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Es klingelte. Ich legte mein Buch zur Seite und stand stöhnend von der Couch auf, um die Tür zu öffnen. Obwohl die Person draußen meine Schritte auf jeden Fall hören musste, klingelte sie weiterhin Sturm.

„Ich komme ja!“, rief ich genervt und sprintete schließlich die letzten Schritte zu unserem Eingang. Ich riss die Tür auf und das nächste, was ich sah waren blonde lange Haare und ein schwarzes enganliegendes Kleid. Und dann spürte ich plötzlich einen Schmerz.  Ich fühlte, wie warmes Blut an meiner Haut entlang lief und meine Kleidung sich damit vollsaugte.  Die Frau, die vor mir stand, hatte gerade eben ein Katana aus ihrem Regenschirm gezogen und mir in die Brust gestochen, genau da, wo mein Herz lag. Ich wollte schreien, aber ich war nicht einmal fähig etwas zu flüstern, ich bekam keinen Laut heraus. Ich tastete mit meiner Hand nach der Wunde, ehe meine Beine nachgaben und ich auf die Knie sank.  Die ersten Tränen liefen über meine Wangen und alles begann sich zu drehen. „Es ist gleich vorbei.“, sagte die Dame mit einer unglaublich sanften und liebevollen Stimme, während ich begann Blut zu spucken. Konnte man denn wirklich am helllichten Tag einfach an der Tür klingeln und jemandem unbemerkt ein Schwert in die Brust rammen? Das war mein letzter Gedanke, dann verlor ich das Bewusstsein und alles wurde schwarz.

 

Meine Lider waren schwer, ich konnte meine Augen nicht öffnen, sosehr ich mich auf bemühte. Ich lag auf etwas weichen und der Geruch hier kam mir ungeheuer bekannt vor.  War ich tot? War ich im Himmel? ... Oder in der Hölle? Ich musste zugeben, ich war nicht immer ein guter Mensch, aber in die Hölle zu kommen hätte ich nun wirklich nicht verdient. Ich tastete langsam mit meiner Hand meine Brust ab, stets in der Erwartung gleich Schmerzen zu spüren. Aber da war nichts. Die Wunde war weg. Nicht einmal eine Narbe oder verkrustetes Blut waren da.

„Du wirst dort keine Verletzung finden“, hörte ich eine sanfte, mir nur zu bekannte Stimme sagen.

Vor Schreck riss ich meine Augen auf und drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Dort saß die junge Frau, oder eher das Mädchen, sie war ungefähr  18 oder 19, auf meinem Schreibtischstuhl und sah so wunderschön und harmlos aus, wie als könnte sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. Ihr Gesicht war schmal und sie hatte eine hohe Stirn, die blonden langen Haare waren zu einem Zopf geflochten und reichten bis zu ihrer Hüfte. Ihre Augen passten perfekt zu ihrem Lippenstift. Sie waren blutrot und ließen die Dame doch um einiges gefährlicher aussehen.

„D-du?“, stotterte ich aufgeregt. „Wer bist du?“

Das Mädchen lächelte mich an und sagte mit ihrer ruhigen Stimme: „In Japan nennt man uns Shinigami. Früher in Griechenland hat man uns Psychopompos genannt. Klingt lustig, findest du nicht auch? Sonst werden wir Todesgötter oder Todesengel genannt. Oder Sensenmann, was ich aber selber nicht so schön finde, schließlich hab ich noch von keinem gehört, dass er wirklich eine Sense benutzt. Wir bezeichnen uns als Dämonen, auch wenn die Menschheit darunter wahrscheinlich etwas anderes versteht.  Unser Job ist es, die Seelen der Menschen in eine andere Welt zu führen. Ob sie in eine gute oder eine böse kommen entscheiden wir nicht. Außerdem erlösen wir die Geister, die auf dieser Welt herumirren, von ihrem trostlosen Dasein. Um es kurz zu machen: Wir töten Leute und sammeln Seelen. Mein Name ist Leila.“

Ich starrte das Mädchen - Verzeihung -den Dämon fassungslos und mit weit offenem Mund an. „Dann… hast du mich also getötet?“, fragte ich verwirrt, da ich mich ganz eindeutig nicht in einer anderen Welt befand, sondern in meinem Zimmer auf meinem Bett.

Leila kicherte leise und es klang einfach wahnsinnig süß. „Nein. Ich habe dir nur dein Herz und deine Seele genommen. Ich hab dich zu einem Dämon gemacht.“

So im Nachhinein kam ich mir ziemlich dämlich vor, aber ich konnte nicht anders und fing ich an zu lachen.  Ich konnte gar nicht mehr aufhören. „Okay, wo sind die versteckten Kameras?“, gluckste ich zwischen zwei Lachsalben. „Wer will mich hier auf den Arm nehmen? Mom, Dad oder Ron? Oder doch Mel oder Sam? Da habt ihr euch aber ganz schön was einfallen lassen! Und du!“ ich wandte mich an Leila, die mich irritiert anstarrte, „Ich hätte dir das fast abgekauft. Du kannst fantastisch schauspielern. Und dann auch noch rote Kontaktlinsen, also wirklich. Wer spielt mir hier einen Streich? Und wie habt ihr das mit den Schmerzen an der Tür gemacht? Ich dachte wirklich, ich müsste sterben.“

„Du glaubst mir wohl nicht, hm?“, sagte das Mädchen und setzte wieder das Lächeln auf. „Dann muss ich es dir wohl beweisen.“

Bevor ich etwas erwidern konnte, holte Leila ihren Regenschirm hervor und zog daraus das Katana, was mein Lachen schließlich ganz verstummen ließ.

„Wow, pass auf! Das Ding sieht richtig scharf aus.“, rief ich, als sie mit dem Schwert ein paar Mal die Luft durchschnitt.  Ich saß auf meiner Bettkante und sie kam immer weiter auf mich zu.

„Könntest du vielleicht dein Schwert wegpacken? Das schaut nämlich ziemlich echt aus und…“ Ich wurde unterbrochen, indem Leila mir ihr Schwert in die Brust rammte. Zum zweiten Mal. Ich kippte nach hinten um, aber ich spürte nichts außer einem kleinen Picks.

„Hm, jetzt haben wir deine Bettwäsche mit Blut versaut. Naja, das geht schon wieder raus“, stellte sie fest, während ich geschockt um Luft rang.

Als ich nach einiger Zeit immer noch nicht die erwarteten Schmerzen spürte, griff ich nach dem Katana und zog es aus meiner Brust. Ein paar Sekunden später wurde meine Wunde immer kleiner bis sie schließlich verschwand. Ich starrte erst entsetzt auf meine Brust und meine blutigen Finger und dann Leila an.

„Was war das denn gerade?“

„Willst du es noch mal sehen?“, fragte das Mädchen freundlich und griff schon wieder nach dem Schwert.

„NEIN!“, schrie ich und hielt mir die Hände schützend vor meine Brust. Mir traten schon wieder erste Tränen in die Augen.

„Ist schon gut“, kicherte sie.

„Also bin ich wirklich … ein Dämon?“, hakte ich nach und wendete dabei meinen Blick nicht von meinen blutbeschmierten Händen.

„Richtig. Aber keine Sorge, dein Tagesablauf wird sich kaum ändern. Du kannst weiterhin ein einigermaßen normales Leben führen.“

Ich runzelte die Stirn und blieb ziemlich ruhig, womit ich mich selber überraschte. „Dann bleibt also alles gleich? Welchen Sinn hatte es dann mich zu tö… mir mein Herz und meine Seele zu nehmen?“

„Ich hab nicht gesagt, dass alles gleich bleibt. Nur, dass du am Tag immer noch dasselbe machen kannst. Zumindest für die nächsten paar Monate. In der Nacht sieht das ganze anders aus.“

„Dann töte ich nachts Menschen? Ich kann das nicht!“ Okay, Schluss mit ruhig bleiben, jetzt war ich kurz vor dem Losweinen.

„Ach ja, du hast ja immer noch das. Keine Sorge, in ein paar Monaten sind auch diese nervigen Gefühle verschwunden.“

Ich schaute auf. „Was? Ich hab keine Gefühle mehr?“, fragte ich verzweifelt.

„Naja, so kann man das auch nicht wieder sagen… Aber nervigen Emotionen wie Mitleid oder Liebe fallen weg. Hass kannst du zum Beispiel empfinden. Außerdem hast du jetzt noch die Erinnerungen an diese Gefühle, also fühlst du sie sozusagen auch noch… Das ist schwer zu erklären, du wirst es schon selber merken. “, erklärte Leila mit einem Dauerlächeln und während sie das sagte, schien ich in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen.

„Das ist alles so verwirrend. Ich schaff das nicht.“, schluchzte ich schließlich.

„Du wirst davor noch unterrichtet werden. Bis du deine Lehre als Dämon dann abgeschlossen hast, bist du deine Gefühle los und du hast rote Augen. Du hast also noch Zeit, dich mit dem Gedanken, Menschen zu ‚töten‘  anzufreunden.“

„Ich werde unterrichtet? In der Nacht? Aber wann soll ich denn dann schlafen?“ Eine der vermutlich unwichtigsten Fragen überhaupt, aber in meinem Loch konnte ich keinen klaren Gedanken fassen.

„Gar nicht. Du brauchst keinen Schlaf mehr. Einer der Vorteile ein Dämon zu sein. Du kannst zwar schlafen, aber du musst es nicht. Genauso wie essen. Auf jeden Fall werde ich jetzt gehen. Ich komme morgen Abend zurück, dann gehen wir in eine andere Welt.“ Leila zwinkerte mir noch einmal zu, dann war sie mit einem Mal verschwunden.  Nicht einmal eine Rauchwolke blieb zurück, so wie man es aus Filmen kannte. Ich stierte eine Weile auf den Fleck, wo gerade noch ein Dämon stand und mir erklärt hatte, dass ich jetzt auch einer war. Ich war ein Dämon. Ach du Scheiße. Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen und presste ein Kissen auf mein Gesicht. Das Loch, in dem ich mich befand, wurde immer tiefer und dunkler und schlussendlich brachte mich das blöde Gefühl in meiner Brust zum haltlosen Weinen.

„Das kann doch nur ein Albtraum sein.“, schluchzte ich in mich hinein. Obwohl ich eigentlich extrem aufgewühlt und es gerade mal acht Uhr abends war, schlief ich nach einer Weile ein.

Als mein Wecker klingelte war ich schon hellwach, obwohl ich früh aufstehen hasste. Ich rollte mich aus meinem Bett und rätselte dabei, ob das gestern wirklich alles passiert war oder ich geträumt hatte. Ich berührte die Stelle, an der eigentlich eine große Wunde sein müsste (genau genommen zwei), doch wie zu erwarten, war dort nichts. Ich ging ins Bad und stellte mich vor den Spiegel.  Ich hielt mein Gesicht direkt davor und schaute mir in die Augen, ob irgendwo irgendetwas rot war, aber meine Augen waren so grün wie immer. Nicht ein klitzekleiner Punkt war annähernd rot. Ich seufzte verwirrt und machte mich schließlich für die Schule fertig. Duschen, Anziehen, Schminken (nur Wimperntusche) und so weiter. Nachdem ich entschieden hatte, dass ich einigermaßen ordentlich aussah, schlurfte ich hinunter in die Küche, wo außer meinem Kater Erwin niemand war. Meine Mutter schob in letzter Zeit viele Nachtschichten, deswegen verschlief sie nachher den ganzen Tag. Mein Vater war schon lange weg und bei meinem Bruder begann die Schule erst später.  Heute fand ich es allerdings besser, dass ich ganz alleine war, damit ich nachdenken konnte. Wenn meine Mom schon wach gewesen wär, hätte sie mich hundertprozentig mit irgendwelchen Fragen bombardiert (Wie läuft’s in der Schule? Was hast du heute vor? Wie sieht’s mit einem Freund aus? Blablabla), auf die ich einsilbige Antworten gegeben hätte (Gut, mal schauen, existiert nicht). In der Früh war ich einfach nicht konversationsfähig. Während ich meinen Toast in mich hineinstopfte, kam Erwin zu mir auf den Schoß gekrochen und maunzte. Ich kraulte ihn den Hals und er begann zu schnurren.

„Na Erwin, du musst dir höchstens Sorgen darum machen, dass irgendwer dein Lieblingsspielzeug klaut, hm?“, sagte ich zu ihm und ließ meinen Kopf auf die Stuhllehne sinken. Erwin miaute zustimmend. Ich seufzte. Nachdem ich nochmal den ganzen Ablauf von gestern durchdacht hatte und immer noch nicht weitergekommen war, setzte ich meinen Kater wieder auf den Boden, holte meine Jacke, zog Stiefel an und machte mich in Richtung Schule auf. Die lag zu Fuß nur fünf Minuten entfernt und trotzdem fror ich, als ich dort ankam. Dieser Winter war eisigkalt und es erreichte Temperaturen bis zu minus 20 Grad.  Vor dem Klassenzimmer sammelten sich schon meine Mitschüler, obwohl der Unterricht erst in zehn Minuten losging. Das ist immer so, so konnte man mit Freunden abhängen, quatschen oder noch mal kurz lernen. Letzteres war etwas, was ich nur zu gerne machte, denn meistens verbrachte ich meine Abende damit, Bücher zu lesen und ehe ich mich versah, war es 1 Uhr und eindeutig zu spät, um noch irgendetwas zu lernen. Dass ein Dämon aufgetaucht ist, ist bisher aber noch nicht passiert.

 Plötzlich hielt mir jemand von hinten die Augen zu. „Na, wer bin ich?“, fragte eine Stimme und augenblicklich verschwanden alle meine negativen Gedanken zum letzten Abend und ein wohliges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit.

„Hm, keine Ahnung.“, antwortete ich grinsend. „Was? Du erkennst nicht mal deinen besten Freund?“, lachte er.

Er löste die Hände von meinem Augen, nur um mich gleich danach von hinten zu umarmen und seinen Kopf auf meine Schulter zu legen. Mein Herz hüpfte aufgeregt in meiner Brust, als sein Atem meine Wange streifte.

„Ach Sam“ Wenn Sam in der Nähe war, musste ich immer lächeln und konnte nicht anders als fröhlich zu sein. Schließlich war er wirklich mein bester Freund. Die Wahrheit allerdings war: Ich war schon seit der dritten Klasse total in ihn verliebt.  In der Grundschule hatte ich mich nie getraut, ihn anzusprechen. Bis wir also auf eine andere Schule gekommen sind, existierte ich nicht für ihn. In der siebten Klasse bin ich dann über meinen Schatten gesprungen, aber irgendwie sind wir auf die ‚Freundschafts-Schiene‘ geraten und er ist seitdem mein bester Freund. Jetzt habe ich Angst, es ihm zu gestehen und dadurch unsere Freundschaft kaputt zu machen. Schließlich war das im Moment mein einziger Weg, ihm wenigstens ein bisschen nahe zu sein.

„Hey, hast du heute nach der Schule Zeit? Ich muss mit dir etwas bereden.“, sagte Sam.

„Ich würde lieber gleich nach Hause gehen. Ich hab nicht gut geschlafen und bin total fertig und…“, setzte ich an, obwohl ich innerlich „JA!“ schrie. Aber nachdem was gestern passiert ist, musste ich noch einmal nachdenken und meine Gefühle ordnen.

„Komm schon, es ist wirklich wichtig.“, unterbrach er mich und sah mich mit seinem Hundeblick an.

„Hm, na gut“, gab ich mich geschlagen. Es war für mich einfach unmöglich, ihm etwas abzuschlagen.

„Du bist ein Schatz“, sagte Sam, gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand dann ins Klassenzimmer, das gerade aufgesperrt worden war. Mein Herz schlug einen Salto und ein Grinsen machte sich in meinem Gesicht breit.

„Ihr wärt echt das perfekte Paar!“, quietsche Mel, die gerade aufgetaucht war, und fiel mir um den Hals. Mel heißt eigentlich Melodie und ist meine beste Freundin. Ich meine, Sam war zwar schon mein bester Freund, aber jedes Mädchen brauchte auch ein anderes Mädchen als beste Freundin, mit dem man über Sachen reden konnte, die mit einem Jungen unmöglich wären (Zum Beispiel über seinen Schwarm). Auch wenn viele Leute das Äußere von Mel abschreckte, sie hatte ziemlich viele Piercings (Helix, Septum, Lippenbändchenpiercing und so weiter), Tattoos und regenbogenfarbige Haare,  so war sie doch eine der nettesten und fröhlichsten Personen auf der ganzen Welt.

„Sag das doch gleich noch lauter, ich glaub, die da hinten haben dich noch nicht gehört“, sagte ich sarkastisch. 

„Wieso sagst du ihm es denn nicht endlich?“, fragte sie und zog eine Schnute. Natürlich wusste Mel, dass ich ihn Sam verknallt war.

„Weil er nicht dasselbe für mich empfindet wie ich für ihn, das weißt du. Und ich will unsere Freundschaft nicht kaputt machen.“

„Hm, da wär ich mir nicht so sicher. Es gehen Gerüchte um ihn um.“, erklärte Mel und dabei blitzten ihre Augen auf. Sie war eine leidenschaftliche Tratschtante, allerdings behielt sie meine Geheimisse für sich. Soweit ich das beurteilen konnte.

„Um ihn gehen doch immer Gerüchte um.“, meinte ich. Ich war eher Durchschnitt, Mel der Freak und Sam war ziemlich beliebt. Besonders bei den Mädchen. Was wahrscheinlich größtenteils an seinem guten Aussehen lag. Er hatte braune Haare und blaue Augen, die bei seiner recht hellen Haut noch mehr auffielen, und seine Muskeln sagten praktisch: „Ich geh jeden Tag ins Fitnessstudio“. Natürlich spielte er auch im Fußball-Club der Schule. Da war doch irgendwie klar, dass ich nie eine Chance bei ihm bekommen würde, bei den ganzen hübschen Mädchen, die ihm hinterherjagten. Allerdings hat er noch nie eine Freundin gehabt. Immer wenn ihn irgendwer darauf ansprach, meinte er „Freundinnen werden überbewertet“.

„Ja, schon, aber eher Gerüchte über ihn … und dich.“

„Ach Mel, an diesem Tratsch ist doch nie was Wahres dran. Gehen wir ins Klassenzimmer.“

Auch als der Unterricht schon begonnen hatte, quatschte Mel immer noch von den Gerüchten. Ich hörte nicht wirklich zu, denn ich war mit meinen Gedanken ganz wo anders. Sollte ich Mel davon erzählen, was letzte Nacht passiert war?  … Nein, vorerst lieber nicht. Am Ende hatte ich es doch nur geträumt und werde in die Klapse eingeliefert. Obwohl Mel mir wahrscheinlich glauben würde, sie steht auf solche Sachen wie Magie. Ich werde erst mal bis heute Abend warten, schließlich hatte Leila gesagt, dass sie dann wieder zu mir kommen würde und wir in eine andere Welt reisen.  Sofern sie denn wirklich existierte und nicht meiner Fantasie entsprungen war, nachdem ich zu viele Bücher gelesen hatte und danach eingeschlafen war. Ich seufzte und schloss die Augen für einen kurzen Moment.

„Clara, hörst du mir überhaupt zu?“, riss Mel mich aus meinen Gedanken.

„Hä? Was?“, fragte ich überrascht. Normalerweise konnte ich bei Mels Gerede tun was ich wollte,  ohne, dass sie etwas merkte. Es war dann so wie bei einem Hai, der dem Blutrausch verfallen war. Ok, das war ein blöder Vergleich. 

„Man, du musst mir schon zuhören, wenn ich über dich und deinen Schwarm rede!“, rief Mel. Mit einem Mal starrten uns alle aus der Klasse an, eingeschlossen Sam. Und unseren Mathelehrer. Natürlich wurde ich knallrot. Ich funkelte Mel böse an und sie schaute schuldbewusst.

„Mir wäre es lieber, wenn ihr euch über trigonometrische Funktionen unterhalten würdet statt über euer Geturtel. Oder ihr seid still.“, mahnte uns auch schon der Lehrer mit strengem Blick.

Ich starrte auf meinen Block, nur damit ich nicht aufsehen musste. Das war alles so wahnsinnig peinlich für mich und mein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate. Die nächsten paar Stunden redete ich nicht mehr mit Mel, Strafe muss sein. In Spanisch warf sie mir dann einen kleinen Zettel zu. Auf dem stand: 

Clara, es tut mir echt leid! Kannst du mir vergeben? Mel

Ich biss mir auf die Unterlippe, ich konnte einfach nicht lange sauer auf Mel sein.  Auf die Rückseite des Zettels schrieb ich: „Als ob ich dir nicht vergeben könnte, du Hirni!

Nachdem sie meine Antwort gelesen hatte, grinste sie mich an. Ich grinste zurück. Schließlich klingelte es und die Mittagspause begann. Wir machten uns zur Cafeteria auf und an meiner linken Seite hakte sich Mel und auf der rechten Sam ein.

„Na, ihr habt aber ganz schön Krach gemacht in Mathe. Hat mich schon immer mal interessiert, was ihr da alles so quatscht.“, sagte Sam.

„Du glaubst echt nicht, wie peinlich mir das war.“, stöhnte ich und warf Mel noch einen bösen Blick zu.

„Das war echt nur ein Versehen!“, rief Mel, sodass uns natürlich sofort wieder alle anschauten.

„Mel, vielleicht solltest du mal lernen, deine Stimme unter Kontrolle zu halten. Du schreist die ganze Zeit los.“, lachte Sam und ich schüttelte kichernd den Kopf, während Mel empört nach Luft schnappte. Wir stellten uns an der Kiosk-Schlange an, damit wir uns etwas zu essen kaufen konnten. Derweil blödelten wir noch weiter rum. Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit uns endlich Essen gekauft hatten und uns dann an einem kaputten Tisch setzten, war ich halb am Verhungern. Den anderen ging es nicht anders und wir verschlangen erst einmal alle unsere Sandwiches. Es herrschte kurzes Schweigen.

„So, und wer ist jetzt dein Schwarm?“, fragte Sam schließlich, ganz beiläufig als würde es ihn nicht interessieren, nachdem wir die Krümel vom Tisch gefegt hatten.

„Das wüsstest du jetzt wohl gern.“, antwortete ich grinsend und streckte ihm die Zunge raus.

„Naja, ich würde schon gerne wissen, wer es ist, damit ich diesen Kerl sagen kann, dass, wenn er dir das Herz bricht, ich ihm alle Knochen brechen werde.“, erklärte Sam und musste auch grinsen.

Ich kicherte. „Schon allein deswegen werde ich es dir nicht sagen.“

„Ach komm schon! Als dein bester Freund muss ich doch alles von dir wissen. Ich hab ja nicht mal geahnt, dass du verliebt bist. So etwas musst du mir doch erzählen“, beschwerte er sich.

„Ich bin mir sicher, ich weiß auch nicht alles von dir. Und das ist wahrscheinlich auch besser so.“

„Hm. Dann muss es mir eben Mel erzählen!“, meinte er und wandte sich an sie.

„Oh nein, das werde ich nicht! Ich habe schon viel zu viel gesagt!“, weigerte sie sich.

„Du loyales Stück“, beschimpfte Sam Mel.

„Da kann man nichts machen“, sagte Mel und zog die Augenbrauen hoch.

„Maaaaaaan, ihr seid echt gemein!“, stöhnte mein bester Freund.

„Dann erzähl du uns doch von deinem Schwarm. Vielleicht sagt es dir Clara ja dann.“, meinte Mel gelassen, während ich sie wütend anfunkelte.

Sam lachte. „Wer sagt, dass ich einen Schwarm habe?“

„Mike.“ Mike war ein Kumpel von Sam und total verliebt in Melodie. Deswegen tratschte er alles an sie weiter, was er nur herausfinden kann.  Natürlich hatte mir Mel das schon lange gesagt, aber ich hatte es nicht geglaubt.

„Mike, dieser Mistkerl. Dem verrat ich nie wieder etwas!“ Ich schaute Sam an, der fluchend über Mike schimpfte und erst nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass er gerade zugegeben hatte, dass er verliebt war. „Und wer ist es nun?“, hakte Mel nach, während ich betreten meinen Blick auf den Tisch heftete.

„Hm, ich gebe euch einen Tipp: Sie ist das schönste Mädchen auf der ganzen Welt.“, sagte er grinsend. Na dann war ich es schon mal nicht.

„Dann ist es Clara!“, schrie Mel begeistert und sowohl ich als auch Sam und die ganze anderen Leute in der Cafeteria schauten sie verblüfft an.

„Das ist zwar süß von dir, Mel, aber es stimmt nicht.“, meinte ich lächelnd und versuchte die Blicke der anderen zu ignorieren.

„Das stimmt sehr wohl!“

„Ich will mich hier jetzt nicht mit dir streiten.“, erklärte ich.

„Sam, sag du doch auch was!“, rief Melodie und stampfte mit beiden Füßen auf den Boden.

„Ich halte mich da raus“, sagte er, zwinkerte uns zu und verschwand dann zu seinen Freunden.

„Geht’s denn noch peinlicher?“, zischte ich, als Sam außer Sichtweite war.

„Ich hab nur meine Meinung vertreten.“, rechtfertigte Mel sich beleidigt.

Ich stöhnte. „Ich bin sicherlich nicht das hübscheste Mädchen auf der Welt und Sam ist sicherlich nicht in mich verliebt.“

„Wenn du mir in Mathe zugehört hättest, dann würdest du jetzt etwas anderes sagen!“ Sie machte ein beleidigtes Gesicht und ich seufzte.

„Dann erzähl es mir doch nochmal. Dieses Mal hör ich zu, versprochen.“

„Okay. Na gut.“ Mel sah auf einmal sehr professionell aus. „Abgesehen davon, dass die Hälfte aller Schüler hier sowieso schon denkt, dass ihr zusammen seid, weil ihr euch ständig umarmt und er dich andauernd auf die Wange küsst,“ Ich wollte etwas erwidern, aber Mel ließ mich nicht. „geht in letzter Zeit das Gerücht um, dass er dich fragen will.“

„Was fragen?“ Ich war verwirrt.

„Na, ob du mit ihm zusammen sein willst!“, rief Mel und sprang auf. „Na, ob du mit ihm zusammen sein willst.“, wiederholte sie flüsternd und setzte sich augenblicklich.

„Das glaubst du doch selber nicht.“

„Doch. Soweit ich weiß, hat er dich doch heute früh gefragt, ob du nach der Schule Zeit hast, weil er etwas Wichtiges zu besprechen hat. Naaa? Klingelt’s da nicht?“

Ich schüttelte den Kopf. „Das ist doch Blödsinn!“

„‘Etwas Wichtiges besprechen‘ heißt entweder, dass jemand Schluss macht oder die Liebe gesteht. Und da ihr beide kein Paar seid, geht nur das zweite.“

„Du schaust zu viele Liebesfilme, Mel.“ Ich stand auf, packte mein Zeug und machte mich auf den Weg zum Klassenzimmer. Meine Freundin eilte mir hinterher.

„Du wirst es schon noch sehen.“, meinte Mel schmollend und ich verdrehte die Augen.

 

Der Nachmittagsunterricht zog sich (wie immer) und ich kapierte wieder mal gar nichts (auch wie immer). Als es endlich gongte, wartete ich an der Tür auf Sam, während er sich durch die Mädchenmengen kämpfte, die ihn alle mit Blicken anhimmelten und ab und zu versuchten ein Gespräch aufzubauen.

„Können die mich nicht mal in Ruhe lassen?“, beschwerte sich Sam bei mir.

„Ja echt, du hast schon ein schweres Leben.“, sagte ich und nickte mitleidsvoll. 

„Endlich mal eine, die mich versteht.“ Sam legte seinen Arm um meine Schulter und wir gingen gemeinsam zu unserem Lieblingscafé. Dort machten wir es uns gemütlich und bestellten uns Kaffee.

„Scheiße, ist das kalt draußen.“, fluchte ich und rieb meine Hände aneinander, die ganz rot waren.

„Ja, da hilft nur kuscheln“, meinte Sam grinsend.

„Dir ist schon klar, dass dadurch ziemlich viele Leute denken, dass wir zusammen sind?“, sagte ich ebenfalls grinsend.

„Ach, lass die doch denken, was sie wollen.“ Sam rutschte ein Stück zu mir und legte seinen Arm wieder um meine Schulter und sofort umschloss ein warmes Gefühl mein Herz. Ich schlürfte an meinem Kaffee. Plötzlich vergrub mein bester Freund sein Gesicht in meinen Haaren, sodass mein Herz nicht nur einen Salto schlug, sondern gleich Samba tanzte. Ok, das war neu. Umarmen tat er mich zwar ständig, aber das hatte er noch nie gemacht. Langsam beschlich mich ein Verdacht. Prompt rutsche ich ein Stück von ihm weg und er schaute auf.

„Warte, hat Mel dir irgendwas erzählt?“, fragte ich aufgeregt. Vielleicht war es nämlich der Grund, warum er so freundlich zu mir war. Mel hatte ihm gesteckt, dass ich ihn verliebt war (natürlich nur in der guten Absicht, uns zusammen zu bringen) und er gab mir jetzt einen Korb. Das war das ‚Wichtige, das er besprechen‘ musste.

Sam runzelte die Stirn. „Hä? Was soll sie mir denn erzählt haben?“

„Na, dass ich in… hat sie dir irgendwas über mich gesagt?“

„Nein“, erwiderte er verwirrt.

Eine Welle der Erleichterung überkam mich. „Aber was wolltest du mit mir dann Wichtiges besprechen?“

„Du redest heute ziemlich wirres Zeug, wusstest du das? Und was das angeht… Können wir das irgendwo anders machen?“

„Na gut“, sagte ich beruhigt und wir verließen das Café, nahmen unsere heißen Getränke mit und Sam führte mich zu einem Spielplatz, auf dem wir häufig waren.  Wir setzten uns auf das rostige Klettergerüst, das verdammt kalt war und bedrohlich wackelte.

„Also, was gibt’s denn so dringendes?“, fragte ich ihn.

„Kannst du mir zuerst versprechen, dass du mich nicht unterbrichst?“ Ein schiefes Lächeln tauchte auf seinem Gesicht auf.

„Ähm, okay“

Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, was mich irgendwie verunsicherte. Dann holte er tief Luft und begann zu reden. „Okay, also. Wir haben heute in der Mittagspause ja darüber geredet, in wen wir verliebt sind. Und… naja… Mel hatte gar nicht so Unrecht“ Mein Herz schaltete schnell den Turbo ein, mein Kopf drehte sich und mir wurde auf einmal extrem warm. „Ich meine, ich wollte es dir sowieso schon sagen, aber als ich heute erfahren habe, dass du auch verliebt bist, da musste ich es dir auf jeden Fall erzählen. Weil ich gehofft hatte, dass du in mich verliebt bist. Blödsinnig, hm?“ Er lächelte schwach, wurde ein bisschen rot (was ich überhaupt nicht von ihm kannte) und ich hyperventilierte fast. „Ich weiß nicht, wie es der beste Weg ist es dir zu gestehen. Aber ich muss das jetzt loswerden, auch wenn das Risiko besteht, dass ich dadurch unsere Freundschaft kaputt mache. Ich liebe dich. Das tu ich schon lange. Und ich will mehr, als nur dein bester Freund sein.“ Sam atmete erleichtert aus, als hätte er etwas richtig Schweres hinter sich gebracht.

Anstatt jetzt einen Freudentanz zu veranstalten, ihn um den Hals zu fallen und abzuknutschen und „Ich liebe dich auch“ zu quietschen, schaute ich ihn an und blinzelte irritiert. In meinem Kopf drehte sich alles und ich hatte Angst vom Klettergerüst zu fallen.

„Äh, jetzt darfst du wieder antworten“, sagte Sam und lächelte verunsichert.

„Weißt du, Sam… Es ist nicht so, dass ich dich nicht toll finden würde, aber ich bin im Moment so fertig und ziemlich verwirrt und…“, begann ich ein bisschen hoffnungslos. Was machte ich da eigentlich?

„Nein, bitte nicht.“, unterbrach mich Sam und zog ein schmerzhaftes Gesicht, bei dessen Anblick es mir in der Brust stach. „Ich will keine Ausreden hören. Wenn du mich nicht liebst, sag es einfach.“

Ich sagte gar nichts, sondern stierte auf meine Hände. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Leila hat mir gesagt, dass ich keine Gefühle mehr empfinden konnte, sondern nur die Erinnerung daran hatte.  Jetzt hatte ich Angst davor, ihm meine Liebe zu gestehen, nur um ihn ein paar Wochen danach das Herz zu brechen.  Oder so. Ich war einfach verwirrt.

„Liebst du mich? Ja oder nein.“, meinte Sam, nachdem ich eine Weile nichts gesagt hatte.

Ich zögerte. „Ich weiß es nicht“, sagte ich schließlich und das war nicht einmal gelogen. Dann sprang ich vom Klettergerüst, schüttete dabei meinen Kaffee über meine Hände und rannte weg.  Sam lief mir nicht nach, das hatte ich auch nicht erwartet.

„Scheiße man, ist es denn so schwer, mir zu sagen ob du mich liebst oder nicht?“, schrie er mir hinterher.

Ja, dachte ich und mir kullerten die ersten Tränen hinunter. Warte, können Dämonen überhaupt weinen? Und was ist, wenn ich diesen ganzen Dreck doch nur geträumt habe und Sam gerade umsonst einen Korb gegeben habe?

 Ich rannte einfach weiter, ohne zu wissen wohin, weil die Tränen mir die Sicht versperrten. Ich musste weg, ganz weit weg von hier. Ich hielt erst an, als es schließlich schon dämmerte. Vollkommen außer Atem setzte ich mich auf eine Bank. Ich zitterte am ganzen Körper, eher vor Anstrengung als vor Kälte. Ich checkte mein Handy. Keine neuen Nachrichten oder entgangene Anrufe. Meine Mutter war wahrscheinlich schon wieder in der Arbeit und mein Vater schlief oder schaute Fußball. Mein Bruder Ron interessierte sich sowieso nicht für mich oder mein Wohlbefinden, sondern nur für seine Skaterfreunde. Nachdem ich wieder zu Atem gekommen war, wurde mir sofort kalt. Meine Finger waren ganz rot, da half kein Reiben oder Pusten.  Am liebsten hätte ich mich auf diese Bank gelegt und wäre gestorben. Aber Dämonen konnten ja nicht sterben… oder? Ich hatte so viele Fragen, aber keine einzige Antwort. Eine Schneeflocke landete auf meiner Nase. Plötzlich hörte ich das Knirschen von Schnee. Ich schaute schnell auf, doch konnte niemanden erkennen. Ich hatte auf einmal das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich spürte einen leichten Lufthauch an meinem Nacken und drehte mich prompt um. Wieder war nichts da.

