ohrenbetäubenden Schrei ausstieß, war unglaublich sexy. Sie hatte riesige Brüste und einen erstaunlich straffen Hintern. Alles wirkte erschreckend echt.
Die sinnlichen Lippen presste sie, nachdem sie so ganz allein zum Höhepunkt gekommen war, fest aufeinander. Ein hinreißendes Lächeln zuckte über ihren Mund.
Endlich kam auch in ihn Bewegung!
Ohne mich aus den Augen zu lassen, beugte er sich vor, strich mit seinen vollen Lippen über eine empfindliche Stelle, direkt unter ihrem Ohr. Seine geschickte Zunge stieß hervor, leckte über ihre sicherlich salzig schmeckende Haut, denn ihr Körper glänzte vom Schweiß als hätte sie in Babyöl gebadet.
„Wag` es ja nicht“, warnte ich knurrend.
Die hübsche Schnecke riss den Kopf herum und sah mich mit riesigen Augen an.
„Nur ein kleiner Schluck“, murmelte er.
„Wenn du das tust, Baby, dann kannst du dich sowas von verpissen!“
Meine Schuhspitze tippte im Takt von Chemical Reaction

auf den beigefarbenen Parkettboden, den Gedanken ignorierend, dass das hier eigentlich seine Villa war.
Es war ein Ding, den eigenen Freund dabei zu erwischen, wie er es einer Fremden im gemeinsamen Schlafzimmer besorgte, ein anderes Ding jedoch war es, wenn er seine verdammten Fänge in ihren zarten Hals schlug, um von ihrem Blut zu trinken.
Toma war ein notorischer Fremdgänger, doch damit konnte ich leben. Wenn er allerdings unseren Blutpakt mit ihren sterblichen roten Blutkörperchen besudelte, würde ich ihm die Hölle heiß machen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes!
Er verzog gequält das Gesicht, ließ endlich ihre wohlgeformten Pobacken los und setzte sie auf dem Boden ab. Himmel, die Kleine reichte ihm gerade mal bis zu den Brustwarzen! Seit wann fuhr er denn auf Standgebläse ab?
Ein glühender Blick von mir genügte und sie sammelte blitzschnell ihre Klamotten ein, die aus zwei extrem hohen Highheels, einem hauchzarten Tanga und einem kleinen Schwarzen bestanden. Mir verschlug es ernsthaft die Sprache, als sie mit einem süffisanten Grinsen vor mir stehen blieb, um mir zu sagen, dass mein Freund es ihr außerordentlich gut besorgt hatte.
Ebenfalls grinsend beugte ich mich zu der selbstsicheren kleinen Schnepfe runter, sah ihr tief in die Augen und bleckte meine messerscharfen Zähne. Dass sie auf der Stelle in Ohnmacht viel, erleichterte die ganze Abschiedsszenerie, denn nun konnte ich das winzige Stückchen Mensch einfach aus dem Schlafzimmerfenster werfen.
Schon hatte ich sie über die Schulter gehoben und marschierte auf die Fensterläden zu, als mich Toma zurückrief. „Das willst du doch nicht wirklich machen?“
„Warum denn nicht, Liebster?“ Meine rechte Hand auf ihren festen, kleinen Hintern gelegt, drehte ich mich schwungvoll zu ihm um.
„Oopsala.“
Ein Blick über die Schulter genügte. Das kurz darauffolgende Scheppern, als ihr hinreißender Körper die provisorisch hingestellten Müllcontainer streifte, war sehr befriedigend. „Tut mir Leid, Schatz, ehrlich.“
Er grummelte irgendetwas Unverständliches, schlüpfte in die dunkelblauen Jeans, die seinem knackigen Hintern so schön umschmeichelten, und sprang der blöden Schnepfe hinterher.
„Hat sie sich irgendwas gebrochen?“, fragte ich hoffnungsvoll, aber er ignorierte mich einfach. Typisch! So ging er jedes Mal mit mir um, wenn ich ihn mit einer anderen erwischte. Was hatte er denn erwartet? Dass ich sie freudestrahlend zur Tür begleiten und ihr dafür danken würde, dass sie meinen Freund gemolken hat, wie der Bauer eine Kuh?
Ich schnaubte leise. Langsam musste ich mir ernsthaft überlegen, wie ich diesen verdammten Kerl dazu bringen konnte, endlich seine Flossen von anderer Frauen Ärsche fernzuhalten.

Seine großen Hände strichen über ihren nackten Körper, ließen ihre Wunden heilen und löschten ihr Kurzzeitgedächtnis. Dann zog er sie an und sah zu mir hoch. „Sag Dan, er soll die Kleine in die Innenstadt chauffieren und irgendwo rauswerfen.“
„Aber gerne doch, Darling“, flötete ich zuckersüß und hauchte ihm einen Kuss zu. Dan würde das kleine Mäuschen an der nächsten Mülldeponie absetzen, so viel stand fest, denn er war ziemlich verknallt in mich und konnte den Gedanken nicht ertragen, dass mich mein langjähriger Betthüpfer betrog.
Vor nicht allzu langer Zeit, war unser Chauffeur sogar vor mir auf die Knie gefallen, hatte mich aus seinen wunderschönen schokoladenbraunen Augen angesehen und um meine Hand angehalten. Erstaunlicherweise war ich knallrot angelaufen, eine äußerst untypische Reaktion.
Ich hatte ihm einen kleinen Vorgeschmack auf das gegeben, was er niemals besitzen würde, denn er war einfach zu süß gewesen, als dass ich ihn hätte ignorieren können.
Ich würde Toma daran erinnern müssen, dass er unbedingt die Lederbezüge der Rücksitze austauschte, die ich ausversehen zerbissen hatte, als Dans geschickte Zunge mich fast in den Wahnsinn trieb.
Nun ja, das war natürlich nur ein Ausrutscher gewesen, nichts Ernsthaftes versteht sich und würde auch ganz bestimmt nie wieder vorkommen!


„Wo gehst du hin, Baby?“
Tomas schneeweißes Badetuch glitt über seine anbetungswürdigen Hüften und schrubbte kurz und kräftig seinen Hintern. Die Zähne fest aufeinandergebissen, stellte ich mir vor, dass ich das Frottee in seinen Händen wäre. Seufzend riss ich den Blick von seinem dampfenden Körper los und angelte meine Handtasche vom Sofa.
„Ich habe einen Termin.“
„Ach? Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.“
Misstrauen huschte über sein Gesicht und er musterte mein schickes Outfit. „Findest du nicht, dass du deinem Termin den Blick auf dein Höschen verwehren solltest?“
Stirnrunzelnd sah ich an mir runter. „Du übertreibst mal wieder. So kurz ist der Rock nun auch wieder nicht.“
Einen Herzschlag später stand er schon vor mir, presste seinen feuchten Körper an meinen und griff mir unter den Rock. „Hmm … unten ohne“, schnurrte er wie ein Kater.
„Nimm deine Pfoten weg, Idiot“, schimpfte ich und hasste ihn dafür, dass er genau wusste, wie er mich anfassen musste, damit ich mich ihm wollüstig entgegenstreckte.
„Komm schon, Yen. Ich weiß, dass du das magst.“
Sein Kiefer knackte laut, als ich ihm meine Handkante fest ins Gesicht schlug. „Nimm einfach deine notgeilen Flossen weg.“
„Bist du immer noch sauer?“ Eingeschnappt zupfte er das heruntergerutschte Badetuch zurecht und schob die Unterlippe vor.
„Ich bin doch nicht sauer.“ Blitzschnell sausten meine Finger dorthin, wo er sie haben wollte. Toma zischte leise und stöhnte erregt. „Ich leide einfach nur unter Zeitdruck, mein Lieber.“ Vielleicht knetete ich etwas zu fest an seiner Männlichkeit, denn er erbleichte ein bisschen. Dann ließ ich ihn einfach stehen.
„Zieh dir wenigstens einen Slip an, herrgott nochmal“, schnauzte er mir hinterher. Winkend, ohne mich noch einmal umzudrehen, stöckelte ich auf den leise brummenden Mercedes zu, der auf dem weißen Kiesweg vor dem Haus parkte.
„Wohin?“, fragte Dan kurz angebunden.
Überrascht, weil er so kühl klang, beugte ich mich zwischen den Vordersitzen hindurch und betrachtete ihn von der Seite. Sein Kiefer trat scharf hervor, als er die Zähne aufeinanderbiss und versuchte, mich zu ignorieren. „Dan? Was ist los?“
Der Wagen setzte sich ohne meinen Befehl in Bewegung. Er schaltete irgendeinen Radiosender an, drehte den Sound so laut, dass mir die Ohren klingelten. Schulterzuckend lehnte ich mich nach hinten und strich gedankenversunken mit den Fingern über die Bissspuren auf der Rückenlehne. Ganz automatisch glitt mein Blick zurück zu Dan und ich fragte mich bestimmt zum hundertsten Mal, wieso einer wie er Vampire herum chauffierte, anstatt einen richtigen Job zu machen. Arzt oder Koch oder so etwas in der Art, geschickte Hände hatte er ja. Aber nein, er hockte Tag ein, Tag aus in diesem Mercedes und wartete darauf, dass Toma ihm Anweisungen gab.
„Langweilt dich das nicht?“, rief ich laut. Mit übereinandergeschlagenen Beinen lümmelte ich auf dem Sitz und wartete auf seine Reaktion.
„Was?“, brüllte er zurück.
„Na all das hier.“ Ich deutete aufs Armaturenbrett und die Sitze. „Mich würde das zu Tode langweilen.“
„Davon abgesehen, dass du nicht so leicht sterben kannst.“ Seine braungebrannte Rechte wanderte hinauf zu seinem Nacken, rieb kurz darüber, schließlich seufzte er. „Er muss dir das Gehirn rausgevögelt haben.“
Mein wippender Fuß erstarrte. „Wie bitte?“
Dan trat hart auf die Bremse. Ungeschickt rutschte ich vom Sitzpolster und keuchte erschrocken: „Bist du noch ganz dicht?“
Er schaltete das Radio aus und drehte sich auf dem Fahrersitz zu mir. Mit entging nicht, dass er den Blick seiner schokoladenfarbenen Augen kurz auf meine Brüste senkte, die in der engen, weißen Bluse hervorragend zur Geltung kamen. Für meinen Termin hatte ich die Knöpfe etwas weiter geöffnete als womöglich nötig gewesen wäre, immerhin wollte ich die verdammte Villa in Newport auch verkaufen. Wieder seufzte der hübsche Sterbliche und sah mir endlich in die Augen. „Wieso verlässt du dieses Arschloch nicht einfach?“
Nachdenkliche Falten überzogen seine sonst so makellose Stirn.
„Ich liebe ihn!“, rief ich entrüstet.
„Das kann keine Liebe sein! Jede andere Frau, hätte diesen Wichser schon längst zum Mond geschossen.“
„Ich bin eben nicht wie jede andere Frau.“ Mehr fiel mir dazu wirklich nicht ein. Er hatte ja recht. Aber das würde ich niemals zugeben, weder vor ihm, noch vor dem Rest der Welt.
„In der Tat.“ Eine faszinierende Anziehung ging von diesem gutaussehenden Mann aus, die mich nervös auf dem Leder herumrutschen ließ. Seine markanten, rauen Gesichtszüge erweckten den Eindruck, als wäre er auf seinem Gaul geradewegs aus dem wilden Westen hierher geritten. Fehlten nur der Hut und die Cowboystiefel und ich würde mich vermutlich sabbernd an seinen Hals hängen.
„Fahr mich einfach zu Bradleys

, Dan.“
Anstatt sich umzudrehen und Gas zu geben, löste er seinen Gurt und setzte die schwarze Fahrermütze ab. Ich hatte Toma vor einigen Monaten angebettelt, dass er Dan diese schnuckelige Chauffeuruniform kaufen sollte, es sah einfach so viel professioneller aus. Davon aber mal abgesehen, stand sie ihm wahnsinnig gut. Dieser Sterbliche hatte wahrscheinlich gar keine Ahnung, was so ein maßgeschneiderter Anzug mit seinen breiten Schultern und der schmalen Hüfte anstellte. Mein Herz sank vor Schreck in die Knie, als er sich zwischen die Vordersitze schob.
Beide Hände links und rechts meiner Hüften auf den Sitz gestemmt, drängte er mich gegen die Rückenlehne.
„Sag bitte“, flüsterte er. Seine dunklen Augen funkelten elektrisierend.
„B…itte.“
Oh mein Gott.
Ich stammelte!
Das hatte ich seit Jahrzehnten nicht mehr getan.
„Bitte, Dan.“ Herausfordernd sah er mich an. Strähnen seines dunklen Haares fielen ihm in die Stirn. Meine kribbelnden Fingerspitzen wollten sie zur Seite streichen. Gegen meinen Willen musste ich an das letzte Mal denken, als er mir unerlaubter Weise so nahe gekommen war. Mir wurde heiß.
„Du nimmst dir heute verdammt viel raus, Dan!“, presste ich hervor.
„Dann feuer mich doch.“
Er beugte sich bedrohlich weit vor und senkte die Lippen auf meinen tiefen Ausschnitt. Seine Zunge glitt zwischen meine Brüste. Stachelige Barthaare kratzten über meine seidige Haut. Erstarrt schnappte ich nach Luft.
Verdammt!
Ich war ein blutsaugendes Miststück, wieso prallte meine bedrohliche Aura einfach von ihm ab? Und wieso zum Geier, machte ich ihm nicht klar, dass er unbedingt damit aufhören musste? Schließlich befanden wir uns immer noch auf der fast eine Meile langen Zufahrt und somit in Sichtweite unserer Villa - zumindest für einen Vampir. Allerdings verzog sich Toma um diese Tageszeit lieber im Keller und spielte mit seinen Messern.
„Dan! Lass das!“ Voller Vorfreude summte mein verräterischer Körper. Scheiße, scheiße, scheiße!


„Gleich“, versprach er.
Mit den Zähnen knipste er einen der Blusenknöpfe ab und spuckte ihn zwischen die Sitze.
„Ich habe einen … verdammt … wichtigen Termin!“
„Und?“
Ich glaubte, mich verhört zu haben und wollte ihm gerade eine ordentliche Standpauke halten, als seine verruchte Zungenspitze meine linke Brustwarze entdeckte. Mein Gezeter ging im heiseren Keuchen unter, das mir über die Lippen kam.
Diesen Kerl musste ich auf der Stelle loswerden!
Kaum zu glauben, dass er es wagte, die langjährige Freundin seines Herrn auf so dahin schmelzende Weise anzufassen.
Meine freigelegten Brüste sprangen ihm lustvoll entgegen, während seine Hand, wie die meines Betthüpfers zuvor, meinen Oberschenkel entlang glitt und unter meinem Rock verschwand. Nur, dass es sich so viel besser anfühlte. Verdammte Axt!


In dem Versuch einen klaren Kopf zu kriegen, bohrte ich meine Finger schmerzhaft tief in seine muskulösen Oberarme, was ihn dummerweise anspornte. Die Ledersitze knarzten leise, als er sich vollends nach hinten durchschob. Seine heißen Lippen glitten über meinen Hals zu meinem Ohr. In meiner Mitte brodelte eine unwillkommene Hitze. Gierig knabberte unser Chauffeur an meinem Ohrläppchen. Mein Schoß brannte lichterloh. Alles in mir spannte sich an wie die Sehne eines Bogens, kurz vor dem Abschuss.
Allem Anschein nach würde ich ihm richtig wehtun müssen, damit er endlich zur Vernunft kam, oder besser gesagt, wir beide. Gerade beschloss ich, ihm meine hübschen, großen Reißzähne in seinen herrlich muskulösen Oberarm zu rammen, als mein Handy klingelt.
Dan hielt inne. Gott sei Dank!
Ich stieß ihm meinen Pumps gegen die Brust und versuchte ihn wieder nach vorn zu schieben. Seine Finger hatten jedoch anderes im Sinn und glitten über die gesamte Länge meines Beines, bis sie gefährlich nach an meiner Leiste inne verharrten. Mir stockte der Atem. Nun hatte er einen einwandfreien Blick auf meinen Intimbereich.
Seine hungrigen Augen ruhten auf meinem empfindlichsten Körperteil und trieben mir die Schamesröte ins Gesicht. Seit meiner Pubertät hatte mein Kopf nicht mehr so geglüht und das war verdammt lange her.
„Geh ran“, forderte er, ohne den Blick abzuwenden. Mir wurde heiß und kalt. Seine tiefe Stimme vibrierte an meinem Unterschenkel, den er knieabwärts mit feuchten Küssen bedeckte.
Mich hätte stören sollen, dass er mir Befehle erteilte, aber ich hatte echt Schiss, dass er, so wie er mich gerade ansah, über mich herfallen würde, sobald ich ihm eine giftige Antwort gab. Er hatte ja schon mehrfach bewiesen, dass ihm scheißegal war, was ich sagte.
Gott, hoffentlich würde niemals jemand davon erfahren. Eine mächtige Vampirin wie ich, die kuschte, wenn ein Sterblicher ihr Befehle erteilte. Ich führte meine Reaktion auf den Sauerstoffmangeln in meinem Gehirn zurück, da ich immer noch die Luft angehalten hatte und misstrauisch beobachtete, wie diese wundervoll weichen Lippen sich meiner Kniekehle näherte.
Mit zitternden Fingern grabschte ich nach der Handtasche, ließ Dan dabei nicht aus den Augen, damit er nicht auf dumme Gedanken kam. Ich musste ihm zu Verstehen geben, dass wir hier nicht weitermachen würden.
Das kleine, silberne Ding in meiner Hand klappte auf, im selben Augenblick umfasste Dan meine Hüften mit erstaunlicher Kraft und stieß sein Becken so fest zwischen meine Schenkel, dass ich mir die Lippen blutig biss. Ausgerechnet jetzt ließen mich meine übermenschlichen Kräfte einfach im Stich, kaum zu fassen, aber mein Körper hatte sich gegen mich verschworen.
„Miss Jones?“, fragte jemand und ich stöhnte ein heiseres „Oh mein Gott ...“ in den Hörer. Mein Verstand verabschiedete sich einfach. Ich konnte nicht anders, als mich diesem unglaublich geilen Gefühl hinzugeben, dass dieser Idiot von Chauffeur in mir auslöste, als unsere Körper miteinander verschmolzen. Gegen meinen Willen verbiss ich mich in seiner Schulter, während er meinen Hintern fest an sich zog.
„Verdammter Scheißkerl“, raunte ich und genoss seine großen Hände die erstaunlich gekonnt über meinen Körper glitten und mich dazu brachten ihn aufzufordern, endlich Gas zu geben. Und das tat er, Himmel, er tat es verdammt gut. Mein Vampir war ein Gott im Bett, von einem Sterblichen hätte ich das nie behaupten können. Nun überzeugte mich der Typ, der mit heruntergelassener Hose zwischen meine Beine drängte, vom Gegenteil. Dass er sie ausgezogen hatte, war mir überhaupt nicht bewusst gewesen, so sehr war ich anfangs darauf fixiert, ihn von mir fern zu halten. Nun hing ich, wie diese blöde kleine Schnepfe wenige Stunden zuvor an meinem Freund, an unserem Chauffeur, die Beine so eng um seine nackten Hüften geschlungen, dass kein Millimeter zwischen unseren bebenden Körpern mehr Platz war. Verdammt! Es fühlte sich so gut an, dass ich mich dafür ohrfeigen könnte, ihn letztens mit einer erstklassigen Erektion einfach im Regen stehen gelassen zu haben.
Während wir unsere erregten Körper aneinander rieben, versuchte ein Teil in mir, ihn immer noch loszuwerden. Dieser Teil ließ es sich nicht nehmen, meine lackierten Fingernägel tief in seinen breiten Rücken zu rammen, der durch seine Uniform einigermaßen geschützt blieb
Fluchend riss er sich von mir los und sah an sich runter. Sein Fuß klemmte unter dem Fahrersitz fest. „So eine verdammte …“
Leicht benebelt registrierte ich meine Chance. Für gewöhnlich ergriff ich während des Geschlechterkampfes nicht die Flucht. Für gewöhnlich turnte ich aber auch nicht mit anderen Männern herum. Im Gegensatz zu meinem untreuen Freund, war ich sehr monogam eingestellt. Abgesehen vom dem kleinen Ausrutscher neulich, den ich schon fast wieder vergessen hatte.
Dan bemerkte, dass ich mit hochgeschobenem Rock auf die Tür zu robbte und sah mir verblüfft dabei zu, wie ich krampfhaft versuchte meine Bluse zuzuknöpfen, meinen Rock runter zu schieben und gleichzeitig die Tür zu entriegeln. In anderen Situationen war ich die Göttin des Multi-Tasking, das hier überforderte mich jedoch absolut.
Seine Lippen formten sich zu einem unwiderstehlichen Grinsen. Links und rechts seiner Mundwinkel bildeten sich Grübchen, die so sexy aussahen, dass ich, hätte ich nicht bereits gelegen, mit butterweichen Knien zu Boden gesunken wäre. Ob er wusste, wie gut er aussah?
„Du versuchst allen Ernstes vor mir abzuhauen?“
Wie ein Leopard, der sich an seine Beute ran pirschte, bewegte er sich auf mich zu. Da der Rücksitz nicht besonders breit war, dauert es keine zwei Sekunden bis er über mir aufragte. Hilflos sah ich dabei zu, wie er meine verkrampften Finger vom Aschenbecher in der Tür löste und stieß einen wimmernden Laut aus.
Ich versuchte wirklich, wirklich angestrengt, ihn von mir zu schieben, als er den Kopf senkte und mit seiner Zunge über meinen Hals glitt. Natürlich kämpfte ich auch dagegen an, als er sein Becken zwischen meine gespreizten Beine drückte und mich ihm entgegen hob. Fauchend krallte ich meine Hände in seinen süßen Arsch, aber sobald sie seine knackigen Muskeln streiften, zerbröselte meine Gegenwehr wie ein Keks. Ehe ich mich versah, schmolz mein ganzer Körper unter seinen Händen und mein Gehirn quittierte zum wiederholten Male seinen Dienst.
Während er mein Becken mit kräftigen Stößen penetrierte, wobei ich immer wieder mit dem Kopf gegen die Wagentür knallte, hatte er die ganze Zeit darauf geachtet, meinem Mund nicht zu nahe zu kommen, was mich zusehends frustrierte. Ich hasste es, wenn ich nicht alles bekam, was mir zustand. Da dieser unverschämte Kerl es also gewagt hatte, mich auf dem Rücksitz vor Verzückung aufschreien zu lassen, würde ich mir auch noch den Rest von ihm nehmen. Wenn schon, denn schon!
Er versteifte sich, als ich meine Hände in sein Haar krallte und ihn zu mir runter zog. Wieder wich er meinen Lippen aus, beugte sich vor und fing meine entblößte Brustwarze in seinem Mund. Unterdrückt stöhnend wand ich mich unter ihm, nicht mehr Herrin der Lage, was mir gar nicht gefiel. Ich hatte immer die Hand am Hebel, egal in welcher Situation, aber mir gelang es einfach nicht, ihn zu dazu zu bringen, das zu tun, was ich wollte. Jedes Mal wenn ich nach seiner Hand griff, stieß er mich zurück, drängte mich mit seinem Körper noch tiefer in den Lederbezug und hielt meine Hände fest. Nicht, dass mir die grobe Behandlung nicht gefiel, doch gewohntermaßen gab ich den Ton an. Toma fuhr total darauf ab. Allerdings sagte mir die Rolle der wehrlosen Frau durchaus zu. Das Gefühl, dass Dan mich benutzte um seine Lust zu stillen, wo er wirklich jede andere haben konnte, heizte mich ungemein an. Trotzdem korrigierte ich diesen Gedanken schnell wieder, denn wenn hier einer jemanden benutzte, war ich das.
Seine stumpfen Zähne schabten wild über meine Brüste, er saugte wie ein Verhungernder daran, gleichzeitig drückte seine Hand fordernd meinen Oberschenkel zur Seite. Die ganze Zeit über hatte er keinen einzigen Ton von sich gegeben, doch letztendlich öffnete er seine hinreißenden Lippen, stieß ein wahnsinnig männliches Stöhnen aus und küsste mich.
Endlich!!!
In dem Augenblick, als seine vielversprechenden Lippen die meinen bedrängten und seine Zunge in mich glitt, war es um mich geschehen. Ich klammerte mich mit Armen und Beinen an ihm fest, während ein unbeschreiblicher Höhepunkt meine ganze unsterbliche Welt erschütterte.


„Scheiße“, murmelte er kurze Zeit später, die glühenden Lippen immer noch auf meine gedrückt. Seine großen Hände strichen entspannt über meine entblößten Brüste, massierten sacht meine Taille. Erschöpft lag ich auf dem Sitzpolster, konnte mich kaum noch rühren. Mein Schoß prickelte immer noch lustvoll und protestierte, als Dan sich zurück zog. Unangenehme Leere füllte meinen angenehm schläfrigen Körper aus. Himmel nochmal, ich schmollte sogar ein wenig.
Sein muskulöser Arm ruhte lässig auf der Armlehne. Er beugte sich zu mir runter und ich errötete. Mein Körper jubilierte als seine weichen Lippen fortwährend über meine strichen und er zärtlich in meine Unterlippe biss.
„Jetzt seid ihr Quitt.“ Beim Grinsen entblößte er seine weißen Zähne. Alles in mir kribbelte beim Gedanken daran, dass sie kurz zuvor noch an mir herum geknabbert hatten. „Toma wird mir wohl nicht den Kopf abreißen, wenn er erfährt, dass wir…“
„Du wirst über diesen kleinen Unfall hier, kein Wort verlieren, Dan. Sonst … wirst du den morgigen Tag nicht mehr erleben“, keuchte ich nicht sehr überzeugend.
„Unfall?“ Seine Hände glitten unaufhaltsam meine nackten Oberschenkel entlang und verloren sich in meiner Mitte. Ein entzücktes Stöhnen ließ sich einfach nicht mehr unterdrücken. Er lächelte wissend. Die Ledersitze knirschten leise, als ich den Rücken durchdrückte und er seine Finger in mir versenkte. Erneut gesellte sich seine Zunge dazu, trieb mich an den Rand einer Ohnmacht und entließ mich nur wenige Sekunden danach wild schnaufend aus ihrer sündigen Gefangenschaft.
Dan lehnte sich befriedigt lächelnd zurück und versuchte seine Hose hochzuziehen. Bevor er den Reißverschluss schließen konnte, richtete ich mich blitzschnell aus, schob meine Hand in seine Stoffhose und umfasste seine heiße Männlichkeit. Am liebsten hätte ich ihn wieder ausgezogen.
„Ein Sterbenswörtchen und du wirst deinen Freund nie wiedersehen.“ Er kniff grinsend die Augen zu und genoss sichtlich meine Hand an seinem besten Stück. Zum Teufel noch mal! Ich wollte den Arm zurückziehen, aber er hielt mich fest.
„Mach ruhig weiter, Baby. Ich fühle mich schon so bedroht.“
Wütend riss ich mich von ihm los und brachte meine Kleidung in Ordnung.
„Wieso trägst du eigentlich keine Unterwäsche?“, wollte er wissen, als er wieder nach vorn kletterte. „Hat das irgendetwas mit deinem verdammt wichtigen Termin zu tun?“ Der besitzergreifende Ton in seiner Stimme irritierte mich. „Oder hattest du einfach nur vor, mich zu verführen?“ Er wackelte lüstern mit den Augenbrauen, setzte seine Fahrermütze auf seinen zerwühlten Haarschopf und startete das Auto.
„Halt einfach die Klappe“, zischte ich.
Eben noch war ich voll in Fahrt gewesen, kurz davor, mich erneut auf ihn zu stürzen und ihn im Sitzen zu vernaschen, doch nun senkte sich die miese Laune wie ein undurchdringlicher Schatten auf mein Gemüt. Was zum Henker hatte ich nur getan? Wie hatte ich zulassen können, dass dieser Vollidiot sich zwischen meinen Beinen austobte? Viel entmutigender war der Fakt, dass ich es wirklich genossen hatte. Mehr sogar, als ich mir eingestehen wollte.
Der Kuss, der meinen ganzen Körper zum Explodieren gebracht hatte, war unbeschreiblich gewesen und meine Lippen sehnten sich mit einer Intensität nach seinen, die verboten gehörte.
Ich hatte meinen Freund betrogen! Dennoch gelang es mir nicht ganz, das zu bereuen.
„Scheiße!“ Wütend stemmte ich die Knie gegen den Beifahrersitz.
„Alles okay?“
„Konzentrier dich auf die Straße“, maulte ich und versuchte meine langen, braunen Haare in eine einigermaßen anständige Frisur zu verwandeln. Unterdessen glitt mein Blick immer wieder nach vorn. Mit ihm zu schlafen war ein gewaltiger Fehler gewesen, das wusste ich jetzt, doch ein noch viel größerer Fehler war es gewesen, ihn zu küssen. Sehnsüchtig leckte meine Zunge über meine geschwollenen Lippen, darauf bedacht, seinen Geschmack abzulutschen. Ungehalten raufte ich meine Haare. All das hätte ich noch irgendwie verdrängen können, aber seine Lippen waren es gewesen, die irgendetwas in mir berührt hatten.
Warum hatte ich ihn auch unbedingt abknutschen wollen?
Ja, warum eigentlich?
Wieso wollte ich, dass er es wieder tat, jetzt gleich?
Ich trat einmal kräftig gegen die Rückenlehne des Beifahrersitzes. Die Kettenreaktion war kolossal. Der Sitz krachte aus seiner Verankerung, donnerte gegen das Armaturenbrett und löste den Airbag aus. Der Wagen geriet ins Schleudern. Ich auf dem Rücksitz ebenfalls. Mein hübscher Schädel donnerte gegen die gepanzerte Scheibe. Mit quietschenden Reifen kam der Mercedes zum Stehen. Immerhin funktionierten meine Kräfte wieder, wenn auch etwas zu spät.
„Bist du okay, Yen?“
Aus zusammengekniffenen Augen starrte ich Dan an. „Weißt du was?“ Ich holte tief Luft. „Ich werde ihn heiraten“, platzte ich heraus.
Was rede ich da für einen Scheiß?


