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JOSEF THOMAS PETERHANS

geboren: am 4.Dezember 1882 in Achern
gestorben: 1960 in Berlin

Seit 1917 Schauspieler,Synchronsprecher,Abtritt von der Bühne vor dem 60.Lebensjahr, verbrachte dichtend
seinen Lebensabend in der Berliner Künstlerkolonie Schmargendorf.


Aus: "DAS MARIENGÄRTLEIN


Denn alles Leben ist so schwer,
und wir ertrügen´s kaum,
wenn nicht das bisschen Sehnsucht wär
und nicht das bisschen Traum.

Was líndert denn die harte Not,
die uns in Ketten schließt?
Was güldet denn den eklen Kot,
der in den Gossen fließt?


Nur, dass wir heilig Zug um Zug -
berauscht und dennoch nie genug,
am Quell der Sehnsucht schlürfen,
um bis zum Tod des Wahns zu sein,
statt trüben Wassers klaren Wein
aus jedem Quell zu schürfen.


Dieses Gedicht - ein Geschenk an mich - ist bisher unveröffentlicht geblieben. Ich danke hiermit für die unvergessliche Begegnung mit einem großen, charismatischen Menschen, der in meiner Erinnerung unauslöschbar blieb und bleiben wird.


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CARL STERN


Geboren am 5. Januar 1918 in Troppau
Gestorben am 25.Juni 1985 in Jerusalem


Aus: Bilder und Landschaften, 1984


URALTES GEWÖLBE

Dass du durch diesen dunklen Bogen eingetreten,
und dass dein Frevlerschritt in diesen Mauern hallt,
das wird dir nie vergeben! Auch wenn kein Gesicht
dich schreckt und keine Riesenfaust
sich dir entgegenballt.
Denn dieser Wölbung Wucht ist überzeitlich alt.
Und der Koloss, in längst entrücktem Grabverwittern,
hat keine Brücke mehr, dich - Fremder - zu erschüttern
und keine Drohgestalt, die in dein Inn´res bricht

Und doch,
du Ahnungsblinder, fühlst du, siehst du nicht
die finstre Steingebärde, jahrtausend schweres Schweigen
wie eine Urlast sich dir näher neigen?
Hat sie dich erfasst, kann dich kein Gott erretten.


Carl Stern war der Freund, der - ohne es zu wollen oder zu wissen - zum Beschützer meines Lebensabends wurde.


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ERICH VIO

geboren: am 17. Januar 1919 in Fiume, s.Zt Österreich-Ungarn, später Rijeka, Jugoslawien;
gestorben:am 14. Mai 1999 in Andorra.
Italienische Staatsangehörigkeit.
Dr.med. jahrelange Chirurgentätigkeit in Shanghai,Hongkong, Taiwan. Leiter des St Mary-Hospitals. Verbrachte seinen Lebensabend im Sausal, Österreich und in Andorra, war Mitglied des PEN


Aus: SILHOUETTE Nr.6/1980

ROMANISCHE KIRCHE

Die Finsternis dringt ein durch Stoff und Poren,
entleert das Auge und betört den Sinn.
Der Raum hat Richtung und Gewalt verloren,
das Ende tastet sich zum Anbeginn.


Es dämmert. Pfeiler atlasmächtig steigen,
das Dunkel hebend aus der Unterwelt,
verkreuzen sich zu Brücken und verzweigen
sich in der Gruft zu einem Palmenzelt,
das fächerartig aus der Hölle Schluchten
entsprungen diese zu umspannen strebt.

Der Glaube brandet in der Apsis Buchten,
wo Andacht still auf Möwenschwingen schwebt
und wie die Grate sich zur Wölbung runden,
wölbt sich der Raum im Sternenpfad der Stunden.

***
Aus: Lebendiges Fundament,
Stoedtner-Verlag, Berlin 1978


DER VERSCHÜTTETE BERGARBEITER

Er grub - und plötzlich brach der ganze Raum
um ihn zusammen und verschlang den Schacht.


Er stemmte sich dagegen wie ein Baum
und schrie. Um ihn war nichts als schwere Nacht
und Erde in den Händen, Augen, Mund.
Und seine Wirbel krachten und im Schmerz
begriff er, dass er nur gelähmt den Schlund
verlassen würde, wenn Gehirn und Herz
die Ohnmacht überlebten. Dann ward Tag
und er erwachte, neu, in einem Raum,
der von ihm abfiel, jenseits aber lag
gefühllos seine unt´re Hälfte. Kaum
erkannte er an seinem Puls die Zeit.
Für ihn war es der Takt der Ewigkeit.

***


TOD DES SÄUFERS

Er saß, auf seinem Schaukelstuhl, gelassen,
die Hand ums Glas, als hätte ihn der Tod
beim Trinken angerührt und sitzen lassen.


Sein fahles Antlitz schimmerte im Rot
des bleichen Lampenschirmes dunkelblau
wie eine düst´re Blume. Leichenblass
und zitternd stand daneben seine Frau,
die er so lang gequält. Ich wußte, dass
Blausäure derart wirkt. Der Totenschein
lag auf dem Tisch. Der Frau verstörter Blick
schien flehend eines nur zu sagen: "Nein!
Nicht vor Gericht." Sie ging und kam zurück
mit einem Glas und einer weissen Rose.
Ich schrieb: "Er starb an Koronarthrombose!"

