Cover

Mein Leben


21. November 2008 bin ich gestorben.
ich heiße Juliet und wurde 1991 geboren. Inzwischen bin ich 16 Jahre alt und gehe wie jeder andere in die Schule.
August 2008:
Ich schlief ganz fest, eingekuschelt in meinem Bett, bis mich mein Wecker weckte. Es war wieder Zeit für die Schule. Ich stand auf und ging ins Bad. Zuerst wusch ich mein Gesicht und kämmte meine langen, leicht gelockten, braunen Haare. Ich bin hell heutig und nicht wirklich dick. All zu groß bin ich auch nicht, sondern eher etwas kleiner als die in meiner Klasse. Als ich dann fertig mit dem anziehen war, ging ich zum Bus. Da wartete auch schon meine beste Freundin Mara. Sie war etwas größer als ich, hatte kurze, glatte, blonde Haare und eine tolle Figur. Wir stiegen zusammen in den Bus ein und setzen uns hin. Dann fuhr auch schon der Bus los. In der Schule angekommen, gingen wir auch schon zur Klasse. Die warteten noch darauf, dass frau Glocke, unsere Klassenlehrerin, kommt und uns die Tür aufschließt. Nach ungefähr 5 Minuten kam dann Frau Glocke und schloss uns die Tür auf. Als ich an ihr vorbei ging, bemerkte ich sofort den Jungen, der neben ihr stand. Er war groß, dünn und hatte kurze, braune Haare, die perfekt zu ihm passten. Als ich mich dann auf mein Platz setze, sagte Frau Glocke: „ Kinder, das ist Tyler. Er ist neu auf unserer Schule, Tyler erzähl doch bitte von dir.“ Tyler erzählte dann mit einer sicheren, etwas Machoartigen Art: „ Also ich bin Tyler und 17 Jahre alt. Reicht das?“ Die Lehrerin antwortete: „ Ja natürlich. Setz dich bitte auf den freien Platz neben Juliet.“ Oh ne, nicht zu mir, dachte ich. Dieser blöde Macho typ soll sich neben mich setzen, nein danke. Ich konnte aber nichts dagegen tun. Mit coolen, lässigen, etwas merkwürdig aussehenden schritten kam er dann auf mich zu. Wahrscheinlich ging er so komisch, weil seine Hose etwas zu weit unten hing. So wie man es halt bei den meisten Jungs kennt. Er setzte sich neben mich und holte seine Bücher aus seiner Tasche. Als ich einen tiefen Atemzug nahm, roch ich sein tolles Parfüm. Man roch das gut. Ich wollte mich aber nicht mehr ablenken lassen und konzentrierte mich auf den Unterricht. Nach 5 Minuten nahm er etwas auffällig meinen Block und schrieb rein: „Hey süße, was geht? Heute Nachmittag schon etwas vor?“ ich schrieb nur etwas genervt zurück: „ Du kannst auch normal mit mir reden und ja habe ich.“ Nachdem er das las, guckte er mich lächelnd an und schrieb dann: „ Du bist zickig, darauf steh ich.“ Als ich das las, nahm ich den Zettel, knüllte ihn zusammen und steckte ihn in meine Tasche. Ich war ganz und gar nicht zickig, nur etwas genervt. Ich hasse Macho Typen. In meinen Gedanken verschwunden, wurde ich von der Schulglocke wieder in die Realität geholt. Ich und Mara gingen in die Pause und an Tyler verschwendete ich keinen einzigen Gedanken mehr. Die Schule war dann nach gefühlten 8 Stunden vorbei, obwohl es nur 6 waren. Ich stieg in den Bus ein, dieses Mal ohne Mara. Ich setzte mich auf einen Platz und wer setzte sich ausgerechnet neben mich? Natürlich Tyler. Ich kann ihn noch immer nicht ausstehen. Er schaute immer wieder zu mir, aber ich wendete mich nicht einmal zu ihm. An meiner Haltestelle stieg ich dann aus, aber als ich mich umdrehte, sah ich wie er auch ausstieg. Hmm, ich machte mir nichts draus und ging weiter. Manchmal schaute ich ein paar Mal nach hinten, um zu sehen, ob er noch da war. Und ja, er war noch da. Verfolgte er mich etwa? Irgendwie bekam ich Angst und ging etwas schneller. Dann hatte ich aber keine Lust mehr, weil ich etwas faul bin, und ging wieder einen normalen Gang. Wieder schaute ich nach hinten und er war immer noch da. Okay jetzt musste ich mich ablenken. Ich nahm meinen MP-3 Player und steckte meine Ohrhörer in meine Ohren. Ich machte die Musik an und vergaß ihn schon fast, bis mich eine Hand an der Schulter fasste. Ich erschrak so sehr, dass ich fast nach hinten fiel. Aber Tyler packte mich an der Taille und hielt mich fest. Ich schaute ihn tief in die Augen. Erst jetzt bemerkte ich seine schönen, hellbraunen Augen. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihm reißen. Er stellte mich wieder aufrecht hin und ließ mich los. Diese Situation war mir zu unangenehm und ich ging weiter nachhause. Er ging mir noch immer hinterher. Naja, dieses Mal war es mir egal und ich ging normal nachhause. Zuhause angekommen, schnappte ich mir meine Sporttasche und ging schnell zum Tanzen los. Ich nahm jeden Mittwoch Tanzunterricht in einer Tanzschule in der Näher meiner Schule. Angekommen zog ich mich schnell um und ging in die Halle. Tyler stand in der Halle. Wieso stand er da? Ich ging mit großen Schritten zu ihn und fragte etwas unhöflich: „ Was machst du hier?“ Er schaute fragend und sagte anschließen: „ Ich nehme hier Tanzunterricht. Sieht man doch.“ Bevor ich dann noch etwas sagen konnte, kam Herr Rheina, mein Tanzlehrer, und teilte uns die Tanzpartner ein. Heute war Partnertanz dran. Und wen bekam ich als Tanzpartner? Natürlich Tyler. Wieso ich? Sehe ich etwa so aus als würde ich mit ihm tanzen wollen? Nein. Aber auch dieses Mal konnte ich nichts dagegen tun und tanzte mit ihm. Er nahm sanft meine rechte Hand, legte seine andere Hand an meine Taille, presste seinen Körper an meinen und fing an zu tanzen. Er war fantastisch. Einfach toll. Unsere Blicke trafen sich und er lächelte. Wieso lächelte er? Hatte er etwa spaß? Oder hatte ich nur etwas im Gesicht? Ich wurde bestimmt rot, denn dieses Mal fing er laut an zu lachen. So etwas ist ganz und gar nicht witzig. Obwohl sein Lachen so toll war, hatte es mich genervt. Ich schubste ihn von mir weg und lief raus. Wieso ich das tat, wusste ich nicht. War wahrscheinlich eine blöde Reaktion, die mir auch sehr Peinlich war. Ich war nun draußen angekommen. Von der Tanzschule führte ein langer, gerader Kieselweg, umgeben von großen, grünen Bäumen, zum Schulhof. Ich ging langsam diesen Weg entlang und sah mich um. Die Sonne schien auf die Bäume und aus den kleinen Lücken zwischen den einzelnen Blättern schien es auf den Boden. Diese ruhige Atmosphäre beruhigte mich ein wenig und die Gedanken an meinen kleinen Bruder Leon kamen wieder. Seit seinem Tod sind schon 4 Jahre vergangen. Er hatte Krebs. Die Krankheit machte ihn und unsere Familie kaputt. Er war mehrmals am Blut husten und seine Augen waren umringt von blauen Tränensäcken. Seine Blutgefüllten Augen wurden von seiner unglaublich Hellen haut stark betont und ließen ihn erschreckend aussehen. Nach seinem Tod ließen sich meine Eltern scheiden und ich lebte bei meiner Mutter weiter. Sie hatte seinen Tod und die Scheidung nie verkraftet und weinte jeden Abend, liegend in ihrem Bett. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich hatte einen riesen Klos im Hals. Fast am Schulhof angekommen, hörte ich Tyler rufen: „ Juliet, warte doch!“ Ich schaute kurz zu ihm und ging dann weiter. Ich wollte nicht, dass er sieht, dass ich geweint habe. Drei Schritte weiter brach ich zusammen. Meine Beine wurden schwach und konnten mich nicht mehr halten. Ich fiel auf die Knie und fing an zu weinen. Ich fühlte ein stechen an meiner linken Brust und hielt meine rechte Hand darauf. Ich hielt diese schmerzen nicht mehr aus und fing laut an zu schreien. Ich bekam große Angst, da ich nicht verstand, was gerade passierte und weswegen. Auf einmal wurde alles um mich herum schwarz. Ich hörte nur noch Tyler schreien: „ Juliet, was ist los? Juliet! Steh auf, bitte!“ Als ich im Krankenhaus auf dem Bett aufwachte, spürte ich etwas an meiner Hand. Langsam und Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach rechts und schloss dabei meine Augen. Als ich sie wieder langsam öffnete, sah ich Tyler neben mir sitzen. Er schlief. Ich konnte nichts sagen, da ich noch sehr schwach war. Was war passiert? Wieso liege ich hier? Ich war viel zu müde, um mir noch weitere Gedanken darüber zu machen und schlief wieder ein. Als ich wieder aufwachte, saß Tyler nicht mehr neben mir. Hatte ich mir das nur eingebildet? Bestimmt. Ich setzte mich langsam aufrecht hin und versuchte vom Bett aufzustehen. Als ich es schaffte, ging ich zwei langsame Schritte. Aber das fiel mir schwer, da mir noch sehr schwindelig war. Ich ging wieder zurück auf mein Bett und setzte mich hin. So erschöpft und fertig war ich zuvor noch nie. Jede Bewegung die ich machte tat weh und machte mich nur noch schwächer. Ich wurde durch ein Klopfen von meinen Gedanken gerissen. Jemand hatte an der Tür geklopft. Ich wollte denjenigen rein bitten, bekam aber noch immer kein Wort raus. Ich hörte die Tür aufgehen. Es war Tyler. Ich hatte ihn mir doch nicht eingebildet. Als er sah, dass ich da saß, wach und lebend, bildete sich ein großes Lächeln in seinem Gesicht. Er ließ das Tablett mit dem Essen fallen und lief auf mich zu. Er umarmte mich und ließ mich nicht mehr los. Wahrscheinlich hatte er sich große Sorgen gemacht. Als er mich los ließ, nahm er einen Stuhl und setzte sich vor mich. Das Essen war ihm wohl egal. Mit einer weichen Stimme und einem Lächeln im Gesicht sagte er: „ Du lebst. Ich habe mir schon große Sorgen gemacht!“ Dieses Mal strengte ich mich an, ein Wort raus zu kriegen. Leise sprach ich: „ Tut mir leid. Was ist eigentlich passiert?“ Sein Lächeln verschwand und er sagte mit einer etwas traurigen Stimme: „ Wir hatten gestern Tanzen und während wir getanzt hatten, bist du einfach rausgerannt. Als ich dich dann holen wollte, sah ich wie du da auf dem Boden lagst. Danach rief ich einen Krankenwagen und seit dem liegst du hier.“ Stimmt. Es fiel mir wieder ein. Aber wieso lag ich auf dem Boden? Wieso ging es mir so schlecht? So viele Fragen und keine Antwort. Ich sagte nichts mehr und guckte auf den Boden. Wir beide schwiegen. Nach einer Weile nahm er meine rechte Hand und sagte: „ Juliet, ich weiß es ist nicht der richtige Zeitpunkt aber ich muss dir etwas sagen. Aber bitte bleib ruhig. Deine Mutter hatte gestern einen Autounfall. Sie hat es nicht überlebt." Es war ein Schock für mich. Erst mein kleiner Bruder und jetzt meine Mutter! Wieso verliere ich jeden Menschen in meinem Leben? Ich habe noch meinen Vater, aber mit dem verstehe ich mich nicht gut. Er und ich haben früher immer gestritten. Über jede Kleinigkeit die es gab. Er hatte mich sogar einmal geschlagen. Seit dem sprach ich kein Wort mehr mit ihm. Mein Leben, das sich Leben nannte, war kein Leben mehr, sondern ein großes schwarzes Loch, das alles mit reinzog, was mir wichtig war. Tränen flossen mir die Wangen herunter. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, sodass ich kaum Luft kriegte. Ich fühlte eine Leere in mir, wie noch nie zuvor. Tyler nahm mich in den Arm und sagte: „ Hey, es wird alles wieder gut. Beruhig dich süße. Ich bin für dich da.“ Nichts wird wieder gut! Er weiß doch gar nicht was schon alles passiert war. Mein Leben war am Ende. Ich schubste ihn von mir weg und stand auf. Ohne ein Wort zu sagen ging ich raus. Einfach raus aus dem Krankenhaus. Es war kalt draußen und es regnete. Nebel überdeckte die Wiese im Garten des Krankenhauses und die ferne war nicht zu erkennen. Im August so ein Wetter? Naja, Deutschland eben. Ich wusste nicht wohin ich gehen sollte und bekam irgendwie Angst. Ich fiel auf die Knie und hielt mir meine Hände vors Gesicht. Mir strömten weitere Tränen aus den Augen und mein Herz schmerzte. Diese Schmerzen machten mich einfach nur Kaputt. Da kniete ich nun, voll nass und verheult. Ich muss jetzt stark bleiben! Ich ging zurück auf mein Zimmer. Tyler saß noch immer auf dem Stuhl und starrte Richtung Fenster. An meinem Bett angekommen, sagte ich, mit dem Blick auf meine Hände gerichtet, zu Tyler: „ Danke für alles, aber du kannst nichts machen was mich jetzt noch aufmuntern könnte und du musst das alles auch nicht machen. Wahrscheinlich muss ich zu mein Vater und werde daher weit wegziehen.“ Als ich ihm dann ins Gesicht schaute, sah ich, dass er geweint hatte. „Hey, was ist denn los? Wieso hast du geweint?“, fragte ich. Nach großem zögern antwortete er: „ Nichts. Ist schon gut. Ich muss jetzt los, bis dann.“ Er stand auf, gab mir ein Kuss auf die Wange und ging. Jetzt war ich wirklich alleine. Nach einer Weile kam der Arzt rein und sagte: „ Hallo Juliet. Ich bin Doktor French. Ich habe keine guten Nachrichten für dich.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /