Cover

1. Kapitel




„Lass mich deinen Schwanz lutschen.“
Die Vampirin zerrte an Samsons Hose. Sie befreite sein schlaffes Glied von seiner engen Jeans und saugte es in ihren sinnlichen Mund. Er sah, wie sich ihre roten Lippen fest um seinen Schaft schlossen, während sie ihn wie wahnsinnig bearbeitete. Die warme Feuchtigkeit ihres Mundes benetzte ihn, während sie an ihm auf und ab glitt.
Ihre Hand umschloss seine Eier und massierte sie im perfekten Rhythmus mit ihren Saugbewegungen. Sie hatte Talent, keine Frage. Er vergrub seine Hände in ihrem Haar und bewegte seine Hüften vor und zurück, um die Reibung zu verstärken.
„Härter.“
Seiner Aufforderung kam sie mit Enthusiasmus entgegen. Ihre Lutschgeräusche hallten in dem schwach beleuchteten Raum wider. Er ließ seinen Blick über ihren spärlich bekleideten Körper gleiten: heiße Kurven, toller Arsch, sogar ein hübsches Gesicht. Alles, was er sich von einer Sexpartnerin wünschen konnte. So begierig wie sie war, ihm einen zu blasen, würde sie vermutlich auch schlucken, was er besonders zu schätzen wusste. Doch obwohl er ihre verlockende Zunge an seiner Eichel spielen fühlte, trotz des harten Saugens, bekam er keine Erektion. Ihre Geduld war an ihn verschwendet. Nichts rührte sich.
Ihr Kopf bewegte sich vor und zurück, ihr langes braunes Haar strich über seine nackte Haut und verfing sich in seinem Schamhaar, aber sein Körper war nicht bei der Sache. Es schien, als ob sie jemand Anderem einen blasen würde und nicht ihm.
Schließlich stieß Samson sie, erniedrigt und frustriert, von sich. Könnten Vampire vor Verlegenheit erröten, wäre sein Gesicht ebenso rot wie die bemalten Lippen der Vampirin. Aber zum Glück war Erröten den Menschen vorbehalten.
Blitzschnell schob er seine nutzlose Männlichkeit zurück in seine Hose und zog den Reißverschluss hoch. Er entfloh ihrer Gesellschaft sogar noch schneller. Seine einzige Hoffnung bestand darin, dass sie niemals erfahren würde, wer er war. Nur gut, dass er in einer fremden Stadt war und nicht in San Francisco, wo er bekannt war wie ein bunter Hund.
Eine Woche nach diesem peinlichen Zwischenfall machte sein Freund Amaury ihm einen Vorschlag.
„Versuch’s einfach, Samson“, beharrte er. „Der Typ ist absolut vertrauenswürdig. Er wird keine Silbe darüber verlauten lassen.“
Sein alter Freund konnte das doch unmöglich ernst meinen. „Ein Seelenklempner? Du willst, dass ich zu einem Seelenklempner gehe?“
„Er hat mir schon viel geholfen. Was hast du denn zu verlieren?“
Seine Würde. Seinen Stolz.
„Na ja, wenn du dich für ihn verbürgst, kann ich es ja zumindest mal ausprobieren.“ Und damit hatte er ohne großen Widerstand klein beigegeben. War das Verzweiflung?
„Und beurteile ihn nicht nach seinem Äußeren.“
Die Praxis war ein Witz. Als Samson zum ersten Mal den dunklen Keller betrat, in dem der Psychiater praktizierte, wollte er sofort wieder kehrt machen. Aber die Empfangsdame hatte ihn schon gesehen. Mit einem zuckersüßen Lächeln und steifen Rücken stellte sie ihre üppige Brust zur Schau.
Großartig! Ein Seelenklempner, der in einem Verlies arbeitete und eine Barbiepuppe als Wachhund beschäftigte!
„Mr. Woodford, bitte kommen Sie herein. Dr. Drake erwartet Sie bereits”, lud sie ihn mit schriller Stimme ein.
Sobald er Dr. Drakes Büro betrat, wusste er, dass es ein Fehler war, hierher gekommen zu sein. Anstelle einer Liege gab es einen Sarg. Eins der hölzernen Seitenteile war entfernt worden, sodass sich eine erwachsene Person dort ebenso gemütlich hinlegen konnte wie auf eine Chaiselongue.
Der Typ musste verrückt sein. Kein moderner Vampir mit Selbstachtung würde sich freiwillig in einen Sarg legen! Vampire in San Francisco integrierten sich, passten sich dem menschlichen Lebensstil an. Särge waren out. Tempur-Pedic Matratzen waren in.
Der schlaksige Mann umrundete seinen Schreibtisch und streckte ihm zur Begrüßung die Hand entgegen.
„Wenn Sie glauben, dass ich mich in den Sarg lege, können Sie was erleben“, pöbelte Samson.
„Ich sehe, wir haben alle Hände voll zu tun.“ Der Arzt schien von der groben Bemerkung unbeeindruckt zu sein. Er deutete auf einen bequem erscheinenden Sessel. Widerwillig setzte Samson sich.
Dr. Drake ließ sich in den gegenüberstehenden Sessel fallen. Als der Arzt ihn die ersten Minuten schweigend studierte, bewegte sich Samson nervös hin und her, die Hände auf den Armlehnen des Sessels verkrampft.
„Können wir anfangen? Ich glaube ich bezahle Sie pro Stunde.“ Angriff war die beste Verteidigung, das hatte er schon früh im Leben gelernt.
„Wir haben in dem Moment begonnen, als Sie hereinkamen, aber ich bin sicher das wussten Sie.“ Dr. Drakes Lächeln war unverbindlich, seine Stimme ruhig.
Samson kniff die Augen zusammen und versuchte, die angedeutete Maßregelung auszublenden. „Tatsächlich.“
„Seit wann haben Sie diese Wutprobleme?“
Das waren nicht die Worte, die er erwartet hatte. Viel eher eine Frage im Sinne von 'Also, was bringt Sie zu mir?', jedoch nicht diesen direkten Angriff auf seine sowieso schon angeschlagene Psyche. Er hätte Amaury genauer nach den Methoden des Arztes fragen sollen, bevor er einen Termin vereinbarte.
„Wutprobleme? Ich habe keine Wutprobleme. Ich bin hier, weil … die Sache ist … ähm, mein Problem hat zu tun mit …“ Mein Gott, seit wann konnte er das Wort Sex nicht mehr aussprechen, ohne nervös zu werden? Er hatte nie irgendwelche Probleme damit gehabt, sich auszudrücken, wenn es um Sex ging. Sein Vokabular umfasste viele farbenfrohe Worte und er hatte normalerweise nie ein Problem damit, sie in den entsprechenden Situationen von sich zu geben.
„Hm hm.“ Der Arzt nickte, als ob er etwas wüsste und Samson nicht. „Sie glauben es ist ein sexuelles Problem. Interessant.“
War dieser Mann ein Gedankenleser? Samson wusste, dass manche Vampire zusätzliche Fähigkeiten hatten. Er selbst hatte ein fotografisches Gedächtnis. Er wusste, dass Andere seiner Art die Zukunft vorhersehen oder Gedanken lesen konnten, war sich aber nicht sicher, wie weit verbreitet diese Talente waren.
Er musste wissen, ob er diesem Mann gegenüber im Nachteil war. Er wollte nicht mit jemandem arbeiten, der ihn wie ein offenes Buch lesen konnte, wenn er bestimmte Sachen nicht preisgeben wollte. „Lesen Sie Gedanken?“
Drake schüttelte den Kopf. „Nein. Aber Ihr Problem ist nicht ungewöhnlich. Es ist recht einfach zu analysieren. Sie zeigen Anzeichen von extremer Wut und Frustration.“ Er räusperte sich und lehnte sich nach vorn. „Mr. Woodford, ich bin mir sehr wohl darüber bewusst, wer Sie sind. Sie führen eines der erfolgreichsten Unternehmen der Vampirwelt, wenn nicht sogar das Erfolgreichste. Sie sind unglaublich reich – und glauben Sie mir, dies wird in keinster Weise Einfluss auf mein Honorar haben.”
„Natürlich nicht”, unterbrach ihn Samson. Der Quacksalber würde ihm so viel in Rechnung stellen, wie er glaubte, dass Samson bereit wäre zu bezahlen. Das wäre nicht das erste Mal. Er war es gewohnt, dass Leute ihre Preise anhoben, weil sie wussten, dass Samson es sich leisten konnte. Aber normalerweise versuchten sie das nur einmal. Niemand betrog ihn und kam damit davon.
„Und außerdem wurden Sie seit einiger Zeit nicht mehr auf gesellschaftlichen Anlässen gesehen, und das, obwohl Sie doch eigentlich ausgehen und hübschen Frauen den Hof machen sollten. Ich vermute, die Trennung von Ilona Hampstead hat etwas damit zu tun.”
„Ich bin nicht hier, um über sie zu reden”, stieß Samson hervor. Er weigerte sich sogar, ihren Namen auszusprechen. Sie spielte in seinem Leben keine Rolle, nicht mehr, und schon bei der Erwähnung ihres Namens sehnten sich Samsons Fangzähne nach einem brutalen Biss. Er ließ seine Handknöchel knacken. Würde sich das Brechen ihres Genicks genauso anhören? Es wäre Musik in seinen Ohren.
