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Hatten sie schon einmal Kuh? So richtig, meine ich. Am besten zum Frühstück. Wir hatten immer Kuh zum Frühstück. Meine Güte, wie ich das Zeug hasse. Unsere Mutter bestand immer darauf, dass die Kuh noch möglichst frisch war. "Das macht dich wild!" pflegte sie zu sagen. Na und wie wild ich war. Diese stinkenden Viecher, oft musste ich sie noch häuten, um an das Fleisch zu gelangen. Manchmal war das Tier schlammig und roch nach Exkrementen. Wissen sie wo diese Wiederkäuer überall leben? Die liegen in ihrem eigenen Dreck, während sie das eigene Erbrochene noch einmal durchkauen. So etwas sollte ich essen.

Natürlich sind Kühe auch Schuld daran, dass ich jetzt hier sitze. Es regnet mir auf den Rücken und mitten im Wald habe ich auch keine Möglichkeit mich recht unterzustellen. Sie fragen, warum ein Drache einer Kuh wegen mitten im Wald angenässt wird? Vor allem liegt es daran, dass ich zu einem Klassentreffen eingeladen war.

"An Herrn Albertus Bracchius IX von Hohenbergen!" so lautete die Anschrift auf dem Brief. Schon allein deshalb hätte ich ihn nicht öffnen sollen. Allein der Name, den mir meine Mutter gegeben hat, bringt mein Blut in Wallungen.

Das war die Einladung zum Klassentreffen der Abschlussklasse 93. Damals auf der Akademie war ich auch nicht sonderlich beliebt. Ja, schon gut, ich war der Klassentrottel. Wissen sie wie es einem Drachen ergeht, der für die erste Feuerspeiprüfung drei Versuche braucht? Dass ich zu Mittag oft nur das Gemüse zu mir nahm und den gegrillten Ritter oder die Wollschweinhaxen verschmähte, war für meine Beliebtheit auch nicht förderlich. Ich hätte die Einladung ja ignoriert, aber am Ende stand noch richtig provokativ "Nur Spasti-Vegetarier bleiben daheim!"

Man sollte meinen, das würde mich nicht stören. Seit ich von zu Hause ausgezogen bin ernähre ich mich vorwiegend vegetarisch. Das ist gut für meine Verdauung (Sie sollten sich einmal vorstellen, wie es am Klo eines Fleischfresserdrachens riecht.), es macht ausgeglichen, und auch mein Feuer hat einen viel blumigeren Geruch. Es stört mich natürlich auch nicht, wie die anderen von mir denken. Ja, doch es macht mich richtig fertig. Wen will ich da belügen?

Auf jeden Fall brauche ich für das Drachentreffen einen miefigen Stuhlgang. Und das Feuer muss riechen, als wäre es direkt aus der Hölle. Das funktioniert aber nur mit einer eiweißhaltigen Nahrung. Zuerst habe ich es mit Eiern versucht, aber woher bekommt man genügend Eier, um einen Drachen satt zu bekommen? Außerdem verursachte das Cholesterin Pickel auf meinem Hintern.

Fische waren auch nicht besser. Praktisch unfangbar, die blöden Viecher, und bei uns gibt es bestenfalls Forellen, die sind so winzig, dass sie gerade als Dessert in einem Drei-Hauben-Lokal durchgehen (wenn es so etwas für Drachen gäbe).

Also was bleibt mir schon anderes über, als Kühe zu nehmen. Nach der Vierten, war mir so übel, dass ich mich beinahe übergeben hätte. Der hoch strömende Feuerschwall war aber noch immer blumig. Sie können sich auch vorstellen, dass die Bauern aus dem Tal, in dem ich wohne nicht glücklich waren. In einer Woche hatte ich acht Kühe verputzt und vier weitere so stark verletzt, das sie noch auf der Weide verstarben. Das tut mir ja auch leid, aber irgendwoher musste ich die Viecher ja bekommen.

