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Ritter Namenlos


Ritter Namenlos strich sich trübsinnig über seine funkelnde Ritterrüstung, die beeindruckend neben dem Hauseingang stand und schon lange Zeit auf ihren ersten Einsatz wartete.

„Hach, ho, ha“, seufzte Ritter Namenlos, als er mit traurigen, lustlosen Bewegungen die letzten Staubfusel vom Brustpanzer seiner stummen Blechkleidung wischte.

„Wo finde ich in der heutigen Zeit noch ein richtiges Abenteuer, das ich bestehen kann, indem ich meinen Mut beweisen und meine Kraft erproben muss? Wo nur? Ich will kämpfen, hörst du, du blöde Blechdose“, zeterte unser Ritter und gab der Rüstung einen lustlosen Kick gegen das Schienbein.

Doch als Antwort gab es nur ein metallisch klingendes „Klack“ als das Visier der Rüstung, durch den zaghaften Tritt verursacht, herunter klappte und dabei das Staubtuch einklemmte. Dort wo sich unser trauriger Ritter irgendwann einmal hineinwünschte, nämlich in das innere der Rüstung, baumelte nun das Tuch, hing jedoch zur Hälfte auch dort, wo sich unser abenteuerhungriger Ritter erst einmal befand: außerhalb der Rüstung.

Ritter Namenlos gefiel das gar nicht. Denn sein arbeitsloser Blechkumpan sah nun so aus, als ob er ihm hämisch die Zunge herausstrecken würde.

Nach diesem, fast schon traumatischem Erlebnis begab sich unser Ritter in seine Lieblingsschänke „Der Kleine Prinz“, die ihren Namen einer Erzählung verdankte, an die sich die Menschen allerdings nur erinnerten, wenn sie diese gerade hörten.

Dort saß nun unser frustrierter Held, nahm einen kräftigen Schluck vom Medardusbräu, einem anregenden Getreidegetränk und hoffte auf diese Weise eine Inspiration für ein wirklich tollkühnes Abenteuer zu finden. Doch die einzige Wirkung, die sich meistens einstellte war die, dass sich Ritter Namenlos noch wagemutiger in ein Abenteuer stürzte, das es gar nicht gab.

In einer dunklen Ecke der Schänke sitzend, wischte sich unser Ritter gerade die Reste des weißen Schaumes von seinen Lippen, den der Getreidesaft hinterließ, wenn man allzu hastig davon trank. Als plötzlich, wie aus dem Nichts, ein großer, etwas tapsig wirkender Mann an seinen Tisch stand, an den er sich unaufgefordert mit seinem Viertagebart setzte und mit einem Lausbubengrinsen sagte: “Hallo, ich bin der Birkenmann.“

Nachdem der Birkenmann dreieinhalb Stunden geredet, philosophiert und alles thematisiert hatte und unser Ritter im sprachlichen Unterholz zu ertrinken drohte, kam der plappernde Birkenmann jedoch auf etwas zu sprechen, das Ritter Namenlos aufhorchen ließ und ihn in unruhige Aufbruchstimmung versetzte.

Der Birkenmann erzählte von einem Schloss, das unermessliche Reichtümer beherberge, von 5 Kobolden und 2 Hexen, die dieses Schloss bewachen und davon, dass aus Angst vor diesen Kobolden und hexen sich nur äußerst selten Menschen aufmachen würden, dieses Schloss zu finden und davon, dass alle, die sich auf den Weg gemacht hätten, die Kobolde und Hexen zu besiegen, um an die Reichtümer zu gelangen, sich auf diesen Weg verloren hätten und niemals wieder gesehen worden wären.

„So, jetzt aber genug geredet“, beendete der Birkenmann seine Erzählung und schlug sich dabei spielerisch auf den Mund, beinahe so, als würde er sich für die vielen Strippen, die er beim Reden produziert hatte, selber bestrafen.

„Jetzt bist du dran“, wendete er sich dann wohlwollend dem Ritter zu. Doch der saß schon gar nicht mehr auf seinem Platz, sondern steckte bereits in der Ritterrüstung und war frohen Mutes auf dem Weg, das sagenumwobene Schloss zu finden. Nur das Staubtuch trübte etwas seine Stimmung. Denn dieses war beim Ankleiden unbemerkt einige Etagen tiefer in die Rüstung gefallen und hielt nun den linken Fuß des Ritters staubfrei.

Kauen läßt Angst unter sich


Ritter Namenlos stakste nun schon seit einigen Stunden durch die trockene, sternenklare Nacht. Der Staub, den er dabei aufwirbelte, setzte sich zusehends in den Scharnieren seiner Rüstung fest, die mehr und mehr anfingen zu knirschen und zu knarren.

Zeitgleich fing der Ritter an zu ächzen und zu stöhnen. Denn das Gehen wurde durch die verstaubte Rüstung und den nun langsam ansteigenden Weg immer beschwerlicher.

An das Staubtuch tief im Inneren seiner Rüstung wagte er sich nicht heran. Damit hätte er zwar seine Rüstung reinigen können und wäre somit wieder besser zu Fuß gewesen, aber er hätte dazu auch aus seinem Blechpanzer steigen müssen. Doch gerade dies wagte er nicht. Wer wusste schon, ob nicht dann in diesem Augenblick ein Abenteuer oder einer dieser gefährlichen Kobolde auf ihn stürzen würde.

Noch in diesen Gedanken vertieft, erreichte Ritter Namenlos verschwitzt, aber auch erleichtert, das Ende der Steigung. Wie bestellt ging in diesem Augenblick die Sonne auf und gab ihm den Blick auf einen dunklen, drohenden Wald frei, der sich über den gesamten Horizont dahinwälzte. Wenige Meter vor sich sah er, wie sich der Weg, auf dem er stand, teilte. Wenige Meter weiter teilten sich diese beiden Wege erneut. Wiederum teilten sich nach wenigen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Thomas Wewers
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2012
ISBN: 978-3-86479-708-8

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