„Du hast dir den Kopf angeschlagen“, bemerkte er trocken und schüttelte den Kopf.
„Hörst mir überhaupt zu?“ Ich griff nach vorn, packte seinen Kragen und zog ihn so weit zu mir, dass unsere Nasenspitzen sich berührten. „Ich werde Toma heiraten.“
Die Idee war grandios! Wieso war ich nicht schon viel früher darauf gekommen? So wurde ich den heißen Sterblichen los, dessen sinnlicher Mund mich wie ein Magnet anzog und band Toma endgültig an mich. Mit einem Ehering an seinem Finger, würden die Frauen einen Bogen um ihn machen, egal wie sexy er war. Jedenfalls hoffte das ein winziger Teil in mir. Dem anderen war eigentlich klar, dass er den Ring nur abstreifen brauchte, wenn er in einen Club voller heißer Bräute marschierte.
Doch dieser Schritt würde unseren Blutpakt auf einer hochromantischen Ebene nur noch verstärken und vielleicht änderte mein Liebster dann seine Einstellung?
„Das wirst du nicht tun.“ Dans Einspruch überraschte mich.
„Oh doch, das werde ich. Fahr mich zurück zum Haus.“ Völlig überzeugt von diesem wahnwitzigen Plan, verschränkte ich die Arme vor der Brust und starrte ihn stur an.
„Nein!“
„Das ist ein Befehl, Dan. Fahr mich sofort zurück zum Haus!“
„Vergiss es, Yen. Ich werde nicht zulassen, dass du dich in dein eigenes Verderben stürzt, nur weil du Angst vor dem hast, was ich in dir auslöse.“
„Einen Scheiß löst du in mir aus“, giftete ich.
„Warum hast du dich dann vorhin nicht gewehrt? Wo du ihn doch so sehr liebst und sogar sein Fremdgeficke erträgst!“
„Glaub jetzt bloß nicht, weil ich dich rangelassen habe, dass du Narrenfreiheit besitzt.“
„DU hast mich rangelassen?“ Er lachte, trocken und humorlos, dann schüttelte er den Kopf. „Baby, du verdrehst die Tatsachen.“
Viel zu wütend, um mich zu zügeln, packte ich ihn, stieß ihn nach vorn und rammte seinen Kopf, mit dem Gesicht voran, mehrmals gegen das Lenkrad. Befriedigt lauschte ich dem gequälten Laut, der über seine Lippen kam. Knochen splitterte.
Dan stöhnte, diesmal jedoch vor Schmerzen.
Blut sprudelte aus seiner gebrochenen Nase hervor und besudelte Uniform und Innenraum. Benommen lehnte er am Lenkrad. Sein Lebenssaft troff über die winzigen Noppen daran und tropfte auf seine Knie.
Wieder lehnte ich mich mit wippendem Schenkel zurück und atmete den Kupfergeruch seines Blutes tief ein. Das hatte er nun davon. Süffisant grinsend strich ich mir mein Haar zurück. „Wenn du dann mit bluten fertig bist, fahr mich zurück!“ Zitternde Finger versuchten das Jackett von seinen Schultern zu schieben, das er sich dann behutsam vors Gesicht drückte. Ein scharfes Zischen drang aus seinem Mund. Mein Gewissen begann sich leicht zu regen.
Verblüffenderweise startete er den Wagen sofort, fuhr aber nicht, wie verlangt, zurück, damit ich meinem Liebsten einen Antrag machen konnte.
„DAN! Was zum Teufel soll das?“ Er reagierte nicht. Mein Herz flatterte aufgeregt. Er konnte ja kaum etwas erkennen, da sein rechtes Auge bereits anschwoll wie ein Golfball. „Dan. Bleib stehen, du Idiot.“
Passieren würde mir wohl nichts, wenn er das Auto zu Schrott fuhr, trotzdem sagte mir der Gedanken ganz und gar nicht zu, mich aus einem zerknüllten Metallhaufen zu zwängen. Schon gar nicht, wenn das Auto von schaulustigen Sterblichen umringt war. „Wenn du nicht sofort den Wangen wendest, brech ich dir die Arme, Dan.“
Er schnaufte und spuckte Blut auf den Beifahrersitz. „Dann wird dein Schnuckiputzi erfahren, dass du die Beine für mich breit gemacht hast.“
„Dann wird er dich umbringen.“
„Genau.“
Der entschlossene Ton in seiner Stimme, versetzte mir einen außergewöhnlich schmerzhaften Stich. Wahrscheinlich litt Dan nur unter einer Gehirnerschütterung und faselte wirres Zeug. Allerdings dämmte das die Unruhe, die in meinem Innern aufkeimte, kaum. Sicherlich würde er sich wieder beruhigen, wenn das verdammte Blut endlich aufgehört hatte, aus seiner Nase zu fließen. Der Geruch machte mich allmählich wahnsinnig. Die Pobacken fest zusammengekniffen, starrte ich aus dem Seitenfenster und versuchte nicht daran zu denken, dass das Zeug wie Wasser aus ihm herauslief.
„Fahr wenigstens in ein Krankenhaus“, murmelte ich und knabberte hochkonzentriert an meinem Daumennagel. Klar hätte ich ihn auch heilen können! Dafür müsste ich ihn aber anfassen und das war mir definitiv zu gefährlich.
„Damit du abhaust, während man mich zusammenflickt? Keine Chance.“
„Was genau hast du überhaupt vor?“
„Ich werde dich entführen.“
Laut lachend klatschte ich beide Hände auf meine nackten Oberschenkel. „Ich bin ein Vampir. Du kannst mich nicht entführen, Dan.“
„Dann halt mich doch auf.“
„Ich könnte dir jeden einzelnen Knochen brechen.“
„Bitte, Baby. Tu dir keinen Zwang“, näselte er.
Die blutroten Zähne zu einem fiesen Grinsen verzogen, blickte er in den Rückspiegel.
Ich ließ ihn einfach machen, das fruchtete manchmal mehr, als hartnäckige Gegenwehr. Er würde sicher gleich wieder zur Besinnung kommen. Ihm würde, schneller als ihm lieb war, einleuchten, dass er einen verdammten Fehler begangen hatte.
Dan konnte von Glück reden, wenn Toma ihn in einem Stück aus unserem Heim jagte, sobald er mich wieder dorthin zurück gebracht hatte.
Seufzend klappte ich mein Handy auf und wählte Tomas Handynummer. Nur für den Fall, dass Dan vielleicht doch ein bisschen länger benötigte bis er einsah, dass sein Plan hirnrissig war, wollte ich meinen Freund informieren. Nicht, dass er noch die halbe Vampirbevölkerung auf die Straßen hetzte, nur weil wir ein paar Minuten später heimkehrten, als erwartet. Tomas Eifersucht war manchmal wirklich lästig!
„Hey Liebling. Mein ehm … Termin, dauert wohl doch länger als ich angenommen hatte.“
Ich brauchte das Telefon nicht auf Lautsprecher zu stellen, damit Dan hörte, wie Toma tobte. Er schnauzte etwas unfassbar Vulgäres in den Hörer. Ich war verblüfft, dass er einer solchen Gossensprache überhaupt mächtig war und verdrehte genervt die Augen, als er mit seiner Eifersüchtelei begann. Zur Hölle nochmal, er hatte auch allen Grund dazu und dieser verdammt Grund thronte vorn auf dem Fahrersitz und verzog keine Miene, während das Blut immer noch unaufhaltsam aus seinen Nasenlöchern rann und sein Auge sich noch dunkler färbte.
Resigniert beugte ich mich über die Sitzlehne und drückte Dan meine Handfläche sacht auf sein Gesicht. Ich hatte nicht mehr daran gedacht, dass wir schon wieder weiterfuhren.
Zum zweiten Mal in wenigen Minuten geriet das Auto wild ins Schleudern bis es endlich stand.
„Tschuldige!“, flüsterte ich und konzentrierte mich auf die Wunde. Wenigstens hielt er still.
Hitze strömte durch meine Handfläche und breitete sich flimmernd auf seinem blutbesudelten Gesicht aus.
Dan sah aus, als hätte er in den Kopf in einen Fleischwolf gesteckt.
Seine Nase knackte laut als der Knochen zusammenwuchs. Mein Chauffeur zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen, gab aber überraschenderweise keinen Ton von sich.
„Was ist da los bei dir, Süße?“ Toma hatte sich wohl wieder beruhigt und klang ehrlich besorgt.
„Alles okay. Nur so ein Idiot, der uns die Vorfahrt genommen hat.“
„Ihr seid noch unterwegs?“
Verdammt!
„Jaaaa“, antwortete ich gedehnt. „Feierabendverkehr eben. Du kennst das ja.“
„Wieso seid ihr durch die Innenstadt gefahren?“ Misstrauen verschärfte seine Stimme und ließ mich frösteln. Manchmal konnte er wirklich beängstigend eifersüchtig werden. „Ich komme zu euch. Wo seid ihr gerade.“
„Oh komm schon, Toma. Ich habe keine Lust, dass du wieder einen meiner Kunden in die Flucht schlägst, weil du dich wie ein besitzergreifender Trottel aufführen musst. Vertrau mir einfach, Liebling.“
Diese Erfahrung wollte ich wirklich kein zweites Mal machen!
Damals hatte er sich auf einen meiner Kunden gestürzt, der mir bei der Besichtigung eines riesigen Anwesens in Boston etwas zu sehr auf die Pelle gerückt war. Ich wusste mich wohl zu verteidigen, aber ehe ich den Typen in die Schranken weisen konnte, hatte Toma ihn schon krankenhausreif geprügelt und aus der Stadt werfen lassen. Immerhin hatte er dem armen Kerl die Erinnerung an den Vorfall genommen.
Die Immobilienagentur, zu neunundneunzig Prozent aus Vampiren bestehend, hatte davon Wind bekommen und mit einer fristlosen Kündigung gedroht, sollte ich es noch einmal wagen, meinen Freund mit zur Arbeit zu bringen. Immerhin hatten wir beinahe einen stinkreichen Kunden verloren.
Als ich meinem Betthüpfer erneut mitteilte, dass er mir ruhig ein wenig mehr Vertrauen schenken konnte, schüttelte Dan nur den Kopf. Am liebsten hätte ich ihn gepackt und ihm sein Ohr abgebissen.
„Wann wirst du zurück sein, Baby? Du fehlst mir. Ich will endlich wieder von dir naschen.“
Dabei hatte er sich vor zwei Stunden erst mit der Tussi ausgetobt, und jetzt wollte er sich an mir wundreiben? Dass ich genervt stöhnte, merkte ich erst, als Dan mich mit hochgezogener Augenbraue musterte. Oops. Für gewöhnlich ließ ich mir nicht anmerken, wenn mir etwas auf den Zeiger ging.
„Baby? Es ist doch alles okay mit uns? Ich meine … du verzeihst mir den Ausrutscher doch, oder?“
Ich knirschte mit den Zähnen und deutete nach vorn auf die Straße. „Grüner wird es nicht.“
Natürlich drehte Dan sich nun noch interessierter zu mir um.
„Yen? Bist du noch da?“ Mir war nie aufgefallen, dass Toma diesen weinerlichen Ton in seiner Stimme hatte, wenn er bei mir um Vergebung bettelte, was bis zu fünf Mal im Monat vorkam. Plötzlich erwachte in mir der Drang, die Koffer zu packen und abzuhauen. Ich wollte einfach mal alles hinter mich lassen und abschalten. Nie zuvor hatte ich mich so nach Ruhe gesehnt, wie in dem Augenblick, als Dans musternder Blick mich fesselte und Toma mir die Ohren voll jammerte, dass er niemals wieder eine andere anfassen würde.
Dass mein Betthüpfer noch nie auf den Gedanken gekommen war, mich zu seiner Frau zu machen, wunderte mich nicht. Toma würde sich sicherlich niemals binden wollen. Allein schon der Gedanke an all das Freiwild, das ihm durch den ehernen Bund durch die Lappen ging, kaum auszudenken! Dabei konnte man wirklich nicht behaupten, dass unser gemeinsames Liebesleben voll unerfüllter Wünsche steckte.
Ich hatte einfach keinen blassen Schimmer, wieso mein Freund diesen Blutpakt mit mir geschlossen hatte und trotzdem weiterhin andere Frauen flachlegte. Aber die Egoistin in mir würde nicht aufgeben. Ich wollte Toma für mich allein und ich würde ihn bekommen!
Unser gaffender Chauffeur hingegen war erst vor zwei Wochen vor mir auf die Knie gefallen und heute hatte er mich auch noch...
Rasch verdrängte ich den Gedanken an das Geschehene in die hinterste Ecke meines Gehirns. Meine Welt stand Kopf und die Sterne in einer Konstellation, die meine Kiefer fast zum Bersten brachte, als ich die Zähne zusammen biss.
Ich blickte Dan in die Augen, als ich Toma mit Worten beschwichtigte, die ihn erregt ins Telefon stöhnen ließen. „Oh ja, Baby. Wieso sagst du deinen Termin nicht einfach ab und kommst ganz schnell zu mir zurück?“ Für gewöhnlich wäre ich dieser verlockenden Vorstellung nachgekommen, für gewöhnlich, wohlbemerkt. Nur war es das Allerletzte, das ich in diesem Augenblick tun wollte.
„Das würde ich wirklich gerne tun, Liebling. Aber mein Job steht seit deinem klitzekleinen Ausraster ziemlich auf der Kippe.“ Ich hatte keine Ahnung, wieso ich ihm das ausgerechnet jetzt auf die Nase binden musste, aber es wirkte.
„Okay, Baby. Dann sehen wir uns später. Ich liebe dich.“
Bevor ich etwas sagen konnte, sprang Dan alarmierend schnell von seinem Sitz. Was genau in seinem Kopf vor sich ging, wusste ich nicht, aber als er nach dem Handy grabschte bekam ich Panik.
„Willst du mich heiraten?“, schrie ich in den Hörer.
Oh … mein … Gott!


Mein Herz schlug mir ganz plötzlich bis zum Hals, schnürte mir fast die Luft ab. Toma reagierte überhaupt nicht. Dan hingegen starrte mich fassungslos an. Hatte ich jetzt vollkommen den Verstand verloren?
„Tut mir leid, ich glaube die Verbindung ist gerade ziemlich mies. Würdest du das bitte nochmal wiederholen?“
„Willst du …“ Mein Chauffeur kletterte auf meinen Schoß und versuchte mir das Telefon abzunehmen, was wirklich bescheuert aussehen musste.
„Das ist verrückt“, flüsterte Dan mit grimmigem Blick. Wenigstens in diesem Moment verließen mich meine übermenschlichen Kräfte nicht und ich stieß ihn von mir. Meine Hand hielt ihn zurück, als ich erneut, dieses Mal alles andere als selbstsicher, die Worte wiederholte.
Ich wusste wirklich nicht, wem ich beweisen wollte, dass ich es ernst meinte. „Willst … willst du mich heiraten?“
Mir war schon im Voraus klar, wie Toma reagieren würde.
Dass ich Dan gesagt hatte, ich wollte Toma heiraten, war nicht einmal gelogen, auch wenn es vorhin eher aus reiner Panik über meine Lippen gekommen war. Ich wollte Toma endlich an mich festtackern und der ganzen Welt beweisen, dass sich meine Sturheit gelohnt und ich ihn endlich zur Vernunft gebracht hatte.
Langsam ertrug ich das Geläster der anderen Vampire nämlich nicht mehr.
Doch war mir auch bewusst, dass mein Freund in diesem Falle anders tickte. Trotzdem konnte ich nicht umhin zu hoffen, dass Toma völlig überraschend „Ja“ sagen würde. In diesem Augenblick wünschte ich mir nichts sehnlicher.
Mein Verstand schalt mich eine Idiotin. Eben noch hatte ich mich meinem Chauffeur hingegeben und nun umklammerte ich eisern mein Handy und wartete darauf, dass mein Freund endlich etwas sagte.
Tomas Reaktion war alles andere als erfreulich.
Er lachte schallend.
Selten hatte ich mich so verletzt gefühlt, wie in diesem Augenblick.
Ich fiel in sein Lachen ein. Es klang schauderhaft unglaubwürdig, aber Toma war so laut, dass er es nicht bemerkte.
„Ehm … okay. Wir … wir sehen uns dann später“, flüsterte ich, weil ich meiner Stimme nicht mehr traute. Gott, ich stand kurz davor in Tränen auszubrechen.
„Ja, Baby, okay.“ Wieder prustete er. „Man, du hast mich echt zu Tode erschreckt, Yen. Ich dachte wirklich du meinst das ernst.“
„Wie kommst du nur darauf, Schatz?“ Das Gesicht zu einem halbherzigen Lächeln verzogen, legte ich auf.
Dan nahm mir ohne Gegenwehr das Handy ab. Hätte er es nicht getan, wäre es in hohem Bogen aus dem Auto an die nächste Häuserwand geknallt. Angestrengt schluckte ich den großen Kloß in meinem Hals herunter und wich seinem besorgten Blick aus. Das hatte mir gerade noch gefehlt, dass sich ein Sterblicher um die Probleme eines Blutsaugers scherte. Herrgott nochmal. Ich war eine verdammt heiße Vampirin, unerschrocken, mutig und so beherrscht wie man eben nur sein konnte. Trotzdem zog mich dieser Idiot an seine blutverschmierte Brust. Wütend stieß ich ihn von mir. Er donnerte mit dem Hinterkopf so fest gegen das kugelsichere Seitenfenster, dass er das Bewusstsein verlor.
Schniefend schlüpfte ich aus den Pumps, zog die Knie an und schlang beide Arme fest darum. Ich schmollte. Was ich allerdings nur tat, wenn ich sicher gehen konnte, unbeobachtet zu sein.
Abwesend betrachtete ich Dans Haarschopf und schniefte leise.

Nach zehn Minuten rührte sich Dan immer noch nicht, also beschloss ich nachzuhelfen. Fehlte noch, dass er irgendein Trauma oder eine Gehirnerschütterung davon trug. Zögernd streiften meine Finger seine Haare, vergruben sich darin und strichen behutsam über seinen Hinterkopf. Bemüht hob er den Kopf. Speichel tropfte auf die Lederbezüge. Nuschelnd wischte er sich mit der linken Hand übers Gesicht.
Langsam beugte ich mich zu ihm runter, sog den Duft seines warmen Körpers tief in meine Nase und seufzte entschlossen. „Bring mich hier weg“, flüsterte ich und spürte die tiefe Traurigkeit, die meinem Herzen ziemlich zusetzte.


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Dan legte den Kopf auf die linke Schulter, seine Halswirbel knackten laut. Für gewöhnlich reagierten Männer, denen ich die Leviten las, mindestens mit einem zornfunkelnden Blick. Mein Boxsack hingegen blieb völlig ruhig, so als hätte er schon öfter Bekanntschaft mit dem unheilvollen Temperament der Unsterblichen gemacht.
Wobei ich doch erwähnen möchte, dass wir nicht so unsterblich sind, wie es sich anhören mag. Zu viel UV-Licht lässt uns sehr schnell altern. Wenige Minuten in der Dämmerung und wir lösen uns einfach in Staub auf. Allerdings hatte dieses genetische i-Tüpfelchen nur seinen Vorteil, wenn man weitaus älter war als ein Jahrhundert. Die jüngeren Generationen hingegen verpufften bereits binnen weniger Sekunden. Warum das so war und was man dagegen machen konnte, tüftelten irgendwo in Prag zwei Vampire aus, die behaupteten, dass dort die Unsterblichkeit Fuß gefasst hatte. Ich persönlich hielt nichts von diesen Ammenmärchen. Dracula zum Beispiel. Ein Mann der sich in eine Fledermaus verwandelt hatte, um schönen Jungfrauen das Blut auszusaugen. Etwas Verrückteres war mir nie wieder zu Ohren gekommen. Allerdings fuhren einige unzivilisierte Vampire tatsächlich auf diesen Jungfrauenkult ab.
Eine weitere Möglichkeit einen Vampir loszuwerden, war das allseits bekannte Kopf-ab. Ein perfekter Streich mit einer Klinge, gleich welcher Größe, bevorzugt im Fünfziggradwinkel ausgeführt, konnte einem Sterblichen in der Tat den Arsch retten, oder mir. Bis dato war ich glücklicherweise jeden aufdringlichen Mann losgeworden, ohne dass er sich aufgrund seines gebrochenen Stolzes wie ein wütender Berserker auf mich gestürzt hatte, um mich zu skalpieren.

Mir gelang es kaum, Dan ins Gesicht zu sehen. Ich schämte mich zutiefst für meinen Ausraster. Schließlich tat ich es doch und biss die Zähne fest zusammen. Er sah grässlich aus.
„Ich habe noch irgendwo Kosmetiktücher“, murmelte ich und wühlte in meiner Handtasche.
„Yen.“
Ich ignorierte ihn.
„Damit kriegen wir dein Gesicht sauber.“
„Yen.“
„Wo sind diese verdammten Dinger?“, grummelte ich höchst verärgert.
„Yen!“
Ich steckte den Arm bis zum Ellenbogen in meine Handtasche, darauf bedacht, Dan einfach zu überhören. Er streckte die Hand aus, griff nach meinem Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Plötzlich war da dieser verdammte Kloß in meiner Kehle, der immer weiter anschwoll. Ich schluckte schwer. „Was?“
„Hast du das ernst gemeint?“
„Natürlich! Diese Tücher kriegen das hartnäckigste Mascara weg.“
Er verdrehte die Augen. „Das meinte ich nicht.“
„Halt mal still.“ Ich zupfte mehrere Tücher aus der Verpackung, beugte mich vor und begann seine Nase abzutupfen.
„Du willst mit mir kommen?“ Er sah mich mit diesem durchdringenden Blick an, der mir schwer zu schaffen machte. Am liebsten hätte ich mich heulend in seine Arme geworfen. Zehn Minuten stummer Trauer hatten für gewöhnlich immer ausgereicht, wenn ich Toma in Flagranti erwischte. Vermutlich hätte ich zwanzig Minuten deprimiert auf dem Rücksitz hocken müssen, um auch die Erinnerung an seinen verletzenden Lachanfall zu dämmen.
Anstatt zu antworten, zuckte ich nur die Schultern und wischte weiter in seinem Gesicht herum.
„Bist du okay?“
„Selbstverständlich.“ Ich lächelte breit. „Und jetzt zieh dich aus.“
Seine Augenbraue fuhr mit beeindruckender Geschwindigkeit nach oben. „Bitte?“
Mir wurde klar wie sich das angehört haben musste. Wieder wurde ich rot und deutete nur knapp auf sein vollgeschmiertes Baumwollhemd. „Ich habe seit Tagen nichts mehr getrunken und der Blutgestank, der daran haftet, macht mich wahnsinnig. Also BITTE, zieh das Hemd einfach aus.“
„Die Hose auch?“ Mir entging nicht, dass er schelmisch grinste.
Dieser Typ war echt unfassbar. Gerade hatte mein Freund meinen Heiratsantrag abblitzen lassen, und zum Dank seiner unwillkommenen Sorge, hatte ich Dan k.o. geschlagen. Ich war kurz davor in Tränen auszubrechen und dieser Mann hatte nichts Besseres zu tun, als zu flirten, obwohl ich ihm innerhalb kürzester Zeit die Nase gebrochen und den Kopf zerbeult hatte.
„Tu mir den Gefallen und beweg deinen Arsch einfach nach vorn. Bevor ich es mir anders überlege und hier und jetzt aus diesem verdammten Wagen aussteige.“
Nachdenklich musterte er mich. Genervt erwiderte ich seinen Blick. „Bitte, Dan“, knurrte ich „Mach einfach mal was ich dir sage und fahr.“
Er knöpfte sich das Hemd auf und schob es betont langsam über seine Schultern. Wie ich bereits erwähnte war der Rücksitz nicht besonders groß, ich hätte nur meinen Arm ein bisschen ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Angeregt nagte ich an meiner Unterlippe herum und starrte seinen äußerst attraktiven Oberkörper mit unverhohlener Neugier an. Rasch knüllte Dan das Hemd zusammen, nahm die schmutzigen Kosmetiktücher, wickelte das Jackett um die ganze Schose und kletterte aus dem Auto. Wenige Augenblicke später schloss sich die Heckklappe mit einem Knall. Mein Chauffeur bekam einen fetten Pluspunkt von mir, weil er sofort einstieg und, nachdem er die mickrigen Reste des Airbags mit einem verdammt großen Messer abgeschnitten hatte, den Wagen startete - Es war immer ein Risiko in einem Haus voller Vampire unbewaffnet umher zu laufen, besonders dann, wenn man für einen arbeitete, der wahnsinnig schnell aus der Haut fuhr. Zwar wusste der sterbliche Dan, dass er sich kaum wehren konnte, aber es war nachvollziehbar, dass ein solcher Gegenstand eine gewisse innerliche Ruhe hervorrief. Ein weiterer Bonuspunkt kam hinzu, weil Dan in der nächsten Stunde die Klappe hielt. So hatte ich genügend Zeit mich ausgiebig selbst zu bemitleiden.

Der Blutentzug bekam mir überhaupt nicht gut.
Wie ausgetrocknet musste mein Gehirn bereits sein, dass ich einerseits Rotz und Wasser hätten heulen können, mich aber andererseits zusammenreißen musste, um meine kribbelnden Finger nicht nach diesem entblößten Oberkörper auszustrecken?
Nach knappen sechzig Minuten ließen wir die Staatsgrenze von Massachusetts hinter uns und bogen auf die Interstate nach Rhode Island. Wo zum Teufel wollte er hin?
„Dan? Hast du vor auf diesem Kontinent zu bleiben?“
„Keine Sorge. Wir sind fast da.“ Er lächelte zuversichtlich. Ich schnupperte, zunehmend hungriger und beäugte ihn mit gierigem Blick. Wenn ich nicht innerhalb der nächsten Stunden einem Krankenhaus einen Besuch abstattete, steckte Dan in ernsthaften Schwierigkeiten!
Wir überquerten im Nordosten eine Brücke, die Newport mit dem Festland verband und bogen nach rechts auf eine der zahlreichen Seitenstraßen ab. Den Blick gen Osten gerichtet, tauchte zwischen den Einfamilienhäusern immer wieder ein Stückchen des schimmernden Meeres auf. Dan chauffierte uns bis an den nördlichsten Zipfel der Insel und hielt vor einem kleinen Haus, das umgeben von einem großen Grundstück, sogar über einen Privatstrand verfügte.
„Wow. Hier lebst du?“ Neugierig ließ ich meinen Blick über den gepflegten Vorgarten wandern und inspizierte die geschlossenen Fensterläden, die den Blick auf das Innere des Hauses verwehrten.
„Nicht direkt.“
Ich wartete darauf, dass er noch mehr sagte, aber er schwieg. Dan versicherte sich kurz, dass keine Menschen in der Nähe waren, dann stieg er aus dem Auto und ging zum Haus hinüber. Kurz darauf verschwand er darin, ließ die Tür aber offen stehen. Ohne zu zögern stieg ich aus. Einen Herzschlag später umhüllte mich angenehme Dunkelheit.

