„Du musst mir helfen, Madeleine. Ich kann mich doch in deiner Wohnung verstecken. Sie dürfen mich nicht finden!“
Pia sank weinend auf den Küchenstuhl.
Madeleine stand an ihre Spüle gelehnt und sah ihre Schwester verzweifelt an. Schon so oft hatte sie ihr aus der Klemme geholfen, ihr Geld geliehen oder sie nachts aus irgendwelchen dunklen Straßenecken abgeholt.
Laut stöhnte Madeleine auf. Sie liebte ihre kleine Schwester wirklich über alles, aber so langsam hatte sie keine Kraft und eigentlich auch keine Lust mehr dazu.
„Wann wirst du endlich erwachsen?“
Madeleine wollte hart, verärgert und böse klingen, aber irgendwie schaffte sie das wieder nicht.
„Warum gehst du nicht ganz normal arbeiten, wie andere Menschen auch?“
„Ich bin nun mal nicht so schlau wie du!“
Pias Worte klangen verzweifelt und patzig zugleich.
Eine Leuchte war sie in der Tat nie in der Schule gewesen. Während Madeleine eine Klasse übersprungen hatte, drehte Pia eine Ehrenrunde und ging nach der zehnten Klasse ab. Danach wechselte sie von einem Kellnerjob zum nächsten. Das verdiente Geld wurde sogleich in Make-up und Klamotten umgesetzt.
Wieder seufzte Madeleine schwer auf und ließ sich auf den Stuhl neben ihrer Schwester sinken.
Gegensätzlicher konnten die Schwestern kaum sein, sowohl vom Äußeren, als auch vom Wesen her. Pia war eine gut aussehende echte Blondine, die ihre weibliche Figur bestens einzusetzen wusste. So war es ihr in den letzten drei Jahren auch gelungen, sich von einer Affäre in die nächste zu stürzen und von den Männern aushalten zu lassen. So kam sie dann auch in die Kreise von Nobelcasinos, reichen Männern und natürlich auch dem Spiel im Casino als solches.
„Um wie viel Geld geht es denn diesmal?“
Pia zuckte nur mit den Schultern.
„Pia, ich bitte dich. Du musst doch eine ungefähre Vorstellung haben!“
So langsam wurde Madeleine doch etwas ärgerlich.
Das Klingeln von Pias Handy ließ diese zusammenzucken. Ängstlich starrte sie das nicht verstummen zu wollende Telefon an.
„Sie werden mich überall finden und dann“, wieder fing Pia an zu weinen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte das Telefon auf zu klingeln.
Madeleine stand auf und kochte eine Kanne Tee. Immer wieder sah sie zu ihrer Schwester hinüber, aber die kauerte nur regungslos auf dem Stuhl.
Als Madeleine die Teetassen zum Tisch brachte, sah Pia verzweifelt auf.
„Du musst mit ihm reden. Auf dich wird er bestimmt hören. Er soll ein intelligenter Mann sein. Du bist eine intelligente Frau. Dich wird er anhören.“
Madeleine sah irritiert ihre Schwester an.
„Ich? Und mit wem soll ich reden? Und worüber?“
„Crawford. Torben Crawford. Er ist der Besitzer. Dir wird er bestimmt glauben, dass wir die Schulden begleichen wollen und werden.“
„Wir?“
Entsetzt darüber, dass Pia nicht nur wieder erwartete, dass sie ihr half, sondern auch noch, dass sie ihre Schulden mit abstotterte.
„Über welche Summe reden wir denn überhaupt? Ist sie wenigstens noch vierstellig?“
Pia schüttelte zaghaft den Kopf.
„Fünfstellig?“
Madeleine stöhnte wieder auf, aber wieder schüttelte Pia nur den Kopf.
„Pia! Wie konntest du nur? Hast du denn in all den Jahren nichts dazugelernt?“
Langsam fing Pia an zu erzählen, wie sie in die Casinoszene hineingerutscht war und irgendwann den Überblick verloren hatte. Da sie stets mit gut situierten Männern da war, beglichen diese ihr auch immer wieder großzügig die Schulden, wenn sie mal im Casino verlor. Aber meistens hatte sie Glück gehabt. Nie besonders viel, aber es hatte doch gereicht und die letzten Male hatten die Herren sie ja auch aufgefangen, aber diesmal leider nicht.
„Sie werden mich zur Prostitution zwingen. Ich werde es quasi abarbeiten müssen.“
„Schlecht ist die Idee nicht“, antwortete Madeleine nachdenklich.
„Ich soll anschaffen?“
„Nein“, lenkte Madeleine ein, „aber arbeiten. Warum redest du nicht mit diesem, wie heißt er?“
„Crawford. Habe ich versucht, aber seine Bulldozer lassen mich nicht an ihn ran.“
„Wie kommst du darauf, dass sie ausgerechnet mich an ihn heranlassen?“
In Pias Augen blitzte ein wenig Hoffnung auf.
„Er kennt dich nicht und Frauen interessieren ihn grundsätzlich. Er wäre neugierig, was du von ihm wollen würdest.“
„Ich dachte, seine Bulldozer lassen keinen durch.“
„Ich habe gehört, dass Crawford alles weiß und alles mitbekommt. Er weiß genau Bescheid, was in seinen Häusern abgeht. Gerade in demjenigen, wo er derzeit wohnt, entgeht ihm gar nichts. Im Moment hält er sich hier in seinem Hotel in Las Vegas auf.“
Pia setzte sich wieder aufrechter hin und strahlte geradezu hoffnungsvoll ihre Schwester an.
Diese schluckte, als sie merkte, dass sie aus dieser Geschichte nicht mehr herauskam.
Sie hatte damals auf dem Sterbebett ihrer Mutter versprochen, dass sie sich immer um ihren Vater und die kleine Schwester kümmern würde. Doch hatte sie damals nicht geahnt, wie schwierig Letzteres werden würde.
Wieder klingelte Pias Handy. Vorsichtig schielte sie auf das Display und zuckte direkt wieder zurück, als wenn derjenige sie durch das Display würde sehen können.
„Dann kommst du aber mit!“
Pia sah ihre Schwester entsetzt an.
„Nein, dann behalten die mich gleich da und mit mir an der Seite kommst du auch nicht bis zu Crawford durch.“
Madeleine zog angespannt die Augenbrauen hoch. Vermutlich hatte sie leider recht. Einen Moment überlegte sie und es schien, als hätte Pia den Atem angehalten.
„Na gut. Ich mache es. Aber ich versuche es bloß einmal, wenn ich nicht durchkomme, hast du Pech gehabt.“
Pia sprang auf und ihrer Schwester in die Arme.
„Das werde ich dir nie vergessen!“
„Ja, so wie die anderen Male auch schon nicht!“, brummte Madeleine leicht gereizt.
Dann überlegte sie, was sie anziehen sollte. Auf keinen Fall wollte sie sich verkaufen, aber trotzdem konnte sie schlecht in Jeans dort auftreten.
„Mr. Crawford?“
Torben Crawford drehte sich langsam zu seinem Manager, der mal wieder hektisch durch die riesige Empfangshalle eilte.
„Mr. Harkert. Wir sind hier noch immer ein erstklassiges Luxushotel, da rennt man nicht wie ein Berserker durch die Hallen!“
Sein Tonfall war ruhig, aber betont streng, sodass Mr. Harkert sofort seinen Schritt verlangsamte.
„Kennen Sie eigentlich diese kleinen Dinger?“
Er machte eine leichte Handbewegung.
„Handy, nennt man die auch, da kann man unauffällig jemanden ganz schnell erreichen und muss nicht durch die Hallen schreien.“
Mr. Harkert verlor sogleich sämtliche Farbe im Gesicht. Er hatte schon gehört, dass sein Chef heute sehr schlecht drauf war, aber dieser Blick verhieß nichts Gutes.
Torben Crawford ließ ihn stehen und ging ins Casino hinunter. Dort erkundigte er sich beim Wachpersonal vor Ort, ob alles in Ordnung sei, und ging dann langsam durch die gefüllten Casinoräume.
Das Gespräch mit Angelina Porter stieß ihm erneut auf. So langsam wurde sie ihm eine Spur zu aufdringlich. Sie war die Assistentin des Managers seines Hotels in Kalifornien und hatte ihn im letzten Jahr immer wieder zu offiziellen Veranstaltungen, die er besser nicht alleine wahrnahm, begleitet.
