Alle Rechte liegen bei mir!!! [inkl. dem Cover.] ;D
Das Buch widme ich meiner Freundin Philine, die mich darauf gebracht hat ;)
Celine, weil sie mich untersützt. [Ich liebe Dich]
Und Tobi, weil er mir mit vielen tollen Ideen beisteht :)
Danke!
Prolog
„Amerika ich komme!“, so startet die 15 Jahre junge Cathlen ihr neues Leben als Amerikanerin. Auf dem Flug sitzt sie neben einem supersüßen Jungen. Samuel. Er scheint ihr sympathisch, doch das von ihr selbst hervorgerufene Idealbild in ihrem Kopf, rät von ihm ab. Cat entscheidet sich aber dagegen, redet und blödelt weiter mit ihm herum. Nach neun Stunden trennen sich ihre Wege. Für sie beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt. Samuel gehört dort nicht mit hinein, auch wenn sie oft an ihn denkt. Schulmäßig wird sie gut aufgenommen und findet Freunde. Alles perfekt. Eigentlich. Cat kann ja nicht ahnen, dass auf genau dieser Schule eine ganz bestimmte Person ihr ganzes Teenieleben auf den Kopf stellt. Und noch dazu mit Konkurrenz im Schlepptau!
„Mum, the shirt is bigger than me!“ „Take the other one, dear!“ „No Mum, the shirt has birds on it, I don´t like Shirts with animals, you know?” Wenn Cathlen sich so im Spiegel betrachtete, dann würde sie sagen, sie sei zu dünn. Zu dünn für eine 176 Zentimeter große Blondine wie du eine bist
, schoss es ihr durch den Kopf. Ihr Mutter steckte den Kopf in die Umkleide, um ihre Tochter mit neugierigen Blicken zu begutachten. „Perfect“, meinte sie mit einem stolzen Blick auf das viel zu große blaue Etwas, das an Cathlens linker Schulter schlaff herunterhing und ihr noch weit über den Po reichte. „Bist du blind, es ist doch offensichtlich, dass das Oberteil drei Größen zu groß ist!?“, Cat drehte sich in der engen Umkleide einer H&M- Filiale um die eigene Achse, immer den Blick ihrer junggebliebenen Mutter im Rücken. „No way!“, meinte sie nach zwei Umdrehungen. „Willst du nicht doch mal das Andere mit den zwei Vögeln an der Seite anprobieren? Es ist doch so schön“ Sei jetzt nicht zu hart Cat, sie meint es ja nur gut! Bring es ihr schonend bei.
„Mum, das Shirt ist Oberhässlich!“ Ja scheiße Cathlen, das ist nicht die Art schonend, die gemeint war!
Cats Mutter zog eine leicht beleidigte Grimasse. „Okay, you win!“ Sie zog den Kopf aus der Kabine und ging zurück zu den Kleiderständern, an denen die Tops der neuen Sommerkollektion hingen. Zumindest dachte Cat es, da man das KlickKlack- Geräusch, das ihre Mutter machte, wenn sie hohe Schuhe an hatte, immer weniger vernahm.
Schnell zog sie sich das Shirt über den Kopf und legte es sorgfältig auf den kleinen Hocker, der neben dem Spiegel stand. Sorgfalt ist das halbe Leben!
So hatte es ihr ihre Mutter immer gesagt, als Cat noch klein war. Noch keine knapp 1, 80 Meter groß! Woher sie die Größe hatte, wusste sie sowieso nicht, es war einfach eine Laune der Natur gewesen, hatte ihre Oma ihr immer erzählt, wenn Cat mal wieder völlig aufgelöst aus der Schule gekommen war und unter Tränen berichtet hatte, wie arg sie von den anderen wegen ihrer langen Beine gehänselt wurde. Wieder betrachtete sie sich neugierig im Spiegel. Sie hatte nur noch ihre Lieblingsröhre und den BH an, und man sah jetzt klar durch den engen Hosenschnitt Cathlens feingeschwungene Hüfte und den wunderschön flachen Bauch mit dem kleinen Muttermal rechts neben dem Bauchnabel. Es war Cats Glücksmuttermal und das Einzige, das sie im Bereich ihres Oberkörpers bis jetzt gefunden hatte. Mädchen du bist blass
, kam ihr der Gedanke. Sie machte ihrem Spiegelbild eine wegwerfende Handbewegung und ließ ein kleines Lächeln zeigen. Das wirst du die nächsten Wochen ja ausgleichen können, wenn du erst in der amerikanischen Sonne liegst.
Sie drehte sich abermals um sich und lies ihre langen naturblonden Haare fliegen. Wenn sie still stand, waren sie mittlerweile schon so lange, dass die Haarspitzen ihren Bauchnabel verdeckten. Und das in gelocktem Zustand! Glatt wären sie wahrscheinlich bis unter den Po.
Auf einmal wurde es Lila. Alles war auf einmal Lila! Cathlen schrie vor Schrecken, auch wenn es dafür keinen Grund gab, denn nach kurzer Zeit kapierte sie, dass ihre Mutter ihr mal wieder ein Top andrehen wollte. Sie riss es ihrer Mutter aus der Hand und betrachtete es erst mit einem abschätzigen Blick, doch schon nach den ersten paar Sekunden gefiel ihr es immer besser; Es war sehr schlicht, hatte nur zwei dünne Träger und war an der Hüfte etwas enger geschnitten, was für eine tolle (ihre!) Figur genau das Richtige war. „Gefällt es dir?“, fragte ihre Mutter, die den Blick ihrer einzigen Tochter kannte. Cat nickte. „It´s wonderful.“ So schnell es ihre Beweglichkeit erlaubte, zog sie sich das Top über ihren BH und schaute sich zufrieden im großen Wandspiegel der Kabine an. Es saß einwandfrei. „Close your eyes, dear“, meinte auf einmal Cats Mutter. Seufzend schloss das Mädchen die Augen und ließ sich auf die kleine Überraschung ihrer Mutter ein. Nach ein paar Sekunden spürte sie ein breites Etwas unter ihrer Brust und am Rücken. Als sie ihre Augen wieder öffnete hatte ihre Mutter ihr einen circa 8 Zentimeter breiten Gürtel unterhalb ihres BH´s angelegt und hielt ihr jetzt noch eine passende Strickjacke an die Schulter. „Ein lila Top mit einem grauen Gürtel und einer verspielten schwarzen Strickjacke mit kleinen Taschen, wo hast du nur deine perfekte Farb- und Klamottenkombinationsfähigkeit her?“ Cathlen war sichtlich begeistert. Die Fähigkeit, viele verschiedene Dinge miteinander zu kombinieren und mit den Farben zu spielen hatte sie schon immer fasziniert. Und somit war sie immer aufs Neue angetan, wenn ihre Mum ihr aus vier verschiedenen selbst ausgesuchten Teilen ein Outfit zusammenstellte. Sie gab ihrer großen Künstlerin einen Kuss auf die zart gepuderte Backe. „I know, I´m the Best“, meinte sie zwinkernd und ließ Cat wieder allein mit ihrem neuen Style. Es ist schlicht, verspielt, glamorös und gewagt, aber nicht langweilig oder billig. Einfach perfekt halt.
Wieder lächelte sie ihr Spiegelbild an. Jetzt hatte sie das perfekte Outfit für ihren ersten Schultag gefunden. Diesmal war es nämlich nicht irgendein neuer Schultag, nein! Es war der erste Schultag in ihrem neuen Leben als Amerikanerin. Im nächsten Monat würde sie nämlich endlich nach Amerika South Carolina fliegen. Mit ihren kompletten Sachen! Und wenn sie dort ankommen würde, dann ab ins neue Haus ihres Vaters, der schon vor ihrer Geburt dort gelebt hatte.
Er und ihre Mum waren damals zusammen nach Deutschland gekommen, damit Cathlen hier in den Kindergarten und in die Schule gehen konnte. Es war aber auch von Anfang an klar, dass sie später selber entscheiden durfte, wo sie wohnen möchte. Und diese Entscheidung hatte sie dieses Jahr getroffen. Cat öffnete den Kabinenvorhang und ging raus um sich ihrer Mutter erneut zu zeigen. „Schatz, du siehst darin einfach super aus, genau wie ich vor knapp zwanzig Jahren“, zwinkerte Cats Mum. Das ihre Mutter schon fast 40 war, merkte man überhaupt nicht, sie war eben immer top geschminkt und legte einiges auf ihr Äußeres, was bei ihrer Tochter so gar nicht der Fall war. Außerdem rannte sie zweimal wöchentlich ins Fitnessstudio um ihren Arsch knackig und ihre Beine straff zu halten, so wie sie es immer ausdrückte. Schon oft war sie im Fitnessraum gesessen und hatte ihrer Mutter bei ihrem Wahn zugesehen, manchmal probierte sie auch ein paar Geräte aus, aber meist war sie dafür zu schwach, hatte dafür zu wenig Ausdauer oder einfach zu blöd um die kleinen Anleitungen mit den vielen Sportbegriffen und Bildchen zu checken. „Mum, willst du noch was gucken? Ich muss nämlich pünktlich um fünf zu Hause sein, Daddy wollte nochmal anrufen und das mit dem Gepäck und so klären. Außerdem meinte er das letzte Mal, dass ich mir bis zu seinem heutigen Anruf noch meine Zimmerfarbe überlegen sollte und ich weiß immer noch keine!“ Der letzte Anruf lag jetzt schon eine Woche zurück und Cat konnte sich einfach nicht entscheiden, wie ihr neues Zimmer aussehen sollte. Entweder sie nahm ihre Lieblingsfarbe Blau und mischte es mit einem anderem Blauton, wie Himmelblau, was ihr auch gut gefiel oder sie ließ das Zimmer nach ihren Gedanken streichen, was ungefähr einem aprikotfarbenen Ton und einem warmen Braunton entsprach.
„Mum, which colour I should take?“, Cat sagte ihrer Mutter absichtlich keine Farben, da die sich wahrscheinlich dann auch nicht entscheiden konnte. „Ich würde eine Wand Aprikotfarben streichen. Oder alle Wände Aprikot und auf halber Höhe ein warmes Braun, das in einer geraden Linie etwa einen halben Meter breit über alle vier Wände geht. Cathlen war verblüfft als sie die Antwort ihrer Mutter hörte. Es war zwar schon oft vorgekommen, dass sie ungefähr die gleiche Meinung hatten, aber noch nie, dass es zu 100% die Selbe war! „Okay, dann sind wir uns ja einig“, lachte sie. Ihre Mutter hob den Finger und deutet auf die Umkleide. „Du solltest dich jetzt mal wieder umziehen, sonst verpasst du wirklich noch den Anruf.“ Nickend tippelte Cat wieder in die Umkleide und zog sich um, das zu große Shirt und das mit dem Vogelprint ließ sich zusammengefaltet auf dem Hocker liegen, das Top, den Gürtel und die Jacke nahm sie unter den einen Arm und verließ dann die Umkleidekabine. STOPP Cat!
Mit drei großen Schritten stand sie wieder in ihrer Umkleide. Den Blick fest auf ihr Spiegelbild gerichtet. Erst dein Styling checken!
Sie fing an ihren Schuhen an. Chucks, Schuhgröße 38, schwarz. Sie nickte. Passt!
Weiter zu ihrer Röhre. Lieblingsröhre, eng, aber dennoch bequem , figurbetont. Cat nickte wiederum. Passt!
Ihr Blick streifte ihr momentanes Oberteil. Ein cremefarbenes Langarmshirt mit dem Aufdruck ´Benneton`, darüber eine weiße Bluse, die sie oberhalb des Bauchnabels locker zusammen geknotet hatte, wie die Cowgirls in den Westernfilmen es immer trugen. Locker, absolut IN und ein Stück länger, um den Hosenbund zu überdecken. Passt!