Es roch nicht so muffig und abgestanden wie ich angenommen hatte. Erst kürzlich musste jemand alle Fenster geöffnet und den Sauerstoffaustausch angekurbelt haben.
Dan eilte den im Dunkeln liegenden Flur entlang, ohne Licht zu machen, und verschwand in einer am oberen Ende offen stehenden Tür. Unsicher, ob ich ihm folgen sollte, verharrte ich und sah mich neugierig um. Links von mir führte eine Tür in eine winzige, saubere Küche, die klar ausdrückte, dass man dort wirklich nur zum Kochen hinging, denn es war gerade mal Platz für eine herum wuselnde gemütliche Frau in einer Schürze, die lächelnd den Kochlöffel schwang. Kopfschüttelnd ließ ich den Blick über den Gasherd, die Küchenzeile und ein breites Holzregal wandern, von dessen Regalbrettern getrocknete Kräuter baumelten. Das Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite war leer. Nur die tiefen Abdrücke im Teppich wiesen darauf hin, dass dort einmal Möbel gestanden haben mussten.
Plötzlich wurde es hell. Für gewöhnlich reagierten meine Augen nicht so extrem auf künstliches Licht. Fauchend ging ich zu Boden, eine Hand fest in das Treppengeländer gekrallt, das die schmale, helle Treppe säumte, die die restliche linke Seite des Flurs einnahm und in den ersten Stück führte. Mein Schädel dröhnte wie das Nebelhorn eines Kreuzfahrtschiffes. Glücklicherweise hatte ich mich schnell wieder gefasst. Verärgert stellte ich fest, dass das Geländer nicht so gut davon gekommen war. Ich rubbelte hastig mit den Fingernägeln über die abstehenden Holzsplitter und sammelte sie in der hohlen Hand. Als Dan zurückkam verschwanden sie gerade in meiner Tasche. Ich ignorierte das herrliche Spiel seiner Muskeln und grinste unschuldig. „Nett hier.“
„Na ja.“ Er wippte auf den Fersen vor und zurück, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und betrachtete mich stumm. „Magst du die anderen Zimmer sehen?“ Seine plötzliche Unsicherheit war eine willkommene Abwechslung.
„Gern.“
Er führte mich stumm herum, zog eine Tür nach der anderen auf und ließ mich hineinspähen. Der Anblick war ziemlich beeindruckend. Die obere Etage war wohl in letzter Zeit generalüberholt worden. Überall lag dieser kuschelweiche, cremefarbene Teppich aus. Die dunklen, robusten Möbel in allen Zimmern verbreiteten eine gemütliche Atmosphäre, die von den hellen Fenstervorhängen abgerundet wurde. Durch alle Zimmer zog sich das dekorative Händchen einer Frau, die mit liebevollen Arrangements etwas Leben in die Räume hauchte.
Hier oben ließ es sich aushalten und ich freute mich schon auf eines der großen, breiten Himmelbetten, die mich so einladend aufforderten, mich zwischen die vielen kleinen Kopfkissen zu werfen.
„Irgendwo in den Schränken müsste Bettwäsche liegen“, murmelte Dan und kniete sich vor ein Sideboard auf dem Flur.
Ich hatte den Eindruck, dass es ihm unangenehm war, dass er jemand Fremdes mit hierher genommen hatte. Schweigend reichte er mir einen Berg Wäsche, den ich bereitwillig zu meinen neuen Räumlichkeiten hinübertrug. Es mag komisch klingen, aber ich hatte seit einem halben Jahrhundert keine Betten mehr bezogen. Dafür waren immer irgendwelche Zimmermädchen oder die Bediensteten meines Freundes zuständig gewesen.
Mit hochrotem Kopf kroch ich über das Bett und war kurz davor das Bettlaken auseinander zu nehmen. Ich war so darauf fixiert, diesen frisch duftenden Stoff zwischen Bettkante und Matratze zu stopfen, dass ich Dan erst bemerkte, als er ein amüsiertes Hüsteln von sich gab. „Brauchst du vielleicht Hilfe?“
„Nein!“, giftete ich.
Abwehrend hob er die Arme, sein Blick sprach Bände. „Okay, okay.“ Er grinste. „Ich werde kurz das Haus durchlüften.“ Sein Blick glitt zu meinem Hintern. „Vielleicht solltest du etwas drunter ziehen. Nicht, dass du dich unterkühlst.“
„Ich könnte nackt durch Alaska spazieren, Dan, ohne dass ich krank werde.“
„Das heißt also, du willst den ganzen Abend so …“ Wieder er sah er zu meinem Po. „… herumlaufen?“
Sein anzüglicher Blick machte mich nervös und mir wurde klar, dass ich ganz allein mit ihm war. Etwas noch viel Schrecklicheres sickerte in mein Bewusstsein. Ich hatte überhaupt keine Klamotten dabei! Alles was ich trug war eine schwarzer, enger Rock, der bei jedem Schritt ein klein wenig nach oben rutschte und eine weiße Bluse, die so weit offen stand, dass man mir, wenn ich mich vorbeugte, bis zum Bauchnabel gucken konnte. Ein frecher Spruch lag mir bereits auf den Lippen, den ich mir allerdings verkniff. Der appetitliche Duft seines warmen Körpers verschärfte die Situation sowieso schon ungemein. Der Vampir in mir leckte sich lüstern über die Lippen und mein Zahnfleisch begann zu prickeln. „Du hast nicht zufälligerweise ein paar … Frauenklamotten im Gepäck?“
„Ah … zu dumm. Ich wusste, dass ich irgendetwas vergessen habe.“ Er schlug sich sacht gegen die Stirn und grinste noch breiter. „Tut mir leid. Ich habe nur das, was ich am Leib trage und das sollte ich wohl verbrennen.“
„Das nenn ich mal eine erstklassig geplante Entführung.“ Kopfschüttelnd kletterte ich aus dem Bett.
„Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit einem Erfolg gerechnet“, gestand Dan überraschend. „Und nur notdürftig Vorbereitungen getroffen.“
„Die da wären?“
„Strom und fließend Warmwasser.“
„Immerhin.“ Na super!
Er biss sich auf die Unterlippe, ließ seinen Blick ein letztes Mal über meinen Körper gleiten und verschwand im Flur. Seufzend ging ich zum Fenster hinüber, zog die Vorhänge weg und öffnete es. Mit einem kurzen Stupser meiner Fingerspitzen schwangen die Holzläden nach außen auf.
„WoW!“
Eine sanfte Brise wehte mir entgegen, als ich den Kopf schnuppernd aus dem Fenster hielt. Das dunkle Salzwasser funkelte wie ein Teppich aus Diamanten. Angenehme Stille hatte sich mit dem verblassenden Tageslicht über die Insel gelegt, die sich augenblicklich auch in mir ausbreitete. Ich seufzte leise.
Auf die Ellenbogen gestützt stand ich da und blickte in die Ferne.
Wie lange ich so vor mich hin gestarrt hatte, wusste ich nicht aber das rötliche Flimmern vor meinen Augen ließ mich genervt aufstöhnen. Noch nie hatte ich so lange ohne Blut auskommen müssen, da ich mich fast jede Nacht von meinem Freund nährte. Dass es nicht nötig war, nur auf ihn zurückzugreifen, wusste ich. Doch dieser Blutpakt hatte für mich persönlich etwas ganz Heiliges, etwas, das ich nicht beschmutzen wollte in dem ich meine Zähne in irgendeinen daher gelaufenen Leckerbissen rammte. Irgendwo auf dieser verdammten Insel gab es sicherlich eine Blutbank und die würde ich jetzt erst einmal aufsuchen müssen. Ich drehte mich um und strauchelte. Meine Beine fühlten sich an wie Gummi. „Scheiße.“
Ich war schon an der Tür als das Vibrieren meines Handys mich zum Bett hechten ließ. Ich rechnete mit meinem stinkwütenden Boss, immerhin hatte ich meinen wichtigen Maklertermin sausen lassen. Doch Tomas Nummer blinkte aufdringlich auf meinem Display.
Heftige Kopfschmerzen zwangen mich fast in die Knie, jeder Muskel in meinem Körper brannte wie Feuer. Mir gelang es ein gequältes Stöhnen zu unterdrücken und den Anruf entgegen zu nehmen.
„Hmm?“, schaffte ich gerade noch zu murmeln.
„Baby? Was ist los?“, rief er schrill.
In den letzten beiden Stunden hatte ich kaum an ihn gedacht, doch jetzt füllte mich seine Stimme mit wohliger Wärme aus, machte mich schlaftrunken. Ich plumpste wie ein Sack auf das Bett, das Handy fest an meine Wange gepresst. „Du fehlst mir“, schniefte ich.
„Du fehlst mir auch Baby. Wann kommst du endlich nach Hause?“
Das war eine verdammt gute Frage und ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte. Unkonzentriert wanderten meine Gedanken zurück zu einer Zeit, in der ich am liebsten durch das Telefon gekrochen wäre, um bei Toma zu sein. Bei einem Toma, der schon vor langer Zeit aufgehört hatte zu existieren.
„Der Toma von damals fehlt mir“, gestand ich. Dichte Nebelschwaden hüllten meinen Kopf ein, erschwerten das Denken. Ich versank in Erinnerungen.
Tomas glückliches Lachen drang an mein Ohr. Damals hatte ich ihm gebeichtet, dass ich total verknallt in ihn war. Er hatte mich mit aufgerissenen Augen ungläubig angestarrt und mich eine Idiotin gescholten. Gott, ich hatte ihn so sehr geliebt!
„Du meinst den unansehnlichen Einsiedlerkrebs, der ich einmal war?“ Er lachte laut. Ich heulte. Das musste am Blutmangel liegen. Ich war so aufgewühlt wie eine schwangere Frau, die gerade feststellte, dass ihre Füße anschwollen wie Luftballons.
„Genau der“, flüsterte ich voller Sehnsucht.
„Himmel, Yen! Ich bin so froh, dass diese Zeit hinter mir liegt.“
Damit stand er allein, aber das würde ich ihm nicht sagen. Ich atmete tief durch, um mich zu sammeln. „Toma?“
„Ja, Baby?“
Er würde durchdrehen, das wusste ich. „Ich … ich komme heute nicht nach Hause.“
„Du willst mich wohl verarschen?“, schnauzte er ungehalten in den Hörer. „Was soll das, Yen? Was redest du da?“
„Ich brauche Zeit zum Nachdenken.“
„Herrgott, Yen! Ist es wegen dieser Schlampe? Ich hab dir doch gesagt, dass es mir leid tut, Baby.“ Seine Stimme vibrierte, stieg um einige Oktaven.
„Das hast du auch hunderte Male zuvor, Toma.“ Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick zerspringen. Der bohrende Schmerz ließ mich die Zähne aufeinanderbeißen. Ich hatte überhaupt keine Lust auf einen Streit, aber irgendetwas in mir wollte eine Revolution anzetteln.
„Verdammt, Baby. Was soll die Scheiße? Wieso fängst du ausgerechnet jetzt damit an?“ Glas klirrte und zerbrach. Früher war so einiges an ihm anders gewesen. Da hatte er sich auch nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen. Sein entspanntes Wesen war einem mehr als temperamentvollen gewichen.
„Wo bist du? Ich komme zu dir, dann reden wir!“
Er wusste genauso gut wie ich, dass wir nur wieder engumschlungen im Bett landen würden. Toma hatte schließlich genug Zeit gehabt, um herauszufinden wie er meinen Körper geschickt um seinen Finger wickeln und gleichzeitig mein Gehirn abschalten konnte. Ich wäre nur wieder ganze zwei Stunden komplett außer Gefecht gesetzt, während ich nackt und schnaufend auf ihm liegen und er mich siegessicher angrinsen würde, weil er wieder vor einem klärenden Gespräch geflohen war. Es ärgerte mich jedes Mal maßlos.
„Heute nicht. Ich muss nachdenken“, brachte ich schwach hervor. Sein Geschrei war wie ein Morgenstern, der mir gegen die Schläfen geschmettert wurde.
„WO ZUM TEUFEL STECKST DU?“, schrie er wutentbrannt in den Hörer.
„Das ist egal.“
„EGAL? Bist du bei einem anderen Kerl? Ist es das, Baby?“ Ich schüttelte matt den Kopf. Er ahnte ja nicht, wie richtig er lag. „Yen, ich schwöre dir, wenn du dich von einem anderen ficken lässt, bringe ich ihn eigenhändig um.“
„Das ist doch lächerlich, Toma.“
„Ich mache diesen Wichser kalt.“ Die Gewaltbereitschaft in seinen Worten ließ mich frösteln. Das war eine Seite an ihm, die ich noch nicht kennengelernt hatte. „Wer ist es? Nenn mir seinen verdammten Namen.“
„Niemand hat mich angefasst, Liebling.“ Ich senkte die Stimme zu einem zärtlichen Flüsterton. „Es ist alles okay. Ich bin allein.“
„Wo ist dieser Trottel? Wo steckt Dan?“ Mein Herz stolperte heftig.
„Keine Ahnung“, murmelte ich und drückte das Gesicht in eines der kleinen Kissen. Mein Zahnfleisch pulsierte schmerzhaft, ich schmeckte Blut.
„Was soll das heißen, du hast keine Ahnung? Wo ist dieser Idiot?“
„Ich habe ihn weggeschickt, Toma. Ich wollte allein sein.“
„Um mich anzurufen und mir zu sagen, dass es vorbei ist?“ Er schnaubte laut. „Wo hast du dein Selbstbewusstsein gelassen, Baby? Seit wann versteckst du dich hinter einem Telefon?“ Seine Stimmung schlug schlagartig um. „Yen“, flüsterte er. „Bitte, Baby, sag mir wo du bist. Ich will dich sehen. Ich liebe dich doch!“
Seufzend rollte ich mich auf den Rücken. Fehlentscheidung! Mein ganzer Körper verkrampfte sich zunehmend. Zischend entwich die Luft meinen Lippen. „Ich liebe dich auch … aber ich …“
„VERLASS MICH NICHT, Yen. Ich flehe dich an!“ Verblüfft nahm ich seine leisen Schluchzer war. „Gott, ich knie hier auf dem Boden und heule wie ein Baby.“ Er schniefte ins Telefon. „Bist du noch da … Baby?“ Wieder schluchzte er in den Hörer. „Ich tu alles, was du willst, aber bitte verlass mich nicht. Lass mich jetzt nicht allein, Yen!“
Es kostete mich einiges an Anstrengung, die Lippen zu benetzen und Worte zu formen. „Gib mir … nur ein paar Tage, Toma.“ Er reagierte so lange nicht, dass ich glaubte die Verbindung sei unterbrochen worden. Nach einer gefühlten Ewigkeit stieß er ein langgezogenes Seufzen aus.
„Okay. Ein paar Tage … werde ich wohl aushalten.“
„Danke … Schatz.“
Zufrieden rollte ich mich auf dem Bett zusammen, drückte die Knie fest gegen meine Stirn. Mein Bewusstsein begann abzudriften.
„Yen?“
„Hm?“
„Ich werde mich ändern. Ich schwöre es bei meinem Leben, bei meiner Liebe zu dir.“
Ich lächelte matt.
„Und … Baby?“
„Hm?“
„Wenn du mich dann immer noch willst …“ Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Verstimmt öffnete ich die Augen. „Toma?“
„Heirate mich Yen!“
Ich lachte leise. „Mach dich nicht über mich lustig.“
„Ich weiß, dass ich auf deinen Gefühlen herum getrampelt bin, Yen. Ich bin ein Arschloch und es tut mir leid. Du hast mich damit nur so überrumpelt. Erst als du aufgelegt hast, wurde mir klar, dass du das ernst meintest. Ich kam mir vor wie ein Vollidiot.“
Warum hatte er dann nicht zurück gerufen? Wieso hatte er mich unbedingt dazu bringen müssen, den Staat zu verlassen? Hätte er sich gemeldet, ich wäre freudestrahlend in die Sonne getreten, nur um so schnell wie möglich bei ihm zu sein.
Vor meinen Augen begannen schwarze Tupfen zu tanzen. Angestrengt versuchte ich sie fortzublinzeln, aber der Teppich wurde dichter. Trotzdem drang durch diesen dichten Teppich, der meinen ganzen Kopf wie Watte ausfüllte, ein Geräusch, das mich aufhorchen ließ. „Was war das?“
„Was war was?“
„Bist du allein?“
„Sicher doch, Baby.“
Er wusste, dass ich ihm kein Wort glaubte. „Yen. Ich … ach verdammt.“ Im Hintergrund hörte ich die verschlafene Stimme einer Frau, die ihn fragte, was er für einen Lärm veranstaltete und ihn bat, wieder ins Bett zu kommen.
„Ich lege jetzt auf.“
„WARTE, YEN! BITTE! Du bist nicht hier … ich brauchte Blut.“
„Ich weiß. Es ist okay.“
„Gott, Yen! Du weißt genauso gut wie ich, dass ich von diesem verdammten Zeug abhängig bin. Ich komme keine zwölf Stunden ohne aus.“
„Ich sagte doch, dass es okay ist. Ich melde mich.“
„Yen! Ich lieb…“
Bevor ich meinen Freund heute Nachmittag dabei erwischte, wie er eine Frau mit seinem Geschlecht pfählte, hatte ich der Hausdame einen Zettel in die Hand gedrückt, mit dem Vermerk, dass im Keller wieder Blutkonserven vorrätig waren. Kurz vor dem Gang zum Büro, hatte ich einen Stopp in der Blutspendeabteilung eingelegt. Ich wusste, dass Toma gelagertes Blut zum Kotzen fand. Aber in den nächsten Tagen standen so viele Termine an, dass es mir unmöglich war, ihm mal eben meine pulsierende Vene vor die Nase zu halten. Dafür war einfach keine Zeit. Dumm wie ich eben war, hatte ich angenommen, dass er wenigstens das für mich tun würde, denn er wusste, was der Blutpakt für mich bedeutete.
Schniefend zog ich die Nase hoch. Es war okay! Er war ein Vampir, wie ich. Und wer würde schon eine Minutenterrine vorziehen, wenn sich ihm ein Fünf-Gänge-Menü darbot? Abgesehen von meiner idiotischen Wenigkeit. Warum versuchte ich auch mit aller Macht an diesem bescheuerten Pakt festzuhalten? Damals hatte er mir so viel bedeutet und nicht nur mir. Mittlerweile war ich die Einzige, die daran noch Interesse hatte.
Anstatt aufzustehen und mich endlich nach Flüssignahrung umzusehen, hieß ich die unendliche Schwärze willkommen, die sich über mich senkte. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe. Zusammengerollt wie ein Fötus lag ich auf dem Bett und wurde ohnmächtig.


Der Geruch frischen Blutes stach mir wie eine scharfe Klinge in die Nase und zerrte an meinem Bewusstsein. Ich riss die Augen auf. Nicht mehr Herrin meines Körpers, sprang ich aus dem Bett und war schon auf dem Weg die Treppe hinunter. Der intensive Duft ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen. Mit lautlosen Schritten näherte ich mich dem Ende des Flures, die Tür stand offen. Der Raum dahinter flackerte im Schein eines Feuers. Leichtfüßig betrat ich das Zimmer und sah mich suchend nach meiner Nahrungsquelle um, die soeben, frisch angezapft, auf einem Lammfellteppich vor einem prasselnden Kaminfeuer hockte. Der Mann drehte sich zu mir um und erbleichte, als er meinen hungrigen Blick bemerkte. Er sprang auf, aber ich war schneller. Mit bloßer Willenskraft drängte ich ihn auf den Rücken, ließ mich langsam auf seinem Schoß nieder. Mit schiefgelegtem Kopf musterte ich seine Hand. Ein winziger Blutstropfen perlte aus seinem Zeigefinger.
„Nur … ein Splitter“, stammelte er. Seine wunderschönen Augen starrten mich panisch an. Adrenalin heizte durch seine Blutbahn und sein Herz schlug so schnell, dass ich befürchtete, es würde platzen, was eine echte Verschwendung gewesen wäre.
Ich führte seine Hand zu meinem Mund, streckte die Zunge aus und wollte den schimmernden Tropfen ablecken. Meine Beute jedoch war für einen Sterblichen erstaunlich flink und fegte mich mit einem kräftigen Ruck von sich. Ich purzelte zur Seite und entblößte fauchend meine Zähne. Er stürmte in den Flur. Mit einem Satz war ich bei ihm, sprang ihn an und brachte ihn zu Fall. Ganz langsam schob ich mich auf ihn, vergrub meine Hände in seinem dunkelbraunen Haar und atmete tief ein. Wenn er nur annähernd so gut schmeckte, wie er roch, würde ich mir heute Nacht die Finger schmutzig machen und ihm ein Grab schaufeln müssen.
Mit der linken Hand riss ich seinen Kopf zurück, leckte über seine wild pochende Halsschlagader. Das Sekret, das mir in den Mund schoss würde die Stelle oberflächlich betäuben, damit mein Snack sich nicht schreiend unter mir wandte. So etwas war wirklich lästig.
„Yen, warte!“, keuchte er angestrengt und streckte die Arme nach vorn. Wieder schleckte ich über seine Haut. Er war wirklich köstlich. Interessiert folgte ich seinen fuchtelnden Armen, die sich in Richtung einer roten, kleinen Box ausstreckten. Ein großes weißes Kreuz war darauf zu sehen, daneben ein weißer, grinsender Tropfen. Irgendwoher kannte ich dieses Symbol.
Schnurrend rutschte ich höher und rieb meine Brüste hart an seinem Hinterkopf. Er ächzte gedämpft. Mit den Fingernägeln meiner rechten Hand rieb ich über die gesamte Länge seines rechten Armes. Die feinen Härchen auf seiner Haut richteten sich auf.
„Hast du ein Geschenk für mich?“, schnurrte ich. „Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Ich packte seine Hand, die zitternd an der Box herumfummelte und bog sie sacht nach hinten. Ganz langsam schob ich seinen verletzten Finger zwischen meine Lippen und saugte leicht daran. Der Mann unter mir stöhnte erregt. Mit der freien Hand zerdrückte ich das kleine Schloss und spähte neugierig in die Box. „Blutbeutel? Wie unromantisch.“ Ich lutschte weiter nachdenklich an seinem Finger. Gott! Er schmeckte himmlisch. Welche Vergeudung, wenn ich ihn jetzt einfach leersaugen würde. Ich entschied, dass ich mir vorerst das kalte Blut zu Gemüte führen würde.
„Du hast Glück, mein Süßer.“ Ich rollte mich zur Seite und grabschte nach einem der handflächengroßen Beutel. Das gelbe Plasma hatte sich bereits von den roten Blutkörperchen getrennt. Angewidert verzog ich das Gesicht. „Ich heb mich dir für später auf.“ Lasziv leckte ich über seinen verletzten Finger, versiegelte die Wunde und biss eine Ecke des Blutbeutels auf. Es kostete mich einige Überwindung dieses ekelhafte Gesöff in mich zu kippen, das kalt und pampig über meine Zunge in meinen Rachen rann. Meine Zellen summten elektrisiert. Mit jedem Schluck entspannte ich mich mehr, kam wieder zur Besinnung. Ich quetschte den Blutbeutel wie ein Trinkpäckchen aus, um ja keinen Tropfen Hämoglobin zu verschwenden.
Schmatzend ließ ich die leere Verpackung fallen. Ich hatte schon Besseres getrunken. Immer noch hungrig nahm ich einen zweiten Beutel heraus und schaute voller Vorfreude auf meinen Leckerbissen, an dem ich später noch ein bisschen herum lutschen wollte, vielleicht auch mehr. Er war wirklich ein nettes Exemplar seiner Gattung. Der nächste Schluck wanderte in meine Luftröhre als ich Dans Blick begegnete und sofort begriff. Heilige Mutter Gottes!
Würgend sprang ich auf, rannte ich in die Küche und hustete ins Waschbecken. Wütend über mich selber, krallte ich meine Finger an der Spüle fest. Ich hatte von ihm getrunken, von Dan!
So eine verdammte Scheiße!
Ich hatte alles, was mein Leben bisher auf einer vielleicht schrägen Basis ebnete, zunichte gemacht. Ich war fremdgegangen und hatte den Blutpakt besudelt, der mich und meinen Betthüpfer aneinander band. Ich war ein Miststück. Ein verlogenes, dreckiges Miststück, das keinen Grund mehr hatte ihrem Freund Vorwürfe zu machen. Nun war ich kein Stück besser als jeder gottverdammte Vampir auf diesem Planeten. Ich war wie sie, wie all jene, deren hemmungsloses Blutsaugen mich fast krank gemacht hatte.
Schlimmer noch, ich hatte mich selbst betrogen.
Du übertreibst maßlos

, schoss es mir kurz durch den Kopf, ehe ich ins Becken kotzte und am liebsten geheult hätte.
Selbst ein winzig kleiner Tropfen war für mich etwas, das einen ganzen Tsunami hätte lostreten können. Für mich bedeutete dieser Pakt die Welt!


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Es war nicht nur der Umstand, dass ich meinen und Tomas Blutpakt besudelt hatte, der mich geschockt auf dem Boden vor der Spüle hatte sinken lassen. Nein!
Ich hätte Dan töten können!
Auch wenn es makaber klingt, das wäre noch das geringere Problem gewesen.
Ich hätte Dan verwandeln können!
Genau das war es, was mich fast wahnsinnig machte. Ein ausgehungerter Vampir scherte sich einfach nicht darum, ob er gerade an seinem Boss, der besten sterblichen Freundin oder einfach nur an der netten Omi von Nebenan herum nagte. Deshalb hatte ich es bis dato nie dazu kommen lassen, aus eben jener Angst, über die Sterblichen herzufallen. Hätte ich jemanden meiner Rasse angegriffen, er hätte sich wehren können, aber die Menschen waren der übernatürlichen Kraft einfach nicht gewachsen. In einem solchen Moment extremen Blutdurstes war es schon öfter geschehen, dass man versehentlich einem Menschen das Gift der Untoten injizierte.
Fassungslos starrte ich vor mich her. Nicht einmal die Kraft hatte ich aufbringen könne, um Dan eine reinzuhauen, als er mich einfach auf seine Arme hob und nach oben in das Gästezimmer trug. Er setzte mich vorsichtig auf die Bettkante, behandelte mich, als wäre ich aus Knochenporzellan.
Eine falsche Berührung und ich würde in hunderte winziger Splitter zerspringen. So fühlte ich mich auch!
Mein Leben hatte sich bis dahin genau nach Plan abgespielt. Selbst das Fremdgevögel meines Freundes hatte in meiner Liste seinen Platz gefunden. Alles hatte genau seine Richtigkeit. So sehr mich der Rest meiner Art manchmal anwiderte, so stolz war ich auf mich. Jedes Mal wenn ich in den Spiegel sah, wusste ich: Ich war anders!
Ich konnte mich immer auf mich verlassen.
Bis dieser verdammte Chauffeur vor mir auf die Knie gefallen war und mich bat, seine Frau zu werden.
Ab diesem Moment an war alles aus dem Ruder gelaufen und ich Idiotin hatte auch noch für die erste Flutwelle gesorgt.

Gegen Mitternacht verließ ich das Haus, um mich im Bradley´s mit einem meiner Kunden zu treffen. Keine fünf Minuten zuvor hatte ich in sündhaft teuren Dessous auf dem Schoß meines Freundes gesessen und ihn mit meiner kreisenden Hüfte wahnsinnig gemacht.
Unser Sexleben war in letzter Zeit ein wenig zu kurz gekommen. Meistens fuhr ich nur schnell nach Hause, um in Sekundenschnelle meine Mahlzeit einzunehmen und dann wieder abzuhauen. Mein Job hatte mich wirklich voll im Griff!
Immer noch total scharf verließ ich unsere Villa. Trotz Tomas heißer Küsse hatte ich ständig an das blöde Meeting denken müssen und kam einem Höhepunkt nicht einmal auf hundert Meilen Entfernung näher. Mein Schatz hingegen hatte einen ausgequetschten Eindruck gemacht und war noch auf dem Drehstuhl eingeschlafen.
Mit geröteten Wangen eilte ich über die Auffahrt. Mein Körper glühte vor unerfülltem Verlangen. Ich musste mich wirklich zusammenreißen.
Gedanklich bereitete ich mich schon auf das Verkaufsgespräch vor. Etwas irritiert blieb ich auf dem Kiesweg stehen und musterte Dan, der nicht wie gewohnt hinter dem Steuer saß, sondern neben dem Wagen stand und mich todernst anstarrte. Sein Puls raste ungewöhnlich schnell.
Er ließ sich vor mir auf ein Knie fallen und blickte mich entschlossen an. Seine Hand, die meine umfasste, verwandelte meinen erregten Körper in eine lodernde Flammensäule. Dabei streichelte er mit dem Daumen nicht einmal über meinen Handrücken, hielt sie einfach nur fest.
„Heirate mich, Yen!“, flüsterte er.
Wow!
Langsam strich ich über seinen Handrücken, den Arm hinauf und berührte leicht seine Schulter. Ich beugte mich so weit vor, dass meine Brüste fast in sein Gesicht gedrückt wurden.
„Zeig mir doch erst einmal, was du so drauf hast, mein Süßer!“, flüsterte ich und leckte über seine Ohrmuschel.
Ich wollte ihn provozieren und wusste, dass er zu feige war, darauf einzugehen. Er war nur ein Sterblicher. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen ging ich rücklings auf das Auto zu, öffnete die Tür und ließ mich, mit dem Gesicht zu ihm, langsam auf den Rücksitz sinken. Ein Bein stellte ich in den Innenraum, das andere positionierte ich auf dem Kies. Ich wusste wirklich nicht, wieso ich mich zu dieser Show hinreißen ließ, aber ich konnte nicht anders. Allein die Vorstellung, er würde mir geben, wonach ich mich in diesem Augenblick sehnte, ließ mich leise aufstöhnen.
Und dann bewegte sich Dan auf den Wagen zu. Mit einem langsamen, geschmeidigen Gang. Nie zuvor war mir aufgefallen, wie verdammt gut er aussah, wenn er auf zwei Beinen stand. Mein Herz machte einen heftigen Satz, als er die Arme nach meinen Schenkeln ausstreckte und erneut in die Knie ging. Ich war zu verblüfft und zu erregt, um seine Hände von mir zu schieben, die begannen, den schneeweißen Tanga runterzuziehen. Plötzlich war mir egal, dass jemand im Haus die offen stehende Wagentür und den davor hockenden Chauffeur sehen konnte. Sollte die Welt ruhig untergehen, ich würde lustvoll stöhnend das Ende allen Lebens willkommen heißen. In diesem verbotenen Moment verblasste alles zur unbedeutenden Nebensächlichkeit. Sogar meinen sich aufbäumenden Verstand ignorierte ich einfach. Dans Zunge zwischen meinen heißen Schenkeln war das Einzige, das ich jetzt wollte, das ich jetzt brauchte und sie fühlte sich dort so gut an. Nicht einmal eine Minute verging, schon schlug ich laut stöhnend und zutiefst befriedigt meine Reißzähne in das Leder der Rückenlehne.



