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Es war einmal ein reicher Bauer, der hatte einen Knecht. welcher ihm mehr schlecht als recht diente. Aber weil nicht mehr viele den Knecht spielen wollten und der Bursche zudem das Talent hatte, gern und viel zu lachen, allerdings am meisten dann, wenn einen anderen ein arges Missgeschick getroffen hatte, behielt er ihn.
Endlich - eines Tages nun kam der Bursche und sagte: "Ich habe geerbt, und das reicht, um mir selber einen Hof zu kaufen. Gib mir den Lohn für meine Arbeitszeit bei dir, und ich ziehe von hinnen."
Der Bauer ging in sein Schlafgemach und wühlte unter der Matratze, wo er sein Geld versteckt hielt. Aber er konnte den Beutel nicht finden.
"Ach, herrjemineh", dachte er und schüttelte den Kopf. "Wo ist das Geld geblieben? Nun kann ich meinen Knecht ja nicht bezahlen. Was tu ich jetzt? "
Der Bursche war recht verärgert. "Wirklich, Bauer, da foppst du mich ja richtig. Hab ich mich nicht tot geschunden für dich, und nun tust du, als wärest du ein armer Mann."
Aber dabei fühlte er in seinem Hosensäckel, wo es leise klimperte, denn er selbst war der Dieb, der seinen Herrn bestohlen hatte. Nun aber tat er, als würde ihn der Geiz seines Herrn zutiefst enttäuschen.
"Wenn du mir schon kein Geld gibst, dann überlass mir irgendein Andenken von dir."
Diese Bitte kam dem Bauern recht, und er glaubte zu wissen, wie er seinen Knecht zufriedenstellen könnte.
Im Heuschober stand noch viel alter Plunder herum,von Generationen gesammelt. Darunter befand sich eine Fidel, von der die Sage ging, ihr Lied könne den traurigsten Menschen zu neuem Leben und frohem Tanz bringen, und so lange sie gestrichen wurde, konnten die Beine derer, die sie vernahmen, nicht aufhören zu tanzen.
Da der Bauer das Märchen nicht glaubte und auch nicht zu fideln verstand, dachte er: ´Das wäre vielleicht etwas für meinen Hansel. Er ist ein fröhlicher Gesell und kann sich damit amüsieren.`
Der Knecht guckte zwar scheel, aber weil ihm am besten bewusst war, dass der Bauer im Augenblick arm wie eine Kirchenmaus war, nahm er das Instrument, warf das Seil daran über die Schulter und machte sich auf den Weg, einen eigenen schönen Hof zu erstehen.
Bald darauf begegnete er einem Juden. Er erkannte ihn an seinen silbernen Peißen und der kleinen runden Kipa auf dem Kopf. Der stand und horchte auf den Gesang eines winzigen Vögleins, hoch im Gezweig eines Baumes.
"Hör nur", sagte er zum näherkommenden Knecht. "Ist das nicht ein Gotteswunder? Wie schön er singt, und wie gut einem menschlichen Herzen das Liedlein tut."
"Ich sollte ihn fangen und in einen Käfig sperren ", sagte der fröhliche Knecht gierig."Wer ihn singen hören will, muss ihn dann nur kaufen. Billig ist der kleine Sänger allerdings nicht.“
"Gott hat ihn nicht geschaffen, in der Gefangenschaft das Leben zu verbringen. Er hat Flügel und will fliegen - überall die Menschen zu erfreuen," sagte der fromme Jude zutiefst erschreckt.
Da grinste der Knecht in sich hinein und dachte: "Probieren wir doch mal aus, was es mit dem Märchen von der Fidel auf sich hat."
Er nahm das Instrument von der Schulter, legte den Bogen auf die Saiten und rief: "Zuerst sollst du aber fliegen, Jude, und ich spiel dir dazu auf."
Er tat einen Strich über die Saiten, da fingen dem Juden an, die Füße zu jucken, und er hob die Arme, so wie man alle Glieder beim Tanze ins Schwingen bringt. Doch weil er nicht mehr ganz jung war und stolperte, wollte er sich am fröhlichen Knecht festhalten, stattdessen kamen beide ins Schwanken, stürzten und fielen in den vor ihnen stehenden Dornbusch.
Das war dem Juden sehr unangenehm. Er hatte noch nie jemand etwas Böses getan, und es verstörte ihn, dass seinetwegen der Bursche in die Dornen gefallen war. Es stach und stachelte, aber der fromme Jude riss sich lieber die Hände blutig, als dass er nur dagestanden und geguckt hätte, wie der albern kreischende Bursche sich herauszuarbeiten versuchte. Er hielt ihm also das Gestrüpp zur Seite, und der Knecht schimpfte und tobte: "Du Galgenstrick, was fällt dir ein, mich zu schubsen und zu knuffen? Sieh, wie zerkratzt ich bin. Und wo ist meine Fidel, du Lump, hast du sie mir etwa gestohlen?"
"Ich bitte dich", sagte der Jude. "Warum sollte ich dir etwas stehlen? Wart, ich hol dir das Instrument aus dem Busch."
Und wieder riss er sich die Hände blutig, sein Kaftan bekam Risse, und die Kipa fiel ihm vom Kopf. Aber er bekam die Fidel zu fassen, und während er mit ihr herauskrabbelte, fiel ihm ein, was für ein Gefühl des Glücks es war, als er den ersten Ton der Fidel gehört hatte. Da wünschte er, den Burschen vergessen zu lassen, dass er einem so großen Missgeschick anheimgefallen war.
Er tat einen Strich über die Saiten, ein Klang schwebte auf... und im gleichen Moment begann es den Knecht an den Fußsohlen zu jucken. Es riss ihn nach allen Seiten, links herum, rechts herum, die Beine schwenkten, die Arme waren wie losgelöste Pendel. Er wollte schreien: "Hör auf!"
Aber er war ganz atemlos und bekam kein richtiges Wort heraus. Und der fromme Jude war so versunken in sein Spiel - die Fidel war ihm schon immer ein liebes Instrument gewesen - er sah den Burschen tanzen und freute sich, dass er ihn wieder hatte fröhlich machen können.

