Cover

Prolog

Sein Atem ging schnell, während er die gepflasterte Straße entlang rannte. Ängstlich schaute er immer wieder hinter sich. Er hörte den Flügelschlag des Monsters über ihm. Seine Flügel selbst waren verdreckt und die Federn durch seinen Sturz verklebt und gekürzt. Er konnte sich nicht mehr in die Luft schwingen, so sehr er es auch wollte, um zu fliehen. Seine weißgrauen Flügel hatte er hinter seinem Rücken zusammengefaltet, um so schneller rennen zu können. Sein Atem rasselte, während er weiter rannte. Der schreckliche hasserfüllte Schrei des Monsters erfüllte die Stille und hallte von den Steinwänden der Häuser um sie herum wieder. Wieder blickte er hinter sich und konnte sehen, dass die Krallen des Monsters nicht all zu weit von ihm entfernt war.
Im gleichen Moment ertönte ein weiterer Schrei aus dem spitzen dunklen Schnabel des Riesen. Doch dieser klang nicht nach Hass, sondern nach einem unerträglichen Schmerz. Unsanft fiel das schwarze Ding zu Boden. Der Junge verlangsamte seinen Schritte, bis er zum stehen kam und schaute verwundert zu dem auf den Boden liegenden Untier, das einem Raben aber auch einer Eule glich mit blutroten Augen und scharfen Krallen an den Füßen. Die großen Schwingen auf seinem Rücken lagen nun schlapp auf dem Gehweg. Ein weiterer Flügelschlag war zu hören und man merkte wie der Junge innerlich zusammenbrach. Noch so ein Monster, dachte er sich und schaute in den Himmel. Neben dem geflügelten Tier landete jedoch kein weiteres, sondern ein wunderschöner Engel mit dunkelbraunem gewelltem Haar und weißen Flügeln.
» Amira. « flüsterte der Junge leise, so gut es ging, und schaute das Mädchen, das vor ihm stand mit einem leichten Lächeln an. » Danke. «
Man konnte spüren, dass zwischen ihnen etwas war, denn die Luft war wie elektrisiert und das Knistern konnte man förmlich spüren. Mit einer Gestik, die an ein einfaches Nicken erinnerte, lächelte das Mädchen, Amira, den Jungen liebevoll an.
Auf einmal erhob sich hinter dem Mädchen ein dunkler Schatten und rote Augen blitzten es an. Der Junge wollte sie warnen, doch es drang nur ein erstickter Laut durch seine Kehle. Mit einem lauten Aufschrei stürzte das Mädchen zu Boden und man sah, dass das Monster purpurrote Spuren auf ihrem Rücken hinterlassen hatte. Der Junge kniff wütend die Augen zusammen, bereit dafür den Feind für diese Tat zu töten. Nie wieder würde dieses Etwas seinem Mädchen etwas antun. Mit einem Satz war er bei dem Untier. Er versuchte seine Kraft zu sammeln, um es umzubringen, doch das Monster war schneller. Er spürte nur noch einen stechenden Schmerz unter seiner Brust und sackte zu Boden. Seine Augenlieder flatterten und ganz dunkel hörte er den verzweifelten Ruf des Mädchens.
» Ich liebe dich, Amira. « flüsterte er schmerzerfüllt. Dann wurde um ihn herum alles schwarz.


Eins

Als ich die Augen aufschlage scheint grelles Sonnenlicht in meine Augen, so dass ich erst mal blinzeln musste, um meine Augen an das Licht gewöhnen zu lassen. Von draußen höre ich das leise Zwitschern der Vögel und den leisen Wind, der die Blätter der Bäume zum rascheln bringt.
» Hey, sie ist wach. « Eine weiche Stimme, die sich wie ein Glockenspiel anhört, dringt an mein Ohr. Sofort höre ich wie jemand aufsteht und durch den Raum läuft. Direkt danach senkt sich mein Bett und eine warme starke Hand legt sich für eine Weile auf meine schweißnasse Stirn.
» Amira? Hörst du mich? « Die dunkle sanfte Stimme kommt mir bekannt vor und ich öffne meine Augen ganz und schaue in Elias‘ besorgtes Gesicht. Ohne ihm eine Antwort zu geben, setze ich mich kerzengerade auf, wobei mich erst ein stechender Schmerz durchzuckt und ich mein Gesicht verziehe.
» Wo ist Arel? « Mit einem entsetzten Gedanken schaue ich zwischen Elias und meiner allerbesten Freundin Kathy hin und her. Kathy senkt schnell ihren Blick, aber ich weiß, dass ihre meergrünen Augen anfangen zu glitzern, wie jedes Mal wenn sie traurig ist. Elias, der vor mir auf meiner Bettkante sitzt, atmet tief ein und aus und schaut mich mit einem mitfühlendem Blick an.
» Sagt schon, wo ist Arel? « Langsam werde ich ungeduldig. Ich kann mich nur noch schwach an den vergangenen Tag erinnern. Ich weiß nur noch, dass Arel in einem Kampf mit einem hässlichen Monster verwickelt war und ich ihm helfen wollte. Jetzt schleicht sich ein schrecklicher Gedanke in meinen Kopf, Arel könnte tot sein. Mein Herz rast und zerdrückt meine Brust, wodurch mir das Atmen schwer fällt.
» Sag du es ihr, bitte Elias. « Kathy versucht normal zu klingen, doch ich höre genau, wie ihre Stimme zittert. Ihren Blick hat sie immer noch abgewandt und sie kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum. Elias schluckt hörbar und streicht sich seine hellbraunen Haare aus dem Gesicht.
» Arel ist … tot. « flüstert er leise und schaut mich mit einem so mitfühlenden Blick an, den ich bei ihm noch nie gesehen habe. Für einen Moment habe ich das Gefühl mein Herz setzt aus und ich schaue Elias entsetzt an.
» Nein, nein, dass kann nicht sein! Elias kann sich verteidigen, er ist ein guter Kämpfer! « Erst jetzt bemerke ich, dass mir Tränen über die Wangen laufen.
» War. « sagt Elias und rückt näher an mich heran, um einen Arm um mich legen zu können. Schluchzend drücke ich meinen Kopf auf seine starke Brust und umklammere ihn, als könne mich sonst etwas wegziehen. Ich spüre Elias warme Hand, die sachte über meinen Kopf streicht. Auch Kathy hat sich jetzt gelöst und hat ihre zarten Hände auf meine Knie gelegt.
» Es tut uns so verdammt Leid, Am. « Sie zog geräuschvoll die Nase nach oben.
» Ich habe ihn … geliebt. « flüstere ich, wobei meine Stimme von den Tränen erstickt wird. » Es ist alles meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen und das Monster direkt umbringen sollen. « An den Gedanken kralle ich meine Nägel in Elias‘ T-Shirt, worauf er die Luft scharf einzieht. Ich atme seinen nach Lavendel riechenden Duft ein, der mich ein wenig beruhigt. In dem Moment drück mich Elias von sich, um mir in die Augen schauen zu können. Seine breiten Hände hat er an meine Wangen gelegt, um mein Gesicht zu sich zu drehen. Mit den Daumen wischt er meine herunterlaufenden Tränen weg.
» Hey, du bist an gar nichts Schuld. « flüstert er mit einer so beruhigenden Stimme, dass ich alles andere um mich herum vergesse. Elias ist der Engel der Beruhigung und Fürsorge und mein bester Freund. Er hat die Kraft andere Engel oder Menschen zu beruhigen und ihnen Fürsorge zu schenken und den Kummer zu nehmen.
» Leg dich am besten wieder hin. Vorhin hattest du noch eine ziemlich heiße Stirn. « Elias legt seine Hände auf meine Schultern und drückt mich wieder zurück auf mein Federkissen. » Ich gehe mal etwas zu trinken und zu knabbern holen. Kathy du bleibst hier, okay? Es sei denn du möchtest alleine sein, Am. «
Schnell schüttele ich den Kopf. Gerade jetzt kann und will ich nicht alleine sein, weil ansonsten alles wieder hoch kommt und ich wieder der Trauer verfalle.