Sie musste schnaufen. Die Haare. Sie musste jede einzelne Locke genauenstens überprüfen, es war immer mindestens eine Strähne dabei, die ihr nicht gefiel, daran wurde dann so lange gearbeitet, bis diese die gewünschte Form angenommen hatte oder wenigstens etwas besser zu den anderen passte. Sie war schon bei der Hälfte angekommen, bis jetzt sah alles noch sehr gut aus, frisch gewaschen und gestylt eben. Doch genau nach dieser Hälfte fing die Seite an, an der auch ihr Seitenscheitel geschnitten war. Die kurzen Locken waren stärker gelockt, dadurch, das nicht so viel Gewicht an ihnen zog. Diese Strähnen mussten morgens oder abends nach dem Waschen mindestens zweimal „nachgeformt“ werden, sonst ging Cat nicht aus dem Haus. Doch diesmal saßen die kurzen Haare perfekt. Mit einem zufriedenen Blick auf das Gesamtbild ihrer Frisur hackte sie auch den letzten Punkt mit einem `Passt´ ab. Endlich konnte sie die Kabine verlassen, vor der ihre Begleiterin schon auf sie wartete. Sie war das ganze Theater um das Styling schon von ihr gewohnt und machte sich nichts daraus. Gemeinsam mit ihrer Mutter ging sie zur Kasse, bezahlte und verließ dann das Kaufhaus mit einem zufriedenen Bauchgefühl in Richtung Parkplatz, auf dem sie in den neuen schwarzen Sportwagen einstiegen.
Schon seit Cathlen klein war, hatte ihre Mutter immer ein sportliches Auto gefahren, aber nicht nur die sportlichen Modelle, sondern auch das hohe Tempolimit hatten es ihrer Mum angetan.
Im Auto ließ sie sich erstmal zurückfallen und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Auf dem Display wurden drei neue Nachrichten angezeigt. Cathlen öffnete die SMS- Liste und las die Namen durch. Zwei Nachrichten von Marie und eine von Lukas. Als Cats allerbeste Freundin hatte natürlich Marie den Vorrang und sie öffnete die erste der Zwei SMS.
15:23 Uhr Marie
Hey Cat, bist du noch mit deiner Mum shoppen? Muss dir dringend was erzählen, rufst du mich später mal an? :)
Kuss Marie
Cat warf einen Blick auf ihre Handyuhr. 16:04 Uhr. Dann öffnete sie die Zweite.
15:57 Uhr Marie
Caaaaaat!!! Melde dich doch bitte, ich platze schon fast vor Redelust! Mir ist grad eingefallen, dass um 5 ja dein Dad anruft, kannst du danach bitte sofort mal Kontakt zu deiner Abf aufnehmen? ;D
Kuss Marie :)
Mit flinken Fingern tippte Cat ihrer Allerbesten Freundin eine kurze Antwort:
16:05 Uhr An: Marie
Hey! War grad noch shoppen, hab jetzt n supercooles Outfit für the USA ;) Was ist denn los, gibt’s was Neues von deinem Schwarm? Platz bitte noch nicht, ich werd mich schnellstmöglich melden ;D
Küsschen an Marie. Cat
Nachdem das kleine Briefsymbol verschwunden war, widmete sich Cathlen wieder ihrem Postfach, indem immer noch eine ungelesen SMS von Lukas wartete. Was will dein Bester Freund denn jetzt schon wieder von dir, Cat?
Lächelnd öffnete sie die kleine Nachricht.
15:36 Uhr Lukas
Hallo Cat :)
Als dein Bester Freund mache ich mir Sorgen um meine shoppingsüchtige Freundin ;) ne schmarrn, wollte dich nur mal fragen, ob du heute vllt noch Lust hast, mit mir ins JUZ zu gehen? :)
Lg Lukas.
„Nein tut mir Leid Lukas, heute nicht.“ Sie drückte auf Antworten und sagte ihm ab. „War das wieder Lukas? Der Ärmste hat ja auch nichts Besseres zu tun, als sich immer zu langweilen oder?“, meinte Cats Mutter plötzlich. Zwar hörten sich ihre Kommentare manchmal etwas abschätzend und herablassend an, dennoch wusste Cat, dass ihre Mum sowohl Marie als auch Lukas richtig gern hatte. Schließlich war Cathlen schon im Kindergarten mit Marie befreundet gewesen und bis jetzt hatte die zwei Freundinnen nichts auseinander gebracht. Lukas allerdings war noch nicht ganz so lange Cats männliche ´Beste Freundin´, aber bald auch schon fünf Jahre. Streit gab es so gut wie nie und das Beste; Marie und Lukas waren auch ziemlich gut befreundet, was hieß, die drei waren immer zusammen und konnten über Alles und Jeden reden und lästern. „Er wollte einfach noch etwas Zeit mit seiner Besten Freundin verbringen, bevor die in die Vereinigten Staaten abhaut“, grinste Cat.
Mittlerweile hatten sie die Stadtmitte verlassen und fuhren auf einer weniger vielbefahrenen Straße in Richtung Heim. Die Strecke dauerte knapp eine halbe Stunde. In dem kleinen Ort, indem die beiden wohnten, gab es zum Glück noch sowas wie ein Jugendzentrum, das von Cat und ihren zwei Freunden fast täglich aufgesucht wurde. Dort hatten sie ihre Ruhe um miteinander zu quatschen oder um ihren Unsinn zu treiben und sich gegenseitig eine Kissenschlacht zu leisten. Es war einfach der perfekteste Ort, nach Cats zu Hause bei ihrer Mum und das bei ihrem Dad. Cathlens Mutter bremste unerwartet scharf ab und schleuderte Cat aus ihren Gedanken und gegen das Amaturenbrett des Wagens. „Outsch“, jammerte sie und schaute neugierig vor sich aus der Frontscheibe. „So ein Mist, ein Stau hat uns gerade noch gefehlt. So werd ich Papas Anruf sicher verpassen!“ „Ruhig Kleines, es ist gerade einmal zehn Minuten vor halb fünf. Wir haben also schon mal die Hälfte des Weges geschafft und selbst wenn der Stau jetzt noch ne Viertel Stunde dauern sollte, du würdest immer noch kurz vor fünf zu Hause sein“, meinte ihre Mutter ruhig und machte sich ein Bild von der Situation, indem sie sich in ihrem Sitz etwas aufstellte um den Stau besser überblicken zu können. Mit ihren 168 Zentimeter war das manchmal richtig schwer. Trotzig stütze Cat ihren Kopf auf ihrem Arm hab und schaute aus der Beifahrerscheibe. Die Aussicht, die sich ihr bot war ironisch gesagt, ein Traum! Ein Baum und ein Graben mit matten Gras überzogen, der Baum musste schon seit mindestens zwei Jahren kein Wasser gesehen haben. In drei Wochen bin ich hier weg, dann kann ich die ganze Zeit am Strand gammeln und einfach nur die Sonne genießen. Amerika wird bestimmt -
. Sie schreckte erneut aus ihren Gedanken hoch, als ihr Handy auf einmal das vibrieren anfing. Neue Nachricht!wurde auf dem Display angezeigt. Schnell löste sie die Tastensperre und schaute nach, wer ihr diesmal geschrieben hatte. „Sie haben eine ungelesene Nachricht von... ..Lukas!“ „Was schreibt er denn so, der Lukas?“, fragte ihr Mutter gleich wieder nach. Mittlerweile saß sie wieder und guckte etwas trüb auf die Autoschlange vor ihrem Sportwagen. „Er schreibt, dass er mal vorbeikommen möchte, wenn ich später Zeit hab“, las Cat vor. „Oha, also wegen mir darf er gerne nochmal kommen“, antwortet ihre Mutter für sie. Cat nickte und schickte ein Ja zurück. Als das Symbol für die SMS verschwand, fing sich der Stau aufzulösen. Es ging vorwärts! „Danke Gott“, schrie Cats Mum und drückte ordentlich aufs Gaspedal. Die von Cat getaufte ´Schwarte Katze´ fuhr mit hohem Tempo in südliche Richtung, in der man schon schemenhaft einen Ort erkennen konnte. Mein kleines Örtchen
, dachte Cat lächelnd, in drei Wochen wirst du nur noch 746 Einwohner haben, weil ICH nicht mehr da bin!
Cathlen liebte es in Gedanken mit sich selbst und mit Gegenständen zu reden. Es half ihr, schlechte Tage einfach mit ein paar lustigen oder schönen Gedanken weg zu träumen. Genauso wie die Gedanken hatte sich auch Cats Tagebuch schon als sehr hilfreich erwiesen. Tagebuch schrieb sie mittlerweile seit fast sechs Jahren und es hatte sich auch schon ein ganzer Karton voll im Keller angesammelt. Immer wenn etwas Schönes, Schlimmes, Unnormales oder Bahnbrechendes geschehen war, schrieb Cat es in ihr Tagebuch.
Der Wagen kam zum Stehen und Cathlen bemerkte, dass sie bereits zu Hause waren. Ein schneller Blick aufs Handydisplay. 16:43 Uhr. Sie atmete aus. Noch genug Zeit um schnell unter die Dusche zu hüpfen. Essen konnte sie ja auch während des Telefonierens. Ohne ihr Handy war Cathlen so gut wie verloren, sie verglich es immer mit verschiedenen Dingen, zum Beispiel die Frage was wäre wohl Tim ohne Struppi oder ein Fisch ohne Wasser? Beide wären verloren, Tim könnte keine Verbrechen mehr ohne seinen kleinen bellenden Gefährten aufklären und der Fisch würde sofort verrecken. Zwar musste Cat keine Verbrechen aufklären oder durch Kiemen atmen, aber verrecken würde sie bestimmt! Mit großen Schritten marschierte sie zur Tür und zog ihren eigenen Hausschlüssel aus der Tasche, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Tür mit großem Schwung. Wie immer ließ sie die Tür offen stehen, damit ihre Mutter nicht mehr klingeln oder selbst aufschließen musste und rannte die Treppe hoch ins Badezimmer, in dem sie gleich unter die Dusche sprang und im Schnelldurchlauf ihre Haare und ihren Körper wusch. Als sie zehn Minuten später heiß geduscht aus der Dusche stieg, schaute sie mit einem zufriedenen Blick in den Spiegel, der ihr gegenüber hing. Wieder kam ihr nur ein Gedanke, Perfekt! Sie lag wunderbar in der Zeit und hatte außer ein neues Outfit auch schon geduscht. Als sie sich noch weiter im Spiegel betrachtete, fing es auf einmal unerwartet an, unten im Erdgeschoss zu klingeln. Das ist Dad!
Cat pfiff auf das Handtuch und rannte splitternackt und mit noch tropfenden Haaren die Treppe runter um ja vor ihrer Mutter am Telefon zu sein. Genau zwei Schritte schneller packte sie den grünen Apparat und hob ab. „Cathlen hier.“ „Hey Cathlen, here is Dad. How are you?“ „Super und dir?“, antwortete sie schnell in ihrem amerikanischen Englisch. „Cat, du hättest dir ja wenigstens eine Panty oder etwas anderes untenrum anziehen können, oder?“, zischte ihre Mutter. Sie konnte es einfach nicht haben, wenn Cathlen nackt durch das Haus lief. Zumal es Unmengen an Fenstern gab. Doch Cathlen interessierte sich nicht dafür, sie wollte jetzt mit ihrem Vater reden. Schnell hüpfte sie die Treppe mit dem kabellosen Telefon hoch und hockte sich auf den Badewannenrand, damit ihre Haare nicht alles voll tropften. Mittlerweile erzählte sie ihrem Vater welche Farbe ihr neues Zimmer haben sollte und welche Möbel sie bräuchte. „Cat mein Schatz, du weißt ja schon, dass du nicht alle deine Klamotten mitnehmen kannst, aber ich habe mich jetzt mal erkundigt, und es ist möglich, dass du bei einem bestimmten Betrag einige Dinge mehr mitnehmen kannst, hast du das verstanden?“, fragte ihr Vater vorsichtig, da auch Cathlen nicht immer alles verstand was er sagte. „Also ich kann, wenn ich mehr Geld bezahle, auch mehr mitnehmen? Das wäre ja Klasse!“, der Tag entwickelte sich mehr und mehr ins Positive. „Ja, so ist es mein Liebling.“
Nach fast zweistündigem Telefonat legte Cathlen endlich auf. Ihr Vater musste ihr unbedingt noch einige wichtige Dinge sagen und mit ihr auch über die neue Schule reden.
Sie wird in vier Wochen oder so die Lancaster Highschool in der Nähe ihres neuen Zuhauses besuchen und die Lehrer wurden auch schon fast alle informiert, dass ab nächstem Schuljahr ein deutsches Mädchen die Schule besuchen wird. Es war alles geklärt.