„Vielleicht nicht über sie, aber vielleicht über das, was sie getan hat. Es kann dafür nur einen Grund geben. Und wir wissen beide, welcher das ist. Somit stellt sich nun die Frage, ob Sie mir so weit vertrauen werden, damit ich Ihnen helfen kann.”
Drakes blaue Augen unterstrichen seine Frage.
„Bei was?” Samson entschied sich, weiterhin alles zu leugnen. Bisher hatte das gut funktioniert.
„Die Wut zu besiegen.” Der Arzt war ebenso hartnäckig, wie Samson stur war.
„Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es kein Wutproblem ist.”
Ein wissendes Lächeln umspielte die Lippen des Doktors. „Und ich sage es ist eins. Was auch immer sie getan hat, es hat Sie so wütend gemacht, dass es Ihren Sexualtrieb blockiert, als ob Sie sich nicht länger verwundbar machen möchten.”
„Ich bin nicht verwundbar. Das war ich noch nie. Nicht seit ich ein Vampir bin.” Das Letzte was Samson fühlen wollte, war verwundbar zu sein. Für ihn war das gleichbedeutend mit Schwäche. Wenn der Doktor mit seinen Anschuldigungen nicht vorsichtiger wurde, würde er sich bald als Opfer von Samsons Klauen wiederfinden. Vielleicht würde ein körperlicher Kampf dabei helfen, seine Frustration etwas zu vermindern.
„Nicht im eigentlichen Sinn des Wortes. Wir sind uns alle Ihrer Stärke und Kraft bewusst. Doch ich rede über Emotionen. Wir alle haben Gefühle und kämpfen mit ihnen. Einige mehr als andere. Glauben Sie mir, mein Kalender ist voll mit Terminen von Vampiren, die Hilfe benötigen, um mit ihren Emotionen zurechtzukommen.”
Der Psychologe sah ihn an. Nein, er konnte Drake nicht erlauben, ihm so nahe zu kommen. Gefühle waren eine gefährliche Sache. Sie konnten einen Mann zerstören. Samson erhob sich aus dem Sessel.
„Ich glaube nicht, dass das hier funktionieren wird.” Die Enge in seiner Brust zeigte ihm, welchen Effekt Drakes Worte auf ihn hatten, selbst wenn er nicht bereit war, dies zuzugeben. Nicht einmal sich selbst gegenüber.
Der Doktor stand auf. „Seitdem wir begonnen haben, uns anzupassen”, fuhr Drake unbeirrt fort, „hat sich meine Arbeit vervierfacht. Die Anpassung an die Art und Weise wie Menschen leben hat vielen von uns sehr viel abverlangt. Nun müssen wir emotionale Probleme bewältigen, die wir für Jahrhunderte begraben hielten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sind nicht alleine. Ich kann Ihnen helfen.”
Samson schüttelte den Kopf. Niemand konnte ihm helfen. Er musste alleine damit klarkommen. „Senden Sie mir Ihre Rechnung. Auf Wiedersehen, Doktor.”
Er stürmte hinaus und wusste, dass der Arzt einen Nerv getroffen hatte.
Nun, Sex wurde sowieso überbewertet. Zumindest war es das, wovon er sich selbst zu überzeugen versuchte. Es gab Nächte, in denen er seine eigenen Lügen glaubte, aber das hielt nie lange an. Die Wahrheit war, er mochte Sex, viel Sex, doch keine der verführerischen Vampirinnen reizte ihn mehr. Egal wie sehr er es versuchte, er konnte keine Erektion mehr bekommen.
Er hatte noch nie davon gehört, dass einem anderen Vampir so etwas passiert war. Sexuelle Potenz war ein Hauptbestandteil des Vampir-Daseins. Impotent zu sein war ein unbekanntes Konzept in der Welt der Vampire. Nur Menschen wurden impotent. Falls sich diese Nachricht verbreitete, würde er die Achtung aller Vampire verlieren. Das konnte er nicht akzeptieren.
Schließlich hatte er es sich selbst gegenüber eingestanden, dass er Hilfe brauchte. Einen Monat später vereinbarte er einen weiteren Termin in der Hoffnung, dass der Quacksalber doch etwas für ihn tun konnte.
Samson blinzelte und wischte die Erinnerungen an die letzten neun Monate beiseite. Heute Nacht war sein Geburtstag. Er würde versuchen, ein wenig Spaß zu haben.
