Cover


Wie jeden Morgen stand ich auf und bewegte mich in Richtung Supermarkt, der „Einkauf“ musste erledigt werden. Ich ging über die Straßen, ohne mich umgezogen oder gar geschminkt, geschweige denn gewaschen zu haben. Über die Brocken, die von den alten Gebäuden stammen, ging ich nicht. Auch auf die Möbel und die, die..., auch auf die alten Bewohner nahm ich Acht. Ihre entstellten Gesichter sah ich schon lange nicht mehr. Zum Glück, denn Anfangs hatten sie mich verfolgt, ich fühlte mich von ihren milchigen Augen beobachtet.
Ich betrat den Laden und nahm hinter dem Tresen eine Tüte und ging somit meine typische „Einkaufsrunde“ und packte ein bisschen Brot, Schinken, heute etwas Butter und Milch ein und Schokolade und Cracker sowieso. Natürlich viel Mineralwasser und … auf und davon. Ich ging wieder zurück. Und schon wieder diesen Weg, mit all seinen kleinen Schätzen, dachte ich sarkastisch.
Als ich gezwungenermaßen unsere Wohnung betrat sah ich ihn nicht. Früher sprach er „unsere Wohnung“ mit mehr Gift, Hass und Eckel aus, heute aber ist dies verflogen nur noch ein Hauch ist davon übrig.
Ich goss meine Pflanzen und machte mir ein Brot. Mit etwas Butter, belegt mit Schinken und Salat, wie immer. Ich hörte seine knirschenden Füße, wie sie sich in die Scherben vor dem Eingang bohrten. Seiner Ankunft schenkte ich keinerlei Beachtung, widmete mich lieber meinem deliziösen Brot. Er trat dumpf ein, dazu muss man wissen dass unsere „Höhle“ früher Mal eine Wohnung gewesen ist, heute aber eher einem Keller gleicht. Doch ich liebte die Einrichtung. Die paar Monate hatte es mich beschäftigt, ich hatte Etwas zu tun gehabt.
Ich hörte wie er etwas auf den Boden fallen ließ, es fiel plump und hart auf. Ohne auch meine Augen von dem Brot abzuwenden, fragte ich gelangweilt was er sich dabei denke, meinen sauberen Boden zu beschmutzen.
Daraufhin hörte ich wie er sich über mich amüsierte. Mir war nicht nach lachen. Nicht jetzt und nicht später. Er schleppte den Kadaver in Richtung Vorratskammer. Ich blickte der blutigen Spur nach und seufzte, lange, sehr lange würde ich zum aufräumen brauchen, denn die Putzmittel hatte ich nicht mitgebracht. Er kam lässig und stolz zurück und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Irgendetwas erwartet er. Ach ja! Dank! „Reiß dich zusammen!“ sagte meine innere Stimme.
„Gut gemacht.“ Sagte ich so schroff wie möglich. Doch er grinste trotzdem über das ganze Gesicht. Ich sah wie seine goldbraune Haut von Schweiß glänzte und die vielen Schürf- und Kratzwunden stachen mir ins Auge. „Hilf ihm, versuch nett zu sein.“, schnauzte mich meine innere Stimme an. Ich stand auf, ohne was gesagt zu haben und ging den Verbandskasten holen. Als er ihn in meinen Händen sah machte er eine coole Handbewegung, dass dies nicht nötig sei. Ich schenkte ihm keinerlei Beachtung und riss sein T-Shirt nieder.
„Nicht so wild süße!“, sagte er mit einem dreckigen Grinsen. Und ich hasste mich dafür, weil ich lächeln musste. Schließlich sah ich, dass die Wunden doch tiefer und schlimmer waren als ich bloß gedacht hatte. „Na gut, helfe ich ihm halt.“, dachte ich. Doch als ich in den Kasten schaute, war dieser fast vollkommen leer gewesen und jetzt dachte ich bedrückt: Müssen die Verletzungen wohl bis morgen warten, ich werde sie nur leicht auswaschen und fertig.
Bei jeder Berührung meiner Finger zuckte er leicht zurück, ich hatte vergessen ihn vor meinen kalten Fingern zu warnen. Der arme, dachte ich schadenfroh.
Als es Draußen dunkel geworden war, wurde uns beiden bewusst, dass wir ins Bett gehen mussten. Mein Bett hatte ich mit Absicht weggeschoben, doch wusste er nichts davon, denn dies hatte ich gemeinerweise während seiner Abwesenheit getan. Als er das Schlafzimmer betrat und dies bemerkte hörte ich ihn nur angestrengt seufzen, aber was dagegen sagen hörte ich ihn nicht.
Die Nacht schlief ich ruhig und Traumlos, was mich erfreute. Doch ein schreien, ein unnatürliches Geräusch weckte mich auf. Ich rannte auf die Straße erwartete jemanden zu sehen, jemanden zu treffen, doch meine Hoffnung war vergebens, denn die Schreie kamen aus der „Höhle“. Leider!
Ich ging langsam und genervt zurück, wütend trat ich in das Zimmer ein. Doch als ich ihn in dieser Verfassung erblickte, konnte ich nicht mehr wütend sein.
Er lag krümmend, schweißgebadet und zuckend im Bett. Durch das Fenster fiel das Licht auf seine goldene Haut und ließ sie schimmern. Doch sein verzerrtes Gesicht zeigte seine Schmerzen eindeutig. Schnell rannte ich um den Rest an Schmerzmitteln ihm zu geben. Das Glas und auch die Tablette reichte ich ihm vorsichtig, fast schon sanft. Als er tief schlief und seine Brust sich im selben Takt hob und senkte, traute ich mich zu gehen, doch ich konnte einfach nicht vergessen, welche große Angst ich verspürt hatte, als ich um sein Leben bangte.
Ich wäre die Letzte ohne ihn. Ich wäre allein, einsam. Und bestimmt verrückt. Der Hass auf ihn hält dich am Leben, ohne ihn, auch kein Leben.
Mitten in der Nacht nahm ich das Gewehr und bewegte mich in Richtung Supermarkt, ich brauche Medikamente. Sofort!
Ich erinnerte mich vage an seine Warnungen, dass man nachts von Tieren aufgerissen werden könnte. Doch waren sie mir jetzt in diesem Moment gleichgültig. Ich wollte nicht allein sein. Er muss weiterleben, hauchte leise eine Stimme in meinem Kopf. Und während ich durch die fast völlige Dunkelheit weiterschritt dachte ich nur an unser Überleben.



Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /