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Der Held kam nicht


„Tu es nicht!“, rief eine Stimme direkt hinter mir und starke Arme schlangen sich um mich und hielten mich fest. „Tu es nicht!“, sagte die Stimme wieder, doch dieses Mal war es nur ein heiseres Flüstern.
„Wieso?“, fragte ich. „Wieso?“
Ich wollte mich aus dem eisernen Griff befreien, doch es klappte nicht. Letztendlich drehte ich mich so zu der Person um, dass ich ihr Gesicht sehen konnte. Tränen rannen über meine heißen Wangen und ich zitterte am ganzen Leib.
„Nenn mir einen gottverdammten Grund, warum ich es nicht tun sollte. Einen Grund! Weißt du überhaupt, wie ich mich fühle? Wie es wehtut? Und sag jetzt nicht ja. Lüg mich nicht an.“
Es kam keine Antwort.
„Verdammt, Jake! Verdammt“, heulte ich und brach zusammen.
Jake hielt mich immer noch fest, ging aber mit mir in die Knie und drückte mich fest an ihn.
„Es tut mir so Leid“, sagte er. „Ich hätte es besser wissen müssen! Es ist meine Schuld“, flüsterte er mir ins Ohr und streichelte mein Haar.
Doch ich bekam kaum was mit. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Der ganze Frust und der ganze Kummer flossen aus mir heraus und erst in diesem Moment wurde mir klar, wie schlecht es mir ging. Ich hatte mich die ganze Zeit vor meinen Gefühlen versteckt, keinen Ton hervorgebracht, die Tränen herunter geschluckt und gelacht. Und, obwohl ich mich bemüht hatte, es keinen merken zu lassen, hatte ich doch immer gehofft, sie würden es sehen. Wenigstens einer. Wenigstens Jake! Doch er hatte es nicht gesehen. Er hatte die Augen verschlossen und weggedreht. Er hatte mich im Stich gelassen, als ich ihn am meisten gebraucht hatte.
„Wieso bist du gekommen?“, fragte ich leise und sah ihm tief in seine grünen Augen.
„Wegen dir“, sagte er und deutete ein Lächeln an. „Ich konnte dich einfach nicht zurücklassen. Ich hab gesehen, wie es dir ging und... mich einfach abgewendet. Und als mir klar war, was du damals gemeint hast, bin ich sofort hierher um dich zu suchen. Ich lass dich nie mehr allein, Jenny, das schwöre ich dich!“
„Wie kann ich dir das denn jetzt noch glauben?“, flüsterte ich und schluchzte. „Wie?“
„Jenny, du musst! Ich bin jetzt hier und ich lass dich nicht mehr gehen. Ich werde immer bei dir bleiben! Immer. Ich werde dir Halt geben, wenn du ihn brauchst, ich werde dir Luft geben, wenn du sie brauchst, ich gebe dir alles! Und ich verlange nichts dafür. Nichts, denn...“ Er holte tief Luft und sah mich ernst an. „...denn ich liebe dich, Jenny. Mehr als alles andere auf dieser Welt und ich brauche dich! Verstehst du das?“
Ich sagte nichts. Jake brauchte mich? Mich? Und er... liebte mich? Er liebe mich! So wie ich ihn. Mehr als alles andere und bis in alle Zeiten. Mein Herz begann zu rasen und in meinen Ohren rauschte das Blut.
„Danke, dass du mich gerettet hast, Jake. Du bist mein Held. Ich liebe dich auch!“, flüsterte ich.
Und ohne darüber nachzudenken beugte ich mich vor und küsste ihn.



„So würde es nie kommen“, sagte eine Stimme in meinem Kopf. „Jake liebt dich nicht und das ist nur Wunschdenken!“
Ich wusste, dass diese Stimme Recht hatte und das es sinnlos war, einen Gedanken, ein Gefühl daran zu verschwenden. Mein Held würde nicht kommen! Ich fühlte mich, als würde ich fallen. Immer tiefer und tiefer und immer wieder würde ich auf etwas hartem aufkommen und denken, dass ist der Boden, tiefer geht es nicht mehr. Und dann stellte sich heraus, dass es wohl tiefer ging! Und nun konnte ich einfach nicht mehr, hatte nicht mehr die Kraft, etwas zu schaffen. Mich aufzuheitern. Meinen eiserne Maske des Lächelns zerbrach Stück für Stück und doch merkte es keiner. Ich war allein!
Langsam stieg ich auf das Steingelände des Balkons. Der Himmel war blau und die Sonne schien, ich spürte ihre Wärme im Gesicht und hörte die Vögel singen. Ich würde es nicht vermissen. Ich holte nicht noch zum letzten Mal Luft oder dachte noch ein letztes Mal an Jake oder meine Vergangenheit. Ich dachte nur noch an den letzten Schritt. Den letzten Schritt zur Erlösung! Und ich tat ihn mit einem Lächeln auf den Lippen.

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Tag der Veröffentlichung: 20.01.2011

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