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Der neue Patient

„Einen doppelten Espresso und einen Baseballschläger für Arschlöcher zum mitnehmen bitte, Mary!“, rief ich meiner besten Freundin und Nachbarin, welche auch gleichzeitig in meinem Lieblingscafé arbeitete, zu. Wir hatten uns vor 3 Jahren genau hier kennengelernt und haben später gemerkt, dass wir gerade mal 1 Stockwerk voneinander entfernt, wohnten. Ein glücklicher Zufall kann man sagen.

„Kommt sofort, Jess!“ rief meine beste Freundin und zwinkerte mir zu. Ich setzte mich solange an den Tresen und regte mich weiter über meinen Exfreund auf.

„Was ist passiert?“fragte Mary mich und stellte mir mein Heißgetränk vor die Nase. Ich nahm den Becher in die Hand und nippte vorsichtig daran.

„Erzähl ich dir heute Abend, okay? Dieser Vollidiot!“ genervt blickte ich in ihre Augen.

„Okay. Hey lass das nicht so an dich ran, schließlich bist du Psychologin.“ meinte sie und strich mir trotzdessen besorgt über den Arm. „Oh ja. Psychologen können ja auch alles!“ Sarkasmus. Schönste Sache in meinem Leben.

„Übrigens, was steht heute an?“ überging Mary meine Antwort. Sie wusste, dass Psychologe nicht gleich hieß, dass man mit Emotionen besser klar kam als andere, aber sie meinte es nur gut. Das wusste ich auch und oftmals tat es mir auch leid, dass ich dann immer meinen Sarkasmus rausließ.

„Neuer Patient und 4 Sitzungen.“ sagte ich wenig später, legte meiner Freundin das Geld für den Espresso hin und stand auf.

„Wird also nicht allzu spät. Kommst du dann gegen 8 rüber?“ sie grinste mich an.

„Wenn du den Wein bereithälst, klar.“ meinte ich lachend.

„Immer doch! So husch! Viel Spaß auf der Arbeit!“ sie drückte mich kurz und scheuchte mich dann nach draußen. Nicht weit von hier war meine Praxis, weswegen ich den Rest immer lief. Generell fuhr ich sehr selten mit Verkehrsmitteln, ich liebte Spaziergänge einfach, da konnte man gut nachdenken und sich über Vollidioten aufregen.

Dies bringt mich dazu mich erst einmal vorzustellen. Wie schon erwähnt ist mein Name Jess. Jess McLarens. Ich bin 25 Jahre alt, habe ein hochrangig absolviertes Psychologiestudium und besitze schon meine ganz eigene Praxis, auf die ich wirklich sehr stolz bin. Zudem schaffe ich es immer wieder Männer zu angeln, die einfach nur hirnverbrannt sind. Halt! Ich weiß was Sie jetzt denken. - Psychologie? Dann müsste sie doch eigentlich erahnen wie jemand ist – eben nicht. So einfach war das leider nicht. Oder vielleicht war es das doch und ich war einfach ein hoffnungsloser Fall. Wer weiß. Ich war mir meistens noch eher ein Rätsel als meine Patienten, also kann ich dazu nichts weiter sagen, als dass ich, mit hoher Wahrscheinlichkeit, durchgeknallt bin.

Ich lief in das Gebäude, wo sich meine Praxis befand und stieg in den Fahrstuhl. Als ich in dem 2. Stock kam, lief ich geradewegs zu der breiten Tür, wo ein Schild mit der Aufschrift „Praxis für Psychotherapie – Dr. Jess McLarens“ und ging hinein.

„Guten Morgen, Jess!“ meine Empfangsdame lächelte mich breit an.

„Wuuunderschönen guten Morgen, Melina.“ gab ich zurück. Sie schien meinen sarkastischen Unterton bemerkt zu haben, denn sie blickte mich leicht verwundert an.

„Frag besser nicht..“ ich hing meine Jacke an den Kleiderständer und lief hinter den Tresen.

„Liebesprobleme?“ „In Form von Terence? Oh ja.“ ich verdrehte die Augen und nahm die dünne Akte meines neuen Patientens entgegen, die mir Melina reichte. Sie war die zuverlässigste Person was diesen Job anging, jedoch war ihr Privatleben teilweise genau so ein Chaos wie meines und oft berichtete sie mir auch was sie plagte. Ich mochte das. So konnte ich wissen, dass sie mir vertraute und ich konnte ihr somit auch einen Teil meines Vertrauens schenken. Das machte uns irgendwie auch zu Freundinnen.

Melina klopfte mir leicht auf den Arm und lächelte mich aufmunternd an. „Das wird schon. Wenn alles nicht hilft, bekommt er eben eine und gut ist.“ dadurch musste ich lachen.

„Nichts für ungut, Melina, aber ich kann mir schlecht vorstellen, dass du Terence eine überziehst!“ sie stimmte in mein Lachen ein.

„Warum denn nicht? Pass ja auf, dass ich nachher nicht mit dem Aktenschrank durch die Tür komme!“ ich schaute sie böse an.

„Soll ich deinem Hasischatzibubsi“- dieses Wort spuckte ich schon fast- „sagen, dass du deine Chefin umlegen willst?“ Sie schaute mich schockiert an. Ich hatte ihren Freund schon einige Male getroffen. Er sah gut aus, war 29, also 2 Jahre älter als sie und schien überaus charmant. Richtig. Schien. Denn er war einer dieser Menschen, die ich absolut nicht mochte, da er zwar wie der Engel auf Erden machte, aber es keineswegs war. Marvin, so hieß er, hing seiner liebsten Melina nämlich sehr auf der Tasche und nutzte es aus, dass sie bei mir einen wirklich guten Gehalt bekam. Zudem war er nicht gerade der ehrlichste und hatte auch schon versucht mich anzumachen. Aber das schlimmste kam ja noch. Sie wusste es und blieb trotzdem bei ihm! Ja, wirklich. Egal wie oft ich ihr gesagt hatte, dass er ein Vollidiot war und wie oft ihr das andere sagten, sie blieb bei ihm. Einfach weil sie einer dieser Menschen war, der fand, dass sie niemand besseren bekommen konnte, wegen großer Selbstzweifel. Da tat sie mir schon leid, auch wenn es ihre eigene Schuld war, dass sie immernoch in solch einem Dilemma steckte. An diesem Beispiel sieht man aber wieder: Männer können wirklich verdammte H*rensöhne sein! Hehem, wo waren wir? Ach ja.

„Hey! Guck nicht so erschrocken. Natürlich mache ich das nicht, Melina. Das würde ich dir niemals antun!“ meinte ich schnell, als ich merkte, dass sie immer noch wie versteinert war. Ihr schien es deutlich besser zu gehen, denn sie atmete beruhigt aus. Diese Frau liebte den Kerl wirklich... tragisch. Vielleicht sollte ich doch mal eine richtige Sitzung machen, sonst würde sie noch bei meinen Späßen sterben.

Ich schlug die Akte, die mir Melina vorhin gegeben hat auf und nahm sie etwas genauer unter die Lupe. Metin Collins. Das war also der Name meines neuen Patienten.

„Wann kommt denn dieser Metin Collins?“ fragte ich Melina.

„In einer viertel Stunde ist sein Termin.“

„Hat er nichts weiter gesagt? Warum er überhaupt herkommt?“

„Nein, er meinte, er wolle das nur mit dem Psychologen besprechen.“ ich hob eine Augenbraue. Sonst wurde allein Melina von neuen Patienten immer wie eine Weihnachtsgans auseinandergenommen. Anscheinend mal ein sehr geheimnisvoller Kerl. Das könnte interessant werden. Ich hatte natürlich oft Patienten, die nicht immer gleich mit der Sprache rausrückten, aber vorher komplett gar nichts zu sagen, war mir auch neu.

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Tag der Veröffentlichung: 02.01.2015

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