„Endlich haben wir dich gefunden. Du hast uns ganz schön Arbeit bereitet.“, sagte eine eisige Stimme vor mir und ich konnte spüren wie es dadurch einige Grade kälter wurde. Sofort wirbelte ich herum. Vor mir stand ein junger gutaussehender Mann mit blonden Haaren. Und roten Augen, die mir durch die Dunkelheit entgegen leuchteten.

„Dann machen wir schnell. Wir haben schon zu viel Zeit vergeudet.“, sagte eine ebenso kühle Stimme hinter mir. Ich sah erneut nach hinten, wo  jetzt auch ein Mann stand. Er war älter und sein schwarzes Haar war von hellen Strähnen durchzogen. Er hatte auch rote Augen.

„Wer seid ihr?“, fragte ich panisch und ein Luftstoß brachte mich zum Zittern.

„Sie ist noch so unwissend. Ist wohl auch besser so.“, lachte der junge Mann.

„Ich muss jetzt gehen“, sagte ich ängstlich und machte mich sofort auf.

Mit einem Mal stand der junge Mann wieder vor mir. Ich hatte nicht einmal gesehen, dass er sich bewegt hatte.

„Na na. Du willst doch nicht schon wieder abhauen. Wir haben dich doch gerade erst gefunden“, sagte er mit einem neckischem Unterton und grinste mich so an, dass ich seine spitzen Eckzähne erkennen konnte.

Ich schaute ihm kurz in die Augen und drehte mich dann um, um wieder loszurennen, aber von dort grinste mich der andere Mann an. Sie hatten mich in die Enge getrieben.

„Was wollt ihr?“, zischte ich, um meine Angst zu überspielen, während mir mein Herz bis zum Hals klopfte. Obwohl ich ja eigentlich gar kein Herz mehr hatte, wie mir gerade einfiel.

„Nicht viel. Nur dein Leben.“, sagte der junge Mann. Dann hob er seine Hand und sie formte sich in krallenartige scharfe Klauen. Die Haut färbte sich dunkelgrau und wurde schuppig. Ich sog überrascht Luft ein und wich unwillkürlich einen Schritt zurück, wo ich gegen den anderen Mann stieß.

„Beeilen wir uns“, sagte der alte Mann und auch seine Hand änderte die Gestalt.

Wie von Angst gelähmt stand ich da und konnte mich nicht zwischen den beiden Männern bewegen. Da holte der jüngere zum Schlag aus, so schnell, dass ich ihn kaum sehen konnte. Ich schaffte es, ihm auszuweichen, indem ich in die Hocke ging. Ich wusste nicht einmal, dass ich so schnell war. Aber der Jüngere machte sich schon zum nächsten Angriff bereit. Hätte ich ihn nicht mit meiner Hand abgewehrt, hätte er mir die Klauen direkt ins Gesicht geschlagen. Stattdessen brannte nun mein Handrücken wie verrückt und ich schrie auf vor Schmerz. Ich konnte in der Dunkelheit die Wunde nicht richtig sehen, aber sie war tief und Blut tropfte nach unten und färbte den weißen Schnee rot. Ich dachte, Dämonen konnten nicht verletzt werden. Allerdings konnte ich mir darum im Moment keinen Kopf machen, denn den stetigen Angriffen auszuweichen, erforderte meine volle Aufmerksamkeit. Der ältere Mann betrachtete den Kampf mit einem zufriedenen Ausdruck, griff aber selber nicht ein.

„Können wir das nicht auf eine friedliche Art lösen?“, fragte ich unbeholfen, während ich einen Schritt nach links machte, sodass der Mann mich nicht treffen konnte.

„Natürlich“, sagte der Mann und stoppte sofort mit den Schlägen. „du lässt dich freiwillig töten und wir kämpfen nicht. Ich werde es auch ganz schnell machen, du wirst kaum etwas spüren.“ Er lächelte und ich glaube, er meinte das wirklich ernst.

„Du wirst sie heute nicht töten.“, hörte ich eine sanfte Stimme und ich war so erleichtert, dass ich beinahe zusammenbrach. Leila stand plötzlich zwischen mir und dem jungen Mann.

„So so, lässt sich die Dämonendienerin auch einmal blicken“, sagte der Blonde und leckte an seinen Lippen.

„Es hat einige Zeit gedauert euch zu finden. Ich dachte nicht, dass ihr schon so früh auftauchen würdet“, erwiderte Leila gelassen.

„Du vergisst aber, dass wir zu zweit sind. Und du bist allein.“

Leila lächelte nur zuckersüß und zog ihr Katana aus dem Regenschirm.

„Lass es gut sein, Theo!“, rief der alte Mann. „Wir haben keine Chance gegen sie.“

Der Jüngere schaute ihn wütend an und seine Nasenflügel bebten, aber er gehorchte und verschwand augenblicklich. Ebenso der Alte.

„Oh Gott, ich bin so froh, dich zu sehen!“, schluchzte ich und fiel Leila um den Hals. Der ganze Druck fiel von mir ab und die Tränen begannen zu fließen.

Sie lachte und streichelte mir über den Rücken. „Es tut mir leid, dass ich nicht schon früher gekommen bin“

„Egal, Hauptsache die Männer sind jetzt weg!“

„Haben sie dich irgendwo verletzt?“, fragte Leila und schob mich ein Stück weg.

Ich schaute auf meine Hand, die immer noch blutete.  Leila seufzte, als sie die Wunde sah.

„Das können wir nicht in der Menschenwelt behandeln, wir gehen in die Unterwelt. Eigentlich wollte ich dir das ersparen, nachdem du schon einen Kampf hinter dir hast. Kaum zu glauben, dass du das überhaupt überlebt hast… Halt dich bitte an mir fest“

Leila hielt mir ihre Hand hin. Ich nahm sie und mit einem Mal begann sich alles zu drehen und der schneebedeckte Boden verzerrte sich. Und dann war es auch schon wieder vorbei. Das ganze hatte nur ein paar Sekunden gedauert. Wir standen in einem Krankenzimmer, das genauso aussah wie jedes beliebiges Krankenzimmer. Leila zeigte auf eine Liege. „Setz dich da drauf, ich kümmre mich gleich um deine Wunde.“

Ich machte es mir darauf bequem, während Leila sich die Hände wusch und desinfizierte und danach ein paar Sachen zusammen suchte. Dabei kreisten tausende von Fragen im Kopf herum.

„Leila, wer waren diese Männer? Und wieso wollten sie mich töten?“, fragte ich, als ich es nicht mehr aushielt.

Sie zögerte kurz. „Naja, früher oder später würdest du es sowieso erfahren, da kann ich es dir auch jetzt gleich erzählen. Auch in der Dämonenwelt gibt es verschiedene Stämme. Die Männer, die dich angegriffen haben, waren von den Ouroboros. Vielleicht hast du davon schon einmal gehört. Ouroboros ist eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, und so einen Kreis bildet. ‚Hen to pan‘ Eins ist alles. Das Ouroboros kommt oft in der Mythologie sowie Alchemie der Menschen vor, sogar schon damals im alten Ägypten.  Es braucht keinen Bedarf oder Bezug nach außen, da der Kreis eine vollkommene und nie endende Form ist. Diese Eigenschaft haben sich die Dämonen vom Ouroboros-Stamm zu Nutze gemacht und nennen sich selber den obersten Stamm.  Da sie ihrer Meinung nach vollkommen  sind und keine Hilfe von außen brauchen. Dabei verdrehen sie die tatsächliche Bedeutung des Ouroboros völlig. Verstehst du bis jetzt alles?“ Aus irgendeinem Grund bekam ich dabei Gänsehaut. „Ja, ich denke schon.“, log ich. „Und warum wollten sie mich töten?“

Leila zögerte wieder. „Das weiß ich selber nicht genau… Weißt du, ich hab dich nicht ohne Grund in einen Dämon verwandelt. Der Befehl kam von ganz oben. Wenn du keiner wärst, wärst du schon längst tot.“

„Von ganz oben?“, fragte ich verwirrt. Das Denken fiel mir im Moment unglaublich schwer, obwohl ich so viele Fragen hatte. „Aber über der Unterwelt ist doch die Menschenwelt. Also kam der Befehl von Menschen?“

„Nein, du verstehst das falsch. Du darfst dir die Unterwelt nicht so vorstellen, als wär sie unter der der Menschen, also eine Schicht tiefer in der Erdkugel. Sonst hätten uns die Menschen ja schon längst entdeckt. Diese Welt hier ist eine völlig andere Dimension. Und sozusagen der Boss der Dämonenwelt hat bestimmt, dass du einer von uns wirst. Wieso kann ich dir leider nicht sagen. Achtung, das könnte jetzt wehtun“ Leila tupfte mit Desinfektionsmittel auf die drei tiefen Risse auf meinem Handrücken. Es brannte wie verrückt, ich sog scharf Luft ein und biss mir auf die Unterlippe, damit ich nicht losschrie.

„Wieso konnten diese Männer mich überhaupt verletzen? Ich dachte, Dämonen sind unsterblich.“, fragte ich.

„Dämonen sind nicht ganz unsterblich, nein. Sie können nur von anderen Dämonen oder ihrem Schöpfer getötet werden.“, erklärte Leila und schmierte irgendeine lila Salbe, die komisch riechte, auf die Verletzung.

„Aber du hast mich doch gestern auch mit dem Schwert durchbohrt und ich bin nicht gestorben. Und du bist sowohl mein Schöpfer als auch ein Dämon“, erinnerte ich sie.

Leila kicherte und ich schaute sie irritiert an. „Das war nur ein Seelenschwert. Damit kann man niemanden töten. Aber ich musste dich ja irgendwie davon überzeugen, dass du ein Dämon bist. Außerdem bin ich nicht dein Schöpfer. Damit sind Menschen gemeint, die Dämonen zu ihrem eigenen Nutzen rufen.“

„Okay… Und wieso hatten diese Ouro… Oubo… diese Männer von vorhin dann so höllisch Angst vor dir? Du hättest ihnen mit diesem Ding doch gar nichts antun können!“

„Ich hab mehr als ein Schwert. Das, das ich diesmal dabei hatte, war ein richtiges. Das Seelenschwert brauchte ich nur um dich in einen Dämon zu verwandeln“

„Das ist alles so verwirrend“, seufzte ich und schloss meine Augen, während Leila meine Hand mit Verband einwickelte.

„Keine Sorge, du hast jetzt  genug Zeit dich auszuruhen und darüber nachzudenken.“ Ich öffnete ein Auge und sah Leila an. „Dann muss ich heute noch nicht zu diesem Unterricht?“ „Eigentlich schon, aber das will ich dir ersparen. Du hast heute schon genug erlebt“ Ja, genau. Und das reicht mir auch für die nächsten 50 Jahre. Ich glaube, ich habe vorhin mehr Adrenalin ausgeschüttet als die letzten 16 Jahre meines Lebens zusammen. Als mich Leila schließlich wieder nach Hause schickte, war ich hundemüde (obwohl ich eigentlich keinen Schlaf brauchte), verwirrt und mir schwirrten tausende von Fragen durch den Kopf. Ich ließ mich einfach auf mein Bett fallen und wollte schlafen. Vielleicht würde ich ja morgen ein paar Antworten finden. 

 

Mein Wecker klingelte um sieben Uhr, aber ich wollte nicht aufwachen. Gerade war ich in der Halbschlafphase, in der ich noch keine Erinnerungen an den vorherigen Tag hatte. Das laute Singen meines Bruders unter der Dusche weckte mich dann schließlich doch auf und die hässliche Realität übermannte mich. Ich rollte mich aus dem Bett und ging schleppend zur Badezimmertür. „Beeil dich mal“, brüllte ich und hämmerte dagegen. Heute hatte Ron wieder früher Unterricht. Nach fünf Minuten kam mein Bruder schließlich aus dem Zimmer, nur mit einem Handtuch bekleidet. Auch wenn ich es nicht gerne tat, ich musste zugeben, dass er wirklich gutaussah. Nicht nur sein durchtrainierter Körper, sondern auch sein hübsches Gesicht mit den kurzen schwarzen Haaren und denselben grünen Augen wie ich, machte ihn auf seiner Schule ziemlich beliebt. Und dass er ein Skater war gab ihm nochmal einen Pluspunkt. Er hatte allerdings die schlechte Angewohnheit, nur arrogante Ziegen mit nach Hause zu bringen.

„Du siehst heute aber fertig aus“, begrüßte er mich freundlich.

„Ich wünsch dir auch einen guten Morgen“, sagte ich sarkastisch. Ich quetsche mich an ihm vorbei, huschte schnell ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Auf die Dusche verzichtete heute, der Verband sollte nicht nass werden. Sonst machte ich alles wie jeden anderen Tag auch. Unten futterte ich Müsli in mich hinein und machte mich auf zur Schule. Auf dem Weg überkam mich dann die Angst. Ich fürchtete mich nicht davor, nochmal von jemand angegriffen zu werden (besonders nicht am helllichten Tag), sondern mir wurde klar, dass ich jetzt gleich Sam wiedersehen würde. Am Schultor fing mich Mel ab und umarmte mich quietschend.

„Guten Morgen, du siehst ein wenig kaputt aus. Hast du nicht gut geschlafen? Ach ja, es gibt schon wieder neue Gerüchte über dich und Sam um, aber dieses Mal kann an denen wirklich nichts Wahres dran sein.“, quatschte sie los.

„Ich hab kaum die Augen zugemacht und war lange wach. Was ist es denn nun schon wieder?“

„Pass auf, das ist wirklich unglaublich.“ Mel stellte sich vor mich und schaute total begeistert. „Irgendwer soll dich und Sam gestern auf dem Spielplatz gesehen haben, du weißt schon, dem beim Ravenor Park. Und Sam hat dir seine Liebe gestanden, doch du bist weggelaufen.“ Ich schluckte, jetzt wusste es also schon die ganze Schule. „Ich hab allerdings allen gesagt, dass das nicht stimmen kann! Davon wüsste ich ja, du hättest mich natürlich sofort angerufen. Außerdem hättest du eher einen Freudentanz gemacht, anstatt wegzulaufen.“ Mel nickte sich selbst zustimmend und ich biss mir auf die Unterlippe. Ich musste es ihr wohl oder übel erklären.

„Mel, die Gerüchte stimmen dieses Mal.“, erwiderte ich und ging weiter.  Meine Freundin eilte mir hinterher.

„Siehst du, ich hab denen auch gesagt, dass ihr das niemals gewesen sein könnt. Wer sich diesen Müll einfallen lassen hat… Also echt!“ Da war er wieder, der Blutrausch. Sie hörte mir nicht mal zu. Also trottete ich weiter zum Klassenzimmer, während Mel neben mir plapperte. Schon in dem Gang neben unserem Klassenzimmer warfen mir die Mädchen aus meiner Klasse giftige Blicke zu. Das war eigentlich oft so, weil sie eifersüchtig darauf waren, dass Sam mit mir etwas unternahm, aber dieses Mal war mir klar, dass sie mich wegen dem Gerücht anzickten. Als wir schließlich um die Ecke zu unserem Klassenzimmer bogen, hielt ich die Luft an. Ich setzte mich so schnell wie möglich auf die Bank, die an der Wand stand, direkt hinter Seth, der ziemlich dick war und ich so nicht sofort auffiel. Allerdings hatte ich die Rechnung nicht mit Mel gemacht. Während ich zu Sam hinter spähte, schrie sie plötzlich: „Clara, du hörst mir schon wieder nicht zu!“, woraufhin uns natürlich alle anstarrten und ich rot anlief. Ich schaute zu Sam und sofort wieder weg. Mein Herz (das eigentlich gar nicht vorhanden war) klopfte für einen Moment ganz schnell. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass seine Miene ausdruckslos war, aber ich durchschaute seine Maske. Es tat ihm weh, mich zu betrachten und mir ging es nicht anders. Ich biss mir auf die Unterlippe, ich war so ein Trottel.

„Man, Clara, was ist denn heute mir dir los? Es ist zwar normal, dass du mir nicht zuhörst, aber es kommt mir so vor, als wärst du gerade geistig nicht anwesend.“, beklagte sich meine Freundin.

„Mel, wir gehen jetzt auf die Toilette und du hörst zu, was ich zu sagen habe, okay?“, fragte ich.

Mel runzelte die Stirn, nickte jedoch und folgte mir aufs Klo. Weil der Unterricht gleich begann, war sie leer. Ich lehnte mich an ein Waschbecken und atmete tief durch, während Mel sich es auf dem Boden gemütlich machte.

„Also. Dieses Gerücht um mich und Sam, was auf den Spielplatz passiert ist und so… das ist wahr. Es war gestern wirklich so. Allerdings war ich danach zu verwirrt, um dich anzurufen, sorry.“, klärte ich die Sache ein für alle mal.

Mel starrte mich fassungslos an. „Was hast du gemacht? Du hast Sam einen K-o-r-b gegeben? Bist du total verblödet? Du bist doch seit Jahren in den Kerl verliebt!“

Ich seufzte. „Ich bin eben total verwirrt.“

„Was gibt es da verwirrt zu sein? Er hat gesagt, er liebt dich und du liebst ihn auch. Du solltest überglücklich sein!“

„Ich bin ja auch nicht deswegen verwirrt, sondern wegen einer anderen Sache… und ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll.“

„Sag’s einfach. Ich bin deine beste Freundin“

„Ok… Mel, ich bin ein Dämon“

„Ach Clara!“, sagte Mel, sprang auf und umarmte mich Irritiert runzelte ich die Stirn. „Du bist doch kein Dämon, nur weil du ihn abgewiesen hast! Das kann man doch wieder regeln, so schlimm ist das nicht!“

„Nein, so meine ich das nicht.“, erwiderte ich und schob Mel ein Stück von mir weg. „Ich meine das so wie ich es sage. Hast du dein Klappmesser dabei?“

„Ja“ Mel zögerte kurz, zog es dann aber aus ihrem Stiefel und reichte es mir.

„Erschrick nicht.“, warnte ich sie, klappte das Messer auf und rammte es mir, nach kurzem Überlegen, in den Bauch.

Mel schrie auf und hielt sich erschrocken die Hände vor den Mund. „Wieso hast du das gemacht?“, fragte sie und sofort stiegen ihr Tränen in die Augenwinkel.

„Keine Sorge“, sagte ich und grinste. Mel betrachtete fassungslos ihr Klappmesser in meinem Bauch. Ich zog es heraus und innerhalb weniger Sekunden war die Wunde verheilt. Nur mein Pulli war kaputt und blutdurchtränkt.

„Hm, das hatte ich nicht gut durchdacht. Jetzt hab ich ein riesiges Loch in meinen Klamotten.“, bemerkte ich.

„Was ist denn da gerade passiert? Du hattest da eben noch diese riesige Wunde… wieso ist sie weg?“, fragte Mel und starrte auf den Fleck, wo eben noch das Messer steckte.

Ich erzählte ihr die ganze Geschichte, von dem Punkt ab, als Leila vor meiner Haustür stand, wodurch wir die ganze erste Stunde verpassten. Den Teil mit Sam wollte sie besonders detailliert hören.

„Und das ist dir alles in den letzten paar Tagen passiert? Alter Schwede… Wieso hast du mir es nicht sofort gesagt?“,  sagte Mel schließlich und sah mich vorwurfsvoll an.

„Naja, am ersten Tag dachte ich noch, es sei ein Traum gewesen, dann war das mit Sam und jetzt hab ich es dir ja gesagt.“, meinte ich schwach lächelnd und zuckte mit den Schultern.

„Ich hatte mich schon gewundert, woher du die Verletzung an der Hand  hast. Dafür solltest du dir noch eine Ausrede einfallen lassen, sollte dich jemand darauf ansprechen.“

„Ich sag einfach, mich hat ein Hund gebissen. Los, wir sollten auch nicht noch die zweite Stunde schwänzen. Wir müssen vorher noch bei meinem Spind vorbeigehen, ich brauch ein neues Shirt.“

„Aber ich würde lieber noch einmal hören, wie das mit dir und Sam war. Oh, und bevor ich’s vergesse: Heute Nachmittag werde ich gleich mal nach diesem Ouroborosdingens googlen, das interessiert mich nämlich wirklich.“

„Ich hab dir jetzt schon tausendmal bis ins kleinste Detail erzählt, was passiert ist. Komm schon“ Ich griff nach Mels Handgelenk und zog sie hinter mir her.

Nachdem ich mir einen neuen Pulli geholt hatte, betraten wir gleichzeitig mit unseren Wirtschaftslehrer das Zimmer, sodass es nicht besonders auffiel, dass wir weg waren. Sobald wir auf unseren Plätzen saßen, fiel mir noch etwas Unangenehmes auf. In der nächsten Stunde hatten wir Physik in einem anderen Zimmer und da Mel zu der Zeit ein anderes Fach hatte, saß ich neben Sam. Neben Sam, der mir gestern seine Liebe gestanden hatte und ich ihn darauf keine richtige Antwort gegeben hatte. Ach du Scheiße. Die Wirtschaftsstunde verging viel zu schnell und als ich in den Physiksaal ging, saß Sam schon auf seinem Platz. Ich setzte mich neben ihn ohne den Blick vom Fußboden zu heben. Ich krallte meine Finger in meine Oberschenkel (zum Glück spürte ich keinen Schmerz) und ich wusste genau, dass Sam extra auffällig nicht in meine Richtung schaute. Der Unterricht hatte schon längst begonnen, aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Genau genommen hörte ich nie zu, aber heute könnte ich nicht einmal, wenn ich wollte. Als mein Physiklehrer gerade fröhlich über kinetische Kräfte plapperte, fing meine linke Hand mit einem Mal höllisch an zu brennen, sodass ich nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken konnte. Mein Verband war in wenigen Sekunden blutrot und so vollgesaugt, dass er kein Blut mehr aufnehmen konnte und es auf den Boden tropfte. Was war denn nun los? Wenn eine Wunde aufriss, dann sprudelt daraus doch nicht Blut wie aus einem Springbrunnen.

„Scheiße!“, sagte Sam neben mir, weil er offenbar meine Hand gesehen hatte. War auch schwer zu übersehen. „Mr Fany? Ich bringe Clara schnell zu einem Krankenzimmer, ihre Verletzung ist wieder aufgerissen. Ich hab eine Sanitäter -Ausbildung gemacht, ich kann mich darum kümmern.“

Noch während er es sagte, führte er mich zur Tür und betrachtete meine Hand immer wieder mit einem sorgenvollen Blick. Er wartete nicht einmal auf die Antwort des Lehrers, sondern schloss hinter sich sofort die Tür und ging den ganzen Weg zum Krankenzimmer neben mir. Allerdings war keine Krankenschwester da. Das kam eigentlich öfter vor, da die meisten Schüler den Sanitäter-Abschluss hatten und sich so um sich selbst sorgen konnten. Wenn etwas richtig schlimmes passierte, wurde sowieso ein Krankenwagen gerufen. Als ich auf der Krankenliege saß, wollte mir Sam zuerst den Verband abnehmen, aber ich zog meine Hand zurück.

„Clara, ich muss das jetzt machen, ob du willst oder nicht. Deine Bandage ist schon blutdurchtränkt.“ Er langte demonstrierend den Verband an und zeigte mir dann seine blutbeschmierten Finger. „Siehst du“

Ich biss mir auf die Unterlippe. Wenn er die Wunde erst gesehen haben wird, würde er mir niemals glauben, dass das ein Hund war. Das sah eher nach einem Tigerbiss aus. Aber was sollte ich denn tun? Leila, die mich mal schnell hätte entführen können, war nicht in der Nähe. Also reichte ich ihm widerwillig meine Hand. Er wickelte die Bandage ab und dann stockte er. Ich auch. Die Wunden waren eindeutig größer und tiefer geworden.

„Verdammt, Clara! Was hast du da angestellt?“, fragte Sam entsetzt.

„Mich hat ein Hund gebissen“, erwiderte ich leise, sodass ich mir nicht einmal selbst geglaubt hätte.

Sam schaute mich skeptisch an. „Ich weiß ja, dass es grade zwischen uns nicht so gut läuft und wir können uns auch ruhig weiter ignorieren, aber hier geht es um deine Gesundheit! Wo hast du diese Verletzungen her?“

Ich biss mir auf die Lippe, heftete meinen Blick auf den Boden und schwieg.

Sam schnaubte wütend. „Diese Wunden sehen doch nicht mehr normal aus! Damit musst du dringend ins Krankenhaus, dir könnte sonst was passieren!“

„Können wir es nicht einfach dabei belassen, dass du mir einen neuen Verband rum machst? Es blutet doch auch schon viel weniger. Ich geh nach der Schule dann gleich in eine Klinik.“, versprach ich ihm.

Er zögerte. „Na gut“, sagte Sam schließlich und setzte einen ein bisschen verzweifelten Gesichtsausdruck auf. Ich rechnete ihm das hoch an, dass er keine weiteren Fragen stellte.

Während er mir also eine neue Bandage machte, sah ich aus dem Fenster, wo ein Schneesturm tobte. Was hatte es mit diesen Männern der Ouroboros auf sich? Wieso wollten sie mich töten und was will mir Leila nicht erzählen? Und was ist plötzlich mit meiner Hand passiert? Fragen über Fragen und ich bekam keine Antworten. Nachdem Sam mich verarztet hatte, heftete ich meinen Blick wieder auf den Boden und es entstand ein unangenehmes Schweigen.

„Okay, wer ist es?“, platze Sam dann heraus.

Ich schaute ihn verwirrt an und runzelte die Stirn. „Wer ist was?“, fragte ich irritiert.

„Du weißt schon, wen ich meine! Wenn du nicht… in mich verliebt bist, musst du es in einen anderen sein! Du hast schließlich selber zugegeben,  dass du einen Schwarm hast.“

Ich schüttelte den Kopf. „Jetzt reagier doch nicht gleich über. Ich hab doch nie gesagt, dass ich nicht in dich verliebt bin, aber ich bin zurzeit wirklich verwirrt und…“

„Lüg doch nicht!“, unterbrach er mich. „Ich will doch nur wissen, wer es ist. Keine Sorge, ich werde mich schon nicht mit ihm prügeln oder so. Obwohl ich gut drauf Lust hätte“

Ich fuhr mir mit meiner heilen Hand durchs Gesicht. „Sam, es gibt niemanden. Reg dich ab.“

Er stand vor mir und presste seine Lippen aufeinander, wahrscheinlich um zu verhindern, dass er losbrüllte. „Wenn es keinen anderen gibt… du sagst ständig, du bist verwirrt. Wieso? Ich verstehe das nicht, erkläre es mir.“, sagte er dann leise.

Ich zögerte. Ich konnte ihm nicht die wahre Geschichte erzählen, er würde mich für verrückt halten. „Es ist schwer zu erklären... Können wir nicht einfach Freunde bleiben bis sich alles normalisiert hat? Du bist mein bester Freund, Sam, ich halte es nicht aus, wenn wir uns gegenseitig ignorieren.“, schlug ich verzweifelt vor und versuchte ihm in die Augen zu schauen, ohne, dass ich gleich losheulte.

Sam blieb still und es war nichts außer dem Schneesturm draußen, der gegen die Fenster knallte, und unser ruhiges Atmen zu hören. Als er schließlich eine lange Zeit nicht geantwortet hatte, stand ich auf und ging.Ich blickte nicht nach hinten, aber mir war klar, dass Sam mich weder anschaute noch verfolgte. Mein Herz schien kurz vor dem Platzen zu stehen und  meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich rannte durch die leeren Gänge hinaus. Nachdem ich das Schulhaus ganz verlassen hatte, konnte ich nicht mehr verhindern, dass mir die Tränen herunterkullerten. Ich wischte mir übers Gesicht und schüttelte den Kopf. Ich durfte jetzt nicht in Selbstmitleid versinken, ich musste dringend in die Dämonenwelt, um Leila von der Veränderung der Wunde zu berichten. Aber wie sollte ich dort hinkommen? Letztes Mal hatte mich Leila einfach an der Hand genommen und schon waren wir in einer anderen Dimension. Je mehr ich darüber nachdachte, desto verwirrter wurde ich. Ich bin von dem Schulhof herunter, als plötzlich meine Verletzung wieder anfing zu brennen. Sie blutete zwar nicht, aber tat tausendmal mehr weh als vorhin. Vor Schmerzen fiel ich auf die Knie und mein ganzer Körper zitterte und zuckte. Trotzdem versuchte ich die frische Bandage abzuwickeln, um zu sehen, was mit meiner Wunde passierte. Mein Atem ging immer schneller und ich fing wieder an zu weinen, dieses Mal wegen der Schmerzen. Mit viel Mühe und zusammengebissenen Zähne schaffte ich es schließlich den Mull herunterzureißen und stieß dann entsetzt einen Schrei aus.  Ich sah gerade noch, wie die 3 Schnitte sich wie Schlangen weiter um mein Handgelenk wickelten und dann stoppten. Die Schmerzen hielten schlagartig an und ich starrte weiterhin auf meinen Arm. Was ist da passiert? Ich musste schlucken. Während der kalte Wind mich immer wieder zusammenzucken ließ, wurde mir von den tausenden von Gedanken, die in meinem Kopf schwirrten, schwindelig. Ich musste mich mit meinen Händen auf dem Boden abstützen, um nicht umzukippen. Während sich alles zu drehen begann und ich nur noch die Kälte um mich herum spürte, klappten meine Augen immer wieder zu. Und dann wurde mal wieder alles schwarz. 

Es war warm. Sehr sogar. Mir lief im Nacken der Schweiß herunter. Langsam konnte ich meine Augen öffnen und erkannte, dass ich in einem Fellbett lag und gleich daneben ein Kamin prasselte. Der Raum war altmodisch eingerichtet und kam mir nicht im Geringsten bekannt vor.  Auf den dunklen Möbeln lag eine Schicht Staub, so sah der Raum unbenutzt aus, die Wände waren mit geblümten Tapeten überzogen und in der Ecke stand ein bequem aussehender  Ledersessel.  Mir gegenüber hing ein riesiges Gemälde, das einen Kampf zwischen Engeln und Teufeln zeigte. Ich hatte ein ungutes Gefühl und als schließlich ein blonder gutaussehender, mir nur allzu gut bekannter Typ durch die Tür herein kam, bestätigte sich mein Verdacht.

„Du bist wach“, stellte der junge Mann mit einem Lächeln fest. Ich starrte ihn an und konnte kaum fassen, dass er wirklich vor mit stand. Genau er war der Dämon, der mir den Abend zuvor diese Wunde verpasst hatte. Wieso also setzte er sich jetzt auf einen kleinen Hocker neben meinem Bett, freundlich lächelnd, ohne auch nur den geringsten Drang zu haben, mich zu töten?

„Wie geht es dir?“, fragte er und sah etwas besorgt auf meinen Arm.  Ich kniff meine Lippen zusammen und schaute auf die Bettdecke.

„Okay, ich weiß das klingt jetzt komisch, weil ich der war, der dich angegriffen hat, aber du musst mir vertrauen. Ich will dir nichts Böses“, meinte er.

Ich zögerte. Hätte er mich töten wollen, hätte er das schon längst getan. Warum sollte ich also nicht mit ihm reden? „Wo bin ich? Was ist passiert? Wieso sieht meine Wunde so aus? Wer bist du überhaupt? Und wieso hast du mich nicht umgebracht wie du es das letzte Mal vorhattest?“, platzte es aus mir heraus.

Der junge Mann, erfreut über meine Offenheit, lächelte und fing an zu sprechen: „Ich versuche alle deine Fragen zu beantworten,  okay? Du bist hier in einem unbenutzten Haus, in der Nähe von der Zentrale der Ouroboros-Anhänger. Ich hab dich im Schnee liegend gefunden, hätte ich dich nicht mitgenommen wärst du wahrscheinlich erfroren. Dich über die Grenze, bei den ganzen Wachen zu kriegen war aber ziemlich schwer. Das mit deiner Verletzung versteh ich selber auch nicht ganz… Eigentlich hätte sie mit einer richtigen Behandlung, die du sicherlich bekommen hast, wieder verschwinden müssen, aber dass sie größer wird… Dein Körper muss wohl irgendwie darauf reagiert haben. Vielleicht ist doch irgendwas an der Sache, die man sich erzählt, dran… Naja, also ich bin Theo. Und ich steh auf deiner Seite, auch wenn das bei unserer letzten Begegnung nicht so danach aussah. Aber da war ein Aufseher dabei, ich konnte nichts anderes tun. Allerdings war mir auch klar, dass deine Zofe auftauchen würde, sie würden dich niemals allein lassen. Ich hab versucht dich extra nicht zu treffen, aber es musste echt aussehen“ Theo lächelte schief und kratzte sich am Hinterkopf.

Ich schaute ihn verwirrt an. Er war zwar der erste, der mir meine Fragen wirklich beantwortet hatte, aber richtig schlauer bin ich auch nicht daraus geworden. 

„Theo also… Wieso stehst du auf meiner Seite? Soweit ich das verstanden habe, müsste wir Erzfeinde sein oder so.“ Ok, ich hatte nichts verstanden, also trifft das auch nicht zwingend zu.

„Ja, du hast Recht. Allerdings fand ich schon von Anfang an, dass unsere Schicksale ein bisschen miteinander verbunden sind. Ich wurde nämlich, genau wie du, auch als Mensch geboren und später zu einem Dämon gemacht.  Nur eben von den Ouroboros-Anhängern, die zufälligerweise jetzt deine Erzfeinde sind. Also sind wir praktisch geboren, um uns zu hassen, haha. Okay, ich rede schon wieder zu viel unnötiges Zeug, sorry.  Ich weiß nicht genau, warum die Dämonenwelt ausgerechnet uns auserkoren hat, aber wir scheinen irgendetwas Besonderes zu sein. Aus irgendeinem wichtigen Grund, den ich bis jetzt noch nicht herausfinden konnte, sind wir hier gelandet. Aber ich denke nicht, dass das irgendwas so Tolles ist… Ich meine, wenn es um Dämonen geht, kann doch nie etwas Gutes dabei rauskommen. Deswegen will ich mich mit dir zusammentun, also nur wenn du willst natürlich. Dann bilden wir die Allianz der Auserwählten. Oder so. Ich arbeite noch an einem Namen.“, erklärte er.

Ich konnte nicht anders, meine Mundwinkel zuckten nach oben und ich fing an haltlos zu kichern. „Du bist noch nicht sehr lange Dämon, oder?“

„Äh nein, erst seit einem Jahr. Wie kommst du darauf?“

„Du redest völlig anders. Die ganzen Dämonen drücken sich so gebildet und nobel aus. Und du… naja ‚Allianz der Auserwählten‘.“ Ich grinste ihn an und er grinste zurück. Seine roten Augen machten ihn eigentlich gar nicht so unheimlich.

„Ich werde noch einen passenden Namen finden, du wirst dich wundern! Ach ja, wie geht es eigentlich deinem Arm?“

Ich sah die Wunde an, sie hatte sich nicht mehr verändert. „Es tut grade nicht weh. Nur was ist, wenn die Verletzung weiterwächst? Ich kann ja nicht mit einem ganz einbandagierten Arm herumlaufen, irgendwann würde es auch meinen Eltern auffallen.“, sagte ich und war wieder ernst.

„Keine Sorge. Ich hab in letzter Zeit die Bibliothek der Ouroboros durchschnüffelt und bin dabei auf einige Zauber gestoßen. Ich kann machen, dass man die Wunde nicht mehr sieht. Allerdings glaube ich, hat sich das mit einmal Wachsen nicht getan und du wirst noch öfter diese Schmerzen zu spüren bekommen. Dagegen kann ich leider nichts machen.“ Theo zog ein mitleidiges Gesicht, danach sprach er ein paar wenige Worte und strich über die Schnitte, die sofort unsichtbar wurden.

„Wow, das ist ja… unglaublich!“, hauchte ich und berührte die Stelle, an der gerade noch die Wunde zu sehen war.

„So großartig war das jetzt auch nicht.“, meinte Theo und kratzte sich wieder verlegen am Kopf.

Ich guckte eine Weile noch meinem Arm bewundernd an. Dann kam ich wieder zu dem ernsteren Thema zurück. „Du meintest vorhin, wir seien aus einem bestimmten Grund Dämonen geworden, richtig?“ Theo nickte.

„Danach habe ich Leila auch schon gefragt. Sie wollte mir darauf keine Antwort geben, nur, dass der Befehl von ganz oben kam. Also ihrem Chef oder so. Das muss also ganz schön wichtig sein.“, sagte ich.

„Ich glaube, die Sache ist noch viel größer, als wir denken. Und älter. Deswegen denke ich auch, wir sollten zusammen halten. Natürlich ganz im Geheimen.“, erwiderte Theo.

Ich nickte nachdenklich und kaute auf meiner Lippe herum. „Ja, das wird wohl das Beste sein… Ach ja, Theo, kann ich dich was fragen?“

„Alles“

„Leila hat mir erzählt, dass wir als Dämonen sowohl unsere Augenfarbe als auch unsere Gefühle verlieren. Das mit der Augenfarbe stimmt, das sehe ich ja, aber was ist mit den Gefühlen? Sind wir dann wirklich fast emotionslos?“

Theo lächelte aufmunternd. „Also ich merke nichts davon. Und ich bin schon ein Jahr ein Dämon. Vielleicht ist das alles bei uns ja anders, und wir behalten unsere Emotionen. Schließlich waren wir einmal Menschen. Kurz nach ihrer Erschaffung haben nämlich auch die normalen Dämonen noch Gefühle, die sie an ihre Schöpfer binden. Es kann aber auch sein, dass wir sie nur sehr langsam verlieren, ich fühle mich jedenfalls wie eh und je. Du hast noch Zeit, glaube ich. Wieso fragst du denn?“

„Ist nicht so wichtig“, murmelte ich. Eine Weile lang sagte niemand mehr etwas, ich dachte über die Informationen, die ich gerade bekommen hatte, nach. Wir wurden auserwählt. Wofür? Wieso ausgerechnet ich? Je mehr Antworten ich bekam, desto mehr Fragen taten sich auf.

„Ich schätze, wir sollten dich nach Hause bringen.“, meinte Theo.

Ich nickte und stand mit etwas wackeligen Beinen auf. Ich fühlte mich wie Bambi.

„Wenigstens wird die Rückreise nicht so schwer. Man kann sich nämlich nicht direkt hier in dieses Haus teleportieren, es hat irgendeinen Schutzzauber. Ich musste uns also erst außerhalb des Ouroboros-Gebietes hin teleportieren und dann über die Grenze hierher bringen. Die Wachen haben mir da ziemlich Stress gemacht, hätten sie dich gesehen, wäre ich total aufgeflogen. Allerdings wirkt der Zauber in die andere Richtung nicht und wir können hier ganz gemütlich in die Menschenwelt reisen. Ich bring dich noch vor die Haustüre“, sagte Theo munter.

Ich nickte und hielt mich an seinem Arm fest, den er mir reichte. Ein paar Sekunden später standen wir auch schon auf dem Gehsteig vor unserem Haus. Als ich das Gebäude, den Garten und das Licht in den Fenstern sah, konnte ich nicht anders und fing an zu schluchzen. Ich hatte alles so vermisst, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich in meinem gemütlichen Zuhause war, wo mein desinteressierter Bruder und meine überarbeiteten Eltern auf mich warteten. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass ich heute Morgen noch am Küchentisch saß. Theo nahm mich erschrocken in den Arm, wahrscheinlich mehr als Reflex, und streichelte mir über den Rücken. „Es ist alles gut, okay? Ich verstehe wie du dich fühlst. Es ist ein schreckliches Gefühl, so im Ungewissen zu schweben, aber daran gewöhnt man sich.“

Ich wusste es. Ich wusste, dass alles irgendwann besser wird, aber ich wollte es jetzt. Ich wollte einfach, dass mein Leben normal war. Ich weinte noch etwas seine Jacke voll, dann beruhigte ich mich wieder einigermaßen.

„Das ist alles einfach zu viel für mich.“, murmelte ich und pustete gegen meine roten Finger, um sie aufzuwärmen.

„Das wird schon.“, versuchte Theo mich aufzumuntern. „Danke“, sagte ich und setzte ein schiefes Lächeln auf.

Ich atmete noch einmal die frische Winterluft ein, die ein wenig nach Zimt und Weihnachten roch, und wollte mich gerade umdrehen, um das Gartentor zu öffnen, als ich eine Stimme hörte. Eine wütende Stimme: „Und ich hab dir wirklich geglaubt!“, brüllte Sam, während er zu mir und Theo rannte. Ich schaute ihn erschrocken an. „Was machst du denn hier?“, fragte ich entsetzt.

Sam blieb mit geballten Händen vor uns stehen. „Ich wollte eigentlich mit dir reden, aber das hat sich jetzt erledigt. Meinetwegen kannst du mir einen Korb geben, aber dass du mich anlügst, hätte ich nie von dir erwartet. Du bist ein verlogenes Stück, ich hätte dir nie vertrauen dürfen.“ Die letzten Worte schnaubte er. Es stach mir in meiner Brust.

„Sam, du verstehst das völlig falsch. Ich hab dir die Wahrheit gesagt, du musst mir glauben!“, rief ich verzweifelt.

„Und wer bist du überhaupt?“, überging Sam meine Bemerkung und wandte sich an Theo. Er packte ihn zornig am Kragen und beinahe dachte ich, Sam würde Theo verprügeln. Theo schaute etwas ratlos und ich bemerkte, dass er keine roten Augen mehr hatte. Ich hatte aber keine Zeit, um mich darüber zu wundern, denn Sam knirschte bedrohlich mit den Zähnen. „Sag schon!“, rief er und seine Nasenflügel bebten.

„Ich bin Theo.“, meinte der Dämon verwirrt.

„Theo…“, murmelte Sam, kniff den Mund zusammen und betrachtete ihn von oben bis unten. Er bemerkte wohl selber, dass Theo verdammt gut aussah, denn seine Augen verengten sich. „Dir ist schon klar, dass du dich da an mein Mädchen rangemacht hast? Ich sollte dich dafür jetzt eigentlich töten.“ So kannte ich Sam gar nicht. Er war eigentlich immer fröhlich, ich hab ihn noch nie so ausflippen sehen. Allerdings fand Theo die Lage ziemlich lustig, denn so sehr er sich auch bemühte, es zu unterdrücken, seine Mundwinkel zuckten immer wieder nach oben.

„Na dann mach doch“, meinte Theo mit einem gelassenen Ton, aber ich konnte den vergnügten Unterton heraushören. Sam biss zornig seine Zähne zusammen und ich blickte zwischen den beiden Streithähnen hin und her. Wieso provozierte Theo Sam so? Hätte er sich nicht irgendeine Ausrede einfallen lassen können? Ich verstand Jungs nicht.

Sam schien auf jeden Fall der Kragen geplatzt zu sein, denn er holte zum Schlag aus. Ich stieß erschrocken einen Schrei aus, als Theo nicht ausgewichen ist, und er mitten im Gesicht getroffen wurde. Er blutete aus der Nase, verzog aber nicht die Miene. Gelassen leckte er mit seiner Zunge das Blut ab und zog eine Augenbraue hoch. „Mehr hast du nicht drauf?“, fragte er herausfordernd. Ich kam mir vor, als wäre ich in einen schlechten Film geraten. Und ich wollte hier eindeutig raus.

Sam holte zum nächsten Schlag aus.

„Hört auf!“, schrie ich und mir flossen die ersten Tränen herunter.

Aber sie hörten nicht auf. Sam schlug immer wieder auf Theo ein, von der Wut übermannt. Der aber bewegte sich keinen Zentimeter, machte keinen Laut und behielt immer denselben, ruhigen Gesichtsausdruck. Als Sam schließlich die Puste ausging und ich völlig verstört in den kalten Schnee gesunken war, war Theos Nase eindeutig gebrochen. Mit einem Ruck und einem schrecklichen Knacksen renkte er sie wieder zurück, ohne seine gelassene Miene zu ändern.

„Was ist denn mit dir falsch?“, fragte Sam und schnappte dabei nach Luft.

Wider Erwarten begann Theo zu lachen. Sam und ich starrten ihn entsetzt an.

„Du hättest auf Clara hören sollen, echt. Ich bin ihr Cousin und hab mich sicherlich nicht an sie rangemacht“, kicherte er.

Sam stockte. „Scheiße man“, flüsterte er. „Scheiße, scheiße, scheiße. Du wirst mich doch nicht verklagen, oder? Ich meine, das war doch alles nur ein Missverständnis, echt. Es tut mir auch wirklich leid und…“

„Kein Problem. Ich fand das ganze eigentlich ziemlich lustig.“, sagte Theo fröhlich.

Sam atmete erleichtert aus. „Danke, man.“ Dann wandte er sich zu mir und kratze sich am Kinn. „Ich denke, wir reden ein anderes Mal miteinander.“ Sofort drehte er sich weg und verschwand dann hinter der nächsten Ecke. Und ich saß weiter im Schnee, während es langsam dunkel wurde. Theo setzte sich neben mich.

„Das war also der Grund, warum du mich vorhin nach den Gefühlen gefragt hast, hm? Soweit ich das verstanden habe, hat er dir gesagt, dass er dich liebt, aber du hast ihn abblitzen lassen und das obwohl du eigentlich auch in ihn verliebt bist, richtig?“ Ich nickte träge. „Und jetzt dachte er, ich sei dein Freund und wollte mich deswegen vermöbeln, was aber ganz schön in die Hose ging.“ Ich nickte noch einmal. Theo kicherte. „Oh man.“

„Wieso hast du ihm nicht gleich gesagt, dass du nicht mein Freund bist? Das war so grausam für mich mit anzusehen.“, fuhr ich ihn an.

Theo grinste nur. „Darf ich denn nicht auch mal meinen Spaß haben?“

„In dem Fall nicht.“

Er wuschelte mir durch die Haare. „Ach komm schon, jetzt sei nicht beleidigt. Ist doch alles gut ausgegangen.“ Ich schmollte weiter. „Jetzt geh endlich rein, du wirst noch krank.“

Damit hatte er allerdings Recht. Es war schweinekalt und mein Magen knurrte. Also stand ich auf und ging ins Haus, ohne Theo anzuschauen. Trotzdem wusste ich, dass er lächelte. Er war ein fröhlicher Mensch. Ich sollte diese Seite mehr an ihm schätzen.

 

 

„Clara, hilfst du mir beim Plätzchen ausstechen?“, fragte meine Mom, während sie ihre Hände abwusch.

„Klar“, sagte ich. Eigentlich hatte ich dazu keine Lust, aber ich hatte meine Eltern wahnsinnig vermisst. Während ich neben meiner Mutter aus dem Teig kleine Christbäume, Sterne und Weihnachtsmänner stach, wurde mir erst bewusst, wie viel meine Mutter für die Familie tat. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und ihre Hände waren rau. Mit einem Mal war mir klar, wie ich mich die letzten Jahre benommen hatte. Weg auf Partys, weg zu den Freunden, Hauptsache weg von Zuhause. Ich erinnerte mich nicht einmal daran, wann ich meinen Eltern das letzte Mal gesagt hatte, dass ich sie lieb habe.

„Mom?“, fragte ich zaghaft.

„Was ist, Schatz?“, erwiderte sie, ohne den Blick von den Plätzchenformen zu heben.

„Ich hab dich lieb.“

Meine Mutter schaute überrascht auf. „Ich dich auch, das weißt du doch.“

Ich lächelte und stach weiter Plätzchen aus. Den Rest des Abends war ich bei meinen Eltern auf der Couch und schaute mit Fernsehen. Als der Film endlich zu Ende war, schlurfte ich hoch in mein Zimmer und ließ mich müde auf mein Bett fallen. Ich wollte nur noch schlafen. Ich hatte schon die Augen geschlossen, als ich einen Windhauch spürte.

„Du hast keine Zeit zu schlafen.“, hörte ich die liebevolle Stimme von Leila.

„Kann ich die Nacht nicht noch hier bleiben?“, murmelte ich im Halbschlaf.

„Nein, du hast schon die letzte Nacht verpasst, du darfst nichts mehr versäumen.“

Ich rollte mich langsam aus meinem Bett und streckte mich.

Leila lächelte mir zu. „Dann auf geht’s!“

 

Die Gänge waren leer. Das Gebäude, in dem wir gelandet waren, sah genauso aus wie eine normale Schule. Leila ging voraus, ich folgte ihr. Jede Tür, an der wir vorbei kamen, sah genau gleich aus und ich hatte das Gefühl, wir würden im Kreis gehen. Bei irgendeiner der Türen blieben wir schließlich stehen und ich verstand nicht, wie Leila sie alle auseinander halten konnte.  Sie klopfte und trat dann ein, gefolgt von mir. Und der Anblick dort überraschte mich wirklich. Die Klasse dort schaute wie eine ganz normale Klasse aus. Mit einer Ausnahme. Jeder hatte blonde Haare, einschließlich der Lehrerin. Und natürlich rote Augen. Die Mädchen, die alle in einer Ecke saßen, blickten mich teils gelangweilt, teils säuerlich, an. Die Jungs, die zugegebenermaßen alle ziemlich hübsch waren, interessierten sich offenbar sehr für mich. Leila verließ sofort wieder das Zimmer und ich fühlte mich unwohl, als ich alleine und beobachtet vor der Klasse stand, deswegen war ich froh, als die Lehrerin mich vorstellte und mir einen Platz zuwies. Ich stach eindeutig aus der Menge heraus, mit meinen braunen Haaren und den grünen Augen. Ohne darauf zu achten, dass ich von jedem angestarrt wurde, versuchte ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Schließlich war ich hier, um zu lernen.

„Machen wir mit der Geschichte weiter.“, meinte die Lehrerin. „Der Höllensturz. So wurde es genannt, als ein abtrünniger Engel sich einst gegen Gott auflehnte und dadurch aus dem Himmel vertrieben wurde. Oft werden solche gefallenen Engel ‚Luzifer‘, ‚Satan‘ oder ‚Dämon‘ genannt. Für den Fall gibt es fünf Gründe:

Erstens: Sie strebten nach Gottesgleichheit. Wenn ein Engel sich über Gott erheben wollte, wurde er sofort verbannt.“

Ja, das erschien mir logisch. Ich fände das auch nicht so toll, wenn Erwin plötzlich mein Herrchen sein wollen würde und ich das Katzenfutter fressen dürfte. Mal wieder ein brillanter Vergleich meinerseits, lobte ich mich sarkastisch.

„Zweitens: Stolz. Drittens: Willensfreiheit. Viele Engel wurden durch die ihnen eingeräumte Willensfreiheit zu Dämonen.“

Ah ok, hmhm, jetzt wurde es langsam kompliziert. Ach, was hieß hier kompliziert? Ich verstand kein Wort mehr!

„Viertens: Sie wollten den Menschen keinen Respekt mehr zollen. Gott hatte bestimmt, dass die Engel den Menschen dienen sollten und sobald sie sich dagegen weigerten, wurden sie verbannt.“

Nun wanderten immer mehr Blicke zu mir und die einzelnen Worte meiner Klassenkameraden schwollen zu einem lauten Gemurmel an. Manche warfen mir so finstere Blicke zu, dass ich mich am liebsten unter meinem Tisch verkrochen hätte.

„Na na, ich bitte um Ruhe!“, forderte die Lehrerin mit strengem Blick und sofort verstummte alles. Disziplin hatten die hier, das musste ich schon zugeben. „Der letzte und fünfte Grund war die Lust. Viele der Engel stiegen in den Garten Eden hinab, verliebten sich in Menschentöchter, verrieten ihnen Geheimnisse des Himmels und zeugten schließlich Kinder mit ihnen. Diese Kinder werden Nephilis genannt. Jedoch schickte Gott die Sintflut um jenes Geschlecht auszulöschen. Allerdings wird vermutet, dass ein paar Wenige diese sogar überlebt haben sollten. Natürlich nahm Gott einige wieder auf, je nach Schwere der Straftat und Reue des Gefallenen. Irgendwelche Fragen?“

Ich hob sofort meine Hand, während alle anderen Dämonen unbewegt in ihren Stühlen sitzen blieben.

„Ja, Clara?“

Ich räusperte mich und versuchte nicht rot zu werden, weil ich die einzige war, die sich gemeldet hatte. Bestimmt machte ich mich gleich zum Affen. „Und, ähm, wieso machen wir das dann nicht? Also ich meine, Gott um Verzeihung bitten oder so. Ich denke, er ist gütig genug, alle wieder in den Himmel aufzunehmen und dann müssen wir keine Leute mehr töten. Das wäre doch was.“

Was zuerst nur einzelnes Kichern war, breitete sich zu tosendem Gelächter aus. Meine ganze Klasse lachte mich gerade aus und ich verstand natürlich nur Bahnhof. Selbst die Mundwinkel meiner Lehrerin zuckten nach oben. Beschämt rutschte ich tiefer in meinen Stuhl hinein und betete, dass sich doch der Erdboden auftue und mich verschlinge. Wenn das hier überhaupt möglich war. Vielleicht war Beten ja auch verboten und ich würde gleich in Fesseln abgeführt werden.

„Engel existieren nicht. Genauso wenig wie Gott. Die sind wie Einhörner – Fabelwesen. Objekte, die Menschen sich ausgedacht haben, weil sie sich bestimmte Sachverhalte nicht erklären konnten oder um sich gegenseitig Hoffnung zu schenken. Demzufolge gibt es auch den Höllensturz nicht. Wir waren niemals Engel – uns Dämonen gibt es schon seit Anbeginn. Über unsere wirkliche Geschichte weiß man kaum etwas, und stell dir nun mal vor, wir würden tatsächlich einmal Engel gewesen sein und würden auch in den Himmel zurückkehren – was soll dann aus den Menschen werden? Wenn davon niemand stirbt? Es werden trotzdem weiter Kinder geboren und die Kinder werden wieder Kinder bekommen und so weiter. Dann wird die ganze Erde bald überfüllt sein.“

„Ach so“, murmelte ich verlegen und betrachtete eingehend meine – auf einmal höchstinteressanten – Fingernägel. Bis das Gelächter ganz verklungen war, dauerte es einige Zeit und auch dann konnte ich mich nicht mehr richtig auf den Unterricht konzentrieren, schließlich kapierte ich alles, was ich hörte, nur halb und bei genauerem Nachfragen würde ich mich sowieso nur blamieren. Da ließ ich es lieber gleich bleiben und versank in Scham, Selbstmitleid und unter meinem Tisch. Das war aber auch gemein von ihnen, woher sollte ich wissen, dass es Engel nicht gab. Dämonen existierten ja schließlich auch. Ich hatte meine Überlebenschancen bis zum Ende der Stunde relativ gering eingeschätzt, daher war ich umso mehr froh als es endlich gongte. Trotzdem beschlich mich der Verdacht, dass es heute mit dieser Tortur noch nicht zu Ende war, denn die Geschichtsstunde ist nur gefühlte zwei Stunden lang gewesen und die Schüler schienen sich auch schon zum nächsten Klassenzimmer aufzumachen. Hektisch wollte ich meine Sachen zusammenpacken, bis ich bemerkte, dass ich gar keine hatte und beeilte mich, den anderen hinterher zu rennen. Ich hatte es geschafft, mich der kleinen Gruppe anzuschließen, die zu der Tür am Ende des Ganges strebte. Der Raum, den wir betraten, sah aus wie jeder x-beliebige Chemiesaal in einer Schule. Es waren Reihen von gefliesten Tischen aufgestellt, an deren vorderer Kante eine Plastikscheibe in die Höhe ragte und dahinter stand ein Kasten voll von Fläschchen mit merkwürdig aussehenden Substanzen darin, Reagenzgläsern, Erlenmeyerkolben und etlichen anderen Gläsern. Ganz vorne stand ein älterer Herr mit einem weißen Kittel und einer Schutzbrille auf. Er war hoch und schlank gewachsen und die markanten Wangenknochen stachen sofort heraus. Was aber noch mehr meine Aufmerksamkeit auf sich zog, waren seine schulterlangen blonden Haare, die von mehreren schwarzen Strähnen durchzogen und zu einem Zopf gebunden waren. Das war wirklich eine seltsame Färbung.

„Ach, du musst die Neue sein.“, sagte genau dieser jetzt und lächelte mich freundlich an. Seine roten Augen blitzten neugierig hinter der Schutzbrille auf, als er mich musterte. Es war mir etwas unangenehm und ich wich seinem forschenden Blick aus.

„Hast du schon einen Partner?“, fragte er schließlich.

„Partner?“

„Ja, in Alchemie ist es Pflicht zu zweit zu arbeiten.“

„Äh nein tut mir leid, das hab ich noch nicht. Ich hatte bisher auch nur Geschichte.“, antworte ich und versuchte mir meine Aufgeregtheit nicht anmerken zu lassen. „Dann suchen wir mal jemand Passendes für dich.“ Er zwinkerte mir zu und wendete sich an die anderen Schüler, die sich alle bereits auf die freien Plätze gesetzt hatten.  „Also, wer möchte ab jetzt die Ehre haben, mit Clara zusammen zu arbeiten?“ Augenblicklich wurde ich rot und heftete meinen Blick auf den Boden, in Erwartung keinen einzigen Freiwilligen zu finden.

„Ich mach das“ hörte ich eine dunkle Stimme von hinten. Ich sah auf und entdeckte einen kräftig gebauten Jungen in der letzten Reihe, der sich meldete. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Alle Blicke lagen auf ihm und ich nutzte die Gelegenheit, um unbemerkt nach hinten zu schleichen.

„Hi“, sagte ich, als ich neben ihm stand. „Ich bin Clara.“

„Rafael“ Erst jetzt bemerkte ich, dass er bestimmt 20 Zentimeter größer als ich war und das, obwohl ich selber schon 1,75 Meter groß war. Die lockigen Haare passten überhaupt nicht zu dem restlichen Körper, er erinnerte eher an einen Bodybuilder als einen Dämon und die viel zu kleine Schutzbrille sah geradezu lächerlich an ihm aus. Trotzdem war er auf gewisse Weise hübsch. Er betrachtete mich eine Weile eingehend bis er nickte und sich nach vorne drehte. Na ja, ein besonders gesprächiger Typ schien das ja nicht zu sein. 

Impressum

Texte: Gehört alles mir!
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen meinen Lesen. Ich wünsche euch viel Spaß (:

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