» Vielleicht wär’s auch gut, wenn du morgen erst mal nicht zur Schule gehst und dich ausruhst und ein wenig schläfst. « liebevoll lächelt Kathy mich an und steht auf, um zum Fenster zu gehen. Dort steht sie eine Weile mit geöffneten Flügeln und öffnet es dann ein wenig, damit frische Luft in unser Zimmer strömt.
» Wie sieht’s eigentlich mit deiner Wunde am Rücken aus? Die war richtig übel, als wir dich hierher gebracht haben. «
Mit einer Hand taste ich leicht meinen Rücken ab und fahre zusammen, als ich eine brennende längliche Wunde berühre.
» Scheiß Vogelvieh oder was das auch war. « fluche ich und verrenke mich leicht um einen Blick auf meinen Rücken zu erhaschen. Dort prangen drei rotleuchtende Streifen, die bis zu meiner Taille reichen.
» Die Krankenschwester hat schon irgend so ‘ne Salbe drauf gemacht. Sie meinte sie heilt damit besser. « Kathy faltet ihre Flügel wieder auf dem Rücken zusammen und setzt sich mir gegenüber auf ihr Bett. Eine Weile herrscht unerträgliche Stille in unserem Zimmer und ich habe wieder für einen kurzen Moment Angst wieder zu sehr über Arel nach zu denken.
» Der Lieferservice ist da! « Mit einem Tablett voller Cracker und dazugehörigen Dipp und einer Tasse lecker duftenden Tee betritt Elias wieder das Zimmer und zerbricht somit unser Schweigen und die Stille. Er stellt das Tablett neben meinem Bett auf den Nachtisch und setzt sich wieder zu mir. Sofort schnappe ich mir drei Cracker, tunke sie in den Dipp und stopfe mir sie in den Mund.
» Wusste ich doch, dass du Hunger hast. « Vergnügt schaut Elias mir dabei zu, wie ich mir einen Cracker nach dem anderen in den Mund schiebe, wahrscheinlich aus Erleichterung, dass ich jetzt wegen der Trauer nicht in einen Hungerwahn verfalle. Ich schaue erst Kathy, dann Elias an und bin irgendwie froh darüber sie als meine Freunde zu haben.
» Morgen solltest du nicht in die - «
» Das habe ich ihr schon gesagt, Elias. « unterbricht Kathy ihn und huscht schnell zu mir herüber um auch einen Cracker zu ergattern.
» Ey, die waren für Am gedacht! «
» Ist schon gut. Ich werde nur noch fetter, wenn ich weiter esse. «
Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaut Elias mich an und ich sehe wie seine Besorgnis wieder den Besitz über sein Gesicht ergreift.
» Ich werde nicht hungern, versprochen. « Der gelöste Knoten in meinem Hals zieht sich wieder ein wenig zusammen und ich schlucke stark um weitere Tränen zu unterdrücken. Ich habe immer noch einen brennenden Schmerz in der Herzgegend, da es sich so anfühlt als wäre mit Arels Tod auch ein Teil meines Herzens gestorben. Kathys Seufzer reißt mich wieder aus meiner tiefen schwarzen Trauer und ich wische mir schnell über meine Augen, in denen sich wieder Tränen gesammelt haben und nur darauf warten meine Wange hinunter zu kullern.
» Wir lieben dich, Am. Das weißt du doch hoffentlich. « Kathy schaut mich mit ihrem Ich-bin-immer-für-dich-da-Blick an. Lächelnd nicke ich sie an.