***


GRABESSTELE

Gib mir noch einmal die Hand!
Der Tanz ist aus.
Schon löscht der Wind an der Wand
die Lichter aus.
Auf deinem trockenen Mund
das Lächeln stirbt,
wie in meiner Seele Grund
die Lust verdirbt.
Verweile, bis jedes Ding,
nunmehr ein Hauch,
verschwindet in einem Ring
von blauem Rauch
und dein geläutertes Herz
die Flamme kennt,
wo das Gefühl ohne Schmerz
zu Asche brennt.
Dann streift umsonst deine Hand
mein Abschiedskuss.
Es weht dein leeres Gewand
zum letzten Gruß,
und du entschwebst dem Geschick.
Sein Spiel ist aus,
und du kommst nie wieder zurück:

Du bist zu Haus.


Aus einer literarischen Übereinstimmung entwickelte sich langjährige und wunderbare Freundschaft, bis sein Tod glaubte, uns trennen zu können. Es ist ihm nicht geglückt!

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KRISHNA SRINIVAS

geboren am 26. Juli 1913 in Sri Rangam /Indien
gestorben 2007 in Madras / Indien

Promotion in Madras, Berichterstatter für All India Radio in Neu Delhi, freier Journalist und Dichter seit früher Jugend, der
über Indiens Grenzen weit hinaus als Literatur-Mäcen und -entdecker anerkannt wurde, ein unermüdlicher Mahner der Völkerverständigung und Brückenschlag durch das literarische Wort.
Er war der Begründer-Präsident der World Poetry
Society International(WPSI)


DIE FÜNF ELEMENTE DES KRISHNA SRINIVAS

Verlag zum Halben Bogen 1983
-ins Deutsche übertragen von TBZ-


FEUER

Das Universum ist ein heiliges Feuer -
Sonne - der Kraftstoff;
Licht - der Rauch;
Tag - die Flamme;
Mond - die Kohle;
Sterne - die Funken.
In diesem brennenden Fluss
treiben auf gleicher Ebene,
nach ehrwürdiger Vorschrift
alle Menschen der Welt.
Anfangs gab es weder Sein
noch Nicht-Sein,
weder Königreiche
auf Erden,
noch Himmel darüber.

Wer kämpfte mit wem
und worum?
Wer musste Beschützer sein?
Gab es schon Wasser,
unergründlich tiefes Gewässer?
Es gab weder Tod noch Wiedergeburt.
Keine Zeichen von Regung,
zwischen Helle und Dunkel
kein Vorhang -
Nur Einssein - Einssein -
Ruhe sah Ruhe
in strahlenförmigem Zentrum.
In einfachem Muster ruhte die Wahrheit.


GOTT - Grundriss des Menschlichen,
blumenblattleichte Feuer,
Aufruhr im Pulsschlag,
Sturm durch Berührung -
gebiert einen Christus,
gebiert einen Buddha,
gebiert einen Mahatma

zum Wachsen, Wandern, Verlorensein
in den Trümmern zerschlag´ner Historie.

Der Rand des Weltalls:
entgleitende Linien
im Gleichmaß des Weckrufs
aus Dämm´rung: Erwache!
Sich wiederholender Strom
- Ping pong, hin und zurück -
Das Herz der Dunkelheit
blutet aus in den Tod.
Da erhebt sich Phoenix:
Geburt aus erfolgter Opferung.

LUFT UND ÄTHER

Luft ist Honig für den Äther -
In endloser Zeit
bewegen sich Seelen
und leben ein frohlockendes
Dasein auf klarem Mond -
doch nicht auf dem irdischen,
den wir hier sehn.


ERDE

Im vorbestimmten Universum
ballte sich durch Kreisbewegung
eine Anlage:
Erde -
abgenabelt kreist sie frei
auf eigner Flugbahn.
Ihre Vettern: Mars und Monde,
Venus, Jupiter, Merkur
und der goldene Saturn
in der fernen Einsamkeit.
Ihr explosiver Ausbruch
spaltete den Sternenstaub.


WASSER

Brücken über den Fluss
sind Geburt und Tod,
Mutterleib und Grab,
Staub und Blumen,
Flüstern für Eingeweihte

vom Band der Wiedervereinigung
in alten Träumen,
gleich epischen Liedern
vergangener Geschichte.
Aufgewühlter Schaum,
gigantischer Strudel
begrenzen die Seele,
erkämpfen den Weg
zum RUHIGEN ZENTRUM.


Seiner Herzlichkeit konnte sich niemand entziehen, auch ich nicht. Wir trafen uns nur einmal in Bangkok 1988 und blieben uns freund. Ich fühle Dankbarkeit über seinen Tod hinaus.


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Dr.Krishna Srinivas



Impressum

Texte: Hrgb. Tilly Boesche-Zacharow
Bildmaterialien: Tilly Boesche-Zacharow
Lektorat: Tilly Boesche-Zacharow-
Tag der Veröffentlichung: 04.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

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