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Sport ist ...

Ich atmete schwer und spürte meinen Herzschlag, wohl so an die 170 Mal in der Minute. Ich konnte nur schätzen. Vielleicht sollte ich doch endlich in eine neue Batterie für meine Pulsuhr investieren?

Als ich bei den ersten frühlingshaften Tagen dieses Jahres wieder einmal beschlossen hatte dieses Jahr viel Sport zu machen, um endlich einige der mehr als überflüssigen Kilos loszuwerden, konnte ich ja nicht ahnen, dass es mir diesmal sogar wirklich glücken würde. So viel Durchhaltevermögen hatte ich immerhin in den letzten Jahren nie aufgebracht, trotz aller guten Vorsätze. Meist hatte ich mich nach dem ersten Muskelkater der gängigen Meinung meiner Freundinnen angeschlossen „Sport ist Mord“. Mit dem einen kleinen Unterschied, dass diese alle Kleidergröße 34-38 trugen und meist nach einem Salatblatt satt waren.


Apropos satt. So richtig satt hatte ich mich eigentlich schon lange nicht mehr gefühlt. Es lag vielleicht daran, dass ich halt doch schon den 40iger überschritten hatte und nicht mehr so fit war wie ein Teenager, oder einfach daran, dass ich in letzter Zeit zu wenig Sex hatte? Irgendwie hatte das Leben aufgehört immer nur aufregend und spannend zu sein. Schokolade war da oft der einzige Lichtblick.

Die Anschaffung des verrückt teuren Mountainbikes im Winterschlussverkauf hatte sich aber tatsächlich gelohnt. Brav sattelte ich seither jeden Abend nach der Arbeit den Drahtesel und drehte meine Runde. Ein wenig frustrierend war es anfangs schon gewesen, von all den super durchtrainierten Bikern in einem Tempo überholt zu werden, das sich anfühlte, als ob man selbst steht. Allerdings, ein wenig entschädigte der Anblick der knackigen Rückenansicht einiger Sportler dieses Gefühl.


Da fiel mir gerade auf, der gutaussehende Typ mit den coolen Tatoos hatte mich heute noch gar nicht überholt, dabei war ich fast den ganzen Berg hinaufgeradelt. Normalerweise überholte er mich bereits im mittleren Teil. Seit fast 6 Wochen sah ich ihn beinahe jeden Tag zur selben Zeit. Und mittlerweile war er wohl so etwas wie meine geheime Motivation geworden. Ich hoffte, er ahnte nicht im Traum, was meine lebhafte Phantasie so mit ihm anstellte.


Lag es an dem doch sehr schmalen spitzen Herrensattel meines Rades, dass ich – je länger ich am Rad sitze – immer erregter wurde? Zweimal hatte ich doch tatsächlich vom bloßen Rad fahren schon einen Orgasmus bekommen! Immerhin, denn in meinem Liebesleben herrschte im Moment totale Flaute. Vielleicht wirkt sich auch aus, dass ich nun doch schon an die 4 Kilos verloren hatte, oder es lag an der sportlichen Aktivität, dass ich in letzter Zeit so oft Lust auf Sex hatte? Macht Rad fahren geil? Ich musste das wirklich einmal googeln. Galt diese Theorie auch für Männer? Wo blieb der sexy Typ heute bloß?

 

Am Ende des Anstieges machte ich meine übliche Trink- und Verschnaufpause. Als ich gerade vom Rad gestiegen war, sah ich ihn. Obwohl wir noch nie mehr als ein „Hi“ miteinander gewechselt hatten, sprach ich ihn dieses Mal an.

„Na du schwächelst heute wohl ein bisschen?“, spielte ich auf seine Verspätung an.

„Ich glaube eher, du wirst schön langsam zu schnell für mich!“

Schmeichelte er mir etwa? Egal, bevor mir eine passende Erwiderung einfiel, war er schon wieder vorbei! Ich stellte das Rad ab und ging ein Stück zu meinem Lieblingsaussichtspunkt. Versteckt und von der Straße nicht einsehbar, wartete eine von der Sonne aufgewärmte einfache Holzbank auf mich. Ich öffnete den Zipp meines verschwitzten Radtrikots und rastete wie üblich ein paar Minuten in denen ich den Sonnenuntergang genoss. Ich schloss die Augen, um die kurze Szene von vorhin nochmals zu einem erotischen Tagtraum auszubauen. Soviel Zeit musste sein!


Plötzlich fühlte ich, wie mir etwas einen Schatten machte und blinzelte. Da stand doch tatsächlich der Traum meiner Phantasiegeschichte vor mir und starrte fasziniert meinen Ausschnitt an!


„Spürst sie auch – die Frühlingsgefühle?“ War ich jetzt total übergeschnappt?

Er kam noch einen Schritt näher, grinste mich verführerisch an.

War das jetzt ein Traum, oder was? Schon lag ich in seinen muskulösen Armen und spürte wie unsere verschwitzten Körper sich voll Leidenschaft aneinanderdrückten. Er küsste stürmisch meine Lippen. Hatte ich etwa gerade laut gestöhnt?

 

„Oh Mann, du küsst wirklich gut!“ Also das hatte ich jetzt definitiv laut gesagt. Ein wenig verlegen löste ich mich von ihm. Was sagte man einem wildfremden Mann, mit dem man gerade stürmisch geknutscht hatte?

„Also dann, bis morgen!“

„Ciao“

Impressum

Texte: Thora Simon
Bildmaterialien: Bookrix
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2013

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