China - Die Wahrheit als lustiger Reisebericht
Peking – Suzhou – Hangzhou - Shanghai
VORWORT
Hallo, Toni,
es freut mich, dass Du wieder bei einem Buch von mir mit an Bord bist.
Solltest Du noch keines davon gelesen haben, hier ganz kurz zur Erklärung, warum ich Dich als Leser/in direkt mit „Toni“ anrede:
Es ist der einzige Name, der mir spontan einfiel, um Männchen und Weibchen mit dem gleichen Vornamen anzusprechen.
Meine Begleiterin ist nach wie vor meine Ehefrau, die ich im Verlaufe der Geschichten öfter erwähne und bei ihrem Kosenamen „Püppi“ nenne.
Als „Gimmick“ gibt es – das bietet sich hier förmlich an – immer mal einen Spruch vom alten Konfuzius oder eine entsprechende chinesische Weisheit.
Daher gleich zur Einleitung, diese Weisheit von Konfuzius zur Freundschaft, denn Freunde sollen wir bleiben, Toni:
„Eine Freundschaft ist wie eine Tasse Tee. Sie muss klar und durchscheinend sein, und man muss auf den Grund schauen können.“
Eines Tages hatten uns mein Onkel Theo und meine Tante Ingeborg zum Kaffee eingeladen, um uns von ihrer Reise nach China zu berichten.
China – das Reich der Mitte – lag bis dato nicht unbedingt als Reiseziel auf unserem Radar, aber da Püppi und ich die beiden längere Zeit nicht mehr gesehen hatten und wir ab und zu ganz gerne ein Tässchen Kaffee schlürfen, ließen wir uns überzeugen und lauschten den wundersamen Dingen, die von der Verwandtschaft über ihre Rundreise berichtet wurde.
Der Nachmittag endete dann schlussendlich erst gegen ein Uhr nachts und wir gingen mit dem festen Vorsatz nach Hause: Das machen wir auch!
Nach einigen Tagen bekam Püppi jedoch ein mulmiges Gefühl, da China ja immer noch nicht so wirklich unser Ding war und alles sehr exotisch anmutete.
Aber ich konnte sie dann doch Step by Step überzeugen und wir buchten exakt die gleiche Rundreise wie Onkel und Tante. Das sollte es sein. China mit fast allem, was dazugehört.
Wir sollten nicht enttäuscht werden, Toni. So oder so. (hihi)
Da trifft auch diese chinesische Weisheit den Nagel auf den Kopf:
"Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als in alten Pfaden auf der Stelle zu treten."
Im Vorfeld hatte man mich seitens der Reisegesellschaft angerufen, ob ich bereit wäre, die Verantwortung über die Visa der gesamten Gruppe, die mit uns zusammen aus neun Personen bestand, zu übernehmen.
Warum man mich dafür ausgesucht hatte, wusste ich nicht, fühlte mich aber irgendwie geehrt und nahm den blöden Job an, was sich im Nachhinein als interessanter Vorteil erweisen sollte. Davon aber später. Denn wie Konfuzius meint:
„Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht.“
Die Anreise zum Flughafen Frankfurt erfolgte über die Bahn.
Als wir am Bahnhof ankamen, waren wir die einzigen wartenden Passagiere. Nach ca. zehn Minuten auf der harten „Warte-Bank“ ertönte ein blecherner Lautsprecher und teilte uns mit, dass aufgrund eines technischen Defektes des vorgesehenen Zuges mit einer „kleinen“ Verspätung von etwa zwei Stunden zu rechnen sei.
Tja, Toni – dann ist der Flieger weg.
Also stürmten wir zum nächsten bereit stehenden Zug in Richtung Frankfurt und setzten uns rein. Kann ja nicht schaden, wenn man schon mal die richtige Richtung einschlägt, auch wenn ein solcher Bummelzug an jedem Dorf-Misthaufen hält.
Auch hier half wieder Konfuzius mit seiner Weisheit:
„Löse das Problem, nicht die Schuldfrage.“
Bei erster Gelegenheit schnappte ich mir also den Zugführer und erklärte ihm, dass es sein Job sei, uns jetzt pünktlich zum Flughafen Frankfurt zu befördern.
Was soll ich sagen, Toni?
Er kam dieser aufopferungsvollen Aufgabe souverän nach und schaffte es mit Hilfe seines dicken Kursbuches, uns tatsächlich einigermaßen pünktlich zum Ziel zu leiten.