Cat legte das kleine Grüne Etwas auf Seite und machte sich dran, die Haare durch zu kämmen. Heute ging es verhältnismäßig einfach, was ja nicht selbstverständlich war, da die Locken einzelne Strähnen oft verknoteten oder gar verfilzten! Wieder einmal warf Cat schnell mal einen Blick auf ihr Handy. 19:07 Uhr. So ein Mist, ich sollte doch Marie anrufen!
Immer noch so nackt wir vor zwei Stunden angelte sich Cat den Hörer und tippte mit flinken Händen schnell Maries 3-stellige Festnetznummer.
„Hey Cat, dachte schon, dass du gar nicht mehr anrufst!“, meldete sich Marie. „Sorry, tut mir echt leid. Was ist denn los?“ „Ähm, das würd ich dir gern persönlich sagen, ist das okay? Weil Lukas vorhin mal vorbei gekommen ist und gemeint hat, dass er auch nochmal zu dir will, wir könnten doch mal wieder zu dritt quatschen, ham wir schon lang nimma gemacht!“ „Wir ham zwar vorgestern erst was miteinander gemacht, aber wieso nicht, nimmst du n Lukas mit?“ Cat zwirbelte sich während des Gesprächs eine kleine Haarsträhne ein. „Klar kann ich machen, wir sind in ner viertel Stunde bei dir“, dann verabschiedete Marie sich. Ah ich muss mir jetzt mal was anziehen!
Telefon auf den Badewannenrand, flink zum Kleiderschrank in ihrem Zimmer gerannt und eine Jogginghose und einen dünnen Pulli raus geholt. Und wieder einmal stand sie vor einem mannshohen Spiegel und sah sich an. Die fast trockenen Haare hingen sanft gelockt und leicht schimmernd links und rechts über die Schulter herunter. Die eher gemütlichen Sachen verliehen Cat ein Mädchenhaftes Aussehen und ließen sie jünger (und vor allem unförmiger, als sie eh schon war) wirken. Nachdem Cat das festgestellt hatte ging sie runter, um sich vor ihrem Besuch noch etwas zu stärken.
Genau Zwanzig Minuten später läutete es an der Tür. Cat machte schnell auf und verschwand mit knapper Begrüßung gleich in ihr Zimmer, mit Marie und Lukas im Schlepptau.
Nachdem Lukas die Zimmertür geschlossen hatte, ließen sich die drei Freunde auf Cathlens Bett fallen um sich Maries neueste Story anzuhören. Marie legte sofort los und berichtet in jedem Detail von ihrem heutigen Fußballtraining. „Louis guckt ja seit neuestem auch zu und heute war er sogar bis zum Ende da!“, fing sie an. Cat wusste zwar schon, dass Louis, Maries heimlicher Schwarm, auch beim Mädchenfußball zuschaute, aber das er es bis zum Ende durchgehalten hatte, war ihr neu. Meist verschwand er schon nach zehn Minuten wieder vom Platz und spielte 200 Meter weiter auf dem Bolzplatz des Dorfes mit seinen anderen Kumpels. „Auf jeden Fall hat er mich diesmal auch voll oft angeschaut“, erzählte Marie weiter, „und nein Lukas, das hab ich mir diesmal nicht eingebildet!“, meinte sie sofort, nachdem Lukas gerade den Mund aufgemacht hatte um sie wieder einmal zu necken. Eben typisch Lukas
, schoss es Cat durch den Kopf. „War das alles? Ich bin zwar deine Abf Marie, aber um ehrlich zu sein, ist das ziemlich lahm. Er hat ja nur mal hergeschaut, das würde jeder machen, wenn ein Mädchen mit Körbchengröße C da mitspielen würde!“ Marie musste grinsen. „Er hat mich angesprochen.“ Cat stutzte, Lukas klappte der Mund bis zur Brust auf. „Was hat er?“ „Hab ich doch schon gesagt, er hat mich angesprochen!“ „Jetzt ohne Scheiß Marie, er hat dich angesprochen?“, Lukas wollte es genauso wenig glauben wie ihre beste Freundin. Marie holte ihr Handy raus und tippte kurz etwas ein. Dann drehte sie es und zeigte Cat und Lukas ihre neueste Errungenschaft. Cathlen las laut vor: „015482.... sag bloß das ist Louis´ Nummer?!“ Marie nickte triumphierend. Kurze Zeit später, kreischten Cat und Marie los und drückten sich. Lukas klatschte. „Wie geil ist dass denn?“ „Wow, reife Leistung“ „Marie das ist ja Hammer!“ Jeder redete durcheinander, bis irgendwann Marie meinte, sie müsste ihnen noch etwas zeigen und wieder eifrig auf ihrer Handytastatur rumdrückte. Schließlich drehte sie ihr Handy erneut in Richtung Cat und Lukas. „Eine Nachricht? Eine Nachricht von Louis? Marie du Granate!“, Lukas lächelte neckisch und boxte Marie gegen die Schulter. „Lukas halt den Mund und les sie!“, meinte Cat mitten in der Nachricht vertieft. Nachdem sie fertig gelesen hatte, griff sie nach dem Handy, riss es Marie auf der Hand, stand schnell auf, stellte sich vor Marie ans Bett und fing an, die SMS mit einer tiefen Stimme nachzulesen: „Hey Marie, du hast heute richtig super Fußfall gespielt“, Cat zwinkerte und Marie wurde rot, „wie wärs, wenn wir mal zusammen spielen, ein Ein-Mann-Spiel? Wäre echt cool. Bye Louis!“ „Marie, ich glaub, der will dich fertig machen“, meinte Lukas mit einem Blick auf Maries Handy, das Cat ihr jetzt wieder zurückgab. Marie zuckte mit den Schultern und schaute etwas schüchtern auf ihre Füße. Cat erkannte das Gesicht sofort. „Das Gesicht kommt mir bekannt vor, sag bloß du hast dich richtig richtig in ihn verknallt!?“, Cat schmiss sich auf Marie und kitzelte ihre 20 Zentimeter kleinere Freundin am Bauch. Auch Lukas machte bei ihrem Spielchen mit und fing an, Cat in den Schwitzkasten zu nehmen. Das Ganze ging noch eine gute Stunde, bis Lukas meinte, er müsse sich jetzt mal auf den Heimweg machen und auch Marie wollte so schnell wie möglich auf Louis Nachricht antworten, dies aber für sich alleine in ihrem Zimmer tun. Nach kurzem Verabschieden schloss Cathlen die Tür hinter den beiden.
Plötzlich fiel ihr auf, wie müde sie die letzten paar Stunden geworden war. Nach einem kurzen Abstecher ins Wohnzimmer, in dem sie sich von ihrer Mutter abmeldete, dass sie jetzt ins Bett gehe, schlurfte sie die Treppenstufen der Wendeltreppe hinauf und lies sich müde in ihr weiches Federkissen fallen. Selbst für einen Tagebucheintrag war sie heute zu müde. Mit einer leicht verrenkten Armbewegung zog sie sich die Decke bis zum Kinn und schloss ihre Augen. In ihrem Kopf erschien plötzlich Marie in ihren Trainingsklamotten und Louis, der sie ansprach. Marie findet Louis toll, Lukas diese Mona aus der Parallelklasse und ich? Die Jungs sind alle Idioten, außer Lukas, aber der ist nur mein Bester Freund.
Cat dachte weiter nach, in ihrem jungen Leben gab es schon mal ein paar Jungen, mit dem einen war sie auch schon mal zusammen gewesen, aber es hat nur ein paar Wochen gehalten. Cathlen, du warst einfach noch nicht alt genug, um mit 13 schon mit einem Jungen zu gehen.
Kam ihr der Gedanke. Außerdem war Niki ja nicht wirklich was Besonderes. Er war genau wie die anderen Jungen in seinem Alter, ein Stückchen (wirklich nur ein kleines Stückchen!) größer, braunhaarig, frech und fußballbessesen. Und Küssen konnte er deiner Meinung ja auch nicht!
Das Bild von Marie und Louis verschwand aus ihrem Kopf und eine große Nahaufnahme von Niki, ihrem Exfreund, rollte sich auf. Cathlen dachte nochmal darüber nach, wie ihr erste Kuss mit Niki abgelaufen war. Vor ihr bildete sich eine kleine Leinwand, wie im Kino und es spielte ihr die Szene vom Kuss ab. Sogar mit Ton! Zusammen saßen sie am See, es war eine Geburtstagsfeier von irgendeinem damaligen Klassenkameraden. Cat war zu der Zeit noch ein schüchternes Mädchen, mittlerweile schon eher frech. Sie planschte mit ihren Füßen im kühlen Wasser und lachte. Die beiden saßen etwas Abseits der Gruppe. „Hast du eigentlich schon mal geküsst Cat?“, hatte Niki sie gefragt. Cathlen schüttelte mit rotem Gesicht ihren Kopf, ihre bis zur Brust langen Haare waren zu einem Zopf zusammen gebunden. „Willst du es vielleicht mal versuchen?“ Cat schüttelte den Kopf. „So wie bei Spider Man? Das ist doch voll eklig!“, kicherte sie. Niki sah sie an, sein Blick war, der Zuschauerin Cat nach zu urteilen, ein sehr verliebter Blick. „Ich mag dich Cat“, meinte er schließlich. „Ich dich auch“, kicherte sie zurück. Die Situation kam der Jetzigen Cathlen ziemlich albern vor. Damals hatte sie keine Ahnung gehabt, was in den nächsten Stunden passieren würde! Niki nahm eine ihrer Hände und schaute wieder Cat an. Die war verunsichert. Und zwar so richtig! „Darf ich dich Küssen?“, fragte Niki schließlich etwas schüchtern. Cat sah zu den Anderen, die lachend am Lagerfeuerplatz saßen, sie nickte. Langsam beugte Niki sich zu ihr und gab ihr einen hauchdünnen Kuss auf den Mund. Es wurde dunkel, die beiden Kinder verblassten allmählich und die Nahaufnahme ihres ersten Freundes erschien wieder vor ihrem inneren Auge. Sie studierte es noch eine Zeit lang, dann schlief sie ein.
Tagebucheintrag: 19:38 Uhr
Noch Zwei Wochen und vier Tage! Dann bin ich endlich in Amerika angekommen, ich freu mich so! Ein paar meiner Sachen sind schon gepackt, die alte Kiste mit Tagebüchern, genauso wie meine Stofftieransammlung und der Riesensitzsack bleiben hier in Deutschland. Nur Fluffy, mein Kuschelteddy mit dem eingestickten Herz auf der Tatze kommt mit nach Amerika. Den hab ich zu meinem allerersten Geburtstag bekommen ;) Auch meine Schuhe muss ich noch aussortieren. Wird bestimmt nicht leicht. Ich krieg auch noch für den ersten Schultag welche, Mum sagte, wir kaufen die Übermorgen oder spätestens in drei Tagen, wird bestimmt erst in vier Tagen so weit sei, so wie ich sie kenne. Wenigstens muss ich mich nur noch von ihr, Marie und Lukas verabschieden, wenn ich dann in den Flieger steig. Den andren Verabschiedungskram hab ich ja schon vor einer Woche am letzten Schultag hinter mich gebracht. Das Einzige was etwas doof ist, ist dass meine Mum dann ganz allein in dem großen Haus wohnt. Naja, es ist nicht soooo groß, aber sie wird sich sicher einsam fühlen. Muss ich mir noch was einfallen lassen ;) Ich hab bissl Angst, dass sie auf dumme Gedanken kommt und vielleicht irgend sonen Penner in mein Zimmer einziehen lässt. Hallo da hängen noch ganz viele Dinge von mir und wenn ich dann überraschend komm und son schmutziger Typ auf meinem Bett liegt und sich grad n Bierchen gönnt, dann tick ich echt aus! So blöd wird sie hoffentlich nicht sein... Auf jeden Fall geh ich jetzt mal wieder früh ins Bett, bin zur Zeit sehr müde, da ich jeden Tag neue Dinge einpacken und wegtragen oder gar verschenken muss! Verschenken! ): Aber is ja für nen guten Zweck! :) Ich leg mich dann mal.
Als Cathlen mitten am Tag in ihrem Bett aufwachte, war das erst was sie machte, auf ihrem Wecker das Datum nach zusehen. „Wow, noch zwei Wochen und zwei Tage!“ Zufrieden stieg sie aus ihrem Bett und warf zu aller erst mal einen Blick in den Spiegel. Ihre Locken waren über Nacht in alle Richtungen gedreht und gezogen worden und standen jetzt zum Teil nach oben und zur Seite. Ein Haarchaos, aber egal.
Nach kurzem Strecken und einem zweiten schnelleren Blick in den Spiegel beschloss sie runter frühstücken oder besser gesagt, Mittag essen zu gehen und stolperte gleich mal über einen gepackten Karton, der noch runter in den Keller musste. „Scheiß Ding!“, fluchte Cat, sammelte die herausgefallen Sachen wieder ein und krabbelte wortwörtlich die Wendeltreppe runter ins Erdgeschoss, in dem ihre Mutter schon mit dem Mittagessen auf sie wartete. „Good morning, darling. How was your night?“, fragte sie in einem freundlichen Ton und fing gleich an, Cat ein Spiegelei und eine Portion Speck auf den Teller zu laden. Sie hatte ein enges Shirt und eine lockere Jeans an. Das trug sie immer nur wenn sie Essen machte, normalerweise bevorzugte Cathlens Mutter enge Röcke und Blusen, eine echte Bürokauffrau halt. „Bullshit“, antwortet Cat knapp und stocherte mit der Gabel im Eigelb herum. Warum heißt das Ding eigentlich Eigelb?! „Hast du schlecht geschlafen?“ „Keine Ahnung, es ist irgendwie komisch, jetzt stehen überall schon meine Kisten und Koffer und so rum! Außerdem flieg ich über irgendwelche Sachen, die ich kurz zuvor vielleicht erst gefunden habe und nicht mal wusste, dass ich sowas besitze.“ Cat ließ ihren Blick zur Decke gleiten und sah in die ausgeschaltet Küchenlampe. Ein Erbstück ihrer Großmutter, ziemlich schwer, ziemlich viel wert. „Du meinst, dir wird erst jetzt wirklich bewusst, dass du weg von hier gehst?“ Cats Mutter kam um die Theke herum und nahm ihr Tochter in den Arm. Sie roch nach dem neuen Yves Rocher Parfüm. Erdbeeren. Der Duft verflog sehr schnell, er war nur noch sehr schwach. Aber er war da, genau wie sie. Noch Cat, noch war sie da!
„Das wird schon, dir wird es in South Carolina sicher gefallen.“ Ihre Mum spielte mit einer ihrer Locken „Hm... bestimmt.“
Tagebucheintrag 21:13 Uhr
Eine Woche und sechs Tage! Mittlerweile sind auch meine Schuhe aussortiert und Marie wird auch immer glücklicher mit jedem Treffen, das sie mit Louis hat. Ich glaub es waren jetzt seit sie uns die SMS gezeigt hat, vier oder so! Heute waren wir zusammen im Kino, nur Marie und ich. Lukas hatte keine Zeit und dann ham wir uns mal wieder einen Mädelstag gemacht. Wir ham der Frau an der Kasse einfach gesagt, wir wollen in den nächsten Film der läuft und schwupps sind wir in irgendeinem Drama gelandet, das nur sieben Besucher hatte. Da der Film stinklangweilig war, hab ich nach n paar Minuten angefangen, Marie über Louis auszuquetschen. Er und sie waren das letzte mal zusammen am See! AM SEE! Hallo, das ist eigentlich der romantischste Ort, in der ganzen Umgebung, außer natürlich der Doppelsitzer im Kino ;) Sie waren zusammen baden und haben jede Menge Quatsch gemacht, einmal hat er sie auch von hinten in den Arm genommen und hat sie kurz so fest gehalten, aber dann hat er sie einfach eiskalt getaucht, was die Stimmung ihrerseits etwas vermiest hat. Aber sie hat echt voll süß Schmetterlinge im Bauch. Die beiden wären auch voll das niedliche Paar, weil Louis nicht son Macho ist, wie die ganzen anderen Arschlöcher aus dem Umkreis und seiner Fussballmannschaft. Naja, das zu Marie. Aber jetzt nochmal zu mir ;) In einer Woche und sechs Tagen bin ich weg! WEEEEG :D
Als Cathlen gerade den Feldweg entlang ging, um sich nochmal ihren Ort und den See anzusehen dachte sie daran, wie es wohl ist, wenn sie in Amerika lebt. Noch eine Woche und vier Tage und immer noch voll viel zu tun.
Seufzend ließ sich Cat auf einen umgefallen Baum plumpsen und sah sich um. Die Strecke, die sie die letzten zwanzig Minuten gelaufen war, waren Marie, Lukas und sie oft mit dem Fahrrad entlang gefahren.
Der Feldweg führte direkt zum See, der mit dem Fahrrad ungefähr eine halbe Stunde entfernt war. Vor ihr lag also noch ein gewaltiges Stück Weg, dass sie aber mit Vergnügen noch mal lief oder auch noch öfters laufen würde, nur um es in ihrer Zeit in Amerika nicht zu vergessen. Vor ihr erstreckte sich ein Acker mit irgendwelchem Korn oder Getreide von dem sie überhaupt keine Ahnung hatte. Für sie sah so etwas eigentlich immer gleich aus. Es war schließlich nur wichtig zu wissen, dass daraus Brot gemacht wurde und wer allergisch dagegen war, sollte die Finger davon lassen. Gerade noch Wichtig um sichs zu merken.
Aus der Richtung, aus der sie gekommen war, sah man noch ein paar der roten und braun gedeckten Dächer des Dorfes und zur andren Seite, sah man nichts als eine Mischung aus Feldweg, Getreide oder Korn und Bäumen. Einerseits waren es stinknormale alte Kastanien, die so zahlreich um ihren Ort standen, oder aber Eichen. Marie und sie hatten mal, wie sie noch ziemlich klein waren, eine Eiche zusammen mit Maries Vater, der Gärtner war, gepflanzt. Ganz in der Nähe des Sees. Mittlerweile war sie schon ein "großer" zwölf Jahre alter Baum, zwar war das im krassen Gegensatz zu den richtig alten Eichen gar nichts, aber für Cathlen und Marie war es wie ein Freundschaftsband. Das Bäumchen wuchs und wuchs und genau so wuchs auch ihre Freundschaft. Cat schloss die Augen und atmete die frische Luft tief ein und wieder aus. Es befreit irgendwie.
Schoss es ihr durch den Kopf. Auch die warme Julisonne spürte sich gut auf ihrer blassen Haut an. Nach mehrmaligem Ein- und Ausatmen stand sie schließlich auf und ging weiter in Richtung See.
Nach zwanzig weiteren Minuten kam sie an eine bekannte Wegkreuzung, in der Marie, Lukas und sie oft eine kleine Pause gemach hatten. Wieder schaute sie sich um. Das Feld mit dem Getreide war mittlerweile zu Ende und auch die Bäume waren weniger geworden. Jetzt bestand die Landschaft aus Sträuchern und Hecken und einem nicht bepflanzten Acker und der großen kleinen Eiche von Marie und Cathlen. Sie ist größer geworden
, dachte Cat und stellte sich daneben. Wenn ich wieder aus den USA kommen werde, wirst du mich längst ums doppelte oder dreifache überragen!
Cat stellte sich vor, wie der Himmel in Amerika jetzt wohl aussehen würde. Hier auf dem Feldweg war der Himmel klar und hatte einen wolkenlosen blauen Schimmer. Wenn du erst mal in Amerika bist, dann siehst du welche Farbe der Himmel hat, wenn dir langweilig ist
, dachte sie sich und lief weiter.
Nachdem sie noch einige Zeit gelaufen war, hörten endlich auch die Sträucher, Bäume und Felder auf und gaben eine weite grüne Wiese frei. Nach circa hundert Metern Wiese fing langsam der See an.
Cathlen blieb erneut stehen und starrte einige Zeit den See und seine Umgebung an. Jetzt kann ich den See nicht mehr vergessen wenn ich in Amerika bin
, lächelnd lief sie das letzte Stück und setzte sich dann ans Seeufer ins Grüne.
Gemächlich zog sie ihre Laufschuhe und ihre Socken aus und betrachtete ihre nackten Füße. Mit der Zeit streckte sie ihre Zehen immer mehr dem Wasser entgegen und spürte schon bald, wie das kühle Nass ihre Zehenspitzen umspielte und schließlich den ganzen Fuß verschluckte. Das erfrischende Gefühl war genau das Richtige nach einem anstrengenden Weg, wie ihn Cathlen zurück gelegt hatte. Als sie so da saß, die Füße im Wasser und den Blick dem Himmel zugewendet, fing Cat wieder an zu träumen. Ob es dort wohl auch so einen schönen See wie bei uns gibt? Und wenn, werde ich dann überhaupt Freunde finden, mit denen ich dort vielleicht im Sommer zelten und einfach mal relaxen kann.
Ihr kamen auf einmal so viele Gedanken und so viele neue Träume, Wünsche, Ängste. Mit der Zeit konnte Cat es schon kaum noch aushalten, allein an einem so ruhigen und friedlichen Ort zu sein. Sie brauchte Abwechslung, also schnell nach Hause um mit ihrer Mutter zu quatschen und noch etwas an ihrem Englisch zu feilen. So zog sie ihre Füße aus dem Wasser, streifte ihre Socken über und schlüpfte in ihre Laufschuhe. Dann stand sie auf und machte sich wieder auf den Heimweg.
Tagebucheintrag: 18:56 Uhr
Noch eine Woche und ein Tag! Das heißt für mich, in fast genau einer Woche wohne ich mit meinem Daddy in Amerika in South Carolina in einem kleinen gemütlichen Haus, mit meinem eigenen Zimmer und meiner persönlichen Lieblingsfarbe. Und dann die neue Schule... bin echt aufgeregt, wie eine amerikanische „Highschool“ so ist. Hoffentlich versteh ich die Lehrer dann auch :D wär ja blöd wenns nicht so wär! Aber erst mal zählt, dass ich saumüde bin, da ich heute wieder einmal 100% beim ausmisten gegeben habe und noch zwei schwere Kisten zu unsren Nachbarn tragen musst, in denen meine alten oder zu kleinen Kleider waren. Die Mädchen, die jetzt beide 7 sind, freuen sich bestimmt darüber :) man ich bin so ein guter Mensch ;) Ach und was ich noch unbedingt in mein Tagebuch reinschreiben wollte, ist diese SMS:
14:23 Uhr Marie
Hey Cat,
ich weiß zwar, dass du jetzt immer mehr Stress hast, wegen packen und so, aber ich muss mit dir reden! Es sind jetzt nur noch 6 Tage und ich wollte dir das einfach vor deiner Abreise sagen, wie wäre es mit in vier Tagen im JUZ, 16 Uhr? :) Bitte!
Kuss Marie.
Mich würd echt interessieren, was Marie mir mir bereden will... Ich kapier das einfach nicht. Aber ich werd einfach mal ins JUZ gehen. Mal sehen was passiert :b
Also ich leg mich mal hin, is zwar noch gar nicht so spät, bin aber trotzdem saumüd!
„Cat, kannst du dich denn endlich entscheiden? Wenn du so weiter machst, dann müssen wir deinen Flug verschieben, weil du solange brauchst um Schuhe aus zu suchen!“, meinte Cathlens Mum leicht genervt. Man konnte ihrer Mutter eigentlich nicht leicht nerven, doch wenn es um das Thema Cat und Schuhe ging, dann konnte selbst die fast grenzenlose Geduld ihrer Mutter nicht mehr halten und sie führte sich auf, wie ein Kind das seine Weihnachtsgeschenke schon unbedingt früh am Morgen am Weihnachtstag aufmachen wollte. Cat saß währenddessen zwischen unzähligen Schuhkartons und musterte jeden Einzelnen. Sie hatte die Wahl zwischen einem Paar schlichter cremefarbener Ballerinas, Flip Flops, die auch hinten an der Verse ein Riemchen hatten und vorne in drei verschiedenen Farben eingefärbt waren, zusätzlich zierte eine daumengroße Blume die Stelle an der sich die Bändel verbanden um zwischen dem großen und dem zweitgrößten Zeh hindurch zu gehen. Unzählige Arten von Chucks oder Halbschuhen, die jeder einen anderen Print und eine andere Farbe besaßen und noch einem Paar schwarzer Riemchenschuhe mit einem vier Zentimeterabsatz. Schwere Wahl, warum hab ich Marie nicht mitgenommen?
