ALLES FÜR DIE KATZ
the happiest girl
Biowettbewerb im März 2017
Thema: "Eigene Erlebnisse mit Haus- oder anderen Tieren"
So lange ich denken kann, haben Katzen mich fasziniert.
Ihre eigensinnige Art, immer zu tun, was ihnen gerade gefällt, sich nicht erziehen zu lassen, sich nur an die Regeln
zu halten, die ihnen gefallen und den Tag schlafend auf der Fensterbank zu verbringen spiegelt wohl meinen
Wunsch
wider, ebenso durch die Welt zu stolzieren.
Gerne würde ich, erhobenen Schwanzes, Futter verschmähen, das ich nicht mag, diejenigen mit meinen Krallen
vertreiben, die mir im unpassenden Moment zu nahekommen und die Nächte umherstreifend genießen und
Abenteuer erleben, von denen ich am Tag, dösend und schnurrend in einer kuscheligen Ecke im Sonnenschein
geträumt habe.
Wenn ich dann von den wilden Ausflügen genug hätte ginge ich nach Hause in die vertraute Wohnung, frisches
Futter und sich freuende Kinder erwarteten mich schon, Hände streichelten über mein glänzendes Fell und wenn ich
auf dem Sofa eingerollt einschliefe, den Schwanz um meine angezogenen Pfötchen gelegt, fänden mich alle meine
menschlichen Mitbewohner auch noch niedlich.
Wäre das nicht herrlich.
In meinem Leben gab es immer eine Katze an meiner Seite.
Der Spiegel meiner Wünsche schlief in meinem Bett, unter der Decke natürlich, gern auch am Tage auf meinem Kopfkissen. Legte ich mich abends schlafen und vergaß das Kissen vorher abzuschütteln, klebten alle ihre Haare in meinem frisch gecremten Gesicht. Nicht so schlimm.
Schlief ich ein und hatte meine Zehen nicht unter der Decke versteckt, passierte es schon, dass dieses Fellmonster nachts Lust bekam zu spielen und ich aus dem Tiefschlaf gerissen wurde mit einem ernst gemeinten Angriff auf meine Füße, der nicht selten blutig endete, ganz abgesehen von der unvorstellbaren Wut, die ich diesem Tier dann entgegenbringen konnte. Sie zerbiss und zerkratze mir also mit einem beherzten Sprung die Zehen, bis ich wach wurde, ihr böses hinterherrief und mit dem nächsten greifbaren Ding nach ihr warf. So schnell sie angriff, verschwand sie dann auch wieder und konnte bis zum bis zum Frühstück nicht mehr gefunden werden.
Morgens liebte ich sie wieder sehr.
Sie lag beim Kaffee trinken auf meinem Schoß, schnurrte mir gute Laune entgegen und umschmeichelte im Bad meine nackten Beine. Ich hätte alles für sie getan.
Wir wohnten im Erdgeschoss eines Mietshauses. Chappi, so hatten meine Söhne sie genannt, sprang über das gekippte Fenster nach draußen, wenn wir nicht zu Hause waren und verbrachte viel Zeit im Garten und auch im angrenzendem Wald. Alle Bewohner kannten sie. So war Chappi in der ganzen Umgebung zu Hause und alle mochten sie. Wenn wir nach Hause kamen, war auch sie zurück oder sie kam uns draußen entgegen. Es war eine herrliche Zeit mit ihr.
Bis zur zweiten, unerschwinglich hohen Nebenkostenabrechnung. Das Erdgeschoss heizte im Winter den Keller mit denn die Dämmung ließ zu wünschen übrig. Dort standen gern wochenlang die Fenster offen und wir hatten schnell genug. Eine neue Wohnung musste her.
Wir fanden sie. Wundervoll, groß, modern mit Balkon zum Hof und in der zweiten Etage. Alles war nagelneu, das Parkett aus Kirschholz und die Jungs bekamen größere Zimmer. Die Schule der Beiden lag in Sichtweite, ein großer Spielplatz gleich über die Straße und nette Nachbarn.
Nur an Chappi hatte ich nicht gedacht.
Der Umzug war ein Unglück für sie.
Durch den Stress, den ein Umzug so mit sich bringt, bemerkte ich anfangs nicht, wie schlimm es für Chappi war.
Sie konnte nun nichtmehr nach draußen.
Zwar stand sie häufig an Wohnungstür und miaute laut aber wir dachten, dass sich das schon gibt, wenn sie sich an die neue Wohnung gewöhnt hat. Der Balkon sollte nun ihr Draußen sein. Das war zu kurz gedacht.
Das Miauen an der Wohnungstür wurde bald etwas seltener und wir waren der Meinung, dass sie sich beruhigt hat.
Die Katzentoilette wurde aber in der neuen Wohnung zum Problem. Der Geruch schlug einem trotz pingeliger und täglicher Reinigung schon an der Wohnungstür entgegen und ich verstand nicht, warum ich dieses Problem nicht in den Griff bekam. Fast jeder kennt wohl diesen unangenehmen beißenden Geruch nach Ammoniak. Ich durchsuchte jeden Winkel der Wohnung nach Katzenurin, wurde aber nicht fündig. Es musste die Katzentoilette sein. Ich war ratlos und nach einiger Zeit auch schlimm genervt.
Einen kleinen Stapel unserer Umzugskisten hatten wir in einer Nische im Flur platziert, dort, wo sie nicht im Weg standen. Es befanden sich Dinge darin, die wir nicht dringend brauchten und nach und nach sollten die Kisten ausgepackt werden. Das dauerte seine Zeit. Mit dem Ausräumen fand ich auch das Geruchsproblem. Mein Kätzchen hatte sich die Umzugskisten als Toilette ausgesucht und hatte es fertiggebracht, so zwischen die Kartons zu machen, dass sich der Urin unter den Böden der untersten Kisten sammeln konnte und die Kiste, die Dinge darin und auch der Fußboden echt Schaden genommen hatten. Das Parkett war aufgequollen und der Geruch hing darin fest. Es war eine Katastrophe. Sie hasste ihre neuen Lebensumstände und machte sich so bemerkbar. Das war mir jetzt klar.
Arme Chappi.
Im schicken neuen Flur der nach Katzenurin roch stand sie hin und wieder an der Tür. Sie wollte so gern raus. Irgendwann konnte ich sie nicht mehr leiden sehen. Ich wollte alles tun, damit sie sich bei uns wieder wohl fühlt. Sie wollte raus. Das war ihr einziger Wunsch. Sie wollte wieder in den Garten, wollte herumstreifen und am Abend zu uns zurückkehren. Das sollte sie.
Ich öffnete ihr die Tür. Sie zögerte kurz, lief ein paar Schritte und schaute zu mir zurück. Ich ging mit ihr. Wir stiegen also gemeinsam die Treppen nach unten und ich öffnete ihr die Tür zum Hof. Sie rannte los und ich hoffte, sie käme wohlbehalten zurück. Das tat sie. Am Abend saß sie vor unserer Wohnungstür. Alles war wie immer. Wir ließen sie morgens raus und fast immer fand sie einen Weg ins Haus hinein zu kommen. Vor unserer Tür dann miaute sie laut und wir ließen sie in die Wohnung. Alle waren glücklich im neuen Heim.
Unsere Nachbarn kannte ich nur vom Guten Tag im Treppenhaus aber alle schienen ganz nett zu sein. Schließlich hatte sich noch keiner über meine lärmenden Kinder beschwert und irgendwer ließ Chappi täglich ins Haus. Ich wusste auch noch nicht, wer meine unmittelbaren Nachbarn waren oder wer eine Treppe tiefer unter uns wohnte. Ich würde sie bald kennen lernen und bestimmt würden sie sich ewig an mich erinnern.
Chappi erholte sich vom Umzug gut. Dass sie wieder nach draußen durfte, ließ sie wieder die alte sein. Der Geruch im Flur war zwar noch nicht ganz vom nagelneuen Parkett verschwunden aber sie war glücklich. Ich war es auch.
Eines Tages kam ich von der Arbeit zurück. Noch schnell eigekauft ging mit den vollen Taschen die Treppen nach oben. Als ich so nach oben lief hatte ich das Gefühl, im Treppenhaus wäre dieser Geruch zu vernehmen. Dieser nach Ammoniak, der bei uns im Flur dank Reinigungschemie und vielem Lüften zum Glück immer weniger wurde. Ich dachte so bei mir, dass ich von den Tagen des Einzuges mit dem ewigen Katzengeruch schon so verrückt bin, dass ich das Ammoniakaroma schon so im Kopf habe, dass ich es rieche, sobald ich in der Nähe der Wohnung bin. Ich bildete mir das Ganze nur ein. Am nächsten Tag ging es mir wieder so und es wurde jeden Tag unangenehmer. Jetzt suchte ich das Treppenhaus nach Chappis neuer Toilette ab. Fand aber nichts. Ein paar Tage später, ich kam mit den Jungs vom Spielplatz zurück, sah ich sie Bescherung. Chappi hatte bei den neuen Nachbarn im Erdgeschoss und in der ersten Etage auf dem Fußabtreter ihr kleines Geschäft gemacht und das wohl nicht zum ersten Mal. Es roch stark und eigentlich hätten die Familien das schon längst bemerken müssen. Ich bekam Angst, sie würden sich beschweren und die Konsequenz wäre, dass man uns untersagen würde, Chappi zu behalten.
Ich nahm also am nächsten Morgen, nachdem vermeintlich alle zur Arbeit gegangen waren die Fußabtreter der fremden Menschen wie eine Diebin mit in meine Wohnung und wusch diese in einer Schüssel ab. Sie waren aus einem Kunststoff gefertigt und trockneten in der Sommersonne auch relativ schnell. Ich legte sie trocken und gereinigt ungesehen zurück und Niemand bemerkte irgendetwas.
Am Tag danach gab es allerdings die richtige Katastrophe. Ich lief die Treppe hinauf, mit dem Blick des Adlers nach Pfützen auf Treppenabsätzen oder auf persönlichen Sachen der Hausbewohner suchend und beim Nachbarn, der unter uns wohnte, sah ich die Bescherung.
Diesmal hatte sie ihr großes Geschäft auf dem Fußabtreter hinterlassen und mir blieb fast das Herz vor Schreck stehen. Ich lief nach oben, holte eine Tüte, griff beherzt nach dem Würstchen und entsorgte es in der Mülltonne. Noch mal gut gegangen. Ich stellte mir vor, die Nachbarn wären aus der Wohnung gekommen und hätten sogleich im Häufchen unserer Katze gestanden. Das hätte richtig Ärger gegeben.
Ich wusste ja aus bitterer eigener Erfahrung, dass Katzen schon einmal benutzte Toiletten auch gern wieder benutzen. Ich befürchtete Schlimmes. Der Abtreter fürs große Geschäft bestand aus einer fünf Zentimeter dicken Bastschicht. Ich hätte diesen niemals heimlich stehlen und waschen können, wie ich es schon mit den anderen getan hatte. Der Geruch musste aber unbedingt verschwinden. Chappi würde es sich sonst dort bequem machen und immer wieder dieses Teil als Toilette benutzen. Das musste ich verhindern.
Irgendwo hatte ich gelesen, dass Katzen Pfeffer nicht mögen und wenn man diesen auf eine ihrer „Toiletten“ streut, würden sie sich davon fernhalten. Das fiel mir jetzt wieder ein und ich freute mich wirklich sehr, dass ich mein Problem so einfach lösen und Konsequenzen für Chappi verhindern könne.
In meinem Gewürzregal suchte ich sofort nach dem Pfeffer. Als Fan der frischen Küche besitze ich nur Pfefferkörner und diese mahlen wir natürlich mit der großen Pfeffermühle.
In meiner euphorischen Freude, mein Problem mir Chappis Eigenarten so lösen zu können, nahm ich die etwa 30 cm große Mühle in die Hand und spurtete eine Treppe tiefer zur Tür der Familie Sommer. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich keinen aus dieser Wohnung bis jetzt getroffen hatte.
Manchmal stehen dort helle Laufschuhe vor der Tür.
Ich kniete mich also vor den Fußabtreter und pfefferte diesen kräftig. Ganz bei der Sache und darauf bedacht, keine Ecke zu vergessen, schwang ich die große Pfeffermühle über den Bast und freute mich über meine verschlagene Art und diese smarte Lösung.
Dann öffnete ein junger Mann die Tür. Hinter ihm stand eine junge Frau.
Ich habe noch nie und nie wieder in meinem Leben so verstörte Menschen gesehen.
Bildmaterialien: Manu
Tag der Veröffentlichung: 10.03.2017
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Widmung:
Für Chappi