Werwolf in love
Kim
Nur an der plötzlich nahen Hitze spürte ich, dass er sich neben mich setzte.
Manchmal bewegte er sich so leise…
Angestrengt versuchte ich nicht zu ihm hinüber zu schielen. Stattdessen zählte ich die Anzahl an Buchstaben an der Tafel. Eins, zwei, drei, vier…
Fast schreckte ich auf, als er aus Versehen meine Hand streifte.
Hatte er Fieber? Er brannte ja förmlich. Und das ging nun schon seit Wochen so, aber er sah nicht wirklich krank aus.
Lag es daran, dass er einfach zu viel trainierte? Er hatte wirklich in drei Wochen mindestens zwanzig Kilogramm Muskelmasse zugelegt.
Wenn er mal wieder in La Push oben ohne- mitten im Winter! – lief, konnte ich kaum den Blick von seinen Bauchmuskeln wenden.
Hmm…der Ärmste schien wenig Schlaf zu bekommen- unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Hatte er Stress zu Hause?
Ich seufzte. Seine Nähe kribbelte so in meinem Bauch. Am liebsten hätte ich mich ihm um den Hals geworfen…
Bei dem Gedanken wurde ich rot.
Kannte er überhaupt meinen Namen?!
„Kim.“, flüsterte eine Stimme wie als Antwort.
Der Ton der Stimme verwirrte mich, doch noch mehr irritierte mich, dass er es war der Sprach.
„Ehm… was gibt’s Jared?“, fragte ich kurz angebunden und mit gesenktem Blick.
Sofort schaute mich unser Geschichtslehrer mahnend an.
„Tschuldigung.“, murmelte ich.
Alles blieb still, während mein Herz wie wild schlug. Er hatte mich angesprochen! Meinen Namen genannt!
Eine Millionen Schmetterlinge rebellierten in meinem Bauch.
Ich zuckte zusammen, als plötzlich das laute Tönen der Schulglocke erklang.
Langsam erhob ich mich und fing an meine Bücher einzusammeln.
Ich war so verwirrt, dass ich gar nicht richtig mitbekam, was ich tat und was um mich herum geschah.
„Kim.“ Ich stockte. Langsam hob ich meinen Kopf, registrierte nur am Rande, dass wir allein waren und sah seinen Blick.
Meine Atem stockte, mir wurde ganz heiß und meine Augen waren geweitet.
Wie er mich ansah…
So als wolle er mich mit seinen wunderschönen braunen Augen verschlingen und nie mehr hergeben.
Aber es machte mir keine Angst, im Gegenteil, die Schmetterlinge wurden nur noch aufbrausender.
Plötzlich standen wir vor einander. Ich wusste nicht mehr ob ich näher an ihn gegangen war, oder er an mich.
Ich hob unwillkürlich meine Hand, um sein Gesicht zu berühren, brachte mich dann aber schnell wieder unter Kontrolle.
„Hast du am Samstag etwas vor?“, flüsterte er, ohne seinen blick von meinem Gesicht abzuwenden.
„N…nein.“, stotterte ich.
Eigentlich war es ziemlich flach über so etwas wie Ausgehen zu reden.
Wir waren uns schon so nah…
Aber anderer Seits wäre es ziemlich verrückt ihn jetzt schon zu küssen. Ich kannte ihn doch gar nicht richtig.Aber ich hatte dieses drängende Gefühl… fühlte er dasselbe?
Vorsichtig hob er eine Hand, strich mir langsam über die Wange und ich wusste eine Antwort.
Ich konnte in seinen Augen sehen, welch Mühe es ihn kostete den Blick von mir zu wenden.
Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen.
„Ich muss…gehen.“, sagte er und rannte aus dem Klassenzimmer, ohne das ich etwas entgegnen konnte.
Mein Herz, es sprang mir fast aus der Brust. Und mein Gesicht, es brannte so eigenartig. Als wäre unter meiner Haut eine dünne Schicht Glut.
Endlich fand meine Hand die Lehne meines Stuhls und ich setzte mich vorsichtig hin. Mein Blick immer noch auf die Stelle gerichtet, wo er gestanden hatte.
Und dann, nach fünf Minuten, hatte ich mich wieder genug im Griff um zu merken, dass es schon längst zur nächsten Stunde gegongt hatte.
So ein Mist, ich war zu spät!
Meine Hände zitterten. Ich torkelte zum Waschbecken und spritzte mein Gesicht nass, um mich abzuregen.
Der Blick von Jared ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Er war wirklich unnormal gewesen, aber nicht im schlechten Sinne. Eher so, als müsse er uns beide zusammenketten. Oder als wäre es schon geschehen.
Ich war mir sicher mich in den letzten Stunden nicht konzentrieren zu können, aber trotzdem schleppte ich mich in den Flur hinaus, um zu Mathe zu gehen.
Wie erwartet, geisterte nur Jareds wunderschönes, warmes Gesicht in meinem Kopf. Es war schön an ihn zu denken, doch gleichzeitig spürte ich ganz tiefe Trauer. Ich verstand nicht wieso. Aber es fühlte sich so an, als würde ich ihn vermissen.
Sein Gesicht, seinen Geruch, seine Nähe.
Es war so als hätte ich ein ganz großes Loch im Bauch.
Aber wie war das möglich? Bis zu diesem einen Moment als ich seinen Blick gesehen hatte, waren meine Gefühle doch nicht so extrem gewesen. Alles hatte sich in nur dreißig Minuten verändert…
Nein, es war nur viel, viel stärker geworden.
Aber ihn zu vermissen, war wirklich schmerzhaft. Es zerriss mich förmlich.
Wow, so etwas hatte ich noch nie gefühlt.
Ich musste ihn wieder sehen. Jetzt, sofort.
Nach dem Unterricht…
Es schellte und ich sprang auf. Endlich. Schulschluss.
Da ich nicht wusste, was er in der letzten Stunde hatte, wollte ich ihn am Schultor abfangen.
Ich kam als Erste raus und positionirte mich rechts vom Parkplatz.
Doch schon im nächsten Moment musste ich schlucken.
Was sollte ich tun, wenn er jetzt an mir vorbeikam? Sollte ich ihn ansprechen?
‚Hey Jared, ich bin seit neuestem unsterblich in dich verliebt und musste dich deswegen unbedingt wieder sehen. Am liebsten würde ich dich festhalten und nie wieder loslassen! Ach ja, wie heißt du noch mal mit Nachnamen?’
Wohl kaum...
Es würde mir schon ausreichen, wenn ich ihn nur sah.
Seine wunderschöne rostbraune Haut; seine so unglaublich geschickten Hände, die beim Schreiben sanft übers Papier glitten und denen ich ewig bei der Arbeit zu sehen könnte; seine großen, warmen Augen...
Ich war ins Schwärmen geraten und bemerkte erst jetzt, dass schon große Schülerscharren an mir vorbeigingen. Oh nein! Was wenn er schon an mir vorbeigegangen war??Aufmerksam schaute ich nun jedem, der aus der Tür kam, ins Gesicht, doch der auf den ich wartete kam nicht.
Mit jeder Minute, die verstrich, wurde ich hibbeliger und ungeduldiger, aber ich gab die Hoffnung nicht auf.
Ich musste ihn sehen. Jetzt!
Wo war er nur? Hatte ich ihn wirklich verpasst? Bitte nicht.
„Hey Kim.“ Zuerst bekam ich nicht mit, dass mich jemand ansprach, weil es nicht die Stimme gewesen war, auf die ich wartete.
„Oh, hey Maja.“, grüßte ich das Mädchen aus meinem Spanischkurs zurück. Den Blick wandte ich nicht vom Ausgang der Schule, aus der nun schon die letzten Schüler kamen.
„Suchst du jemanden?“, fragte Maja mich freundlich.
War es so offensichtlich?
„Ja.“, antwortete ich ihr.
„Wen denn? Vielleicht kann ich dir ja helfen.“
„Danke, das wäre nett. Ich suche Jared…eh er ist in meinem Geschichtskurs.“ Eigentlich hätte ich seinen Nachnamen genannt, doch ich kannte ihn ja nicht.
„Du meinst den, der neuerdings mit Sam Uley rumhängt? Der ist nicht mehr da.“
„Was? Woher weißt du das?“, fragte ich und konnte nur schwer verbergen, dass ich am Boden zerstört war.
„Ich hatte mit ihm in der vorletzten Stunde Englisch. Da ist er nach Hause gegangen, ihm ging es schlecht, oder so.“
„Oh, danke.“
Ich drehte mich um und verließ das Schulgelände, ohne mich noch einmal nach ihr umzudrehen.
Meine Sinne waren wie betäubt, am liebsten hätte ich geweint.
Ich musste ihn doch sehen! Sein wunderbarer Geruch nach, Moos, Erde und Regen war wie Luft zum Atmen für mich geworden. Ich würde ersticken ohne ihn.
Selbst wenn ich gewusst hätte wo er wohnte, ich hätte mich wohl doch nicht getraut bei ihm zu klingeln. Dafür war ich viel zu schüchtern.
Was wenn er wegen mir nach Hause gegangen war? Wenn er mich nicht sehen wollte?
Sein verliebter Blick von vorhin galt vielleicht nicht mir? Es schmerzte.
Ohne es zu merken ging ich den Weg nach Hause. Wie einstudiert bewegte ich mich, mein Blick der, eines Zombies.
Das plötzliche Klirren von Schlüsseln weckte mich aus meiner Trance.
Einige Wimpernschläge später merkte ich, dass ich meine Hausschlüssel in der Hand hielt und gerade die Tür aufschließen wollte.
Gruselig- ich war wirklich wie ein Toter nach Hause gelaufen.
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich fühlte mich im Moment so leer.
Traurig seufzend trat ich ins Haus und hang meine Jacke auf.
Leise ging ich in die Küche und schenkte mir ein Glas Wasser ein.
Mom und Dad würden erst heute Abend von der Arbeit Heim kommen und ob Johny schon da war, wusste ich nicht.
Ich wollte aber auch allein sein und mich in meiner Trauer suhlen.
„Hi.“, sagte Johny, warf seine Autoschlüssel auf den Tisch und machte meine Pläne zunichte.
„Hallo.“, murrte ich, etwas zu bissig, da ich meine Trauerphase überwunden und zur Wutphase übergegangen war.
Ich war so dermaßen wütend auf mich. Wie…wie konnte ich so dämlich sein? Warum musste ich mich in ihn verlieben? Warum musste ich ihn so sehr lieben?
Wie konnte ich mir nur einbilden, dass er mich auch nur ansatzweise mögen könnte?
Fünf Worte! Nur fünf Worte hatte er bisher zu mir gesagt!
„Was ist denn mit dir los?“, fragte Johny und trank die Milch direkt aus der Packung.„Was ist?!“, wehrte er sich, als er meinen Blick bemerkte.
„Oh Johny, ich kann dein Gesicht nicht mehr sehe!“ , fauchte ich. Ich würde so viel lieber das von ihm vor mir haben.
„Danke Schwesterchen, ich hab dich auch lieb.“, antwortete er unbekümmert.
„Tut mir leid.“, murrte ich. Jetzt war ich noch wütender auf mich, weil ich meinen Bruder so angeschnauzt hatte.
„Was ist denn los?“, fragte er noch mal, doch diesmal im ernsten Tonfall.
„Nichts.“, sagte ich und lief schnell aus der Küche um nicht weiter ausgefragt zu werden.
Im Flur packte ich meine Tasche und lief nach oben in mein Zimmer.
Mist, ich hatte heute Morgen mein Fenster offen vergessen!
Ein heftiger Wind packte meine Haare und wirbelte sie mir um die Ohren. Die Gardinen wurden ebenfalls herumgeweht und ein paar Blätter meiner Hausaufgaben schwangen im Zimmer herum.
Schnell lief ich zum Fenster und schloss es.
Träge sammelte ich die Blätter ein und warf sie achtlos auf meinen Schreibtisch.
Seufzend setzte ich mich auf mein Bett.
Zum Glück war morgen Samstag und ich musste keine Hausaufgaben machen. Ich war überhaupt nicht in der Stimmung dazu irgendetwas zu machen.
Hm… Schlafen war eine gute Idee, dann könnte ich wenigstens abschalten.
Ich legte mich hin, schloss langsam meine Augen, mein Atem verlangsamte sich, wurde rhythmischer und draußen konnte ich den leisen Regen hören.
Jetzt war ich nur noch halb wach.
Ein Vogel flog durch den Regen, der Baum vor meinem Fenster wurde vom Wind bewegt...Schritte...
Meine Augenlider schossen auf. Schritte? Wer war da draußen?
Ich stand auf und ging zum Fenster. Vorsichtig schob ich die Gardine bei Seite.
Unser Garten grenzte direkt an den Wald und dort draußen war nichts.
Merkwürdig, wen hatte ich dann gehört?
Blätter raschelten.
Irgendetwas oder jemand war da im Wald, ich wusste es.
Als ich nach unten zur Tür rannte, sah ich den Zettel, den Johny mir hinter lassen hatte.
„Bin bei Marissa, komme spät wieder.“
Ich ließ die Tür offen, als ich in den Nieselregen rannte.
Drei Schritte vor dem Wald blieb ich stehen und horchte. Atem, ich hörte etwas sehr großes atmen.
Der Wald war zu dicht und dunkel, ich konnte nicht hineinsehen.
Nur der leichte Windstoß des riesigen Wesens schnaubte mir regelmäßig ins Gesicht, ich stand da wie gelähmt.
Ich wusste nicht ob ich in Gefahr schwebte, ob das Wesen- die Person oder das Tier- mich angreifen würde oder nicht.
Und dann ganz plötzlich- Stille.
Ich stand eine Weile nur da, um mich zu vergewissern, dass was auch immer da gestanden hatte weg war. Aber kein Luftzug mehr, es war weg.
Ich lief ein paar Schritte in den Wald, getrieben von meiner Neugierde und einem unbekannten…Verlangen in mir.
Plötzlich stolperte ich und konnte mich nur im letzten Moment wieder fangen. Über mir hörte ich, wie Vögel aus den Baumkronen flogen.
Verwirrt drehte mich um und sah auf die Stelle im Boden, wegen der ich fast hingefallen wäre.Dort war der Boden in Form eines riesigen – gigantischen- Pfotenabdrucks vertieft. Es brauchte eine Weile, bis ich kapierte, dass es tatsächlich ein Pfotenabdruck war.
Erstaunt zog ich die Luft ein. Dieses Tier- vermutlich ein Wolf- musste ja unglaublich groß sein!
Ich kniete mich hin und legte meine Hand in diesen Abdruck. Die Erde unter meiner Hand war kühl. Wow, meine Hand sah so winzig aus in diesem Pfotenabdruck.
Ich rappelte mich wieder auf und ließ den Blick durch den Wald schweifen. Da ich jedoch nichts weiter bemerkte, drehte ich mich sehr bald um und ging wieder aus dem Wald.
Zu Hause stellte ich fest, dass ich total erschöpft war. Ich legte mich aufs Sofa und schlief merkwürdiger Weise augenblicklich ein.
Vor mir war ein großes, großes schwarzes Loch.
Zwischen mir und dieser Finsternis stand der größte Wolf der Weltgeschichte. Er war bestimmt drei Meter groß und fast zwei Meter breit. Doch trotzdem war er muskulös und zweifellos unglaublich schnell. Die Worte Riesig, Gigantisch und Monströs, würden ihn wohl am besten beschreiben.
Sein Fell war wunderschön braun und als er kurz seine Pfote hob, sah ich denselben Abdruck wie im Wald.
Der Wolf war das Einzige, das mich vor diesem Abgrund schützte.
Das Tier war groß, stark und schnell und hatte Zähne wie Dolche, doch ich wusste, er würde mir nichts tun.
Ich würde fast sagen, er liebt mich.
Ich hatte keine Angst vor ihm.
Und dann wachte ich auf.
Ich war völlig allein zu Hause.
Diese bedrückende Stille und die fortwährenden Gedanken an Jared machten mich ganz verrückt.
Es gab nur eine- nein zwei- Personen, die mich aufmuntern konnten. Meine beste Freundin Jenny und...Jared. Doch der würde jetzt nicht plötzlich vom Himmel fallen.
Schnell nahm ich meine Jacke und lief aus dem leeren Haus.
Nach halber Strecke fiel mir ein, dass ich dummerweise meine Schlüssel vergessen hatte. Mist. Dann würde ich wohl bei Jenny bleiben, bis meine Eltern oder Johny wieder auftauchten.
Vor der Haustür der Walls blieb ich stehen und wartete, nachdem Klingeln darauf, dass Jenny mir aufmachte.
Als ich den Blick über die Nachbarschaft wandern ließ, hörte ich schon Jenny die Treppen hinunter poltern.
Dann erwiderte plötzlich ein Augenpaar meinen Blick und ich zog erschrocken die Luft ein. Ich bemerkte, dass es dieser Paul war, der genau so wie Jared mit Sam Uley abhing.