Cat zog eine Schnute. Is aber auch schwer die passenden Schuhe für den ersten Schultag zu finden!
„Hör auf zu schmollen und schau dir bitte deine tausend Paar Schuhe an, Kind.“, nervös trat ihre Mutter von einem auf das andere Bein. Das Talent, sich zwischen so vielen Schuhen nicht entscheiden zu können, hatte sie eindeutig von ihr geerbt. Deswegen hat sie auch so viele Schuhe in ihrem Schrank, sie kann sich nicht entscheiden und kauft am Ende vier verschiedene!
Cat wollte aber nur ein Paar mitnehmen, da ihr Gepäckgewicht sowieso ziemlich hoch sein würde und sie auch gar keinen Platz dafür hatte noch mehr Schuhe mit zu nehmen. „Wir haben jetzt noch genau sechs Tage Schatz, dann bist du weg! Bitte beeil dich n bisschen!“, drängte ihre Mutter erneut. „Jaja, schon gut! Stress nicht so. Sonst dauerts noch länger!“, versuchte Cat sie zu beschwichtigen. Sie musste sich ihr Outfit für den ersten Schultag nochmal in Erinnerung rufen! Lila Top, grauer Gürtel, Strickjacke und blaue Röhre. Okay die grünen Schuhe sollte sie lieber im Laden lassen!
Sie zeigte auf die Grünen Halbschuhe und schüttelte den Kopf. Auch die blauen und die roten Chucks waren dafür nicht geeignet. Sie wurden ebenfalls zurück getragen. Es blieben noch die Ballerinas, die Riemchenschuhe mit Absatz, die Flip Flops und ein Paar weiße Halbschuhe. Absätze sehen zu dem Outfit bestimmt auch nichts aus! Ich will ja nicht als Lehrerin durchgehen.
„Die Absätze können auch weg!“, meinte sie kurzerhand. Erleichtert atmete ihre Mutter auf, sie war sowieso dagegen, dass ihre Tochter Absätze trug. Jetzt wurde es eng. Weiß sah immer zu allem gut aus, aber die Ballerinas waren auch reizvoll, ebenso wie die verspielten Flip Flops. Cat saß in einer Zwickmühle, um kurz durch atmen zu können, schloss sie die Augen und zählte die Stunden, die sie bereits hier saß. Eins, zwei.... zwei ½, drei.... Oh doch schon drei ¼ Stunden! Ich sollte langsam mal irgendwelche kaufen!
Jetzt ging alles sehr schnell, sie entschied, dass keine der Schuhe wirklich dazu passte. „Mum, kannst alles wieder zurück legen. Ich nehm keine von denen.“ Cat überraschte der verblüffte Blick ihrer Mutter keineswegs, sie hatte damit gerechnet. Jetzt kommt die Überraschung, los sags ihr Cat! „Ich werd die selben Halbschuhe nehmen, wie die, bloß in schwarz“, grinste sie zufrieden. Erleichtert nahm ihre Mum ihr die drei Kartons ab und gab sie einer Verkäuferin in die Hand, dann machte sie sich auf, um die schwarzen Halbschuhe zu holen. „Größe 38 nicht?“, fragte sie nochmal zur Sicherheit. Cathlen nickte. Sie war mit sich zufrieden. Als sie das Geschäft verließen war auch ihre Mutter wieder normal, es war schon fast so, dass sie ihre Ungeduld einfach in dem Schuhgeschäft gelassen hatte. Merk es dir Cat! Du darfst nicht wieder in diesen Laden rein.
Tagebucheintrag: 22:45 Uhr
Jetzt sind es nur noch Fünf Tage! Und morgen ist das Treffen mit Marie... bin immer gespannter darauf, was sie mir zu sagen hat! Hoffentlich ist es nicht der Anfang von einem Streit, könnte ich jetzt gar nicht gebrauchen! Aber egal, lassen wir einfach auf Morgen warten!
Gestern hab ich endlich meine Schuhe bekommen, nichts geht über die perfekten Schuhe! ;) Hat allerdings auch etwas über drei Stunden gedauert, ich halt :D und wie vermutet haben wir auch nicht gleich am übernächsten Tag Schuhe gekauft, so wie versprochen, sonder erst ewige Zeit später, müsste ich jetzt sogar nachrechnen, weil ich es nicht mehr weiß.... Aber irgendwie ja auch egal :D Heute ist alles egal, WEIL (!) jetzt kommts.... Ich müüüüde bin :P Es is fast elf und ich hab bis jetzt noch so ewig viel weggeräumt und umgestellt. Es geht einfach nichts mehr! Asta la vista! Arrividerci! Bye! Servus! ;) :D Ich leg mich!
Nach dem Mittagessen ging Cathlen wieder in ihr Zimmer um schon mal ihren einen Koffer mit ihren Wertsachen zu packen. Als sie sich runter bückte um den Koffer unter dem Bett hervor zu holen, schweifte ihr Blick, den kleinen Wecker auf ihrem Nachttisch. Noch Vier Tage, dann bist du weg!
Mit einer schnellen Bewegung zerrte sie den großen Koffer hervor und klappte ihn auf. „Jede Menge Platz für Schminke und Fotos von Marie und Lukas“, meinte auf einmal ihre Mutter, die im Türrahmen stand. Ihr Gesicht strahlte. Das sah man deutlich an dem Glitzern in ihren Augen. Sie war stolz. Sie ist stolz auf ihre Tochter!
Cat lächelte ihre Mutter an. „Would you help me, to pack my things?“, fragte sie höflich. „Yes“, meinte ihre Mum, kam strahlend ins Zimmer und kniete sich dann neben Cathlen, um ihr beim Packen zu helfen. „Ich würde vorschlagen, du packst erst deine Klamotten für die anderen Jahreszeiten ein, die dicke Jacke würde ich aber draußen lassen und als Handgepäck mitnehmen, das spart nicht nur Platz, sondern kostet auch nichts“, meinte sie zwinkernd. Cat nickte zustimmend und fing an, ihre Kleiderstapel, die sie schon am vorherigen Tag zusammengestellt hatte, systematisch mit ihrer Mutter einzupacken. Als der Koffer voll war, fehlte immer noch ein viertel der Klamotten. „Scheiße, wo soll der ganze Kram denn hin, Mama?“, fragte Cathlen schon leicht verzweifelnd. Ihr Mutter zuckte ratlos mit den Schultern. „Wir haben zwar noch einen Koffer, aber den wirst du für deine ganzen anderen Dinge, wie Schulmaterial und deine Taschen und Accessoires brauchen, da werden keine Klamotten mehr reinpassen!“ Ihre Mum liebte es, mit speziellen Begriffen wie Accessoires oder dem bescheuerten Wort Toilette anstatt Klo um sich zu werfen. Schnaufend überblickte Cat ihre ganzen Sachen. „Bringst du mir den anderen Koffer mal?“ „Ja klar mein Schatz, einen Moment“, schnell stand ihre Mum auf und machte sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer, in dem sie ein ganzes Koffersammelsurium verstaute. Oft genug, hatte Cathlen sich schon gewundert, woher ihre Mutter den ganzen Stauraum in ihrem Zimmer herbrachte. Cats Zimmer war nicht sehr voll gestellt und dennoch hatte sie sehr wenig Platz für ihre dutzend Taschen und ihre ganzen ´Accessoires´. „Einen Großen?“ „Ja Mama, bitte!“ Was muss ich eigentlich noch mitnehmen, außer meine Klamotten?
Cat sah sich erneut um; mein Stofftier, die Fotos von Marie und Lukas und Mama, meine drei Lieblingstaschen, meinen Rucksack, meine Schulsachen, meine ganze Schminke, meine ganzen Ketten, Armreife, Haarreife, Spangen, Klammern und Ohrringe! Oh mein Gott, das werd ich nie alles unterbringen!
Etwas hoffnungslos setzte sich Cat vom Boden auf Bett und überlegte fieberhaft nach. Im selben Moment kam ihre Mutter mit dem Koffer. Er war noch ein Stück größer, als der, den sie schon gepackt hatten, er wäre groß für all ihre Klamotten gewesen! „Helf mir!“ „Bei was denn, Mama?“ „Wir müssen die Sachen in den reinpacken, da passt doch viel mehr rein, dann hast du einen Koffer mit Klamotten und der andere ist für den ganzen anderen Kram. Kein Durcheinander und kein Mischmasch!“, meinte sie zufrieden. In den nächsten zwei Stunden packten die zwei die Klamotten in den anderen Koffer und einen Großteil der anderen Dinge in den Kleineren. Als sie endlich fertig waren, schaute Cathlen auf ihren kleinen Wecker. 15.48 Uhr. „Oh ich muss mich jetzt fertig machen!“ „Für was denn, Cat? Wir sind doch immer noch nicht ganz fertig!“, meinte ihre Mum auf einmal. „Doch das muss reichen! Ich hab ja noch drei Tage, das schaff ich schon irgendwie“, meinte Cat und kramte in ihrem Schuhschrank nach ihren schwarzen Ballerinas.
Als sie sie endlich gefunden hatte, drückte sie ihrer Mutter noch einen dünnen Kuss auf die Wange und verließ das Zimmer. Mit raschen Schritten lief sie die Einfahrt hinunter und in Richtung Jugendzentrum.
Am Bürgerheim angekommen, stemmte sie die schwere Tür auf und lief die Treppen ins JUZ hoch. Doch wie sie die Tür aufmachte, war es drinnen stockdunkel. Niemand da. Sowas war Cathlen noch nie passiert! „Hallo?“, Cat kam sich verarscht vor. Sie holte ihr Handy heraus, um sich verzugewissern, dass sie auch keine falsche Uhrzeit verstanden hatte. In Maries Nachricht stand 16 Uhr. Jetzt war es eine Minute nach 16 Uhr. Sie war also keineswegs zu früh oder zu spät, genau richtig! „Hallo?“ Erneut erhielt sie keine Antwort. „Das is mir echt zu blöd“, meinte sie und drückte auf den Lichtschalter. Das Licht ging an und Cathlen traute ihren Augen nicht.
Vor ihr standen alle ihre Freunde, Nachbarn und sogar ihr zwei Cousinen, die nicht gerade um die nächste Ecke wohnten! Alle hatten sie Luftschlangen und Luftballons in der Hand und hinter den ganzen Leuten, oben an der Wand hing ein Banner mit dem Spruch „Cat, wir werden dich vermissen!“ darauf. Cat wusste nicht was sie sagen sollte, als Marie und Lukas aus der Menge gestürmt kamen und laut „Überraschung“ riefen und sich um Cats Hals warfen. „Ich … ich..“, stotterte sie etwas benommen. Marie löste sich und schaute ihr in die Augen. „Schätzchen, das haben wir für dich vorbereitet! Das war schon so lange geplant und NIEMAND fehlt! Alle da, es wundert mich zwar ein bisschen, aber es haben sogar alle dicht gehalten!“, Marie bemerkte eine kleine Freudenträne auf Cathlens Backe und wischte sie weg. Auch Lukas nahm Cat erneut in den Arm und flüsterte ihr die Selben Wörter ins Ohr. Dann wurde es ganz leise und alle schauten Cat an. Sie musste sich überlegen, was sie sagen sollte. Sie öffnete den Mund und überlegte nochmals. Ihr fiel nichts ein! „Äh.... Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir was Schöneres angezogen!“, meinte sie dann verzweifelt und lief rot an. Normalerweise war sie es gewohnt, nicht der Mittelpunkt einer ganzen Menschenmenge zu sein. Alle fingen das Lachen an. Wirklich jeder. Aus der Menge konnte man Sätze wie „Das ist unsre Cat“ oder „So was werden wir vermissen“ hören. Lukas legte gerade eine CD ein und schon kam Cathlens allererstes absolutes Lieblingslied; 99 Luftballons! Als sie gerade fünf wurde, hat ihre Ome ihr damals die Nena- CD geschenkt und seit dem Tag, war das eines ihrer Lieblingslieder gewesen. Cathlen fand es einfach nur süß, dass sich Marie und Lukas so viel Mühe gemacht hatten, um sich bei ihr zu verabschieden. Cathlen konnte nicht anders, mitten in den Song schrie sie zu Marie, die am anderen Ende der Menge stand, „Danke, Ihr seid einfach die Besten!“ Sie war so glücklich, so tolle Freunde zu haben.
Mittlerweile war die kleine Party in vollem Gange und die meisten Leute waren dabei, wie wild ab zu tanzen oder sich mit den anderen zu unterhalten. Cat stand gerade an der großen Theke und schlurfte an ihrer Cola, als sie von hinten angetippt wurde. „Hi Cat“, sagte Louis, der jetzt neben ihr stand. „Äh, hey, wusste gar nicht, dass du auch da bist“, meinte Cathlen etwas verwundert und nahm ihren Strohhalm in den Mund um noch einen weiteren Schluck zu nehmen. „Marie hat mich eingeladen.“ Cat drehte sich unbemerkt etwas nach links, um nach Marie zu sehen. Die stand neben Lukas an der Stereoanlage und hantelte gerade mit drei verschiedenen CDs herum. Die ist wohl beschäftigt Louis
, kam ihr der Gedanke beim Anblick ihrer Freundin. Marie du bist hast echt Talent, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein!
„Sie ist wohl etwas beschäftigt, weiß sie denn, dass du da bist?“, versuchte es Cathlen auf die freundliche Art. „Weiß nicht, sie interessiert sich anscheinend nur für die Musik und die anderen Leute“, entgegnete Maries Schwarm knapp. Da ist aber jemand ganz schön traurig, dass Marie ihn nicht beachtet. Ich muss die Nudel irgendwie darauf aufmerksam machen, bevor sie ihre Chancen ganz verspielt hat!
Cat überlegte mal wieder fieberhaft nach, was sie nun machen könnte. Leider musste sie viel zu oft zu arg nach denken und bekam so auch sehr oft Kopfschmerzen davon. Ihr kam zum Glück eine geniale Idee. Da Louis noch nichts zu trinken hatte, fragte sie ihn, ob er vielleicht eine Cola oder so trinken wollte. „Ja, gern.“ Kurzerhand ging sie hinter die Theke und versuchte neben dem Cola einschenken einen Bierdeckel in vier Teile zu teilen und flink mit einem Tesastreifen alles zu verkleben. „Kennst du hier irgendwelche Leute, Louis“, fragte sie dann mit Absicht etwas dumm, obwohl sie genau wusste, dass er ein paar von denen kannte. Genau in dem Moment, in dem Louis sich umdrehte um sich die Menge genauer anzusehen, warf Cat mit so viel Schwung wie nur möglich die Bierdeckel in Richtung Marie und Lukas. Der Bierdeckelklumpen erreichte ihre Freundin sogar, die sich sogleich umdrehte und Cathlen hinter der Theke und davor Louis erkannte. Mit einem etwas dummen Gesicht und verschiedenen Gesten machte Cat Marie klar, dass sie sofort mir Louis reden und nicht nur DJ spielen sollte. Ihr Plan ging auf; Marie kapierte das Manöver bevor Louis sich wieder umgedreht hatte und ihr einige Leute aufzählte. „Achja, du wohnst ja auch hier“, kicherte Cat etwas albern. Perfekt, Marie ist schon auf dem Weg und du verziehst dich gekonnt in eine andere Ecke.
„Ich geh dann mal zu Lukas rüber, der scheint Probleme mit der Anlage zu haben“, entschuldigte sie sich und verschwand mit ihrer Cola genau zur rechten Zeit. Marie hatte Louis gerade begrüßt und war mit ihm ins Gespräch gekommen. Auf dem Weg zu Lukas lobte sich Cat ausführlich für ihre Verkuppelungsaktion. Super! Ich muss echt ne gute Freundin sein.
„Cat, was für Musik willst du als nächstes hören? Zur Auswahl hast du irgendwelche älteren Lieder, die Atzen oder die neue BRAVO- CD.“ „Leg die Atzen rein.“ „Wie du willst.“ Der gerade laufende Titel wurde unterbrochen und durch einen merkwürdigen Klingelton ersetzt, kurze Zeit später fing das Lied richtig an. Die Leute fingen alle an zu kreischen und sangen laut mit. Auch Cathlen und Lukas stellten sich mitten in die Menge und hatten ihren Spaß. Zwischendurch guckte Cat immer wieder neugierig zu Marie und Louis, die sich angeregt unterhielten und miteinander flirteten. Mich würds nicht wundern, wenn die beiden heute noch in der Ecke hocken und rummachen. Marie kann aber auch verdammt gut flirten!
Cat musste lachen und brüllte wieder den Refrain von ´Hey das geht ab´ mit.
Nach verrückten Tanzeinlagen, wildem rum gehüpfe und jeder Menge lauter Musik ließ sie sich schließlich total fertig und verschwitzt auf das Ecksofa des Jugendzentrums fallen. Es war an der Zeit mal wieder einen Blick auf die Handyuhr zu werfen. 18:24 Uhr. Fast zwei ½ Stunden gefeiert.
Cat musste erst mal durch schnaufen, durch die ganze Hüpferei hatte sie Seitenstechen und einen hochroten Kopf bekommen. Bestimmt standen auch ihre Haare in alle Richtungen ab. Marie und Louis hatten das JUZ schon vor ungefähr einer Stunde verlassen. Cathlen war schon auf die spätere Erzählung ihrer Freundin gespannt. Mit der Zeit gingen immer mehr Leute, die sich vorher noch bei Cat verabschiedeten. Jeder wünschte ihr alles Gute in Amerika, hoffte, dass sie viele neue Freunde fand und versicherte ihr, dass er sie vermissen würde. Sogar ein paar kleine Vergiss-mei-nicht-Geschenke häuften sich an. Nicht zuletzt verabschiedeten sich auch ihre zwei Cousinen, die auch schon so ihre Erfahrungen mit Amerika gemacht hatten, da deren Vater der Bruder ihres Dads war. „Onkel Pete hat ein richtig schönes Haus Cat! Und die Schule kennen wir auch, sie wird dir gefallen!“, meinten die Beiden. „Danke, kommt ihr die nächsten Ferien auch mal wieder rüber? Dann könnten wir mal was unternehmen“, schlug ihnen Cathlen noch vor, doch ihre Cousinen meinten, dass das gar nicht nötig war, weil sie so schnell neue Freundinnen finden würde, dass Verwandte da keine Chance mehr hatten. Dann verließen die beiden das JUZ. Als es bereits auf halb acht zuging, fingen Cat und Lukas das Aufräumen und saubermachen an. Gerade räumte Lukas die Stereoanlage in die Box zurück und Cat die leeren Flaschen in die Getränkekästen, stolperte Marie durch die Tür und grölte lauthals los. „Ich bin soooo gut!“, meinte sie. Cat ahnte schon, was passiert war. Sie ist mit Louis zusammen. 3... 2... 1...
Cat machte eine Ausholbewegung auf Marie. „Ich bin mit Louis zusammen!“ Wusst' ich´s doch
, Cathlen grinste über ihren siebten Sinn. Sie stellte die letzte Flasche in den Kasten, fing das kreischen an und hüpfte auf ihre beste Freundin zu. Marie tat es ihr nach und mitten im Raum trafen sie sich. „Wie ist es dazu gekommen?“, wollte Cathlen gleich wissen. Auch Lukas hatte seine Stereoanlage stehen gelassen und kniff Marie in die kleine rote Backe. „Wie gesagt, Marie du Granate“, lachte er. Marie erzählte die ganze Story während sie den Boden kehrte, Cat wischte inzwischen die Bar und die Theke und Lukas räumte den Rest der Anlage weg und hängte das Banner ab. Zusammen ging es viel schneller und so ließ sich Cat nach dem Abendessen hundemüde und überglücklich auf ihr Bett fallen. Tagebuch schreiben, das muss jetzt noch erledigt werden!
Schnell holte sie ihr kleines blaues Büchlein raus und packte sich einen ihrer unzähligen Kugelschreiber.
Tagebucheintrag: 21:06 Uhr
Es war einfach nur so geil. Eine Verabschiedungsfeier für mich im JUZ. Als Vorwand die SMS von Marie! Echt genial :) Die Frau wird mir immer ein Rätsel bleiben! War auch cool, die ganzen Leute, sogar meine beiden Cousinen, nochmal zu sehen. Marie und Louis sind nach einem geschickten Manöver ( von MIR ;D ) ins Gespräch gekommen und dann später spurlos verschwunden. Das war so süß; als alle gegangen sind, haben mir so viele noch Alles Gute und viel Spaß und so gewünscht und sogar ein paar kleine Geschenke gemacht. Ich einen Teddy bekommen! :) Ich liebe diesen Ort :)) ♥ Dann beim Aufräumen ist Marie wieder aufgetaucht und hat Lukas und mir voller Stolz erzählt, dass sie jetzt mim Louis zusammen ist! Wie das passiert ist, hat sie uns dann während des Kehrens und Banner abhängen erzählt: Sie und Louis sind rausgegangen, weil es ihm zu laut wurde.(Wahrscheinlich nur ein Vorwand um mit Marie mal alleine zu sein) Draußen sind sie dann ein Stück gelaufen. Jeder für sich! Irgendwann aber hat Louis Maries Hand genommen und ist so weitergelaufen. Marie hat erzählt, dass sie gemerkt hat, wie sie rot wurde, voll süß :) Nach fünf Minuten hat Louis dann angefangen, dass er Marie total hübsch findet, lustig und sie sehr nett ist. Marie hat währenddessen die klappte gehalten und immer schön brav genickt und sich halt die ganzen Komplimene angehört ;) Dann ist er stehen geblieben und hat sie gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein möchte und sie hat „JA“ gesagt. Wie beim heiraten war das :D und dann haben sie sich das erste mal geküsst. Eigentlich total niedlich! Was heißt eigentlich :P es ist total niedlich :) Aber jetzt bin ich total fertig. Lukas hat noch gemeint, er hat total viele Bilder von der Feier gemacht, die würd ich auch noch total gern mit nach Amerika nehmen. Vielleicht werden sie ja noch rechtzeitig fertig. Jetzt sind es ja schließlich nur noch Morgen, Dienstag und Mittwoch. Wow! - und dann heißt es Amerika ich bin da! Endlich braun werden ;) :)
Cathlen wurde durch ein unangenehmes Geräusch geweckt. Als sie die Augen öffnete stand ihre Mutter schon mit dem Telefonhörer in der Hand im Zimmer und zog eine Grimasse, was so viel bedeutete, dass sie genau wie Cat auch aus dem Schlaf gerissen wurde. Gähnend nahm sie ihrer Mutter den Hörer entgegen und murmelte ein müdes Hallo ins Telefon. „Hey Honey, how are you?“, meldete sich auf einmal die putzmuntere Stimme ihres Dads. „Dad? Oh mein Gott du rufst aber früh an!“, Cat wagte einen Blick auf ihren Wecker. 07:13 Uhr. „I know it´s very early, but you have to speak my language!“, meinte er in einer langsamen Version seines Englisches. Cat fasste sich ein Herz und antwortet auf Englisch, was blieb ihr auch anderes übrig, ihr Vater konnte zwar Bruchteile Deutsch, aber einen ganzen Satz hätte er nie und nimmer hinbekommen. Musste sie ihm dann in den nächsten Monaten beibringen. „Warum rufst du schon so früh an, Dad? Ich hab noch geschlafen!“ „Sorry. Aber ich wollte dir Bescheid geben, wie viel Geld du jetzt für deine Gepäckstücke zahlen musst! Hast du die Koffer schon gewogen?“ „Nein, aber ich glaub es sind zwei ziemlich schwere Teile. Mamas größter Koffer, wenn du verstehst was ich meine.“ Die Koffer standen ja direkt vor ihr. Ja sehr schwer, Daddy.
„Ok, hast du einen Zettel und einen Stift? Dann diktiere ich dir jetzt mal die Beträge für die bestimmten Gewichtsüberschreitungen.“ Jetzt schon!? Es ist doch noch so früh!
„Warum hast du denn jetzt schon angerufen?“,wollte Cat endlich wissen. „Die Zeitverschiebung mein Schatz!“,bekam sie endlich eine Antwort. „Du hast vor ner Woche aber auch erst um fünf angerufen!“, meinte Cathlen trotzig, Viertel Acht war definitiv zu früh!
„Ich hab nun mal nicht jeden Tag frei! Ich muss auch arbeiten. Du willst doch auch noch in ein paar Monaten in deinem neuen Zimmer wohnen, oder? Also..“ Cat gähnte erneut und notierte sich dann alles ganz genau. Nach einer viertel Stunde drückte sie auf den roten Hörer, legte das Telefon beiseite und schlief nochmal ein. Der nächste Blick auf den Wecker war erst wieder um 11: 02 Uhr. Das ist doch mal eine schöne Zeit, nicht schon 07:13 Uhr!!
Cat suchte wieder die kleine Anzeige für das Datum. Es zeigte die Buchstaben TU, Dienstag. Morgen geht’s los!
Sie setzte sich gerade im Bett auf und schaute sich in ihrem Zimmer um. Die Schranktüren waren alle drei offen und gaben nur noch ein paar Einzelteile von Klamotten preis, der eine Koffer war schon zu und stand direkt davor, das Regal und die Kommode neben dem Fenster waren bis auf ein paar Ordnern und Bildern komplett ausgeräumt und der Schreibtisch war auch leer. Ansonsten sammelte sich alles Mögliche neben dem halbvollen offenen Koffer, den Cathlen heute fertig packen wollte. Schon seit gestern zog sie nur noch die alten Klamotten von sich oder die Jogginghosen ihrer Mutter an, damit sie nicht von ihren Klamotten aus dem Koffer Gebrauch machte. Mit viel Mühe krabbelte sie aus dem Bett und schlurfte ins Bad, in dem sie sich erstmal unter die kalte Dusche stellte um richtig wach zu werden. Das kleine Makel mit dem erst spät aufstehen und nicht richtig wach werden hatte sie von ihrer Mutter geerbt, wie so vieles. Es half. Eine halbe Stunde später stand sie wach und frisch geduscht im grauen Sportoutfit ihrer Mutter in der Küche und machte das Frühstück. Zwar klappte das Egg and Bacon Frühstück bei ihr noch nicht so gut, wie bei ihrer Mum, aber man konnte es zumindest essen. Nachdem der Tisch gedeckt und der Speck endlich fertig war, machte sie sich daran ihre Mutter zu wecken. Dafür brauchte sie nur alle Türen zu öffnen und einen Ventilator direkt vor den frisch gebratenen Speck zustellen, sodass es kurzerhand im ganzen Haus nach Essen roch. Durch die gute Nase ihrer Mutter, würde sie in wenigen Minuten unten am Küchentisch sitzen und ihre Tochter für den saftig zubereiteten Bacon loben. Und so war es auch. Nicht mal zwei Minuten später hörte Cat ihre Mum die Wendeltreppe hinunterrennen. „Wow! Eggs and Bacon. How wonderful“, meinte ihre Mutter und strahlte ihre Tochter an. „Hast du das gerade alles erst gemacht?“ „Ja Mama, alles für dich“, entgegnete Cat und lud sich selbst auch einen Streifen Speck und ein Ei auf den Teller. Als sie sich setzte, fiel ihr noch ein, dass sie ihre Mutter unbedingt darum bitten musste, ihr beim Wiegen der Koffer zu helfen. „Klar Schatz, ich helf dir dabei“, antwortete sie freundlich und aß das letzte Stück ihres Frühstücksspecks auf. Cathlen stellte die beiden Teller zusammen und lud sie vorsichtig in der Spüle ab. Inzwischen war ihre Mutter hinter sie getreten und zupfte ihr an den langen blonden Haaren herum. „Wie wärs, wenn ich dir für den Flug morgen mal wieder einen Zopf flechte. Es sah immer so schön bei dir aus.“ „Gerne doch“, meinte Cat freundlich und nahm ihre Mutter in den Arm. „Du wirst mir fehlen!“ „Du mir auch Cat, du mir auch!“
Tagebucheintrag: 21:56 Uhr
Morgen geht mein Flug! Zwar erst um viertel vier Nachmittags, aber ich muss ja schon zwei Stunden vorher oder so dort sein. Dann bin ich weg! Und Marie und Lukas und meine Mum müssen hier bleiben, find ich scheiße! :( Mama und ich haben heute den Rest von mir eingepackt und die Koffer gewogen. Das war vielleicht was! Mum hat die Koffer anfangs immer so drauf gestellt, dass man gar nicht mehr gesehen hat, wie viel sie jetzt wiegen :D Aber eines war sowieso klar, die Teile waren schwer! Für morgen für den Flug hab ich dann zwei Monsterkoffer, einen Rucksack und eine große Handtasche und meine Winterjacke extra dabei! Und das alles nur für MICH! Ich würd ja nichts sagen, wenn Marie mit fliegen würde, aber ich allein und so viele Koffer, passt eigentlich nicht zu mir! ;) Hoffentlich verlier ich nichts. Mama hat mir auch gesagt, dass sie mir noch ein paar im Moment nicht so wichtige Teile in einem Paket nachschickt :) Mein iPod ist auch schon aufgeladen und mein Handy auch, wenn der iPodakku die was-weiß-ich-wie-viele Stunden nicht aushält. Mein Buch, das ich im Moment auch les, ist schon eingepackt, also mir kann gar nicht langweilig werden! ;) und wenn doch, dann quatsch ich einfach mit den Leuten, die neben mir sitzen ;) Handy ist auch mit 50 Euro Handyguthaben ausgestattet, also könnte ich im Notfall auch einen SMS-Wechsel mit Marie starten. Ich hab also alles erledigt und muss mich morgen nur noch von meinen besten Freunden und meiner Mum verabschieden. Gut. Dann werd ich mich mal hinlegen und ein wenig schlafen. Bin schon total aufgeregt :))) JUHUUU! USA ich komme!
Cathlen riss die Augen auf. Was war dass denn jetzt?!
Irgendwas hatte sie zum Aufwachen bewegt. Sie drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite um auf den kleinen Wecker sehen zu können. 08:43 Uhr. Ich vermisse meine Mum.
Müde faltete sie die Decke zur Seite und stand auf. Langsam öffnete sie ihre Zimmertür und ging den lavendelblau gestrichenen Gang entlang zum Schlafzimmer ihrer Mutter. Als Cat die Tür einen Spalt breit aufmachte, sah sie ihre Mutter allein im großen Ehebett liegen. Sie schlief. Auf leisen Sohlen schlich sich ihre Tochter auf die eine Seite des Bettes und kroch unter die Decke. „Mum, kann ich bei dir schlafen?“, fragte Cat in das an der Luft liegende Ohr. Ihre Mutter nickte. Kurze Zeit später schliefen die beiden seelenruhig im großen Bett von Cathlens Mum, mitten in einem großen zart grün tapezierten Raum, in dem sich ein großer begehbarer Schrank und unzählige in die Wand eingelassene Regale befanden. Außer einem großen Gold eingerahmten Spiegel, der ein Erbstück ihrer Oma war, hingen nur ein paar Bilder. Bilder von Cat, als sie noch ziemlich klein war, ein paar Partybilder auf denen ihre Mutter zusammen mit ihrem Vater in Las Vegas durch die Clubs gezogen war und noch eine kleine Auswahl an Familienpotraits.
Geweckt wurde Cat durch irgendetwas das an ihrer Backe hin und her strich. Wie sie die Augen aufschlug, kapierte sie was es war. Ihre Mutter lag immer noch neben ihr und streichelte ihr zart über die Backe. „Good morning, angel“, flüsterte sie mit weicher Stimme. „Morgen.“ „Heute ist dein großer Tag, Schatz. Lust zu frühstücken?“ „Gern, aber heute will ich nochmal ein richtig Deutsches Frühstück, ja?“ Cat überlegte gerade, ob es im Zimmer ihrer Mutter eine Uhr gab. Ja, sie müsste auch eine auf ihrem Nachttisch haben.
Nachdem ihre Mum das Zimmer verlassen hatte, drehte sich Cathlen im ganzen Bett herum und warf einen Blick auf die große runde Uhr. 11:47 Uhr.
Bevor sie runter zum Essen ging, machte sie nochmal einen Abstecher in ihr Zimmer um zu sehen, ob sie noch eine SMS bekommen hatte. Hm, keine SMS, das heißt, Lukas und Marie haben nichts Besseres vor und können mit zum Flughafen.
Sie drückte auf Nachricht schreiben;
11:49 Uhr An: Marie; Lukas
Hey ihr beiden! Seid ihr bereit? Heute fliege ich :( Wir werden so um 13:00 Uhr losfahren, damit wir genug Zeit haben und nicht hetzen müssen. Treffpunkt ist bei mir :)
Küsschen an meine Besten. Cat ♥
Cathlen legte ihr Handy wieder auf den Schreibtisch zurück und ging runter frühstücken. Nach Essen, Duschen, Anziehen und restliche Sachen in Rucksack und Handtasche quetschen, stand Cat pünktlich um 12:45 Uhr unten an der Tür und half ihrer Mutter mit den zwei schweren Koffern. Keuchend stemmte sie gerade den letzten in den großen Kofferraum des Zweitwagens, als sie von hinten schon Marie und Lukas hörte. Sie haben also beide die SMS bekommen,
dachte Cat zufrieden, bevor ihr einfiel, dass sie ihr Handy oben liegen lassen hatte! Bevor Marie ihre Freundin erreicht hatte, sprintete diese zurück ins Haus, dass man nur kurz noch ihren Zopf wehen sah, bevor dieser auch in der Haustür verschwand. Cathlens Mutter hatte in der Zeit noch etwas Kleines zum Essen in der Küche zubereitet und kam nun auch aus dem Haus. „Hey ihr beiden, fertig eure Freundin am Flughafen raus zuschmeißen?“, meinte sie mit einem Zwinkern. „Ich würde mich gerne im Koffer verstecken, glaubst du, das ist noch Platz für mich?“, fragte Marie. „Den Platz haben leider schon deine Bilder bekommen“, sagte Cat und schloss die Haustür hinter sich. „Hast du alles Cat?“ „Ja Mama.“ „Bist du sicher?“ „Ja Marie.“ „Wirklich?“ „Ja Lukas. Seid ihr jetzt alle fertig mit Fragen stellen?“, kicherte Cathlen etwas nervös. Zwei Minuten später saßen alle fahrbereit im Auto und Cats Mutter startete den Wagen. Mit einem leichten Holpern fuhr der große Wagen aus der Einfahrt und in Richtung Ortsausgang, Flughafen.
Zum letzten Mal sah Cathlen die Straßen und Häuser im Ort, in dem sie aufgewachsen war. Sie hatte ihrem Vater zwar schon öfters in den Ferien einen Besuch abgestattet, dennoch konnte sie sich nicht richtig daran erinnern, ob es dort in Lancaster Felder und Wiesen gab. Während der Fahrt war es ziemlich still, jeder bereitete sich innerlich auf den Abschied vor, nur Cathlens Mum musste sich ablenken und quatschte ununterbrochen von der bevorstehenden Klimakatastrophe, Benzinpreisen und Preiserhöhungen in der Kosmetikabteilung. Eigentlich interessierte es keinen, aber jeder gab mal eine Antwort oder eine Meinung zu den gerade besprochenen Themen ab. Warum labern wir eigentlich so einen Müll,
fragte sich Cat nach einer viertel Stunde Autofahren. Es macht doch sowieso keinen Sinn.
Genau in dem Moment, in dem Cathlen das dachte, verstummte ihre Mutter und schaltete das Radio lauter. Es kam gerade Nena. Cat grinse. Als hätten die Radiosender gewusst, dass sie heute nach Amerika fliegen würde. Ich muss mir in Amerika unbedingt mal 99 Luftballons kaufen und die dann steigen lassen, danach mach ich ein Bild und schick es nach Deutschland. Gute Idee, Cat! Woher du das schon wieder hast!
Cathlen schüttelte unbemerkt den Kopf, manchmal hatte sie echt komische Gedankengänge. Nach zehn weiteren Minuten Fahrt war es bis zum Flughafen nicht mehr weit. Cat konnte schon allerhand Flugzeuge sehen. Welche die gerade in den Himmel gestiegen waren oder welche die gerade eine Menge Leute nach Hause brachte. Nach Hause zu ihren Familien. Und du? In wenigen Stunden befindest du dich schon auf dem Weg nach Amerika, Cat! Unglaublich. Ein Flug in eine neue Welt und in ein neues Zuhause, in dem der andere Teil ihrer Familie lebte. Dad.
