Cover

Was Wera Goldman am 4. August 2010 aus ihrem Leben erzählte:
1.)Mich für die Tanzkunst und sonstige Kultur in Indien begeisternd,verbrachte ich eine Zeit meines Lebens dort und machte mich mit Land und Menschen vertraut. Mich eher zufällig inmitten einer amerikanischen Gruppe mit christlichen Reisenden bewegend, kam ich auch mit außerhalb jeder der indischen Kasten stehenden "Unberührbaren" innerhalb ihres armseligen Lebensraumes zusammen.
Wenn ein Brahmane einem solchen Menschen begegnet, ist es seine Pflicht, sich durch bestimmte Riten vom `Fluch dieser Begegnung` zu reinigen.Auch darf ein "Unberührbarer keinen Hindutempel betreten. Mich bewegte in dieser Richtung eine Frage, und ich stellte sie einem der ´Unberührbaren´: "Wer ist denn euer Gott, zu dem ihr betet?"
Er sah mich an und sagte: "ich verstehe die Frage nicht. Es gibt doch nur einen Gott!"
Zurückblickend möchte ich behaupten, dies war
der klügste und weiseste Mensch, der mir begegnet ist.


2.
Vor einer islamischen Moschee erkundigte sich
eine moslemische Frau bei den Beteiligten einer Touristengruppe, woher sie kämen. Auf die Antwort: Aus Amerika! konstatierte sie: Christen! Auf meine Antwort: Israel! nickte sie: Juden!
Und in plötzliche Ekstase geratend, schlug sie die Hände zusammen und sah gen Himmel: "Oh, wie groß ist Allah, sogar die Christen und die Juden kommen, ihn anzubeten!"


STADT NACH DEM REGEN

Es ist Abend...
Auf dem nassen Asphalt
blinken glitzernd blitzende Lichter.
Der Himmel ist klar und kalt,
Wind weht um die Gesichter.
Vom Fenster hier oben
klingt das Hupen der Autos
wie leises Geläute;
ein häßlicher Tag war heute.
Drückt man die Augen zusammen,
so wirken all diese Reklamen
aus Licht
wie ein Meer,
das bunte Flamme durchflicht.


STILL RUHT DER WALD -
der Abend bricht herein.
Schon wird es kalt.
Ich bin allein.
Kohlschwarze Baumstämme
auf sonnengoldnem Grund.
Es leuchten bunte Blumen im Tale drunt´.
Eine Moosbank lädt zum Sitzen mich ein,
und ich lasse mich darauf nieder.
Um mich her gespenstischer Lichterschein
und der Vögel Abendlieder.
So sitze ich glücklich und müde im Wald...
Abendfrieden ist bald.


REGENLIED

Regen rinnt, rieselt, rauscht,
du kannst es hören.
Wenn man lauscht - Zeit rauscht auch,
rinnt, rinnt, rauscht unaufhörlich.
Straße spiegelt glatt und kalt.
Wie kam mir der Herbst so bald?
Herzkalter Hauch
spiegelt,spiegelt nass, einsam, kalt.
Regen spritzt und strömt und stürmt,
in unsrer Seele die Last sich türmt.
Leben stürmt mit,
strömt, strömt, immer höher sich türmt,
Himmel - dunkel, dumpf und schwer;
ich fass es nicht, mein Kopf ist leer,
was sich denn liebt -
dunkel, dunkel - Alles zerstiebt.


WIEDER HERBST

Die Bäume der Ringstraße leise entlaubt,
blick ich traurig in die Gärten dahinter,
mit denen man mir meine Kindheit geraubt.
Vor uns steht ein harter Winter.
Die haben mir das Gitter niedergerissen,
das alt Vertraute. Es ist hin!
Jetzt blinkt das Rot des Rondeaus
durch das Grün.
Mein Herz ist bei euch,
lang nicht mehr geschaute Wege -
...dass jetzt überhaupt noch Blumen blühn?!

Meine Augen sind müde geworden
und mein Mund...
Feinde - die Menschen überall,
und in meines Denkens Grund
versteh ich noch immer nicht...

Da sitzt auf seinem Sockel
Der alte Goethe in Stein - wie immer.
Dunkel ist seiner Formen Metall,
doch ein lichter Schimmer
liegt auf ihm überall.


OH - GRAUEN,

sich in dem Spiegel zu schauen,
und auf einmal sind es die Gesichter
von Männern und Frauen,
die nicht mehr sind,
die ich nur dunkel hinter mir ahne.

Und auf einmal zerrinnt mein Gesicht
und verschwimmt -
und es nimmt
mir jedes Gefühl von - Ich.

Deutlich bin ich in Vater und Mutter aufgelöst.
So steh ich wesenlos
und ganz entblößt
vor mir, die ich nicht mehr bin.


AN MEINE GEDICHTE

Andere werfen euch in den Tag,
lassen euch von fremden Blicken drehn und wenden.
An welchem Platz meines Herzens
auch eines von euch lag,
jetzt rollt es unter fremden Händen.
Wohlgefühlig stellen sie euch alle zur Schau.
Ich hab euch von meinem Grund gebrochen,
euch aus Masse hin zu Form gekeilt,
und durch Tage,
Nächte, Wochen
an euch geschliffen und gefeilt.
Kinder seid ihr meines Herzens.
Ich hüte euch.
Wenn ihr - selten - zwischen meinen Fingern glitzert,
fühl ich mich reich.


AUTOFAHRT

(aus dem Zyklus "Rhythmen")

Land und Feld und Baum und Sand -
die Straße läuft, ein weißer Rand -
an allemvorbei.
Kilometerband!
Land - mein Land - mein Land - mein Land.
Ferne gleitet in uns hinein,
ist nur wankender, schleichender Schein.
Alles wird Nähe,
die wir in uns saugen.
Ich schenke die ganze Welt meinen Augen.
Räder surren, surren und singen,
um sich über Höhe und Senkung zu schwingen.
Flatternd fällt der Wind uns an,
knatternd fliehen wir voran.
Land und Feld und Baum und Sand,
es läuft das Kilometerband.
Wir sind mit der Straße ein weißer Rand.
An allen vorbei -
mein Land, mein Land...
Mit welchen Worten soll ich es sagen,
das alte Leid.
Ich bin in der Kette derer, die klagen
in Ewigkeit.
Und mein Mund ist nur einer -
emporgetragen von denen, die singen
von Tod, Liebe und Zeit.


REQUIEM FÜR EINE VERSTORBENE SCHULFREUNDIN

Plötzlich - mitten aus dem Lärm der Tage
blickt still dein Gesicht.
Unverletzlich -
ewige Frage
und ohne Verzicht.

Wo ist mein Leben?

Dein Leben,
das wir gemeinsam träumend in die Zukunft planten.
Wie kam es,
dass kein Schatten des furchtbar Ungeahnten
unser Lachen überfiel.
Oh, grausames Spiel,
dass ich den Umriß deines Lebens und des Werdens
mit bunter Bilderklarheit deutlich sah,
während der schwarze Vorhang schon bereitet
schwebte nah - ganz nah.
Nein, es ist noch da, war dir gegeben.
Wo wäre es denn hingekommen,
dieses Leben?
Erst entfachte Flamme
und schon in Nacht verglommen?
Dies Ungelebte muß noch sein und warten.
Stehn nicht die unerfüllten Stunden,
die genarrten Jahre irgendwo -
im Dunkel?
Sieh, du wurdst vom Tode nicht vertrieben,
gegen Betrübnis hat er dich gefeit,
du bist dir immer gleich geblieben
und doch mit uns entwachsen der alten Mädchenzeit.
Klar hat mich dein Bild begleitet,
vertraulich und entzeitet.
Deine Stimme klingt mir ungeschwächt
ins Ohr.
Jenseits von Gericht und Recht
Und immer wieder blickt aus lauten Tagen
dein ruhiges Gesicht.
Wie Lieder, die wir in der Fremde mit uns tragen -
unverletzlich!
Prüf dein Gewicht!

(Geschrieben Anfang der 40er Jahre in Israel)


DIE NACHT HÄLT DEN ATEM AN.
In ihr Horchen fallen Glockenschläge
von weit her - wunderzart,
als ob der Mond sich tönend bewege,
als ob der Wind seine liebsten Lieder


- uns -
zwischen gefalteten Händen träge.
Du - unsere gemeinsame Gegenwart merkst du? -
ist eine wachsende Macht
im Meer dieser Nacht,
das uns gefährlich verwirrend umspült.
Sind wir die Insel,
die den wiederkehrenden Wellenschlag fühlt,
den immerwährenden Anprall der Zeit?
Doch wir sind zu zweit
die starke, weiße Klippe
im Dunkel, das uns umbrandet.
Lichter schwimmen vorbei.
Manchmal strandet
ein weit gereistes Geräusch
an unserem Ufer.

Weißt du, dass wir allen Hilferufen,
allen, die sich nächtlich nicht finden,
uns jetzt als lebender Leuchtturm entzünden?


Merkst du,im Atemholen der Nacht
wird unsere vereinte Gegenwart MACHT,

(Geschrieben 1945)


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Die folgenden Gedichte sind dem "JESUS-ZYKLUS"
entnommen.

Dieser Zyklus entstand im März des Jahres 1972 in Australien in zwei Sprachen: deutsch und englisch.

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JESUS

Laßt mich frei!
Laßt mich los -
aus dem Gefängnis eurer Gebete,
wer mich
mit ängstlichen Fingern verschlossen hält.
Ich bin nicht das Wort, das Aufgeblähte,
das aus dem Mund eurer Priester gellt.
In muffigen Domen
und die langen Reihen von Gebeten -
das sind meine Barrikaden.
Dort verspottet ihr mich mit eurem Litanieren
und peitscht mich mit heiligen Tiraden.
Seit zweitausend Jahren täglich aufs neue
habt ihr mich getötet in euren Riten,
euern Geistern meinem Blut zu Ehren,
ihr Hypokriten und Parasiten.


Lasst mich frei
aus dem Grab eurer Gedanken,
dass ich wiedergeboren werde
und wieder die Welt durchwandern kann -
die schrecklichen Schlachtfelder eurer Erden;
dass Kinder wieder zu mir kommen werden
und Lazarus sich wieder vom Tode befreit.
Erwachet!
Für kommende Geschlechter
seid ihr doch nur wieder
die biblische Zeit


PETRUS

Herr, ich kann dich nicht in mir behalten,
du bist mir auf dem Herzen zu schwer.
Du hängst an meines Wesens Falten
und lastest auf ihnen so sehr.
Ich muss dich ausweiten zu einem Gewölbe,
zu einem Dom mit Zacken und Zieren,
so dass ich, um dich nicht zu verlieren
auch aus der Entfernung noch sehen kann:
von unten aufschauend, den Kopf tief im Nacken.
Wir können dich nicht behausen, Herr,
wir sind zu eng, dich zu umfassen.
Wir werden viele Häuser bauen
und viele Menschen zu uns kommen lassen.
Wir werden deinen strahlenden Glanz
im Spektrum bunter Glasfenster brechen,
dich betten auf Opferaltares weißseidigen Flächen
um dir von dorten zu singen
und von dir zu sprechen.

Wir werden dich andeuten mit vielen Geräten.
Dein Leib und dein Blut,wie Brot und der Wein
wirst du uns Nahrung nun sein.
Ein kräftiges Mahl.
Du gibst uns Ruhe in unsern Gebeten,
küssen wir das Kreuz, deinen Marterpfahl.
Du wirst klein bei uns sein,
hängst uns am Hals, liegst uns in der Hand
und fällst uns manchmal in Sand.


Verzeih uns, oh Herr,
dies verwirrte Grüßen,
nimm dennoch mich an:

Deinen Petrus,
den schwankenden Fels unter deinen Füßen.


MARIA - DIE MUTTER

Ihr Maler in christlichen Ländern
Warum malt ihr mich in langen blauen Gewändern?
Sie behindern mich nur beim Schreiten.
So geh ich durch die großen Gemälde der Zeiten.
Manchmal mit dem Kind,manchmal in der Mitte von Jüngern oder von Frauen,
die alle auf mich schauen,
und in den Blicken die Bitte,
ängstlich, vertrauend, verehrend.
So hab ich die Hände aufgeschlagen,
um ihrer aller Nöte zu tragen
und nie eine Bitte verwehrend.
Sie halten mich alle bloß
zurück, machen mich handlungslos.
Dabei muß ich eilen,
darf nicht eine Sekunde verweilen.
Das Kind, mir heute im Schoß
ist mir morgen entwachsen, entrissen,
entstellt. Wie es so geht, es ist zu spät.
Ich bin immer zu spät!
Sie haben mein pünktliches Kommen
nie wirklich ernsthaft genommen.
Die Jahre vergehn, wie immer vergangen,
Alljährlich seh ich meinen Sohn
am Todeskreuz hangen.
Stigmatisiert wird er ohnegleichen
durch der Welt unseligstes Zeichen.
Seine Marter, ein Maß, dass es heilend ist?


Ein jeder, der sich bekreuzt
im Glauben, verblutet sein Menschsein
in der Bezeichnung als CHRIST


MAGDALENA

Sie haben mich so überliefert:
Maria aus Magdala, die Straßendirne.
Wie können sie denn den Tag begreifen,
da er zu mir kam,
auf mich schien
mit glänzender Stirne
und in meine Seele einriß
und ließ sie in verheerender Seligkeit.
Ich aber,
die reich für alle war,
bin arm in seiner Herrlichkeit
und kann ihm nur die Füße küssen
in dummer Dankbarkeit.
Lass mich mein rotes Haar
ausbreiten, Herr, über dich,
zu einem vertrauten Zelt.
Bedecke mich wieder,
du großer Erkenner.
Ich war so schrecklich allein
unter der Last so vieler Männer.


LUKAS

Jeder hat dich anders verstanden,
keine der Fabeln kann dich definieren.
Spielende Kinder versuchen dich wie Schnüre
auf Fingern zu stabilisieren.
Ich finde dich nicht so kompliziert.
Ich werde von deinem Ruf gerührt,
der für die Leidenden kommt,
für die Verlorenen,
die Lastensüchtigen,
die Gewohnheitsverschworenen.
Dann beginnt das Kämpfen, mein Duell.
Jene rasen, ich antworte mit dem Appell,
das Feuer ihrer Eigenliebe zu nähren.
Es stirbt ab;
dann weht ein reiner Wind dazu,
und sie merken,
wir sind nicht nehr allein:
DU bist da!
Der Dritte mit uns - bist du.
Kannst nur du sein!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

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