Mit fließender Bewegung stand er aus seinem Schwingsessel auf und ging zum Bartresen auf der anderen Seite seines stilvollen Wohnzimmers.
Samson schenkte sich ein Glas seiner Lieblingsblutgruppe ein und trank es in einem Zug leer. Die dickflüssige Erfrischung ummantelte seine Kehle, stillte den Durst und dämpfte gleichzeitig seinen Hunger nach anderen Freuden. Gut, denn keine anderen Triebe würden heute Nacht befriedigt werden.
Ebenso wenig wie in den letzten zweihundertsiebenundsechzig Nächten.
Nicht, dass er zählte.
Nur seine Gier nach Blut wurde gestillt, seine anderen körperlichen Bedürfnisse, wenn sie auch vorübergehend gedämpft wurden, würden unbefriedigt bleiben. Manchmal wünschte er sich, er könnte sich betrinken und alles vergessen. Aber leider konnte sich ein Vampir nicht wie ein Mensch betrinken. Alkohol hatte keinerlei Auswirkungen auf seinen Körper. Was er jetzt nicht alles für ein wenig Betäubung geben würde.
Er hatte seinen Kumpels ausdrücklich befohlen, ihm nichts zu schenken und keine Party zu schmeißen. Natürlich wusste er, dass es zwecklos und nur eine Frage der Zeit war, bis sie alle vor seiner Tür standen. Wie plündernde Barbaren würden sie in sein Haus eindringen, seinen geheimen Vorrat an hochwertigen Getränken saufen – der hauptsächlich aus teurem 0-Negativ bestand – und seine wachen Stunden mit alten Geschichten, die er schon hunderte Mal gehört hatte, verschwenden.
Sie hatten ihm eine Überraschungsparty gegeben, als er die Zweihunderter-Marke erreicht hatte und auch heute, an seinem zweihundertsiebenunddreißigsten Geburtstag, würde es nicht anders sein, mit so ziemlich der gleichen Auswahl an Charakteren.
In Erwartung der unausweichlichen Invasion seiner Privatsphäre hatte Samson sich mit einer eleganten schwarzen Hose und einem dunkelgrauen Rollkragenpullover bekleidet. Bis auf seinen Siegelring trug er keinerlei Schmuck.
Das Klingeln des Telefons durchdrang die Stille seines Hauses. Er blickte auf die Uhr an der Wand und sah, dass es kurz vor neun Uhr abends war. Genau, was er vermutet hatte: Die Jungs waren auf dem Weg.
„Hallo?”
„Hi, Geburtstagskind. Alles fit im Schritt?”
Nicht gerade die beste Wortwahl. Definitiv nicht.
„Was gibt’s, Ricky?”
Trotz Rickys irischer Herkunft hatte er viele kalifornische Ausdrücke angenommen und klang nun mehr wie ein Beach-Boy-Surfer-Typ als nach dem irischen Burschen, der in ihm steckte.
„Ich wollte dir nur einen tollen Geburtstag wünschen und hören, was du heute Abend vorhast.”
Warum Ricky diese Scharade immer noch aufrechterhielt, war für Samson ein Rätsel. Hatte er nicht begriffen, dass seine Überraschungs-Geburtstagsparty schon längst aus dem Sack war?
Samson kam direkt zur Sache. „Wann kommen alle?”
„Wie ... was?”
„Um welche Uhrzeit werdet ihr Jungs mich mit einer Geburtstagsparty überraschen?”
„Woher weißt du das? Ach, egal. Die Jungs wollten nur, dass ich sicherstelle, dass du auch zu Hause bist. Also geh nicht aus dem Haus. Und wenn unsere andere Überraschung vor uns ankommt, behalte sie dort.”
Nicht schon wieder. Er hätte es wissen müssen. Doch er hielt seine Wut in Zaum.
„Wann werdet ihr jemals kapieren, dass ich nicht auf Stripperinnen stehe?”
Hatte er noch niemals und würde er niemals.
Ricky lachte. „Ja, ja, aber die da ist was ganz Spezielles. Sie ist nicht einfach nur eine Stripperin. Sie macht auch Extras.”
War ihm heute nach Extras? Sehr unwahrscheinlich.
„Ich denke, sie wird dir was Gutes tun, du weißt schon, was ich meine. Sie ist gut, also gib ihr eine Chance, ok? Es ist zu deinem Besten. So kannst du nicht weitermachen. Holly hat gesagt –”
Samson schnitt ihm das Wort ab. Soviel zum Thema heute Abend etwas Spaß zu haben. „Du hast Holly davon erzählt? Bist du total verrückt? Sie ist das größte Lästermaul der Unterwelt. Ich habe mit dir im Vertrauen geredet. Wie konntest du nur?” Seine Nasenflügel bebten und seine Augen verengten sich. Mit seinen Fängen, die plötzlich aus seinem Mund hervorragten, hätte er einen Weltklasse-Ringer von hier bis Dienstag erschrecken können. Aber Ricky war kein Ringer, und er war nicht einfach zu erschrecken. Nicht einmal bis Montag.