» Kuschelrunde! « ruft Elias belustigend und schließt mich in seine starken Arme. Leise breitet er seine weißen federnbesetzten Flügel auf, die mich dann leicht umschließen. Meinen Kopf habe ich leicht an seine Brust gedrückt und ich genieße seine Wärme. Auch Kathy kommt mit ausgebreiteten Flügeln und umarmt mich ebenfalls. Meine Flügel sind geschlossen und ich bin sozusagen das kleine Mädchen zwischen ihren wundervollen Eltern, das getröstet werden muss. Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln und ich lasse ihre Zuneigung und Fröhlichkeit in mich hineinströmen und mein Herz berühren, damit auch es wieder ein wenig lächelt und aufhört zu schmerzen.

Seit drei Tagen liege ich in meinem Bett. Nachts weinend und tagsüber, wenn Kathy und Elias in der Schule waren, versank ich in der Trauer, die sich in mein Herz gefressen hat. Meine Augen sehen schon ziemlich gequollen und rot aus. Mein Kopf schmerzt immer noch höllisch und die Wunden auf meinem Rücken sind zwar schon fast nicht mehr zu sehen, aber bei jeder Umdrehung in meinem Bett oder einer zu festen Berührung durchzuckt mich ein stechender Schmerz.
Zusammen mit riesigen Nebelschwaden und einem Duft aus Rosen verlässt Kathy das Bad und schlendert zu ihrem Schrank hinüber. Sie hat nur ein Handtuch um meine Taille geschlungen und ihre braunen lockigen Haare zu einem Dutt gebunden.
» Guten Morgen, Am. « Durch ihren Schrankspiegel hindurch lächelt sie mich munter an. Während sie in ihre Tagessachen schlüpft, richte ich mich auf und strecke mich, um die restliche Müdigkeit von mir abzuschütteln.
» Morgen. « murmel ich leise und stelle mich hin. Seit Arels Tod liege ich nur noch im Bett. Nur um auf Klo zu gehen, habe ich mich manchmal dazu gezwungen das Bett zu verlassen. Heute habe ich beschlossen, dass erste Mal wieder zur Schule zu gehen, damit ich nicht noch mehr vom Schulstoff verpasse, schließlich gehen wir momentan wichtige Angriffsmethoden durch, die ich für meine Prüfungen, Ausbildung und für meinen späteren Job als Krieger wissen muss. Wir Engel, die sich noch in der Ausbildung befinden, werden zu Kriegern ausgebildet. Ob wir zu einem Wasserengel oder Feuerengel werden, erfahren wir nach unseren Prüfungen. Erzengel und adlige Engel haben den höchsten Stellenwert und bekommen daher noch mächtigere Kräfte erlernt. Jeder Erzengel und adlige Engel ist eine individuelle Persönlichkeit mit einem ganz bestimmten Aufgabenbereich und seiner eigenen Energie, die ihm von der höchsten Quelle zugeordnet wurde. In Kämpfen müssen wir diesen Engeln beistehen. Sie befehlen uns, was wir zu tun haben. Sie erteilen uns quasi Befehle, denen wir befolgen müssen. Die höchste Quelle besteht bei uns aus drei weisen Leuten und den zwei Erzengeln Uriel und Chamuel. Alle Erzengel haben ein ‚el‘ in ihren Namen. Dies bedeutet "wie Gott", "von Gott" oder "Gott repräsentieren".
» Willst du heute wieder in die Schule gehen? « fragt Kathy mich, während sie ihren rosa Lieblingspulli überzieht.
» Ehm, eh ja. « nickend schaue ich sie an und schlurfe dann in unser gemeinsames Bad. Hinter mir schließe ich die Tür und wische dann erst mal den Beschlag, der durch die Hitze entstanden ist, weg, um mich im Spiegel betrachten zu können. Als ich mich endlich mal sehe, bekomme ich einen Schock. Meine Augen sehen wie blutunterlaufen aus, sind geschwollen und haben dicke Augenränder. Mein Gesicht ist richtig blass und das passt gar nicht zu mir, da ich ein eher dunklerer Typ bin. Während ich mich so im Spiegel betrachte, schießen mir wieder die letzten Szenen in den Kopf.
» Amira. « hatte er versucht zu rufen, doch nur ein Laut des Entsetzens war über seine Lippen gekommen. Bevor ich mich umdrehen konnte, bohrten sich schon die Krallen dieses Vogel-Eulen-Vieh in mich hinein und zogen drei lange Striche meinen Körper hinunter. Ich hielt diesen starken stechenden Schmerzen nicht mehr stand und brach zusammen. Nur noch geschwächt konnte ich sehen, wie sich Arel auf das Monster stürzen wolle, fest entschlossen es umzubringen. Doch es hatte schon erneut mit seinen Krallen ausgeholt, als hätte es genau gewusst, dass Arel es töten wollte, nur um es für seine Taten an mir zu bestrafen, sich an diesem Ding zu rächen. Ich hatte mit ansehen müssen wie das Monster seine Krallen einmal quer über seine Körper schlug und Arel zusammenbrach. Ich war wie erstarrt, aber auch gleichzeitig loderte Wut in mir auf und ich richtete mich unter Schmerzen mit meiner allerletzten Kraft auf, riss mein Messer aus der Scheide und schleuderte es Blindlinks in die Richtung des Monsters. Allerdings konnte ich es nur verwunden und dazu bringen zu fliehen, immerhin. Danach schleppte ich mich zu Arel dessen Augen schon geschlossen waren und sein Atem in nur noch kurzen Stößen ging. Über mein verdrecktes Gesicht rannen Tränen und tropften auf das schon fast leblose Gesicht von Arel.
» Nein! « Ich schrie meinen ganzen Hass, meinen Schmerz, alles was ich in dem Moment fühlte aus meiner Seele und ließ meinen Tränen freien Lauf. Alles um mich hatte sich gedreht und dann war ich anschließend vor Erschöpfung, Schmerz und Kraftlosigkeit über dem leblosen Körper von Arel zusammengebrochen.
Unter einem Tränenschleier warf ich aus Wut mit einer Bewegung mit meinem Arm alles vom Waschbecken. Ich stütze meinen Körper an dem Waschbeckenrand ab. Durch meinen Tränenbach kleben die Haare, die mir ins Gesicht hängen, an den Wangen.
» Am, alles okay? « Kathy hat wahrscheinlich den Krach gehört, den die Becher, Zahnbürsten und Taschenspiegel erzeugt hatten. Ihre Stimme klingt erschrocken und besorgt. Ihr spüre wie sich ihr zarter Körper gegen die Tür lehnt. Ihre Hände drücken die Türklinke nach unten, als würde sie hoffen, dass die Tür jeden Moment aufgeschlossen wird und sie zu mir reinkommen könne.
» Jaja, alles ist okay mit mir. « Ich versuche normal zu klingen und wische mir die Tränen aus den Augen. » Mir ist nur grad der Zahnputzbecher aus der Hand gefallen, weil ich gestolpert bin. Meine Dusseligkeit eben. « Am Ende dieses Satzes zwinge ich mich noch ein leises Lachen ertönen zu lassen, das sich aber ziemlich gekünstelt anhört.
» Gut. Ich dachte schon du hättest wieder an … « Kathy stockt schnell und druckst herum. » Ach egal. Du musst wirklich aufpassen wo du hintrittst, sonst verletzt du dich irgendwann noch ernsthaft. « Schnell redet sie weiter und geht wieder von der Tür weg, womit sich ihre Stimme ein wenig mit ihren Schritten entfernt und leiser wird. Ich schaue mich noch ein letztes Mal im Spiegel an und gehe dann unter die Dusche. Das warme Wasser, das auf mich niederprasselt, wischt für einen kurzen Moment all meine Gedanken aus meinem Kopf und ich genieße es einfach nur, wie das Wasser meinen Körper hinab gleitet, bis ich vor Schmerz scharf die Luft einziehe und zusammenzucke. Als ich meinen Kopf leicht nach hinten drehe, sehe ich wieder die scharlachroten Striche auf meinem Rücken. Leicht berühre ich einen von ihnen und kneife schmerzvoll die Augen zusammen. Die Wunde fühlt sich warm und irgendwie falsch an. Sie verläuft meinen Rücken zackig hinunter und hat mir tief ins Fleisch geschnitten. An einigen Stellen hat schon die Heilung begonnen, doch größtenteils sieht sie noch ziemlich schlimm aus.
Nachdem ich mich geduscht habe, steige ich aus der Dusche und wickel mir mein Handtuch um meinen Körper. Als diese gegen meinen Oberkörper drückt, unterdrücke ich einen Schrei und beiße auf meine Unterlippe. Schnell verlasse ich das Bad und suche nach einem rückenfreien Oberteil.
» Kathy? Hast du dein weißes, rückenfreies Top noch? Dieses was du mal auf einer Feier anhattest? « Ich versuche, dass meine Stimme nicht allzu schmerzerfüllt ist, doch es klappt nicht so ganz.
» Meinst du dieses? « Kathy zieht ein weißes Top aus dem Schrank und drückt es an ihre Brust. Es hat ihrer Figur damals sehr geschmeichelt als sie es trug und die Jungs haben ihr reihenweiße hinterher gestarrt.
» Genau das. Könnte ich es mir vielleicht für heute ausleihen? Die Wunden schmerzen so sehr, wenn Stoff sie berührt. «
» Ja klar. « Mit einer schwungvollen Handbewegung wirft sie es zu mir rüber. Schnell schlüpfe ich in es hinein und suche mir dann noch eine passende dunkle enganliegende Jeans aus meinem Schrank heraus.
» Denkst du, du schaffst den heutigen Tag? « Kathy trägt gerade etwas Wimperntusche auf, als sie mir diese Frage stellt. Neugierig und doch ein wenig besorgt schaut sie mich immer noch an.
» Ich denke mal. Wissen die anderen von diesem Vorfall bescheid? « Ich wollte möglichst das sie mich nicht darauf ansprechen und ich wieder zu sehr an Arel denke muss.
Kathy schüttelt den Kopf. » Nein. Nur Vania und Ophelia. Ich hab ihnen aber auch gesagt, dass sie dich auf diesem Thema nicht ansprechen, höchstwahrscheinlich aber auf diese hässlichen Wunden auf deinen Rücken. Die sind ja durch ihre Röte gar nicht zu übersehen. «
» Vielen Dank auch. « murmel ich und trete zu dem großen Wandspiegel um meinen brennenden Rücken zu begutachten. Sie sehen ziemlich tief, rot und schmerzhaft aus. Natürlich sind sie nicht zu übersehen, da einem die scharlachrote Farbe direkt in die Augen sticht, wie ein rotes Stoppschild. Bei dem Vergleich rolle ich mit den Augen und stoße einen genervten Seufzer aus.
» Komm lass uns gehen. Die erste Stunde fängt gleich an. « Mit einem leichten Lächeln hackt sie sich bei mir unter und zieht mich mit nach draußen in den Gang des Internates.

» Guten Morgen, Am. « begrüßen mich Vania und Ophelia im Chor und umarmen mich hastig. » Wie geht es dir? «
» Einigermaßen gut. « antworte ich und lasse mich auf meinen Platz fallen, gut darauf bedacht mit meinem Rücken nicht gegen die Stuhllehne zu stoßen. Hinter mir zieht David scharf die Luft ein.
» Amira, wie hast’n dat angestellt? «
» Sie war in einen Kampf verwickelt. « mischt sich Elias ein, der soeben den Klassenraum betreten hat, und wirft David einen Halt-bloß-die-Fresse-oder-es-knallt-Blick zu. David hebt eine Augenbraue und hält die Hände leicht vor sich schützend, was bedeuten soll, dass er sich mal nicht so aufregen soll. Elias lässt sich neben mir nieder und legt seine Schulsachen auf den Tisch.
» Alles klar bei dir? « Er schaut mich mit seinen schokoladenbraunen Augen durch dringlich an und zieht den ganzen Kummer aus meinem Körper, worauf er sich leicht windet, als er ihn zu spüren bekommt. Wenn Elias einem den Kummer nimmt, stößt der Kummer generell erst mal auf ihn und lässt ihn seine Kraft spüren, bevor er ganz verschwindet. Ich nicke leicht und schaue in Elias Augen. Bei ihm fühle ich mich geborgen und er ist wie ein älterer Bruder für mich, der mich zu beschützen versucht.
In dem Moment betritt Mr. Roth den Raum. » Guten Morgen. Setzt euch. « befiehlt er uns und stellt seine schwere Aktentasche auf das Pult. Hinter ihm kommen zwei gutgebaute Jungen zum Vorschein. Der eine ist Chasan, der Engel der Lüfte. Er ist ungefähr vierundzwanzig und hat seine Ausbildung bereits hinter sich und kämpft an der Seite jedes Kriegers. Da er die besondere Gabe hat die Luft zu bändigen und alles mögliche mit ihr anstellen kann, was nur geht, wurde er nicht zu einem Feuer- und Wasserengel ausgebildet, sondern zu einem besonderen Krieger. Er hat blondes kurzes Haar und ein ziemlich ernstes Gesicht, aber in Wirklichkeit ist er eine sehr nette Person, auch wenn er von außen nicht so scheint. Der andere ist Joel. Wenn er den Raum betritt sind alle Augen der Mädchen auf ihn gerichtet. Er geht zwar noch in die Oberstufe und hat seine eigentliche Ausbildung noch nicht hinter sich, aber er ist trotzdem schon ein angesehener und geschätzter Engel und gehört zu den Kriegern der Feuerengel. Durch seine Lernfähigkeit und sein gutes Können im Kämpfen wurde er schon früher zu einem Krieger ernannt. Er besucht trotzdem noch die Schule, da er den wichtigsten Stoff nicht verpassen möchte, da dieser ebenfalls noch wichtig für einen Krieger ist. Joel hat eine dunkelbraune, fast schwarze Surferfrisur, die bei ihm manchmal leicht verstrubbelt aber auch süß aussieht. Er läuft eigentlich immer mit einem offenen und freundlichen Lächeln durch die Gegend. Über seinen Oberkörper spannt sich ein schwarzes T-Shirt, das seinen muskulösen Körper hervorhebt. Dazu trägt er eine lässige Jeans und normale Sportschuhe. Ach ja, und nicht zu vergessen, er hat kristallblaue Augen, in denen man versinkt, als würde man in einem hellen klaren Meer ertrinken.
» Hach. « erklingt ein träumerisches Seufzen von meiner linken Seite. Ophelia hat ihren Kopf auf ihrer Hand abgestützt und schaut Joel verliebt an. Ich verziehe meinen Mund zu einem leichten Grinsen, schaue dann aber wieder nach vorne, um aufmerksam zuzuhören was Mr. Roth zu sagen hat.
» Chasan und Joel sind heute mit mir gekommen, da sie uns über einiges aufklären wollen. Dies ist allerdings nicht der eigentliche Lernstoff, aber es scheint wichtig zu sein, also hört ihnen bitte zu. « Mit einem Nicken, das den beiden deuten soll, dass sie anfangen können, tritt Mr. Roth in eine Ecke und schaut prüfend in die Klasse.
» Okay, erst mal Hallo. « beginnt Chasan seinen Satz und schreitet vor der Klasse ein wenig hin und her. » Wie ich mir denken kann wisst ihr bestimmt schon alle, dass es vor kurzem einen Kampf zwischen einem Mothman und zwei Engel unseres Internates gab. «
Ein lautes Gemurmel geht durch die Klasse. Ab und zu mal ist ein ‚Oh mein Gott‘ und ein ‚Wer war daran beteiligt‘ zu hören. Alle um mich herum unterhalten sich, nur ich sinke auf meinem Stuhl immer ein Stückchen tiefer und tiefer, während ich weiter nach vorne schaue.
» Ruhe! « ruft Mr. Roth aufgebracht in die Klasse. Sofort verstummen alle und schauen Chasan wieder neugierig an.
» Dabei ist ein Engel ums Leben gekommen, während der andere schwere Verletzungen davon getragen hat. « verkündet Chasan und schaut in die Klasse. Für einen kurzen Moment bleibt sein Blick an mir haften. Ein leichtes Zucken durchfährt meinen Körper, aber ich erwidere den ernsten Blick von Chasan.
» Wer waren die zwei Engel? « ruft ein kleiner spitzbübischer Junge durch die Klasse.
» Arel und Amira. « antwortet Chasan mit einer so normalen Stimme, was ich im Leben nie so hätte rüber bringen können. Ein erschrockenes Aufatmen geht durch die Klasse und alle Blicke sind nun auf mich gerichtet. Ich spüre richtig, wie die zackigen Linien auf meinem Rücken anfangen zu brennen.
» Und was genau ist ein Mothman? « fragt ein Mädchen mit blonden Haaren namens Lia. Sie ist eher ein schüchternes Mädchen und daher ist ihre Stimme auch ziemlich leise und zart.
» Ein Mothman … « Nun schreitet Joel, der die ganze Zeit hinten an der Tafel stand, nach vorne und ergreift das Wort. » … ist eine Mischung aus einem Vogel und einer Eule. Er ist ziemlich groß und hat blutrote Augen, die den Augen einer Eule ähneln. Sein Schnabel ist schwarz und spitz, wie seine Krallen die er an seinen zwei ziemlich menschlich aussehenden, aber gefiederten, Beinen hat. Er hat große schwarze Schwingen auf den Rücken, größer als unsere. An ihnen befinden sich ebenfalls scharfe Spitzen. Und nicht zu vergessen haben sie Vampir zähne. Wenn sie diese in euer Fleisch bohren, gelangt Gift in euch und ihr beginnt euch einer Wandlung zu vollziehen. Eure Flügel werden schwarz und größer und sie strahlen Unmengen von einer dunklen Macht aus. Ebenfalls bekommt ihr scharlachrote Augen und wie die Mothmans bekommt ihr Vampir zähne. «
Wieder artet ein lautes Gemurmel aus und in den Gesichtern der anderen Engel ist Entsetzten und Angst zu sehen.
» Ach, die schaff ich doch mit links. « David wirft seine Fäuste in die Luft, das aussehen soll, als würde er jemanden schlagen und grinst dabei breit.
» Nein, so einfach ist das nicht. « Kopfschüttelnd schaut Chasan ihn an. » Die Mothmans waren für eine lange Zeit verschollen. Angeblich haben sie woanders gewohnt und dort ihr Unwesen getrieben. Doch anscheinend hat irgendwer sie wieder hierher geholt und versucht uns zu vernichten. «
» Und deshalb wird auf eurem jetzigen Lehrplan stehen, wie man sich gegen diese Mothmans verteidigt. Dazu werden einige ältere Krieger, die mit ihnen Erfahrung haben zu euch kommen und euch unterrichten. Solltet ihr aber auch noch nebenbei lernen wollen, wie man sich gegen diese Dinger verteidigt, kommt ihr einfach zu mir. « fügt Joel noch hinzu und schaut in die Klasse. Die ganze Zeit habe ich still dagesessen und ab und zu sind meine Gedanken abgeschweift, doch nach Joels letztem Satz bin ich hell wach. Ich will unbedingt lernen, wie ich diese Mothmans töten kann. Fest entschlossen und voller Enthusiasmus sitze ich den ganzen Unterricht hellwach, immer mit dem Gedanken im Kopf, ich könne die Mothmans besiegen. Und das werde ich auch.
Ich werde mich für Arels Tod an ihnen rächen!

-Fortsetzung folgt: für das 2. Kapitel werde ich wohl ein wenig brauchen, also habt Geduld ;)-

Impressum

Texte: Das Titelbild gehört der Buchreihe 'Evermoore'. Ich hab es unter Google Bilder gefunden und verwende es für mein eigenes Buch.
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Das Buch widme ich meinem Vater, da er leider zu früh die Welt verlassen musste und meiner Mam, da sie mir beim Umsetzen der Ideen sehr geholfen hat.

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