„Toma wird davon nichts erfahren, Yen. Ich weiß wie wichtig dir dieser Bund ist.“
Seine Worte waren es schließlich, die mich aus meinen weit entfernten Gedanken rissen. „Welcher Bund?“
Er streckte die Hand aus und strich über meinen Hals. Ganz sacht drückte er die Fingerspitze in die Stelle, unter der mein Blut am Kräftigsten pulsierte. Nie zuvor hatte ich mich verletzlicher gefühlt.
„Woher weißt du davon?“
„Toma hat sich oft darüber …“ Dan räusperte sich und zog seine Hand zurück. „Er hat es ein paar Mal erwähnt.“ Blitzschnell griff ich zu, packte sein Handgelenk.
„Toma hat sich oft darüber … was? Hat er sich über mich lustig gemacht?“
„Blödsinn.“
„Du nimmst ihn in Schutz?“ Wütend sprang ich auf die Beine.
„Das tue ich nicht, Yen. Jetzt ruh dich einfach ein bisschen aus.“
Fuchsteufelswild griff ich nach seiner Kehle und schob ihn so lange vor mich her, bis er mit dem Rücken an der Wand stand. „Erteil mir ja keine Befehle, mein Freund, sonst wirst du mich kennenlernen. Und jetzt REDE! Was hat Toma dir erzählt?“
Dan griff mit beiden Händen nach meinem Arm. „Willst du mich töten?“ Er sah nicht gerade verängstigt aus.
Anstelle einer Antwort drückte ich so fest zu, dass sein Kopf die Farbe einer Tomate annahm. Er würgte. Sein Kehlkopf hüpfte unter meiner Handfläche. „Beantworte meine Frage“, knurrte ich.
„Ich kann nicht.“
„DAN! Beantworte die verdammte Frage oder ich …“ Blitzschnell riss ich den Arm zurück und wich nach hinten. Was zum Teufel tat ich hier? Hatte ich wirklich damit drohen wollen, ihn umzubringen?
Hustend rieb er sich den Hals. Ich hörte mich schon an wie Toma.
„Entschuldige mich“, murmelte ich und verschwand aus dem Zimmer. Schnurstracks marschierte ich zur Haustür und verschwand nach draußen. Die warme Spätsommerluft war einer kalten Brise gewichen, die mir zwischen die spärlich bedeckten Schenkel fuhr.
Vor jedem Haus stand eine Straßenlaterne, die den Gehweg nur spärlich beleuchtete.
Mein messerscharfer Blick schnitt durch die Nacht wie Rasierklingen, darauf bedacht jedes menschliche Lebewesen, jedes noch so winzige Tier zu erspähen, das im Dunkeln über die Straße eilte oder um die Häuser schlich. Selten hatte ich mich so unbeherrscht gefühlt. Noch seltener hatte ich mich meinen unsterblichen Instinkten hingegeben. Ich rannte los.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl wie der Wind durch die leeren Seitenstraßen zu fegen und einfach nur die Freiheit zu genießen, die durch meine Haare peitschte, an meiner halb offenen Bluse zerrte und meine Brüste mit eisigen Fingern streichelte. Nach siebzehn Jahren der Verweigerung ließ ich mich dazu hinreißen, meinen Geruchssinn so zu benutzen, wie es sich für Vampire gehörte. Tief sog ich den Duft der größtenteils schlafenden Menschen ein. Ein Mischmasch aus Parfum, Seife, Schweiß und warmen, entspannten Körpern, aus denen der betörende Duft des Blutes aus jeder noch so kleinen Spalte ihrer Wohnhäuser in den Nachthimmel aufstieg. Eine gefühlte Ewigkeit lief ich umher, ließ mich ganz von der Vampirin in mir treiben und schaltete jeden noch so vernünftigen Gedanken aus.
Am liebsten hätte ich den ganzen verdammten Tag einfach aus meinem Gedächtnis gelöscht. Leider funktionierte das nur bei Sterblichen.
Wie ein Todesengel rauschte ich durch die Nacht, meine Bluse zerfledderte mit jeder Meile mehr, bis sie letztendlich nur noch in Fetzen vor meinen Brüsten hing. Da fiel mir der Grund wieder ein, weswegen ich mich dazu entschieden hatte, dass Toma und ich dringend einen Chauffeur benötigt hatten. Knapp bei Kasse waren wir nie gewesen, dennoch ärgerte ich mich jeden Tag darüber, wenn wieder ein neues, todschickes Outfit in der Mülltonne landete.
Erstaunlicherweise hatte nie jemand daran gedacht, einen Stoff zu erfinden, der den extremen Reibungen eines unsterblichen Körpers bei der Fortbewegung stand hielt. Selbst das robusteste Leder gab schnell den Geist auf!
Es war wirklich nicht besonders professionell bei einem Maklertermin aufzutauchen, wenn einem die Kleidung in ausgefransten Stoffbahnen von den Schultern und der Hüfte baumelte. Daher hatte sich auch der Großteil der zivilisierten Vampire dazu entschlossen sich auf andere Fortbewegungsmittel zu beschränken, um sich so noch mehr an die Welt der Sterblichen anzupassen.
Ich fand mich hinter einen Baum versteckt vor einem kleinen Restaurant wieder. Eine Handvoll Pickups parkte davor. Auf dem kleinen Flachdach flimmerte Reid´s Family Restaurant

in leise summenden Buchstaben. Die Bedienung machte einen äußerst gelangweilten Eindruck und goss dampfenden Kaffee in zwei große Keramikbecher. Die beiden einzigen Gäste kippten sich den Inhalt ohne zu zögern in den Rachen, knallten die Becher auf den Tisch und rülpsten so laut, dass ein schlafender Vogel in der Baumkrone über mir verschreckt aufwachte. Sein winziges Herz trommelte panisch und ließ mich, immer noch hungrig, zu ihm aufschauen. Glücklicherweise stand „kleine Vögel aussaugen“ nicht auf meiner to-do-Liste.
Die Tür des Restaurants wurde nach außen aufgestoßen und die beiden Typen spazierten nebeneinander her zu ihren Wagen. Gerade wandte ich mich ab, da ich entschieden hatte, meinen hinreißenden, halbnackten Körper einfach in die Fluten des Atlantiks zu stürzen, damit ich endlich wieder einigermaßen klar denken konnte, als der Geruch von Blut meine volle Aufmerksamkeit erregte.
Gegen meinen Willen stürzte ich hinter dem Baum hervor und sprang den Mann an, der gerade dazu ansetzte in seinen Wagen zu steigen. In seinem Mundwinkel hing der Zahnstocher, den er sich ungeschickt in das Zahnfleisch gerammt hatte. Wahrscheinlich glaubte er zu halluzinieren, als er mich mit halb entblößten Brüsten auf ihm hocken sah. Er spuckte das kleine Holzstäbchen aus. Mein Gott war ich empfindlich. Das Blut an dem Ding war kaum zu sehen, dennoch schlug mir der Geruch wie eine Eisenfaust ins Gesicht.
„Scheiße. Was ist denn mit der los?“, hörte ich den anderen Mann hinter mir rufen. Seine Schritte näherten sich. Fantastisch! Die Vampirin in mir kämpfte meinen gesunden Verstand nieder und rammte ihre scharfen Zähne in den Hals des Mannes, ohne ihn zu betäuben. Er schrie wie ein gestochenes Spanferkel und wand sich unter mir.
Nur kurz rauschte die Frage durch meinen Kopf wieso es Dan gelungen war mich abzuwerfen, als ich mich am Kamin auf ihn gestürzt hatte. Ich beachtete das jedoch nicht weiter und trank gierig aus der geöffneten Vene des Mannes.
Ein dumpfer Schlag auf meinen Hinterkopf erinnerte mich daran, dass wir ja einen Zuschauer hatten. Lässig glitt meine Zunge über die Wunde am Hals meines Opfers. Sekret tropfte in das offene Fleisch und verschloss die verletzte Haut. Unter mir ächzte der Kerl leise, gab aber keinen Ton mehr von sich.
„Hey du Schlampe! Runter von ihm.“
„Mit Vergnügen.“ Ich erhob mich, den halb entblößten Hintern schön weit nach hinten gestreckt, damit er auch ja genug sehen konnte. Langsam drehte ich mich zu ihm um. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass er mir lüstern auf die Brüste starrte.
„Scheiße.“ Er rieb sich den Schweiß von der Stirn, leckte sich die Lippen und warf einen unsicheren Blick zu dem reglosen Mann am Boden. Vielleicht hatte ich es ein wenig übertrieben. „Was hast du mit ihm gemacht?“ Zögernd wog er einen breiten Ast in der Hand.
„Ich habe sein Blut getrunken.“
Er verzog ungläubig das Gesicht und stieß ein entsetztes Wimmern aus, als ich meine Zähne entblößte.
Genug! Das reicht, Yen! Reiß dich zusammen!


Langsam, mit wiegenden Hüften, trat ich auf ihn zu, hielt ihn mit meinem hypnotischen Blick gefangen. Sein Herz jagte das Blut mit schwindelerregendem Tempo durch seinen Körper. Ich spürte die Anspannung unter meinen Händen und die Tatsache, dass alles in ihm schrie, dass er abhauen sollte. Aber er rührte sich keinen Zentimeter, wie auch. Lächelnd legte ich den Kopf auf die Seite und streichelte mit der Hand über seinen Vollbart. Für den Hauch einer Sekunde setzte sein Herzschlag aus, als meine Reißzähne seinen Halsmuskel durchbohrten. Gierig trank ich von ihm.


Seufzend schmiegte ich mich enger an den warmen Körper meines Freundes und drückte grinsend mein Gesicht zwischen seine Schulterblätter. Eine gefühlte Ewigkeit war es her, dass ich das letzte Mal neben ihm aufgewacht war. Ganz vorsichtig, um die Schlafnase nicht aufzuwecken, strich ich über seine nackte Hüfte und drückte mein Becken behutsam an seinen Hintern. Er roch wundervoll und irgendwie nach Karamell. Wahrscheinlich hatte er ein neues Duschgel ausprobiert.
Mit den Lippen strich ich über sein Schulterblatt und lauschte seiner Atmung. Kraftvoll aber ruhig schlug sein Herz, kein Anzeichen dafür, dass er aufwachte.
Wie ich so dalag und an diesen völlig gestörten Traum dachte, aus dem ich gerade aufgeschreckt war, begann sein Puls sich langsam zu beschleunigen. Um ihm den Morgen ein wenig zu versüßen, ließ ich meine Hand sacht über seinen knackigen Hintern gleiten und an seinem Beckenknochen entlang nach vorn. Toma stöhnte schläfrig und drehte sich langsam auf den Rücken. Sein bestes Stück erwachte zu voller Größe, mein Schatz jedoch schlummerte weiter. Fies grinsend setzte ich mich auf seine Unterschenkel und beugte ich mich über ihn. Genussvoll leckte ich über die gesamte Länge seines Schafts und biss sacht in sein erregtes Fleisch.
„Oh Gott …“, stöhnte es von oben und ich erstarrte, die Lippen fest um seine Männlichkeit geschlossen. Blitzschnell ließ ich von ihm ab, sprang auf und landete geräuschlos neben dem Bett. Dan schnaufte und rutschte unruhig auf der Matratze herum. Mit wild klopfendem Herzen und glühendem Schoß stand ich in der Dunkelheit. Aus Angst, er könnte mich bemerken, wagte ich es nicht einmal zu atmen. Die Minuten in denen er wieder wegdämmerte, zogen sich wie Kaufgummi in die Länge. Erst als Dan leise schnarchte, schlich ich zur Zimmertür und verschwand nach draußen. Mit dem Rücken an die Tür gelehnt, stand ich da und starrte auf die cremefarbenen Teppichfasern. Keine Sekunde lang wollte ich einen Gedanken daran verschwenden, was eben beinahe passiert wäre, denn viel wichtiger war die Suche nach dem Grund, wann und wie ich überhaupt hierher zurückgekommen war!

Das Letzte, an das ich mich erinnerte waren die beiden Männer vor dem Restaurant, an denen ich mich satt getrunken hatte. Vermutete ich jedenfalls.
„Scheiße!“
Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich den beiden die Erinnerung an den Überfall gelöscht hatte. Das war mir noch nie passiert!
Mir wurde speiübel, als ich an den Grund für meinen Blackout dachte. Klarer Fall von Überdosis. Riesig!
Erst drehte ich total durch, weil ich an Dans Finger herum gelutscht und somit den Blutpakt besudelt hatte und jetzt das! Innerhalb eines einzigen Tages hatte ich mein ganzes bisheriges Leben über den Haufen geworfen. Alles war völlig auf den Kopf gestellt worden.
Mit geballten Fäusten fixierte ich die Wand mir gegenüber. Mein Blick verdüsterte sich mit jedem Herzschlag.
Was tat ich hier überhaupt noch? Ich hatte keinen Grund mehr mich verletzt und betrogen zu fühlen. Ich sollte mir irgendetwas zum Anziehen suchen und schleunigst zurück nach Boston fahren. Toma würde ich nichts erklären müssen, er wäre sicher einfach nur froh, dass ich wieder zurück war. Trotzdem rührte ich mich nicht. Keine vierundzwanzig Stunden war es her, dass ich meine Heimat verlassen hatte, doch es fühlte sich an, als wären bereits Wochen vergangen. Seufzend tippte ich mit der linken Faust an meinen Oberschenkel und stieß mich von der Tür ab. Davon abgesehen, würde sich Dan ganz bestimmt weigern, mich zurückzufahren. Ich müsste mir ein Taxi nehmen. Allerdings besaßen die Fahrzeuge weder abgedunkelte Fenster, noch würde sich einer der Fahrer dazu breitschlagen lassen, mich nachts quer durch zwei Bundesstaaten zu fahren. Gedankenverloren verbarrikadierte ich mich in meinem Badezimmer und stieg unter die dampfende Dusche.
„Jeder hat seinen Preis“, murmelte ich und überlegte, wie viel Bargeld ich dabei hatte. Wenn möglich würde ich eine Bank aufsuchen müssen. Leider konnte ich schlecht mit einem Badetuch bekleidet in eine der Filialen spazieren, um Geld von meinem Privatkonto zu holen.
Mit geschlossenen Augen legte ich den Kopf in den Nacken und genoss das heiße Wasser, das in weichen Tropfen auf meine nackte Haut prasselte wie Regen. Wasserdampf beschlug die verglasten Duschwände ringsum, das Bad verblasste zu einer milchigen Masse. Mit einem Murren beendete ich die Entspannungsphase und verteilte Cremeseife, die in einer kleinen, weißen Flasche auf dem Kabinenboden stand, auf Haut und Haar. Erst als meine Hände von ganz allein ihren Weg zwischen meine warmen, feuchten Schenkel fanden, wurde mir bewusst, wie sehr ich mich danach sehnte, zurück in Dans Schlafzimmer zu gehen und dort weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte. Das Gefühl seines erregten Körpers unter mir, Der Duft seiner warmen Haut, sein Geschmack auf meinen Lippen, all das sorgte dafür, dass ich länger als nötig im Bad blieb. Erst als ich jeden Moment in vollen Zügen ausgekostet hatte, stellte ich das heiße Wasser ab und taumelte mit weichen Knien zur Tür. Erschöpft und klitschnass plumpste ich auf das Bett und schämte mich. Nicht für das was ich getan, sondern für das, woran ich dabei gedacht hatte.
Mir war wirklich nicht mehr zu helfen!
Bevor ich ganz in Selbstmitleid versank, rollte ich mich auf die Seite und entdeckte auf einem Sessel vor dem Fenster einen weißen Kissenbezug. Erst bei näherem Betrachten, bemerkte ich, dass der Bezug ein Hemd war. Ein großes, breites Hemd. Stirnrunzelnd stand ich auf und fragte mich wem es gehört haben könnte. Vorsichtig schnüffelte ich daran. Es war sauber. Schulterzuckend trocknete ich mich ab und schlüpfte in das Zweimannzelt.
Ungeduldig krempelte ich die Ärmel hoch und beschloss erst einmal nach meiner Handtasche zu suchen und ein paar geeignetere Klamotten zu organisieren. Meine hellblaue Lieblingsjeans und das weite Kiss-T-Shirt wären jetzt ideal gewesen, darin fühlte ich mich am wohlsten. Gähnend trat ich auf den Flur. Erschrocken zuckte ich zusammen und duckte mich schutzsuchend in eine Ecke. Dan war aufgestanden und werkelte unten in der Küche herum.
Mist!
Dabei hatte ich auf eine paar ruhige Stunden auf der Wohnzimmercouch gehofft. Nur mit Mühe fasste ich mich wieder und stieg die Treppenstufen hinab. Auf halber Höhe kam Dan aus dem kleinen Raum, einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er mich. Er trug nichts weiter als eine viel zu große Jogginghose, die locker auf seiner Hüfte hing. „Habe ich dich geweckt?“
„Wieso bist du schon wach?“, entgegnete ich.
„Schon? Es ist fast Mittag.“
Er grinste breit und tat so, als hätte ich gestern nicht versucht ihn zu erwürgen. Befangen senkte ich den Blick auf meine nackten Füße. „Dan … ich … es tut mir leid. Ich wollte dir nicht …“
Mir wollten keine treffenden Worte einfallen.
„Ja?“
Ach, verdammt! Ich hatte wirklich gehofft, dass er mich unterbrechen und mir sagen würde, dass es ihm gut ginge und ich mir keine Gedanken machen solle. Aber das tat er nicht. Dan hielt mich in seinem Blick gefangen und wartete geduldig auf meine Worte. „Ich wollte dich nicht angreifen“, murmelte ich schließlich. „Ich habe die Kontrolle verloren und das tut mir leid.“
Er kniff die Augen zusammen und musterte mich eingehend. „Deine Sachen liegen in der Küche.“ Mit diesen Worten schlurfte er ins Wohnzimmer und ließ mich verwirrt zurück. Stirnrunzelnd spähte ich um die Ecke und keuchte entsetzt. Mit einem Satz stand ich vor der Spüle und inspizierte entsetzt die Überreste meiner Kleidung. Von der Bluse war fast nichts mehr übrig. Fleckige Stoffstreifen hingen vom Kragen herab, die Knopfleiste und die Ärmel waren ganz abgerissen und lagen weiß Gott wo in Newport verstreut. Von dem Rock war auch nicht mehr viel übrig. Das konnte ich noch irgendwie auf meine Fortbewegung schieben, die kleinen Bluttropfen auf meiner Bluse hingegen nicht.
„Oh nein“, hauchte ich benommen.
So wie sie aussah, hatte ich während meiner kleinen Tour irgendjemanden schlimm zugerichtet, oder dieser jemand mich, oder besser gesagt meinem Rock. Die Bluse hatte schon bei meiner Ankunft vor dem Restaurant schlimm ausgesehen. Zitternd krallte ich die Hände in die mickrigen Überreste meines Outfits. Was dachte Dan jetzt wohl von mir, und wieso zum Teufel war mir das so wichtig? Ich war ein Vampir, herrgott nochmal. Das wusste er. Er wäre wohl kaum so naiv und würde uns als harmlos einstufen. Dennoch! Ich wollte nicht, dass er mich für ein blutrünstiges Monster hielt. Aber vielleicht war ich zu eben jenem Monster letzte Nacht mutiert. Ein Vampir mit einer Überdosis Blut war unberechenbar. Mein Magen knotete sich zu einem schmerzenden Klumpen. Oh Gott! Was hatte ich angestellt?
„Wo warst du letzte Nacht?“ Ich hatte angenommen, er würde im Wohnzimmer verschwinden, stattdessen stand er wieder im Flur, keine Armlänge von mir entfernt, den aufmerksamen Blick auf mich gerichtet.
Was sollte ich darauf antworten? Die Wahrheit? Schulterzuckend drehte ich mich ganz zu ihm. Schweigend nippte Dan an seiner Tasse, den Blick unverwandt auf mich gerichtet. „Toma hat mich angerufen“, wechselte er das Thema.
Meine Gedärme verkrampften sich. „Was wollte er denn ausgerechnet von dir?“
Dan wirkte erstaunlich ruhig, lächelte sogar. „Er hat mir aufgetragen auf dich aufzupassen.“
Ungläubig starrte ich ihn an. „Er hat WAS?“
Er grinste nun noch breiter und zuckte mit den Schultern. „Er vertraut mir.“
„Blödsinn! Toma traut doch keinem Mann in meiner Nähe.“
„Dann wäre ich wohl der Erste.“ Seine Augen funkelten verräterisch. „Wenn er wüsste, was ich mit dir vorhabe …“ Seine Zähne bissen sacht in seine volle Unterlippe. Rasch wich ich vor dem ausgestreckten Arm zurück und stieß mit dem Rücken, das Bündel Kleider an mich gedrückt, gegen den Türrahmen.
„Ich werde zurückfahren. Noch heute.“
„In dem Outfit? Ich könnte mir vorstellen, das Toma eine Menge Fragen stellen wird.“
„Das ist mir egal“, erwiderte ich stur.
„Ist es das wirklich?“ Wieder kam er auf mich zu. Es wäre albern gewesen, wie ein verschüchtertes Mädchen weiter vor ihm zurückzuweichen, also blieb ich stehen. „Wenn ich das richtig verstanden habe, werde ich nicht lebend aus dieser Sache herauskommen.“ Er lehnte sich an mich, einen Arm über meinem Kopf an den Türrahmen gedrückt und wickelte eine meiner feuchten Haarsträhnen um den Zeigefinger. „Willst du das wirklich?“
„Toma wird von dieser Sache nichts erfahren.“
„Nicht von dir.“
Wütend biss ich die Zähne zusammen. Ich hatte jetzt wirklich andere Probleme als mich mit diesem angeblich schwerverliebten Trottel zu beschäftigen, der megascharf darauf war, sich von Toma in der Luft zerfetzen zu lassen.
„Wenn du sterben willst, Dan, warum springst du dann nicht einfach von einer Brücke?“, giftete ich. Seufzend beugte er sich vor, murmelte „Deswegen“ und küsste mich. Es war keiner dieser Machoküsse, mit denen ein Mann einer Frau zeigen wollte, dass sie ihm verfallen war und dass er das auch wusste. Dieser Kuss war so zärtlich, dass meine innere Stimme leise seufzte und mein Gehirn gerade dabei war Befehle an meine Arme weiterzuleiten, damit sie sich um seine Nacken legten.
„Männer“, murmelte ich und spürte, wie mein eiserner Widerstand dahin schmolz. „Dan …“
„Nicht jetzt.“ Der Kuss zog sich quälend in die Länge und mit jeder Sekunde drifteten meine Gedanken weiter ab.
Konzentrier dich Yen!


Ich versuchte es, wirklich! Doch als er endlich seinen Mund öffnete und sich unsere Zungen berührten, war mir einfach nicht mehr zu helfen.
Irgendwo, in einem Newporter Leichenschauhaus lagen vielleicht die leblosen Körper meines mitternächtlichen Ausflugs, schlimmer noch, vielleicht torkelten die Männer auch gerade durch die Gegend und verkündeten, dass sie von einer heißen Frau angefallen worden waren. Jeder Vampir im Bundesstaat Rhode Island würde glauben, dass ein unzivilisierter Blutjunkie oder ein Neugeborener sein Unwesen trieb. Was natürlich sofort die Polizei auf den Bildschirm rufen würde. Ihre klitzekleine unsterbliche Spezialeinheit würde in Nullkommanichts erfahren, dass ICH diejenige gewesen war, die die beiden Sterblichen einfach liegen gelassen hatte. Sie würden meine Spur zu Dans Haus zurückverfolgen und wir beide säßen in ernsthaft beschissenen Schwierigkeiten. Immerhin hatte ich damit die gesamte Vampirbevölkerung in Gefahr gebracht. Nicht auszudenken, wie die Menschen reagieren würden, wenn an die Öffentlichkeit drang, dass die Blutsauger aus den schlimmsten Alpträumen in der Tat unter ihnen wandelten und ab und an ihren Lebenssaft abzapften. Die mittelalterlichen Aufstände wären einen Scheißdreck gegen das, was uns dann erwarten würde. Und sicherlich war kein Sterblicher mehr so naiv, dass er mit Weihwasser und einer Knoblauchknolle vor uns herumtanzte und einen auf Exorzisten machte.
Während sich da draußen also möglicherweise schon ein Aufruhr bildete und laut protestierend nach Vampiren schrie, ließ ich meine Hand von Dan nach unten führen.
„Mach einfach da weiter, wo du vorhin aufgehört hast“, murmelte er und küsste mich heftiger. Ich hingegen erstarrte, eine Hand um sein steifes Geschlecht gelegt.
„Ich weiß nicht ...“ Er stieß aufreizend stöhnend in meine Hand.
„Oh doch, Yen. Ich bin mir sicher, dass du genau weißt, wovon ich rede.“
Verdammter Mist! Da hatte jemand seinen Körper aber erstklassig unter Kontrolle, wenn er in der Lage war, sich schlafend zu stellen, ohne dass ich es merkte. Dieser Bastard! Ich presste die Lippen fest zusammen, stemmte meine Hände gegen seine Brust und konzentrierte mich auf meine Kräfte. Es kotzte mich an, dass dieser Mensch sie einfach außer Gefecht setzen konnte. In seiner Gegenwart fühlte ich mich erschreckend normal. Ich fühlte mich wie eine schwache Sterbliche und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich wollte diese Dinge nicht spüren, diese Verwirrtheit, diese Scham, wenn er mich berührte. Verlegen zu sein, hatte ich vor Jahrhunderten verlernt und nun kroch die Schüchternheit zurück in meinen Verstand, brachte mich zum Erröten und zum Stottern. Herrgott nochmal! Ich war eine starke, selbstbewusste Frau. ICH gab den Ton an!
Mit dieser Überzeugung gelang es mir endlich Dan zurückzudrängen. Er stolperte wegen der Jogginghose, die sich um seine Füße gewickelt hatte.
„Es war nur ein Unfall!“, presste ich, bemüht ruhig zu bleiben, hervor.
„So wie gestern?“ Er grinste dieses unverschämte Grinsen und meine Knie wurden weich.
„Als ich aufgewacht bin, hatte ich all das für einen schlechten Traum gehalten und dich …“ Ich brachte die Worte einfach nicht über die Lippen, da sie sofort in meinem Kopf Gestalt annehmen würden
„Ich bin ganz Ohr.“ Er stand immer noch mit heruntergelassener Hose da und grinste selbstgefällig. Der konnte was erleben.
„Ich habe dich in dem Irrglauben angefasst du seist Toma“, verkündete ich und sah ihn ungerührt an. Das saß. Er versuchte vergeblich, sich nichts anmerken zu lassen, aber das verräterische Funkeln war aus seinen Augen gewichen, die mich nun ausdruckslos anblickten. Ohne ein weiteres Wort bückte er sich und zog die Hose wieder hoch.
„Wo wir das geklärt hätten und du nun weißt, dass ich deinem unwiderstehlichen Charme nicht verfallen bin, brauchen wir ein paar Klamotten. Ich muss in die Stadt.“
„Du findest meinen Charme unwiderstehlich?“ Er sah mich ehrlich verblüfft an.
Schon geriet mein Selbstbewusstsein wieder ins Wanken und ich errötete. Die Hitze kroch mir unaufhaltsam den Hals hinauf und brannte in meinen Wangen.
„Wie ich bereits sagte, ich muss dringend in die Stadt.“ Lenkte ich ein, um ihm das dämliche Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. „Wo hast du die Hose her?“
„Eh … vom Dachboden.“
„Fein. Wo ist der?“
„Yen. Die Klamotten werden dir nicht passen.“ Er zupfte an seinem Hosenbein und dehnte den schlabbrigen Stoff um vier beinbreit. „Davon einmal abgesehen, hat die Sonne gerade ihren Zenit erreicht. Es wäre verrückt, da raus zu marschieren.“ Prüfend sah er mich an, dann fiel sein Blick auf das Bündel Stofffetzen, das ich immer noch mit der rechten Hand umklammert hielt.
„Wieso willst du in die Stadt? Was ist mit Toma?“
„Dahin fahren wir danach. Ich muss vorher etwas Dringendes erledigen.“
„Wir?“
„Du bist mein Chauffeur, schon vergessen?“
„Eigentlich arbeite ich für diesen Wichser. Warum sollte ich also auf dich hören und dich in der Gegend herumkutschieren, Süße?“
Mein Herz raste bei dem Kosename wie ein Schnellzug. „Es ist wichtig.“
Wieder musterte er das Bündel in meinem Arm. „So wichtig, dass du diesen Scheißkerl warten lassen willst?“
„Er ist kein Scheißkerl. Könntest du BITTE aufhören ihn ständig zu beleidigen?“
„Warum?“
„Weil ICH es sage.“
„Baby. Ich sagte doch gerade, du hast keine Befehlsgewalt über mich.“
Wütend und unglaublich menschlich stampfte ich mit dem Bein auf. Überrascht hob er beide Augenbrauen.
„Warum willst du in die Stadt“, wiederholte er die Frage. Dan streckte den Arm nach den Überresten meines Outfits aus. Meine verkrampfte Haltung entging ihm nicht. „Was ist so wichtig?“
„Das geht dich nichts an“, zischte ich. „Fahr mich einfach.“
Er schnalzte mit der Zunge und faltete den weißen, blutbefleckten Stoff auseinander. „Baby. Dieser Ton gefällt mir gar nicht.“
Dieser blöde Scheißkerl genoss sichtlich, dass er nun am längeren Hebel saß. Ohne den Wagen, mit seinem Spezialglas, das die UV-Strahlen auf ein Mindestmaß herausfilterte, wäre es blanker Selbstmord nach draußen zu gehen. Da ich nie gelernt hatte, ein Auto zu fahren, war ich auf Dan angewiesen. Aber ich würde ums Verrecken nicht auf die Knie fallen und ihn anbetteln.
„Du hast wohl die Kontrolle verloren“, murmelte er nachdenklich.
„Ich?“ Ich lachte übertrieben, fast schon hysterisch. Mir lief die Zeit davon. „Ich verliere nie die Kontrolle.“
Er grinste, diesmal besonders boshaft, reichte mir die Bluse und drehte sich zu dem kleinen weißen Wasserkocher um. „Möchtest du einen Kaffee?“ Er wandte mir seinen breiten, muskulösen Rücken zu und ich widerstand dem Drang, meine Fingernägel in sein Fleisch zu bohren und ihm die Haut zu zerkratzen. „Trinkst du ihn schwarz?“
„DU WEISST DASS ICH KEINE VERDERBLICHE NAHRUNG ZU MIR NEHME!“, schrie ich unbeherrscht. Betont langsam drehte er sich zu mir um. „Also keinen Kaffee?“ Er wartete, dann zuckte er mit den Schultern. „Auch gut. Dann bleibt mehr für mich übrig.“
Mit einem lauten Scheppern zerschellte die volle Kaffeetasse an der hässlichen Tapete. Mir war nicht bewusst, dass ich mich überhaupt bewegt hatte. „Da hat wohl schon wieder jemand die Kontrolle verloren.“ Seine spitze Bemerkung brachte mich zum Explodieren. Ich griff ihm hart ins Genick und zerrte ihn über den Flur ins große, gemütliche Wohnzimmer. Mit Leichtigkeit stieß ich ihn auf das Lammfell vor dem Kamin.
„Es wäre mir ein Vergnügen, deinen Arsch hiermit aufzuspießen.“ Lässig schwang ich den schwarzen Kaminhaken in der Luft, den ich aus dem Ständer neben dem Kamin gefischt hatte.
„Drohst du immer mit Schmerzen oder dem Tod, wenn etwas nicht so läuft, wie du es gerne hättest?“
Schulterzuckend strich ich mit den lackierten Fingernägeln über das Schmiedeeisen. „Du lässt mir gar keine Wahl.“ Fies grinsend piekste ich ihm in die Rippen. Ein kleiner Rußfleck blieb auf seiner Haut zurück. „Ich bin ein Vampir, Dan. Ich weiß wirklich nicht, wieso du auf die Idee kommst, du könntest deine sterblichen Spiele mit mir spielen.“
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte. Erst leise, dann immer lauter, bis er sich kichernd am Boden krümmte. „Du hältst dich für einen von denen? Für einen wie Toma?“ Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Yen. Ehrlich! Wir wissen beide, dass du anders bist. Du bist der ungewöhnlichste Vampir, der mir je über den Weg gelaufen ist.“ Er rappelte sich langsam wieder auf und ignorierte den Haken in meiner Hand. „Während der Rest deiner Rasse herum vögelt wie die Weltmeister und jeden dahergelaufenen Menschen aussaugt, hockst du in deiner hübschen kleinen Villa oder gehst fleißig arbeiten. Du bist deinem Freund treu, der jeden Tag eine andere Schlampe flachlegt und hungerst lieber, bevor du dich an jemand anderem nährst.“
„Du übertreibst“, stieß ich wütend hervor.
„Glaubst du, ja? Wer fährt wohl ständig diese ausgezehrten Mädchen zurück in die Stadt, während du von einem Maklertermin zum nächsten rennst? Na? Wer?“
Jetzt erhob er sich ganz und bäumte sich mit plötzlich wutverzerrter Miene vor mir auf. „Wer, Yen? Sag mir wer wohl am besten weiß, was dein Freund treibt, wenn du nicht da bist. SAG ES MIR!“, polterte er los. Erschrocken zuckte ich zusammen und ließ meine potentielle Waffe fallen.
Gekränkt wirbelte ich herum. Er log! Toma betrog mich schon seit fünfzehn Jahren ab und an, aber jeden Tag? Das konnte unmöglich sein! Das würde Toma niemals machen, dafür liebte er mich zu sehr!
Dan griff nach meinem Handgelenk und zerrte mich herum. „Wie naiv bist du eigentlich? Hast du wirklich geglaubt er würde dir irgendwann treu sein? Er? Der schon jedes gottverdammte Weib in Massachusetts in euer Bett geschleift hat? Glaubst du wirklich, dass euer Blutpakt ihm irgendetwas bedeutet? Dass DU ihm irgendetwas bedeutest? Er nutzt dich aus Yen, dich...“ So fest ich konnte schlug ich ihm ins Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite, aber er blutete nicht. Alle Knochen waren noch heil. Die Wange schwoll nicht einmal einen Millimeter an. „Glaubst du wirklich, er liebt dich?“ Dan lachte, verhöhnte meine Dummheit ganz offen. Wieder holte ich aus. Er fing meine Faust einfach ab. Entgeistert erstarrte ich. „Glaubst du allen Ernstes dass er sich jemals ändern wird?“ Dan schwang seine Hand, mit der er meine Faust gefangen hielt, grob vor und zurück.
Nein. Ich hatte nie daran gezweifelt, dass Toma sich nicht ändern würde. Ich wusste es von dem Moment an, in dem er seine neu entdeckten Kräfte und seine unsterbliche Anziehung in den Clubs testete. Als die erste Sterbliche ihm willenlos auf der Tanzfläche zuflog, war ich mir sicher, dass ich es verbockt hatte. Toma würde nie wieder der sein, der er gewesen war, als wir uns zum ersten Mal trafen, der Toma, an den ich mein Herz verloren hatte. Doch aufgegeben hatte ich nie und ich würde es auch jetzt nicht. Kommentarlos riss ich mich von Dan los.
„Ich muss in die Stadt, wenn du also bitte den verdammten Wagen vorfahren würdest?“ Ich ließ ihn einfach stehen, lief in mein Zimmer. Wütend stapfte ich auf und ab, raufte mir die Haare und knirschte mit den Zähnen. Das Ganze dauert knapp zwanzig Sekunden, dann marschierte ich zu dem Himmelbett und öffnete eine der seidenen Schleifen, mit denen die Vorhänge zur Seite gebunden worden waren. Mit zitternden Fingern knotete ich sie unterhalb meines Busens fest und drapierte das Band. Ich warf einen kurzen Blick in den deckenhohen Spiegel im Badezimmer und verzog das Gesicht. Wenigstens würde mir keiner in Newport diesen Stilbruch übel nehmen, da ich glücklicherweise Niemanden persönlich kannte.
Mit aller Macht kämpfte ich die Tränen nieder und wühlte in der Handtasche nach dem sündhaft teuren Mascara, den mir Toma zu meinem Geburtstag geschenkt hatte. Ich schluchzte laut als ich mir die Wimpern tuschte. Dann atmete ich tief durch und rief mich zur Ordnung. Jetzt war einfach nicht die Zeit für irgendwelche emotionalen Ausbrüche. Meine bodenständige Existenz hing am seidenen Faden. Um den ganzen beschissenen Rest würde ich mich später kümmern.
Als ich die Treppen hinunter eilte, stand die Haustür einen Spalt breit offen. Der Motor des Mercedes brummte leise. Erleichtert sackte ich gegen die Wand neben der Treppe und brauchte einen Moment, um mich zu sammeln.


„Wohin?“, fragte Dan steif.
Ich machte mich auf dem Rücksitz ganz klein und versuchte der schmerzhaften Strahlung zu entkommen, die zwar in geringen Dosen, aber immer noch gefährlich stark durch die Seitenfenster drang.
„Reid´s Family Restaurant“, keuchte ich und kniff die Augen zu.
Es war hirnverbrannt in der Mittagssonne in einem für meinen Geschmack viel zu langsamen Auto herumzukurven.
Für die Strecke, die ich in der Nacht in kürzester Zeit gelaufen war, brauchten wir fast zehn Minuten. Dan parkte vor dem Restaurant.
„Du musst reingehen und dich umhören. Versuch herauszufinden … ob …“
Ein stechender Schmerz peitschte durch meinen Körper.
„Yen. Das ist doch verrückt!“, stieß Dan entsetzt hervor.
„Geh! Und finde heraus, ob man … zwei Männer vor dem Laden hier gefunden hat und wo man sie … wo sie … hingebracht wurden.“ Ich rutschte zwischen die Sitzreihen und krümmte mich hinter dem Fahrersitz zusammen. „GEH, VERDAMMT NOCHMAL.“
Dan sprang so schnell er konnte aus dem Wagen. Dabei fiel mir auf, dass er ein übergroßes weißes T-shirt trug. Wäre es eine weniger lebensbedrohliche Situation gewesen, hätte ich mich über ihn lustig gemacht. „Und beeil dich“, flüsterte ich schwach. Schnaufend krallte ich meine Finger in die Fußmatte und summte einen dieser schrägen Popsongs, den ich vor wenige Tagen im Büro gehört hatte. Unterdessen breiteten sich bestialische Schmerzen auf meinem Rücken und den Armen aus. Unsicher öffnete ich die Augen und begutachtete meine Haut, sie war leicht gerötet und fühlte sich jetzt schon an, als stünde ich in Flammen. Oh Gott, wie würde es dann erst sein, sich direkt der Sonne auszusetzen?
„Hey? Sie können doch nicht einfach meine Tischdecken klauen!“, keifte eine Frau. Schon wurde die Wagentür aufgerissen, Dan sprang auf den Fahrersitz und raste mit durchdrehenden Rädern davon, das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten. Ohne sich umzudrehen, warf er mir mehrere zusammengeknüllte Stoffdecke über den Kopf.
„Sie sind am anderen Ende von Newport, Yen. Das ist lebensmüde!“ Er klang gehetzt und panisch zugleich. „Bist du sicher …“
„Ja“, unterbrach ich ihn. Meine Stimme klang entmutigend zittrig.
Während er wie ein Verrückter über den Asphalt heizte und mit Sicherheit ein Dutzend Gesetze brach, konnte ich nicht umhin, seine Fürsorge zu bewundern. Erst besorgte er mir die Blutbeutel, weil er wusste, dass ich mich von keinem anderen außer Toma nährte und jetzt das hier. Sein Verhalten verwirrte mich.
Er hatte recht! Jedes Mal wenn ich bei ihm auf Granit biss, begann ich wie ein Kind um mich zu schlagen und ihn zu verletzten. Und er? Er war trotzdem nett zu mir. Ich verstand es einfach nicht, weder ihn, noch mich.

In der Innenstadt von Newport gerieten wir auf eine stark befahrene Straße. Dan drosselte gezwungenermaßen das Tempo. Unter den Decken wurde es allmählich sehr heiß, ich spürte, wie die Luft dünner zu werden schien. Meine Kehle war völlig ausgedörrt und meine Zunge fühlte sich dick und rau an. Schwarze tupfen führten einen schwindelerregenden Tanz vor meinen Augen auf. Immer wieder schüttelte ich den Kopf, um bei Bewusstsein zu bleiben, während Dan wie ein Verrückter die Hupe betätigte. Meine Haut brannte, als hätte ich in Säure gebadet. Blasen bildeten sich auf den Armen, schwollen an und zerplatzte fast sofort mit einem leisen Zischen. Widerwärtig stinkende Flüssigkeit durchtränkte das weiße Hemd, das ich am Leib trug. Ich begann unkontrolliert zu zittern. Jeder Muskel in mir verkrampfte sich, zog sich weiter zusammen. Meine trockenen, aufgerissenen Lippen presste ich wie zu einem Kuss fest gegen die Knie. Ich verkörperte nur noch ein zitternden, stinkenden Haufen aus Fleisch und Knochen.
Meine Gedanken drifteten ab, verschwammen. Alles in mir fühlte sich an wie matschige, körperlose Pampe. Ich bekam keine Luft mehr. Der Tupfenteppich wurde zunehmend dichter. Das Stimmengewirr außerhalb des Wagens verklang zu einem leisen Dröhnen, das stetig abnahm, bis es nur noch ein unterschwelliges, hauchzartes Summen war. Dieser Ton begann zu pochen, wie der Schlag eines menschlichen Herzens, wurde langsamer und langsamer. Ich wusste, dass es das versagende Schlagen meines eigenen lebensspendenden Organs war. Mir blieb keine Möglichkeit mehr, Angst zu empfinden, da meine Wahrnehmung mittlerweile so außer Gefecht gesetzt worden war, dass ich mich wie Seetang auf dem Meeresboden fühlte. Zwischen tödlichen Naturgewalten eingekeilt, von einer erstaunlich erdrückenden Stille umgeben, begab ich mich in mein Schicksal. Immerhin hatte ich es versucht! Mir konnte wirklich niemand unterstellen, dass ich nicht alles daran gesetzt hatte, um mein Leben wenigstens einigermaßen wieder in den Griff zu bekommen.
„Beweg dich, Arschloch, oder ich fahr deinen verdammten Schädel …“
Seufzend sackte ich hinter dem Fahrersitz zusammen. Endlich war es vorbei. Die Sonne hatte gewonnen …


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Dass das Sterben unangenehm sein würde, war mir schon immer klar. Wenn mir jedoch zu Lebzeiten jemand geflüstert hätte, dass der Tod selbst weitaus schmerzhafter sein würde, ich hätte vermutlich gelacht. Angst vor dem Sterben verspürten sie doch fast alle. Den Tod jedoch, wenn der erschlaffte Körper auf dem Sterbebett lag und der Geist diesem anziehenden Licht folgte, seinen Wirt verließ, stufte ich eigentlich als einen Prozess ein, der frei jeglicher Qualen ablief.
Zumindest hatte ich Unwissende dies angenommen.
Dem war leider nicht so.
Den Körper in seidige Stille gehüllt, wartete ich auf die Erlösung. Völlig entspannt, von allen Kräften freigesprochen. Doch strahlendes, warmes Licht gab es nicht für mich. Mir sendete der Himmel Stacheldraht!
Grob geflochtener Draht mit messerscharfen Metallhaken. Und diese verdammten Dinger strömten durch jede Arterie und Vene, selbst durch die hauchzarten Kapillaren meines Blutkreislaufs. Wie geifernde kleine Teufel peinigten sich mich, rissen mein Innerstes in Fetzen. Meine Seele, mein Verstand, alles schrie. Ich litt Höllenqualen.
Der Schrei, der sich von meinen Lippen löste, war so markerschütternd, dass ich keuchend zurück in die Gegenwart geschleudert wurde. Wie ein verletztes Tier heulte ich, stieß ein bestialisches Brüllen aus und knurrte. Ein Teil von mir schämte sich für diese animalischen Laute, dem Rest war es scheißegal. Jeder, der noch halbwegs bei Verstand und in der Nähe war, würde die Flucht ergreifen. Ich sehnte mich nach einem mutigen Jäger, ganz gleich ob Mensch oder Vampir. Hauptsache er kam, um das Monster in mir von dieser Folter zu erlösen. Ich wollte nur noch sterben.
Irgendwo wurde eine Tür aufgerissen.
Panische, erschrockene Stimmen, schnelle Schritte, rasende Herzschläge. All das bohrte sich betäubend laut in meinen Schädel. Der Stacheldraht wickelte sich um mein Gehirn, zog sich immer fester zusammen. Ich wurde zurückgerissen, festgehalten und angestarrt. Nackte Panik wallte in mir hoch, brachte mich zum Würgen.
„YEN! Was ist mit ihr?“
„Raus!“
„Was hat sie?“
„ICH SAGTE RAUS!“
„Scheiße! Welcher Vollidiot hat ihr die Infusion angehängt?“
Wutentbrannt schlug ich um mich, bäumte mich unter der Macht der Dornen auf.
„Seien Sie doch vernünftig, Sir! Das ist nur Kochsalzlösung.“
„RAUS MIT DIESER VERDAMMTEN NADEL ODER ICH NAGEL IHREN DÜRREN ARSCH AN DIE WAND!“, schrie jemand unbeherrscht. Stöhnend kniff ich die Augen zusammen, wandt mich unter den Händen, die mich nach unten drückten.
Ich öffnete schnaufend die Augen. Es dauerte lang bis die hellen formlosen Flecken sich zu einem Gesicht verbanden und die Konturen sich schärften. Die wasserstoffblonden Haare, die himmelblauen Augen mit den grasgrünen Sprenkeln und die schiefe Nase konnten nur einem gehören. Oh nein!
„..rad?“ Verärgert schnalzte ich mit der Zunge. „Brad?“ Mein Gehirn schwappte umher wie ein rohes Ei. Die Welt drehte sich und die spitzen Metallhaken zupften anhaltend schmerzhaft an den Wänden meiner Blutgefäße. Wieder eine Welle unerträglicher Qualen. Zehen und Finger bohrte ich gleichermaßen verkrampf in die weiche Unterlage, vielleicht eine Matratze.
„Oh Gott“, keuchte ich und drückte das Rückgrat durch.
Jedes noch so winzige Geräusch verwandelte sich in gezackte Glasscherben, die mir jemand mit unbändiger Wut in den Gehörgang rammte, gleichzeitig schlug er mit einem Nagelbrett gegen meine Schläfen. Eisige Ketten rissen an meinen Gliedmaßen. Muskeln schienen zu zerfetzen, Knochen zu bersten.
„Ganz ruhig. Es ist gleich vorbei, Yuma“, flüsterte Brad.
Oh Gott! Nicht das auch noch! Ich stöhnte entsetzt. Er verstand es als Schmerzenslaut und tätschelte sacht meine Stirn. „Alles okay. Das Zeug ist gleich raus aus deinem Körper.“
Was zum Henker machte er hier in Newport? Und wieso klebte getrocknetes Blut an seinem Kinn? Trotzt einer scheinbar sorgfältigen Reinigung, konnte ich die rötliche Kruste in seinen Nasenlöchern und an den rauen Härchen seines Bartes riechen.
„Brad? Was … machst du … hier?“ Die innere Folter ließ nach. Mein Körper fiel schlaff in sich zusammen. Ein weiches Kissen umfing meinen Hinterkopf.
„Arbeiten?“
„Was ist mit deinem Gesicht passiert?“ Träge musterte ich das geschwollene, blutunterlaufene Auge und die aufgeplatzte Unterlippe.
„Das war Daniel“, grummelte er verstimmt. Seine Augenbrauen senkten sich zur Nasenwurzel hin. Er knirschte verärgert mit den Zähnen. Das Stechen in meinem Körper war zu einem leichten Hintergrundpulsieren verblasst, ich ignorierte es bereits, da er mich nicht für einen Schwächling halten sollte. Ich hatte schon ganz andere Sachen in meinem Blut gehabt. Dennoch saß der Schock tief. Meine Hände, steif und kalt, rieben ununterbrochen über den Bezug der Matratze, ebenso meine Füße. Die Sonnenstrahlen waren einen Scheiß gegen das gewesen, was die Infusionslösung mit mir angestellt hatte. Es war immer noch eine effektivere Foltermethode einem Vampir irgendwelche Chemikalien zu spritzen, als ihn der Sonne auszusetzen, denn dort starb er einfach zu schnell, als das er sich wirklich quälte.
„Wer?“ Kurz glitt mein Blick über die schwarze Uniform. Das Hemd spannte, wie Jahre zuvor, immer noch um seinen Bauch. Er hatte sogar zugelegt, aber das würde ich ihm nicht sagen, ich wusste wie empfindlich er darauf reagieren würde. Das kam davon, wenn man für das F.B.H.S.

als Sesselpupser arbeitete. So füllig wie Brads Körper war, hatten sie ihn wohl erst vor kurzem aus seinem Schreibtischsessel gezerrt. Irgendwo in meinem Hinterkopf dämmerte mir der Grund für diese Aktion, aber mein lädierter Schädel streikte noch.
„Daniel Green?“, versuchte er meinem Gehirn auf die Sprünge zu helfen. Er nickte dabei leicht, als wüsste ich, wovon er sprach. „Ich habe ihn gerade wieder rausgeschickt.“ Stirnrunzelnd löste ich den Blick von seinem Bauch, bevor Brad schuldbewusst darüber reiben konnte und schüttelte leicht den Kopf. „Keine Ahnung, wen du meinst.“
„Bist du sicher?“
„Sicher“, nuschelte ich matt und suchte nach etwas, das ich mir über die frierenden Glieder ziehen konnte.
Ruckartig fuhr er hoch, wirbelte zur offen stehenden Tür und stieß eine junge Frau beiseite, die blass und zurückgezogen da stand, ein Klemmbrett zwischen Brust und Arm gedrückt wie ein Schutzschild. Höchstwahrscheinlich war sie das Opfer von Brads verbalem Ausraster geworden.
„Du verdammter Bastard!“, tobte der Polizist nun draußen. Langsam hob ich den Kopf, musterte die junge Frau, die nervös an einem Stethoskop nestelte, das um ihren schmalen Hals hing.
Sie lächelte verlegen, trat auf mich zu und umfasste mit ihren zierlichen, warmen Finger mein Handgelenk. Ich konnte ihr Blut rauschen hören, den kräftigen, schnellen Schlag ihres Herzens, sogar ihre rumorenden Gedärme. Ein leichter, blumiger Duft schwebte über der Haut direkt unter ihrem Ohr. Erst als sie mir die kalte, runde Fläche des Blutdruckmessgerätes auf die Brust drückte und konzentriert ihre Augen schloss, dämmerte mir, wo ich war.
Als hätten sie nur darauf gewartet schlugen mir der bittere durchdringende Medikamentengeruch und der Gestank von scharfen Desinfektionsmitteln in die Nase. Wie schockgefrostet lag ich auf dem Bett, starrte den gebleichten Kasack und die ebenso weiße Hose der Krankenschwester an. Ihre kleinen Füße steckten in weichledrigen Schlappen mit geschlossener Schuhspitze. Der Boden unter ihr hatte die Farbe von getrocknetem Lehm, ebenso wie die Wände. Schreckliche Farben, die nicht unbedingt zur raschen Genesung von Patienten beitrugen. Eher förderten sie die aussichtlos deprimierende Lage, in der sich der hilflose Mensch befand und katapultierten ihn geradewegs in ein schwarzes Loch. Aber das kapierten die Sterblichen wohl nie.
Die Frau verzog die blassen Lippen und zählte stumm. Sie zitterte heftig, ließ sich aber nicht anmerken, dass ich und Brad ihr vermutlich eine Heidenangst eingejagt hatten.
Als Vampir fühlte man sich in einem Krankenhaus für Sterbliche nicht besonders gut aufgehoben, denn die Neonleuchten an den Decken in Flur und Zimmer waren unnatürlich hell und absolut nicht gut für unsere empfindlichen Augen. Allerdings war das Licht nicht eingeschalten, dafür musste Brad gesorgt haben. Neben Dan, der einzige Sterbliche, der wusste was ich war und nicht versucht hatte mir einen Pflock ins Herz zu rammen.
Auf dem Flur brach ein klatschender Tumult los. Diese komischen Geräusche wurden durch umher fliegende Fäuste zweier Männer ausgelöst, die gerade vorbeirauschten und sich eine ordentliche Prügelei lieferten. Erst als die Beiden aus meinem Blickfeld verschwunden waren, wurde mir klar wer Daniel Green sein könnte. Blitzschnell sprang ich aus dem Bett. Die Krankenschwester hüpfe erschrocken zur Seite. Ich taumelte zwei Schritte bis ich meinen Körper wieder vollends unter Kontrolle hatte. Meine Sicht schärfte sich zunehmend und die wohltuende unmenschliche Kraft strömte heiß durch meine Glieder. Das hauchdünne Patientenhemdchen umwehte meine nackten Beine als ich nach draußen eilte und die erschrockene Krankenschwester zurückließ.
„Brad!“
Mit ausgestreckten Armen ging ich dazwischen und kassierte von dem Cop der Spezialeinheit einen Kinnhaken.
„Scheiße. Tut mir leid, Yuma!“, rief er entsetzt und wich sogleich zwei Schritte zurück.
„Seid ihr verrückt geworden?“ Kopfschüttelnd musterte ich Brads blutige Nase. Er hatte zwar eine ordentliche Rechte, aber Dans Gesicht war glücklicherweise unbeschadet davongekommen.
„ER ist auf mich losgegangen“, verteidigte Dan sich mit einem erstaunlich trotzigen Funkeln in den dunklen Augen. Ich fragte mich, ob der Cop ihn in den Schwitzkasten genommen hatte, denn sein Haar sah aus, als hätte darauf irgendetwas sein Nest gebaut.
„Du hast einen Gesetzeshüter angegriffen und belogen, Daniel Green“, wies ihn Brad in die Schranken.
„Ich habe nicht gelogen.“ Dan warf einen verächtlichen Blick auf den riesigen Bauch und schnaubte leise. Mir war, als hätte er gerade so etwas wie Fettwanst

gemurmelt.
Mit blutrotem Gesicht stürzte Brad vor, er schien das Selbe vernommen zu haben, und zappelte wie ein Fisch am Haken, als ich meine Arme um seine Hüfte schlang und ihn zurückhielt. Wenigstens dort war er relativ schmal.
„Mein Gott. Ihr benehmt euch ja wie kleine Kinder!“
„Er hat angefangen!“, stieß der Cop vorwurfsvoll hervor. „Ich hätte dich erschießen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte!“, blaffte er.
„Brad!“
Dans vernichtender Blick hätte Brad sofort seiner sterblichen Hülle berauben müssen. Dan hatte mir ja schon einige Blicke zugeworfen, aber ich war in diesem Moment froh, dass dieser Blick nicht mir galt.
„Was ist das?“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich den Verband an seinem rechten Handgelenk. „Brad! Was hast du mit ihm gemacht?“ Sofort verschwand Dans Arm hinter seinem Rücken.
„Gar nichts! Der Idiot hat sich die Pulsadern aufgeschlitzt!“
„Miss!“ Die Krankenschwester kam herbei geeilt und deutete mit geröteten Wangen auf mich. Ihr dünnes Stimmchen ging im Motzen der beiden Männer fast unter. Außerdem ignorierte sie das Blut, das dem Polizisten aus der Nase lief. Er hätte sie einfach nicht so anfahren dürfen. Auch wenn er sich dabei hauptsächlich für mich eingesetzt hatte, um mir die Schmerzen zu ersparen. Ich würde mich bei Gelegenheit bei ihm bedanken müssen. „Miss, Sie müssen wirklich …“
„Klappe!“, zischte ich und ließ Brad los, um mir Dans Wunde genauer anzusehen. Widerstrebend zog er den Arm zurück und grummelte, dass alles okay sei. Sturkopf! Mit zusammengebissenen Zähnen grabschte ich nach seinem Oberarm. „Lass es mich ansehen, Dan!“
„Es ist alles in Ordnung“, knurrte er.
„Eh … Yuma?“ Brad verstummte unter meinem vernichtenden Blick und starrte mit hochrotem Kopf an die Decke.
„Warum hast du das getan, Dan? Hast du den Verstand verloren?“, wandte ich mich ihm wieder zu. Forschend betrachtete ich sein hübsches Gesicht. Er zuckte nur die Schultern.
„Yuma … ernsthaft.“
„HÖR AUF MICH SO ZU NENNEN!“, polterte ich und wirbelte zu Brad herum, um ihn in Grund und Boden zu starren. Ich genoss die Rolle des furchteinflößenden Blutsaugers. Mein Gegenüber wich sofort zurück. Gut so! Er durfte ruhig meine unsterbliche Aura spüren, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte. Zitternd und winselnd sollte er vor mir auf die Knie fallen!
Dan gab ein eigenartiges Geräusch von sich. Im nächsten Augenblick spürte ich seine heiße Hand an meinem Hintern, die sacht in mein nacktes Fleisch drückte. „Du solltest ihn wieder einpacken, bis wir zuhause sind“, raunte er mir zu. Ein unausgesprochenes Versprechen schwang in seiner rauen Stimme mit. Schwindelerregend schnell schoss mir das Blut in die Wangen. Fauchend schlug ich seine Hand weg und versuchte vergeblich mein entblößtes Hinterteil zu verdecken.
Brad grinste verlegen, sogar die Krankenschwester schmunzelte. Gott, wie peinlich!
Mit glühendem Kopf marschierte ich zurück in das Krankenzimmer und pflanzte meinen nackten Po aufs Bett.
„Wo sind meine Klamotten?“, rief ich frustriert. Am liebsten hätte ich mit einer Peitsche geknallt, um ein paar Sklaven herum zu jagen und meine Wut an ihnen auszulassen.
Die beiden Kerle blieben auf dem Flur stehen, während die junge Frau trippelnd herbei eilte und mir eine durchsichtige Plastiktüte reichte. Etwas Rotzgelbes mit komischen braunen Flecken lag darin. So wie es roch, handelte es sich sicher um ein totes Tier.
„Das ist alles, was sie am Leib trugen als der Officer sie hierher brachte, Miss Jones!“
Ach du Schande. Das war das T-Shirt? Mir drehte sich der Magen um. Wie hatte ich dann ausgesehen?
„Ich dachte wirklich du stirbst mir weg.“ Brad stand mit leicht gespreizten Beinen in der Tür und musterte mich ernst. Ich legte die stinkenden Überreste des Shirts zur Seite und kaute auf meiner Unterlippe herum. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ausgesehen hat, als wir euch in der Tiefgarage fanden.“
Das konnte ich nicht, ich war mir auch nicht sicher, ob ich es erfahren wollte.
Beiläufig wickelte ich mir die Bettdecke um den Oberkörper. Der Stoff rieb rau über meine Haut. Die Wäscherei hatte viel zu viel Stärke benutzt.
„Erst dachte ich er hat dich getötet.“ Ein kurzer Blick auf Dan genügte, um jegliche Gefühlsregung aus seinem Gesicht zu verbannen. Er starrte zu Boden. Das war doch absurd! Wieso sollte Dan mich töten wollen? Okay, die gebrochene Nase und die regelmäßigen körperlichen Wutausbrüche meinerseits gaben sicher genug Ausschlag für eine grobe Behandlung und ein paar saftige Tritte in meinen Hintern. Aber Mord?
„Was meinst du damit?“
Brad seufzte leise. „Wir haben in der Zentrale einen Anruf von einem durchgeknallten Autofahrer erhalten, der über die Fußgängerwege heizte. Glücklicherweise kamen keine Passanten zu Schaden.“ Wieder ein vorwurfsvoller Blick in Dans Richtung. „Gerade wollte man zwei von der Örtlichen rüberschicken, als das Kennzeichen durchgegeben wurde. Ich wusste sofort, dass das Tomas Wagen ist und dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Ich meine …“ Er machte eine Pause und bedeutete der Krankenschwester mit einem Nicken den Raum zu verlassen. Nachdem sie gegangen war fuhr er fort: „… welcher Vampir begibt sich um die Mittagszeit nach draußen?“
Oh Gott. Sofort erfasste mich eine schmerzhafte Anspannung. Ich hatte total vergessen, wieso wir überhaupt in die Innenstand gefahren waren.
„Wir fanden dich und … ihn … in der Tiefgarage.“ Brad raufte sich das kurze Haar und verzog das Gesicht. „Du warst in einem schlimmen Zustand, Yum … Yen. Es sah wirklich so aus, als hätte er dich getötet.“
„Wie kommst du denn auf so etwas?“ Mit den Fußballen trippelte ich auf dem kalten Boden herum.
„Du hättest es sehen sollen, Yen. Der Anblick war zutiefst schockierend. Wir stehen momentan alle unter Strom. Newport ist kein ruhiges Pflaster mehr. Erst letzte Nacht wurden wieder zwei Menschen von einem Vampir angefallen. Und dann sehe ich diesen Kerl, wie er dich leblos in seinen blutverschmierten Armen hält.“ Er rang sichtlich um Fassung. „Du hast ausgesehen wie frisch vom Grill.“ Den Rest seines detaillierten Berichts bekam ich nicht mehr mit.
Zwei Menschen waren angefallen worden! Wenn Brad bereits davon Wind bekommen hatte, dann wusste die gesamte Spezialeinheit Bescheid. Das war überhaupt nicht gut! Ich musste sofort los. Vielleicht konnte ich die Situation noch irgendwie retten. Schnell erhob ich mich wieder und suchte nach etwas, das ich mir überziehen konnte. Mir war nicht daran gelegen meinen nackten Hintern in ganz Newport herumzuzeigen.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“, schnauzte Brad plötzlich. Ich zuckte erschrocken zusammen. „Du hättest dabei draufgehen können! Wenn Daniel dich nicht gefüttert hätte, wärst du nur noch Staub!“
Irgendein komisches Geräusch entschlüpfte meinem Mund. Schreckensstarr glotzte ich von Brad zu Dan und wieder zurück. Er machte Witze, bestimmt tat er das. Wieso sollte Dan sich für mich die Pulsadern aufschlitzen? Kein Sterblicher konnte so blöd sein. Oder doch?
Stöhnend blickte ich zu dem dicken Verband an Dans Handgelenk. Oh man!
„Ich … eh … Ich hatte einen Termin?“, antwortete ich zögernd. Fieberhaft suchte ich nach einer einigermaßen logischen Erklärung. Brad war nicht blöd, er würde eins und eins zusammenzählen und mich in eine UV-Zelle stecken, bis die Vampire kamen, um mir auf höchst grausame Art und Weise die Gedärme aus dem Leib zu reißen oder mich in Fesseln legten und der Morgendämmerung übergaben.
„Einen Termin?“ Fragend hob er eine buschige, weißblonde Augenbraue und beäugte mich misstrauisch.
„Ja. Du weißt ja. Der Immobilienmarkt ist ein hartes Geschäft!“ Ich grinste unschuldig und überlegte wie ich an Klamotten kommen konnte. Gleichzeitig plärrte eine nervige Stimme in mir, dass Dans Blut in meinem Körper floss. Ich war überhaupt nicht in der Lage mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Einen Termin der so wichtig ist, dass du dein Leben dafür auf´s Spiel setzt? Gott, du bist ja schlimmer als Caroline!“
Das künstliche Lachen blieb mir im Hals stecken. Neben mir hätte eine Bombe hochgehen können, ich hätte es nicht wahrgenommen. Ich starrte den Blondschopf an, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Jeder im Umkreis von einer Meile musste die eisige Kälte spüren, die in Wellen von meinem Körper fortströmte. Brad hingegen bemerkte gar nichts und plapperte einfach weiter. Alles in mir verkrampfte sich wie bei einem störrischen Esel.
„Du kennst sie ja. Sie ist ein Arbeitstier.“
Caroline, Caroline, Caroline

, flüsterte mein Gehirn fortwährend.
„Sie ist übrigens vorhin losgezogen, um dir etwas zum Anziehen zu besorgen. Ich denke sie wird bald wieder zurück sein. Ihr werdet euch wohl ´ne Menge zu erzählen haben.“
NEIN! Ich würde mein ganzes Geld hergeben und mich zum Mars schießen lassen, ich würde dem Präsidenten vor laufenden Kameras die Füße lecken, nackt auf den Mount Everest klettern, Oprah die Brustwarzen piercen oder mich in einem Haufen Schweinescheiße suhlen. Alles würde ich tun, doch niemand konnte von mir verlangen ihr noch einmal gegenüber zu treten. Nichts auf dieser Welt würde mich dazu bringen!
Blitzschnell durchquerte ich das Zimmer. „Sowas Dummes! Wir müssen dann auch los!“ Ich drückte Brad beherzt an mich, flitzte zu Dan und zerrte ihn am Arm hinter mich her. Er stolperte. Ich war viel zu schnell, aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Notfalls würde ich mir den muskelbepackten Riesen einfach über die Schulter werfen und losrennen.
„Aber … Yen! Du kannst doch so nicht auf die Straße!“
„Halb so wild! Danke, dass du ihn nicht erschossen hast, Brad! Und Grüß … CAROLINE!“, keuchte ich geschockt.
Alles in mir verstummte. Der Herzschlag, die rasenden Gedanken, meine Atmung. Die ganze Welt hielt die Luft an. Plötzlich pulsierte der unterdrückte Hass und die Verachtung unter meiner Haut und breitete sich wie ein Lauffeuer in meinem Körper aus. Die Erinnerungen schlugen auf mich ein und es waren keine Momente, an die man als Frau und Freundin eines Mannes gern zurückdachte.
Ich zwang mich, nicht wie ein tobender Berserker auf Caroline einzuschlagen und begrüßte die kleine Blondine mit einem hoffentlich echt wirkenden Lächeln. Der schwere, penetrante Gestank ihres Parfums stieg mir in die Nase. Würgend hielt ich die Luft an.
„Yuma Evan Novalia Jones“, verkündete sie mit gespitzten Lippen.
Der Vampir in mir stieß ein bestialisches Brüllen aus. Ich wollte die Wände mit ihrem Blut streichen. Nie zuvor hatte ich mich so sehr danach gesehnt jemandem wehzutun. Schreien sollte sie, um Gnade flehen.
Der Blick ihrer mausgrauen Augen huschte über den Kittel, der meinen nackten Körper vor ihren bohrenden Blicken verbarg. Eine ihrer bogenförmigen, bleistiftstrichdünnen Brauen schnellte nach oben. Sie musterte mich mit arroganter Selbstgefälligkeit. „Du siehst … nett aus.“
Immerhin konnte ich mit meinem faltenfreien Gesicht prahlen, während das Alter nicht ohne bleibende Spuren an ihr vorrübergegangen war.
Vor zehn Jahren war sie vielleicht noch hübsch gewesen. Jetzt wirkte sie ausgelaugt wie eine Trockenpflaume. Das minderte allerdings nicht den Umstand, dass ihr Erscheinen einen erschreckenden Killerinstinkt in mir hervorrief, den ich all die Jahre zurückzuhalten versucht hatte. Meine Finger krallten sich vielleicht etwas zu fest in Dans Hand. Er gab ein leises Zischen von sich und riss somit Carolines Aufmerksamkeit auf sich. Starr blickte sie auf unsere Hände. Überrascht stellte ich fest, dass ich sogar ihre kleinen Ohren zu hassen begann. Alles, jede Pore, jedes Haar an ihr widerte mich einfach nur an. Nur zu gern hätte ich ihr in den Ausschnitt gekotzt.
„Hat Toma dich endlich gehen lassen?“ Meine Nägel bohrten sich tief in Dans Haut, diesmal schwieg er. Wie kam sie darauf, dass er MICH verlassen hatte?
Lange betrachtete sie Dans Gesicht und ließ ihre Augen quälend langsam über seinen gesamten Körper gleiten. Kurz verweilte sie in seinem Schritt.
„Netter Fang.“ Sie zwinkerte mir zu und leckte sich lasziv über die Lippen.
„Er ist nicht mein …“
„Oh. Dann leih ihn mir doch mal aus!“, fiel sie mir sogleich mit ihrer ätzend rauen Stimme ins Wort. „Ich hätte da noch ein Badezimmer zu streichen.“ Sie grinste boshaft. Dieses verdammte Miststück wagte es tatsächlich mich zu provozieren! Mich, die in der Lage war ihr den kleinen, ovalen Schädel von ihrem drahtigen Hals zu reißen. Wie gern würde ich dieser Versuchung nachgehen. Leider funktionierte ihre Taktik sehr gut. Eine verborgene Seite in mir begann sich auf dem schwarzen, kalten Boden meiner Seele zu winden wie ein verletztes Tier.
Badezimmer. Unser Badezimmer. Oh Gott, denk an etwas anderes, Yen!


„Er ist mein Chauffeur!“ Warum hielt ich nicht einfach die Klappe? Sollte sie ruhig glauben, dass wir ein Paar waren. Nein! Das würde nur den weiblichen Jagdinstinkt in ihr wecken. Verdammt!
„Oh. Hmm.“ Caroline schnurrte leise und grinste nur noch breiter. „Na dann musst du ihn mir definitiv mal ausleihen.“ Schnell streckte sie die Arme nach vorn und tätschelte prüfend seine Brust. Kochende Wut brodelte in mir.
„Wir brauchen doch keinen Chauffeur, Liebling!“, mischte sich endlich ihr Ehemann ein.
„Ich bin mir sicher Yen weiß genau wovon ich rede.“ Sie lächelte und zwinkerte mir zu. Nur zu gern hätte ich ihr die Haut vom Gesicht gezogen und ihr Gehirn durch einen Fleischwolf gedreht. „Was haltet ihr davon, wenn wir nachher etwas zusammen essen gehen?“
Unwillkürlich stieß ich ein leises, besitzergreifendes Fauchen aus.
Ich würde sie töten! Noch ein Wort und ich würde ihr das verdammte Grinsen aus ihrem dreckigen Gesicht schlagen. Dan ächzte. Seine Finger knackten laut. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er immer blasser wurde.
„Liebling! Jetzt gib ihr doch erst einmal die Sachen!“, rief Brad. Der Duft seines Blutes verblasste spürbar. Bestimmt war er zu einem Taschentuch gekommen. Dass seine Frau sich gar nicht um sein zerbeultes Gesicht kümmerte, sprach sehr für ihren verdorbenen Charakter. Selbst für eine Sterbliche war sie ein eiskaltes Miststück. Wie hielt er es nur so lange bei ihr aus?
Caroline lächelte kalt und drückte mir einen Stoffbeutel mit einem Biene Maja Aufdruck in die Hand. „Auf die Schnelle konnte ich keinen anderen Laden finden. Ich hoffe es passt.“
„Danke, Caroline“, zischte ich, wirbelte herum und zerrte Dan hinter mir her in das Krankenzimmer. Ich würde sie ganz sicher nicht mit ihm allein lassen! Auch wenn Brad dabei war, sie würde nichts unversucht lassen sich Dan zu nähern. Schon vor Jahren hatte sie bewiesen, dass sie eine Meisterin darin war anderer Männer Körperteile zu befummeln, obwohl Brad ihr Spaghetti schlürfend gegenüber saß.
Die Tür flog krachend ins Schloss und der Beutel landete im hohen Bogen auf dem Bett.
„Wie spät ist es?“ Unruhig lief ich auf und ab, eine Hand hielt die beiden offenen Seiten meines Hemdchens am Rücken zusammen. Angestrengt versuchte ich mich auf das zu konzentrieren, was Vorrang hatte, aber Carolines kaltes Lächeln sauste ununterbrochen durch meinen Kopf.
Dan blinzelte verwirrt. „Fast Mitternacht.“ Er verzog den sinnlichen Mund und massierte seine Finger.
„Wir müssen hier weg.“ Sofort steuerte ich die verschlossenen Fenster an. Um seine Hand würde ich mich später kümmern.
„Was hast du vor?“
„Abhauen?“
„Vor der Tür steht ein Bulle, Yen.“
„Er würde es verstehen, glaube ich.“ Natürlich würde er das nicht. Und Caroline? Dieses verdammte Weib wäre davon überzeugt, ich hätte ihretwegen die Flucht ergriffen.
Dan umfasste meine Handgelenke und drehte mich zu sich. „Wer ist sie?“ Die Stirn in tiefe Falten gelegt, musterte er mich. Da kam mir zum ersten Mal in den Sinn, dass mir nicht nur sein richtiger Namen fremd war, ich hatte auch keine Ahnung wie alt er war. Für mich war er immer nur der Fahrer gewesen. Ein Sterblicher ohne ein Leben, ohne eine Vergangenheit.
„Das ist nicht von Belang.“
„Du hast mir ihretwegen fast die Hand gebrochen, Yen. Wer ist diese Frau?“
„Dan! Verdammt nochmal, wir müssen hier raus! Ich muss zu diesem Krankenhaus und die beiden Männer finden. Alles andere ist jetzt unwichtig!“ Ich versuchte so leise zu sprechen wie möglich.
Bloß nicht an Caroline denken,

ermahnte ich mich stumm. Ich musste mich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Vergangenheit hatte gefälligst zu warten.
„Das hat sich erledigt“, brummte Dan. „Dein Freund hat mir von dem Überfall berichtet. Ich glaube er wollte erklären, wieso er mir die Mündung seiner Waffe ins Gesicht gehalten hat.“
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich schluckte hart. Stockend atmete ich aus. In meinem Kopf verblassten die Konturen von Carolines hämischem Grinsen. Jetzt war ich ganz und gar auf Dan und das was er sagt konzentriert. „Wie … wie geht es ihnen? Sind sie … sind sie … tot?“ Ich spürte, wie die Tränendrüsen ihre Arbeit aufnahmen. Wenn ich die beiden Männer wirklich umgebracht hatte, würde der nächste Sonnenaufgang mir gehören.
Dan sah mir lange in die Augen ehe er den Kopf schüttelte. „Was ist passiert, Yen? Wo warst du letzte Nacht? Und wer zum Geier ist dieses Weib?“
„Ich war spazieren und sie ist eine alte Bekannte. Was hat Brad gesagt? Ich muss es wissen!“
„Sie leben.“
„Ist das alles?“ Hoffnungsvoll sah ich zu ihm auf.
„Sie leben. Das war es doch, was du wissen wolltest.“
„Hat Brad erzählt, dass sie … sind sie ansprechbar? Haben sie irgendetwas gesagt? Hat die Einheit etwas herausgefunden?“
Mein Herz stolperte heftig. Mir gefiel nicht, wie er das Gesicht verzog und meinem Blick auswich. Er sprach nur die halbe Wahrheit. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Panik wallte in mir auf.
Vielleicht wussten die Vampire es bereits? Nein. Das war Blödsinn. Dann hätte mich Brad ganz sicher gleich aufs Revier geschleift. Trotzdem, Dan verbarg etwas vor mir. Etwas Wichtiges.
„Dan, bitte, du musst es mir sagen!“ Ich legte meine ganze Überredungskunst in meinen Blick und blinzelte ihn flehend an.
„Sag mir, wer sie ist.“
MOAH! Er war so verdammt stur! Ich war versucht ihn zu schlagen, schon wieder. Dieser Kerl machte mich echt wahnsinnig. Fluchend warf ich die Arme in die Luft.
„Das geht dich nichts an, verdammt nochmal!“
„Fein.“ Er drehte sich zur Tür und machte Anstalten sie zu öffnen. Einen Herzschlag lang starrte ich seinen breiten Rücken an. Wenn ich ihm von ihr erzählte, präsentierte ich ihm meine wunde Seele auf einem Silbertablett. Ich wollte nicht, dass er wusste, wie verletzt ich war und wie sehr ich damit zu kämpfen hatte. Ach, verdammt.
Ich musste ihm ja nicht alles sagen, entschied ich schließlich. Die Informationen die Dan zurückhielt, waren im Moment einfach zu wertvoll für mich.
„Sie ist eine von Tomas Eroberungen.“ Meine Schultern bebten unter der Last der Erinnerungen. Ich war geschockt, wie weh es tat, das Erlebte auch nur anzudeuten. In jeder weiteren Sekunde nahm die Vergangenheit feste Form an, drängte sich in mein Bewusstsein und versuchte mir meine Dummheit vor Augen zu führen und mir zum zweiten Mal in zehn Jahren das Herz aus der Brust zu reißen. Wütend schob ich die Bilder, die Stimmen, beiseite und wartete auf seine Antwort. „Jetzt sag mir, was mit den beiden Männern nicht in Ordnung ist, Dan. Bitte!“
Langsam drehte er sich zu mir um. „Sieh mich nicht so an“, giftete ich als ich seinen bedauernden Blick bemerkte. „Ich brauche dein Mitleid nicht!“
Er stand da wie eine Statur, reglos und sah mich an. Die Spitzen seiner dunkelbraunen Haare hingen ihm in der Stirn. Sie reichten schon bis zur Nasenwurzel und verliehen der stummen Gestalt ein wildes und anziehendes Äußeres. Mein Puls raste, als ich mir vorstellte, wie er auf mich wirken würde, wenn er kein Sterblicher mehr wäre. Zornerfüllt schob ich auch diese Gedanken beiseite.
„Sie werden für den Rest ihres Lebens Pflegefälle sein.“
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis seine Worte in meinen Kopf drangen. Geschockt taumelte ich zurück, stieß gegen den kleinen Tisch neben dem Bett. Mit einem dumpfen Klatschen landete ein Infusionsbeutel auf dem Boden.
„Der Vampir, der sie angegriffen hat, hat bei der Erinnerungslöschung scheinbar den Großteil der Gehirnfunktionen außer Gefecht gesetzt“, fuhr er fort. Trotz meines gesenkten Kopfs, damit Dan nicht bemerkte wie blass ich geworden war, spürte ich, dass er mich ganz genau beobachtete.
Ich ertrug es nicht länger.
„Ich muss raus!“, keuchte ich schließlich und stürzte zum Fenster.
„Yen!“
„Ich muss hier raus.“ Mit einem kräftigen Ruck riss ich es auf. Mir war egal was für einen verrückten Eindruck ich gerade machte, aber ich hielt es nicht mehr aus. Ich wollte weg! Weg von den Sterblichen, weg von mir! Meine Haut fühlte sich eng an, fremd. Ich war versucht sie abzustreifen wie ein Kleidungsstück, um aus diesem Alptraum und dieser Hülle, die mich dort gefangen hielt, zu entkommen. Irgendwie schien der Sauerstoffgehalt in dem Zimmer abzunehmen. Ich schnappte laut nach Luft und würgte. Selbst die kühle Nachtluft die ins Innere kroch, beruhigte mich nicht. Zitternd fasste ich mir an die Kehle und keuchte. Meine Knie wurden weich. Alles begann sich zu drehen.
„Yen, beruhige dich.“
Dan presste sich von hinten an mich. Seine Arme wickelten sich um meinen Oberkörper und drückten meine nach unten. „Ganz ruhig“, flüsterte er. Dans Stimme vibrierte in meinem Rücken. „Es ist alles okay, Yen.“
„Nichts ist okay“, stieß ich hervor und schluckte schwer. Meine Gegenwehr war nur schwach, der Blick verschleiert. Verängstigt kniff ich die Augen zusammen, konzentrierte mich auf die Atmung. Ich war höchstwahrscheinlich der einzige Vampir auf dieser Welt, der je mit einer Panikattacke zu kämpfen hatte.
Dan hatte recht, ich war definitiv nicht normal.
„Tot wären die Beiden vermutlich besser dran. Jetzt werden sie bis zu ihrem Lebensende sabbernd und in Windeln gepackt in einem Bett liegen und an die Decke starren.“ Wütend zog ich die Nase hoch. „Das ist alles meine Schuld.“ Unbewusst krallte ich meine Hände in seine Unterarme.
„Was ist passiert?“
„Ich weiß es nicht“, gestand ich und wollte mich aus seinen Armen winden. Dan verharrte an Ort und Stelle. „Ich bin am nächsten Tag in deinem Bett aufgewacht. Ich weiß nicht was passiert ist und wie ich zurück gekommen bin.“
„Was ist das Letzte an das du dich erinnerst?“
„Ein blutiger Zahnstocher“, hauchte ich tonlos.
„Ein blutiger Zahnstocher?“ Überraschung schwang in seiner Stimme mit. Sein heißer Atem strich über meinen Nacken. Trotz der inneren Aufruhr konnte ich nicht umhin, es ein klein wenig zu genießen und mich an ihn zu lehnen.
„Ja. Einer von ihnen hatte sich damit ins Zahnfleisch gestochen. Ich hatte immer noch Hunger, der Geruch war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich weiß noch, dass ich …“ Ich erinnerte mich noch ganz genau an den Geschmack des Blutes meines zweiten Opfers, dann war die Dunkelheit über mich hereingebrochen. „Nicht so wichtig“, murmelte ich.
„Wenn du immer noch Hunger hast, dann…“
Stumm schüttelte ich den Kopf, nicht in der Lage ein Wort über die Lippen zu bringen. Seufzend drückte er sein Kinn auf meine rechte Schulter, rieb seine Wange sacht an meine. Während wir so dastanden, schweigend, atmend, wurde mir klar, dass ich nicht fliehen konnte. Ich hatte die Kontrolle verloren und zwei Menschen dafür büßen lassen. Wäre einer davon mein Mann gewesen, würde ich wollen, dass man den Übeltäter zur Rechenschaft zog. Mit dieser Last auf den Schultern konnte ich nicht mehr davon laufen und so tun, als wäre nie etwas passiert. Wenigstens mir musste ich treu bleiben. Wäre ich ein anderer Vampir gewesen, hätte es mich vermutlich kalt gelassen. Ich hätte es als klitzekleinen Ausrutscher abgetan und wäre meiner Wege gegangen. Aber ich war Yen Jones, mich widerten die anderen meiner Rasse an, ich wollte nicht sein wie sie, auch jetzt nicht.
Trotzdem spürte ich die nackte Panik die von mir Besitz ergriff und mich vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. Ich musste schnell handeln, bevor ich doch noch nachgab und feige das Weite suchte.
Dans warmer Körper drückte sacht an meinen Rücken. Ich genoss die geborgene Umarmung. Leicht tätschelte ich seinen Arm. Angst hatte mir die Sprache verschlagen, meine Kehle war wie ausgedörrt. Hoffentlich spürte er nicht den heftigen Schlag meines Herzens.
Es kostete mich einiges an Überwindung, mir einzugestehen, dass er mir fehlen würde.
Jäh überkam mich dieser verrückte Gedanke, dass ich ja sowieso nichts mehr zu verlieren hatte.
Langsam drehte ich mich zu Dan um. Das Hemdchen blieb an seinem Daumen hängen und rutschte über meine nackten Oberschenkel zur Seite.
„Du zitterst ja“, flüsterte er sanft.
Er hatte mir das Leben gerettet. Nun warf ich dieses Geschenk einfach fort. Ich war so ein Arschloch, so undankbar, so egoistisch. Dieser Egoismus brach sich nun Bahn.
„Küss mich!“, forderte ich und kassierte einen ungläubigen Blick. Das hier war das letzte Mal, dass ich ihn sehen und berühren konnte. Ich gierte danach ihn zu schmecken, zu fühlen und mir alles von ihm zu nehmen. Keinen einzigen Gedanken verschwendete ich an das „Was wäre wenn.“ Ich scherte mich nicht um Toma oder darum, dass draußen vor der Tür der undurchdringliche Schatten meiner Vergangenheit lauerte.
Schnell schlang ich Dan beide Arme um den Nacken und zog ihn zu mir. Seufzend presste ich meine Lippen auf die seinen.
„Warte!“, keuchte er.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mein Körper so heftig reagieren würde. Ich brannte, so heiß und sehnsüchtig wie nie zuvor. „Was soll das?“, keuchte Dan als ich ihm kräftig in die Unterlippe biss und meine Zunge in seinen Mund schob. Er erwiderte den Kuss stöhnend, versuchte aber gleichzeitig mich von sich zu schieben. „Was … hast du … Hmmmm.“ Geschickt schob ich meine Hand in den Bund seiner Hose und berührte ihn. „Yen … was hast du … WOW!“ Das Bett krachte laut, als ich ihn darauf warf und blitzschnell auf seinen Schoß kletterte. Eine Hand griff ihm in den Schritt, mit der anderen riss ich ihm das Shirt von der Brust. Ich zog ihn in eine sitzende Position und verschloss seinen fragenden Mund mit einem Kuss, der glühende Hitze in meine Mitte sandte. Mit geschlossenen Augen genoss ich die Wölbungen seiner Muskeln, die sich sanft und geschmeidig unter meinen Händen anfühlten. Wie hatte ich das nur so lange aushalten können?
Er löste sich von mir und beäugte mich aus zusammengekniffenen Augen. „Was ist in dich gefahren?“
„Noch niemand“, flüsterte ich, hob das Becken und schob den Bund der übergroßen Jogginghose nach unten. Dans Hände glitten unter das Hemdchen und umfassten meine Pobacken, gegen jede Erwartung hielt er mich allerdings davon ab, mich auf ihn zu setzen, dabei wollte ich in diesem kleinen, heißen Augenblick nichts sehnlicher, als ihn in mir zu spüren.
„Yen?“
„Gib Ruhe.“
Zwei Handgriffe später lag er in die Matratze gedrückt da und bäumte sich stöhnend unter mir auf. Ich hätte gern triumphierend gegrinst, aber ich war vollkommen darauf fixiert ihn zum Schreien zu bringen, während wohlige Schauer meinen Rücken hinab rieselten. Prickelnde Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper auf, der sich ungestüm an seinem rieb. Seufzend legte ich den Kopf zurück, bohrte meine Finger in seine Brust und ließ das Verlangen den Rhythmus bestimmen.
Er fühlte sich so fantastisch an und er sah so umwerfend aus.
Seine Brustmuskeln und der Bizeps schwollen bei jedem Stoß meiner Hüfte an. Er legte den Kopf in den Nacken, seine Hände fest in meine Hüfte gekrallt, und stöhnte unglaublich männlich. Sein Kehlkopf hüpfte auf und ab als er schluckte. Die Sehnen an seinem schlanken Hals spannten sich an. Seine strähnigen Haare bedeckten seine süßen Ohren und klebten ihm in der Stirn. Ich beugte mich katzenhaft vor, leckte über sein kratziges, rundes Kinn und fuhr mit meinen Fingernägeln halsabwärts bis zu seiner Scham.
Er hob den Kopf ein bisschen und linste unter seinen halbgeschlossenen Lidern zu mir rauf, die vollen rosigen Lippen leicht geöffnet. Ich versank in seinen schokoladenbraunen Augen und strich überrascht über meinen Bauch. So fühlten sich also Schmetterlinge an, die mit hauchzarten Flügeln meine Hormone zum Überlaufen brachten. Dan lächelte, als spürte er ganz genau was gerade mit mir passierte. Unwillkürlich erwiderte ich es. Langsam richtete er sich auf, darauf bedacht unsere Körper keinen Millimeter voneinander zu trennen. Eine völlig neue Wärme rauschte durch meinen Körper und pulsierte in meinen Fingerspitzen. Zärtlich streichelte ich über seine Arme, die Schultern, seinen Rücken und speicherte jeden Zentimeter seiner Haut, jede Regung die diese Berührung in mir auslöste in meinem Gedächtnis ab. Seine Hände erkundeten meinen Oberkörper mit einer Intensität, die mich genussvoll die Schenkel zusammendrücken ließ. Er zog mich zu einem berauschend sinnlichen Kuss an sich. Der Duft seines warmen Körpers hüllte mich ein, brachte eine Saite in mir zum Schwingen, die unter seinen Liebkosungen erzitterte.
Hungrig saugte ich an seiner Zunge und vergrub meine Hände in seinem Haar. Als er diesmal meinen Po umfasste, schob er mich nicht von sich, sondern drückte mich mit einem atemberaubenden Tempo an sich, dass sich mir vor Lust die feinen Härchen auf meinen Armen aufstellten. Laut stöhnend kam ich an seinem Mund und spürte wie er fast zeitgleich seinen Höhepunkt erreichte.
Nur die Sonne würde mich von diesem Mann fortreißen können. Und selbst dann, wenn ich den Qualen des Todes ausgesetzt war, der mir das Fleisch von den Knochen brannte, würde ich diesen Augenblick niemals bereuen. Nie!
„Ich liebe dich“, flüsterte er atemlos.
Vor Schreck blieb mir fast das Herz stehen. Er sah allerdings nicht aus, als erwartete er eine Antwort. Lächelnd strich er mir die langen Haare aus dem Gesicht und küsste mich wieder und wieder und wieder. Vielleicht lag es auch an mir, vielleicht wollte ich nicht aufhören. Jetzt aufzustehen, mich ihm zu entziehen, wäre gleichbedeutend mit einem Sprung in den Grand Canyon. Ich würde nicht zurück können. So lange wie möglich zögerte ich hinaus, wofür ich mich entschieden hatte und genoss die Hitze seines Körpers um und in mir.
Nach einer kleinen Ewigkeit ließ er sich nach hinten fallen und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Er lächelte befriedigt.
Da war er, der Augenblick auf den ich gewartet hatte.
„Bitte verzeih mir“, flüsterte ich und verpasste ihm einen saftigen Schlag gegen die Schläfen. Sein Körper erschlaffte unter mir. Dan würde mich nur von meinem Vorhaben abbringen wollen. Blitzschnell sprang ich auf die Beine, mein Becken schmerzte, so heftig war unser kleines Liebesspiel gewesen. Schnell zupfte ich das Hemdchen zurecht und verließ das Zimmer.
Niemand war zu sehen. Der Flug lag völlig still da. Verdammt!
„BRAD? Wo bist du?“ Meine Stimme überschlug sich hektisch.
Mist! Wenn er gegangen war, hatte ich ein gewaltiges Problem, denn den Sitz der Spezialeinheit hatte mir Brad nie verraten und seine Telefonnummer besaß ich auch nicht. Mir wurde speiübel.
Der Cop steckte den Blondschopf aus einer Tür am anderen Ende des Flures. Leise Stimmen und Musik drangen auf den im dämmrigen Licht daliegenden Gang. Vor Erleichterung schossen mir die Tränen in die Augen.
„Ist bei euch alles okay?“, fragte er kauend und biss erneut in einen saftigen, grünen Apfel.
Entschlossen und atemlos trat ich auf ihn zu. Ein verständnisloser Ausdruck huschte über sein Gesicht. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Immer noch spürte ich Dan an meinen Lippen. Mein Puls raste. Aus Lust und blanker Panik vor dem, was gleich auf mich zukommen würde.
„Yuma? Ah … entschuldige, daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Yen …“
„Ich …“
„Ist alles in Ordnung? Du bist so blass. Soll ich die Schwester rufen?“
Ich holte tief Luft, hob die Arme und legte meine Handgelenke aneinander. Brad blickte irritiert darauf und runzelte die Stirn. Ich musste es tun. Sofort! Der Abgang war perfekt gewesen. Ich hatte ein paar wunderschöne Augenblicke, an die ich denken würde, wenn man mich in die Sonne warf.
„Ich habe letzte Nacht die beiden Männer angegriffen. Ich war bei Reid´s Family Restaurant

und bin über sie hergefallen!“


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Der Apfel blieb Brad im Hals stecken. Seine blauen Augen weiteten sich und er beugte keuchend den Oberkörper vor. Ein kräftiger Schlag mit meiner Handkante und er würgte das daumennagelgroße Stück auf den Boden. Noch während er sich erhob überraschte er mich mit seiner Schnelligkeit. Die Handschellen klickten und die eisige Kälte strömte meine Arme hinauf und brachte mein Herz zum Stolpern. Das Blut wich mir aus dem Gesicht. Der Schock traf mich unvorbereitet.
Dabei hatte ich in den letzten dreißig Sekunden geglaubt, dass mich nichts mehr umhauen konnte. Nicht jetzt, wo ich mich sowieso schon mit meinem nahenden Ende abgefunden hatte.
So kalt muss der Tod sein

, dachte ich, als Brad wortlos über den Flur schritt und mich an den Schellen hinter sich her zog. Ich folgte ihm wie ein treudoofer Köter. Ob Vampire in den Himmel kamen? Oder war meine verdammte Seele die Eintrittskarte für einen tiefen Fall, direkt in den fackelnden Schlund der Hölle? Nie zuvor hatte ich mich mit diesem Thema befasst, da ich mir keine wirklichen Feinde gemacht hatte und mich deswegen auch nicht mit dem nahenden Tod auseinandersetzen musste.
Bitte, bitte schick mich nicht in die Hölle!!!


Wenigstens war von Caroline keine Spur. So blieb mir immerhin ihr höhnisches Gelächter erspart, wenn Brad mich abführte. Eine derartige Demütigung hätte mich freiwillig in den Sonnenaufgang hüpfen lassen.
Mir brach kalter Schweiß aus. Mein Herz donnerte schmerzhaft schnell in meiner Brust. Ich presste die Lippen fest aufeinander und versuchte meine Atmung einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. Wie erbärmlich wäre es wohl, wenn der zum Tode verurteilte auf dem Weg zum Schafott in Ohnmacht fiel? Andererseits würde mir niemand Vorwürfe machen. Im Angesicht des Todes bekam doch jeder kalte Füße. Oder? War ich vermutlich die Einzige, die sich vor Angst fast in die Hosen machte?
Oh Gott. Der lange Flur begann sich eigenartig zu verformen, zog sich in die Länge und wieder zusammen. Die Wände krümmten sich nach außen und schlackerten wild, als sie in ihre Ausgangsposition zurückdrängten.
Heiliger Bimbam!
Mich beschlich das Gefühl, dass Brad mir die ganze Luft wegatmete. Ich war versucht, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er doch einfach den Mund schließen sollte, um mir wenigstens bis zu meinem Tode genügend Sauerstoff zu lassen.
„Yen?“
Ich hob nicht den Kopf, als Brad stehen blieb. Ich würde die Enttäuschung in seinem Blick nicht ertragen. Aber vielleicht würde mir auch kalte Abneigung entgegenschlagen. Mit wildem Herzklopfen starrte ich auf meine Füße.
Gerade kam die erste Silbe über seine Lippen, als vor uns krachend eine Tür aufflog. Ich wankte schwer. Dan kam mit wutverzerrter Miene auf uns zugestürmt. Mit einer Hand hielt er den Bund seiner Hose fest und zerrte an den winzigen Schnüren.
Was zum Geier? Mein Schlag war fest genug gewesen, um jeden Sterblichen für mindestens dreißig Minuten völlig außer Gefecht zu setzen. Entgeistert starrte ich ihn an.
„Sie ist nicht ganz bei sich!“, knurrte er unheilverkündend. Seine Kiefer mahlten wie die des Felsenbeißers aus der Unendlichen Geschichte

. Dans Fäuste knackten laut, als er die Hände ballte. Er warf Brad einen Blick zu, der ihn auf der Stelle hätte umbringen müssen.
Dann schnaufte er wie ein Bär. Seine riesige Gestalt bebte voll unterdrückter Wut, die er zielgerichtet mit einem einzigen Blick auf mich abschoss. Ich schluckte schwer.
„Mach sie los! Sie redet wirres Zeug!“, befahl er laut.
„Das ist nicht wahr“, zischte ich und starrte ihn an.
„MACH SIE LOS!“ Die Zähne fest zusammengepresst fixierte er Brad.
„Sie hat gestanden.“ Brads Einwurf verpasste mir einen schmerzhaften Hieb, gleichzeitig verwunderte mich die Emotionslosigkeit in seinen Worten, es klang irgendwie lustlos.
„Einen Scheiß hat sie! Nimm ihr die Handschellen ab oder du wirst das Zeitliche segnen.“
„Dan, hör auf damit! Ich habe es verdient!“
„BULLSHIT!“, brüllte er. Blitzschnell streckte er den Arm aus, ergriff Brads Hemdkragen und zog ihn zu sich. „Mach sie sofort los!“, zischte er.
„Dan! Ich habe die Männer angegriffen. Das hier ist gerechtfertigt.“ Ich wackelte mit den klirrenden Schellen an meinen Handgelenken. Warum musste dieser Idiot so eine Szene machen? Es war schon schlimm genug, dass mein Ableben nur noch wenige Stunden entfernt war, da wollte ich nicht auch noch darüber diskutieren müssen wieso ausgerechnet ich exekutiert werden sollte.
Nachdem Dan Brad erneut anknurrte und ihm mit Schlägen drohte, platzte mir der Kragen. Erstaunlicherweise fühlte es sich unglaublich gut an, ihn anzuschreien und als Vollidioten zu betiteln. So konnte ich der aufgestauten Furcht vor den kommenden Stunden endlich Platz verschaffen. Ich hatte mich noch nie so gezofft. So ganz ohne Fäuste und ohne dass etwas zu Bruch gegangen war, auch keine Knochen.
Wir standen Nase an Nase und schnauzten uns so laut an, dass meine Ohren klingelten.
Oh man, er sah wütend einfach verdammt sexy aus. Seine verstrubbelten Haare standen wirr vom Kopf ab und er sah aus als käme er gerade aus dem Bett.
Oh ja, er kam gerade aus dem Bett. Ich blendete seine Worte einfach aus und betrachtete die vollen, rosigen Lippen, die sich öffneten und wieder schlossen. Seine schneeweißen Zähne blitzten hervor, seine Zunge glänzte. Mein Herz hüpfte aufgeregt beim Gedanken daran ihn hier und jetzt anzuspringen. Um Himmels Willen, er war heiß, er war richtig heiß!
Seine Oberarmmuskeln schwollen an, als er den Arm ausstreckte und damit in der Luft herumfuchtelte. Warm, glatt und seidig. So war Dan, so war sein ganzer Körper. Ich senkte den Kopf ein bisschen und atmete seinen Duft tief ein.
Männlich, erotisch, mit einem Hauch Karamell, woher auch immer der kommen mochte.
„Hörst du mir überhaupt zu?“, motzte er gerade und ich zwang mich, meine Arme nicht um seinen Hals zu schlingen und ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss an meinen Mund zu ziehen.
„Das reicht jetzt“, murmelte Brad und rieb sich müde die Schläfen. „Ihr macht mich echt wahnsinnig.“
Da war sie wieder, die Kälte der Handschellen, die die Wärme in meinem Inneren in einen messerscharfen Eisblock verwandelte.
Dan hielt sie mit der linken Hand fest im Griff und zog mich von Brad weg. „Nur über meine Leiche.“
„Du machst dich damit strafbar“, maulte ich halbherzig. War er nicht toll?
„Fein! Dann gehen wir gemeinsam in die Hölle“, erwiderte Dan stur.
„Eigentlich wollte ich in den Himmel“, murmelte ich leise, ergriffen. Er machte mir meinen letzten Weg nicht unbedingt leichter, wenn er solche Sachen von sich gab. Oh na toll, jetzt kam der Rette-Mich-Komplex in mir durch. Ich himmelte Dan an, weil er wirklich daran interessiert war mit mir durch das Höllenfeuer zu schreiten. Ist er nicht unglaublich? So ein Idiot! Wieso brachte ihn denn keiner zur Vernunft?
„Du würdest für sie sterben?“, rief Brad verblüfft. Diesmal sah ich ihn an. Seine strahlendblauen Augen starrten Dan mit einer Verwunderung an, die schon an Faszination grenzte. Schließlich seufzte er und raufte seine Haare.
Ein Klicken erklang in der Stille des Ganges und Dan gab ein eigenartiges Geräusch von sich. Eine Mischung aus Überraschung und zufriedenem Grunzen. Die Sterblichen waren erstaunlich erfinderisch, was das Ausdrücken gewisser Gefühlsregungen betraf. Erst als meine Arme schlaff an meine Seite fielen, bemerkte ich, was Brad getan hatte.
„Zieh dich um und dann verschwindet endlich. Der Klinikdirektor flippt aus, wenn ich die Station hier noch länger in Beschlag nehme.“
Völlig entgeistert sah ich dem dickbäuchigen Polizisten nach, wie er hinter einer breiten Doppeltür am Ende des Flures verschwand. Er konnte nicht einfach abhauen, das war doch gesetzeswidrig! Er MUSSTE mich einfach mitnehmen, immerhin hatte ich gestanden. Ich wollte ihm nachgehen, aber Dan hielt mich zurück. Blitzschnell fand ich mich mit dem Rücken an der Wand wieder und konnte ihn nur scheu anblinzeln. Unterdessen bohrte sich sein mörderisch wütender Blick in meine Augen. Verdammt!
„Zieh dich um!“, knurrte er und schnaufte wie ein Stier, der drauf und dran war sich auf einen Torero zu stürzen. Meine Güte, er sah in diesem Moment gefährlicher aus als jemand meiner Rasse.
Wie ein Roboter marschierte ich in das Zimmer, in dem es immer noch elektrisierend nach Sex roch. Schnell zog ich die Tür hinter mir zu und sperrte Dan aus. Dass ich wie verrückt zitterte, bemerkte ich erst, als ich den Stoffbeutel vom Boden aufhob und etwas wahnsinnig Pinkes mit vielen Rüschen und Schleifen herausholte.
Ohne Aufstand schlüpfte ich in das Prinzessinnenkostüm und warf das Patientenhemdchen achtlos aufs Bett. Das enge Oberteil schnürte mir fast die Luft ab. Würde in meinem Kopf nicht dieses extreme Chaos herrschen, hätte ich das Kleid in Fetzen gerissen nachdem ich die Plastikkrone entdeckt hatte. Seufzend versuchte ich den Saum des knielangen Rockes zu glätten.
Ich verstand Brads Verhalten nicht. Er war ein Mitarbeiter der Einheit, er konnte mich doch nicht einfach laufen lassen! Und ich hatte Angst vor Dan. Unfassbar aber wahr. Ich hatte wahnsinnige Panik davor wieder nach draußen zu gehen. Kurz linste ich zu dem immer noch offen stehenden Fenster. Feige wie ich war, ging ich sogar darauf zu. Das Kleid raschelte leise. Ich streckte die Arme aus und zog mich am Fensterrahmen nach oben. Auf dem Fenstersims stehend sah ich nach draußen und ließ den Blick über ein im Dunkeln daliegendes Bürogebäude auf der anderen Straßenseite gleiten. Die unzähligen Fenster schnitten in die Nacht wie winzige Wurmlöcher, die, wenn man hineinsprang, einen in andere Sphären reißen würden. Die Stille der Nacht beruhigte mich allmählich.
Einer meiner Füße schwebte bereits in der Luft. Vielleicht sollte ich wirklich abhauen. Nachdenklich musterte ich die Straße, den Gehweg und die Straßenlaternen, die nur spärliche Beleuchtung schenkten.
Ein Sprung aus dieser Höhe wäre für jeden Sterblichen tödlich. Für mich nicht, es sei denn ich sprang kopfüber. Es konnte natürlich auch sein, dass ich selbst einen Kopfsprung überlebte. Ans Ausprobieren dachte ich dabei aber nicht. Kurz sah ich über die Schulter zurück ins Zimmer und zuckte zusammen.
Dan war anders als jeder Mensch, den ich je getroffen hatte. Er war so leise wie ein Vampir. Verwundert runzelte ich die Stirn und musterte sein ausdrucksloses Gesicht. Er hatte geräuschlos die Tür geöffnet und stand keine zwei Meter von mir entfernt mit vor der Brust verschränkten Armen da. Immer wieder hatte er meine Kräfte zu spüren bekommen. Gestern noch war ich in der Lage gewesen ihm die Nase zu brechen. Mittlerweile trug er überhaupt keine Wunden mehr davon. Warum nicht? So wie ich zugeschlagen hatte, hätte er immer noch bewusstlos sein müssen.
„Wer bist du?“ Meine Stimme war so leise, dass er sie unmöglich hätte hören können, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht verdüsterte sich. „Was bist du?“
„Komm da runter.“
„Beantworte meine Frage.“
„Daniel Green.“ Verärgert schnalzte er mit der Zunge.
„Und die Zweite?“, flüsterte ich. Wieso musste ausgerechnet ich so eine seltendämliche Frage stellen?
Er rollte mit den Augen, trat auf mich zu und warf mich einfach über seine Schulter. Ich japste erschrocken. Hatte irgendwer unsere Rollen in dieser Geschichte umgeschrieben? War ich jetzt die hilflose Sterbliche und er der Vampir? Allein bei der Vorstellung wurde mir speiübel. Dan, ein Vampir. Unweigerlich musste ich an Toma denken. An den sterblichen Toma und daran, wie anders er vorher gewesen war.
Dan ignorierte mein Gezappel und die erbosten Ausrufe. Seine Schulter drückte mir schmerzhaft in den Magen und ich knallte mit meinem Gesicht immer wieder an seine Hüfte. Seine Berührung brannte auf meiner Haut, als er meine Oberschenkel umfasste, damit ich nicht von ihm runter rutschte. Mit ausgreifenden, festen Schritten ließen wir die Krankenstation hinter uns und Dan bugsierte mich treppab ins Erdgeschoss. Zum Glück begegnete uns niemand. Er verströmte eine so bedrohliche Aura, dass jeder Türsteher erschrocken zur Seite gewichen wäre, ganz zu schweigen von einer verschreckten Krankenschwester oder einem Arzt. Unter anderem einer der Gründe, wieso ich mich tragen ließ. Ich wollte ihn nicht noch wütender machen, als er eh schon war. Kurz fragte ich mich, welchen Eindruck wir wohl bei der Kleinen oben auf der Station hinterlassen hatten.
Ein Vampir mit entblößtem Hinterteil, ein Polizist, der die Schwester bedrohte und sich anschließend mit einem halbnackten Kerl auf dem Flur prügelte. Diese Nachtschicht würde sie so schnell wohl nicht vergessen.
Der kleine pickelige Nachtwächter an der Info starrte uns hinterher. Er machte ein Gesicht als wäre gerade ein steppender Dinosaurier in einem Tütü an ihm vorbeigetänzelt.
Ein halbnackter Mann, der eine Frau in einem pinkfarbenen Prinzessinnenkleid auf der Schulter herumtrug war sicherlich kein alltäglicher Anblick. Ich winkte ihm zu, bevor sich die Glastüren hinter uns schlossen und hätte fast gelacht. Aber nur fast, denn eigentlich war mir nicht danach.
Dan schwieg als er mich quer über die Hauptstraße schleppte und in der Tiefgarage des Bürogebäudes verschwand, das ich vor wenigen Minuten noch von oben betrachtet hatte. Mit wachsender Verzweiflung starrte ich den Bund seiner Hose an - das war gelogen. Eigentlich stierte ich hungrig auf seinen Hintern und war versucht die Hände danach auszustrecken. Ich wollte diese Pobacken umfassen und grob kneten. Die schlabbrige Jogginghose saß unglaublich tief auf seinen Hüften, ich musste nur meine Hand nach unten schieben und den Gummizug mit meinem Fingernagel durchtrennen. Bei der Vorstellung seines nackten Hinterns prickelte mein Schoß sehnsüchtig.
Astrein!
In meiner Brust breitete sich ein heißes Gefühl aus, das in meinen Bauch strömte. Betrübt ließ ich die Arme einfach baumeln und drückte meine Stirn an seine warme, samtweiche Haut. Wie hatte ich nur zulassen können, dass das passierte? Meine Wangen glühten beim Gedanken an die Gefühle, der er vorhin in mir ausgelöst hatte und es immer noch tat. Vielleicht war ihm das ja nicht aufgefallen?
Natürlich nicht! Er hatte nur aus einem Impuls heraus gesagt, dass er mich liebte.
Heilige Mutter Gottes. Er hatte es wirklich getan. Ich hatte mir seine Worte nicht eingebildet. Und erst der Kuss, der folgte, den konnte ich mir auch nicht eingebildet haben. Er war so gefühlvoll und zärtlich gewesen, dass ich unter seinen Lippen dahin geschmolzen war wie Butter in einer heißen Pfanne.
Dan blieb abrupt stehen. Er setzte mich schwungvoll auf dem Boden ab. Ich taumelte und verlor das Gleichgewicht. Mir war der schrille Laut peinlich, den ich im Fallen ausstieß. Dan kam mir nicht zu Hilfe. Ohne mich anzusehen marschierte er um einen schwarzen Kleinwagen herum und schloss ihn auf. Verwundert saß ich auf dem Boden.
War das etwa? Nein, unmöglich! Brad konnte doch nicht so blöd sein, schließlich war das doch Beihilfe zur Flucht? Würde er dadurch nicht seinen Posten beim FBHS

verlieren? Brad war definitiv nicht so dumm. Aber wo hatte Dan die Schlüssel dann her? Hatte er sie dem Polizisten etwa geklaut, als sie sich geschlagen hatten? Vielleicht hatte er auch irgendwem anders die Wagenschlüssel abgenommen? Aber woher wusste er dann, wo der Wagen stand? Verwirrend!
Na toll. Zwei Kriminelle auf der Flucht. Das konnte ja nur noch besser werden. Kurz durchzuckte mich der Gedanken an Bonny und Clyde.
Wie angewurzelt saß ich da und starrte Dans Hinterkopf durch die Scheibe an. Es hätte mich irgendwie nicht verwundert, wenn er einfach gasgegeben hätte und davon gefahren wäre.
Er hob die Hand ans Lenkrad. Das Hupen hallte laut durch das Gebäude. Schnell rappelte ich mich vom Boden auf und kletterte auf den schmalen Rücksitz. Unsicher maß ich den Innenraum ab. Mir war als könnte ich das Armaturenbrett mit den Knien berühren.
„Ich bin nicht mehr dein Chauffeur“, grummelte er und gab mir rau zu verstehen, dass ich gefälligst auf dem Beifahrersitz Platz nehmen solle.
Ich schluckte und schüttelte leicht den Kopf. Er drehte sich mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete, zu mir um. Eingeschüchtert stieg ich aus dem Wagen und setzte mich neben ihn. Ich spürte seinen irritierten Blick der den Gurt musterte den ich mir hastig umschnallte. Meine Knie drückten nun wirklich gegen das Handschuhfach. Der Fußraum war viel zu klein für meine langen Beine. Hinzukam, dass meine Handtasche und die Pumps, die ich getragen hatte, auf dem Boden standen. Überrascht hob ich die Tasche auf meine Knie und wunderte mich darüber, wie sie in den Wagen gekommen war. Vielleicht hatte Dan das Auto schon vor einer Weile einem ahnungslosen Fahrer samt Schlüssel abgenommen?
Der stinkwütende Sterbliche gab Gas. Meine Gedärme blubberten wie verrückt, mein Puls raste. Sofort rutschte ich so tief wie möglich in den Sitz und fingerte einhändig am Saum des hässlichen Kleides herum.
Wann ich das letzte Mal richtig geschwitzt hatte, wusste ich nicht, aber jetzt rann mir kalter Schweiß in Bächen den Rücken runter. Immer wieder rieb ich mit dem Handrücken über meine Stirn oder krallte meine klammen Finger in meine Tasche.
Als er das erste Mal bremste, griff ich mit aufgerissenen Augen zur Seite und packte den Türgriff mit solcher Kraft, dass er herausbrach. „Mist“, hauchte ich.
Der Wagen fuhr an, langsam erst, dann immer schneller. Ich sehnte mich nach dem Rücksitz. Unbemerkt zerrupfte ich den Saum des hässlichen Kleides und franste es aus. Den Kopf hielt ich gesenkt, die Augen auf meine Brust gerichtet, die ungewohnt flach aussah. Beim nächsten Mal rammte ich meine Füße fest auf den Boden. Das tat ich so oft, bis ich einen Zeh versehentlich in das Metall drückte. Wenn das so weiter ging, würde ich den Wagen total demolieren. Viel gab es ja nicht zu szerstören.
Plötzlich bremste Dan so hart, dass mir die Handtasche von den Knien rutschte. „Pass doch auf, herrgott nochmal!“, schnauzte ich, die Hände zu Fäusten geballt. Meine Fingernägel schnitten mir in die Handflächen.
„Da ist eine Ampel. Soll ich vielleicht bei Rot über die Straßen fahren?“
„Halt dich einfach an die Geschwindigkeitsbegrenzungen“, knurrte ich.
„Willst du ans Steuer?“ Er hob die Hände vom Lenkrad und sah mich herausfordernd an. War er blass oder bildete ich mir das nur ein? Mit schiefgelegtem Kopf musterte ich die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn.
„Mach dich nicht lächerlich“, murmelte ich schließlich und schmollte, lauschte aber angestrengt seinem Herzschlag.
„Dann halt die Klappe und lass mich in Ruhe fahren.“
Wütend sah ich ihn an. Scheinbar hatten wir unser Pulver noch nicht ganz verschossen.
Er schüttelte nur den Kopf. Der Wagen rollte betont langsam über die nächsten Straßen. So langsam, dass ich begann die Geduld zu verlieren. Die Laternen schlichen nur so an uns vorbei. Ein nächtlicher Fahrradfahrer überholte uns.
„Mein Gott …“, stöhnte ich und konnte mich gerade so zurückhalten. Irgendetwas stimmte nicht. Der pochende Muskel in Dans Brust stolperte und er verströmte einen eigenartigen Geruch, den ich nicht einzuordnen wusste. Er war dezent, aber vernehmbar und er beunruhigte mich zutiefst. Noch vor wenigen Minuten hatte der Sterbliche mich durch die Gegend getragen, doch mittlerweile machte er einen erstaunlich schwachen Eindruck. Seine Bewegungen wurden fahriger und immer wieder wanderte sein Handrücken zur Stirn, um den Schweiß darauf wegzuwischen.
„Dan ist …“
Er brachte mich mit einem strengen Blick zum Schweigen. Vielleicht bildete ich mir das wirklich ein. In meinem Kopf brausten die Ereignisse des Tages umher und verursachten heftige Kopfschmerzen. Ich fühlte mich ausgelaugt und wollte nur noch heiß duschen und ins Bett gehen.
Mit einem heftigen Kopfschütteln verdrängte ich die Gedanken wieder. Eigentlich hätte ich nicht dort sitzen und mit Dan zu seinem Haus fahren dürfen. Das war nicht richtig. Trotzdem konnte ich nicht umhin mir vorzustellen, wie gut mir jetzt heißes, dampfendes Wasser tun würde. Morgen würde ich versuchen die Nummer der Human Security

herauszubekommen. Wenn Brad mich nicht einbuchten wollte, würde sich schon ein anderer fähiger Agent der Einheit finden, der nur darauf brannte Lob für seine gelungene Festnahme einzuheimsen. Bis dahin musste ich Dan einfach aus dem Weg gehen. Es war besser so. Er war stinkwütend auf mich und ich war total scharf auf ihn. Das war einfach keine gute Kombination. Im Moment machte er mehr den Eindruck, dass er mir viel lieber in den Arsch treten würde, als mich zu küssen. Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden hätte. Er konnte bestimmt hervorragend treten. Kein Wunder, bei den muskulösen Beinen und der Kraft die darin steckte.
Oh man, ich tat es schon wieder. Wütend biss ich mir auf die Unterlippe. Ich musste einfach bis zu meinem Urteilsspruch von ihm fern bleiben. Am besten würde es wohl sein, wenn ich die Nummer der Einheit herausfand und mich dann nachts heimlich aus dem Staub machte. Ich hatte begriffen, dass es nichts brachte, wenn ich ihn immer wieder versuchte außer Gefecht zu setzen. Sein Körper reagierte auf meine Fausthiebe nicht so, wie er sollte. Irgendwie wurden meine Kräfte in seiner Gegenwart schwächer. Von solch einem Phänomen hatte ich noch nie gehört und es machte mir Angst.
Dan war ganz sicher kein Vampir. Dafür war er zu schwerfällig, roch zu menschlich und hatte dieses Funkeln in den Augen, das den Anhängern meiner Rasse mit der Verwandlung genommen worden war. Einige behaupteten die Seele spiegele sich in den Augen wieder und wir hatten sie verloren. Blödsinn, wenn man mich fragt, aber das tat ja keiner. Hinzu kam seine Nahrungsaufnahme. Ich hatte ihn einmal Sandwich futternd auf einer Parkbank sitzen sehen und er trank Kaffee. Selbst für einen Vampir mit einer außergewöhnlichen Selbstbeherrschung war das zu Gemüte führen verderblicher Nahrung einen äußerst schmerzhafte Angelegenheit. Kurz nach meiner Verwandlung hatte ich mich geweigert Blut zu trinken und immer wieder in Krämpfen windend auf dem Boden gelegen, weil ich versucht hatte, gegen das anzukämpfen was ich geworden war. Irgendwann begriff ich, dass es keinen Sinn hatte und fügte mich meinem Schicksal.
Dan hingegen verzog beim Essen keine Miene.
Wäre ich waghalsig gewesen hätte ich mich mit der Behauptung er sei ein Halbvampir aus dem Fenster gelehnt, nur um das Gleichgewicht zu verlieren und damit heftig auf die Schnauze zu fallen. Es gab keine Halbvampire.
Vampire konnten weder Babys zeugen, noch empfangen. Das gab es nie und würde es niemals geben, denn Vampire waren unfruchtbar. Und das war gut so! Die einzige Möglichkeit den Bestand unserer Rasse aufrechtzuerhalten, war die Verwandlung von Sterblichen. Allein die Vorstellung, wir würden Kinder zeugen, die durch die Straßen hetzten und naive Erwachsene zerstückelten, widerte mich an. Kinder waren unberechenbar. Vampirkinder wären unser Untergang. Die Menschen würden aussterben.
Diese Wesen wären keine süßen, kleinen, pausbäckigen Babys sondern Monster, die aus Spaß am Spiel töten würden oder aus Sturheit, wenn Mami ihnen die Brust verweigerte.
Mir lief es eiskalt den Rücken runter, als ich mir vorstellte, wie so ein winziges, blutgeiles Vieh seine Beißer in meine Brüste schlagen würde. Ich bekam eine Gänsehaut, schob die grässlichen Gedanken beiseite und konzentrierte mich darauf, mich in meiner Handtasche festzukrallen.