„Vorsichtig mit dem, was du über meine Freundin sagst, Samson. Sie ist kein Lästermaul. Und übrigens hat sie die Stripperin vorgeschlagen. Die ist eine Freundin von Holly.”
Perfekt! Eine Freundin von Holly. Sicher, das würde garantiert funktionieren!
Samson kochte immer noch vor Wut, war sich aber bewusst, dass es zu spät war, um alles abzusagen. „Na schön.”
Er knallte den Hörer aufs Telefon und nahm Ricky somit jede Möglichkeit, alles noch ausführlicher zu erzählen. Großartig! Nun, da Holly von seinem kleinen Problem wusste, würde es bald die gesamte Unterwelt von San Francisco wissen. Er würde das Gespött auf jeder Party sein, die Zielscheibe eines jeden Witzes.
Wie lange würde sie brauchen, um die Neuigkeiten zu verbreiten – einen Tag, eine Stunde, fünf Minuten? Wie lange bis das Tuscheln hinter seinem Rücken anfing? Warum gab er nicht gleich eine ganzseitige Anzeige im SF Vampir Chronicle auf, um ihr die Arbeit abzunehmen?
Samson Woodford, begehrter Junggesellen-Vampir, bekommt keinen mehr hoch!

2. Kapitel




Delilah Sheridans Augen schmerzten, aber sie fuhr fort, die Reihen von Buchungen nach Unregelmäßigkeiten zu überprüfen. Als sie ihren schmerzenden Nacken mit ihren Fingern knetete, sehnte sie sich nach einer Massage oder wenigstens einer Viertelstunde in der heißen Badewanne. Keins von beiden würde heute Nacht passieren.
„Kaffee?”, kam Johns Stimme von hinter ihr.
Sie schob eine Strähne ihres langen, dunklen Haares hinter ihr Ohr. „Nein danke, ich möchte heute Nacht schlafen können. Die letzten Nächte litt ich unter Schlaflosigkeit. Vermutlich bin ich immer noch auf New Yorker Zeit.” Ihr Blick war weiterhin auf ihren Computerbildschirm fixiert.
Trotz der bequemen Matratze hatte sie die Nacht zuvor kaum geschlafen. Und in den wenigen Stunden, die sie schlafen konnte, war sie von Träumen geplagt worden, die keinerlei Sinn ergaben.
Das geräumige Büro war praktisch ausgestorben. Die einzigen Personen, die sich hier noch aufhielten, waren John und sie. John Reardon war der Chefbuchhalter der San Francisco Zweigstelle des nationalen Privatunternehmens, welches Delilah überprüfen sollte.
„Ja, ich weiß, was Sie meinen. Es ist einfach nicht wie das eigene Bett, nicht wahr?” John klang mitfühlend.
„Immerhin haben sie mich in einer Firmenwohnung anstatt in einem Hotel untergebracht. Da werde ich wenigstens nicht von den Zimmermädchen gestört.”
Sie übernachtete in einer komfortablen Wohnung, die dem Unternehmen gehörte. Doch was nutzte ihr das, wenn sie so oder so nicht schlafen konnte? Vor ihrer Reise nach San Francisco hatte sie nie Probleme mit Schlaflosigkeit gehabt. Im Gegenteil, sie war jemand, der immer und überall schlafen konnte, egal, auf welchem Kissen sie lag. Und es musste nicht einmal ein Kissen sein.
Delilah rieb sich die Augen und schielte auf ihre Uhr. Es war schon nach 9 Uhr. Sie fühlte sich beinahe schuldig, so lange geblieben zu sein. John hatte darauf bestanden, ebenso lange hier zu bleiben wie sie. Er wollte sie nicht alleine im Büro lassen. Sie vermutete, dass er Buchprüfern misstraute, da sie herumschnüffeln könnten. Damit lag er richtig. Nicht, dass sie es schnüffeln nennen würde. Sie hatte alle Berechtigungen, die sie benötigte. Tatsächlich hatte sie sogar sehr genaue Anweisungen.
Sie war nicht nur hier, um die Zweigstelle des Unternehmens zu prüfen, sondern auch um gewisse Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Delilah war sich sicher, dass John keine Ahnung davon hatte. Ihm war mitgeteilt worden, dass es sich um eine der normalen Buchprüfungen handelte, welche alle Unternehmen regelmäßig durchführten.