Inzwischen war der zurückgebliebene Bauer noch einmal in die Kammer des Knechtes gegangen, weil er sie in Ordnung bringen wollte. Es hatte sich Besuch angesagt. Ein alter jüdischer Rabbiner, ein guter Freund von ihm, wollte für einige Tage bei ihm rasten und die Natur genießen. Eigentlich hätte er schon fast hier sein müssen. Der Bauer wollte ihm ein Stück über die Felder entgegengehen. Da bemerkte er auf dem Boden der Kammer, die der Bursche bewohnt hatte, etwas Glänzendes. Er hob es auf und sah, es war ein Golddukaten. Da dachte er noch nichts Böses, steckte das Goldstück nur in seine Jackentasche, um später darüber nachzudenken.
Draußen, er war einige Minuten lang tüchtig marschiert, hörte er Musik und Geschrei, und als er weiterlief, sah er seinen ehemaligen Knecht, der wie wild herumhüpfte, wortlos japste, und zu Boden fiel, weil er nicht mehr weiterkonnte. Aber als der Bauer herzueilte und aus den Augenwinkeln seinen alten Freund erkannte, der selbstvergessen die Fidel strich und ihr die schönsten Melodien entlockte, rief er: "Halt ein, Mosche, der Bursche tanzt sich tot. Die Geschichte scheint ja wirklich zu stimmen, - nun hat es sich bewiesen..."
Der fromme Jude liess den Bogen sinken und freute sich, seinen Freund zu sehen. Dieser aber half dem Knecht in die Höhe und hielt ihn fest, weil der sich auf den Juden stürzen und ihn schlagen wollte. Dabei riss dem Hansel die Hose noch weiter auf, es klimperte und klapperte plötzlich, ein Strom von Goldstücken ergoss sich über den Waldboden. Zuletzt fiel auch der lederne Beutel hinunter, und der Bauer riss die Augen weit auf.
"Ja, Hansel",japste er überwältigt, " der böse Dieb bist ja du, - da wirst du wohl jetzt deinen Lohn bekommen können."
So wurde der fröhliche Hansel in die Stadt gebracht und musste als Dieb am Schandpfahl stehen, drei Tage und drei Nächte, bei Kälte und Hitze, ohne zu essen und ohne zu trinken...
Aber nein, ganz so schlimm war es doch nicht, denn zweimal am Tag - morgens in der Früh, und spät am Abend - kam der Jude Mosche und brachte ihm einen Krug mit Wasser und ein paar Semmeln. Das beschämte den Hansel sehr, und als man ihn frei gemacht hatte, verschwand er und wurde nie mehr in der Gegend gesehen.

Der Bauer aber und sein jüdischer Freund Mosche saßen im Sternenlicht und hörten den letzten Vogelpiepsern zu. Als alles still geworden war, nahm Mosche die Fidel und entlockte ihr die wunderbarsten Klänge. Aber sie hatten ihre böse Zauberkraft verloren. Und das war auch ganz in Ordnung.
Die alten Beine der zwei bejahrten Herren schlugen zwar ein bisschen den Takt dazu, aber für wilde Tanzorgien waren sie doch nicht mehr so richtig zu gebrauchen.

* * *


Weil gerade dieses so genannte Volksmärchen mich schon immer entsetzt und empört hat, musste ich innerhalb von 40 Minuten einfach hinschreiben, was mir dazu im Kopf herumging. Ich denke, ein weiterer Kommentar meinerseits ist dadurch überflüssig geworden.


Auf meinen Einspruch hin entfernte der Verlag Langewiesche-Brandt im Nachdruck seiner Grimm´schen Märchen 1982 das böse Märchen vom "Juden im Dorn".
T.B.Z.

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Tag der Veröffentlichung: 02.10.2011

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