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Ein Spiegel fürs Leben

 

Mein Wettbewerbsbeitrag in der Gruppe Biografisches

„Wie ich zum Schreiben kam“

Im Monat Juni 2013

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: the happiest girl

 

 

Ein Spiegel fürs Leben

 

 

Ich liebe sie.

Manuela.

So lange ich denken kann, sind wir befreundet.

Es müssen jetzt wohl dreißig Jahre sein.

Als Mädchen haben wir uns in der Schule Briefe geschrieben. Wir waren in der gleichen Klassenstufe und in jeder Pause wurden, die im Unterricht geschriebenen Briefe, im Treppenhaus der Schule übergeben. Alles was drin stand, hätten wir uns auch erzählen können, haben wir vermutlich auch. Es war eine Art Ritual.

Als sie vor einigen Jahren umzog, fanden sich die Schulbriefe in einer alten Kiste. Wir nutzten den Anlass, uns mit einer Flasche Wein in mein Wohnzimmer zu setzen und sie zu lesen.

Wir lachten sehr und stellten fest, dass wir uns genau dasselbe heute noch schreiben. Per SMS zwar aber die Inhalte sind weitestgehend gleich geblieben: Männer, Bekleidung, Frisur, Klatsch über Bekannte.

Damals waren es Jungs, Bekleidung, Frisur, Klatsch über Schulfreunde.

Es ist immer wieder amüsant und oft, wenn morgens das Telefon eine eingegangene Nachricht meldet, freu ich mich auf ihre belanglosen Schreiben und sie verwandelt meinen Morgen mit ihrem Quatsch, sodass ich danach mit bester Laune in den Tag starte.

Sie ist die einzige Freundin, zu der ich sagen kann, ich liebe dich, weil ich es genauso empfinde.

Sehr oft haben wir auch unterschiedliche Meinungen und ich denke jedes Mal, ich muss sie darauf ansprechen, Dinge mit ihr klären, mich wie ihre Mutter verhalten.

Manchmal hört sie sich an, was ich zu sagen habe, manchmal gibt sie mir die Gelegenheit nicht und ich muss warten, bis meine aufgewühlten Gedanken sich beruhigen. Sie gibt mir dann keine Chance an sie heran zu kommen und wir reden oberflächliches, dummes Zeug. Ich hasse diese Treffen aber so ist es und es wird immer so bleiben. Es ist in Ordnung für mich. Ich habe in den vielen Jahren gelernt, sie zu nehmen, wie sie ist.

Ich spüre unsere tiefe Verbundenheit, unsere Freundschaft und die Liebe, die wir zwei füreinander empfinden. Aus diesem Grund kann ich gut damit umgehen und ich bin sicher, sie hat es auch nicht immer leicht mit mir.

Wer weiß, was sie hier über mich schreiben würde, hätte sie hier die Gelegenheit.

Wir leben zwei verschiedene Leben und sind ganz unterschiedlich.

Ich bin die Laute von uns beiden. Viel Energie, Tatendrang und, heute immer noch, neugierig und oft grenzenlos.

Ein Hang, alles zu übertreiben, emotional sofort auf alles zu reagieren und oft viel zu schnell im Handeln.

Ich kämpfe an vielen Fronten zugleich und ich lache sehr oft zu laut.

Manuela hat Zweifel an sich selbst. Trotz ihrer Schönheit ist sie, seit der Kinderzeit, sich selbst immer zu dick und sie schafft es nicht, sich zu mögen. Außerdem hasst sie ihre Pölsterchen am Po.

Wer die Geschichte gelesen hat, kennt Manuela.

Oft neigt sie zu depressiven Verstimmungen und wenn ich längere Zeit nichts von ihr höre, weiß ich, dass sie bestimmt, auf die eine oder andere Art, gerade wieder irgendein Krankheitssymptom zu ihrem Lebensinhalt macht.

So lange sie meine Freundin ist, liebte sie stets die falschen Männer. Sie ist beeindruckt von den Männern, die ihr ganz bestimmt das Herz brechen und sie lässt sich jedes Mal wieder darauf ein um kurze Zeit später todtraurig über die schreckliche Beziehung zu klagen und oft genug auch zu weinen.

Wenn wir zusammen unterwegs sind und sie mit einem solchen Mann flirtet, verhalte ich mich wie ihre Mutter. Ich schimpfe mit ihr, appelliere an ihren Verstand oder fordere sie zum Gehen auf.

Sie lacht mich dann aus und sagt mir, dass sie schon damit klar kommt. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Immer wieder.

Bis heute lebt sie allein und sie ist überzeugt, dass es ewig so bleiben wird. Sie sagt das so, als wäre es für sie völlig klar. Und sie ist traurig, wenn wir darüber sprechen. Sie sagt, sie fühlt sich halb ohne Mann.

Als sich unser letztes Klassentreffen ankündigte, überlegten wir aus Spaß gemeinsam, was sie den anderen für eine Lüge erzählen könnte, um nicht sagen zu müssen, dass sie noch immer alleine lebt. Ich weiß dass sie, trotz dem, dass wir den ganzen Abend darüber gelacht und gescherzt haben, sehr große Schwierigkeiten damit hatte, dass ihr ihre Einsamkeit einmal mehr so auf die Füße fiel.

Es tat mir leid, sie so zu sehen. Es tut mir immer leid, wenn sie aus diesem Grund so traurig ist. Zwar versucht sie es zu verstecken aber ich kenne sie und ich weiß, wie es in ihr aussieht

Ich bin seit vielen Jahren glücklich verheiratet. Mein Mann war auch in unserer Schule. Die beiden kennen sich gut und haben ein geschwisterliches Verhältnis.

Oft sagt sie mir, dass ich „ein besonderes Exemplar“ zu Hause hätte. Es wäre die perfekte Beziehung und er der perfekte Mann. Gentleman, schön anzusehen, ein toller Vater und seit eh und je trägt er mich auf Händen.

Manchmal traue ich mir kaum, ihr von den schönen Erlebnissen, die ich mit ihm habe, zu erzählen. Ich denke dann, dass es sie traurig macht und manchmal fühlt es sich für mich so ungerecht an, dass sie nicht haben kann, was ich habe.

Es gab vor ein paar Jahren eine Zeit, als bei ihr eine etwas längere Beziehung zerbrach. Wieder einmal.

Sie war zerstört als ihr Freund , von heute auf morgen auszog. Ich fürchtete, sie würde daran zerbrechen.

Er traf seine Jugendliebe wieder und heiratete sie nach kurzer Zeit. Die Beziehung zu Manuela warf er einfach weg. Er ging, fast ohne Erklärungen und sie lag da mit gebrochenem Herzen.

Es war eine schlimme Zeit für sie. Sie weinte und ging allein spazieren. Sie redete und redete von ihm und ich konnte nichts mehr tun als ihr zuzuhören. Ich konnte nichts bewirken, so sehr ich mich auch bemühte. Sie tat mir so leid.

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, legte es mich nieder. Ich wurde krank. Eine schwere Angina brachte mich dazu, zwei Wochen im Bett zu liegen. Kopfschmerzen wie ich sie bis dahin nicht kannte, trieben mich in den Wahnsinn und ich hatte kaum genug Kraft, zum Arzt zu gehen um mir Medikamente verschreiben zu lassen. Das war sehr ungewöhnlich. Ich bin sonst nie krank. Ein kleiner Schnupfen vielleicht aber so sehr hatte es mich noch nicht erwischt.

Nach etwa einer Woche fühlte ich mich ein wenig besser. Aus dem Bett jedoch schaffte ich es nicht. Ich schlief viel und wenn ich wach war, hörte mir im Bett Geschichten mit dem Laptop an.

Manuela war immer in meinen Gedanken. Den ganzen Tag. Es ging ihr so schlecht und ich konnte nichts für sie tun.

Also nahm ich meinen Laptop mit ins Bett, stellte die Geschichte aus, und schrieb ihre Geschichte einfach auf.

Es fühlte sich an, als könnte ich alles in die Tasten tippen und dann wär es nicht mehr da, als könnte ich es ihr damit abnehmen.

Ich war zufrieden. Es ging ganz schnell.

Irgendwie reichte es aber noch nicht ganz. Ich hatte ihr Leid jetzt in den Laptop gebracht und jetzt musste es auf irgendeine Weise weiter weg, raus sozusagen. Also fand ich, dank Google, BOOKRIX. Ganz schnell.

Dort fand die Geschichte mehr Anerkennung, als ich es mir vorgestellt hatte. Wenn auch die Sterne nicht mehr alle da sind, seit BOOKRIX sich verändert hat, ist die Geschichte neben den anderen, die ich seit dem geschrieben habe, auf eine bestimmte Art etwas Besonderes für mich.

Ich traute mich kaum, ihr davon zu erzählen. Meine Vorstellung, wie sie darauf reagieren würde, dass ihr Leben von mir im Internet veröffentlicht wurde, war unklar.

Ich erzählte es ihr schließlich und rechnete mit Allem. Heute weiß ich, dass ich ihr damit einen Spiegel vors Gesicht gehalten habe. Meine Absicht war das nie aber ich habe viel damit bewirkt. So konnte ich ihr helfen.

Seit dem schreib ich immer mal wieder. Oft gibt es auch Zeiten, da scheint mein Kopf leer zu sein. Keine Ideen, keine Inspirationen.

Es macht mich glücklich, wenn ich Dinge, die mich bewegen, aufschreiben und somit verstehen und, fast immer, für mich abschließen kann.

Aufgeschriebenes existiert dann endlich und verliert das Subtile. Es ist plötzlich da und hat einen Namen. Der Alltag hat als Geschichte plötzlich Besonderheiten und Absurditäten.

Pölsterchen am Po, die Geschichte über meine Freundin Manuela, war der Anfang von etwas Besonderem. Ich wusste nicht, dass so viel in mir schläft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

the happiest girl

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.06.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für dich, Manuela

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