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Langsam erwache ich aus meiner Ohnmacht. Nebel um mich. Nein, halt! Kein Nebel. Staub! Ich brauchte einige Momente, um mich zu orientieren. Zweifel machten sich in mir breit, ob es tatsächlich wahr sein konnte, dass sie mich weg gesaugt hat. Einfach so? Ich wollte es nicht glauben. Aber es war so ... genau so!

Eine Wand ganz in meiner Nähe. Eine? Nein, überall um mich herum. Milchig-durchsichtig. Tatsächlich: ich musste mich der Realität stellen, dass ich in ihrem verdammten Handstaubsauger war. Wie konnte sie das nur tun? Mein Bein schmerzte und als ich es an mich heran ziehen wollte, riss ich es mir versehentlich aus. Es war an dem Einzug, durch den ich mit knapper Not dann doch nicht geflogen bin, eingeklemmt. Aber zum Glück hatte ich ja noch sieben weitere Beine. Damit konnte ich erst mal klar kommen.

Ich musste raus. Irgendwie. Langsam bewegte ich mich durch all die Flusen, toten Fliegen und anderes Getier und Gewusel in Richtung Freiheit. Noch immer war ich fassungslos, wie sie mir das antun konnte. Ich hatte ihr nichts getan! Bildete meine bloße Anwesenheit in ihrer Wohnung eine Grundlage dafür, mich umbringen zu wollen? Wohl kaum!

Nachdem ich aus ihrem Staubsauger gekrabbelt war, versteckte ich mich hinter dem Fernseher. Von dort aus konnte ich sie gut beobachten, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß. Ich wusste nicht, ob ich sauer oder enttäuscht sein sollte. Immerhin hatte ich ihr seit Wochen alles Mögliche an Getier vom Leib gehalten. Und jetzt das ... Unfassbar. Ich musste zu Kräften kommen um mir eine nette kleine Revanche einfallen lassen und in die Tat umsetzen zu können. Wie das aussehen würde, wusste ich nicht sofort aber dass es schmerzhaft für sie sein würde ... ja, das stand fest.

*****



Zunächst kehrte die Nachtruhe ein und ich hatte Zeit, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Am besten wäre es wohl, wenn ich mir ein paar Verbündete suchen würde. Potentielle Komplizen, um meine Rachegedanken auch aktiv umzusetzen, gab es hier genug. Dumm nur, dass sie teilweise mein Futter darstellten. Aber das wäre sicher alles nur eine Frage der Argumentation den anderen gegenüber.

Irgendwie müsste ich es schaffen, die Krabbelviecher auf dem Balkon anzusprechen. Auch von ihnen wurden schon Tausende von ihr gekillt, so dass die Verbleibenden sicher ein nicht unerhebliches Interesse daran hätten, ihre inzwischen beerdigten Familienangehörigen zu rächen. Davon abgesehen könnte ich ihren blöden kleinen Silberfreund aus dem Badezimmer mal anhauen, ob er nicht Lust hätte, sich auch daran zu beteiligen. Immerhin hatte sie seinen Vorgänger nach dem Duschen plump zertreten und es kaum bedauert.

Wen hätten wir noch? Ah! Die kleinen Brummer in ihrer Küche. Schon so vergreifen sie sich gern an Obst und sonstigen Lebensmitteln. Es dürfte kein Problem darstellen, sie zu eifrigeren Tätigkeiten zu ermutigen.

Nun, der neue Tag würde einiges zu klären im Stande sein. Mit diesem Gedankengang schlief ich ein.


*****



Sie hörte am nächsten Morgen mal wieder ihre Wecker nicht. Klar. Das kannte ich ja schon. Aber es war nur eine Frage der Zeit, und die Dinger kehrten zu angenehmerer Ruhe zurück. Spätestens nach anderthalb Stunden waren sie meist verstummt. Umso hektischer raste sie durch die Wohnung, wenn sie dann endlich aus dem Bett kam. Als erstes öffnete sie alle Fenster und die Balkontür. Die Balkontür! Mein Chance!

Ich könnte mir die kleinen Krabbelviecher mal schnappen, oder zumindest einen von ihnen, den Anführer, wenn’s geht, und nachfragen was sie von der Idee der mildtätigen Rache hielten. Ich müsste nur schnell genug sein, um rechtzeitig, bevor sie die Wohnung verließ und vorher die Balkontür schloss, wieder in der Wohnung zu sein.

Auf meinem Weg kam ich an dieser riesigen Schublade vorbei, in der sie ohne Ende Süßigkeiten und so’n Zeug hortete. Damit müsste sich doch auch noch irgendwas anstellen lassen können.

Als sie die Balkontür öffnete, war ich bereits am dort befindlichen Schrank-Ende angekommen. Meinem Ausflug auf den Balkon stand also nichts mehr im Wege. Etwas falsch kalkuliert hatte ich die Mühsal, vom Boden des Balkons auf den Balkonkasten zu den Krabbelviechern zu kommen. Aber als sie mich entdeckten, kamen sie mir sogar entgegen. Eine enorme Zeitersparnis!

Wir besprachen kurz meine Idee und blitzartig schlug mir uneingeschränkte Loyalität entgegen. Zu oft hatte sie ihnen beim Frühstücken auf dem Balkon die Münder wässrig gemacht und dann nichts übrig gelassen außer ein paar neuen Fallen. Auch das fördert Wut und Enttäuschung. Somit konnte ich mir der Mithilfe dieser kleinen Genossen sicher sein. Die Schublade fiel mir wieder ein und meine neu organisierten Freunde versprachen, sich den süßen Inhalt als erstes vorzunehmen.

*****



Meine heutige Balkon-Mission war soweit erfüllt und ich wollte gerade zurück in die Wohnung, als sie die Balkontür auf Kipp schloss. So ein Mist! Jetzt musste ich noch einmal hochklettern. Mein Hoffen darauf, dass ich durch diesen blöden Türspalt unverletzt zurück in die Wohnung kam, wurde quittiert mit dem Verlust eines weiteren Beines. Aber mit sechs an der Zahl kam ich auch noch ganz gut klar.

Hinter dem Schrank lang krabbelnd wartete ich auf meinem Weg gespannt, ob sie nun endlich die Wohnung verlassen würde. Aber sie saß am PC und machte keinerlei Anstalten, sich anzuziehen. Also war ich längst hinter dem Fernseher angekommen, als sie ihre ersten Bewegungen startete. Dann allerdings ging alles sehr schnell. Und - zack - hatte sie die Wohnung auch schon verlassen.

Ich machte mich also auf den Weg ins Badezimmer, um ihren Silberfreund zu interviewen, ob er sich dem Plan anschließen würde. Er war nicht zu finden. Ich suchte die Fliesenfugen ab und fand irgendwann den Eingang zu seinem Reich. Es war sehr verschachtelt. Hatte er Angst, dass sie dort reinkriechen würde? Wohl kaum. Da konnte sie selbst mit ihrem großen nichts ausrichten. Also wozu diese Vorsichtsmaßnahme?

Ich legte mich also auf die Lauer und wartete. Irgendwann musste er ja aus seinem Versteck kommen, um sich neuen Nachschub an Hautschuppen und Haaren zu besorgen. Es sei denn, er wollte verhungern. Aber davon ging ich natürlich nicht aus. Doch als er nach einer halben Stunde noch immer nicht zu sehen war, koch ich mühsam in diese kleine Öffnung und fand den Wicht auch recht schnell.

Nachdem ich mit ihm gesprochen und eine volle Breitseite der Ablehnung eingesteckt hatte, denn schließlich ginge es ihm gut bei ihr und das mit dem Vorgänger war nur ein Versehen, das ihr sehr leid getan hatte ... bla, bla, bla ..., versuchte ich, aus diesem Labyrinth zurück in die Freiheit zu kommen. Dabei büßte ich ein weiteres meiner noch verbliebenen Beine ein. Warum bloß müssen diese Menschenwohnungen so verdammt kompliziert sein? Aber gut: Fünf ist ja auch eine schöne Zahl.

*****



Mein Weg in die Küche war nun ein wenig weiter. Aber je eher ich mich auf machte, desto schneller würde ich die kleinen Brummer erwischen können. Dass sie extrem pfiffig waren, hatten sie bereits unter Beweis gestellt. Es ist nicht einfach, diese Tupper-Dosen zu knacken und deren Inhalte zu verwüsten. Die Brummer hatten es geschafft und sie damit ziemlich wütend gemacht. Fast mit Schaum vor dem Mund vor Wut hatte sie die Inhalte in den Müll gepfeffert. Anschließend nur leider vergessen den Müll sofort aus dem Haus zu schaffen. So war es ein Leichtes, überall in der Küche einige von meinen Wunsch-Komplizen zu finden.

Auch sie erklärten sich - verfressen wie sie nun einmal sind - sofort zur Kooperation bereit. War ja auch kein allzu großes Opfer, das ich da von ihnen erbat. Lediglich mehr fressen als bisher sollten sie.

Vorteil für mich: Wenn die Mission beendet ist, würden sie für mich ein hervorragendes Futter darstellen. Aber das musste ich ihnen ja jetzt noch nicht auf die kleinen Nasen binden.

*****



Ich machte mich auf, um vor ihrer Rückkehr wieder meinen Beobachtungsposten hinter dem Fernseher eingenommen zu haben. Und kaum hatte ich diesen strategisch nur allzu gut gewählten Platz erreicht, hörte ich auch schon, wie sie die Wohnungstür öffnete. Schwein gehabt! Denn wenn sie mich jetzt noch erwischen würde, wäre das natürlich mehr als ärgerlich. Und ich musste sowohl meine Kräfte als auch meine Zeit inzwischen richtig gut einteilen. Denn auf meinem Weg zurück büßte ich leider, leider an einer der Fußleisten ein weiteres meiner Beine ein. Aber mit vier davon ging’s auch noch einigermaßen.

Sie schmiss ihre Tasche auf die Couch und öffnete alle Fenster und die Balkontür weit. Welch Nettigkeit! So hatten es meine kleinen Freunde wesentlich leichter, sich ihren Weg in Richtung Schublade zu bahnen. Sofern mich meine Kräfte noch weiter verlassen sollten, könnte ich sie mal fragen, ob sie mich ab und zu ein Stück tragen würden. Die haben ja echt Kraft bis zum Abwinken.

*****



Nachdem alle Fenster geöffnet waren ging sie in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Die Brummer hatten inzwischen ganze Arbeit geleistet. Ein Aufschrei von ihr verkündete, dass dieser meiner Pläne bereits aufgegangen war. Schade, dass sie dieses Mal, nachdem einiges an Gerumpel zu hören war, den Müll sofort aus dem Haus schaffte. Aber sicher hatten sich inzwischen genügend meiner Freunde anderenorts in der Küche eingenistet.

Völlig entnervt kam sie zurück in die Wohnung, setzte sich an ihren Schreibtisch und fuhr den PC hoch. Offensichtlich war ihr zunächst der Appetit vergangen. Sie saß eine ganze Zeit lang am Bildschirm, bevor sie ruckartig aufstand und in Richtung Schublade ging. Direkt mit dem Öffnen verbunden vernahm ich einen gellenden Schrei. Sie raste aus dem Zimmer und schlug dabei die Tür so heftig auf, dass der dahinter stehende Tisch, auf dem der Fernseher stand, an die Wand gepresst wurde. Leider war eines meiner Beine zwischen Tisch und Wand, so dass ich nun bei der Glückszahl drei angelangt war. Diesen Trage-Deal mit den Krabbelviechern sollte ich schnellstens klären.

Mit ihrem großen Staubsauger bewaffnet stürmte sie in Richtung Schublade und das Geräusch ließ vernehmen, dass sie einiges meiner zukünftigen Nahrung direkt wegsaugte. Aber es würden sicher noch genügend von ihnen übrig bleiben. Der größte Ärger dürfte für sie gewesen sein, dass sie die Schublade nicht ganz aus dem Schrank ziehen konnte, ohne die seitlichen Schienen abzuschrauben und an die kam sie nur ran, wenn die Schublade leer war. Somit blieb ihr nur, den Inhalt, den sie nicht wegsaugen konnte, mit den Händen einzeln aus der Schublade zu entfernen, was ihr sichtlich alles andere als Freude bereitete. Anschließend brachte sie erneut den Müll aus dem Haus und hatte nun vermutlich gar keinen Appetit mehr. Sie ging relativ früh schlafen.

*****



Nun war meine Zeit der Rache gekommen. Meine kleinen Krabbel-Komplizen hatten den Weg auf den Balkon nicht wieder angetreten, sondern warteten hinter dem Schrank. Nun ... zumindest diejenigen, die sich vor dem großen Staubsauger gerade noch hatten retten können. Ich schleppte mich zu ihnen und wir besprachen das weitere vorgehen. Auf meinem Weg zurück, unter dem Schrank hervor kriechend, blieb ich erneut an irgendetwas hängen. Meine Kräfte versagten immer mehr. Aber inzwischen hatte sich mein Körpergewicht immerhin um sechs Beine erleichtert. Somit waren ja auch nicht mehr ganz so viele Haare und Fleisch zu schleppen, wenn ich mich vorwärts bewegte. Immer positiv denken! Obwohl ich zugeben musste, dass ich vor Schmerzen bald nicht mehr Herr meiner Sinne war. Aber die Vorfreude war deutlich größer!

Sie lag im Bett und löschte das Licht. Eine Zeit lang wartete ich gespannt im Flur kauernd ab, bis ihr Atem von tiefem Schlaf kündete. Nun bewegte ich mich auf ihr Bett zu und begann mein Werk. Mein Netzt war immer sehr fein und schnell gesponnen. Ich brauchte zwar aufgrund meiner Unbeweglichkeit einige Zeit länger, als es normalerweise der Fall war, auch ließ mein Gleichgewicht mitunter deutlich zu wünschen übrig, aber es gelang.

Die Krabbelviecher und Brummer warteten inzwischen bereits an der Schlafzimmertür. Sie schienen sich richtig zu freuen. Mir ging es nur darum, meine Rache auszuführen und mich dann genüsslich auf meine Nachspeise zu freuen.

Als ich fertig war, zwickte ich sie ein wenig. Ihre Augen öffneten sich und ich sah ihr geradezu panisches Erschrecken. Es war ein wahrer Genuss! Bewegen konnte sie sich nicht mehr. Nur ihre Augen, denn die hatte ich wohlweißlich nicht verwebt. Ich wollte es genießen, wenn sie starr vor Schreck und Angst aus dem Schlaf gerissen langsam realisiert, dass dies die Rache ihrer Staubsauger-Attacke auf mein Leben war. Ein kurzes Zeichen an die Krabbelviecher und Brummer, und schon leerten sie das Netz. Ich brauchte nur noch zu warten, bis meine Freunde für mich, voll gefressen bis zum Anschlag, den abschließenden Genuss darstellen würden.

Ein schöner Tag ... auch mit nur noch zwei Beinen!

Impressum

Texte: © Tina M. Emig (Text/Bild)
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2009

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