Die anderen sieben Mitreisenden warteten bereits ungeduldig auf uns und hatten die Reise schon fast abgeschrieben, als man sich dann doch noch kurz vor Abflug zusammenfand und mit den von mir beigeführten Visa die Maschine der Air China betreten konnte.
Die Flugzeit war mit etwas über neun Stunden schon recht lang und da es sich um einen Nachtflug handelte, konnten wir nur ab und zu einige leicht beleuchtete kleine Dörfer in der überflogenen Tundra ausmachen.
Alles in allem war Air China aber eine gute Gesellschaft und wir landeten zur rechten Zeit morgens auf dem Flughafen von Beijing, wie wir das frühere Peking jetzt benennen wollen.
Nach einer überaus freundlichen Begrüßung durch den deutschsprachigen Reiseleiter brachte uns der Bus in unser Hotel, das für die nächsten fünf Tage unser Domizil sein sollte.
Unterwegs dorthin fällt einem sofort auf, warum die Stadt mit Smog und Umweltverschmutzung zu kämpfen hat. Die meisten Autos und die zahlreichen Mopeds qualmen aus allen Rohren und pusten die Abgase tonnenweise in die Luft. Man scheint jedoch hier etwas dagegen unternehmen zu wollen.
Auch die unzähligen Fahrräder (die Sängerin Katie Melua wusste von neun Millionen davon zu berichten) wuseln permanent in alle Richtungen.
Das Yu Yang Hotel entpuppte sich als fantastische 5-Sterne Nobelherberge und somit hatten wir keinen Zweifel, dass hier der Startschuss zu einer angenehmen und interessanten Rundreise erfolgt war.
Vor diesem, wie vor fast allen Hotels, die wir auf der ersten Busfahrt gesichtet hatten, stehen zumeist zwei riesige Löwen aus Stein oder Marmor, die den Eingang zu bewachen scheinen.
Kurios dabei, dass alle eine Kugel im Maul tragen, die frei beweglich ist.
Auf meine Nachfrage an unseren Reiseleiter, wie man dieses Kunststück fertig bringt, kam die informative Antwort: “Es ist eigentlich ziemlich simpel. Der Künstler nimmt einen großen Marmorblock und schlägt einfach alles weg, was nicht wie Löwe mit Kugel im Maul aussieht.“
Aha – kann ja jeder.
Dazu meint Konfuzius:
"Wenn die Menschen nur von dem sprächen, was sie verstehen, würde bald ein großes Schweigen auf der Erde herrschen."
In der Hotellobby selbst vermisst man rein gar nichts, was unserem europäischen Standard entsprechen würde. Die Ausstattung, die Rezeption, die Angestellten und Helfer – vom Allerfeinsten. Leider auch die Preise, zum Beispiel für ein Bier, welches übrigens nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird. China ist das einzige Land außerhalb der Bundesrepublik, das diese Brau-Art bevorzugt. Daher schmeckt auch chinesisches Bier wie zu Hause.
Die Preise, so erklärte man uns, sind durch die japanischen Touristeninvasionen der letzten Jahre exorbitant gestiegen. Auch hier bestimmt die Nachfrage den Preis – zumindest was die Tophotels anbelangt.
Die Zimmer sind erwartungsgemäß sauber und gediegen ausgestattet, also kein Grund zu klagen. Befremdlich allerdings die Toilette für einen Europäer. Wenn man sich darauf niederlässt, hat man das Gefühl, die Knie berühren fast das Kinn oder man kann sich mit ihnen die Ohren zuhalten.
Ausgeglichen wird dieser Umstand durch bereitgestellte Pantoffeln (leider nur bis Größe 25) und hygienisch verpackte Zahnbürsten.
Eine Frage brannte uns noch auf der Zunge, bevor wir uns in unserem Zimmer etwas ausruhen wollten und stellten Sie auch prompt dem Reiseleiter, der schlicht und einfach „Sun“ hieß: „Woran unterscheidet man als unwissender Europäer denn Chinesen und Japaner?“ Nun, auch diese Antwort war für uns unerwartet und verblüffte uns derart, dass wir doch ein wenig ins Zweifeln und Grübeln kamen.
Sun behauptete tatsächlich, dass alle Menschen auf der Welt, also auch alle Chinesen, ihren Koffer hinter sich her ziehen – nur Japaner schieben ihr Gepäck vor sich her.
Also bitte, wer glaubt wird selig, wie man so schön sagt. Aber… zu unser aller Verblüffung betrat gerade zufällig eine japanische Reisegruppe die Lobby und alle….schoben Ihren Koffer.
Dahinter sahen wir einen chinesischen Geschäftsmann, der sein Gepäck – na was wohl? – hinter sich her zog.