Nach gefühlten drei Stunden hielten wir endlich vor seinem Haus. Er war schon aus dem Wagen gestiegen. Die Tür flog krachend zu. Dan überquerte mit großen Schritten den Vorgarten. An der Treppe stolperte er heftig. Ich erschrak, als er in die Knie ging. Einen Augenaufschlag später wankte er ins Haus. Auch diese Tür schloss sich mit einem Knall. Ich war mir nicht sicher ob es sich dabei um einen symbolischen Rauswurf handelte. Bemüht langsam kletterte ich aus dem Wagen und blieb daneben stehen.
Schließlich machte ich mich zögernd auf den Weg. Am oberen Ende der Treppe hielt ich erneut inne. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. So musste es sich anfühlen, wenn man dabei war, die Höhle des Löwen zu betreten. Ich drückte die schmale Klinke herunter und schlich auf Zehenspitzen ins Innere. Keine einzige Lampe war eingeschalten worden. Eigenartig.
Die unheimliche Stille drückte mir auf die Ohren. Mit gerunzelter Stirn trat ich vor und stolperte. Schimpfend drehte ich mich um.
Das Blut in meinen Adern gefror.
„DAN?“ Sofort kniete ich neben ihm und überprüfte Puls und Atmung. Er rührte sich nicht. Der Puls war erschreckend schwach, die Atmung flach und langsam.
Hilflos sah ich mich um. Ich kannte mich mit solchen Dingen nicht aus. Bis auf Toma war noch nie jemand in meiner Gegenwart zusammengebrochen. Und selbst Toma hatte sich zum damaligen Zeitpunkt in einem Krankenhaus aufgehalten. Die sterblichen Ärzte waren sofort herbeigeeilt und man hatte sich um ihn gekümmert. Ich stand einfach nur kreidebleich da und wusste nicht was ich machen sollte.
Jene Hilflosigkeit ließ mich nun panisch umher rennen und nach einem Telefon suchen. Wo war mein verdammtes Handy? Wo war seins? Wut und Frustration wurden herausgebrüllt. Ich schnappte Dan und schleppte ihn ins Wohnzimmer. Dann rannte ich in die Küche, holte ein Glas Wasser und lief zurück.
Und jetzt? Leichenblass lag er auf der Couch. Er sah grauenhaft aus. Ich wollte ihn nicht allein lassen, sonst wäre ich zu einem seiner Nachbarn gelaufen, um einen Krankenwagen zu ordern. Mit bebenden Fingern positionierte ich ein großes Kissen unter seinem Kopf.
Wieso war er überhaupt ohnmächtig?
Mit zusammengebissenen Zähnen suchte ich seinen Körper nach Verletzungen ab. Fand aber nur das dick verbundene Handgelenk.
„Oh Gott“, stöhnte ich entsetzt und hätte mich am liebsten aus dem Fenster gestürzt.
Ich hatte ihn ausgesaugt wie ein Trinkpäckchen. Alles was danach geschehen war, musste ihn zusehends geschwächt haben. Wieso hatte ich blöde Kuh nicht gleich daran gedacht, anstatt seinen Körper noch unnötig zu strapazieren?
„Verdammt!“
Wie ein Mehlsack plumpste ich neben das breite Sofa, nagte an meiner Unterlippe herum und beobachtete hilflos seine schlaffen Gesichtszüge. Nach kurzer Zeit begann Dan zu zittern. Ich sprang auf, sammelte alle Decken ein, die ich im Haus finden konnte und wickelte ihn in einen wärmenden Kokon. Dann erst schaltete ich das Licht an. Er würde sich sicher wohler fühlen, wenn er nicht in vollkommener Dunkelheit zu sich kam.
Was konnte ich noch tun?
Vielleicht ein bisschen frische Luft?
Ich flitzte zur Balkontür, stieß sie auf und bestaunte kurz die im Mondlicht funkelnden Wellen auf dem nahen Wasser. Das Grundstück reichte bis runter zu dem kleinen schmalen Streifen privater Kiesstrand. Für eine Immobilie mit solcher Aussicht hätten andere gemordet. Ich schlüpfte zurück ins Haus und tapste geräuschlos auf die Couch zu.
Nachdenklich sah ich auf das bleiche Gesicht hinab. Er musste etwas Essen, oder? Bekamen die Blutspender in den Krankenhäuser nicht immer eine Tüte mit Speisen und etwas zu trinken, um wieder zu Kräften zu kommen? Voller Tatendrang eilte ich in die Küche und durchwühlte den Kühlschrank.
„Blutbeutel … Blutbeutel … Blutbeutel. Was zum … ?“
Ich konnte es nicht glauben. Wo hatte er die nur alle her? In den Seitenfächern fand ich eine Flasche Orangensaft und eine zerdrückte Tube Ketchup. Das war es? Ungläubig durchwühlte ich die anderen Schrankfächer. Mehl, Zucker, Salz und die Gewürze am Regal, das war alles. Neben dem Wasserkocher entdeckte ich noch ein Glas löslichen Kaffee. Schulterzuckend trug ich meine Ausbeute ins Wohnzimmer und ließ alles auf den Boden fallen.
Danach lief ich erneut in die Küche, um eine buntgetupfte Müslischüssel und einen Löffel zu holen. Anschließend verrührte ich alles, bis auf den Kaffee.
Ich war mir ziemlich sicher, dass kein Mensch, der bei Bewusstsein war, diese Pampe freiwillig essen würde. Mit zusammengebissenen Zähnen kniete ich mich neben Dan, nahm die kleine Schüssel und den Löffel in die Hand. Vorsichtig schob ich ihn zwischen Dans leicht geöffnete Lippen. Er schluckte. Erleichtert atmete ich auf. Dann wartete ich gespannt auf eine Reaktion. Dan riss prompt die Augen auf, rollte sich zur Seite und spuckte mir das Essen auf mein wunderschönes Kleid. Entgeistert starrte ich ihn an.
„Willst du mich umbringen?“, hustete er und wischte sich über den Mund.
Mit hochrotem Kopf saß ich da, die blöde Schüssel schützend an mich gedrückt und hätte fast geheult. Beschämt starrte ich den kalten Kamin an. Ich hatte doch nur helfen wollen.
„Was ist das?“
„Ketchup … und so.“
„Und so?“ Misstrauisch beugte er sich über die Schüssel und schnupperte. „Ist das Orangensaft?“ Oh Gott, er war mir plötzlich so nah.
„Vielleicht ein bisschen“, flüsterte ich und rutschte unruhig auf dem Teppich herum. Mittlerweile rauschte alles Blut das sonst durch meinen ganzen Körper floss durch meinen Kopf. Mein Gesicht fühlte sich schrecklich heiß an. Dan grunzte leise und versuchte sich zurück auf den Rücken zu drehen, aber der Berg Bett-und Tagesdecken hinderte ihn daran.
Schnell stand ich auf, stellte die Schüssel zur Seite und zog das Bettzeug hinter ihm hervor, damit er mehr Platz hatte. Ächzend rollte er zurück und ich ließ die Decken wieder los. Die vergruben den geschwächten Mann unter sich.
„Yen?“, drang es dumpf darunter hervor.
„Ja?“ Ob er noch immer fror? Erwartungsvoll sah ich auf den Wäscheberg.
„Ich bekomme kaum Luft.“
„Oh. Natürlich. Entschuldige!“
Herrje, was war nur mit mir los? Blitzschnell zog ich die Decken so weit nach unten, dass sein Kopf herausschaute. Er atmete heftig ein.
„Wie bin ich hierhergekommen?“
„Gelaufen“, log ich. Ich wusste von Toma wie erniedrigend es für einen Mann war, von einer Frau herumgetragen zu werden. Er war damals total ausgeflippt und hatte herum gezappelt wie ein Fisch am Haken.
„Was ist passiert?“ Dan blinzelte zur Decke hinauf.
„Du bist ohnmächtig geworden. Also … hier … direkt auf der Couch … nicht im Flur.“ Oh hell. Ich sollte einfach die Klappe halten.
Dan musterte mich. Sein blasses Gesicht machte mir schwer zu schaffen. Wäre ich nicht so gierig gewesen, würde er nicht dort liegen, so völlig entkräftet und ausgesaugt.
„Das ist meine Schuld“, flüsterte ich. „Du hättest mir dein Blut nicht geben dürfen. Ich hätte dich umbringen können.“ Ich setzte gerade zu einer dramatischen Dankesrede an, als ich bemerkte, dass er schon wieder die Augen geschlossen hatte. Auf Ansprache reagierte er nicht, auch nicht auf das hektische Tatschen in seinem Gesicht.
„Scheiße. Ich muss einen Notarzt rufen.“
„Es geht mir gut …“, flüsterte er so leise, dass ich die Worte fast von seinen Lippen ablesen musste.
„Bist du sicher?“ Herrgott. Mir war gar nicht wohl dabei ihn einfach schlafen zu lassen.
„Hmm …“
„Du brauchst eine Bluttransfusion, Dan.“
„Brauch´ nur ´n Moment Ruhe.“
„Wie du meinst.“ Ich wartete darauf, dass er noch etwas sagte, aber er schwieg. Allem Anschein nach war er entweder eingeschlafen oder wieder ohnmächtig.
„Dan?“
„Hmm?“ Er klang erstaunlich genervt.
Warum hatte ich nur nie aufgepasst, wenn Toma zusammengebrochen war? Unruhig rieb ich mit den Handballen über meinen Oberschenkel und ließ Dan nicht aus den Augen. Jedes Mal wenn seine Augenlider flatterten oder die Mundwinkel zuckten, rutschte mir mein Herz vor Schreck bis in die Kniekehlen. So unfähig herumzusitzen und darauf zu warten, dass die Farbe endlich wieder zurück in sein Gesicht kehrte, machte mich wahnsinnig.
„Brauchst du irgendetwas? Wasser oder Kaffee? Oder noch mehr Decken? Ich könnte dir noch mehr Kissen bringen. Soll ich den Kamin anmachen? Vielleicht brauchst du …“
„Halt die Klappe“, murmelte er schwach.
„O…kay!“
Eine für mich peinliche Stille entstand, dominiert von seinen ruhigen Atemzügen. Irgendwann war er tatsächlich wieder eingeschlafen. Er schnaufte leise und begann zu schnarchen. Wenn er schnarchte, konnte es ihm nicht so schlimm gehen, entschied ich.
Seufzend erhob ich mich, tapste zum Kamin und entfachte das Feuer.
Flammen züngelten empor und leckten gierig über die glühenden Holscheite. Leises Knistern und Knacken erfüllte den Raum. Nachdenklich stocherte ich mit der Feuerzange in der Glut herum. Dan warf sich unruhig auf der Couch hin und her. Ein Teil der Decken rutschte vom Rand und landete auf dem Boden.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn, Ich entschied, dass ich es vielleicht etwas zu gut gemeint hatte und erleichterte seinen erschöpften Körper von der Masse.
Ich kam mir total nutzlos vor und stiefelte im Wohnzimmer auf und ab. Mein Prinzessinnen Kleid raschelte bei jeder Bewegung. Ich hätte Caroline dafür umbringen können.
Ziemlich angepisst musterte ich meine Spiegelung in der Terrassentür.
„Ich brauche dringend andere Klamotten.“
Schnell überprüfte ich Dans Zustand und entschied, dass ich ihn kurz allein lassen konnte. Ich knipste das grelle Licht aus. Dann wandte ich mich um und flitzte nach draußen zum Auto. Dans Zusammenbruch hatte mich total aufgewühlt. Erst jetzt war mir wieder eingefallen, dass meine Handtasche immer noch im Wagen lag, mit ihr mein Telefon.
Gerade als ich die Beifahrertür öffnete, schrillte mein Handy. Scheiße! Hoffentlich war das nicht Toma. Dafür hatte ich gerade wirklich keine Nerven. Ich fischte das kleine Ding heraus und starrte auf die bekannte Handynummer. Fuck!
„Hey, Boss“, begrüßte ich ihn atemlos.
„Du kannst deine Sachen morgen Nacht abholen. Dein Gehaltscheck liegt in deinem Postfach. Hast du noch irgendetwas zu deiner Verteidigung zu sagen?“
Uff.
„Eh …“
„Du hast schon weitaus intelligentere Laute von dir gegeben, Jones.“
Charmant und offenherzig wie immer.
„Tut mir leid, dass ich Chaston Blank sitzen ließ?“, versuchte ich es vorsichtig. Ich hatte keine Lust mich auf ein Wortgefecht mit meinem Boss einzulassen. Wir würden uns nur anschreien, bis wir entweder heiser waren oder einer von uns sein Telefon zertrümmerte.
Er grunzte. Er hatte aber auch schon Intelligenteres von sich gegeben.
„Den Grund dafür wirst du mir vermutlich nicht verraten?“
„Davon abgesehen, dass er seine notgeilen Stummelfinger nicht von mir lassen kann? Oder seine wässrigen kleinen Glubschaugen, die mich ansehen, als würden mir drei Brüste wachsen? Oder sein widerwärtiger kleiner …“
„Es reicht, Jones!“, donnerte Chace.
Warum lässt mich eigentlich keiner ausreden?

Verstimmt klappte ich den Mund zu.
„Wir sehen uns Morgen … Pass auf dich auf.“ Stille. Irritiert starrte ich auf das Mobiltelefon in meiner Hand. Er hatte aufgelegt ehe ich etwas erwidern konnte.
„Pass auf dich auf?“ Wow, was war denn mit dem los?
Chace war ein zugeknöpfter, anzutragender Geschäftsmann mit einem Stock im Allerwertesten, der entweder verkniffen grinste um jemandem zu zeigen, dass er ihm gleich den Arsch aufreißen würde oder seine sonst sehr ausdruckslose Miene zur Schau stellte. Selbst wenn er schrie, war sein blasses Gesicht völlig ebenmäßig. Chace war alt, wie alt genau, wusste aber keiner, und er war einer der Wenigen, die wirklich aussahen wie richtige Vampire. Pechschwarzes, schulterlanges Haar schmückte sein Haupt. Er hatte scharfgeschnittene Wangen- und Kieferknochen und eine so gerade Nase, dass man damit vermutlich Papier schneiden konnte. Sein Gesicht war von makelloser blass gepuderter Schönheit. Seine Augen zeugten von einer messerscharfen Intelligenz, sodass man sich dreimal überlegte, ihn anzusprechen. Wenn man es dennoch wagte, bohrte sich der silbergraue, stechende Blick mit erschreckender Bedrohlichkeit in die Augen seines Gegenübers. Chace war eine Augenweide. Aber er war nicht der Typ Muskelprotz, er war schlank, aber nicht schlaksig und er trug ausschließlich schwarze Anzüge. Die mysteriöse Aura die er ausstrahlte, wenn er einen Raum betrat oder verließ, brachte jede Frau zum dahin Schmelzen. Erstaunlicherweise nutzte er seine Wirkung nicht aus. Manchmal kam es mir so vor, dass er die Rolle des furchteinflößenden Vampirs viel lieber mochte, als die des heißbegehrten, geheimnisvollen Schönlings, der wirklich jede Frau, ganz gleich ob sterblich oder nicht, hätte haben können.
Er war streng, vielleicht etwas zu streng, aber er handhabte seine Angestellten mit der Präzision eines Puppenspielers. Nur ab und an war es mir gelungen die Schnur zu durchtrennen, woraufhin es einige erstaunlich heftige Wortgefechte gegeben hatte, die noch wochenlang im Büro die Runde machten.
Chaston Blank war mitunter einer der Gründe für meine beinahe harmlosen Ausraster. Ich war seine Lieblingsmaklerin und dieser alte, ekelige Sack kaufte alles, was ich ihm aufs Auge drückte. Und er versuchte ständig mir an die Schenkel zu packen. Nicht selten hatte ich ihm die Finger gebrochen, seine Erinnerung daran gelöscht und sie wieder geheilt. Dennoch kam Chace jedes Mal dahinter und flippte unnötig aus. Und dass auch nur, weil der alte Sterbliche ihm sein ganzes Vermögen in den Rachen warf, für Häuser, Villen und Jagdhütten, die er überhaupt nicht brauchte. Dabei erinnerte sich der Opa überhaupt nicht an meine groben Behandlungen, aber Chace ging es ums Prinzip. Ich hatte seiner Meinung nach keinen Respekt vor dem gierigen, stinkreichen Sterblichen.
Das war Chace´ einziger mir bekannter Makel. Mein Boss war geldgeil. Er hatte in den vergangenen Jahrhunderten in allen möglichen Bereichen seine langen, schmalen Finger ausgestreckt und Firmen gegründet. Er hortete sein Geld wie Dagobert Duck. Ob er auch darin herumschwamm? Die Vorstellung war irgendwie amüsant.
Das Einzige, was Chace jedoch zu einem wirklich wahren uralten Vampir machte, war seine Reglosigkeit. Er konnte Stundenlang dastehen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Dabei regulierte er Atmung und Herzschlag so weit nach unten, dass ihn normale Ärzte für Tod erklärt hätten. Mein Boss war sozusagen ein wandelnder Scheintoter mit einer verführerischen Anziehung und einem Blick, der rasiermesserscharfen Klingen glich. Er war nicht der Typ Unsterblicher, der banales Zeug wie „Pass auf dich auf“ von sich gab, ohne etwas Bestimmtes damit aussagen zu wollen. Das sollte mir zu denken geben.
Chace war niemand mit dem man sich unbedingt anlegen mochte. Solchen Blutsaugern ging man lieber aus dem Weg. Mitunter einer der Gründe, wieso ich für ihn arbeitete. Chace´ Angestellte waren wie eine körperliche Verlängerung seiner Aura, niemand wagte sich in ihre Nähe. Das erleichterte mir auch das Leben unter meinesgleichen. Sie ließen mich in Ruhe, ich ließ sie in Ruhe, mehr wollte ich nicht. Ich hätte keinen besseren Job haben können. Nun war ich ihn los.
Egal! Spätestens Übermorgen war ich sowieso nur noch Asche, die, von der kühlen Morgenluft erfasst, über Boden, Bäume und Häuserwände verteilt werden würde. Scheiß auf Chace und Chaston Blank. Ich musste mich um weitaus wichtigere Dinge kümmern.

Konzentriert wühlte ich mit einer Hand im Handschuhfach nach einem Anzeichen für den Besitzer des Wagens, gleichzeitig wählte ich die Telefonnummer einer Bekannten. Als Freundin mochte ich sie nicht unbedingt bezeichnen, aber wir pflegten einen Kontakt, der alle paar Jahre aufgefrischt wurde. Lieber hätte ich sie aus meinem Speicher gelöscht, denn mir behagte nicht, wie sie über die Sterblichen dachte. Ihr Problem mir gegenüber war mein, wie sie es bezeichnete, Sterblichen-Beschützerinstinkt. Dennoch, sie war mir einen Gefallen schuldig und ich brauchte dringend jemanden, der mir Lebensmittel und Klamotten besorgen konnte, ohne dass er oder sie kreischend bei Toma an der Tür klingelte, um ihm mitzuteilen wo ich mich derzeit mit wem aufhielt.
Es klingelte und eine zuckersüße Stimme meldete sich.
„Estia!“
„Oh Gott, Yen! Bist du verrückt?“, zischte sie leise. „Nenn mich um Himmels Willen nicht so!“
Eine der Macken, die auch ich übernommen hatte. Keiner der alten Generation mochte seinen Geburtsnamen und nur die wenigstens trugen ihn stolz zur Schau.
Ich lachte leise über ihre geschockte Reaktion. „Wie nennst du dich denn in diesem Jahrhundert?“ Mit gespitzten Lippen musterte ich die achtlos ins Handschuhfach geworfene CD Sammlung. The Clash, Pussycatdolls, Led Zeppelin, Mungo Jerry, Britney Spears, Jimi Hendrix, Madonna. Zwischen den zerdrückten Schokoriegelpackungen und einer fast leeren Flasche Pfirsicheistee fand sich leider nichts womit sich der Besitzer des Wagens feststellen ließ. Ich klappte das Fach wieder zu und stieg aus.
„Jules“, verkündete Estia gerade ihren neuen Namen. In jedem Jahrhundert nahm sie einen neuen an. Hinzukamen noch ihre regulären Namen, die sie annehmen musste, wenn sie den Wohnort wechselte, um mit ihrem immer jungen Aussehen nicht aufzufallen. Ich hatte mir nur ihren Geburtsnamen gemerkt.
„Hübsch. Hör zu Est… Jules. Du musst etwas für mich tun.“
„Ist der Tag endlich gekommen, an dem ich dir beweisen darf, wie dankbar ich dir bin?“ Ich hörte an ihrer Stimme, dass sie lächelte.
„Du übertreibst.“
„Du hast mir das Leben gerettet“, flüsterte sie. Ich wand mich unangenehm berührt.
„Reden wir nicht davon.“
Ich schlich zurück zum Haus, Pumps und Handtasche unter einen Arm geklemmt und warf einen kurzen Blick ins Wohnzimmer. Das Feuer warf seinen glimmenden Schein auf Boden und Wände und verbreitete eine romantische Atmosphäre. Als ich mich vergewissert hatte, dass Dan einigermaßen in Ordnung war, schloss ich Terrassentür und tapste nach oben ins Bad.
„Also, was kann ich für dich tun, meine Hübsche?“
„Hast du deinen Cateringservice in Providence noch?“
„Natürlich! Brauchst du Snacks für eine Party?“ Sie lachte überdreht. „Mein Gott, Yen. Du veranstaltest doch keine Blutparty, ohne mich einzuladen, oder?“
Typisch Vampir!
„Ich brauche nur irgendwas Verderbliches.“
„Für wie viele Personen?“
„Ehm … eine?“
„Nein!“ Sie lachte schallend. „Du hältst dir einen Blutwirt! Hab ich recht? Oh mein Gott, ich bin sooo stolz auf dich! Endlich hast du die Vorzüge erkannt. Wohin soll ich das Zeug schaffen? Brauchst du n bisschen Schampus? Für die heißen Nächte mit ihm oder ihr? Die sterblichen Frauen sind wahrlich nicht zu verachten“ Sie kicherte aufgekratzt. „Dass ich das noch erleben darf. Mein Gott, Yen. Darauf müssen wir einen trinken! Ich bringe Brandon mit. Sein Blut ist fantastisch! Er raucht nicht, trinkt nicht und macht regelmäßig Sport. Und er ist sowas von gefügig. Ich musste nicht mal seinen Willen brechen. Ist das nicht geil?“
Ja, total geil!


„Schick mir einfach einen Lieferanten. Du hast sicher Wichtigeres zu tun.“ Das war keine Frage, eher eine Aufforderung, die sie allerdings nicht als eine verstand.
„Ich soll mir DAS entgehen lassen? Bist du irre? Ich muss mir deinen Wirt unbedingt ansehen. Hach, ist das aufregend. Wo steckt ihr?“
„Newport“, knurrte ich woraufhin sie wieder in kindisches Kichern ausbrach. „Okay, okay. Bis wann brauchst du die Lieferung?“
„So schnell wie möglich. Und … Jules?“
„Ja, Schätzchen?“
Ich holte tief Luft. „Ich brauche ein paar Klamotten.“ Ich plumpste auf den Toilettendeckel und blickte beschämt auf meine nackten, schmutzigen Füße.
„Oh ist das zu fassen?“, kreischte sie laut.
Ich ballte die Hand zur Faust. Wie ich es hasste, jemanden um etwas bitten zu müssen. Aber ich konnte Dan unmöglich in dieser Verfassung allein lassen, um shoppen zu gehen.
„Nach welcher Kleidergröße soll ich denn Ausschau halten?“
„XS für mich und ...“ Ich räusperte mich leise. „Irgendwas in XL für einen Mann.“
„Ein Er also. Toll! Yen, ich freu mich so für dich! Ich bin so aufgeregt. Gott, das ist als würde ich das erste Mal jemanden wandeln. Gib mir die Adresse, Baby. Ich werde euch was Hübsches raussuchen.“ Sie notierte Dans Adresse.
Mir war überhaupt nicht wohl dabei, einen fremden Vampir ins Haus zu lassen. Abgesehen von Jules´ eigenartigen Neigungen bezüglich ihrer Blutwirte war sie jedoch die Einzige, der ich einigermaßen vertraute.
„Und? Wirst du ihn beißen?“ Ihre Frage riss mich völlig aus dem Konzept.
Ich lachte leicht hysterisch. „Wie … wie kommst du denn auf sowas?“
„Das mit Toma macht dir wohl immer noch schwer zu schaffen, hm?“ Darauf wusste ich nichts zu sagen. Wenigstens besaß sie genug Taktgefühl, um die Klappe zu halten und sich mit einem schnellen „Bis nachher“ zu verabschieden.
Plötzlich kam mir meine gute Idee total idiotisch vor.
Ich spielte sogar mit dem Gedanken Dan irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden zu verstecken. Jules war zwar ein entzückendes Ding, aber ihre blutigen Gelüste hielt sie nie zurück. Deshalb hatte sie, immer wenn wir uns trafen, einen ihrer Blutwirte im Schlepptau. Ausgelaugte, dürre Typen die geifernd ihren süßen, kleinen Hintern befummelten, während sie stöhnend an deren Vene hing. Jules war einer jener Vampire, die es scharf fanden Sex und Nahrungsaufnahme miteinander zu verknüpfen und ein heißes, blutiges Spielchen daraus zu drehen. Angewidert schüttelte ich mich. Sex war etwas Wundervolles und auch das Bluttrinken war auf seine eigene Art irgendwie berauschend, aber ich würde nie auf den Gedanken kommen, am Hals meines Erwählten zu saugen während ich mit ihm schlief. Das gehörte einfach nicht zusammen! Sterbliche stopften sich während des Geschlechtsverkehrs ja auch keinen Braten mit Kartoffeln und Gemüse in den Mund!
Erst als ich aufgewühlt zurück ins Wohnzimmer tapste, ohne dem Wasserhahn im Bad auch nur nahe genug gekommen zu sein, und einen Blick auf die Uhr über dem Kamin erhaschte, hätte ich mir für meine Dummheit in den Arsch beißen können. Wenn Jules noch vor Sonnenaufgang hier auftauchen würde, hätte ich sie mindestens fünfzehn Stunden am Hals. Sie und ihren Blutwirt! Ich konnte sie ja schlecht bei strahlendem Sonnenschein vor die Tür setzen.
„Na Klasse. Das hast du ja wieder wundervoll hinbekommen.“
Ich musste einfach darauf hoffen, dass sie ihren Hunger nur an ihrem Wirt stillte und nicht begann sich nach Dan die Finger zu lecken. Ich musterte sein hübsches, weiches Gesicht. Der wilde Ausdruck des heißen Cowboys schlummerte im Moment zwar hinter den erschlafften Zügen, sollte Dan aber zu sich kommen, wenn sie noch da war, würde ich Jules mit Armen und Beinen von ihm fernhalten müssen. Ein animalisches Knurren entschlüpfte meinen Lippen. Ich sollte keinen Anspruch auf ihn erheben, doch ich würde ganz sicher nicht zulassen, dass irgendein Vampir Hand an ihn legte.



Fortsetzung folgt im zweiten Teil!

 

Impressum

Texte: Copyright auf den Inhalt liegt sowas von bei mir.Wer klaut, wird verklagt! Und das ist KEIN Joke!© Joey T. Lewis, 2010-2011Cover http://www.alanayers.com/Romance/romance.html
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich ganz speziell der Person, die mit mir stundenlang über die Idee getratscht, zusammen mit mir Titel ausgedacht hat und dann genauso gespannt auf das Ergebnis war wie ich ^^ (MelodieDerFinsternis)

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