“Ich möchte Schriftstellerin werden.”, sagte ich an Suse gewandt und versenkte meinen Blick sogleich wieder in meiner Kaffeetasse.
Ich wartete schon die ganze Zeit auf den richtigen Augenblick um endlich meine Eröffnung zu machen. Tagelang hatte ich mir die Worte zurechtgelegt und jetzt viel mir doch nichts Sinnreiches ein. Aber ich hatte mir fest vorgenommen Suse noch heute von meinem Vorhaben zu berichten. Sonst hätte ich wieder eine schlaflose Nacht vor mir. Suse war meine beste Freundin und sollte es als Erster erfahren, noch vor meinem Mann.
“Was hast du gesagt Emma?”
Da sie ihre halbe Aufmerksamkeit dem Fernsehapparat hinter mir schenkte, hatte sie mir gar nicht richtig zugehört. Na super!
Schließlich lief dort gerade eine Reportage über Alphornbläser.
Da konnten meine Zukunftspläne natürlich nicht mithalten.
Wäre ich mit der Idee angekommen Stripperin zu werden, hätte sie sofort ihre Ohren gespitzt.
Das hatte ich tatsächlich mit Anfang zwanzig vor, aber es scheiterte an der Stange, wie mir schnell bei meinen heimlichen Versuchen nach der Gymnastikstunde in der örtlichen Volksschule klar wurde.
Zum Glück hatte mich nie einer bei meinen Übungen erwischt.
Das Grazile lag mir dann auch nicht so. Aber mit meiner Optik war ich wirklich nahe dran.
Man musste sich nur noch meinen dicken Arsch und den Bauch wegdenken. Na gut, der Busen bräuchte dann noch einen ordentlichen Push und eine Beinverlängerung wäre auch kein Fehler gewesen. Und wenn man schon dabei war müssten die kinnlangen Haare dann wohl auch noch zur Mähne aufgepumpt worden sein.
Aber ansonsten entsprach ich genau dem Typ Stangengirl (Vielleicht war ich mit meinen 38 Jahren mittlerweile ein klitzekleinwenig alt, aber in den dunklen Bars sah man das wahrscheinlich sowieso nicht.). Halt!
Was spann ich da schon wieder rum.
Mein Mann würde mich sowieso nie als Stripperin jobben lassen. Aber gegen meinen neuen Plan konnte er wohl nichts haben. Ruhm und Anerkennung würden auf uns herabregnen.
“Ich werde Schriftstellerin.”, wiederholte ich etwas lauter und heftete meinen Blick nun selbstbewusst auf meine beste Freundin anstatt mich auf den Kaffeesatz zu konzentrieren.
“Wie kommst du den darauf? Du hast doch noch nie geschrieben.”, erwiderte sie und schüttelte ihren Kopf so heftig als wolle sie sich von einer lästigen Fliege befreien. Dabei wirbelten ihre braunen Locken nur so rum, als würde sie bei einem Werbespot für Lockenshampoo mitwirken.
“Huhu, hast du es vergessen?”
Ich wedelte mit meiner Hand vor ihren Augen, als hätte ich es mit einer Geistesgestörten zu tun.
“Ich schreibe Tagebuch und das schon seitdem ich Kinder habe.
Das sind doch schon mehr als dreizehn Jahre. Wenn das keine Erfahrung ist, dann weiß ich es auch nicht.” Triumphierend lehnte ich mich auf der Couch zurück. Ich hatte gewusst das sie auf meine mangelnde Vorkenntnisse hinweisen würde, aber ich hatte etwas zum Vorweisen.
“Entschuldige Schätzchen, aber Tagebuchkritzelein sind keine literarischen Werke.”
“Das weiß ich doch selber. Ich werde auch keine `Tagebuchkritzelein` veröffentlichen, sondern etwas Tiefsinniges.”
Was dachte sie den von mir? Ich würde natürlich ein richtiges Buch schreiben.
Über Themen die die Welt bewegten. Wie Paulo Coehlo.
Der hatte doch auch ein paar ziemlich dünne Werke verfasst.
So etwas würde ich auch schaffen. Für den Anfang zumindest.
Ich musste ja realistische Ziele haben.
“Du und deine Ideen.“ Sie legte ihre lange Beine auf meinen Couchtisch und widmete sich wieder den Alphornbläsern hinter mir. Dabei hatte ich den Tisch erst heute morgen geputzt.
Das ging jetzt aber wirklich zu weit! Sie sollte mir gefälligst zuhören, wenn ich über meine Zukunftspläne sprach.
Ich schnappte mir die Fernbedienung die vor mir lag
(In meiner Familie war ich der Herr der Fernbedienung. Eines der wenigen Dinge die ich regierte, neben der Küche und den Putzlumpen.) und schaltete den Kasten einfach ab.
“He was soll das? Ich wollte mir das ansehen.”, beschwerte sie sich entrüstet.
“He was soll das?“, äffte ich sie nach, ”Du bist meine beste Freundin.
Du musst mir zuhören, wenn ich dir etwas erzähle. Das ist deine Pflicht!”, motzte ich sie an und fuhr mir nervös durch die Haare.
“Aber hast du nicht den dritten Bläser neben der Ziege gesehen. Der Typ hat so geil ausgesehen, den hätte ich gerne live erlebt.”, dabei zog sie mir ein Gesicht als hätte ich ihr ihren Mann ausgespannt
(Was zugegebenermaßen nie passieren würde, den ihr Mann sah aus wie der Weihnachtsmann höchstpersönlich und solche Typen lösten bei mir höchstens einen Vaterkomplex aus.).
“Jetzt ist mir wieder klar warum du meine beste Freundin bist. Du spinnst ja noch viel mehr als ich. Verguckt sich mit vierzig in einen Schweizer Bläser aus dem Fernsehen.” Ich legte die Fernbedienung außerhalb der Reichweite von Suse und nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse vor mir. “Aber im Ernst. Ich möchte das jetzt wirklich durchziehen. Ich habe mir schon alles ganz genau überlegt. Sobald ich Kurt dazu überredet habe mir einen Laptop zu kaufen geht´s los und dann werde ich berühmt.”, redete ich mich in Rage.
Den kompletten Erfolgsplan hatte ich schon im Kopf.
Ich brauchte nur noch eine zündende Idee für einen mitreißenden Roman.
Aber da würde mir sicher flugs was einfallen.
Suse strich sich eine ihrer widerspenstigen Locken aus der Stirn und sah mich an. Wie ich sie um ihre Mähne beneidete. Meine blonden Haare wollten einfach nicht lang werden. Bei Schulterlänge war Schluss. Darum hatte ich schon seit eh und je, den selben Langweilerschnitt.
“Ach Emma. Glaubst du das wirklich? Ich bin deine Freundin und als diese ist es mein Recht dir offen ins Gewissen zu reden. Kannst du dich noch erinnern als du Yogalehrerin werden wolltest, oder die Geschichte mit dem Tierheilpraktiker und was war das mit dem Onlineshop für selbstgestrickte Hauben und Schals? Du hast immer die wildesten Ideen und ziehst sie dann aber nicht durch. Das ist doch auch wieder so eine Schnapsidee von dir.”
Zugegebenermaßen ein Klitzekleinbisschen hatte sie ja Recht.
Ich war eben ein begeisterungsfähiger Mensch mit vielen Interessen. Zum Glück hatte sie meine Geschäftsidee mit der Seniorenbetreuung vergessen. Diese Idee hatte mich ein paar hundert Euro für Flyer und Plakate gekostet. Bis ich dann draufkam, dass ich ohne Ausbildung im Altenbetreuungsbereich überhaupt keine Senioren betreuen durfte. Das hätte mir doch auch mal jemand vorher sagen sollen. Aber diesmal war das wirklich etwas komplett anderes. Bücher schreiben durfte jeder. Schließlich hatte J.K. Rowling als Sozialhilfeempfängerin ein Buch geschrieben und wer weiß ob die überhaupt je eine Ausbildung gemacht hatte. Ich dagegen hatte sogar eine fundierte Ausbildung in Richtung Schriftsteller. Als ausgebildete Bürokauffrau war ich schließlich Fachfrau in Schreiben.
Diesmal würde ich es schaffen. Das sagte mir mein Gefühl und Schriftsteller mussten sicher viel auf ihren Bauch hören und an sich glauben. Wenn das kein Indiz für mein noch schlummerndes Talent war.
Bevor ich ihr jedoch ein Plädoyer über mein Durchhaltevermögen halten konnte, hörte ich das Luise, meine Jüngste, aus der Schule zurück war.
Sie schmiss ihre Schultasche in die Ecke und verschwand ohne sich anschauen zu lassen türknallend in ihrem Zimmer.
“Ich glaube du bist jetzt mal anderweitig beschäftigt. Ich sollte dann auch mal gehen. In einer halben Stunde habe ich einen Patienten. Wir reden aber noch mal über deine Pläne, okay? Aber ich gebe dir einen Rat. Hänge es noch nicht an die große Glocke. Du kannst ja immer noch allen Bescheid geben, wenn dein Buch fertig ist.”
Suse schmatzte mir noch einen Kuss auf den Kopf, schlang sich einen ungefähr zehn Meter langen Schal um ihren Hals und war auch schon aus der Haustüre raus. Beim Rausgehen rief sie mir noch zu: ”Und gib Luise auch noch einen Kuss von mir.”
Zum Glück wusste Suse wie es mit Kindern war. Sie hatte einen Sohn, der scheinbar in einer anderen Dimension lebte und nur per Handy und PC ansprechbar war.
Hastig fegte ich noch die letzten Kuchenbrösel vom Wohnzimmertisch und dann wagte ich mich mutig an die Zimmertüre meiner Jüngsten und klopfte an.
Keine Antwort. Ich klopfte noch etwas lauter und da ich immer noch nicht hineingebeten wurde trat ich einfach ein.
Vielleicht hatte sie mich ja nur nicht gehört.
“He was soll das! Hab ich etwa gesagt du darfst reinkommen?”
“Du hast gar nichts gesagt, das hatte ich als Eintrittsaufforderung gewertet.”
“Keine Antwort ist auch eine Antwort. Wenn du mir unbedingt etwas mitteilen musst, schreib mir einen Brief und schieb in mir unter der Türe durch. Ich möchte nämlich alleine sein.”, wütend sah sich mich mit ihren blauen Funkelaugen an, setzte sich demonstrativ Kopfhörer auf und erklärte so die Unterhaltung für beendet.
Na die war vielleicht drauf. Mit der konnte man sich ja nicht einmal an Halloween wo blicken lassen. Großzügig übersah ich die Müllberge in ihren Zimmer und verließ angepisst ihr Reich. Das Thema Ordnung würde ich ein andermal wieder auf den Teppich bringen.
Da rackerte ich mich den ganzen Vormittag ab, (Heute vielleicht ein bisschen weniger, da ja Suse ungefähr drei Stunden bei mir war und wir etwas fern sahen.) um ihr ein ordentliches zuhause zu bieten (Ich hatte heute schon gesaugt; jawohl) und was Leckeres auf den Tisch zu zaubern (Aus Zeitgründen blieb es bei Fertigpizza, aber ich hatte extra Käse draufgestreut.) und dann verzog sie ich türknallend in ihr Zimmer.
Aber ich würde schon noch rausfinden was ihr über die Leber gelaufen war. In einer halben Stunde würde meine Große, Marina aus der Schule zurück sein und da Beide noch die selbe Schule besuchten konnte sie mir vielleicht sagen was meiner Luise dort so sauer aufgestoßen war.
Ein Informant vor Ort war ganz schön hilfreich. Auf diese Weise hatte ich schon einige Storys aus der Schule erfahren die mir das betroffene Kind freiwillig nie erzählt hätte.
Derweil setzte ich mich wieder auf die Couch. Ich war heute echt zu nichts zu motivieren. Die Küchentüre hatte ich vorsorglich geschlossen. Nicht das mir die schmutzigen Geschirrberge zu sehr ins Auge stachen. Gelangweilt blätterte ich noch etwas in der Fernsehzeitschrift um mir die Zeit zu vertreiben und dann hörte ich auch schon wie sich der Schlüssel im Türschloss drehte.
Schnell eilte ich in die Garderobe, zog mein Kind bei der Türe rein, schmiss ihre Schultasche in die Ecke neben Luises Rucksack und versuchte ihr die Jacke auszuziehen.
“He, lass das! Du kannst so was von nerven Mom.”, beschwerte Marina sich und flüchtet an die andere Seite der Garderobe.
“Aber ich wollte dir doch nur helfen, damit du schneller zu Tisch gehen kannst.”
“Ich denke deine Erziehung war so fruchtbar das ich es mit 13 Jahren schaffe, mir selbst die Jacke auszuziehen. Echt, bist du oft seltsam drauf.”
In aller Seelenruhe streifte sie ihre Jacke ab, schlüpfte aus ihren Schuhen und kramte in ihrer Schultasche rum.
Füße wippend stand ich daneben.
“Geht das nicht etwas schneller. Ich muss mit dir reden.”, sagte ich.
“Ich stehe neben dir, also sprich dich aus.”
Sie verdrehte die Augen und kramte weiter in ihrer Schultasche.
“Hier kann ich nicht reden. Ich weiß ja nicht um was es geht. Nicht das deine Schwester etwas mitbekommt.”, nuschelte ich.
“Ach das meinst du. Das war heute so lustig! Die ganze Schule hat gelacht.” und prompt brach sie in Gekichere aus.
Endlich hörte sie mit ihrer Kramerei auf und setzte sich gemächlich an den Esstisch in der Küche und ließ mich weiter zappeln.
“Was das? Rede doch endlich aus. Deine Schwester hat total die schlechte Laune und dich scheint das zu amüsieren.”
“Wenn es doch so lustig war.”, sagte sie und brach in eine hysterische Teenagerlache aus. Hört sich schlimmer an, als wenn jemand mit dem Messer über ein Teller kratzt. Tränen liefen ihr mittlerweile über die Wangen und fasst wäre sie vom Stuhl gefallen, weil sie sich überhaupt nicht mehr einkriegte. Mit einer Serviette tupfte sie sich das Gesicht ab und verteilte dabei die zerlaufene Wimperntusche noch etwas mehr auf ihrem Gesicht.
“Wenn du dich beruhigt hast, dann kläre mich bitte auf.”
Schön langsam nervte sie mich. Wie konnte man minutenlang so blöd lachen und sich überhaupt nicht mehr beruhigen?
Musste ja voll der Spaß gewesen sein.
“Es war doch so lustig. Es war nämlich so: Sie hatte Klopapier ...”, weiter kam sie nicht. Ein weiterer Lachanfall schüttelte mein Kind durch.
Wenn ich es nicht genau wüsste würde ich sagen dieses Mädchen war geistesgestört.
Als sie sich endlich etwas einkriegte, begann sie von Neuem:
“Sie hatte Klopapier aus der Hose hängen und hat es nicht gemerkt.
Die halbe Schule hat es gesehen. Das war so lustig. Alle haben gelacht
und sie hat null gecheckt.”
Der nächste Lachanfall trieb ihr die Tränen aus den Augen.
“Die schleift eine halbe Klopapierrolle mit und merkt nichts. Haaaaaaahahahahaaa!”
Und es wurde weitergelacht.
“Deine Schwester hat sich aus Versehen Klopapier in ihre Kleidung eingeklemmt, alle sehen es und niemand sagt ihr etwas. Einschließlich dir. Deine arme kleine Schwester, die immer mit dir ihre Pringels teilt?”
“Die teilt sie doch nur, weil sie muss. Es war doch so unsagbar komisch und sie hat nichts mitgekriegt, dass machte es doch noch viel lustiger.
Und du hättest 100pro auch gelacht.”
Stimmte wahrscheinlich! Manchmal saß ja ein kleiner Teufel auf meiner Schulter und aalte sich im Leid des Anderen. Und Schadenfreude war bekanntlich die schönste Freude.
Ich versuchte so ernst als möglich zu gucken und stritt es natürlich ab.
“Nie hätte ich meine Schwester so im Stich gelassen und über sie gelästert.”
“Du hast ja gar keine Schwester, da kannst du leicht reden.”
“Aber wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich sie nie und nimmer ausgelacht.”
Jetzt war ja klar warum Prinzessin N°2 so miese Laune hatte und sich im Zimmer verkroch. Niemand war gerne die Lachnummer der ganzen Schule. Das war doch wirklich der Klassiker.
Wenn man aus dem WC geht, sah man doch an sich hinunter ob da nicht irgendwo was eingeklemmt war, die Unterhose nicht rausguckte oder man das besagte Klopapier drankleben hatte. Kind, hast du den noch gar nichts gelernt im Leben!
Ich atmete ein paar Mal tief durch um nicht zu lachen, servierte meiner Großen todernst ihre Pizza und entschloss mich ein weiteres Mal nach meiner Kleinen zu sehen.
“Du kommst ja beim Essen alleine klar. Ich sehe noch mal nach Luise.”, mampfend nickte sie. Wenigsten hatte sie mit dem Lachen endlich mal aufgehört.
Nach dreimaligem Klopfen an der Zimmertüre - Ich wollte gerade reingehen und nachsehen, ob sie noch da war, nicht das sie beschlossen hatte nach dieser Blamage auszuwandern - schrie sie aus dem Zimmer: “Was ist den jetzt schon wieder!” Zumindest war sie bei bester Gesundheit, ansonsten hätte sie nicht so schreien können.
“Ich bin´s nur. Wollte sehen wie es dir geht. Deine Schwester hat mir alles erzählt. Aber so schlimm ist das wirklich nicht.” und drückte mich dabei unauffällig ins Zimmer. Etwas verloren stellte ich mich neben ihr Bett. Sie lag darauf und sah durch mich hindurch. Ich versuchte mein Kind zu trösten und schaute ihr statt in die Augen, auf den Haaransatz, sonst müsste ich womöglich doch noch lachen.
“Darum höre ich Marina die ganze Zeit lachen. Und du hast ihr sicher nicht deine Witzesammlung vorgelesen, da hätte sie nämlich geweint.”
(Ich bin witzig! Wann begriffen das meine Kids endlich. Und meine Witze waren legendär. Naja, zumindest bei bestimmten Personen.
Meine Mutter lachte immer wenn ich Einen zum Besten gab.)
“Du weißt doch wie überdreht die immer ist. Ich wette in der Schule haben das Alle schon wieder vergessen. Morgen stellt irgend jemand anders etwas Peinliches an und kein Mensch denkt mehr an deine Klopapiergeschichte. In Schulen passiert so etwas doch täglich.”
“Ich gehe da sowieso nicht mehr hin!”
“Und ob du da noch hingehst. Morgen redet kein Schwein mehr über dich.”
“Das glaubst du doch selber nicht.” und so diskutierten wir noch eine Weile rum. Sie schimpfte und weinte rum wie eine 4 jährige und ich hatte schon Gesichtslähmungen, weil ich mir ständig das Lachen verdrücken musste.
Schließlich bot ich ihr 20 Euro an wenn sie in die Schule gehen würde.
Die Bestechung half, wenn auch wiederwillig. Sie wollte mich doch glatt auf 50 Euro raufhandeln.
Siegreich verließ ich ihr Zimmer. Das wäre geschafft. Im Geiste klopfte ich mir auf die Schulter und lobte mich für mein pädagogisches Geschick im Umgang mit meinen Mädchen.
Als ich abends alleine im Bett lag, mein Mann war wieder mal dienstlich unterwegs, kramte ich mein Tagebuch aus der untersten Schublade meines Nachtkästchens (Nicht verraten wo es liegt; das war mein Geheimversteck; meine Familie glaubte ich hätte total das schwierige Versteck das sie bis jetzt noch nicht knacken konnten; die kommen nie drauf das es bloß im Nachtkästchen liegt.) und begann zu schreiben:
Liebes Tagebuch!
Heute ist etwas echt lustiges passiert. Es hat damit angefangen das Luise total sauer aus der Schule kam ...............
Morgens weckte mich, wie üblich der blöde Nachbarhahn pünktlich um 5.36 Uhr und da sich noch einmal umdrehen sowieso nicht mehr rentierte, stand ich auf um schon mal den Kaffee zu machen. Eine Stunde und zwei Tassen Kaffee später kam Luise extramiesgelaunt zum Frühstück. Marina überfiel wie immer morgens das große Schweigen. Von der hörte man kein Wort.
“Was sind den das schon wieder für beschissene Flakes. Die schmecken ja wie Pellets.“, motzte sie mich nach dem ersten Bissen ihres Müslis an.
“Das sind Haferflocken und noch ein paar Sachen. Das ist gesund, also sei ruhig und iss.“ Da sorgte ich dafür das sie etwas Gesundes in den Bauch bekamen und es wurde einem überhaupt nicht gedankt.
Angewidert schob Luise ihre Schüssel weg.
Meine Große hüllte sich in ihr großes morgendliches Schweigen (Das war mir schon viel lieber als diese miese Laune. Lieber ein stummes, als ein grantiges Kind) und schaufelte das Müsli in sich rein.
“Jetzt gebe ich dir schon 20 Euro nur damit du etwas tust, was du von Gesetzeswegen sowieso machen müsstest und dann bist du noch immer so motzig. Reiß dich doch ein bisschen zusammen.”, fauchte ich meine Tochter an.
“Was du hast der da 20 Euro gegeben? Das ist nicht fair! Dann gehe ich heute auch nicht in die Schule.”, trotzig verschränkte Marina die Arme vor ihrem nicht vorhandenen Bauch und sah mich böse an. Scheinbar war sie morgens doch nicht so geistesabwesend wie sie immer tat.
Da war meine Große tatsächlich aus dem Wachkoma erwacht.
Wenn´s um Geld ging, waren ja Beide blitzschnell hellwach.
“Dann bekommst du eben auch 10 Euro und dann ist aber Schluss damit und sagt ja nichts zu Papa, der denkt doch ich habe einen Knall wenn ich euch Geld gebe, nur das ihr in die Schule geht.”
Ich suchte meine Geldtasche raus gab der Kleinen 20 Euro “Schulgeld” und der Großen 10. Dann war endlich Ruhe am Frühstückstisch.
Zum Glück hatte Luise heute einen Rollkragenpullover an. Indem konnte man wenigstens den Kopf wie bei einer Schildkröte einziehen, wenn es in der Schule zu schlimm werden würde. Kinder konnten ja so grausam sein und ich war mir nicht sicher ob heute mit den Sticheleien schon Schluss sein würde. Als sie mit dem Frühstück fertig waren, machten sie sich, zu spät wie immer, fertig.
Begleitet von den Pisakern ihrer Schwester flitzten die Zwei aus dem Haus um den Bus nicht zu verpassen.
“Toi, toi, toi.”, rief ich Luise an der Türe noch nach um ihr Mut zu machen.
“Du bist so peinlich Mama, wenn das die Nachbarn hören. Sag doch einfach nur Tschau wie jede andere normale Mutter.”, wurde ich sogleich von Marina in meine Schranken verwiesen ehe sie um die Ecke verschwanden.
Die war ja wieder mal empfindlich. Spießerin!
Außerdem wegen welchen Nachbarn sollte ich mir was denken? Die nette Familie nebenan, mit Greti als deren Oberhaupt, hatte doch den größten Dachschaden überhaupt. Die aßen nur Öko (So sahen sie auch aus.) und hielten Hühner im Garten hinter dem Haus. Wegen deren Hahn konnte ich schon jahrelang nicht mehr ausschlafen und der Sohn dieser Gesundheitslatschenschnepfe war der totale Streber und ging natürlich ins Gymnasium. Immer wenn Söhnchen eine Eins hatte kam die liebe Greti sofort angelaufen um es mir brühwarm um die Ohren zu hauen.
Konnte ja nicht jeder ein Genie zu Hause haben. Dafür konnten meine Kinder wunderbar mit dem Handy umgehen (Dieser Dödelsohn besaß noch nicht einmal eins.) und sie kannten alle Schauspieler der aktuellen Sitcoms auswendig, den Echten und den Filmnamen wohlgemerkt. Das waren schließlich auch Leistungen auf die eine Mutter stolz sein konnte.
Der Vormittag schleppte sich nur so dahin. Suse musste arbeiten.
Sie war Physiotherapeutin und war an den meisten Vormittagen in ihrer Praxis. Dafür hatte ich es sogar geschafft etwas Anständiges zu kochen und endlich den Küchenfußboden aufzuwischen.
Da konnte sich keiner mehr beschweren das er kleben blieb.
Es war nicht immer nur lustig eine Vollzeithausfrau zu sein.
Manchmal ödete mich dieser Job richtig an. Kochen und putzen das konnte es doch nicht gewesen sein.
Darum wurde es auch Zeit endlich wieder einen richtigen Beruf zu haben. Wie Schriftsteller zum Beispiel. Da konnte man kreativ sein, sich die Termine selber einteilen und die Familie auch noch tadellos managen.
Da mein Mann soviel im Außendienst war, erschien es uns damals als die Kinder kamen sehr vernünftig meinen Job als Sekretärin an den Nagel zu hängen.
Und ich weinte diesem beschissenen Bürojob bis heute keine Träne nach. Mein Chef hatte aus dem Mund gestunken, dass mir davon oft so schlecht wurde, dass ich auf mein Mittagessen verzichtete (Ein tolles Mittel zum Abnehmen. Ich sollte vielleicht doch wieder dort anfangen.) und meine Bürokollegin hatte ein massives Transpirationsproblem.
Dass sie aber keineswegs störte. Die hatte noch nicht einmal den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden, als ich ihr eine Auswahl an diversen Deos zum Geburtstag geschenkt hatte. “Echt lieb von dir Emma, aber so etwas benutze ich nicht. Ich lasse nur Wasser und Kernseife an meine Haut. Von Deos bekommt man doch Krebs.“ Ach, das hätte ich aber überhaupt nicht für möglich gehalten. Und so hatte sie mich fröhlich weiter an jedem Sommertag zugestunken. Was war ich froh als ich aus diesem Laden rauskam.
Aber mittlerweile waren meine Mädchen schon so groß das sie mich nicht mehr soviel brauchten und irgendwie hatte ich es noch immer nicht geschafft meine berufliche Laufbahn wider anzukurbeln.
Zugegeben so war es ja auch viel bequemer.
Die Kids hatten ständig ein Taxi zur Verfügung, mein Mann konnte mir alle unangenehmen Botengänge aufs Auge drücken und na ja eigentlich war es schon cool sich die Zeit frei einteilen zu können. Und zwischendurch machte es schon Spaß neue Rezepte auszuprobieren oder im Möbelhaus nach der perfekten Tischlampe zu suchen, aber eben nicht immer.
Freundinnen von mir, die voll im Beruf standen, mussten sich mit blöden Arbeitskollegen und faulen Chefs rumplagen.
Ich hatte nur eine Ökotusse als Nachbarin die mir zwischendurch auf den Keks ging und die konnte ich ja ignorieren wenn sie mich wieder mal volllaberte. Mit den anderen Nachbarn hatte ich es gut. Die gingen die ganze Woche arbeiten und schliefen am Wochenende.
Von denen sah und hörte man kaum etwas.
Gutgelaunt betrat Luise pünktlich um eins das Haus, schmiss ihre Schultasche auf den Boden und lachte über das ganze Gesicht.
Na das nannte ich zur Abwechslung mal gute Stimmung.
So ein Strahlegesicht war ich auch nicht gewöhnt von ihr.
“Stell dir vor.”, plapperte sie gleich drauflos als sie sich an den gedckten Tisch setzte, “Einer aus der Ersten hatte heute Klopapier an seinen Schuhen kleben. Das sah auch noch benutzt aus. Das war ja so lustig. Echt, was ist den das für ein Loser.”, und brach in Gelächter aus.
Was war den mit der los? Hatte ich ein umgedrehtes De-ja-vue?
Die Kids haben heutzutage scheinbar wirklich nur mehr das Kurzzeitgedächtnis in Anwendung.
“Hast du etwa vergessen das dir gestern fast das Gleiche passiert ist?
Also lach den armen Knopf nicht auch noch aus.”, forderte ich sie zu mehr Mitgefühl auf. Mit zwölf Jahren musste so was doch drinnen sein.
“Ach das. Das war doch komplett etwas Anderes und außerdem ist das Schnee von gestern.”
Haahahaaa, und das hatte mich nun 20 Euro (Plus die 10 Euro die ich aus Gerechtigkeitsgründen an Marina abdrücken musste.) gekostet.
“Hallo meine Schätze. Ich bin´s. Wo steckt ihr den?”, rief mein Mann kaum das er das Haus betrat. Glaubte er wir stellen uns zum Fenster und warten den ganzen Abend bis er endlich bei der Türe reinkam? Hastig stopfte ich meine Frauenzeitschrift unter die Couchkissen (Kurt- ja er heißt wirklich so - hielt mir jedes Mal eine Predigt was das für Schund sei, den ich da lese und auf so einen Vortrag konnte ich wirklich gut verzichten. Der hatte ja keine Ahnung was in so Zeitschriften Wichtiges drinstand. Hatte ja selber noch nie eine gelesen.).
Ich fuhr mir noch schnell durch die Haare und rannte runter. Das stand mein Mann und strahlte übers ganze Gesicht auf seine drei Frauen.
Auch unsere Töchter waren dem Ruf vom Papa gefolgt und hatten sich aus ihren Zimmerhöhlen gewagt.
Auch wenn wir noch so alte Jogginghosen anhatten und die Haare vor fett platt am Kopf anlagen, er freute sich scheinbar immer wieder uns zu sehen. Wie ich ihn dafür liebte.
Lachend kamen wir drei in seine geöffneten Arme und gaben ihm reihum einen Kuss:
“Ach was hab ich euch vermisst!”, sagte er und drückte uns noch ganz fest an sich.
“Au Papa zu zerquetscht mich.”, jammerte Lusie auch prompt und befreite sich aus Papa´s Umklammerung. Lachend ließ er sie los. Schließlich hatte er seine Tochter schon fünf Tage nicht mehr gesehen.
“Diesmal warst du auch wirklich lange weg, aber in einer Woche fliegen wir ja gemeinsam in den Urlaub und dann wünscht du dir wahrscheinlich uns nicht immer an der Backe zu haben.”, erwiderte ich fröhlich.
Ich freute mich ja schon so schrecklich. Sonne, Strand und Meer und meine neuen Bikinis konnten endlich ausgeführt werden. Juhuuu!
Meine stille Vorfreude wurde jäh unterbrochen.
“Könnten wir vielleicht nicht doch wohin fliegen, wo nicht jeder aus meiner Klasse schon war? Da ist doch keiner meiner Schulkollegen beeindruckt, wenn ich erzähle das wir in Griechenland gewesen sind.“,
jammerte Marina und machte ein Gesicht als wäre ihr Hamster gestorben (Den sie zum Glück ja gar nicht hatte. Ich wüsste ganz genau wer dann für´s füttern und Stallausmisten zuständig wäre - moi.).
“Ich fahre auch nicht in den Urlaub um deine Schulkollegen zu beeindrucken, sondern um mich zu erholen (Besonders von dir liebste Marina! - bloß nicht laut sagen, sonst ist der Tag schon wieder gelaufen).
Außerdem, der der bezahlt bestimmt, also Ende der Diskussion.“, stellte ich klar.
“Das wäre dann ja wohl Papa und nicht du.”, wurde ich gleich belehrt,
“Super das wir Kinder euch so wichtig sind und null mitentschieden dürfen!“
“Du weißt dass das nicht wahr ist. Ich wollte vor zwei Jahren sicher nicht nach Disneyland und auch nie in den Bayernpark oder ins Ravensburger Spieleland. Außerdem haben wir die Diskussion schon geführt.
Jetzt fang nicht schon wider damit an.“
“Jetzt kommt das wieder!“, maulte nun auch noch Luise. Augenverdrehend machten die Beiden einen Abflug.
Das war zur Zeit sowieso in. Wenn ich etwas sagte was sie nicht hören wollten, rauschten sie einfach davon, egal ob ich fertig geredet hatte oder nicht.
“Na die haben ja prächtige Laune.”, kopfschüttelnd sah mein Mann seinen Töchtern hinterher. Wir hatten es uns inzwischen an der Küchentheke gemütlich gemacht. Ich machte mich am Weinregal zu schaffen und zog zwei Flaschen raus.
“Rot oder Weiß?”
Kurt deutete auf die Rotweinflasche und während ich die Flasche entkorkte, stellte er die Gläser heraus und lockerte mit der anderen Hand seine Krawatte.
“Das ist ja noch gar nichts. Luise hatte gestern eine peinliche Klopapiergeschichte. Die war erst mies drauf, aber heute ist alles wieder vergessen.”
Während wir an unserem Wein nippten erzählte ich ihm die ganze Story in Kurzversion (Die Stelle mit dem Bestechungsgeld ließ ich aus. Schließlich wollte ich mich selbst nicht ins falsche Licht rücken.)
“Wie du das mit den Mädchen immer schaffst. Ich wäre wahrscheinlich schon auf eine einsame Insel ausgewandert - alleine wohlgemerkt -, wenn ich einen Vollzeitjob zu Hause hätte.”
Das war ja genau das richtige Stichwort für mich.
Nun konnte ich auch meinen Mann in meine Zukunftspläne einweihen. Hätte nicht gedacht das der geeignete Augenblick so schnell kommen würde. Kurt war gut drauf und hatte schon etwas Wein intus und er hatte mir den richtigen Aufhänger verschafft.
Schnell füllte ich ihm noch sein Glas bis zum Rand auf.
“Weil du es gerade sagst. Darüber wollte ich eigentlich auch schon lange mit dir reden. Wie du dir ja vorstellen kannst ist Haus- und Kindererziehungsarbeit nicht immer erfüllend und nun habe ich mir gedacht, ich könnte ja Schriftstellerin werden.”
Ich atmete tief ein und wollte mein Plädoyer fortsetzten, als ich Kurt´s gerunzelte Stirn sah.
“Was!”, fuhr ich ihn an.
“Wie kommst du auf so etwas? Das ist mir ja komplett neu das du Schriftsteller sein willst. Hast du überhaupt schon ein Buch geschrieben?”
“Wann den bitteschön? Deswegen wollte ich ja mit dir reden!”
Warum musste er mich auch unterbrechen? Kurt sollte einfach zuhören und die Klappe halten.
“Um anständig zu Arbeiten brauche ich einen Laptop. Und da mein persönliches Monatsbudget schon aufgebraucht ist, sollst du mir aushelfen.”
In diesem Monat hatte ich unbedingt ein paar neue Bikini´s gebraucht.
Drei um genau zu sein und je weniger Stoff, desto teurer schien mir.
“Glaubst du nicht dass das wieder mal eine von deinen Schnapsideen ist? Außerdem haben wir einen PC im Büro.”
“Diesmal ist es mir ernst. Und ich brauche einen eigenen PC.
Ich kann doch mit dem Schreiben nicht warten bis ich endlich mal zwischen 12.00 und 12.17 Uhr an den Computer kann. Der ist doch so schon dauerbesetzt. Alle meine Ideen gehen verloren, wenn ich sie nicht
sofort zu Papier bringen kann.”
Der sollte doch nicht so knausern. Zumindest diesmal nicht. Ich wusste das die Kohle für so etwas schon noch reichen würde, also sollte er mal eine Kleinigkeit in mich investieren.
“Außerdem wenn ich mein Buch verkauft habe, gebe ich dir von mir aus das Geld für den Laptop wieder zurück.”, versuchte ich ihn zu ködern.
“Und warum machst du es nicht wie die richtigen Schriftsteller und schriebst deine Sachen per Hand?”
“Ich glaube du ziehst dir zu oft Historienfilme rein. Du glaubst doch nicht wirklich das heutzutage noch ein Schriftsteller ohne Computer arbeitet. Also echt, ein bisschen mehr Enthuiasmus hätte ich mir von dir schon erwartet.”
“Na gut, wenn du unbedingt meinst, dann bekommst du eben einen Laptop. Ich werde mich mal umsehen, wenn ich nach dem Urlaub dienstlich unterwegs bin.”
Was so lange sollte ich noch warten? Ich hatte mich eigentlich schon am Pool mit einem schicken Laptop auf dem Schoß einen Bestseller schreiben sehen. Aber anderseits so konnte ich den Urlaub noch dazu nutzen Energie zu tanken für meine großen Pläne und an meiner Urlaubsangeberbräune zu arbeiten. Dann konnte ich gleich nach dem Urlaub in ein Fotostudio gehen und ein Autorenbild machen lassen.
Ja das war eigentlich eine richtig gute Idee.
Ich würde den Urlaub noch als die Ruhe vor meinem beruflichen Comeback nutzen.
“Danke Schatz. Du bist echt der Größte.”, pinselte ich meinem Mann noch ausgiebig den Bauch.
Liebes Tagebuch!
Es ist so weit. Ich werde eine richtige Schriftstellerin.
Alles ist schon in die Wege geleitet. Jetzt hole ich mir noch eine knackige Urlaubsbräune in Griechenland und dann starte ich durch. Juhuuu!
“Morgen früh geht´s in den Urlaub, wie ihr vielleicht noch wisst.
Darum sind in einer halben Stunde eure gepackten Koffer im Flur und ich will dass das jetzt auch wirklich passiert und ich es nicht noch einmal sagen muss, den sonst flippe ich aus!”, schrie ich hysterisch durchs Haus. Diese Kinder brachten mich noch zur Weißglut. Ich war schon den ganzen Tag am putzen und packen und die Kids saßen vor dem Fernseher oder Handy und hatten - No stress -. Wenn ich erst mal mit der Schriftstellerei begonnen hatte, konnten sie sich solches Benehmen sowieso abschminken. Den dann mussten sie mich unterstützen und im Haushalt mitanpacken. Aber das würde ich den zweien bei Gelegenheit schonend bebringen müssen.
“Ja wir machen ja schon.”, maulte Marina. In aller Gemütlichkeit schaltete sie endlich den blöden Fernseher aus und begab sich in ihr Zimmer. Ihre kleine Schwester gehorchte auch endlich und tat es ihr gleich. Na endlich! Ich hätte sonst an den Stromkasten gehen müssen und den Strom abgestellt.
Ich kämpfte gerade mit dem Staubsauger als ich es rufen hörte:
“Hilfe Mama! Ich bekomme den blöden Koffer nicht zu. Komm doch, sonst fällt alles wieder raus.”
Marina kreischte so laut sie konnte. Jetzt hatte wenigsten Jeder im Umkreis von 500 Metern mitbekommen, welches Problem mein Kind hatte.
“Spinnst du! Unser Haus hat keine 28 Zimmer. Ich höre dich auch wenn du in Zimmerlautstärke nach mir rufst. Ich war nur nebenan im Schlafzimmer.”, kam ich schimpfend zu ihr ins Zimmer. Ich hatte echt keine Nerven mehr für ihre Jammereien. Überall lagen Taschen, Körbe voller Wäsche und Putzsachen rum. Ich wollte endlich fertigwerden und mich auf den Urlaub freuen.
Als ich das Zimmer betrat, wäre ich am Liebsten wieder geflüchtet.
Wie es dort aussah!
Ob etwas ordentlich oder nicht, lag immer im Auge des Betrachters.
Ich hielt mich für ordentlich, meistens zumindest (Aber bitte nicht in die berüchtigten Kramschubladen schauen.).
Meine Kinder hielten mich für kleinlich und pingelig.
Mama war ja auch wirklich nie zufrieden und kontrollierte doch tatsächlich noch unter dem Bett, ob aufgeräumt war.
Ich war als Teeni auch schlampig.
Hatte Müll und jede Menge Undefinierbares im Zimmer gehortet.
Aber ich bildete mir dennoch ein, dass ich das Chaos zwischendurch auch mal von alleine beseitigte, um wieder im Liegen schlafen zu können, zwecks Platznot wegen der sich stapelnden Kleiderhaufen.
Darum sollte ich das mit der Schlampigkeit meiner Kids wohl nicht zu eng sehen. Ich war ja auch zu einem ordentlichem Erwachsenen herangewachsen.
Aber da heute sowieso wieder mal Schonwaschgang in punkto Meckerei angesagt war hielt ich meine Klappe. Schließlich wollte ich meine Kinder noch heute dazu bringen, mir ihren gepackten Koffer nach unten zu stellen und ich hatte die Erfahrung gemacht das schimpfen die Bewegungsabläufe von unwilligen Kindern drastisch verlangsamt und das konnten wir uns bei meinem jetzigen Zeitplan, dem ich schon zwei Stunden hinterherhinkte, nicht leisten. Ich hatte mich wirklich den ganzen Tag zusammengerissen und war nur zwei- bis dreimal lauter geworden als nötig. Das war wirklich eine Leistung für mich.