Was soll ich sagen, Toni?
Unser Reiseleiter war ein weiser Mann, soviel stand sehr früh fest.
Zu unserem ersten Abendessen im Land der Mitte fuhren wir gemeinsam mit dem Bus in ein ausgewähltes Hotel, dem „Beijing Friendship Hotel“.
Wer nun mit Babi Pangan, Frühlingsrolle, Dim Sum oder den siebzehn Köstlichkeiten gerechnet hatte, der war aber so was von auf dem Holzweg.
Wir wurden zu einem runden Tisch geführt, in dessen Mitte eine schwarze, im Durchmesser etwa ein Meter große Drehscheibe platziert war.
Vor uns standen eine Teetasse mit Untertasse, eine leere Untertasse daneben und eine kleine Schüssel mit Porzellanlöffel, sowie die unvermeidlichen Holzstäbchen.
Nach kurzer Zeit wurde aufgetischt: zunächst einige Gemüsesorten, wie Mangold und Lotuswurzeln, dann eine Schüssel mit gebratenen kleinen Fleischstückchen, etwas mit Ei gebratenes und ein so genannter Chrysanthemenfisch (unglaublich schmackhaft und fantastisch angerichtet). Generell wird der Reis und die Suppe in China immer als Letztes serviert. Kurios und ungewöhnlich für uns, dort normal.
Alles war sehr wohlschmeckend, obwohl vieles sehr neu für uns war. Teilweise hatte man mit etwas zu viel Koriander gewürzt. Das Problem bei Koriander ist halt – man mag es oder man mag es nicht.
Das Ritual dieses Essens ist übrigens wohltuend, entspannend und vollkommen unaufgeregt.
Jeder dreht sich das, was er gerne essen möchte zu sich hin, nimmt etwas davon auf seine kleine Untertasse und isst. Durch diese Prozedur nimmt man wesentlich weniger zu sich, als bei uns, hat aber den Eindruck, viel mehr gegessen zu haben.
Auf meine Frage, welches Fleisch ich gerade genossen hatte, antwortete der Reiseleiter schmunzelnd: „Das verrate ich erst nach dem Mahl.“
Es war zwar ungewöhnlich, aber wirklich lecker, auch als er mir dann verriet, dass ich Frosch gespeist hatte. Zum Schluss bot man uns einen Schnaps an, der aus einem riesigen Glasgefäß eingeschenkt wurde, in dem sich eine komplette Schlange, sowie viele Beeren, Gewürze und reichlich Ingwer befanden.
Für den heutigen Tag lehnten wir dankend ab, wohl wissend, dass die Versuchung bei nächster Gelegenheit größer werden könnte, daran mal zu nippen.
Der kommende Tag sollte spannend werden, stand doch der Besuch des Sommerpalastes mit seinem Marmorboot, sowie die Besichtigung der verbotenen Stadt auf dem Programm.
Der Sommerpalast liegt inmitten einer wunderschönen grünen Landschaft etwas außerhalb von Beijing und wurde im typischen chinesischen Stil gebaut.
Tja, Toni, wenn Du Geschichtliches oder Zahlen darüber wissen möchtest, musst Du einen „normalen“ Reiseführer kaufen. Damit will ich Dich eigentlich nicht langweilen, sondern beschränke mich dabei auf das wirklich Wesentliche, was man wissen sollte und ansonsten alles, wie wir es erlebt und erfasst haben.
An einem verträumten See gelegen, auf dem prachtvoll ausgeschmückte Drachenboote die Touristen befördern, kann man zunächst die wunderschönen, typischen chinesischen Gebäude, Bauwerke und Steinfiguren bewundern, die alle ihre Bedeutung haben.
Dort wurde uns erläutert, warum alle chinesischen Gebäudeeingänge mit einer Stufe, die sich unmittelbar in jedem Hauseingang befindet, versehen sind.
Im buddhistischen Glauben muss man sich vor bösen Geistern schützen. Durch diese einfache Maßnahme hält man diese vom Eintreten fern, da böse Geister weder Stufen erklimmen, noch geschwungene oder im Zick-Zack angelegte Wege beschreiten können.
Dazu kurz diese Weisheit:
„Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen als Hasen.“
Diese baulichen Phänomene begegnen einem daher überall – doch Vorsicht! – nicht auf die Stufe selbst
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Jürgen Reintjes
Bildmaterialien: Jürgen Reintjes
Tag der Veröffentlichung: 08.05.2012
ISBN: 978-3-86479-665-4
Alle Rechte vorbehalten