Gestern sind die Bauern dann vor meiner Höhle gestanden. Mistgabeln, Fackeln und zornige Gesichter waren auch dabei. Ich verstehe nicht, warum die so einen Aufstand machten, wir waren gute Nachbarn, und ich hoffte das Problem freundlich aus der Welt zu schaffen. Aber bevor ich noch sprechen konnte, wurde ich von einer wütenden Meute attackiert.

Mutter meinte immer, Menschen sind auch nur Futter, aber ich bringe es einfach nicht übers Herz ihnen etwas anzutun. Immerhin scheinen sie eine gewisse Intelligenz zu besitzen. Menschen sind in der Lage eine Toilette zu benutzen, und sie haben die Farben Mauve und Aubergine erfunden, das zeigt doch deutlich, dass sie sich von den anderen Tieren abheben. Deshalb bin ich aus meiner Höhle geflohen, und seither ziehe ich umher. Als ich für heute Abend einen Platz zum Schlafen gesucht habe, hat es auch noch begonnen zu regnen.

Und in dem gesamten Wald gibt es nicht einen anständigen Haselbusch. Ich liebe geröstete Haselnüsse, das würde mich jetzt etwas aufheitern. Alle Tiere sind ebenfalls geflohen, nachdem sie mich entdeckt hatten, es wird also auch sonst nichts zu essen gebe, außer einigen Wurzeln. Obwohl, dort vorne bewegt sich etwas. Wie ein Reh wirkt es nicht, viel zu ungelenk.

"Hey, komm raus da!" jetzt teilen sich die Zweige von dem Strauch. Natürlich ein Mensch. Einer von den Blechbüchsen. So nannten wir immer die Ritter, die versuchten, uns von zu Hause zu vertreiben. Im Gegensatz zu den Bauern, hab ich bei dem hier keine Skrupel. Diese Typen jagen doch nur wegen der Trophäen.

"Was willst du da, komm ja nicht näher, ich warne dich," gut er bleibt stehen. Jetzt werkt er an seinem Helm herum. Was macht er da? Sieht so aus, als würde er den Helm nicht ab bekommen. Jetzt hat er es geschafft, sein Helm fliegt in hohem Bogen in meine Richtung und kullert noch ein wenig, nachdem er auf dem Boden aufgeschlagen ist.

"Puh, den Göttern sei Dank, das Ding ist ab!" der Kerl sieht weit jünger aus als der durchschnittliche Ritter. Er ist auch sehr mit sich selbst beschäftigt, ich glaube nicht, dass er mich gesehen hat. Ja, jetzt blickt er hoch und mich an. Nanu, ich wusste nicht, dass Menschen ihre Augen so weit öffnen können. Er stolpert nach rückwärts und fällt auf seinen Allerwertesten. Na besonders geschickt scheint er ja nicht zu sein. Außerdem beginnt er zu stammeln:" Dr... Dr... Dra... Drache!" er ist auch noch unhöflich und zeigt auf mich.

"Was, wo?" entgegne ich und drehe mich kurz um. Ich finde der Scherz ist immer für einen Lacher gut, oder? Er versucht sich hochzurappeln, aber der Boden ist so schlammig, dass er sofort wieder auf seinem Hinterteil landet. Vielleicht ist der Abend ja doch noch gerettet. Es geht doch nichts über ein wenig Slapstick.

"Du, du, du bist ein Drache!" der junge Mann ist ganz offensichtlich mit der Situation überfordert. Nicht nur der rutschige Boden, sondern auch die schwere Rüstung scheinen ihm zu schaffen zu machen.

"Keine Sorge, ich fresse nur ausgewachsene Ritter, da musst du noch ein wenig wachsen," versuche ich die Situation etwas aufzulockern. Sein Gesicht wird allerdings noch bleicher. Was denkt er, dass ich zu Hause eine Ritterfarm betreibe? Wo ich ihn mäste, um ihn danach zu verputzen? Menschen haben doch sehr seltsame Vorstellungen von uns. Wahrscheinlich schließen sie nur gerne von sich auf andere.

Immerhin bekommt er sich so weit in Griff, dass er Boden unter den Füßen gewinnt, ohne erneut auszurutschen. Beim Versuch sein Schwert zu ziehen, verliert er beinahe wieder das Gleichgewicht, kann sich aber rechtzeitig fangen und steht jetzt mit schlotternden Beinen und schwankender Waffe vor mir.

„Ausgeburt der Hölle, wage es nicht, mich anzugreifen,“ ereifert er sich.

„Mein Lieber, wenn ich Dich fressen wollte, hätte ich das wohl getan, als du hilflos mit deinem Helm kämpftest, oder als du wie ein Käfer am Boden krochst,“ ist meine Antwort. Ich mag ja kein besonders furchteinflößender Drache sein, aber von dem Bürschchen werde ich mich sicher nicht einschüchtern lassen.

Er senkt sein Schwert, und gleichzeitig lässt er seinen Kopf hängen: „Stimmt, ich bin kein großartiger Ritter, nicht wahr?“

„Du könntest an deinem Auftritt etwas üben, aber ich nehme an, du kannst noch lernen.“ erwidere ich. Spüre ich da einen Anflug von Mitleid? Nur nicht, diese Typen sind widerlich!

„Na, das glaub ich nicht. Sie haben mich von der Ritterschule hinaus geworfen.“ Der junge Mann sieht echt erbärmlich aus. Was der wohl ausgefressen hat, von solchen Schulen zu fliegen ist sehr schwer.

„Wie hast du das geschafft? Hast du einen Drachen vor den Händen einer Jungfrau befreit, und sie anschließend mit deinem Schwert aufgespießt?“, meine Güte heute bin ich wieder witzig, ich glaube sogar, dass der Regen langsam nachlässt.

„Nein viel schlimmer!“

„Was, noch schlimmer?“

„Mhm!“

„Jetzt spann mich nicht auf die Folter, was wars?“

„Durch eine Verkettung seltsamer und mit mir nicht in Zusammenhang stehender Zufälle, habe ich einen Hund auf einen Sessel geklebt,“ er seufzt, lässt das Schwert fallen und setzt sich auf einen umgefallenen Baumstamm.

„Das klingt nicht so schlimm. Wieso werfen sie dich da raus? Verstümmeln von Kreaturen gehört doch zur Hauptaufgabe von Rittern!“

„Nun ja, es war der Hund des Grafen Montferrum, dem größten Spender und Stifter unserer Schule, und der Sessel war der rituelle Hochstuhl der Ritter vom heiligen Grab. Dort sitzt einmal im Jahr der Dekan um feierlich die Diplome zu vergeben. Ich werde wohl keines bekommen,“ der Junge stützt sein Gesicht in die Hände und ich vernehme ein leichtes Wimmern.

„Na dann können wir ja zusammen reisen,“ der Kleine tut mir leid, er dürfte genauso wenig zu seinen Ritterkollegen passen, wie ich zu meinen Mitdrachen,“ ich bin auch auf der Flucht vor einem Klassentreffen, das für mich nur peinlich sein wird.“

„Ihr habt auch Schulen?“ so eine blöde Frage, fällt ihm nichts Besseres ein?

„Das ist ja eine saublöde Frage, woher sollte ich sonst Feuerspeien können?“ Der Typ sieht etwas verdutzt drein.

„Du kannst das nicht von Geburt an?“ Das könnte etwas länger dauern, der Junge ist nicht gerade helle.

„Du kannst auch nicht Sprechen, wenn du eben geschlüpft bist, oder?“ Fragen mit Fragen beantworten, so hat mich das der Kommunikationstrainer damals gelehrt. Ich glaube trotzdem, dass das damals eine Fehlinvestition war, der Kerl vor mir schaut noch immer sehr verdutzt. Jetzt hellt sich seine Miene aber immerhin auf.

„Na wenn das so ist“, er steht auf, steckt das Schwert zurück in die Scheide, „mein Name ist Albert. Wie heißt du?“

Potztausend, der hat meinen Namen geklaut, jetzt bin ich aber sprachlos! Warum schaut er denn so, ach ja ich sollte antworten: „Ähm, Albert.“

„Ja das sagte ich bereits, eigentlich finde ich den Namen doof, Albertus hätte weit besser zu mir gepasst, findest du nicht?“ Sein Kummer scheint schneller verflogen zu sein, als die Regenwolken, die leider noch immer über mir hängen.

„Nein, das ist mein Name, Albert! Eigentlich Albertus, aber den finde ich so bescheuert, dass ich jedem die Kurzversion, also Albert nenne.“

Für kurze Zeit starren wir uns an. Was hat er denn? Ich merke, wie ein Kichern in mir hochsteigt. Kurz darauf wälzen wir uns beide am glitschigen Boden vor lachen. Das Eis ist gebrochen.

***

Die letzten vier Wochen waren verheerend und doch irgendwie nett. Albert und ich waren unterwegs. Zuerst, versuchten wir seine Reputation als Ritter aufzumöbeln, indem ich so tat, als würde er mich in einem epischen Kampf besiegen. Aber die anwesenden Dorfbewohner waren außer sich, als ich vermeintlich in einem letzten Aufbäumen entkam. Sie hielten Albert vor, dieses scheußliche Monster entkommen lassen zu haben und jagten ihn aus dem Dorf.

Umgekehrt war es nicht besser. Ich nahm Albert als Diener mit zum Klassentreffen nur um festzustellen, dass menschliche Diener seit Jahren out sind (im übrigen genauso wie das Wort „out“, heute sagen die Drachen alle „passe“). Jeder hatte seinen eigenen Golem dabei, und das war dann auch für Albert mühsam, denn Golems sind nicht dafür bekannt gute Gesprächspartner zu sein.

Ich musste über mich ergehen lassen, das Hilbert vor zwei Jahren den goldenen Kochtopf gewann. Den bekommt der Drache mit den meisten Ritter-Röstungen im Jahr (ja ich meine Röstung, nicht Rüstung). Aber 116 war ein schlechtes Ritterjahr, kaum Duelle und Hilbert gewann bereits mit vier Rittern, davon war einer ein alter Mann, der Hilbert für eine Windmühle hielt.

Nein, so etwas interessiert mich nicht die Bohne, ich hatte nur ganz zufällig ein Abonnement von „Der Drache im Bild“ in dem Jahr als er den Preis bekam.

Natürlich wussten alle davon, dass ich von einer Horde Bauern aus meiner Wohnung vertrieben worden war. Was ich mir da anhören konnte, immerhin nahmen sie mir ab, dass ich Rinder esse. Auf jeden Fall war ich das Gespött des Festes. Albert versuchte die Sache zu retten, indem er erwähnte, dass ich sowieso ausziehen wollte, und in meinen Zweitwohnsitz ziehen wollte. Er versicherte den Drachen, dass ich dort einen riesigen Goldschatz aufbewahrte.

Er war sich seiner Sache sehr sicher, und drängte mich, eine Wette mit den anderen einzugehen, weil ihm natürlich keiner glaubte In meiner Scham, und weil schon einiges an Spirituosen geflossen war, stimmte ich zu.

Jetzt sind wir seit zwei Wochen unterwegs, und ich fühle mich jämmerlich. Wie konnte ich mich von diesem Schmalspurritter überzeugen lassen, bei einer Wette bezüglich meines Schatzes zuzustimmen? Albert ist aber noch immer frohen Mutes.

„Schau Albertus, was kann schon viel geschehen?“ grinst er mich an.

„Du meinst, außer, dass ich zum Gespött der gesamten Klasse werde, wenn ich beim nächsten Klassentreffen keinen Beweis für den Goldschatz liefere?“ Der hat gut Reden. Ich bin sowieso schon unbeliebt, da müssen sie nicht auch noch wissen, dass ich vollkommen Pleite bin.

„Du bist doch sowieso schon das Gespött all dieser Drachen, wenn ich gewusst hätte, was für ein Loser du bist, hätte ich dich bei unserer ersten Begegnung vielleicht doch angegriffen.“

„Du und welche Armee. Ich mag ja ein lächerlicher Drache sein, aber als solcher noch immer dir, trauriger Gestalt, überlegen. Wenn ich nur dran denke, dass ich an dem Tag wenigstens einen vollen Bauch gehabt hätte, hätte ich dich auf der Stelle verschlungen.“ Was bildet sich der Typ ein, mich jetzt so blöd anzugrinsen.

„Na klar, dir wird ja schon beim Geruch von totem Fleisch schlecht, wie willst du mich da wohl runter würgen. Ich wette, du hattest noch nie Ritter zum Abendessen.“ Er stapft jetzt ganz selbstzufrieden vor mir her. Na dir wird gleich das Lachen vergehen.

Ein heißer Lufthauch und eine Stichflamme umzüngeln Albert, der sofort hoch springt und vor Schreck aufschreit. „Ha, der tapfere Ritter. Angst vor ein wenig Feuer?“ Jetzt grinse ich und er sieht aus, als wolle er mich fressen.

„Warte nur, mach das nochmal, und ich führe dich nicht zu meinem Goldschatz.“ Albert stapft weiter. Ich glaub ihm das mit dem Schatz nicht, dafür schaut er viel zu armselig aus.

„Jetzt hör mal, zumindest mir könntest Du die Wahrheit erzählen. Du meinst doch nicht, dass ich dir das mit dem Reichtum abnehme.“

„Du wirst schon sehen, im übrigen sind wir jetzt bald da.“ Albert grinst wieder, ich weiß nicht, ob ich ihm das Abnehmen kann.

Wir verlassen eben einen Wald und gehen auf ein kleines Dorf zu. Die Gegend ist idyllisch. Leicht hügelige Felder. Links sehe ich eine riesige Weide mit einer Schafherde darauf. Die Tiere drücken sich eng aneinander und blicken schreckensstarr in meine Richtung. Unter ihnen steht ein junger Hirte, der sich in Mimese versucht. Er wirkt wie eines seiner Schafe, um meine Aufmerksamkeit nicht zu erregen.

Auf den Feldern wachsen seltsame Pflanzen, die ich bei uns noch nie gesehen habe. Sie sind höher als der Weizen und die Gerste, die in meiner Heimat hauptsächlich angebaut wird. Ich denke aber schon, dass es ein Getreide ist, auch wenn ich keine Ähren erkennen kann.

Albert geht weiter in Richtung des Dorfes. Er stapft dahin, als wolle er sich nie mehr aufhalten lassen. Ich folge ihm etwas langsamer, wer weiß, ob es hier bereits einen wütenden Bauernmob gibt, der mich lynchen will.

„Warte Albert, bitte sag mir erst, wo wir hier sind?“ Ich lasse mich da doch nicht in einen Hinterhalt führen. Bisher haben wir menschliche Siedlungen gemieden, und wenn sie nicht zu vermeiden waren, ging Albert alleine durch, während ich darüber hinweg flog.

„Das hier ist Starshine.“ Albert zeigt in Richtung des Dorfes. „Naja sehr glamourös ist es nicht! ich habe keine Ahnung wie es zu dem tollen Namen kam. Vielleicht wollten die Einwohner zumindest einen besonderen Namen haben, wenn alles Andere gewöhnlich ist.“ Albert sieht etwas bedrückt in die Richtung des Dorfes.

„Sehr schön, können wir es nicht umgehen?“ Ich spüre noch immer den erschreckten Blick von Schafen und Hirten in meinem Nacken. Das macht mir eine Gänsehaut. Ein Drache mit Gänsehaut sieht einfach peinlich aus.

„Nein, denn es ist das Ziel unserer Reise.“ Albert will weiter gehen.

„Du sagst Starshine ist ein ganz gewöhnlicher Ort.“ Ich versuche es mit Logik. „Diese Art von Dörfern sind ja wohl nicht für ihre Goldschätze bekannt.“ Immerhin konnte ich Albert mit dieser Aussage am Weitergehen stoppen.

„Da hast du schon recht, trotzdem, vertrau mir einfach.“ Albert setzt seinen Weg fort.

„Woher kennst du dieses Kaff überhaupt?“ Ich bewege mich weiter, aber ich will zumindest mehr Information von Albert.

„Ich stamme von hier. Mir geht es hier ähnlich wie dir. Eigentlich komme ich aus einer Bauernfamilie.“ Alberts Schritte werden jetzt schneller.

„Ha, ich wusste es, also bist du gar kein Ritter.“

„Ich wollte immer einer werden, deshalb wurde ich auch immer verspottet und ausgelacht. Vor allem die Kinder des Bürgermeisters trieben oft ihre Scherze mit mir. Ich schwor mir damals, es ihnen heim zu zahlen.“ Aha darum geht es also.

„Du willst mich verwenden, um Rache zu üben? Spinnst Du?“ Ich bleibe stehen. „Ich werde sicher niemanden für dich braten, nur weil du es nicht schaffst ein Ritter in glänzender Rüstung zu werden!“

„Du musst niemanden brutzeln. Außerdem führe ich dich zu deinem neuen Hort, und der ist voll mit Gold. Du sagst einfach dem Bürgermeister, dass du das Gebäude besetzt, und dass er dir ab jetzt jedes Jahr einen Teil seiner Einkünfte bringt. Dafür beschützt du ihn auch davor, dass nicht sein Haus in Flammen aufgeht, oder eines seiner Kinder verschwindet.“ Albert sieht mich an. Er sieht ganz ernst aus. Er meint das wohl wirklich nicht als Scherz.

„Also doch Rache, wieso sollte ich das machen?“ Glaubt er, ich bin blöd wie eine Eidechse?

„Du bekommst ein riesiges geräumiges Haus, drachentauglich, und einen Goldschatz, wie versprochen. Keine Angst es trifft niemand Armen, diese Leute haben noch zwei weitere Lager, denen fällt der Verlust gar nicht auf.“ Albert geht weiter und ich trotte nach. Gespannt bin ich schon, wo er mich jetzt wohl hin bringt.

Wir gehen durch das Dorf. Die Fenster werden so schnell dicht gemacht, dass ich keinen der Dorfbewohner sehe. Am Ende des Dorfs bleibt Albert vor einem riesigen fensterlosen Gebäude stehen. Das Schild über dem Tor sagt:“ Lagerhaus von Starshine“, darunter ist zu lesen:“ Eigentum der Familie Spannberg“. Außerdem ist ein Zettel an das Tor gespickt, in fetten ungelenken Lettern kann ich darauf folgendes entziffern:“ Hausierer, Penner und Schnorrer sind unerwünscht, wir geben nichts ab, haut also sofort ab.“

„Die Familie Spannberg ist aber sehr freundlich.“ Albert sieht mich komisch an. Ich glaube Sarkasmus lernt man in der Ritterschule nicht.

„Ich meine, sie scheinen eine ziemlich unangenehme Truppe zu sein.“ Jetzt versteht er was ich sagen will und sein Gesichtsausdruck erhellt sich.

„Ja, das ist die Bürgermeisterfamilie. Ich sage ja, dass es da keine Armen trifft.“, er geht zum Tor und lauscht kurz daran, „Scheinbar ist keiner da.“

„Soll ich anklopfen?“ Irgendwie mag ich das noch immer nicht, aber wenn ein Schatz drinnen ist, nachsehen kostet ja nichts.

„Ja mach schon. Stoß das Tor auf!“, Alberts Augen leuchten, als ich mit meiner rechten Hand das schwere eisenbeschlagene Tor eindrücke. Nach kurzem Widerstand knackt ein Riegel, der die riesige Doppeltür verschlossen hat, und beide Flügel schlagen nach innen auf.

Durch das helle Licht außen, kann ich im Inneren eigentlich nichts erkennen. Ich bewege mich in den riesigen Raum. Es riecht nach Getreide. Angenehme trockene Luft steht im Raum. Am hinteren Ende entdecke ich eine Öllampe, die ich durch einen gezielten Puster aus meiner Nase anzünde. Das Licht breitet sich aus und hüllt den Saal in ein verträumtes gelboranges Licht.

Zuerst sehe ich viele übereinander geschichtete Säcke. In der oberen Etage, zu der ich hin sehe, wenn ich mich strecke, bemerke ich Kolben mit einem goldgelben Getreide, dass ich noch nie gesehen habe. Soll das der Schatz sein? Will mich Albert auf den Arm nehmen?

Vor dem Tor höre ich jetzt eine Männerstimme. Ein kräftiger Mann im Alter Alberts steht vor dem Tor und hat Albert eben angesprochen. Albert zuckt zusammen als er den anderen sieht. Ich bin von draußen unsichtbar, durch das helle Sonnenlicht. Deshalb verhalte ich mich mucksmäuschenstill, um dem Gespräch ungestört zu lauschen.

„Ja Albi-Baby, wo kommst du denn her?“ fragt der Mann. „Schon lange nicht mehr gesehen! Bist du geflohen, um dein Glück zu machen?“

„Hallo Horst, ja ich bin jetzt ein Abenteurer und Reisender.“, antwortet Albert. Leider kann ich von meiner Position keine Reaktionen sehen, und auch die Stimmen sind so gedämpft, dass es mir schwer fällt Emotionen zu erkennen.

„Na, gut bezahlt dürfte das nicht sein.“, der Mann lacht kurz auf,“ Aber immer noch besser, als als Schweinebauer wie dein Vater zu enden.“

„Wie geht es meinem Vater,“ Alberts Stimme verrät, dass er Mühe hat sich in Zaum zu halten.

„Der Alte arbeitet jetzt für meinen Vater, letzten Winter haben wir ihm das Haus abgenommen, weil er den Kredit nicht zurück zahlen konnte.“ Noch einmal höre ich das höhnische Gelächter des Mannes.

„Wieso sollte mein Vater von euch Geld aufnehmen?“ Albert wirkt unsicher.

„Na, wenn du hier gewesen wärst, hättest du ja von der neuen Schweinesteuer gehört. Schweinebauern müssen uns pro Schwein einen Silbertaler im Jahr abtreten. Dein Vater musste für die Steuern bei meinem Vater ein Darlehen aufnehmen.“

„Aber der Erlös von einem Schwein ist nicht viel höher als ein Silbertaler,“ selbst das Wenige das ich sehe zeigt mir, dass Albert knallrot im Gesicht wird,“ das ist Wucher!“

„Tja, so ist das Leben, aber du kannst gerne bei uns als Knecht anwerben. Dein Vater macht es sowieso nicht mehr lange.“ In diesem Augenblick stößt Albert einen Schrei hervor und zieht das Schwert. Na vielleicht sollte ich eingreifen, bevor hier noch etwas passiert.

„Meine Herren könnten sie dieses Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortführen?“ Ich bewege mich aus dem Lager in die Sonne, “Ich muss kurz mit meinem Kompagnon die Frage des Schatzes erörtern.“ Ich blicke den bulligen Mann an, der eben noch eine Abwehrhaltung eingenommen hatte. Er hat auch bereits einen Dolch in der Hand, ich nehme an, er kann damit besser umgehen, als Albert mit seinem Schwert.

Bei meinem Anblick wird er bleich und lässt den Dolch fallen. „Dr... Dr... Dra... Drache!“ dabei deutet er auf mich.

„Was, wo?“ Ich drehe mich um, aber erneut geht der Scherz an den Banausen verloren. Na gut, Albert ist gerade anderweitig beschäftigt, aber der andere Kerl hätte doch wenigstens lachen können. Jetzt läuft er auch noch weg.

„Hey Freundchen, wo ist der Schatz?“ versuche ich Albert aus seiner Rage zu holen. Es ärgert mich schon, dass ich nirgends Gold sehe. Außerdem ist das ein Silo. Ich zweifle also daran, dass hier Reichtümer verborgen sind.

„Aber du hast ihn doch schon gesehen.“ Albert hat sich wieder im Griff und ist in das Lagerhaus gegangen. „Hier sieh her!“, er schneidet einen der Säcke auf, und das goldgelbe Getreide rinnt hervor.

„Du meinst das ernst, nicht wahr?“ Er meint das ernst, oder? Ja sicher meint er das ernst. Bitte ihr Götter macht, dass er es nicht ernst meint.

„Ja klar, weißt du wie toll dieser Mais ist? Er ist nahrhaft, er schmeckt als Brei vorzüglich, aus seinem Mehl kann man die tollsten Dinge backen. Der Reichtum dieser Region kommt davon. Und als Vegetarier solltest du glücklich sein, dass ich dir eine derart geniale Nahrungsquelle organisiert habe.“

Er meint es ernst!

„Bist du von allen guten Göttern verlassen? Hast du vergessen, dass ich gewettet habe? Das erkennt doch keiner als Gold an!“ Ich werde richtig laut. Albert schaut mich aber nur verständnislos an.

„Albertus, warum kümmern dich diese anderen Idioten? du hast nichts anderes getan, als dich über sie beschwert in den letzten vier Wochen.“

„Diese Idioten, wie du sie so nett nennst, sind meinesgleichen! Auch wenn ich sie nicht ausstehen kann, gibt es doch einige Drachinnen, die ich ganz schön heiß finde. Sie zu beeindrucken würde helfen, dass ich nicht bis zum Ende meiner Tage masturbieren muss!“ Rauch steigt aus meinen Nüstern. Damals als mich Mutter zwingen wollte die ungehäutete Kuh gegen meine Magen-Darm-Grippe zu verwenden, war ich ähnlich aufgebracht.

„Du masturbierst? Wann machst du denn das? ist mir noch gar nicht aufgefallen?“

Ich platze. Dieser Dolm. Wie konnte ich mich nur mit einem Menschen einlassen. Ein Feuerstoß kommt aus meinem Rachen. Eine Stichflamme streicht über das Getreide. Dann lasse ich meine Wut mit vier weiteren Feuerbällen aus mir heraus. Albert hat sich unter dem Feuer geduckt und schreit vor sich hin. Eigentlich will ich ihn ja hier und jetzt rösten, aber ich werde von einem plötzlichen „Plopp“ abgelenkt. Es folgen tausende andere Plopps und das goldene Getreide rund um uns beginnt zu springen und sich in weiße puffige Knubbeldinger zu verwandeln.

Albert und ich stehen einen halben Meter tief in den Knubbeldingern. Albert blickt sich um. Er nimmt eines der Dinger und steckt es in den Mund. „Crunch, crunch! Ja, das ist auch nicht schlecht, so schmeckt der Mais noch besser.“, er lächelt mich an. „Koste ruhig, ist nicht giftig.“ Er fasst noch einmal zu Boden und nimmt eine Handvoll.

Das Silo riecht nach geröstetem Getreide. Der vermurkste Ritter vor mir knirscht das Zeug zwischen seinen Zähnen. Meine Wut ist verraucht. Er hat ja Recht. Was mache ich mir auch vor. Ich werde immer ein Außenseiter bleiben. Da kann ich auch gleich unter Menschen wohnen.

Der erste Bissen von dem Zeug ist etwas trocken. Ein seltsames flauschiges Gefühl macht sich im Mund breit und der geröstete Geschmack von dem Mais, der einen leicht süßlichen Grundgeschmack besitzt, umschmeichelt meinen Gaumen. Die Geräusche beim Zerkauen der Knubbeldinger dringen tief in meinen Gehörgang und verbreiten ein gleichmäßiges Rauschen. Ich fühle mich wohl.

„Ein wenig Salz werden wir brauchen, findest du nicht?“ meint Albert als er sich mampfend in den Mais fallen lässt.

„Ja! Ja das finde ich auch,“ hier bei diesem Schatz werde ich bleiben.

Impressum

Texte: Rene Eichinger
Bildmaterialien: Skyrim
Tag der Veröffentlichung: 13.04.2012

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