Noch immer starrte ich das auf das Meer. Der Urlaub war ziemlich kurz gewesen und es war kaum Zeit da um sich zu erholen. Ich hatte immer noch nicht verstehen können was mit mir passierte. Ich mein, die ganze Welt hatte sich förmlich auf den Kopf gestellt - ja, es fühlte sich fast an wie die Apokalypse.
Ich war fast tot gewesen, hatte Dinge gesehen, die man nicht erklären kann. Und genau seitdem, fühle ich mich weder lebendig noch tot. Trotzdem fühlte sich alles so echt an, das Meer hörte sich echt an.
Aber meine Haut, sie war wie tot. Meine Seele, sie war wie erstarrt. Ich fühlte mich wie eine Hülle ohne Seele. Und das Problem war, alle mit denen ich darüber reden konnte, waren bereits so verrückt geworden, das man sie eingesperrt hatte. Und meine Eltern? Die würden mir niemals glauben.
Ich strich sanft die blonde Strähne aus meinem Gesicht, um der Träne freie Bahn zu lassen.
War ich nicht selbst auch schon verrückt? Ich sah Dinge, die nicht echt sein konnten. Spürte Menschen, die längst verstorben waren. Und hörte Geräusche, wie aus einer anderen Welt.
,,Theia?”, rief es aus dem Hinterhalt und es zog mich aus meiner Verzweiflung. Die liebliche Stimme meiner Mutter verlangte nach mir. Sie riss mich aus meiner Trance. ,,Theia, Liebes. Komm endlich rein, du erfriest uns noch.”, ihre Stimme zitterte. Plötzlich konnte ich wirklich fühlen, wie kalt es war, mein Körper war überströmt von Gänsehaut und ich hatte es die ganze Zeit über nicht bemerkt. Und wieder fühlte es sich an, als hätte meine Seele für einen kurzen Augenblick meinen Körper verlassen zu haben.
Ich drehte mich um und nickte Liz, meine Mutter zu, dann schaute ich noch einmal zum Mond hinauf und es fühlte sich an, als schenkte er mir ein wenig Leben. Meine blassen Füße stampften durch den beigefarbenen Sand hinauf zu unserer Veranda. Mum umhüllte mich mit meiner Lieblingswolldecke und drückte mir heiße Schokolade in die rechte Hand. Ich hatte das Gefühl, sie dachte ich würde jeder Zeit tot umfallen. Vielleicht war es dieser eine Fehler von ihr, der mich so verrückt machte. Aber da war ich mir mit meiner Theorie noch nicht ganz sicher.
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Ich setzte mich auf die Couch in unserem Wohnzimmer und lächelte meinen Vater still an, während ich an meinem Kakao nippte. Er lächelte geschockt zurück, als sähe ich aus wie eine Verrückte.
,,Was ist Dad?”, fragte ich angespannt. Wieder schaute er als hätte er einen Geist gesehen.
,,Nichts.” Sein Gesicht nahm endlich Farbe an und er lächelte wieder. Meine Mutter hatte sich bereits aus unserer noch immer altmodisch eingerichteten Küche erhoben und kam samt neuem Kakao auf mich zu. Als sie ihn mir reichte, stand ich auf.
,,Ist das euer Ernst? Sehe ich aus wie eine Tote? Ihr habt sie doch nicht mehr alle!”, ich schmiss den Kakao auf den Boden, der Inhalt verteilte sich über den Beigen Teppich, aber Leid tat es mir nicht. Mein Herz raste, meine Lunge brannte und das Wasser strömte aus meinen Augen. Ich fühlte mich wie ein wildes Tier, das jemand wütend gemacht hatte. Wollten sie mich jetzt tatsächlich wie ein zerbrechliches kleines Mädchen behandeln? Seit sechzehn Jahren schon lebte ich, kannte all die Gefahren und Risiken die ich mit meinem Alter schon wissen musste, und nur weil ich einmal fast gestorben wäre, behandelten sie mich so. Wer gab ihnen das Recht dazu? Ich? Nein, nicht das ich wüsste.
Ich stampfte hoch in mein kleines, aber feines Zimmer. Nur ein Bett auf schwarzem Metall, dass sich ein wenig die Wand hochragte, ein schwarzer Schrank, sowie ein ebenfalls schwarzer Schreibtisch mit Stuhl füllten es. Und wenn ich die ganzen Sachen so betrachtete fühlte ich mich wie auf dem Friedhof. Alles schwarz, schwärzer als die Nacht und es sah mir viel zu gruselig aus. Trotzdem, ich zog mir ein Top an und eine kurze Hose und legte mich dann in mein gemütliches Bett. Wow, ja, das war es tatsächlich. Und irgendwie konnte ich jetzt wieder verstehen warum ich dieses Zimmer ausgesucht hatte. Vielleicht müsste ich die ganzen Möbel einfach nur andersfarbig färben. Vielleicht wäre es dann etwas schöner.
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Die Nacht ging ziemlich schnell vorbei, fast schon zu schnell. Und auch wenn ich wegen meines Unfalles vor zwei Monaten immer noch krankgeschrieben war - was sich ja fast schon unmöglich anhörte - stand ich trotzdem schon möglichst früh auf, um das Gefühl nicht zu verlieren, ich war mal ein aufgewecktes Mädchen, dass sich nichts gefallen lies. Das gern auf Partys ging und einen Freund hatte.
Die Träne für Brian weckte mich auf. Er lag noch immer im Koma und keiner wusste wann und ob er wieder aufwachen würde. In einer Woche sollte ich wieder in die Schule und ich war mir sicher alle würden nach ihm Fragen. Und ich würde nur da stehen und fast heulen, bei dem Gedanke was damals auf der Autobahn passiert war. Zwei Menschen sind vor meinen Augen gestorben, einer kämpfte noch immer um sein Leben und ich hatte Schuldgefühle weil ich noch lebte. Anna, Jess, meinte beiden besten Freunde, die es nicht geschafft hatten. Aber warum hätte ich nicht an deren Stelle sterben können? Warum lebte ich? Warum musste gerade ich diesen Schmerz, diese Wut und diesen Kummer erleiden?
Ich wäre lieber tot, als das durchzumachen. Denn es fühlt sich alles so schwer an, so schwarz, so kalt.
Nichts ist mehr wie es war, da hätte ich doch auch gleich tot sein können.
Ich wischte mir die Träne aus dem Gesicht, die bereits meinen Mund erreicht hatte. Oder waren es doch mehrere? Das konnte ich nicht filtern. Ich stand auf, machte mich wie üblich fertig, schaute in den Spiegel und sah ein komplett anderes Gesicht, nur die Augen und das lächeln waren gleich geblieben. Aber das Herz war schwarz, es schlug langsamer, aber dafür intensiver. Manchmal schlug es sogar zu fest, und es tat fast schon weh. Ich dachte das könnte mir ein Zeichen sein, dass ich noch lebte. Oder das Brian aufwachen würde, aber warum dann das ganze so schmerzhaft?
Und wieder setzte mein Herz einen Schlag aus und das schüchterne Lächeln verschwand. Wo war die alte Theia hin? Was war mit mir passiert?
Das ist nur eine Phase, das geht wieder vorbei.
Mein Gewissen redete mir dauernd alles mögliche ein. Aber war es auch das richtige? Oder sollte ich lieber auf etwas anderes Vertrauen? Konnte ich mir überhaupt noch vertrauen? Ich mein, ich hatte mich vollkommen verändert. Ich schaute wieder in den Spiegel, lächelte erneut und unterdrückte einfach den Schmerz in meiner Brust.
,,Liebling?", brüllte es plötzlich von unten. Ich verdrehte die Augen. Meine Mum war nicht einmal sauer auf mich für die Sache mit dem Teppich, was war nur los mit ihr?
Ich hielt mich am Geländer fest, während ich die Treppen hinunter stieg um nicht hinunterzufallen. Meine Mutter lächelte mich verzweifelt von unten an. Ihr Gesicht streckte sich nach oben, genau in meine Augen und ich meinte Tränen zu erkennen.
,,Liebling, es tut mir so Leid.", flüsterte sie. Ihre Stimme schien sie zu verlassen sie schluckte den Rest hinunter.
,,Was ist Mama?". Erneut verdrehte ich die Augen. Machte sie jetzt etwa einen auf Es-tut-mir-so-Leid-das-du-dich-Verändert-hast Tour? Nein, Danke darauf konnte ich gut verzichten.
Ich hatte bereits die nächste Stufe nach Oben mit einem Fuß betreten als sie wieder den Mund öffnete. Ich konnte es spüren.
,,Es ist Brian." Blitzartig drehte ich mich um und schaute in ihre tiefblauen Augen, die vor Tränen glitzerten.
Texte: Das Cover habe ich aus dem Internet.
Alle Personen sind frei erfunden, Gleichheiten sind Zufall.
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch der Menschheit, für ein wenig Fantasy.