„Entschuldigen Sie, John. Ich bin sicher, dass Sie nach Hause gehen möchten.”
Sie wandte sich zu ihm. John lehnte gegen die Ecke eines Schreibtisches und hob gerade den Kaffeebecher an seine Lippen. Sein grauer Anzug schien ihm nicht zu passen und der Kragen seines Hemdes sah ausgefranst aus. Er war ziemlich groß und nett aussehend für einen Buchhalter. Langweilig, fad, aber nicht hässlich.
Vermutlich mochte er es nicht besonders, so lange im Büro bleiben zu müssen. Nun, sie war so oder so erschlagen, also konnte sie für heute auch Schluss machen. Auch wenn sie wusste, dass sie sich vermutlich die ganze Nacht im Bett hin und her wälzen würde.
„Fertig?”
Ein erleichtertes Schimmern schien in Johns Augen aufzuflackern, als sie zustimmend nickte. Er brauchte nicht mehr als zwei Sekunden, um in seine Jacke zu schlüpfen und seinen Aktenkoffer zu schnappen. John war mehr als in Eile, hier herauszukommen. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Er hatte Familie, die auf ihn wartete. Und was erwartete sie zu Hause? Es war nicht einmal ihr Zuhause.
Nicht, dass ihr Zuhause einladender wäre als die Geschäftswohnung. Niemand wartete dort auf sie. Kein Mann, nicht viele Freunde – nicht einmal eine Katze oder ein Hund. Sobald diese Aufgabe hier erledigt und sie wieder zurück in New York war, würde sie mehr ausgehen und sich verabreden. Das war der Plan. Es war ein ausgezeichneter Plan, den sie jedes Mal machte, wenn sie beruflich auswärts tätig war und den sie jedes Mal verwarf, wenn sie nach Hause zurückkehrte. Dieses Mal war es ihr jedoch ernst damit. Ehrlich.
Aber zuerst wollte sie noch etwas zum Essen holen und dann schlafen. John war so freundlich, ihr die Richtung nach Chinatown zu zeigen, wo sie auf dem Weg zur Wohnung noch etwas zum Essen mitnehmen konnte. Ihr Orientierungssinn war wesentlich schlechter entwickelt als ihr Sinn für Zahlen, und obwohl sie schon mal in Chinatown gewesen war, hatte sie Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Tagsüber kam sie normalerweise klar, doch wenn es darum ging, in der Dunkelheit ihren Weg zu finden, war sie verloren.
Nieselregen hatte eingesetzt und sie wollte nicht allzu lange herumlaufen. Sie flüchtete in das erstbeste chinesische Restaurant, das sie fand. Der Laden war so gut wie leer.
Die Frau am Eingang wollte sie zu einem Tisch führen, doch Delilah winkte ab.
„Nur zum Mitnehmen, bitte.”
Die Bedienung reichte ihr die Speisekarte. Delilah überflog sie schnell und vermied, ihre Finger zu lange auf der klebrigen Plastikhülle verweilen zu lassen. Das Menü bot zu viel Auswahl. Wie viele verschiedene Arten gab es, Rind zu kochen? Rind mit Bambussprossen, Rind mit Pilzen, würziges Rind. Genug damit. Sie würde auf Nummer sicher gehen.
„Ich hätte gern das mongolische Rindfleisch mit braunem Reis.”
„Brauner Reis dauert zehn Minuten.” Die Chinesin war so freundlich wie eine Kreuzotter und ebenso schön. Wenn sie glaubte, Delilah würde ihre Bestellung auf weißen Reis ändern, hatte sie aber heute kein Glück.
„Das ist in Ordnung, ich warte.”
Delilah setzte sich auf einen der roten Plastikstühle in der Nähe des Eingangs.
Dies war ihre erste Geschäftsreise nach San Francisco. Als Freiberuflerin führte sie normalerweise spezielle Buchprüfungen entlang der Ostküste durch und wich selten von dieser Route ab.
Als die regelmäßigen statistischen Überprüfungen der Zentrale enthüllt hatten, dass bestimmte buchhalterische Zahlenverhältnisse in der Niederlassung in San Francisco nicht stimmten, entschieden sie sich dazu jemanden zu senden, der keinen vorherigen Kontakt mit dem Westküstenpersonal hatte, und beauftragten einen Freiberufler. Das war schlau. Buchprüfer konnten mit den zu überprüfenden Angestellten einen zu freundlichen Umgang pflegen. Ein regelmäßiger Wechsel der Buchprüfer war darum generell eine gute Idee.
