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1Kapitel

Der Schwanz des massigen Tieres schlug mit enormer Wucht gegen die verglaste Außenwand. Die Scheibe zerbrach in tausend Stücke, die meterweit durch die Luft flogen. Lina war hinter dem großen Büroschrank in Deckung gegangen und beobachtete das Schauspiel voller Angst und gleichzeitiger Faszination. Als der Scherbenregen vorüber ging lugte sie vorsichtig hinter dem Schrank hervor. Ein Drache. Oh mein Gott.
Überall lagen Scherben, große und kleine, verstreut auf dem Boden. Lina kam jetzt ganz aus ihrem Versteck hervor und betrachtete den Büroschrank von vorne. In dem soliden Metall steckten unzählige Glasstücke, auch dort wo sie vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte. Lina atmete erleichtert aus und ließ sich vorsichtig auf ein Scherben freies Fleckchen nieder. Das war ziemlich knapp gewesen. Was war denn jetzt los? Sie musste mit Aaron reden, soviel war klar!
Da hörte Lina plötzlich ein Rauschen. Sofort sprang sie auf. Sie hechtete wieder hinter den Büroschrank und ließ sich auf den kühlen Paketboden sinken. Das Rauschen blieb. Auch nach einigen Minuten war es noch nicht vorüber. War das alles doch nur Einbildung?
Sollte sie jetzt schon Aaron anrufen. Ja, sie durfte nicht länger warten.

In dieser Zeit befand sich Aaron in dem großen Shoppingcenter in der Alstergasse. Er suchte sich gerade eine der schönsten Südfrüchte aus als sein Handy klingelte. Vor Schreck ließ er die Banane fallen. Verlegen beförderte er die Frucht in seinen Einkaufswagen. Dann kramte er in seinem dunklen Jackett nach dem Mobiltelefon.
Lina ruft an, stand in leuchtenden Buchstaben auf dem Display. „Ja, Hallo?“, nach einigen Minuten war das Gespräch beendet und Aaron eilte zur Kasse. Er bezahlte in Höchstgeschwindigkeit, lief zu seinem Wagen, einem uralten BMW. Aaron verstaute die Einkäufe im Kofferraum , den Einkaufswagen brachte er noch schnell zurück und dann ließ er sich hinter das Lenkrad fallen. Er fuhr so schnell wie die Verkehrsordnungen es zuließen und hielt 5 Minuten später, völlig außer Atem, vor einem großen Betongebäude.

Lina hatte begonnen die Scherben aufzufegen. Es war ziemlich mühsam die Glasstücke aus den großen Metallschränken zuziehen, ohne sich dabei zu schneiden. Sie zog gerade einen besonders großen Splitter aus dem Büroschrank als die Tür aufflog. „Scheiße!!! Aaron!“, Lina hatte sich geschnitten. „Hey...“, er eilte zu ihr. Lina hatte ihren Daumen in den Mund genommen und saugt das Blut auf. Aaron reichte ihr ein Taschentuch und Lina drückte es fest gegen ihre Wunde. „ Alles okay?“ Lina nickte stumm „ Gut, dann erzähl mir mal was los ist.“, sagte er und fegte mit dem Handfeger zwei Bürostühle ab. Lina setzte sich neben ihn.
„Ich kam hier rein und wollte sauber machen.“, sie machte eine kurze Pause bevor sie fortfuhr. Sie erzählte Aaron alles was vorgefallen war.

Lina war schon lange fertig und hatte nichts mehr gesagt, sondern war einfach aufgestanden um ihr Taschentuch auszuwaschen. Eigentlich war dies überflüssig aber Lina wollte nicht das Aaron ihre Tränen sah. Beim erzählen war der Schock, die Angst und das Gefühl der Ungewissheit, was jetzt noch alles kommen würde, wieder in ihr hinauf gekrochen und schnitt tiefe Wunden. Sie wrang das Taschentuch aus und betupfte sich vorsichtig die Augen. Der Klos in ihrem Hals tat weh. Sie bemühte sich nicht loszuheulen. Lina wrang das Tuch ein Zweites mal aus und wiederholte diesen Vorgang immer wieder. Aaron sah währenddessen durch das große Loch. Seine Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen, so fasziniert und erschrocken war er. Er drehte sich wieder zu Lina um. diese schmiss das Taschentuch in einen Mülleimer und betrachtete den Schnitt. Das Bluten hatte aufgehört und er war gründlich gereinigt. Aaron erhob sich und ging vorsichtig durch die Scherben zu dem großem Loch in der Wand. „Ich glaube hier hat jemand was verloren!“, sagte er und zeigte auf die große Linde, die sich vor dem Bürogebäude erstreckte. Lina trat neben ihn und nickte nur. Dann war sie bei der Tür. „Warte hier!“, die Tür schlug zu und Aaron blieb lange Zeit so stehen und starrte einfach nur in die Luft. „Was hatte das zu bedeuten?“, fragte er lautlos in die Luft.
Lina war inzwischen ins zweite Stockwerk gerannt und schlich ins dazugehörige Büro. „Was machst du hier?“, John Rii saß hinter seinem großen Schreibtisch. „Ich habe von oben etwas in unserer Linde hängen sehen. Ich dachte sie soll doch perfekt aussehen und deshalb will ich es nur kurz herunter holen.“ John Rii nickte nur und wandte sich beruhigt seinen Unterlagen zu. Lina beugte sich aus dem Fenster und fischte das kleine Stück Papier mühelos aus den Ästen. Kramte mit der anderen einen alten Kassenbon aus der Tasche und tauschte die beiden aus. Sie warf ihn demonstrativ in den Aschenbecher und wandte sich wieder John Rii zu. „Sagen sie“, fragte sie und der Geschäftsleiter sah auf. „Wie lange sind sie schon hier?“, er überlegte. „Seit ungefähr fünf Minuten. Ich war früher da als sonst und jetzt ist ja gerade erst mein und Aarons Schichtbeginn. Ist dieser eigentlich schon da?“, Lina nickte. Zum Glück hatte John Rii anscheinend nicht mitbekommen das oben ein Drachenschwanz das Glas eingehauen hatte. „Also ich wollte“, er wurde unterbrochen. Das Telefon klingelte und er hob mit einem entschuldigendem Blick ab. „ja, ja ich bin schon unterwegs, ja?! Ja gut ich bin gleich da!“, er legte auf und packte seine Unterlagen zusammen. Er stand mit seinen Sachen auf und ging mit Lina ins Treppenhaus. „Tut mir leid. Ich muss zu einer Messe. Bin morgen wieder da, und.“ er kramte in seiner Tasche und zog sein Geldbeutel heraus. „Hier, weil sie alles immer so schön und sauber halten.“, er steckte Lina einen Schein zu. Sie bedankte sich und John Rii stieg in den Fahrstuhl.
Als Lina die Treppe hoch ging und den Schein wegsteckte, dachte sie daran, das sie damit wohl den Glaser bezahlen könnte.
„Und?“, fragte Aaron als sie ins Büro kam. Sie warf ihm schnell den zettel zu und ging zum Telefon. „Ich ruf den Glaser an. John Rii ist bis Morgen auf einer messe. Wir müssen die Chance nutzen, damit der gar nicht erst erfährt, das seine Scheibe eingehauen worden ist.“, sie blätterte durch das Telefonbuch und wählte schließlich die Nummer. Während sie sprach sah sie zu Aaron, der den aus gefalteten Zettel in der Hand hielt. Sein Gesicht war wachsbleich geworden. Lina legte auf und kam zu ihm. Sie betrachte das kleine Stück Papier. Es war eine einfache ausgerissene Heftseite, wie in jedem Schreibblock. Es standen nur zwei Sätze in normaler krackeliger Schrift.
Du musst weg! Ich darf nicht länger warten, du Untier! Mehr nicht. „Also was das für ein Block ist kann ich herausfinden, aber mit mehr kann ich erst mal nicht dienen.“,Aaron wollte das positive aus dieser Warnung ziehen er steckte Lina den Zettel zu, den sie schnell wegpackte. Es klingelte. Lina ließ die Glaser herein, die sich sofort ans Werk machten. „Wie willst du das eigentlich bezahlen?“, fragte Aaron, als sie sich hinsetzten. „Hier!“, Lina zog den Schein hervor. „Trinkgeld!“

Als die Glaser fertig waren kam einer von ihnen zu Lina und Aaron herüber. „Wie sie das hinbekommen haben, das ist mir fraglich. Wissen sie wie es passieren konnte?“, die beiden verneinten, sie haben das selbst so aufgefunden, das Lina im Raum war, verschwiegen sie. Der Glaser nickte: „Ich hab es fotografiert, vielleicht weiß jemand, was so einen derart großen Schaden zufügen kann! Ich gebe ihnen dann Bescheid!“, Lina bezahlte und betrachte die neue Scheibe, wie lange würde es dauern, bis der Glaser erneut kommen musste? Sie durfte sich nicht mehr allein herumtreiben, soviel war klar!
Aaron schloss die Tür hinter den Glasern zu und schaltete den Laptop an. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte er, während er seine Mails öffnete und die werbe Mails in den Papierkorb verschob. Er scannte den kleinen Zettel ein und betrachtete ihn als geöffnete Datei auf dem Bildschirm. Lina war hinter ihn getreten. „Kannst du den noch größer zeigen?“, fragte sie und Aaron überlegte nicht lange. Er holte den Projektor aus dem Nebenraum und strahlte die Botschaft an die Wand. Lina trat direkt davor und zeigte auf ein paar Buchstaben. „Das d, wie es geschrieben ist, wie eine Note. Ich kenne nur einen der Das so schreibt. Aber ich komme nicht drauf!“, sie schüttelte verärgert den Kopf. Aaron nickte. „Stimmt, normalerweise schriebt man ein kleines d anders. Aber das kann auch nur Zufall sein. Wir dürfen uns nicht daran festmachen. Wir brauchen mehr Infos!“, Lina begann im Zimmer auf und ab zu laufen, eine halbe Ewigkeit umkreiste sie den Schreibtisch und blieb danach vor dem angestrahlten Bild stehen. Plötzlich verharrte sie und ging zum Schreibtisch. Aaron hatte in der Zeit schon angefangen seine Arbeit zu machen aber jetzt sah er auf. „Was ist?“, Lina schnappte sich einen Zettel und einen Bleistift. Aaron beobachtete, wie sie mit der glatten Seite den Bleistift über das Papier rieb, sodass langsam durchgedrückte weiße Buchstaben auf dem Zettel erschienen. „Klasse!“, sagte er, während er zu Lina kam, die das Durchgedrückte gerade auf einen zettel schrieb. „Nur Matheformeln murmelte sie dann enttäuscht und rutschte mit ihrem Rücken an dem Büroschrank herunter. Die Kerben, wo Glassplitter drinnen gesteckt hatten waren deutlich im Rücken zu spüren. „Was ist eigentlich mit dem Schrank? Man sieht die Löcher deutlich!“, Aaron zuckte mit den Schultern. „Wir drehen ihn um und sortieren dann die Akten wieder um, er wird ja wohl nicht hinter den Schrank gehen oder?“, Lina schüttelte den Kopf. Die beiden drehten den Schrank um, und als sie fertig waren, machte sich Lina an die Arbeit und begann, die nun auf der vorderen Seite, seienden Akten wieder auf die hintere zu sortieren. Aaron begann wieder an seinen Laptop zu arbeiten und langsam aber sicher erholten sich beide von dem Schock. Vor allem Lina. Der dicke Kloß in ihrem Hals wurde mit jeder Akte kleiner und schließlich fühlt sie sich besser. Doch die Wunde im Finger würde bleiben. Ob sie verheilt war bis vielleicht die nächste kam.

Es war 1430. Die Akten waren umsortiert und Aaron war auch fertig. „Ich weiß, das ist kindisch“, begann er als er Lina einen Tee und sich einen Kaffee machte. „ Elli, die war neulich hier und Karin, hat mir eine URL gegeben, wo Elli spielen kann. Da kann man so Sachen ausmalen und da gab es auch einen Drachen. Konnte man Zacken dran machen und so was. Vielleicht kannst du ja so einen Drachen skizzieren.“, Lina musste lachen. Ob sie wollte oder nicht. Sie lachte und Aaron auch. Es war wirklich kindisch. Sie lachte bis ihr Tränen in den Augen standen. Oh man, endlich wieder lachen. Es war typisch, das ihre große Schwester, ihre Tochter solche Sachen spielen ließ.
Schließlich rief Aaron die Webseite auf und Lina betrachtete den Bilderbuchdrachen auf dem Bildschirm. „Na dann los!“, sagte sie und begann die verschiedenen Bearbeitungsoptionen auszuprobieren. Am Ende hatte sie einen wundervollen Drachen auf dem Bildschirm, er sah aus wie einer der Drachen, auf denen die Bösen in den Büchern immer reiten. Rotorange. Olivgrüne Dornen am Hals und am Schwanz. Die Augen auch in diesem wunderschönen grünen Farbton. Aaron druckte das Bild aus und ich ergänzte die Dinge, die man dort nicht machen konnte. Ich malte das gräuliche Schimmern an der Schwanzspitze und das triefend rote, fast wie Blut aussehende, an einer der Schuppen. Ich hatte diesen Fleck genau gesehen. Ich war mir sicher. War es Blut gewesen? Ich hatte, wenn ich stark nachdachte das Bild des großen Tieres noch im Kopf, nur die Ohren hatte ich nicht gesehen. Egal wie oft ich nachdachte, die Augen schloss. Die Ohren waren nicht da. Ich hatte sie weggelassen. „Wie groß war er?“, Aaron sah auf die Zeichnung. „Ich kann es nicht sagen, aber die Schwanzspitze, muss so groß gewesen sein wie das Loch. Er hat nur mit der Spitze reingehauen. Den Rest kann man sich ja dann erschließen.“ „Also um die drei Meter!“, überlegte Aaron und schrieb es auf. „Mehr können wir nicht machen.“, er schloss die Zettel ein und gab Lina einen Schlüssel und ein wenig Geld. „Hier, lass ihn die nachmachen. Wenn dir noch was einfällt oder so kannst du jeder Zeit an die Unterlagen.“, sie nickte. „Danke Aaron. Für alles. Danke das du da warst!“, Aaron nickte. „Alles cool“, er nahm sie in die Arme und ob sie wollte oder nicht. Lina musste doch ein paar Tränen verdrücken. „Komm, alles wird gut“, sagte Aaron und streichelte ihr durch die Haare.
Was würde sie ohne ihren Bruder machen? Er hatte ihr diesen Job besorgt und er war immer für sie da gewesen, nicht so wie Karin. Karin war kein Familienmensch. Sie war lieber allein und deshalb drückte sie ihnen auch ständig Elli auf, ein eine Nacht Kind.
Elli war süß. Sie konnte nichts für ihre Mutter, aber für ihre Vier Jahre verstand sie schon ziemlich viel, und sogar dieses kleine Mädchen wusste, wann es Zeit war Mama in Ruhe zu lassen. Dann rief sie meistens bei Lina oder Aaron an. Meistens war Lina ich es, die sie dann abholte, mit hierher brachte oder mit ihr in einen Tierpark ging. Für sie war sie wie ein eigenes Kind. Wenn Lina je eins haben will, dann sollte es so ähnlich ticken wie Elli.

Impressum

Texte: es ist erst das erste Kapitel wenn es euch gefällt schreib ich weiter
Tag der Veröffentlichung: 28.11.2011

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