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Hanna und Joachim

Damenwahl

 

Peter war so ein Typ wie Fritz, kam ihr in den Sinn. Peter Friedrichsen. Den hatte sie beim Ringreiten kennengelernt. Auf dem Knopp. So hieß die Gaststätte, in der alle Lindholmer Dorffeste seit Generationen stattfanden. Peter sah fast aus wie Fritz: Hohe, vorstehende Wangenknochen, volles blondes Haar. Auch eine ähnliche Art hatte der, unbekümmert und lebensfroh, so wie Fritz im Grunde, bis er von dem großen Unglück heimgesucht worden war.

Von ihren Eltern hatte sie nie mehr etwas gehört. Keiner der Briefe, die sie geschickt hatte, um sie zu sich in den Westen zu holen, war je beantwortet worden. Schließlich war auch der Suchdienst des Roten Kreuzes erfolglos geblieben. Sie musste sich damit abfinden, dass sie ihre Eltern nie wiedersehen würde.

 

Ihre beiden Männer kamen pünktlich. Kurze Zeit später saß die kleine Familie gemeinsam am Tisch, und Hanna verteilte die Suppe. Sie reichte Dethlef den gefüllten Teller und streckte Joachim ihren Arm entgegen.

»Wie war dein Dienst?« fragte sie ihren Mann, ohne aufzublicken. »Hast du endlich mit Paul gesprochen?«

Dethlef griff sich ein Stück Weißbrot aus dem Brotkorb und machte sich über die Suppe her. Sie war heiß und gut.

»Er kann nicht«, kam die Antwort. »Aber ist ja noch eine Woche hin.«

Wenn sie von einem was versteht, dachte er, dann ist es, Suppe kochen. Oder schmeckte die nur so gut, weil er Hunger hatte?

»Ich muss gleich zu Peter rüber«, fuhr er fort. »Sein Licht im Stall ist kaputt.« Joachim zappelte mit den Beinen unterm Tisch und sah zu seinem Vater hoch.

»Kann ich mit?« bettelte er. Dethlef reagierte nicht, und Hanna, die sich mit der Antwort nicht zufriedengeben wollte, bohrte nach:

»Aber du weißt, dass ich mich seit Wochen darauf freue.«

Waren alle Männer so? Wenn es ans Tanzen ging, drückten sie sich, wo sie konnten. Aber es musste ein paar geben, die anders waren. Sonst konnte man ja gar keine Feste feiern.

»Kann man die Gewerkschaftsversammlung nicht verlegen?« meinte sie, ohne rechte Hoffnung zu haben, dass ihr Vorschlag jetzt noch verwirklicht werden konnte. Sie hatte auch zwischenzeitlich den Verdacht gehegt, dass er den Termin einfach erfunden hätte. Um nicht tanzen zu müssen.

»Falls ich keinen Ersatz finde, musst du allein zum Tanzen. Die Versammlung verlegen? Das geht natürlich nicht mehr!« Er hielt Hanna den leeren Teller entgegen, und sie füllte ihm zwei Kellen nach. Sie schwieg.

»Kann ich mit zu Peter?« wiederholte Joachim seine Frage und schaute unglücklich zu seinem Vater hoch.

Der erwiderte den Blick und nickte mit dem Kopf.

»Ja. Kannst mir helfen.«

Der Junge war froh. Er ging gern mit Dethlef in die Nachbarschaft, um die elektrischen Leitungen zu reparieren. Er war ja gelernter Elektriker, sein Vater. Und bei den alten Häusern, die es hier im Dorf gab, war so manches Kabel marode, so manche Sicherung nicht mehr sicher.

»Du gehst doch auch zum Tanzen am Samstagnachmittag, Joachim«, meinte seine Mutter, die wohl wusste, dass er nach seinem Vater kam, wenn es ums Tanzen ging. »Hast du denn schon eine Verehrerin, die du einlädst?« Er schielte gequält in ihre Richtung. Was war das für eine Frage? Natürlich hatte er keine Verehrerin. Das Thema war ihm peinlich.

»Hm, hm«, machte er mit geschlossenen Lippen und schüttelte seinen Kopf. Er wüsste ja gar nicht, was er mit einem Mädchen reden sollte, und als er das Lächeln in ihrem Gesicht sah, wurde sein Blick ein wenig verlegen.

 

Meine Mutter hatte mich fein ausstaffiert: Die blanke Lederhose mit dem Geweihmotiv aus Hirschhorn auf den Hosenträgern, die mir noch aus Duisburg geblieben war, hatte sie mir hingelegt, mein blütenweißes, sauber gebügeltes Sonntagshemd und die Kniestrümpfe, die sie mir drei Jahre zuvor zu Weihnachten gestrickt hatte. Im Ruhrpott hätte ich damit jeden Preis gewonnen. In Lindholm sah ich eher aus wie einer, der zum Kostümball geht. Mir war auch danach. Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl, und alles war mir peinlich, von den Kniestrümpfen bis zu meiner neuen Mecki-Frisur.

Kai stupste mich an. Ich wandte meinen Kopf und sah ihn fies lächeln. Er sagte aber nichts. Eine Reihe hinter uns lief Nahne, den ich aus den Augenwinkeln erkannte. Der feixte auch wie ein Primeltopf. Ich bemerkte, wie mein Gesicht zu glühen begann. Aber ich verkniff mir, irgendetwas zu sagen, und starrte wieder stur geradeaus.

Die ganze Grundschule marschierte. An die achtzig Mädchen und Jungen hatten ihren Marsch auf dem Schulhof begonnen, wo wir uns nach dem Unterricht um eins getroffen hatten, und waren jetzt unterwegs zum Knopp.

»Vorne halten!« Herr Krause spurtete die letzten Meter bis zur Spitze der Kolonne, um die Überquerung der Bundesstraße zu überwachen. Unsere Dorfpolizei hatte sich für den heutigen Tag auf das Doppelte verstärkt. Herr Nahnsen und ein junger Kollege aus Niebüll standen mit ihren schneidigen Tschakos auf den Köpfen Rücken an Rücken mitten auf der Straße, einer mit Blick zur Kirche im Norden und der andere mit Blick zur Lecker Au Richtung Husum. Mit dem Leithammel vorneweg suchte die Schülerkolonne ihren Weg zwischen den beiden hindurch auf die Seite des Dorfes, die uns Kindern bei unseren täglichen Spielen verschlossen blieb, weil unsere Eltern uns eingeschärft hatten, unsere Erkundungen nicht weiter als bis zu dieser gefährlichen Kreuzung auszudehnen.

Nach der Passage standen wir unmittelbar vor dem Knopp. Herr Krause baute sich am Eingang auf, während Frau Andresen, die den Zug als Lumpensammler beschlossen hatte, sogleich im Inneren verschwand.

»Die Jungen setzen sich auf die linke Seite. Die Mädchen gegenüber«, rief er laut über die Köpfe seiner Rasselbande hinweg.

»Und dass ihr mir ja keinen Ärger macht!«, hörte ich noch, als wir das Innere betraten, und hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Unterhalb der Bühne waren Herr Diem und Herr Sanner damit beschäftigt, den schuleigenen Schallplattenspieler aufzubauen und für elektrischen Strom zu sorgen.

Keine fünf Minuten später saßen wir alle wie die Hühner auf den Schwebebalken, die als Bänke links und rechts der Tanzfläche aufgestellt waren. Uns gegenüber, wie Herr Krause es angeordnet hatte, das kichernde und gackernde Volk der Lindholmer Mädchen. Und was das Peinlichste war an dieser für mich so leidvollen Angelegenheit: Die Tische um die Tanzfläche herum waren besetzt mit den Eltern der Grundschüler. Meine waren auch da. Das heißt, meine Mutter nur, denn sein Vater war noch zur Arbeit.

Oh Gott, war mir übel, nicht direkt körperlich, aber irgendwie genau so schlimm.

»Da drüben sitzt sie«, zischte Kai mir ins Ohr und zeigte mit seinem Finger unauffällig zu seiner Freundin hinüber. »Anke.« Ich bemerkte ein zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht und stellte mir vor, dass sie nicht seine, sondern meine Freundin wäre. »Und?« fragte ich, »tanzt du mit ihr?«

»Na klar! Nur mit ihr«, war seine schnelle Antwort.

Als die ersten Töne der Musik dröhnend erklangen, schossen meine Mitschüler in die Höhe und stürzten über die Tanzfläche auf die gackernde Hühnerschar los, die jetzt in Erwartung des ersten Tanzes ihr Geschnatter vorerst eingestellt hatte. Ich blieb sitzen. Als einziger.

»Ach, lieber Schuster du, flick du mir meine Schuh...« erscholl es aus den Lautsprechern. Die Jungen ließen sich mit einem Knie aufs Parkett nieder, und die Mädchen stellten einen Fuß auf das andere Knie, damit der Junge so tun konnte, als reparierte er ihnen die Schuhe. Ich fand das zum Kotzen.

Nach dem ersten Tanz saßen wir alle wieder zusammen, und ich sah, wie Kais Wangen glühten und er übers ganze Gesicht strahlte. Ich wünschte mich inständig woanders hin.

Und dann geschah es. Herr Krause betrat die Tanzfläche, schaute lächelnd in die Runde, bevor er laut verkündete:

»Damenwahl!« und verzog sich wieder. Ich dachte mir noch nichts bei alledem. Dann wieder Musik. Diesmal schossen die Mädchen hoch, ausnahmslos alle. Und dann stand sie vor mir, machte einen Knicks, lächelte mich an und wartete. Rosa Petticoat, sommersprossiges Gesicht, Haare wie Stroh, so dick und sperrig: Die hässliche Anne Hartwig aus dem Armenhaus.

Eine Sekunde lang war ich verdattert, wusste nicht, was sie wollte. Aber es dämmerte mir natürlich sofort. Unmittelbar spürte ich einen Kloß im Hals und wie mir das Blut in den Kopf schoss.

»Nein!« sagte ich leise und schüttelte unmerklich den Kopf. »Ich will nicht!«

Keine Reaktion. Ich schaute kurz auf. Unsere Blicke trafen sich, und ich schüttelte erneut den Kopf, energischer jetzt.

»Nein!« Lauter als beim ersten Mal.

Ich war so sehr mit mir und meinem Abscheu beschäftigt, dass ich nicht mitbekam, was meine Weigerung bei ihr bewirkte. Erst als sie wutentbrannt ihr Kleid raffte und davonstob, schwante mir Böses. Wie ein dem Tode Geweihter blickte ich hastig nach links und rechts, ohne genau zu wissen, wonach ich Ausschau hielt.

Dann erfasste ich, was geschah. Vom Eingang her näherte sich drohend eine Gestalt, die ich an ihrem Gang, den eingefallenen Schultern und dem schütteren Haar sofort erkannte: Lehrer Krause. Sie hatte mich verpetzt, dieses Biest!

Mit drei, vier Schritten durchmaß er die Tanzfläche, bis er vor mir stehenblieb, mich aus abgrundtief bösen Augen anstarrte und mir eine seiner gefürchteten Kopfnüsse verpasste. Sofort schossen mir vor Schmerzen die Tränen in die Augen. Aber ich beherrschte mich.

»Mein lieber Schieber«, pfiff er mich an. Das war einer seiner Lieblingsausdrücke. »Mein lieber Schieber! Du gehst jetzt rüber und entschuldigst dich!«

Ich hielt mir mit der Rechten den Hinterkopf und blinzelte ihm zaghaft entgegen.

»Aber ich will nicht mit ihr tanzen«, wisperte ich. Bemerkte ich jetzt wirklich den Anflug eines Lächelns um seine Mundwinkel, oder bildete ich mir das ein? Ich kann es nicht genau sagen. Jedenfalls wiederholte er nur seinen Befehl.

»Du entschuldigst dich bei ihr!«, dröhnte es scharf in meinem Ohr. Dann ergriff er meinen Ellbogen und zog mich hoch in den Stand. Wie ein begossener Pudel, mit gesenktem Blick und flauem Gefühl im Magen schlich ich mich über das Parkett, während mein Blick flüchtig meine Mutter streifte, die mit offenem Mund an ihrem Tisch saß und dem Geschehen folgte. Und es schien mir, als täten alle anderen Erwachsenen es ihr gleich. Ich hätte im Boden versinken können. Anne Hartwig würdigte mich keines Blickes und ließ mich fürchterlich abblitzen, genau wie ich sie vor ein paar Minuten.

 

Abends zu Hause vermied Hanna es, auch nur ein einziges Wort über den Vorfall im Knopp zu verlieren. Sie wusste, wie empfindlich ihr Filius in solchen Dingen war. Außerdem wollte sie nicht riskieren, sich dadurch selbst die Stimmung zu verderben. Dethlef hatte zwar seine Versammlung nicht verlegen können, aber jetzt würde sie eben allein gehen.

Es klopfte. Noch bevor sie reagieren konnte, wurde die Tür geöffnet, und Frauke betrat die Küche. Frauke Hartwigsen war siebzehn und die Tochter des Nachbarn. Sie sollte in der Nacht auf Joachim aufpassen, mindestens bis Hanna wieder da wäre.

»Moin!«

»Setz dich!« Hanna schaute nur kurz auf, ließ sich aber weiter nicht beim Schminken stören.

»Ich hab euch Halma und Mühle rausgelegt. Liegt in der Stube auf dem Tisch«, teilte sie Frauke mit, die sich auf dem freien Stuhl niederließ und Hanna interessiert auf die Finger schaute.

»Wie war das Fest?« fragte sie. Hanna löste ihren Blick von dem Handspiegel, den sie vor sich aufgebaut hatte und schaute stirnrunzelnd über den Tisch:

»Ich geh´ doch erst heute Abend«, entgegnete sie.

»Ich dachte an das Kinderfest«, meinte Frauke zu Joachim gewandt. »Du warst doch tanzen heute«. Der schaute hilfesuchend zu seiner Mutter hoch, dann eingeschüchtert auf seine Hände, die er gefaltet auf dem Tisch liegen hatte, und bekam seinen Mund nicht auf.

»Frag lieber nicht«, meinte Hanna mitfühlend, ließ sich auch jetzt nicht vom Herumhantieren mit den Wattebäuschen und Schminkstiften abhalten. Sie begann dann aber, Frauke über das Geschehen auf dem Knopp Bericht zu erstatten, und gestikulierte dabei mit dem Lippenstift in der Luft.

»Und dann hat dieses Biest meinen Kleinen bei Krause angeschwärzt«, meinte sie anklagend zum Schluss ihrer Rede, konzentrierte sich dann wieder auf ihr Spiegelbild und setzte die begonnene Prozedur fort.

Er fand es toll, dass seine Mutter sich so einsetzte für ihn, und hörte bewundernd zu, wie sie sich über die blöde Kuh Anne Hartwig aufregte. Wenn auch alle Mädchen und Frauen im Grunde doof waren. Seine Mutter war es nicht.

Nachdem Hanna gegen acht gegangen war und Frauke eine Stunde später auch das letzte Mühlespiel gewonnen hatte, machten sich die beiden für die Nacht fertig. Es war kalt im Zimmer. Es war kalt unter der Decke. Und er konnte nicht einschlafen. Immer wieder kehrte er in Gedanken zu dem furchtbaren Geschehen zurück, das ihm den Schlaf raubte.

Da merkte er, wie sich ihre Hand auf seine Brust legte. Eine ungekannte Wärme floss durch seinen Körper. Er wagte kaum zu atmen. Was passierte da? Stocksteif lag er unter dem Federbett und wartete. Nichts. Es tat sich nichts. Nur die Hand auf der Brust. Langsam drehte er seinen Kopf zu ihr. Langsam. Dann blieb er so. Die Augen offen.

Es kam Leben in die Finger. Er spürte, wie ihr Druck auf seiner Haut sich veränderte. Wie bei einem Klavierspieler. Sie waren jetzt über dem Bauchnabel. Die Wärme wandelte sich in ein wohliges Gefühl und breitete sich zwischen seinen Beinen aus. Keiner sagte etwas. Die Hand tastete sich weiter vor. Und dann hatte sie ihr Ziel erreicht. Leise stöhnte er auf, als sein Schwanz zu voller Größe anschwoll.

 

Der Tisch, an dem sie saß, war ein anderer. Und auch die Beleuchtung im Saal unterschied sich von der am Nachmittag beim Kinderfest: Sie war schummerig und romantisch. Man hatte kleine Scheinwerfer rings um die Galerie befestigt und sie mit buntem Transparentpapier bestückt, so dass der Tanzsaal in den unterschiedlichsten Farben leuchtete. Und die Deckenlampen hatte man gleich ganz ausgeschaltet, denn sie hätten die anheimelnde Atmosphäre nur gestört.

Der größte Unterschied aber lag in der Musik. Da hatte sich der Wirt nicht lumpen lassen. Nein! Er konnte seine Gäste nicht mit schäbigen Schallplatten abspeisen. Hinrichsen-Trio hieß die Gruppe, die oben auf der Bühne stand und den Leuten auf dem Parkett so richtig einheizte. Da ging wirklich die Post ab:

 

Rosamunde, schenk mir Dein Herz und sag ja.

Rosamunde, frag doch nicht erst die Mama.

Rosamunde, glaub mir, auch ich bin Dir treu.

Denn zur Stunde, Rosamunde, ist mein Herz grade noch frei.

 

Peter lächelte still in sich hinein. Der Text war so richtig nach seinem Geschmack. Er hatte eben den Saal betreten, postierte sich an der großen Schwingtür, musste seine Augen an das schummrige Licht gewöhnen und ließ seinen Blick dann langsam durch den Raum schweifen, setzte die Flasche an die Lippen und tat einen tiefen Zug. Er wusste, dass sie kommen wollte, sie, deren Bild ihn seit dem Kennenlernen im Sommer bis in den Schlaf hinein verfolgte und bei deren bloßem Anblick ihm ganz anders wurde.

Er hatte nichts vor mit ihr. I wo! Sie war ja versorgt. Und er wollte doch auch Dethlef nicht in die Quere kommen. Aber warum sollte man nicht Spaß zusammen haben? Das war doch wohl erlaubt. Er nahm erneut einen Schluck Bier und schaute weiter in die Runde. Hatte sie sich vielleicht verspätet?

»He, mach dich nicht so breit, alter Schwede!« ranzte ihn einer an. Das war Kurt, der Maurer, ein Tier von einem Kerl, nicht so groß wie Peter, aber fast doppelt so breit.

»Na, du musst dich melden«, schrie der Angesprochene gegen die Musik an und schlug dem Kumpel auf die Schulter. Mit reichlich Alkohol konnte aus solcher Situation eine ernsthafte Schlägerei erwachsen. Aber sie machten sich nur einen Spaß.

 

Wir sind alle kleine Sünderlein.

`s war immer so, `s war immer so,

 

spielte die Combo.

Als Kurt sich wieder abgesetzt hatte, löste Peter sich von der Schwingtür. Er hatte sie noch nicht gefunden, suchte sich jetzt seinen Weg inmitten der Tischgruppen, um bei dem dämmrigen Licht, das im Saal herrschte, besser sehen zu können, und prostete mal hier- und mal dorthin, wenn er an Bekannten und Freunden vorbei sich durch die Reihen kämpfte.

Sie aber hatte ihn sofort erkannt, als er am Eingang stehengeblieben war, um sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen. Aber sie würde alles andere tun, als sich bemerkbar zu machen. Er musste schon selbst drauf kommen, wo sie saß. Der Geräuschpegel im Saal war mittlerweile so stark angeschwollen, dass man entweder die Musik kaum hörte oder nicht verstand, was der Nachbar einem ins Ohr brüllte. Und der Zigarettenrauch hing schwer über den Tischen. Es war zehn vorbei, die Feier in vollem Gange, und die drei Hinrichsens legten sich mächtig ins Zeug:

 

Wir dreh' n uns nach hübschen Mädels um,

's war immer so, 's war immer so.

Und die Mädels wissen schon warum,

's war immer, immer so.

 

Er sah sie an einem Tisch sitzen ganz weit hinten in einer Ecke des Saals seitlich zwischen dem Bühnenaufgang und den Toiletten. Es war kein Stuhl frei. Die Menge tobte und schunkelte und grölte den Text mit.

 

Uns quält oft ein großes Durstgefühl,

's war immer so, 's war immer so.

Und dann sind wir immer sehr labil,

's war immer, immer so.

 

Er tat, als wäre er aus reinem Zufall an ihrem Tisch vorbeigekommen, beugte sich zu ihr hinunter, stellte seine Flasche neben dem Aschenbecher an ihrer Seite ab und schrie ihr ins Ohr:

»Du hier? Was für eine Überraschung!« Sie blickte sich um, und er sah die Schweißperlen auf ihrer Stirn, als sie seinen Arm ergriff und sich an ihm hochzog.

»Komm, tanzen!« Sie drängte an ihm vorbei Richtung Parkett und zog ihn hinter sich her. Frauen sind so unkompliziert, dachte er, und so geradeheraus.

»Warte!« Er hielt ihren Arm fest, griff nach der Flasche, leerte sie in einem Zug und rollte sie über die Tischplatte zurück, wo sie gegen den Aschenbecher stieß, während Hanna ungeduldig mit dem Fuß wippte, bis er ihr endlich nachfolgte.

Und dann erklang eine Musik von der Bühne, die sie bisher nur einige Male im Radio gehört hatte. Hanna stand da wie elektrisiert und lauschte mit offenem Mund: Der Sänger kündigte das Lied als neuestes Stück von Elvis Presley an, während er auf seiner Gitarre schon die ersten Akkorde anschlug und der am Schlagzeug den Takt dazu gab. Das musste dieser neue Tanz aus Amerika sein.

»... und so hört ihr jetzt zu Ehren des King of Rock`n Roll, der vor drei Tagen in Bremerhaven gelandet ist, sein neuestes Stück: Jailhouse Rock.«

Und schon ging ´s los. Aber keiner der Feiernden, die auf der Tanzfläche zwischen altem und neuem Lied gewartet hatten, wusste, wie er sich jetzt bewegen sollte. Auch Hanna und Peter standen ratlos da und schauten unschlüssig zur Bühne hoch.

»Das ist Rock `n Roll, Leute. Bewegt euch!« kam es scheppernd durch die Lautsprecher. Jetzt sah man vereinzelt Tänzer, die versuchten, mit den Hüften zu wackeln und Gefahr liefen, sich dabei die Beine zu verrenken. Aber je mehr den Mut fanden, ihre Version von Rock `n Roll zu tanzen, desto schneller ging´s, bis auch der letzte von ihnen seine Hemmungen aufgegeben hatte. Der Alkohol gab seinen Teil dazu.

Gar nicht lange, und auch Hanna und Peter hatten sich der Menge angeschlossen und gaben sich dem neuen, schweißtreibenden Gefühl hin, das der Rock`n Roll in Lindholm am 04.10.1958 auslöste. Atemlos, aber fröhlich und zufrieden stolperten die beiden am Ende des Stückes zum Ausgang, um sich draußen auf dem Vorplatz abzukühlen.

»Wenn ich ehrlich bin«, meinte Peter und klang abgekämpft wie einer, der seit einer halben Stunde mit einer großen Axt Holzstämme zerkleinert, »wenn ich ehrlich bin, sind mir die langsamen Stücke lieber.«

Er schaute sich um. Da standen sicher ein Dutzend junger Leute mit ihnen draußen zum Abkühlen und Luftholen. Hannas Blick war nach innen gerichtet, und sie sah aus, als wollte sie sich jeden Augenblick wieder in den Trubel stürzen.

»Ich könnte mich dran gewöhnen, ehrlich«, bemerkte sie versonnen. Sie sah jetzt ihrem Kavalier ins Gesicht und grinste. »Du siehst richtig abgehetzt aus. Wie auf der Flucht.«

»Wie wär´s mit einem Tänzchen, wertes Fräulein?« Aus dem wohltuend gedämpften Gemurmel heraus, das hier draußen herrschte, war die Stimme leicht auszumachen. Er hatte zudem als Erkennungszeichen die Hand mit der Bierflasche erhoben, löste sich aus seiner Clique und näherte sich den beiden. Es war Kurt, der stämmige Maurer.

»Bleib, wo du bist!«, erwiderte Peter. »Die Dame tanzt mit mir.

»Na, na, na!« spöttelte der andere. »Das wird sie mir schon selber sagen.« Kam näher und stellte sich Hanna vor: »Kurt Nissen, Nordlindholm«, zog einen imaginären Hut und verbeugte sich charmant mit einem angedeuteten Diener.

Da fasste Peter sich ein Herz, und um der Öffentlichkeit und damit also auch dem bulligen Kurt zu zeigen, wie hier die Verhältnisse lagen, legte er in gespielter Selbstverständlichkeit seinen Arm um Hannas Schulter. Die ließ es sich gefallen, wenn sie auch sorgfältig darauf achtete, den Abstand nicht zu intim werden zu lassen. Man sprach über dies und das, lästerte über den einen und den anderen.

»Ich geh wieder rein«, stellte sie nach einer Weile fest. »Wer kommt mit?« Sie löste sich aus der Umarmung, machte auf der Stelle kehrt und marschierte zum Eingang.

»Außerdem ist es mir jetzt zu kalt«, meinte sie, während sie sich umdrehte und sah, dass die beiden Männer ihr folgten.

Wer weiß, was sich ergibt, überlegte Kurt, der Maurer aus Nordlindholm, und sah zu, dass der Abstand zu den beiden vor ihm Laufenden sich nicht vergrößerte. Auch er hatte Hanna im Sommer beim Ringreiten gesehen, wenn auch nur aus der Ferne. Aber aufgefallen war sie ihm schon. Er wusste gerade, dass sie verheiratet war, kannte Dethlef mehr schlecht als recht, wusste nicht, dass sie einen Sohn hatte und wo sie wohnte. Er wusste also nicht viel von ihr. Aber er war ein Mann. Und sie ein rassiges Weib, wie es aussah.

Das Hinrichsen-Trio hatte noch drei Elvis-Titel in seinem Programm, wovon es zwei auf dem Höhepunkt der Party zwischen elf und zwölf Uhr zum Besten gab. Die Musiker wussten, wie sie sich für weitere Auftritte empfehlen konnten. Der Wirt maß ihren Erfolg natürlich an seinem Getränkeumsatz, und der hatte in direkter Weise etwas zu tun mit dem Schwitzen, zu dem die Musiker seine Gäste brachten.

»Setz dich nicht hin! Geht gleich weiter« rief Peter Hanna von hinten zu. Dann drehte er sich zu Kurt und übermittelte dem durch Qualm und Lärm hindurch das taktische Zeichen für drei Bier, die er bei der Tischbedienung bestellen sollte, indem er ihm drei abgespreizte Finger der rechten Hand entgegenstreckte. Der verstand das. Auch, dass er jetzt erst einmal kaltgestellt war, was Hanna anging.

Die ersten Takte von Blue Suede Shoes waren gespielt. Und die Tänzer mühten sich ab, als wollten sie um einen Preis wetteifern, den eine imaginäre Jury für die eigenwilligsten Tanzfiguren ausgesetzt hätte. Hanna und Peter machten keine Ausnahme. Die Nordfriesen in Lindholm, die Zugereisten auch, so wie Hanna, waren allesamt keine Rock`n Roller. Aber der Alkohol tat seine Wirkung, wenn es auch nicht die war, dass das Tanzen ansehnlicher, so doch hemmungsloser vonstatten ging.

Die Offenbarung nahte einige Zeit später, als ihr Partner sich zwischen zwei Tänzen auf die Toilette verabschiedete und wie von ungefähr der bullige Kurt zur Hand war. Und weil die fortgeschrittene Zeit die Musiker nötigte, beruhigend auf die männliche Hälfte der Festgemeinde einzuwirken, waren die letzten Stücke, die sie an diesem Abend spielen wollten, wieder von der langsamen Art. Es war also der alte Tanzstil gefragt.

 

Love me tender!

Love me sweet!

Never let me go!

You have made my life complete.

And I love you so.

 

»Darf ich bitten, meine Dame?« Er vollführte eine kurze, artige Verbeugung, ergriff, ohne die Reaktion seiner Erwählten abzuwarten, ihre Hand und schob mit ihr los über die Tanzfläche. Die formvollendete Höflichkeit des korpulenten Tänzers und vor allem anderen aber die exzellente Beherrschung seines Körpers, sowie des Tanzes beeindruckte Hanna wie nichts anderes in dieser Nacht.

»Mach dich vom Acker, Maurer!« Peter war neben das Pärchen getreten und versperrte ihm so den Weg. An Tanzen war nicht mehr zu denken. Sie bewegten sich nur noch im Stehen. Kurt sah Peter nicht an. Auch Hanna behielt die Haltung ihres Kopfes bei und betrachtete Peter aus den Augenwinkeln. Was sollte das werden?

Kurt fühlte eine Hand auf seiner Schulter, die ihn fortdrücken wollte. Mit einer Schnelligkeit, die man nicht vermutet hätte, drehte er sich zur Seite und schlug dem anderen seine rechte Faust ins Gesicht. Der fiel hart aufs Parkett. Tumult setzte ein. Die Paare auf der Tanzfläche brachten sich in Sicherheit. Kurt blieb stehen und wartete. Die Musik verstummte. Peter kam auf die Knie und schüttelte heftig den Kopf. Von allen Seiten riefen Stimmen, die stichelten und anfeuerten.

Kurt wartete immer noch. Hanna stand wie gelähmt neben ihm. Peter stemmte sich in den Stand. Mahlte mit dem Unterkiefer. Betastete sein Kinn. Hob seinen Blick. Holte mit der Rechten aus und wollte zurückschlagen. Aber Kurt duckte sich und schickte seinen Kontrahenten erneut auf die Bretter. Das war´s.

Er machte einen Schritt auf Hanna zu und fasste sie sacht am Ellbogen.

»Tut mir sehr leid, Mädchen. Das hab´ ich nicht gewollt.« Sagte es, machte kehrt und bahnte sich durch die Menge der Schaulustigen einen Weg zum Ausgang.

»Warte!« Sie ließ die Meute allein und rannte Kurt hinterher. An der Garderobe trommelte sie ungeduldig mit den Fingern auf dem Tresen, wandte ständig ihren Kopf zwischen Ausgang und Bedienung, bis die endlich kam und ihren Mantel brachte. Weiter!

Sie holte ihn an der Bundesstraße ein. Es war empfindlich kühl geworden, und die kalte Luft traf sie wie ein nasses Handtuch im Gesicht.

»He!« rief sie. »Warte!« Sie bemerkte jetzt ihren schwankenden Gang, als sie die Geschwindigkeit verlangsamte, und empfand eine kleine aufsteigende Übelkeit.

»Mir wird schlecht«, jammerte sie leise. Da blieb Kurt stehen und drehte sich um.

»Wo wohnst du? Ich bring dich nach Hause.« Sie hakte ihn unter, und seine Wut auf Peter Friedrichsen schwand dahin. »Ich hab das ehrlich nicht gewollt. Dieser Blödmann!«

Sie lehnte sacht ihren Kopf an seine Seite und schloss die Augen. Ihr war es recht. Ihr war es auch egal. Ihr gingen andere Gedanken im Kopf herum: Sie hatte einen Sohn, der auf sie wartete. Und einen Mann auch. Und ein langweiliges Leben hatte sie.

Sie stupste ihm mit dem Finger in die Seite.

»Wo wohnst du?« fragte sie leise.

»In Nordlindholm. Weißt du doch«, antwortete er.

»Wir gehen zu dir«, beschloss sie dann. Und jetzt war es ihm recht.

»Da musst du aber noch ein paar Meter laufen«, stellte er grinsend fest.

»Macht nichts.« Dann schloss sie wieder die Augen.

Das Haus lag abseits der Dorfstraße auf einer Warft. Man konnte es leicht übersehen, wenn man an ihm vorüberging und es nicht ausdrücklich suchte, zumal ein paar hohe Buchen und eine mächtige Hagebuttenhecke die Sicht versperrten.

Seit der überstürzten Flucht aus dem Knopp war fast eine halbe Stunde vergangen, in denen beide bis auf die Bemerkungen zu Beginn kein Wort miteinander gesprochen hatten. Sie betraten das Haus, und er fragte:

»Willst du noch was?« Aus reiner Höflichkeit, denn er nahm an, dass sie für den heutigen Tag genug getrunken hatte. Sie schüttelte den Kopf und steuerte auf das Schlafzimmer zu, das sie hinter der anderen Tür der Stube vermutete.

»Komm!«

Als er sie so daliegen sah, die Arme hinterm Kopf verschränkt, mit angewinkelten Knien und einem müden Lächeln im Gesicht, legte er dieses Lächeln falsch aus.

»Mach die Beine breit!« Er umfasste mit seinen starken Händen ihre Knie und drückte sie auseinander. Sie wollte ihm widerstehen. Hatte sich das anders vorgestellt. Er hielt sie mit seinen Knien gefügig. Hatte keine Mühe. Ihr aber kamen Erinnerungen. Schlagartig. Er nahm ihre Panik als Leidenschaft. Legte sich die Frau zurecht. Sie versuchte, die Arme freizubekommen. Schrie.

Dann schlug er ihr mit dem Handrücken quer übers Gesicht. Er glaubte immer noch das, was ihm in den Kram passte, was er an ihrem Verhalten abzulesen meinte. Und jede ihrer Bewegungen steigerte seine Geilheit. Sie aber hatte längst ihren Sinn geändert. Sie war nicht mehr die Lebenslustige, die sich im Knopp ein paar unbeschwerte Stunden machen wollte. Sie war ein siebzehnjähriges Mädchen in Ostpreußen, dem von einem russischen Schwein die Beine auseinandergedrückt wurden, damit er sich in ihr ausspritzen konnte.

Als der Vergewaltiger sich stöhnend und grunzend von ihr herunterwälzte, schloss sie die Beine, lag minutenlang da und starrte an die Decke. Dann sammelte sie wie in Trance ihre Sachen ein und rollte sich zum Bettrand.

Wenig später hatte sie das Küchenmesser gefunden, kam zurück, griff den Schaft mit beiden Händen und hob die Arme hoch über den Kopf. Das russische Ungeheuer lag noch so da wie nach dem brutalen Akt. Draußen brüllten die Schweine, und der Qualm des Feuers stieg ihr scharf in die Nase. Und in ihrem Kopf hämmerten die Einschläge der MG-Salven, die aus der Ferne ins Haus drangen. Sie erstarrte, hob nach Sekunden langsam den Blick und fixierte mit leeren Augen die Wand über dem leblosen Körper, ließ die Arme sinken, ließ ihn leben.

Sie verließ das Haus, ohne dass sie die Tür schloss. Das Messer warf sie ins Gebüsch. Und über ihre Wangen liefen lautlose Tränen.

 

Als ich die Augen aufschlug, lag meine Mutter neben mir. Was war das für ein Traum? Ich starrte auf die Lampe, die genau über meinem Körper von der Decke hing und faltete meine Hände unter dem Nacken. Wollte mich erinnern. Kam nicht klar damit. Ich konnte die Atmosphäre nicht greifen, dieses Gefühl. Ich hatte nur die ganz vage Ahnung von ... Glück vielleicht? Oder Geborgenheit?

Die Luft im Raum war abgestanden. Ich hatte das manchmal in Duisburg so empfunden, wenn meine Eltern am Abend vorher aus dem Haus gewesen waren. Ja, jetzt wusste ich´s wieder: Meine Mutter hatte gefeiert. Ich sah hinüber zu ihr. Sie schlief.

Was war das für ein Traum? Vorsichtig schlug ich die Decke beiseite und turnte aus dem Bett. Ich wollte das Fenster öffnen. Nur kurz. Ich musste über ihre Sachen hinwegsteigen, die auf dem Fußboden verteilt lagen. Der Fensterflügel klemmte. Ich schlug mit der Faust gegen den Holzrahmen. Er bewegte sich kein Stück.

Im Wohnzimmer stank es ebenfalls. Ich drückte das Fenster auf. Kalte, neblige Luft zog in die Stube, und hinter mir hörte ich Big Ben schlagen. Es war schon zehn! Mitten am Vormittag! So lange schlief ich sonst nie. Auch meine Mutter nicht. Ich setzte mich aufs Sofa und grübelte. Was war mit dem Traum? Was war gestern gewesen?

Und plötzlich hatte ich sie vor Augen: Viele Sommersprossen, Haare wie Stroh, so dick und sperrig, die blöde Kuh Anne Hartwig aus dem Armenhaus. Mir wurde augenblicklich flau im Magen. Und es war alles wieder da: Die gackernden Hühner auf dem Schwebebalken. Die Damenwahl. Anne Hartwig, die mich haben wollte. Krause. Die Kopfnuss. Alles.

Ich trottete zum Fenster, um es wieder zu schließen, und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Sie hatte die Augen auf.

»Wann bist du nach Hause gekommen, Mutti?« fragte ich sie. Sie wirkte irgendwie abwesend. Sie war nicht wie sonst. Traurig, könnte ich sagen.

»Ich weiß nicht.« Sie sprach behutsam und mit einer tiefen, kratzigen Stimme.

»Wie sprichst du denn?« fragte ich weiter. Sie räusperte sich. Aber sie antwortete nicht.

»Komm, lass uns aufstehen!« meinte sie dann. Ich wollte eigentlich gar nicht, weil es doch unter der Decke so schön gemütlich war. Aber ich wollte auch bei meiner Mutter sein. Ich wollte wissen, was hier los war. Mit mir. Mit ihr.

Später saßen wir beide am Frühstückstisch. Mein Vater war noch nicht zurück. Als mir mein Milchglas aus der Hand fiel und krachend auf dem Fußboden zerschepperte, fuhr sie mich wie ein gereizter Ganter an und hielt aber im gleichen Moment den Mund.

»Tut mir leid«, meinte sie kurz darauf und strich mir mit der Hand übers Haar. »Ich mein es nicht so.«

 

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Tag der Veröffentlichung: 02.11.2017

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