Anfang des Jahres hatte er ihr noch eine großzügige Summe extra überwiesen, da sie sich ja auch stets neu einkleidete, um ihm ebenbürtig an seiner Seite zu erscheinen. Aber ihr forderndes Auftreten heute lag ihm richtig schwer im Magen, zumal er ihr nie Hoffnungen gemacht hatte.
Es nützte alles nichts. Er brauchte eine Frau. Zumindest für die offiziellen Veranstaltungen. Gerade jetzt, wo es langsam dem Jahresende zuging, wurde er wieder auf vielen offiziellen Veranstaltungen erwartet.
Er musste sich etwas einfallen lassen. Angelina Porter war raus. Nach dem Auftritt vorhin am Telefon hatte er ihr direkt gesagt, dass er ihre Dienste nicht mehr benötigte, woraufhin sie einfach aufgelegt hatte. Nun musste Torben Crawford doch schmunzeln, wie er daran dachte, dass sein Manager Mr. Adams vor Ort vermutlich nun ihre schlechte Laune abbekam. Aber der konnte wohl gut damit umgehen. Notfalls würde sie gehen müssen.
Es war mittlerweile später Nachmittag und hier im Casino ging es jetzt erst so richtig los. Dass die Räume nun schon so gut gefüllt waren, ließ seine schlechte Laune ein wenig verfliegen.
Torben Crawford fuhr mit dem Fahrstuhl eine Etage höher, wo der Sicherheitsdienst mit vielen Monitoren das ganze Areal überblickte.
„Hallo Frank!“, begrüßte er seinen Sicherheitschef und Freund.
„Oh, Torben! Grüß dich!“
Sie plauderten im Smalltalk ein wenig über den Tag. Entspannt lehnte sich Torben Crawford locker an einen Tisch und sah dabei über die Monitore.
Sein Blick blieb an einen der Monitore am Casinoempfang hängen.
„Fahr da mal näher ran“, wies er den Mitarbeiter an den Monitoren an, der die entsprechende Kamera sofort bediente.
Torben sah sich die junge Frau an. Sie passte so überhaupt nicht in diese Umgebung. Sehr gepflegt und ordentlich, aber keine Frau ging in so einer Hose ins Casino. Die weit geschnittene braune Hose schien die gleiche Farbe wie ihre Haare zu haben. Die lockere, lange weiße Bluse trug sie über der Hose und der einfache, schlichte Gürtel betonte ihre Wespentaille, aber vermutlich war ihr das gar nicht bewusst. Zumindest machte sie den Eindruck.
„Frank? Frag mal nach, was da unten los ist.“
Frank nickte und fragte sogleich über das Mikro nach.
„Wie, sie will den Boss sprechen?“, wiederholte Frank das Gesagte und sah dabei Torben Crawford fragend an.
Dieser zog amüsiert die Augenbrauen hoch.
„Hat sie das so gesagt?“, fragte er nach.
Dieser Wortschatz passte nicht zu ihrem Auftritt. Ihre glatten, langen Haare trug sie offen und sie schimmerten leicht glänzend.
Da der Sicherheitsmann in eine der Kameras sah, während er Frank antwortete, sah die junge Frau auf und direkt in die Kamera. Torben Crawford war fasziniert von diesem unschuldigen, aber ganz offensichtlich ehrlichen Blick dieser Frau.
„Sie hat nach Mr. Crawford gefragt und gleich gesagt, dass sie keinen Termin habe, es aber sehr wichtig sei.“
Frank holte ihn aus seinen Gedanken zurück.
„Wichtig für sie oder wichtig für mich?“
Frank schmunzelte, während er die Frage weitergab.
„Für sie“, teilte Frank ihre Antwort mit.
Ehrlich war sie und ganz offensichtlich sehr mutig. Dass sie sich dort nicht wohlfühlte, sah man ihr an, aber sie blieb tapfer dort stehen.
Frank sah ihn fragend an. Torben Crawford nickte langsam und Frank gab gleich Anweisung nach unten weiter.
Torben Crawford ging zur Tür.
„In mein Büro, in fünf Minuten sollen sie losgehen.“
Frank nickte und gab direkt die Anweisungen durch, während Torben Crawford langsam die Tür hinter sich schloss und zu seinem Büro schlenderte.
Die Fenster in seinem großzügigen Büro waren dunkel getönt. Die beiden großen, kostbaren Bilder wurden von Speziallampen leicht angestrahlt und die Ledersitzgruppe war mit einem dezenten Licht erhellt.
Torben Crawford setzte sich an seinen Schreibtisch und überlegte, ob er stärkeres Licht einschalten sollte, entschied sich aber dagegen. Draußen war es noch hell und so kam auch noch einiges Licht durch die Scheiben.
Was sie wohl von ihm wollte? Sie sah nicht nach jemandem aus, der einen Job bei ihm suchte, überlegte er. Vielleicht ging es um ihren Vater? Sie wäre nicht die erste Tochter, die versuchte, ihren spielsüchtigen Vater aus dem Casino fernzuhalten.
Entspannt saß er in dem dicken Lederchefsessel, als es klopfte. Der Sicherheitsmann öffnete nach Aufforderung die Tür und trat dann mit der jungen Frau herein.
Torben Crawford musterte schmunzelnd die junge Frau, die dort stehen geblieben war, wo der Sicherheitsmann sie hatte stehen lassen, bevor er sich leise wieder entfernte und direkt hinter sich die Türe zuzog.
Er merkte, wie sie mit sich kämpfte. Ihr war anzusehen, dass sie am liebsten kehrtgemacht hätte und sich wünschte, nicht hergekommen zu sein.
„Guten Tag, Mr. Crawford“, sagte sie leise mit zittriger Stimme.
Madeleine war sich nicht sicher, was sie mehr aus dem Konzept brachte, die Situation oder dieser Mann, der nicht nur atemberaubend gut aussah, sondern auch eine Ausstrahlung hatte, die sie förmlich anzog.
„Danke, dass Sie mir eine Minute Ihrer kostbaren Zeit geben.“
Torben Crawford stand langsam auf, ging um den Schreibtisch zu ihr hinüber.
„Eine Minute? Haben das meine Männer gesagt?“
Seine Stimme war ruhig, aber rau und ließ ihr sogleich wieder einen Schauer über den Rücken fahren.
„Ähm, ja. Sie haben wenig Zeit und das glaube ich auch. Ich will Sie nicht lange aufhalten.“
Sie holte tief Luft, um sich selber Mut zu machen.
Torben ging galant zur Sitzgruppe hinüber.
„Möchten Sie etwas trinken, Ms. oder Miss?“
Als sie nichts sagte, drehte er sich noch einmal zu ihr um und lächelte sie smart an.
„Kommen Sie, setzen wir uns und Sie sagen mir, was Sie auf dem Herzen haben, Ms.?“
„Entschuldigen Sie. Morgen.“
Langsam ging Madeleine zu ihm zur Sitzgruppe und hockte sich auf eine Sesselkante.
„Madeleine Morgen!“
Torben Crawford nickte leicht, nahm einen Glaskrug, zapfte frisches Soda ab und brachte es mit zwei Gläsern an den Tisch.
Erneut schmunzelte er auf, als sie das Glas Soda fast in einem Zug leerte, nachdem er etwas getrunken hatte.
„Sie machen auf mich den Eindruck, als wenn Ihnen dieser Gang nicht leicht gefallen wäre, und ich werde das Gefühl nicht los, dass es nicht wirklich um Sie geht.“
Torben Crawford füllte erneut ihr Glas und lehnte sich entspannt in den Sessel zurück.
„Natürlich haben Sie recht“, sagte sie leise, aber mit etwas gefestigter Stimme.
„Natürlich?“, hakte er lächelnd nach.
„Ich denke, dass Sie die Menschen gut einschätzen können.“
Torben Crawford musterte sie. Es lag eine ganz besondere Spannung zwischen ihnen. Torben Crawford konnte dieses Gefühl überhaupt nicht zuordnen. Es knisterte förmlich zwischen ihnen. Wollte sie ihm schmeicheln? Aber sie machte nicht den Eindruck. Es war ihr wohl ernst.
„Und? Um wen geht es?“, hakte er freundlich nach.
„Um meine Schwester.“
Madeleine sah ihn an.
„Pia. Pia Steward!“
Er konnte sich ein freches Lachen nicht verkneifen.
„Entschuldigen Sie, Ms. Morgen, aber ich hätte nicht vermutet, dass Pia Steward Ihre Schwester ist. Sie sind so ganz anders.“
Madeleine wurde leicht rot.
„Ja, ich weiß, ich bin nicht so glamourhaft wie Pia.“
Ihre Stimme versagte fast zum Schluss.
Torben Crawford holte tief Luft. Er hatte sie ungewollt verletzt, das wollte er nicht und meinte es so auch nicht.
„Das habe ich nicht gesagt. Aber Sie müssen zugeben, dass Sie beide sich so gar nicht ähneln.“
„Ja, ich bin nicht gerade der Partylöwe.“
„Das wäre ja auch schade, bestenfalls Löwin.“
Flirtet er mit mir?, schoss es Madeleine durch den Kopf, aber sie verwarf es sogleich. Ein Mann wie Mr. Crawford machte sich vermutlich nur über Frauen wie sie lustig.
„Was machen Sie beruflich?“
Irritiert sah sie ihn an.
„Wie bitte?“
„Was machen Sie beruflich?“, wiederholte er seine Frage.
„Ähm, ich bin gerade mit meinem Studium fertig.“
Sie sah ihn fragend an, aber er erwiderte nur ihren Blick und wartete offenbar darauf, dass sie mehr erzählte.
Mein Gott, ich dachte, der Mann hat keine Zeit!, schoss es Madeleine durch den Kopf.
„Ich habe Lehramt studiert.“
Torben hob anerkennend den Kopf.
Als sein Telefon klingelte, entschuldigte er sich und gab leise kurze, aber offensichtlich klare Anweisungen. Dann legte er wieder auf und lächelte sie freundlich an.
„Wie gesagt, ich bin wegen Pia hier“, versuchte Madeleine vorsichtig wieder zum ursprünglichen Thema zu kommen.
„Sie hat hier ganz offensichtlich einige Schulden und daher im Moment einige Probleme am Hals.“
Torben Crawford zuckte mit den Schultern.
„Ist das so?“
„Ähm, ja.“
„Wie hoch sind die Schulden?“
Als er ihren irritierten Blick sah, musste er schmunzeln.
„Es sind offensichtlich weniger als eine Viertelmillion, da ich erst ab dieser Summe mit solchem Kram belästigt werde.“
„Kram?“, brach es aus Madeleine entsetzt heraus.
„Eine sechsstellige Summe kann ich nicht als Kram bezeichnen.“
Torben Crawford lachte leicht auf, griff nach dem Telefon, rief seinen Mitarbeiter an und ließ sich stenoartig über Pia Stewards Schulden informieren.
„Ich dachte, Sie kennen meine Schwester“, hakte Madeleine mit leicht gereiztem Unterton nach, nachdem er aufgelegt hatte.
„Schon. Als Person. Sie ist eine echte Partylöwin, die es versteht, sich immer wieder einen reichen Typen einzufangen. Ganz offensichtlich, wie ich anfangs schon sagte, das totale Gegenteil von Ihnen. Sie scheinen sehr bodenständig zu sein.“
Madeleine musterte ihn leicht, konnte ihn aber absolut nicht einschätzen.
„Was spricht dagegen, bodenständig zu sein?“
„Nichts. Gar nichts. Das war nicht negativ gemeint. Ganz im Gegenteil, und es spricht für Sie, dass Sie sich für Ihre Schwester in die Höhle des Löwen trauen.“
Frech zuckten seine Mundwinkel auf.
„Knappe zweihunderttausend sind es.“
Madeleine schloss kurz die Augen und schluckte schwer.
Torben Crawford gab ihr den Moment, den sie zu brauchen schien.
Als sie ihn wieder ansah, lächelte er sie aufmunternd an.
„Was kann ich denn nun für Sie tun?“
Torben lehnte sich leicht vor und kam ihrem Gesicht somit sehr nahe.
Madeleine riss sich zusammen, um nicht gleich spontan zurückzuzucken. Ihr war klar, dass Sie Haltung bewahren musste, wenn sie etwas erreichen wollte.
„Vielleicht könnten Sie die Eintreibung erst einmal einstellen und die Rückzahlung stunden, bis wir eine Lösung für das Problem gefunden haben.“
„Aha. Wer ist wir?“
„Meine Schwester und ich und vielleicht“, sie haderte kurz und schluckte, „vielleicht finden wir mit Ihnen zusammen eine Lösung.“
„Aha“, sagte er wieder.
Aber seine Stimme war noch immer ruhig und freundlich.
„Was genau schwebt Ihnen vor?“
„Vielleicht könnten wir für Sie arbeiten?“
Madeleine wurde wieder immer leiser. Sie konnte nichts dafür, die Nähe dieses Mannes rang ihr alles ab.
„Sie wollen für mich arbeiten, um die Schulden Ihrer Schwester zu tilgen?“
Torben Crawford war überrascht und erfreut zugleich.
„Darf ich fragen, was Ihnen vorschwebt?“
Leicht strich er mit einem Finger über ihren Arm. Er merkte, wie sie direkt erschauderte. Schmunzelnd sah er sie an.
„Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.“
Ihre Stimme klang recht verzweifelt.
Amüsiert betrachtete er sie. Sie war auf natürliche Art sehr hübsch und sie gefiel ihm. Ihr zurückhaltendes Auftreten empfand er als sehr angenehm. Er wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als sie an sich zu ziehen und leidenschaftlich zu küssen.
„Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment?“
Torben Crawford stand dabei auf und sah sie auffordernd an.
„Natürlich!“
Madeleine stand auch direkt auf.
„Bleiben Sie bitte hier, Ms. Morgen. Ich muss nur kurz etwas abklären.“
Madeleine nickte ihm zu und Torben Crawford verließ den Raum.
Schnurstracks ging er durch das Büro der Sicherheitscrew zu dem Hinterzimmer, wo die Männer der Beitreibung saßen.
„Hallo Charly“, begrüßte er den Mann hinterm Schreibtisch, der sofort den anderen Männern Zeichen gab und diese sich direkt wortlos aus dem Raum entfernten.
Torben schloss die Tür, setzte sich auf einen der Stühle und grinste Charly frech an.
„Torben? Lange nicht gesehen. Was führt dich zu mir?“
„Pia Steward!“
Charly lachte laut auf.
„Entschuldige, aber du strahlst, als hättest du gerade einen Volltreffer von Frau getroffen, aber das kann nicht Pia Steward sein.“
„Sag mir, was du weißt“, forderte Torben Crawford ihn auf.
Er wusste, dass er ihm nichts vormachen konnte. Frank, Charly und er waren damals zusammen aufgewachsen. Jeder ging beruflich seine Wege, aber die Freundschaft blieb bestehen. Als Torben Crawford damals dieses Casinohotel aufbaute, holte er sich die Beiden in sein Team. Sie waren die einzigen Menschen, mit Ausnahme seines Bruders und dessen Frau, denen er vertraute und auch nichts vormachen konnte.
Charly holte sich die Akte von Pia Steward vor, blätterte ein wenig und diktierte stenoartig: „Geborene Morgen, vor zwei Jahren Robert Steward geheiratet, aber der hat sie schnell wieder fallen gelassen und großzügig abgefunden. Sie ist dreiundzwanzig Jahre und angelt sich stets reiche Männer, die es nötig haben. Sie geht hier im Casino ein und aus, obwohl zurzeit vermutlich nicht. Ihre Schulden hier liegen bei einhundertachtundneunzigtausend, die wir zurzeit versuchen, bei ihr einzutreiben. Leider ist sie im Moment nicht liiert und wohl völlig blank.“
Charly sah auf: „Ein Wahnsinn, wie die Frau das Geld um sich wirft, sobald sie es hat. Also? Was willst du von der?“
„Was weißt du noch über sie?“
Charly verzog leicht den Mundwinkel und blätterte weiter
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Lektorat: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 26.12.2013
ISBN: 978-3-7309-7162-8
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