Und wenn jemand herausfinden konnte, wo die Ursache des Problems lag, dann war es Delilah. Ihre Spezialität war forensische Buchhaltung. Es war nicht ganz so aufregend wie Polizeiarbeit, doch war es vermutlich der aufregendste Bereich in der Welt der Buchhaltung, wenn es da so etwas wie Aufregung gab. Für einige war das ein Widerspruch in sich, aber nicht für sie. Außerdem konnte sie sich als Freiberuflerin damit einen sehr guten Lebensstandard leisten.
Diese Untersuchung sollte keine großen Probleme mit sich bringen. Bestimmte Verhältnisse zwischen festen Anlagen und Abschreibung waren außerhalb der Norm und deuteten darauf hin, dass entweder jemand absolut inkompetent war, oder aber versuchte die Firma zu betrügen. Wie, das wusste sie noch nicht, aber das würde sie sehr schnell herausfinden.
Delilah war müde und wusste, dass sie dringend Schlaf benötigte, doch ebenso fürchtete sie sich davor, ins Bett zu gehen. Einige ihrer alten Albträume waren wieder zurückgekommen und mischten sich mit neuen. Einige Monate lang hatte sie schon keine Albträume mehr gehabt, doch seit sie vor einigen Tagen in San Francisco angekommen war, hatten ihre schlechten Träume wieder angefangen.
Es waren normalerweise immer dieselben. Das alte französische Farmhaus, in dem sie vor über 20 Jahren gewohnt hatten, als ihr Vater einen zweijährigen Auftrag als Gastprofessor angenommen hatte. Die Lavendelfelder, die das Grundstück umgaben. Die Wiege. Die Stille. Und dann die Gesichter ihrer Eltern. Die Tränen im Gesicht ihrer Mutter. Der Schmerz.
Aber dieses Mal mischten sie sich mit anderen, noch unbegreiflicheren Träumen.
Das viktorianische Haus sah im heftigen Regen Unheil verkündend aus. Licht fiel durch eines der Fenster. Abgesehen davon war es dunkel. Sie lief schneller und schneller, in Richtung des Hauses, in Sicherheit. Sie traute sich nicht, zurückzuschauen. Er war immer noch da und verfolgte sie. Hände griffen nach ihren Schultern. Plötzlich schlugen ihre Fäuste gegen eine schwere hölzerne Tür. Etwas gab nach. Sie stolperte vorwärts und fiel. In Wärme, Weichheit, Sicherheit. Zuhause.
„Mongolisches Rindfleisch mit braunem Reis.” Die Stimme der Frau unterbrach die Erinnerung an ihren Traum. Delilah bezahlte und nahm ihre Bestellung entgegen. Sie verharrte an der Tür.
Verdammt!
Es hatte angefangen, in Strömen zu regnen. Sie hatte ihren Regenschirm in der Wohnung gelassen, da sie dachte sie würde ihn heute nicht benötigen. Und anstatt ihren Trenchcoat anzuziehen, hatte sie nur eine leichte Jacke mitgenommen, was sich jetzt als schlechte Wahl herausstellte.
Jeder hatte sie davor gewarnt, wie unvorhersehbar das Wetter in San Francisco war und nun konnte sie sich selbst davon überzeugen. Die Wettervorhersage hatte behauptet: kein Regen bis zum Wochenende. Konnte sie den Meteorologen verklagen? Vermutlich nicht.
Ihr blieb keine andere Wahl, als sich der Naturgewalt zu stellen. Delilah wusste, dass sie sich nur ungefähr drei Blöcke von der Wohnung entfernt befand. Sie lief den Bürgersteig entlang und hielt sich dicht bei den Gebäuden, bog dann in die nächste Straße ein und ging einen weiteren Block. Nun musste ihr Apartment ganz in der Nähe sein. Sie sah sich um, konnte aber im starken Regen nichts wiedererkennen. War es noch einen Block weiter?
Ihre Kleidung war mittlerweile durchnässt und sie würde unter die Dusche springen müssen, um sich wieder aufzuwärmen. Wo zum Teufel war sie nur? Sie ging um die nächste Ecke und fand sich in einer schmalen Seitenstraße wieder. Hier kam ihr überhaupt nichts bekannt vor, doch das war ebenso wenig ihr größtes Problem wie der unaufhörliche Regen. Ihr Problem war der Mann, der ihr entgegenkam. Auch wenn sie ihn im Regen nicht wirklich erkennen konnte, so würde sie dennoch ihr Erspartes darauf verwetten, dass der Typ nicht hier war, um ihr einen Regenschirm anzubieten.
Im dämmrigen Licht der Straßenlaterne war seine imposante Statur nur eine Silhouette. Als ein schwacher Lichtschimmer eines erleuchteten Fensters auf seine linke Gesichtshälfte fiel, ließ sein Anblick sie am ganzen Körper frösteln. Die Narbe auf seiner Wange löste nicht gerade ein Vertrauen einflößendes Gefühl aus.
Delilah drehte sich blitzschnell um. Doch bevor sie noch in der Lage war, zwei Schritte zu gehen, packte seine Hand sie an der Schulter und riss sie zurück. Durch den plötzlichen Angriff verlor sie das Gleichgewicht und rutschte auf dem feuchten Bürgersteig aus. Ihre Beine gaben unter ihr nach und ihr Essen fiel auf den Boden, als sie versuchte, ihr Gleichgewicht zu halten und einen Sturz abzufangen.
Die Hand auf ihrer Schulter packte fester zu, als sie schrie, und versuchte ihn abzuschütteln. Sie fiel bei dem Gerangel auf den Bürgersteig und ihr Angreifer beugte sich herunter, um sie hochzuziehen. Sie riss ihren Kopf herum. Zum ersten Mal konnte sie sein Gesicht deutlich erkennen. Deutlich genug, um später eine Identifikation durchführen zu können, sollte dies nötig sein. Er war weiß und in den Vierzigern. Gewalttätigkeit und die Absicht diese an ihr auszulassen, waren deutlich in seinem Gesicht geschrieben.
Delilah konnte nicht zulassen, dass er sie in irgendein dunkles Loch zog. Beim Überlebenstraining stand an erster Stelle, dem Angreifer niemals die Möglichkeit zu geben, das Opfer an einen anderen Ort zu verschleppen. Sie musste ihn hier los werden, wo die Möglichkeit bestand, die Aufmerksamkeit von Passanten zu erregen.
Als ob!
Bei diesem Regen würde niemand vor die Tür gehen, nicht einmal ein Hund.
Der Typ zog sie hoch, packte sie am Kragen ihrer Jacke und lockerte den schmerzhaften Griff an ihrer Schulter. Blitzartig streckte sie ihre Arme nach hinten und schlüpfte aus ihrer Jacke. Ihr Angreifer hielt erstaunt die leere Jacke in seinen Händen. Nun hatte sie eine echte Chance.
Er war überrascht und das gab ihr einige Sekunden Vorsprung. Im College war sie Kurzstreckenläuferin gewesen, was ihr in dieser Situation sehr zugutekam. Auch wenn der rutschige Untergrund nicht gerade hilfreich war – ebenso wenig wie die hohen Absätze ihrer Schuhe. Ihre Eitelkeit würde sie eines Tages noch umbringen.
Mit langen Schritten lief sie in die nächste Straße. Ihre schlanken, aber starken Beine stießen mit einer Kraft vom Boden ab, die für ihren zierlichen Körper erstaunlich war. Ihr Angreifer war ihr dicht auf den Fersen. Und er war schneller. Sie musste um ihr Leben laufen. Ihr Atem raste, als ihre Lungen nach mehr Sauerstoff verlangten.
Während sie die vor ihr liegende Gegend absuchte, traf sie im Bruchteil einer Sekunde eine Entscheidung und rannte in die Straße zu ihrer Rechten. Ein verzweifelter Blick über ihre Schulter bestätigte, dass das Scheusal sie immer noch verfolgte.
Die Straße absuchend erblickte sie auf der anderen Seite mehrere viktorianische Häuser. Bis auf eins waren alle dunkel. Es kam ihr merkwürdig vertraut vor, wie das Licht durch die Fenster des vorderen Zimmers fiel. Dies war ihre Chance und vermutlich sogar ihre Einzige. Ohne auch nur eine Sekunde langsamer zu werden, überquerte sie die schmale Straße, rannte die wenigen Stufen zum Haus empor und hämmerte an die Tür.
„Hilfe! Helfen Sie mir!”
Während ihre Fäuste weiter gegen die Tür schlugen, warf sie einen panischen Blick hinter sich. Ihr Verfolger war weniger als einen halben Block entfernt und kam näher. Sie konnte die Wut in seinem Gesicht sehen. Wenn er sie erreichte, würde er all seinen Ärger an ihr auslassen und sie konnte nirgendwo anders hin fliehen.

Schlussbemerkung



Die Bücher von Tina Folsom, könnt ihr bei allen großen eBookstores erwerben. Dabei habt ihr die Wahl ob auf Deutsch, Englisch oder gar Französisch oder Spanisch.

Impressum

Texte: Tina Folsom
Bildmaterialien: Elaina Lee: www.forthemusedesign.com
Tag der Veröffentlichung: 10.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /