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Forbes, 1855
Ich wusste nicht wohin ich gehen sollte, denn ich hatte keinerlei Zufluchtsorte. Sie sagten, für meine Gattung und Rangpostiton gäbe es nur einen Ort, der uns angemessen sei und dies war der Galgen, das Messer, wir können es nennen wie wir wollen, aber es läuft nur auf eines hinaus, der Tod. Sie quälten uns, schlugen uns Nägel in die Knie und nahmen uns als Lustobekt. Sie sagten wir seien Abschaum, Missgeburten, Bastarde, jedoch wussten sie, dass wir die schönsten Geschöpfe waren, die sie je zu Gesicht bekommen hatten. Sie brachten alle um, jeden einzelnen, mit dem Kraut, das sie tief in unsere Venen spritzten, um voller Spannung zu erwarten wie jeder von uns qualvoll daran starb. Sie nahmen den Toten ihr Blut und bunkerten es in einem großen Raum nahe einer Kapelle, denn Gott, der einzige Gott, sollte die 'Medizin' für jene beschützen und verhindern, dass die getöteten auferstehen und sich aus Zorn grausam an ihnen rächen sollten.
Ich sah einzig und allein Leichen. Um mich herum war es ein einziges Schlachtfeld, ein Massaker eine Tragödie. Auf dem Boden liegend betrachtete ich die Lichtung und sah wie kleine Sonnenstrahlen das Baumdickicht durchdrangen und jeden von uns erleuchteten. Sie konnten sich nicht mehr bewegen, keine einzige Zuckung, nichts. Nur die Sonnenstrahlen erhoben sie und mit ließen sie mit einem lauten Geräusch zu Asche zerfallen. Ich konnte jeden einzigen sehen, wie er sich auflöste, in die Erde zurückkehrte und schwor mir sie zu rächen. Mein Gesicht war nass, voller salziger Tränen. Geschwächt von dem Eisenkraut versuchte ich mich aufzurichten, stellte aber fest, dass sich meine Beine kein Stück bewegten. Sie waren wie eingeschlafen, ich spürte sie nicht mehr.
Ich spürte nichts mehr.. Gar nichts. Nur Leere, eine Leere um mich herum und in mir. Noch nie hatte ich mich seit meiner Verwandlung so leer gefühlt. Ohne jeden Willen weiter zu leben. Das Kraut hatte auch mir stark zugesetzt, jedoch nicht so stark wie den anderen, was sehr verwunderlich war. Wieso hatten sie mich verschont? Oder war dies gar nicht geplant gewesen? So wurde ich nur liegen gelassen und stellte mich tot. Man könnte meinen dies war herzlos und auch kalt, da ich den anderen nicht geholfen hatte. Aber ich hatte Eisenkraut in mir und konnte mich nicht bewegen, geschweige denn irgendjemanden aufhalten. Vor allem konnte ich sie nicht aufhalten.
Dennoch ich weinte, weinte die ganze Zeit und wollte alles rückgängig machen. Aber ich musste es so weit kommen lassen, denn nur so konnte ich überleben. Ich, Ravyn van Morgan. Der letzte Nachkomme des großen Lords.

1.
Die Strahlen der Sonne brannten, sie brannten wie Feuer. Nein schlimmer, sie schienen alles zu verbrennen, was sich ihnen in den Weg stellte. Ich spürte sie auf meinen Armen und Beinen, die nicht mit Stoff bedeckt waren. Mein restlicher Körper war bedeckt mit einem Kleid aus Seide, ein Ballkleid, mein Ballkleid, das ich eigentlich heute bei meiner Verlobung hätte tragen sollen. Bei der Verlobung mit meinem Mann, Anthonio. Anthonio Brokanna, ein stattlicher junger Mann, ein menschliches Wesen. Ja, das war er menschlich. Und ich wurde zu seinem Verhängnis. Er wurde noch vor Morgengrauen mitgenommen und zum Galgen gebracht, denn ihm wurde vorgeworfen mir einer Verdammten liiert gewesen zu sein. Ich liebte ihn, ich liebte ihn so sehr. Und nun war er tot. Ich hatte ihn zwar nicht tot gesehen, aber ich wusste, er würde niemals wieder zurückkehren. Meine blauschwarzen Haare waren braun geworden, von dem Schmutz der Lichtung und des dreckigen und schlammigen Boden. Ich versuchte meine Haare mit meinen Fingern zu berühren, konnte aber nicht. Es war das Kraut, dieses verdammte Kraut. Woher wussten diese Menschen überhaupt von diesem verdammten Kraut? Es tat weh, es schmerzte, es betäubte. Es war ein Teufelskraut, für unsere Gattung zumindest. Man brauchte nur eine kleine Menge und schon konnte man uns Vampire für Stunden, wenn nicht für Tage außer gefecht setzen.
Ich war verloren, einsam ganz allein. Alle waren sie tot. Alle. Ich wollte schreien, konnte nicht. Ich wollte etwas zerschlagen, konnte nicht. Ich war zu schwach um überhaupt denken zu können.
Wie sollte ich nun ohne ihn weiterleben können? Ohne ihn, mein Herz. Meine einzige Menschlichkeit?
Langsam versuchte ich meinen verletzten Körper aufzurichten, jedoch war dies nicht so einfach. Das Gefühl mit Eisenkraut balsamiert zu sein könnte man mit einer Art von Droge vergleichen, oder einfach einer Überdosis. Man fühlt sich krank, kann sie nicht bewegen, wie ein Koma, in dem man gefangen ist. Das nächste Problem an der ganzen Sache ist, dass man sich nun leider während dieser 'Überdosis' ganz und gar nicht high fühlt, sonder quälend.
Der Schmerz zog sich bis in meine Fingerspitzen. Jedoch wusste ich, wenn ich es nicht schaffen sollte aufzustehen, würde ich genauso verpuffen wie die anderen. Und dieses Schicksal war mir nicht bestimmt. Jedenfalls wollte ich dieses Schicksal gar nicht. Ich zwang mich aufzustehen und mich durchfuhr sofort ein riesiger Schmerz, ähnlich wie ein Stich mitten in mein Herz. Trotzdem rappelte ich mich hoch und fing an zu rennen, so schnell ich mit diesem Kraut flitzen konnte. Und das war nicht sonderlich schnell, es war eher ein humpeln, als ein Rennen. Ich drehte mich nicht einmal um, schaute nur geradeaus und lief so schnell ich konnte aus dem Wald hinaus zur abgelegenen Siedlung und in das Erdloch, das seit Jahrzenten mein Zuhause gewesen war.
Es lag alles durcheinander in den Tunneln herum. Das Blut, die Kanister, die Gräber und die Särge. Alles durcheinander. Ich konnte nicht viel erkennen, da ich immer noch geschwächt von diesem verdammten Zeug war.

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Tag der Veröffentlichung: 26.12.2010

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