Cover

Kapitel 1

 

 

 

Auf meine Anzeige im Internet meldeten sich eine Menge Menschen. Hauptsächlich Studenten, die dringend eine Unterkunft fürs nächste Semester benötigten.

Meine Mitbewohnerin Emily war letzten Monat mit ihrem Freund, paar Straßen weiter, zusammengezogen. Etwas traurig war ich schon, Emily war eine Klasse für sich; ständig am trällern oder summen, eine super Frohnatur, die mich mit ihrer guten Laune und ihrem nie endenden Optimismus ansteckte, oder ich will fast sagen, begeisterte. Heute würde sie mich bei dem Mitbewohner-Casting unterstützen. Ich musste nichtl fragen, sie sagte von sich aus, dass sie mir bei der Auslese behilflich sein möchte. Ein wahrer Schatz nun mal.

Kennengelernt habe ich sie auch bei einem ihrer Mitbewohner-Castings. Ich hatte gerade erfolgreich meine Schule beendet und war verdammt froh aus meinem alten Zuhause auszuziehen. Ich wohnte mit meinen Geschwistern und meinen Eltern mitten in der City, in einem ziemlich abgehobenem Viertel. Jedenfalls war Emily nach den ersten 5 Minuten so von mir begeistert, dass sie mich am Ende der Zimmerbesichtigung anflehte bei ihr einzuziehen. Bei der Erinnerung muss ich noch heute lächeln.

Die Wohnung war etwas besonderes, das wusste ich sofort, nicht nur wegen Emily.

Es klingelte plötzlich an der Tür und ich hätte beinahe den Kaffee ausgeschüttet, den ich nachdenklich im Schoß hielt.

Es klingelte ein ungeduldiges zweites Mal. „Jaha!“ rief ich und stellte eilig die Tasse auf den Couchtisch und spurtete zur Haustür, paar Zentimeter davor, bremste ich auf meinen Socken ab, und schlitterte zur Türklinke. „Hi Genie!“ Emilys strahlende Lächeln haute mich um. „Ems, du strahlst ja übers ganze Gesicht.“ ich zog die Brauen hoch und küsste sie sanft auf beide Wangenseiten. „Soll das heißen, dass ich gut aussehe?“ ihr Lächeln wurde breiter und beim vorbei gehen, streifte sie ihre gelben Pumps ab und stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Wow, du hast ja richtig sauber gemacht, Genie.“ sie pfiff anerkennend durch die Zähne und hängte ihre ebenfalls senfgelbe Jacke am Türhaken auf. „Natürlich, ich möchte doch einen guten Eindruck machen.“ ich folgte ihr quer durch den Flur in die Küche wo ich ihr was zu trinken anbot. „Pfefferminz mit nem Schuss-“ ich beendete den Satz für sie: „... Zitronensaft, ich weiß.“ wir grinsten uns an und Emily leckte sich über die Lippen, bereit mir etwas zu erzählen, dass ihr wohl sehr auf der Zunge brannte. „Oh Gott, Genie, schau mich an!“ sie schaute mich erwartungsvoll an und nickte mehrmals. Ich runzelte die Stirn und machte den Herd an. „Wie bitte?“ ich musste lachen, weil ihr Nicken lächerlich wirkte. „Fällt dir nicht etwas auf?“ sie zog eine Schnute. Ich betrachtete ihr sommersprossiges Gesicht und die rot-orangenen Haare, die sie kunstvoll, wie sonst jeden Tag zu einem herrlichen Zopf um ihren Kopf geflochten hatte. Ihre grünen Augen strahlten bloß mehr, als die Tage sonst. Und ihr unglaubliches Lächeln war das einzige, was vielleicht nicht wie sonst war. Auch trug sie nichts besonders auffallendes. Ein kurzes dunkelgrünes Kleid mit blauen Strümpfen und eine Perlenkette- Moment. Ich kniff die Augen zu und starrte die neue, höchst ungewöhnliche Perlenkette an. „Du hast eine neue Kette?“ fragte ich und sie nickte wieder heftig. „Uuund?“ machte sie und wedelte mit ihren kleinen, ebenfalls sommersprossigen Händen vor meinem Gesicht herum. Ich wusste nicht recht worauf ich zuerst schauen sollte und erst dann, als auch das Wasser anfing zu kochen und der Kessel mit dem Wasser anfing lauthals zu pfeifen, entdeckte ich den verräterischen Ring.

„Ach du scheiße-“ sagte ich und ich hatte das Gefühl, dass mir die Augen aus dem Gesicht herausfielen. „Jaaa!“ kreischte Emily begeistert und fiel mir um den Hals. „Er hat mich gefragt, Genie! Ja!“ Ihr Kreischen und das Pfeifen benebelten kurz meine Gedanken und alles woran ich in dem Moment denken konnte war, was passieren würde wenn der Kessel explodieren würde und uns in dem eigentlich schönen Moment umbringen würde. „Shit, das Wasser Ems!“ ich schaltete es aus und schob sie ein Stück zur Seite. „Aber Genie, freust du dich denn nicht für mich?“ ich hörte wie ihre Stimme einen kleinen hysterischen Unterton bekam. Ich lächelte sie von der Seite an. „Spinnst du? Natürlich freue ich mich!“ ich goss das brodelnde Wasser in ihre heißgeliebte Sonnenblumentasse, die sie aus nostalgischen Gründen hier gelassen hatte. „Ich bin nur auch sehr überrascht.“ fügte ich hinzu und versuchte überzeugend zu klingen. „Ich auch, es ist erst gestern Nacht geschehen, ich wollte dass du die erste bist die es erfährt.“ sie nahm ihre Tasse in beide Hände und marschierte ins Wohnzimmer. Ich drückte etwas Zitronensaft in ihre Tasse und setzte mich neben sie. „Also von Anfang an jetzt bitte.“

Emily klatschte begeistert in die Hände und betrachtete dann ihren Ring. Er war silbern, die Initialen für Emliy und Robert waren schlicht und sauber eingraviert. Ich musste zugeben, dass er wirklich sehr schön war. „Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.“ ihr Lächeln wurde kleiner als sie an mir vorbei sah und sich erinnerte. „Ich war den ganzen Tag unter Strom eigentlich. Die Arbeit hat mich verdammt gestresst.“ sie setzte die Sonnenblumentasse an ihre vollen, rosigen Lippen. Ich war immer wieder beeindruckt wie verdammt passend sie ihre Möbelstücke oder das Geschirr zu ihrem Aussehen aussuchte, von der Kleidung will ich gar nicht erst anfangen. Die Sonnenblumen harmonierten perfekt mit ihrem roten Haar und den vielen Sommersprossen in ihrem Gesicht. Selbst der Henkel harmonierte mit ihrem Nasenbein. Sie war so oder so schon der schönste Mensch den ich je kennengelernt hatte, aber mit ihren kleinen, fast unauffälligen Extras, wurde ihre Präsenz noch stärker, man wurde fast überwältigt. Sie spitzte ihre Lippen als sie langsam und geräuschvoll trank und ihre großen Augen begegneten meinen, als sie den Faden verlor. „-entschuldige, wo war ich stehen geblieben?“ ihre perfekt einander gereihten Zähne blitzten auf. „Der Tee ist einfach zu gut.“ sagte sie und ihr Lachen perlte in meinen Ohren als sie dabei den Kopf leicht zur Seite legte. All die Kleinigkeiten habe ich sehr an ihr geschätzt und liebgewonnen. Die Verlobung brachte mich irgendwie nicht in die enthusiastische Stimmung die Emily wohl erwartete.

Ich wusste noch, wie verletzt ich war als sie mir nahe gelegt hatte, dass sie ausziehen möchte. Anmerken hab ich mir natürlich nichts, aber vielleicht hat sie es gespürt.

Diesen kleinen stechenden Schmerz, den nur Seelenverwandte spüren und verstehen können.

Ich wollte mich wirklich für sie freuen, aber der Kloß in meinem Hals wurde nicht kleiner, sondern größer.

Ich räusperte mich und sagte: „Du warst von der Arbeit gestresst gestern.“ sie nickte und leckte sich noch einmal über die Lippen. „Für die neue Kampagne war ich dem Fotografen zu rothaarig.“ sie zog die Brauen zusammen bei der Erinnerung. „Ich war ihm leider nicht gut genug, an jeder meiner Haltung hatte er was zu mäkeln. Entweder machten mir die weißen Hosen einen riesigen Hintern, oder plötzlich gefiel ihm nicht der dazugehörige Nagellack.“ ich schmatzte missbilligend und sie fuhr fort. „Ich hatte 15 Outfits und zu 10 wurden mir die Nägel neu lackiert. Seltsamerweise konnte die Frisur so bleiben, mein Rot konnte man eh nicht auswaschen, meinte der Idiot.“ sie zuckte die Schultern und lächelte. „Trotzdem liebe ich das modeln.“ ich nickte. „Und das ist auch gut so, du bist die Inkarnation der weiblichen Perfektion.“ ich wackelte mit den Brauen und sie lachte. „Genie, halt deinen Rand.“

Trotz ihrer Schönheit war Emily sehr bescheiden, was wirklich mal eine willkommene Abwechslung war. Ich kenne kein anderes schönes Geschöpf, dass auch nur ein wenig rot wurde wenn man dem ein Kompliment über das Aussehen oder den Charakter machte.

„Naja, jedenfalls war ich zum Ende hin wirklich niedergeschlagen, weil ich der Überzeugung war, das wir absolut kein Foto hatten, dass diesen Idioten zufrieden stellen könnte, der heißt übrigens Olivier Pronto. Ist das nicht ein bescheuerter Name?“ sie nutzte meine schweigende Zustimmung dazu aus, um nochmal geräuschvoll den Tee zu schlürfen.

„Aber gegen 21 Uhr hatten wir dann alle etwas worüber wir zufrieden sein konnten. Mandy-“ das war Emilys Agentin. „-war mit den Nerven genau so am Ende wie ich.“ sie lachte wieder. „Ich hab ein paar Bilder mitbekommen, möchtest du mal schnell einen Blick drauf werfen?“ sie setzte die Tasse aber bereits auf den kleinen Wohnzimmertisch den wir beide aus Holzpalleten gebaut haben und hopste in den Flur zu ihrer Tasche.

 

 

 

//Schreibt mir doch, wie es euch gefallen hat, und ob ihr mehr lesen möchtet. Tilda.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.11.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für M.

Nächste Seite
Seite 1 /