Er sah mich streng...prüfend an.
Ich schaffte es nicht seinem Blick stand zu halten und wandte mich schnell wieder zur Tür. Da machte Jenny mir auch schon auf.
„Hey!“, rief sie erfreut aus.
„Hallo.“, grüßte ich zurück und trat ein.
„Ich bin so froh, dass du gekommen bist, ich sterbe schon vor Langeweile!“
Ich schaffte es ein Lächeln hervor zu bringen.
Und schon fing Jenny an zu reden…
„Meine Eltern sind schrecklich! Wie kleine Kinder, die hören nicht mehr auf zu zanken! Ich schwöre dir, ich werde keinen Tag länger in diesem Haus verbringen als nötig!Dann ziehen wir beide in eine WG, dass wird lustig. Und ich hoffe, dass uns Johny ganz oft besuchen kommt.“ - sie zwinkerte mir zu- „Hast du eigentlich was? Du guckst so angeschlagen.“
Ah, es war ihr aufgefallen, dachte ich bitter.
„Heute ist was Merkwürdiges passiert…“
„Erzähl mal!“
Wir setzten uns aufs Sofa und Jenny setzte ihre seltene Zuhörermiene auf.
Ich erzählte ihr was in der Schule passiert war. Sehr detail arm und von den Geschehnissen zu Hause und von meinem Traum fing ich erst gar nicht an.
„Ah, du bist verliebt, das sehe ich dir an!“, quietschte Jenny und ich lief rot an.
„Quatsch…“, versuchte ich zu bestreiten.
„Jared…der große Jared?“, fragte sie dann nach.
„Eh…ja.“ Ihr Ton irritierte mich.
„Hmm…“
„Was hm?“, fragte ich.
„Irgendwie sind die mir nicht…geheuer. Sam Uley, Jacob Black…ich weiß nicht so genau…“
Ich wusste, dass sie es ganz genau wusste. Sie sagte es nur, um mich nicht zu kränken.
„Sie sind anständig...“, sagte ich wie im Trotz, aber meine Stimme versagte. Ich brauchte nicht aufblicken um zu wissen, dass mich Jenny argwöhnisch ansah.
Dass ich, bis meine Eltern kamen, bei Jenny warte, konnte ich mir abschminken. Denn nach ungefähr zwei Stunden kamen Mr und Mrs Wall heftig streitend nach Hause und ich hatte das Gefühl, dass es besser wäre, wenn ich ginge.
Jenny schaute mich noch entschuldigend an, als sie mich zur Tür brachte und stürzte sich dann als Schlichterin in den Streit ihrer Eltern.
In letzter Zeit stritten sie sich echt oft, ich machte mir Sorgen um Jenny.
Müde ließ ich mich auf die Stufen vor unserem Haus fallen und legte das Gesicht in meine Hände. Ich seufzte und zog die Knie an meine Brust. Wie lange müsste ich wohl noch hier hocken?
Na ja. Ein heftiger Wind setzte ein...
Ich vergrub mein Gesicht in den Armen und verfluchte mich für meinen Gedanken ‚ wenigstens regnete es nicht.
Ich erstarrte zu einer Eisstatue. Mein Atem ging schneller- viel zu schnell eigentlich. Meine Augen waren geweitet, da stand jemand. Ich spürte es ganz eindeutig, eine Hand war nach mir ausgestreckt, doch ich konnte nicht aufblicken. Mein Herz raste.
„Nicht erschrecken…“, bat eine Stimme flüsternd.
Mein Kopf schoss hoch und selbst wenn in diesem Moment die Apokalypse eingetreten wäre, hätte ich nicht aufhören können glücklich zu sein.
Fast hätte ich seinen Namen geschrien. Im aller letzten Moment hörte ich noch auf zu atmen, um nicht nach ihm zu rufen. Als ich sicher sein konnte, nicht überstürzt zu handeln, zog ich wieder gierig nach Luft.
Er stand direkt vor mir. Es war mir ein Rätsel, wie er es geschafft hatte so nah an mich heranzutreten, ohne dass ich es bemerkte. Erst als er seine Hand ausgestreckt hatte, um mich zu berühren, hatte ich ihn wahrgenommen.
Ich saß da wirklich wie vom Donner gerührt.
Seine Hand ging noch die letzten Zentimeter und faste eine Strähne von mir, um sie mir hinters Ohr zu klemmen. Dann stockte Jared plötzlich, als er bemerkte, dass er mich berührte und er wich ein paar Schritte zurück.
Ich…ich konnte nicht aufstehen. Ich konnte mich nicht bewegen. Noch nicht mal meinen Mund.„Tu…tut mir leid.“, nuschelte er und ich sah ihm an, dass er seinen bohrenden Blick von mir nehmen wollte, es jedoch nicht zu Stande brachte. Wie verloren er da stand… als müsste er ganz dringend etwas sagen und konnte es aber nicht.
Ich konnte nicht klar denken! Erst nachdem ich meine Augen geschlossen hatte, hatte ich wieder Kontakt zu meinem Verstand.
Worauf wartest du noch, Kim? Eine bessere Gelegenheit als diese hier gab es nicht!
Ich stand auf- etwas widerwillig. Was sollte ich tun? Oh Mann ich zitterte am ganzen Körper!
Und dann standen wir wirklich genau voreinander und ich wusste schon wieder nicht, wer wem näher gekommen war.
Alles was ich noch zu Stande brachte, war es meine Hand zu bewegen. Langsam strich ich über den Rücken seiner glühend warmen Hand.
Er nahm meine Hand in seine, unsere Blicke lösten sich noch immer nicht voneinander. Ich hatte im Moment das Gefühl, dass sie sich auch nie wieder trennen würden.
Wieder fiel mir ein, dass ich ihn gar nicht kannte.
„Ist dir nicht kalt?“ Fast schien es mir so, dass er sich ewig gesammelt hatte, um den Satz hervor zu bringen.
Ich hätte fast laut aufgelacht.
Nein, mir ist nicht kalt, Jared, ich koche!
Denn seine Nähe, sein Gesicht, das zu mir gebeugt war, das alles ließ die Glutschicht unter meiner Haut aufglimmen. Ein Eissturm hätte ausbrechen können und mir wäre nicht kalt gewesen. Ganz zu schweigen davon, dass er so eine unnormale Wärme ausstrahlte.
Doch ich konnte den Mund nicht aufmachen. Bei mir im Kopf tat sich im Moment gar nichts.
Verdammt, ich sah, dass er auf eine Antwort wartete! Was sollte ich jetzt nur tun?!
So sehr es mich auch sträubte, ich musste für ein paar Augenblicke die Augen zu machen, um mich wieder zu konzentrieren. Ich konnte weder den Blick von ihm wenden, noch länger kopflos ihn anstarren.
Sauerstoff, mein Hirn brauchte mehr Luft. Ich atmete tief ein und aus, ohne die Augen zu öffnen, da er mich sofort wieder in seinen Bann ziehen würde.
„Nicht wirklich.“, sagte ich mit immer noch geschlossenen Augen. Wow, ein grammatikalisch korrekter Satz! Es wunderte mich, dass ich es vollbrachte, einen zu formulieren.
Ohne dass ich es wollte, öffneten sich meine Augen wieder.
Keine Sekunde, die vergangen war, hatte ich vergessen, dass er meine Hand hielt.
„Du…zitterst.“
Ich schnaufte. Natürlich zitterte ich- wegen ihm!
Ich sah in seinen Augen, dass er sich fragte, warum ich plötzlich ein zartes Lächeln auf den Lippen hatte.
Mir fiel auf, dass es mir leichter fiel, normal zu sein. Die Wucht seines Erscheinens ließ langsam ab. Doch die Freude blieb, kräftiger denn je.
Es war so als wäre mein Herz eine Blume, die bei seinem Anblick die Blüte öffnete.
Dieses Glücksgefühl, einfach unbeschreiblich.
Es fing an zu regnen, ganz langsam und kühl, fielen die Tropfen auf uns herab.
Als der Regen sein Gesicht traf, bekam ich Angst, dass er doch nur ein Traum war und die Tropfen ihn wegwischen würden.
Unwillkürlich drückte ich seine Hand fester.
Es war zwar…logisch betrachtet absurd, doch ich wusste, dass er mir gehörte. Mir ganz allein.
„Willst du…kommst du nicht ins Haus?“ Mitten im Satz hatte er inne gehalten und mich dann doch was anderes gefragt.
„Ich…keine Schlüssel.“, sagte ich dann doch schnell, als ich merkte, dass ich keinen vernünftigen Satz über die Lippen bringen konnte. Keine Schlüssel, war eine klare Aussage, ohne gleich ein ganzer, komplexer Satz zu sein.Sprechen überforderte mich im Moment. Überall war diese Hitze, die meinen Verstand lahm legte, wie sollte ich denn da klar denken!
Einen Moment lang war es so, als wolle er einen Vorschlag äußern.
Ok, das wurde langsam albern. Ich konnte doch nicht den ganzen Tag da mit offenem Mund verbringen und nur in knappen Worten sprechen!
Ich atmete noch mal ein und aus. Ich schloss die Augen, um nicht sein Gesicht sehen zu müssen, da es mich so benebelte.
„Leider hab ich mein Handy zu Hause vergessen. Wenn ich ein Telefon hätte, könnte ich wenigstens meinen Bruder anrufen…“
Als ich mich traute meine Augen wieder zu öffnen, sah ich in seinem Gesicht Erleichterung.
„Eine Freundin von mir wohnt ganz in der Nähe…du kannst ihr Telefon benutzen.“
„Bist du… sicher?“
„Klar…sie wird nichts dagegen haben.“
Es freute mich, dass wir es schon schafften in ganzen Sätzen zu reden. Fast eine richtige Unterhaltung.
„Danke.“
„Kein Problem.“
Er schaute hinunter zu seiner Hand, so als ob er erst jetzt bemerkt hätte, dass meine Hand in seiner war.
Fast schien er erschrocken.
Jared
Ich konnte ihr wunderschönes Gesicht ganz genau durch dieses Dickicht sehen. Sie schaute mir direkt in die Augen. Ich wusste, dass ich für sie nur ein Schatten war, hier im Dunkeln, doch trotzdem schlug mein Herz wie wild.
Sie kam immer näher und näher, bald würde sie mich sehen…in meiner Wolfsgestalt.
Ich war erschrocken, ich konnte mich nicht von ihr wenden, ich musste sie sehen!
Es war mir glasklar, dass sobald ich auch nur blinzeln würde, ihr Gesicht vermissen würde.
Den halben Tag hatte ich fast körperliche Schmerzen gehabt, weil ich nicht bei ihr gewesen war. Ihren Duft nicht eingeatmet hatte, ihre Stimme nicht gehört hatte, sie nicht geküsst hatte.
Hätte ich mich nach vorne gebeugt, unsere Nasen hätten sich berührt. Aber ich konnte nicht. Ich durfte nicht.
Es versetzte mir Stiche ins Herz, als ich mich schwermütig abwandte und in den Wald rannte.
Sofort brannte sich ihr Anblick in meine Augenlider und sobald ich meine Augen schloss, sah ich sie vor mir.
Verdammt, ich hörte wie sie in den Wald lief. Sie rannte mir nach.
Abrupt blieb ich stehen und drehte mich um. Durch den Wald hindurch konnte ich sie einpaar Schritte laufen sehen.
Sie stolperte und ich sprang drei Meter nach vorne. Aber dann besann ich mich wieder- ich durfte ihr nicht helfen.
Sie fing sich wieder auf und schaute verwirrt zu Boden. Ihre Stirn legte sich in Falten und ich hätte sie so gerne weggeküsst.
Dann hockte sie sich hin und ich schlich mich neugierig ein paar Schritte auf sie zu, um zu sehen was sie so verwunderte. Ich achtete darauf, genügend Abstand zu halten.
Sie hatte ihre Hand in einen Pfotenabdruck gelegt, den ich aus Versehen hinterlassen hatte.
Jetzt war ich auch verblüfft. Jeder normale Mensch wäre beim Anblick eines solchen Abdruckes schreiend davongelaufen.
Sie aber, sie schien keine Angst zu haben.
Dann erhob sie sich endlich und ging wieder aus dem Wald, ins Haus.
Ich hielt mich nur schwer davon ab ihr hinterher zu laufen und sie in meine Arme zu nehmen.Wenige Augenblicke später stand ich vor Sams und Emilys Haus, in Menschengestalt.
Ich hörte nur Embry, Emily und Sam im Haus atmen.
Ich seufzte noch einmal zittrig und ging dann hinein.
Sams Gesicht war ausdruckslos, wie immer. Emily und Embry sahen mich mitleidig an.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und verbarg das Gesicht in den Händen, weil ich keinen von den Dreien sehen wollte. Es gab nur eine Person die ich sehen wollte.
Emily strich mir aufmunternd über den Rücken, doch mich würde nichts aufmuntern können, solange Kim nicht bei mir war.
Ich hörte wie sich Sam räusperte.
Widerwillig sah ich auf.
„Jared…es ist wohl offensichtlich, dass du auf dieses Mädchen…“
„Kim.“, murmelte ich dazwischen.
„…auf Kim, geprägt bist. Demnach hast du das Recht sie einzuweihen.“
Ich lachte bitter.
„Und wie, ohne sie zu Tode zu erschrecken?“
Sam wechselte einen Blick mit Emily.
„Lass es zuerst langsam angehen…ich weiß, wie schwierig es ist, sich von ihr fernzuhalten, aber du darfst sie nicht überrumpeln…“
Wie tief konnte man sinken, dass man von Sam Uley Beziehungstipps bekam?
„Weißt du, Jared, sie liebt dich mindestens so sehr wie du sie. Sie wird nicht gleich in Ohnmacht fallen oder so etwas. Solange du ihr die Wahrheit sagst und sie aufrichtig liebst, wird sie alles auf sich zukommen lassen, um mit dir zusammen zu sein.“, sagte Emily und ihr vernarbtes Gesicht lächelte mich aufheiternd an. Doch es erreichte das Gegenteil. Würde ich…könnte ich Kim so etwas je antun? War ich sicher für sie?
Um nichts auf der Welt wollte ich, dass ihr wehgetan wurde.
„Verschweige es ihr nicht zu lange.“, sagte Embry.
Emily stellte einen großen Teller mit Hamburgern auf den Tisch und hinderte Embry daran sich sofort auf das Essen zu stürzen.
„Warte auf deine anderen Brüder!“, tadelte sie ihn. „Muss ich euch das denn immer wieder sagen?“
Während wir da saßen und auf die anderen warteten, warf mir Sam immer wieder nachdenkliche Blicke auf mich.
Ich ertrug das nicht mehr.
„Ich gehe.“, sagte ich knapp.
„Hast du denn keinen Hunger?“, fragte Emily und Ungläubigkeit schwang in ihrer Stimme mit.
„Nein.“
Embrys Mund klappte auf.
„Nun…gut. Bis morgen dann, Jared.“, sagte Emily
„Bis dann.“, sagte Embry und Sam nickte mir zum Abschied.
Ich war schon aus dem kleinen Garten und ging die Straße hinunter, als ich unglücklicher Weise auf Paul traf.
Verflucht.
„Na, wie geht’s dir, unser kleiner verliebter Wolf?“, fragte er neckend. Ich hatte wirklich keine Lust auf ihn.
„Bestens.“, sagte ich zähneknirschend.
„Gut, gut. Ach übrigens- ich habe deine kleine Kim gerade gesehen.“
Ich blieb stehen.
„Wann? Wo?“, fragte ich perplex.
„Ich war gerade auf den Weg hierher, da ist sie mir begegnet.“, sagte er grinsend.
„Du hast nicht mit ihr gesprochen!“ Eine leise Drohung schwang mit.„Nein.“, lächelte Paul schelmisch und ich hätte ihm gerne dieses Grinsen von der Fresse geschlagen.
„Reg dich ab, ich habe nichts Schlimmes gemacht.“, sagte Paul und hob abwehrend die Hände.
„Das will ich auch hoffen.“, fauchte ich und ging dann an ihm vorbei.
Ich hörte ihn noch glucksen.
Ich wurde fast verrückt vor Sehnsucht. Jede Zelle meines Körpers schrie nach Kim.
Ich hätte mich ja gerne verwandelt, weil menschliche Gefühle als Wolf leichter zu ertragen waren, doch ich hatte Angst, dass Jacob da sein würde und ich hatte keine Kraft auch noch seine Probleme in meinem Kopf zu haben.
An Schlaf war gar nicht zu denken. Ich war wie ein Junkie, der nur von seiner Droge beruhigt werden konnte.
Jeder Augenblick ohne sie schien mir sinnlos.
Kim, Kim, Kim. Ich schmeckte, den Klang ihres Namens auf meinen Lippen.
Wie sollte ich nur ohne sie weiterleben?!
Schon der Gedanke daran versetzte mich in Panik.
Ruckartig setzte ich mich auf.
Ich hielt es nicht mehr länger aus, ich musste sie sehen.
Einfach nur nachschauen, ob es ihr gut ging, mehr wollte ich nicht.
Zumindest redete ich mir das ein…
Die Straßen schienen ausgestorben, keiner war unterwegs.
Dann fiel mir ein, dass es gestern Sturmwarnungen gab. Hoffentlich war Kim nicht draußen.
Ich war nur ein paar Straßen gegangen, als mir plötzlich unerwartet ihr Geruch ins Gesicht peitschte. Kim war in der Nähe. Mein Herz stolperte los, vergaß ein paar Schläge und pumpte zum Ausgleich viel zu schnell.
Wo war sie?
„Auf wiedersehen.“, hörte ich ihre liebliche Stimme und vergaß das Atmen. Sie war wirklich hier.
Aus dem Haus, das sie verlassen hatte, drang Geschrei heraus, ich achtete nicht besonders darauf.
„Ja, bis dann.“, antwortete eine andere Stimme verlegen meiner Kim.
Dann drehte sich Kim um und ging in Gedanken versunken die Straße hinunter. Sie bemerkte mich nicht, dafür war ich viel zu weit entfernt.
Ohne es richtig beschlossen zu haben, folgte ich ihr.
Als sie vor ihrem Haus ankam, versteckte ich mich hinter einer Garage und beobachtete, wie sie sich auf die Stufen vor dem Haus setzte.
Sie zog die Beine an die Brust und legte die Arme auf die Knie. Eine Zeit lang starrte sie in die Ferne und dann als ein starker Wind einsetzte, lehnte sie seufzend die Stirn auf die Arme.
Ich zitterte am ganzen Körper vor Anspannung. Ich war ihr so nah und konnte sie nicht berühren, das raubte mir den letzten Nerv.
Ich würde nur kurz mit ihren plauschen, was war schon dabei? Eine kleine Unterhaltung, völlig normal.
Mutig ging ich die ersten fünf Schritte und blieb ungefähr zwei Meter vor ihr angewurzelt stehen. Ich war zu leise gegangen, sie bemerkte mich nicht und schaute deswegen noch nicht auf.
Verdammt, mein ganzer Mut verließ mich- wurde vom Wind weggetragen.
Mit offenem Mund stand ich da und fragte mich verwundert, wie ich es bloß so lange ausgehalten hatte, ohne sie von Nahem zu sehen.Dann schoss plötzlich ihr Kopf hoch und wir schauten uns in die Augen. Ich hatte Angst, mein Herz könnte mir aus der Brust springen.
Wenn neben mir ein Asteroid eingeschlagen hätte, ich hätte meinen Blick nicht von ihr nehmen können. Meine Augen tränkten sich in ihr, um sich zu wappnen, falls ich sie wieder verlassen würde. Doch ich wusste, dass ich es nicht könnte. Jede Sekunde die ich ohne sie verbringen würde, würde ich Schmerzen verspüren.
Und dann spürte ich plötzlich ihr weiches Haar in meiner Hand und verstand nicht wie das kam.
Schlagartig wurde mir klar, dass ich ihr die Strähne hinters Ohr geklemmt hatte, sie angefasst hatte.
Überrumple sie nicht. Lass es langsam angehen. Das hatte Sam mir geraten.
Schnell trat ich ein paar Schritte zurück und ließ ihr ihren Freiraum.
Verflucht, ich musste meinen Körper unter Kontrolle halten!
„Tu…tut mir leid.“, stotterte ich, viel zu benebelt von ihr.
Sie sagte nichts. Ich konnte auch nicht sprechen, mein Gehirn verweigerte mir den Dienst.
Und dann stand sie auf und trat auf mich zu. Oder war ich auf sie zugegangen?
Ihre schlanken Finger strichen über meinen Handrücken und hinterließen eine feurige Spur.
Ich spürte, dass ihre Finger kalt waren und wunderte mich, wie sie trotzdem diese Brandspur auf meiner Hand hinterlassen konnten.
„Ist dir nicht kalt?“, fragte ich um ihr Wohlergehen besorgt.
Ihre Augen verrieten nur schwer ihre Gedanken, doch das leichte Lächeln auf ihren Lippen gab mir zu verstehen, dass etwas sie amüsierte. Habe ich etwas Dummes gesagt?
Egal, der Glanz in ihren Augen war es wert gewesen.
Sie antwortete nicht sofort. Erst als sie kurz ihre Augen schloss und tief ein und aus atmete konnte sie etwas wie: „Nicht wirklich.“, hervor bringen.
Entweder ich war ihr schon wieder zu Nahe, oder ich hatte ansatzweise dieselbe Auswirkung auf sie, wie sie auf mich.
Nicht wirklich? Ich sah doch ganz genau, wie ihr Körper bebte.
„Du…zitterst.“, murmelte ich um nicht völlig wie ein Idiot mit offen stehendem Mund da zu stehen.
Nur am Rande bemerkte ich, dass es wieder angefangen hatte zu regnen. Die Straßen waren noch vom letzten Schauer feucht.
„Willst du…kommst du nicht ins Haus?“
Ich Trottel hätte sie fast gefragt, ob sie zu mir kommen wollte, um nicht im Regen zu stehen!
Ich musste ihr doch Zeit lassen, wieso vergaß ich das immer?
Sie antwortete mir, dass sie ihre Schlüssel vergessen hatte.
Fast hätte ich ihr angeboten, die Tür für sie aufzumachen. Ein Ruck und die Tür wäre aufgesprungen, doch wie würde ich dastehen, wenn ich ihre Tür einschlagen würde?!
Ich Volltrottel!
Dann sagte sie, dass sie auch ihr Handy vergessen habe und niemanden aus ihrer Familie anrufen konnte, um sich die Schlüssel zu besorgen.
Jetzt konnte ich endlich mit ihr über ein sinnvolles Thema reden, ich war so erleichtert!
„Eine Freundin von mir wohnt ganz in der Nähe…du kannst ihr Telefon benutzen.“, bot ich ihr an und dachte dabei an Emily.
„Bist du… sicher?“, fragte sie.
„Klar…sie wird nichts dagegen haben.“, sagte ich schnell.
Sie bedankte sich und jetzt wo ich einige meiner Sinne wieder erlang, spürte ich wie ihre Hand ganz warm war…
Erschrocken blickte ich runter und sah, wie ihre Hand in meiner war.
Oh nein, ich hatte schon wieder die Kontrolle verloren!Das wurde langsam albern, ich werde es wohl doch noch schaffen meine Finger bei mir zu lassen!
Da war meine Hand anderer Meinung. Ich schaffte es nicht sie loszulassen und ihre Hand frei zugeben.
Aber andererseits- sie hatte auch nicht ihre Hand zurückgezogen, oder mir eine Ohrfeige verpasst, weil ich ihr zu Nahe gekommen war.
Als ich sie zu Emily führte, betete ich, dass außer ihr niemand da war. Ich würde mich auch zu frieden geben, wenn nur Paul nicht da war. Für ihn war Taktgefühl ein Fremdwort.
Sie neben mir stehen zu sehen, war so beruhigend. Ihr Geruch war wie Baldrian für mich, ich wurde ganz friedlich.
Nach langem hin und her hatte ich doch ganz beiläufig ihre Hand losgelassen. Sam hatte Recht, ich musste es langsam angehen lassen.
Wer war ich denn schon, dass ich sie berühren durfte?
Ich hörte sie seufzen und sprang sofort darauf an.
Fehlte ihr etwas? Konnte ich ihr helfen? Was sollte ich tun, damit es ihr besser ging?
Doch als ich zu ihr hinabblickte, sah ich nur ein glückliches Lächeln ihr Gesicht zieren.
Ihr ging es gut, ich atmete aus.
Ich konnte schon hören, wer alles im Haus war. Nur die leichten Schritte von Emily, Gott meinte es wohl gut mit mir.
Ohne anzuklopfen ging ich hinein und bemerkte, wie Kim höflich zögerte.
„Hallo, Jared. Die Anderen…“ Emily unterbrach sich, als sie Kim bemerkte.
„Oh.“, lächelte sie erfreut und trat auf Kim zu. „Wen hast du mir denn mitgebracht?“
Emily wusste ganz genau dass es Kim war.
„Emily, das ist Kim. Kim, das ist Emily.“, machte ich sie bekannt und war froh darüber gesittet reden zu können.
„Hallo.“, grüßte Kim schüchtern und halb hinter mir versteckt. Sie war so unglaublich…süß. Ich konnte nicht anders, als sie zu beschützen.
„Darf Kim kurz das Telefon benutzen?“
„Natürlich!“, lächelte Emily und zeigte in die Ecke des Wohnzimmers, wo das Telefon stand.
„Vielen Dank.“, sagte Kim und schien verlegen.
Kim warf einen unsicheren Blick zu mir und ich stupste sie aufmunternd an. Wieder beanspruchte die Berührung meine ganzen Sinne.
Sie ging zum Telefon und wählte.
Erst als Emily mich fester Schlug, bemerkte ich, dass sie mir was zu sagen hatte.
Ihre Augen funkelten.
„Hast du die anderen nicht gehört?“, murmelte sie leise, so leise dass nur ich mit meinem Werwolfsgehör es vernehmen konnte.
Fragend sah ich sie an.
„Sie sind gerade alle rausgestürmt, ich habe selbst nicht verstanden was los war.“, flüsterte sie und schaute dabei auf Kim. Emily schien besorgt, doch sie machte sich immer Sorgen um uns.
Aber warum haben mich die anderen nicht gerufen, wenn etwas los war?!
„Mein Bruder kommt in einer halben Stunde Heim. Vielen Dank noch mal, dass ich das Telefon benutzen durfte.“, riss Kim mich aus meinen Gedanken.
Sie schien so verloren, wenn sie Fremden gegenüber stand. Mir wurde warm ums Herz.
„Du kannst so lange hier warten.“, bot Emily ihr lächelnd an.
„…Danke.“
Sie stand wieder neben mir und intuitiv griff ich nach ihrer Hand.So sehr ich auch wollte, ich konnte mich nicht auf meine Brüder konzentrieren. Eigentlich sollte ich mir Sorgen machen, oder wütend sein, weil sie mich nicht gerufen hatten, doch ich spürte bloß Kims Hand in meiner. Es war so, als bräuchte ich nichts anderes zum Leben.
„Emily…soll ich nach ihnen sehen, gehen?“
„Ich mache mir auch Sorgen.“ Sie nickte.
„Kim, würde es dir etwas ausmachen, wenn wir beide kurz hier auf Jared warten würden? Er muss bloß nach den anderen sehen.“
Kim schaute zu mir hoch und ich fragte mich ob ich es überhaupt schaffen würde, das Haus zu verlassen und ihre Hand loszulassen.
Dann nickte sie und ich fragte mich an was sie gerade dachte, denn ihre Augen spiegelten Sorge.
Ich sammelte mich noch einen Moment und vollbrachte es tatsächlich ihre Hand loszulassen.
Nach ein paar tiefen Atemzügen gelang es mir sogar das Haus zu verlassen und in den Wald zu rennen.
Im Laufschritt riss ich mir die Kleider vom Leib und verwandelte mich.
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2011
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