Ich besah mir Marina´s Koffer genauer.
“Du musst da etwas umpacken und vor allen Dingen die Sachen auch zusammenlegen und keine Kugeln aus den Kleidungsstücken machen. Dann hätte sicher mehr Platz und außerdem hätte ich deine ganzen Klamotten dann nicht umsonst gebügelt.”
Ich fing an ihren Koffer auszuräumen. Was da alles zum Vorschein kam.
Das Mädchen hatte soviel sinnloses Zeug eingepackt, dass ich das Gefühl hatte, sie wollte ihren Koffer nur voll kriegen, um ja nicht dazu verdonnert zu werden die Unterhosen von Papa reinzuquetschen. Den in meinem Koffer herrschte auch schon akuter Platzmangel und mein Mann musste seine Klamotten noch unterbringen.
Da waren Stofftiere, Kuschelpolster, der halbe Kleiderschrank, natürlich Schminksachen, bereits gelesene Zeitschriften, Dekofiguren!, und noch allerlei Unnützliches zu finden.
Da an dieser Stelle nörgeln überhaupt nichts genützt hätte sagte ich gar nichts und versuchte Alles wieder in den Koffer reinzuquetschen. Sie musste ihren Koffer schließlich selber schleppen. Wie wollte man den einen Teenager begreiflich machen, das man in Griechenland am Strand kaum Verwendung haben würde für Schals und schon gar nicht für mehr als einen.
Oder das man sich sicher nicht die Zeit nahm, um die 8 verschiedenen Nagellacks auch tatsächlich einmal aufzutragen und das Stiefel, wenn auch ungefüttert, blöd aussahen bei 35°C im Schatten.
“Setz dich doch mal rauf, dann geht der Koffer sicher zu.”
Marina schmiss sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das sperrige Teil und tatsächlich schaffte ich es die Schlösser zu schließen.
Geschafft! Koffer Nummer 1 war fertig.
Ich versuchte den Koffer bei der Türe rauszuheben, was mir kaum gelang. Hatte meine Tochter noch ein paar Hanteln eingepackt?
Gemeinsam schafften wir das Ungetüm runter und stellten es in die Garderobe.
Nun musste noch das Gepäckstück meiner zweiten Tochter fertiggemacht werden. Also noch mal die Treppe hoch und an der feindlichen Front angeklopft.
“Was ist?”, motzte sie in altbekannter Weise.
“Ich möchte deinen Koffer runtertragen.”
“Der ist noch nicht fertig.”
Verarschen konnte ich mich selbst. Luise lag auf ihrem Bett und las.
Ich hatte doch klar und deutlich gesagt der Koffer musste jetzt fertig gepackt werden. Innerlich ballte ich meine Hände zu Fäusten.
Du verarscht mich nicht!
“Das trifft sich ja sehr gut. Wenn dein Koffer noch nicht fertig ist, dann hole ich eben mal ein paar Klamotten von Papa die ich nicht mehr bei mir unterbringen konnte.”, dabei drehte ich mich um und wollte zur Türe raus.
“Ah ich hab ihn doch schon fertig gepackt. Nur noch eine Sekunde.”, suchend sah sie sich im Zimmer um und griff schließlich wahllos nach einem Stofftier das sie obendrauf packte, um ja keinen Platz mehr für Papa´s Sachen zu lassen. “Bitteschön. Fertig. Und wie du siehst randvoll.”, strahlte sie mich an und versuchte den Deckel zu schließen.
Aus ihrem Koffer quoll das selbe Chaos wie bei ihrer Schwester.
Sie waren ja auch verwandt. Gemeinsam wurde auch dieser Koffer verschlossen und wartete nur noch auf seine Reise nach Griechenland.
Ich ging nun ins Schlafzimmer um endlich für meinem Mann und mich fertig zu packen. Meine Sachen waren ja schon alle drinnen. Den Staubsauger ließ ich stehen und widmete mich dem Gepäck. Das war jetzt eindeutig wichtiger.
Das Problem dabei war nur, dass der Koffer schon ziemlich voll war und die Klamotten von meinem Mann noch rein mussten. Wir besaßen nur drei Koffer. Mein Mann war der Meinung das drei große Gepäckstücke für vier Personen reichen sollten. Tat es aber eindeutig nicht.
Skeptisch betrachtete ich den Kleiderberg auf dem Bett, den er mir am Vortag rausgelegt hatte. Kurt war schlimmer als jede Frau.
Was der alles mitnehmen wollte? Wir fuhren doch bloß eine Woche weg. Das konnte ich getrost ein bisschen bei seinem Gepäck abspecken.
Man brauchte doch als Mann sicher nicht mehr als ein T-Shirt mitzunehmen.
Eines hatte er ja schon an, dann waren es schon zwei.
Das reichte auf jeden Fall und die zweite Badehose konnte auch daheim bleiben. Und um es genau zu sagen, brauchte er auch nicht mehr als eine lange Hose und die hatte er ja auch schon an und zu was den Sandalen und Flip-Flops?
Wir waren am Strand da ging man doch sowieso barfuss.
So, das Platzproblem im Koffer war somit gelöst. Ich stopfte die nicht gebrauchte Urlaubswäsche meines Mannes ganz unten in den Wäschekorb (Nicht das er sich doch noch was Unnützes rausfischte.) und machte mich zufrieden ans Abendessen kochen.
Als mein Mann gegen sieben aus dem Büro kam, war der Tisch schon fertig gedeckt. Zur Feier des Tages hatte ich Gyros gemacht.
Quasi als Urlaubseinstimmung.
“Mmmhhh, das richt ja lecker. Was hast du den Feines gekocht?“, empfing mich mein Mann.”
“Gyros.”, antwortete ich strahlend, fuhr mir mit den Fingern noch schnell durch meine platten Haare um für eine Minute Volumen reinzuzaubern und hoffte auf ein dickes Lob.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2014
ISBN: 978-3-7368-0393-0
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