KASSANDRA
1.
Hoch, sehr hoch auf ihren Höh´n
hat sie es lange gären sehn,
so - als ob aus tiefster Tiefe
irgendjemand nach ihr riefe.
Mit ihrer Stimme vollstem Ton
versuchte sie seit langem schon
die Freunde zu erreichen.
Die hörten nicht die Zeichen
und nannten sie wohl selbst schon toll
und was das ew´ge Unken soll.
Man könne sich als Friedenszeichen
vor allem wohl die Hände reichen.
Es sei doch alles grandios,
und ihre Prophetie verschöss´ sie bloß.
Und niemand - darauf könnt man schwören-
würd auf ihre Prophezeiung hören.
Da quillt´s heran wie düstrer Qualm,
verschlingt die Schönheit dieser Alm.
Ein Schwarm von Asseln und Termiten
naht, Stich und Totschlag anzubieten.
Als endlich lichtet sich der Schwarm,
da gab es nur noch Pein und Harm.
Sie alle schrien: Nur weg und fort!
Kassandra schwieg . Sie sagt kein Wort.
Bis heute schweigt sie immer noch
hört nur das Summen in dem Loch...
das wieder neu sich aufbereitet
und zu neuem Totschlag schreitet…
3.Januar 2011
KASSANDRA
2.
Geköpft auf einem Sockel,
geschmiedet auf den Stein,
sieht Kassandra in die Ferne,
lauscht hinter weites Weltgewässer,
durchtrennt von hartem Götterstrich,
wo Erde sich von Himmeln scheidet.
Dass Hades ihr den Leib entführt,
was hat es ihr geschadet?
In ihrem Kopfe steckt der Geist,
mit dem sie von der Zukunft kündet,
und was Olymp von Welten trennt.
Kein Echo gibt ihr Antwort,
nur Nähe hat den Schall vernommen,
Nun lastet totes Schweigen.
Kassandra lauscht. Sie möchte fühlen, hören...
verflucht sich drob, wird selbst zum Schrei.
Mit ihm im Ohr springt sie vom Stein.
Ihr Kopf zerschellt,
der Sockel - er bleibt stehn.
Zum Fels geword´ner Seherruf!
KASSANDRA
3.
Kassandras Ruf, er gellt und schreit,
was sie da sieht seit langer Zeit,
doch jedes Wort zerschellt, verpufft,
wird atemlos zu Staub und Luft.
Die Augen leer und tränenblind
kann trocknen auch kein Wüstenwind.
Die Tränen rollen in den Mund,
da tut sich auf der Erde Schlund.
Das Echo der Prophetin hallt…
nun in der Gäa Urgewalt.
Kassandra bricht sich selbst den Stab:
Zu ihr sinkt Uranos hinab.
22.1.2011
KASSANDRA
4.
(Kassandras erstes Wort auf die letzte Frage)
Nun regen wir uns künstlich auf,
weil wirklich das geschehen,
was Kassandra längst gesehen:
es ist ein ganz normaler Lauf.
Die Fragen, die wir uns gestellt,
was ohne Antwort schien…
die Erde ist uns nur geliehn
sie hat genug von uns, die Welt.
Wir sind der Krebs auf ihrer Haut,
und haben sie mit Macht
zur letzten Explosion gebracht –
Kassandra hat´s erschaut.
Und voll Entsetzen stehn wir heut
und fragen nun: warum
bringt unser lieber Gott uns um,
den man uns eingebläut?
Kassandra spricht mit leerem Blick:
Was ihr zu Gott gemacht,
seid nur ihr selbst in vollster Pracht
und doch das ärmste Stück.
Denn das, was euch zum Menschen schuf -
was bildet ihr euch ein -
ist doch das übergroße Sein,
steht da als großer Ruf.
Ihr habt ihn niemals hören wollen,
habt nur an euch geglaubt.
Und jetzt noch, des Gehörs beraubt,
vernehmt ihr nicht sein Grollen.
So geh denn, kleiner Menschheit Bild,
ich merz dich aus mir weg.
Ich rein´ge mich von deinem Dreck,
bis neu Gesundung quillt.
Pflanze neu den Garten Eden
und setze neues Dasein ein.
Doch Menschen werden´s nicht mehr sein;
von Fossilen wird man reden,
zugehörig den Gestalten,
die lang vergangen in dem Nichts
des einst ergangenen Gerichts
des - nie - erfassten Walten.
5.
Kassandras interreligiöse Elegie
Man sieht sie auf der Stele sitzen
und den Kopf mit Händen stützen,
was sie denkt, wohl kaum verstanden –
doch in ihr sehr wohl vorhanden:
Wie verheißungsvoll hat es begonnen,
als der Geist den Trieb besiegt.
Dunkels Nebel schien zerronnen,
weil das Licht die Macht gekriegt´.
Doch wieder senkt sich dumpfes Brüten.…
in das menschliche Gehirn,
und wo fast schon Funken sprühten,
geht das Licht aus - fern am Firn.
Kaum zu fassen, dieses Dämmern,
kaum erfassbar auch dem Hirt…
weil das Blöken von den Lämmern
und ihre Dumpfheit ihn verwirrt…
Hat er doch, in sich verhüllt ,
längst verspielt die gute Macht,
nie gezeigt sein eig´nes Bild.
Und - wer hätte es gedacht :
Gibt’s kein Schaf , dass man es scher,
braucht man keine Hirten mehr.
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16.3.2011 / Berlin - Japan
heißt das erste Wort auf die menschliche Frage: WARUM...?
Wenn man die Antwort auf eine Frage kennt, fällt es leichter, das Resultat hinzunehmen,
WENN LIEBE KRIEGSFOLGEN ZEITIGT -
Du hast deinen Mann Hephästos betrogen,
Aphrodite, du Schönste der Frauen.
Er hat euch ein Netz übergezogen,
wie konnt er auf Treue auch bauen?
Vernetzung von Kriegen und Liebe,
nach ähnlichem Muster gestrickt.
So haben Götter eigene Triebe
auf die Erde dem Menschen geschickt.
Ja, ich denke, so ist es, so war es...
So musste es sein - mit Aphrodite und Ares
Hier erfocht sich die Liebe gewiss keinen Sieg,
als sie mit ihm ins Federpfühl stieg.
3. April 2011
MEDUSA
Des Teufels Weib wollt Mutter werden,
so wie die meisten Frau´n auf Erden.
Und zur Erfüllung ihres Glücks,
bediente sie sich mancher Tricks,
Dann war es endlich ihr gelungen!
Von Teufels Aussaat ganz durchdrungen
hat sie in einer Mitternacht
das eig´ne Wunder sich vollbracht.
Und in eines Fluches Schub
gebar sie sich Klein-Beelzebub.
Um das Kindlein zu erfreun,
da fiel ihr sehr viel Tolles ein.
Vor allem der Barbarensport
bracht Spaß und Lust an jedem Ort.
Zwietracht stiften, Glück vergiften,
und bei jedem Neubeginnen
schon am Netz fürs Ende spinnen.
Doch zuletzt konnt man verfangen
beide sehen in den Schlangen,
die wie Flut von wilden Haaren
dieser Old Medusa waren.
So schuf sie sich durch die Tentakel
für sich und Kind zuletzt Spektakel.
Die Tür schließt zu, beendet dies Gedicht.
Und will sie neu sich hier vermehren,
dann soll sie stets das gleiche hören:
Es sei das Ende ihrer Schicht,
Man will hier die Medusa nicht.
Sie könnt die Welt verheeren!
4. Januar 2011
Texte: Tilly Boesche-Zacharow
Lektorat: selbst
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2011
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