„Weißt du schon, was du dort als erstes machen wirst?“, fragte sie Lukas vom Beifahrersitz des Wagens. Sie schüttelte den Kopf. Keine Ahnung, was soll ich da denn bitte machen? Dumme Frage Lukas! Sehr dumm!
„Vielleicht schlafen“, kam es plötzlich aus ihrem Mund. Hast du das gerade gedacht oder gesagt? Die Antwort war noch nie zur Auswahl gestanden, wie konntest du sie dann einfach so sagen?!
Cat ballte ihre Hand und schlug einmal so unbemerkt wie es nur ging gegen ihre Stirn. Das ist für dich Hirn!
Dann nahm sie den Zeigefinger der rechten Hand in den Mund und biss einmal kräftig zu.Und das ist für dich, Cat!
Nachdem sie den Finger aus dem Mund genommen hatte und die Bissstelle begutachtete, meldete sich Marie nach zehn Minuten Schweigepaus mal wieder zu Wort. „Cat, führst du gerade wieder Selbstgespräche?“ Cathlen grinste, was so viel wie ein „Ja, das tue ich“ ausdrücken sollte. „Das tut Cat auch nie aufhören, oder?“, funkte Lukas dazwischen. Sie schüttelte den Kopf. Das wird nie aufhören, schließlich brauche ich die Kopf-Cat ja.
Innerlich grinste diese gerade bis über beide Ohren. Sehr schön.
Ihre Mutter hatte sie wegen diesen Selbstgesprächen schon einmal zum Psychiater geschickt. Das Ergebnis; Cat hatte sich wahrscheinlich als sie klein war, eine kleine Zweitwelt zum Zurückziehen errichtet. Es half ihr, Erinnerungen, Probleme oder ganz normale Ereignisse zu verarbeiten und mit jemandem zu teilen. Den Namen für solche Erscheinungen hatte sie wieder vergessen, aber der Psychiater hatte damals auch gemeint, dass es nicht weiter schlimm war. Endlich erreichte der große Wagen den Flughafen Frankfurt. Cathlens Mutter parkte in an der Straßenseite des Eingangs um das Gepäck nicht so weit schleppen zu müssen. Nachdem der Wagen gehalten hatte, stießen alle ihre Türen auf, um das Ausladen so schnell wie möglich ablaufen zu lassen, erst kam Cats Rucksack und ihr Handtasche zum Vorschein, danach ihre dicke Winterjacke und dann auch die zwei monströsen Koffer. Lukas und Cats Mum stemmten beide Stücke auf den Bordstein und Marie und Cat übernahmen den Rucksack mit Jacke und die Handtasche. Gerechte Aufteilung würde ich sagen,
dachte Cathlen mit einem zufriedenen Blick auf Freunde und Mutter. Die stellte das Auto schnell noch in eines der anliegenden Parkhäuser und kam dann in einem eiligen Stöcklschritttempo nach, so weit es ihre 7 Zentimeterabsätze zuließen. Es sah manchmal schon recht lustig aus, wenn Cats Mum beispielsweise auf unebenem Untergrund laufen muss oder wie hier, einen sauschweren Monsterkoffer ziehen soll. Es war auch schon einmal vorgekommen, das sie über eine Holzbrücke gelaufen und dann mit dem dünnen Pfennigabsatz in einem der Spalte hängen geblieben war, vor lauter ziehen und drehen ist am Ende der Absatz bis zur Verse abgebrochen und sie musste barfüßig weiterlaufen. Zwar hatte Cat es nicht live miterlebt, aber die Erzählungen von der Bekannten, die dabei gewesen war, reichten ihr völlig um sich für eine halbe Stunde auf Kosten ihrer Mutter zu amüsieren. Cathlen betrat das Flughafengebäude als Erste. Sie erschrak schon fast beim Anblick, der sich ihr bot. Es waren massenhaft Leute unterwegs, viele kamen ihr entgegen, wollten endlich wieder nach Hause oder waren gerade gelandet und konnten es kaum erwarten vom Flughafengelände runter zu kommen und die fremde Gegend erkunden zu dürfen. Überall hörte man Ansagen für verschiedene Flüge, Kinder schreien oder lachen und jede Menge gestresste Eltern, die ihre Kleinen versorgen mussten oder wild telefonierende Geschäftsleute in feinen Nadelstreifenanzügen. Im Gegensatz zu denen kam Cat sich wie ein richtiges Landei vor. Sie war heute morgen lediglich in eine bequeme Jogginghose mit Loch an der rechten Kniescheibe und einem T- shirt mit dem Aufdruck ´Chill dein Leben´ geschlüpft. Das Shirt hatte sie vom Osterhasen bekommen. Oder anders ausgedrückt, Marie hatte ihn angerufen und gesagt, er solle das T- shirt bei Shirtinator.de selbst kreieren und dann in Cathlens Garten verstecken. Es war eine total spritzige Idee und passte super zu Cats Einstellung zum Leben. Kein Stress, immer alles locker nehmen. Sie hasste Leute, die immer nur stressten, wenn jemand zwei Minuten zu spät zu einem Termin erschien oder weil man mal seine Hausaufgaben vergessen hatte. Beim ersten Beispiel könnte man auch gar nicht kommen und den Arbeitgeber, den Chef, die Freundin oder sonst wen ja auch einfach sitzen lassen, dann hätte Cat nichts dagegen, wenn es Stress gab, aber doch nicht wegen zwei mickrigen Minuten! Das zweite Beispiel war ganz eindeutig auf die Schule gerichtet. Das stritt auch niemand ab! Diesmal war Lukas es, der Cat aus ihren Alleingängen in ihrem Kopf riss. „Cat, wir müssen da lang, deine Mum ist schon in der Menge baden gegangen!“, meinte er und zog sie sanft in Richtung Schalter. Es gibt hier so endlos viele Schalter, wo soll meine Mum sich denn da bitte zurecht finden!?
Auf Zehenspitzen gestellt, versuchte sie ihre 1,68 Meter große Mutter in der Menschenmasse zu erkennen, leider vergebens. Auch Marie und Lukas, die höchstens zwei Meter neben ihr standen, zuckten nur mit der Schulter und machten ratlose Gesichter. Auf einmal fing Cat an zu grinsen. „Wisst ihr was?“, meinte sie mit einem spitzbübischen Blitzen in den eisblauen Augen. „Cat, du machst mir Angst!“, gab Marie zu, sie hatte die Augenbrauen hoch gezogen und an ihrem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass sie fieberhaft versuchte, den Gedanken ihrer Freundin zu erraten. „Wir lassen jetzt eine Durchsage starten“, gab Cat zwinkernd preis. „Ist das dein Ernst?“, mischte sich jetzt Lukas in das Gespräch mit ein. „Ja, das wollte ich schon immer mal machen, kommt! Wir gehen einfach zum nächsten Schalter und lassen dort eine Ansage machen, das wird so geil“, Cat wartete schon gar keine Antwort mehr ab, sie steuerte einfach auf den nächsten Schalter zu und überlegte sich schon einen Satz, den sie die Dame am Mikro sagen lassen wollte. „Entschuldigen Sie, aber ich hab meine Mutter irgendwie in dem Ganzen Chaos verloren, kann man bei Ihnen so eine Ansage machen lassen?“, fragte sie und legte ihr Engelsgesicht auf. Das Glitzern in meinen Augen lässt jeden weich werden, na komm schon!
Die Frau, die den Schalter bediente, wusste nicht recht was sie sagen sollte. Anscheinend war ihr Cat ein wenig zu alt, um verloren gehen zu können. Außerdem viel zu groß! Sie überlegte immer noch, aber anscheinend halfen die traurigen Glubschaugen Cats. „Wenn du meinst“, gab die Frau endlich nach, „wie heißt du denn? Oder willst du die Ansage selber starten?“ Hm, was wäre wohl lustiger? Cat überlegte. Ich könnte natürlich jetzt meinen Namen sagen und die Tussi würde ganz langweilig fragen, ob jemand seine 15- jährige Tochter vermisste oder ich mache die Ansage selber und lass mir irgendeinen Quatsch einfallen. Wahl getroffen!
„Ich würde die Ansage gern selber machen“, meinte Cathlen kurzerhand. „Oke, also wenn du den Knopf hier drückst und da rein sprichst, können dich alle Leute auf dem Gelände hören. Sobald du den Knopf loslässt, stoppt die Übertragung und du kannst hier auf deine Mutter warten. Alles verstanden?“, sie blickte Cat prüfend an. Die nickte und trat frech einen Schritt näher, sodass sie jetzt hinter dem Schalterpult stand und nahm das Mikro in die Hand. Mit dem rechten Zeigefinger drückte sie den kleinen roten Knopf. It´s showtime! „Ähm, Hallo? Mama, kannst du mich hören? Hier ist deine Cat“, Cathlen verstellte die Stimme absichtlich, damit sie jünger und zugleich dümmer wirkte. Schnell überlegte sie ihren nächsten Schritt. „Du bist auf einmal nicht mehr da gewesen und ich hab dich nicht mehr gesehen und dann...“ Dramapausen kommen immer gut!
„Holst du mich bitte ab? Ich bin am Schalter Nummer fünf. Danke fürs Zuhören! Angenehmen Aufenthalt euch allen!“ Genau nach dem letzten Wort riss die Dame des Schalters, Cat das Mikro aus der Hand. „Hätte ich gewusst, dass das nur ein dummer Teeniestreich ist, hätte ich dich sofort wieder weg geschickt!“, keifte sie und strafte Cat mit einem giftigen Blick. Oh Wow, die hat den Blick der Verdammung wohl schon öfters benutzt!
Cat nahm eine erschrockene Haltung ein und stellte ihre Stimme wieder auf quietschend, als würde sie jeden Moment losheulen. „Und ich dachte, die vom Flughafen wären liebe Menschen!“ Dann rannte sie zurück zu Marie und Lukas, die sich beide schon kaputt lachten. „Mama, hol mich bitte ab! Ich hab ja sooo Angst“, äffte Lukas sie nach. Auch Marie konnte sich kaum halten vor Lachen. „Das war die beste Aktion, die du je geliefert hast, wie bist du nur darauf gekommen?“, meinte sie zwischen zwei Lachanfällen. Cat zuckte die Schultern. Das musste jetzt einfach mal sein, wenn man die Möglichkeit schon mal dazu hat!
„Mensch Kind, du blamierst aber auch jeden!“, kam die Stimme ihrer Mutter von hinten. Die drei drehten sich um und sahen gerade noch, wie Cats Mum sich mit dem Monsterkoffer zwischen zwei Geschäftsleuten vorbei zu drängen versuchte, als sie auf irgendwas Ausgeschüttetem ausrutschte, hinfiel und gerade noch mit viel Glück auf ihren Knien landete. „Mit dir aber auch Mum!“, lachte Cathlen los. Marie und Lukas waren zwar stets respektvoll gegenüber Cats Mutter, doch diesmal hielt die gute Erziehung nur Sekunden. Beide prusteten los und mussten immer wieder auf die inzwischen aufgestandene Verunglückte Frau schauen. Die quälte sich ein Lächeln ab und kam weiter mit dem Koffer auf die drei Teenager zu. Es war nicht zu übersehen, dass es sie hingelegt hatte; ihre Nylonstrumpfhose war an beiden Knien aufgerissen und hatte bereits begonnen etliche Laufmaschen Richtung Hüfte zu schicken. „Mum, die Strumpfhose!“, prustete Cat. „Ich weiß es! Ich merk es ja an den Knien!“, meinte ihre Mutter etwas beleidigt. „Das tut mir echt Leid mit der schönen Strumpfhose, die kann man bestimmt reparieren“, Marie zupfte kurz am Loch herum und drehte sich dann schnell wieder um, um einem Lachanfall vorzubeugen. Auch Lukas musste über das Missgeschick lachen und beschwerte sich künstlich über den miserablen Putzdienst am Flughafen. Als sich alle fertig ausgelacht hatten und einigermaßen normal miteinander reden konnten, schlug Cathlen vor, sich erst mal irgendwo hinzusetzen und die Lage zu checken. Gesagt, getan. Kurze Zeit später hatten die vier sich eine Sitzreihe an einer der Gänge in der Nähe der Schalter ergattert und schauten nun, was jetzt zu tun war.
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2011
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