Soldiers of Misfortune
Als die Sirene ertönte, wurde er aus dem Schlaf gerissen. Licht drang durch seine geschlossenen Lider und eine Stimme brüllte in sein Ohr.
Sein Gehirn weigerte sich, Informationen aufzunehmen, doch einen Moment später ergaben die zwei Worte Sinn.
"Aufwachen! Angriff!"
Dann brach hektisches Treiben aus und Stimmen fluchten, während Waffen überprüft und Befehle erteilt wurden.
Im Hintergrund immer noch das Heulen der Sirene und die Explosionen der ersten einschlagenden Granaten.
Sein Körper funktionierte von selbst.
Kleidung anziehen, Stiefel binden, sein Gewehr laden;
All das, wofür er monatelang vorbereitet wurde.
Dann stürmte er mit seinen Kameraden aus dem Zelt, hinaus in die Wüste.
Hier war das Kreischen der Alarmsirene noch deutlicher und die Granaten unterlegten das Geheule mit einem regelmäßigen Bass.
Männerstimmen schrieen und fluchten.
Er folgte seinen Kameraden weiter zu dem Offizierszelt, wo sie ihre Anweisungen erhielten.
"Verteidigen... Bis zum Letzten...!"
Als sie aus dem Zelt wieder in die Nacht traten, fielen die ersten Schüsse.
Die grellen Blitze des Mündungsfeuers erhellten das Lager und das Donnern der Gewehre legte sich zum Lärm.
Er klammerte sich an seine Waffe. Jemand klopfte ihm auf den Helm und schrie in sein Ohr:
"Jetzt geht's endlich los. Bereit die dreckigen Kamelficker zu schlachten?!?"
Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als er versuchte zu lächeln.
Seine Einheit schob sich weiter zum Rand des Lagers.
Soldaten kauerten hinter allem, was ihnen Deckung bot, das Brüllen der Schüsse war unerträglich laut. Bei jeder Salve dachte er, sein Kopf würde explodieren.
Adrenalin rauschte durch seine Adern.
Er machte einen Sprung hinter eine Kiste, presste sein Gewehr an sich, wie ein Kleinkind einen Teddy.
Er blickte sich um und sah seine Kameraden.
Sie kauerten hinter ihrer Deckung, ihre Gesichter zu Fratzen verzerrt, feuerten unentwegt, lachten, wenn Schmerzensschreie ihrer Gegner ertönten.
Jemand war neben ihm.
Sein Gehirn wollte ihm keinen Namen geben. Der Soldat schrie:
"Hast du Angst?!?" Sein Gewehr erzitterte, als er jemandem Kugeln in die Brust jagte, "Töte die verdammten Terroristen!"
Er grinste, feuerte weiter und lachte laut.
Ich kann das nicht mehr ertragen, dachte er, schloss die Augen und hoffte, dass alles vorbei wäre.
Doch die Schüsse wurden lauter, die Schreie schwollen in seinem Kopf zu unerträglicher Lautstärke an, bis er sich wünschte, er wäre taub.
Dann war plötzlich alles vorbei.
Stille.
Ich bin taub, dachte er.
Langsam öffnete er ein Auge.
Sein Blickfeld war um 90° gedreht und zeigte nur Sand und Blut.
Er hustete.
Mehr Blut.
Er versuchte sich aufzurichten, doch seine Arme gehorchten nicht.
Jemand schüttelte ihn, drehte ihn um.
"Lebst du noch!?!", schrie eine Stimme.
Er blicke an seinem Körper entlang.
Seine Uniform war getränkt mit Blut. Sein Blut. Wo sich sein Leben lang seine Arme befunden hatten, ragten jetzt zwei fleischige Stummel aus seinem Körper.
Er versuchte seine Beine zu bewegen.
Nichts.
Sein Blickfeld verschwamm und sein Kopf füllte sich mir Leere.
Er richtete seinen Kopf nach oben und sah sich die Sterne an.
Dann, in der Landschaft eines fremden Landes, starb ein weiterer Soldat, genauso, wie Millionen vor ihm und genauso, wie es Millionen nach ihm tun werden.
Tag der Veröffentlichung: 03.04.2009
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