Cover

Kapitel 1

Willkommen im Königreich Omnispare! Es ist klein, kaum bekannt aber wunderschön. Die Mischung zwischen hohen Bergen, dichten Wäldern, kleine bis große Dörfer und der einen oder anderen größeren Stadt sorgt für ein Gefühl der Freiheit und Unbekümmertheit bei den meisten seiner Bewohner. Hier lebt auch die Waise Sophia Justice Paupertatis.

Sophia ist 17 Jahre alt und hat schwarze, hüftlange, gelockte Haare, welche einen schönen Kontrast zu ihren hellgrauen Augen bilden. Sie wohnt in dem Waisenhaus der Hauptstadt Sperobyte. Die Direktorin ist freundlich, die Betreuerinnen zwar streng aber wollen nur das Beste für die Kinder. Alles in allem also ein angenehmes Umfeld.

An diesem Samstag steht Sophia, wie gewöhnlich früh auf. Nach einer entspannenden Dusche, geht sie, so leise wie möglich um niemanden zu wecken, in die Küche, wo Amanda, die gute Seele der Küche, bereits dabei ist, das Frühstück vorzubereiten.

"Guten Morgen, Amanda!"

"Guten Morgen, Sophia. Hast du gut geschlafen?"

"Danke, ja. Und du?"

"Ich kann mich nicht beklagen. Hier bitte, ich hab dir Tee gemacht."

"Danke Amanda."

"Wie immer gerne. Und, was hast du heute schönes vor?"

"Der Tee ist super! Ist das eine neue Sorte?"

"Ja. Die alte habe ich leider nicht mehr bekommen. Freut mich, wenn dir die hier auch schmeckt."

"Ja, die ist ein guter Ersatz. Das übliche - bis um 12 Uhr arbeite ich in der Bibliothek, ab 14 Uhr in der Stadtverwaltung."

"Ich verstehe ja, dass du dein Geld verdienen willst, aber was ich bis heute noch nicht verstehe ist, warum du unbedingt Akten sortieren willst."

"Keine Ahnung, macht mir Spaß. Und ich sortiere ja nicht nur Akten, ich bringe auch Kaffee.", in Sophias Worten hört man ihr leichtes Lächeln heraus.

"Hauptsache es macht dir Spaß."

"Ich werde mich dann mal auf den Weg machen."

"Natürlich. Neben dir liegt dein Essen."

"Danke, Amanda. Einen schönen Tag."

"Danke, meine Liebe. Dir auch."

Sophia steckt sich ihre Jause ein, nimmt sich noch eine der Trinkflaschen und ist bei der Türe draußen. Gerade ist die Sonne aufgegangen, sie färbt den Himmel, den man hinter den Hochhäusern erkennt, von einem hellen gelb über ein warmes Orange in ein angenehmes Rot. Mit einem Lächeln macht sich Sophia auf zur Bibliothek.

Bei der Bibliothek angekommen, sperrt Sophia das alte Gebäude mit der massiven Eichentüre mit ihrem Schlüssel auf. Wie jedes Mal fährt sie kurz bewundernd über das eingeschnitzten Wappen der königlichen Familie. Es stellt eine Trauerweide dar, umschlossen von den Strahlen der aufgehenden Sonne. Sophia fährt über den Stamm des Baumes und einige Strahlen.

Dieses Zeichen erinnert Sophia an ihre frühe Kindheit. Mit fünf Jahren war sie in das Waisenhaus gekommen, nachdem ihre Mutter bei einem Autounfall gestorben war. Weitere Verwandten hatte sie nicht. Auch jetzt noch, erinnert sich Sophia sehr gut an die letzten Worte ihrer Mutter.

"Sophia, nimm aus meiner Tasche das Buch... mit der Trauerweide heraus. Zeige es niemanden, bis... die Zeit dafür gekommen ist. Du bist mehr,... als es... auf den ersten Blick scheint. Pass auf dich auf... Bleib dir treu. Sophia, ich... ich liebe dich."

Danach hat sie die Augen geschlossen. Es war schrecklich für Sophia. Ihrer Mutter war jemand in die Fahrer Seite gekracht. Sophia war bis auf eine gebrochene Hand unverletzt geblieben. Das Buch, welches sich als Brief ihres Vaters an sie herausgestellt hatte, hat sie noch immer niemanden gezeigt. Auch sie hat noch kaum einen Blick hinein gewagt.

Ein kalter Schauer läuft Sophia über den Rücken, als sie sich erinnert. Sie schüttelt den Kopf, als würde sie die Erinnerung daran verbannen. Schließlich tritt sie ein, schließt hinter sich wieder ab und befindet sich in einer anderen Welt. Jetzt, um gerade einmal sieben Uhr morgens, ist Sophia, abgesehen von dem Bibliotheksleiter, Mr. Nescio, allein mit den Büchern. In dieser Welt herrscht Stille. Nur das Summen der Deckenleuchten ist zu hören. Der Duft der alten Bücher mischt ich mit dem der neuen und der abgestandenen Luft.

Tief durchatmend geht Sophia mit geschlossenen Augen den breiten Gang entlang, vorbei an hohen und breiten Regalen, in Richtung der administrativen Insel. Dort begrüßt sie Mr. Nescio.

"Guten Morgen, Mr. Nescio."

"Guten Morgen Sophia. Ich würde dir gerne einen neuen Kollegen vorstellen. Das ist Alben Celsus Princeps. Er wird dir die nächsten drei Monate zur Hand gehen." Dabei deutet er auf einen um die 1,85 m großen jungen Mann mit hellgrauen Augen und blonden Haaren.

"Princeps? Seid Ihr Teil der königlichen Familie? Bitte verzeiht meine Frage, Hoheit." Sophia hält den Kopf gesenkt und verharrt in ihrem Knicks.

"Das ist richtig, aber hier, solange ich hier arbeite, nenn mich bitte Alben. Und bitte, steh auf.", sagt er mit einem Lächeln.

"Alben, das ist Sophia Justice Paupertatis. Sophia, wärst du so freundlich Alben herumzuführen? Wenn du ihm alles gezeigt hast, könnt ihr damit anfangen, die zurückgegebenen Bücher einzusortieren. Das Übliche eben." schaltet sich nun auch Mr. Nescio wieder ein.

"Natürlich, wollen wir, Alben?"

"Aber gerne. Du gehst voran, ich folge dir."

Sophia geht mit Prinz Alben zurück zum Eingang. Dabei überlegt sie wie sie ein Gespräch in Gang bringen könnte. Die Stille, die sie für gewöhnlich so sehr liebt, wirkt plötzlich bedrückend.

"Vermutlich kennt Ihr, ähm, du bereits die Geschichte der Bibliothek, oder?"

"Stimmt."

"Gut. Also, dann fangen wir am besten hier an."

"Beim Eingang?"

"Ja. Von hier bekommt man einen sehr guten Einblick in das System der Bibliothek. Jeder Gang, der hier wegführt, führt zu einem oder mehreren Themenbereichen, die wiederum nach Autoren sortiert sind."

"Interessant. Sag mal, nicht viele wissen auf Anhieb, dass wir Princeps die Königsfamilie sind, wieso war dir das so schnell bewusst?"

"Ich habe viel von Eurer, Verzeihung, deiner, Familie gelesen. Mein Traum ist es, eines Tages in Euren Diensten zu stehen."

"Und als was?"

"Nicht unbedingt als Sicherheitskraft, aber ansonsten bin ich sehr offen. Ich beschäftige mich sehr gerne mit Akten und anderen Dokumenten. Ich mag es, Dinge zu ordnen und in ein System zu bringen. Andererseits lerne ich auch sehr schnell, und beschäftige mich gerne mit neuem."

"Entschuldige bitte, wie war noch einmal dein Name?"

"Sophia, Sophia Paupertatis." Langsam setzt sie sich wieder in Bewegung um ihm das Archiv zu zeigen.

"Interessanter Name, Sophia. Ich würde dir gerne zu gegebener Zeit helfen. Du kannst dich auf mich berufen."

"Das,... Das,... Das ist zu viel der Ehre." Völlig überrascht sieht Sophia Alben an.

"Das denke ich nicht. Mr. Nescio schätzt dich als sehr loyal, freundlich, intelligent und bedächtig ein und ich vertraue seinem Urteil. Außerdem glaube ich, dass du nie etwas tun würdest um die Herrscher Familie zu hintergehen. Das sind Qualitäten, die wichtig sind und gern gesehen werden. Außerdem, nur diejenigen, die es auch verdient haben, bekommen ein solches Angebot. Du kannst dir also ruhig etwas darauf einbilden. Wo gehen wir jetzt eigentlich hin?"

"Ähm,... Ähm, danke,... Ähm, ach ja, ich dachte ich zeige Euch, ähm dir, noch eben das Archiv und anschließend fangen wir an, die zurück gekommenen Bücher einzusortieren."

"In Ordnung."

"Da sind wir auch schon. Durch diese Tür müssen wir. Man braucht einen Schlüssel um hineinzukommen. Schließlich sollen nicht alle Besucher alle Dokumente sehen, die dort gelagert werden.", erklärt Sophia, nun wieder etwas gefasster, während sie die Tür aufschließt. "Habt Ihr, entschuldige, hast du bereits einen Schlüssel erhalten?"

"Es fällt dir wirklich schwer mich persönlich anzusprechen, was? Und natürlich, ich soll hier schließlich auch studieren."

"Ich verhalte mich nicht gerne meiner Schicht unentsprechend. Schon gar nicht dem Kronprinzen gegenüber. Da ist also das Archiv. Hier lagern die meisten älteren Bücher und Dokumente. Vieles ist den Besuchern in elektronischer Form zur Verfügung gestellt worden, einiges ist streng geheim." Albens Kopf schießt in die Höhe, nach Sophias Kommentar zu seinem Stand.

"Woher weißt du das?"

"Was?"

"Das ich der Kronprinz bin."

"Wie gesagt, ich habe viel gelesen."

"Aha, sag mal Sophia, weißt du ob hier irgendwo ein Stammbaum meiner Familie herumliegt?"

"Herumliegt hier gar nichts. Schließlich habe ich fast zwei Monate lang jeden Samstagvormittag und jeden Mittwochnachmittag damit zugebracht, hier eine Ordnung herein zu bringen." Sophias Stimme wird immer leiser.

Beschwichtigend hebt Alben die Hände, Sophia geht zielstrebig auf ein Regal zu. Dort sucht sie kurz und nimmt schließlich eine schwere Pergamentrolle heraus. Damit geht sie zu einem Tisch in der Mitte. Auf dem Tisch steht eine Leselampe welche sie einschaltet bevor Sophia die Pergamentrolle öffnet.

"Das hier ist natürlich nicht die Ausgabe von Eurer Familie, aber es ist auch eine schöne Ausgabe, finde ich."

"Das ist es."

"Wusstet Ihr, dass es nur zwei Professoren gibt, denen es erlaubt ist, Änderungen an diesen Rollen vorzunehmen?"

"Bis jetzt noch nicht.“ Alben legt eine kurze Pause ein, studiert den Stammbaum und beginnt wieder zu sprechen. „Kennst du die Geschichte meines Großcousins Patrice?"

"Nein. Ich weiß nur, dass niemand weiß wo er ist und dass eigentlich er der rechtmäßige König wäre. Verzeiht mir, dass sollte kein Angriff auf Euren Vater sein."

"Habe ich auch nicht so aufgefasst. Auf allen seinen Bildern sieht Patrice sehr stattlich aus. Schwarze Haare, graue Augen. Es heißt Patrice habe sich in eine Bürgerliche verliebt. Sein Vater hat mir erzählt, dass er sie sogar heiraten wollte. Als dies von seiner Mutter nicht geduldet wurde, ist er mit dieser Frau durchgebrannt. Als ihn einige Wachen nach fast 3 Monaten wiederfinden und ins Schloss zurückbringen wollten, hatten sie einen Unfall. Patrice starb. Es heißt seine letzten Worte gingen an seine persönliche Wache. Er soll ihn gebeten haben auf seine Tochter, Sophia Justice, aufzupassen." Bei diesen Worten sieht Alben Sophia in die Augen. "Es heißt Königin Terris war so erbost als sie davon hörte, dass sie nach dieser Frau fahnden ließ um sie, naja, unschädlich zu machen."

Was gerade in Sophia vorgeht, lässt sich schwer beschreiben. Sie zittert, in ihr fühlt sie eine Leere und Kälte wie sie sie noch nie gespürt hat. Gleichzeitig hat sie ein schreckliches Gefühl Terris gegenüber. Sie ist wütend, will schreien und sich gleichzeitig verkriechen und heulen.

"Hat die Königin sie gefunden?"

"Es heißt, vor zwölf Jahren, als die Königin bereits im Sterben lag, wurde ihr eine Nachricht überbracht und danach habe sie mit einem Lächeln die Augen geschlossen. Sophia, dein Nachname deutet darauf hin, dass du eine Waise bist. Wann ist deine Mutter gestorben?"

Jetzt ist es aus mit Sophias Beherrschung. Sie schlingt ihre Hände um ihren Körper und einzelne Tränen laufen ihr am Gesicht hinunter.

"Vor zwölf Jahren hatten meine Mutter und ich einen Autounfall. Sie,... Sie,...", Sophia hatte mit einer brüchigen Stimme begonnen, jedoch bricht diese endgültig ab, als sie ihren Satz beenden will.

Alben scheint dies zu bemerken, denn er nimmt Sophia kurzerhand in seine Arme. Beruhigend streicht er ihr über den Kopf während sie ihren Tränen freien Lauf lässt. Begleitet werden diese von Schluchzern, die nicht weniger zu werden scheinen. Sophia hat noch nie mit jemandem darüber geredet. Weder über ihre Familie noch über den Unfall. Sie hat noch nie in Gegenwart von irgendjemanden geweint. Und Alben kannte sie erst seit weniger als einer Stunde und trotzdem fühlte sie sich ihm näher als jedem anderen seit sie ihre Mutter verloren hatte.

„Jemand ist in ihr Auto hineingefahren. Es, … die Polizei hat vermutet, dass es kein Unfall war, aber konnten es nicht beweisen oder so. Die Ermittlungen wurden eingestellt.“

Als Sophia sich wieder etwas beruhigt hat, beginnt Alben wieder zu reden. "Es tut mir sehr leid. Hat deine Mutter jemals etwas über deinen Vater erzählt? Ich würde nicht so nach haken, wenn du Patrice nicht so ähnlich sehen und so heißen würdest, wie er seine Tochter genannt hat."

"Ja. Aber was genau willst du eigentlich andeuten?" Alben muss lächeln, es ist das erste Mal, dass Sophia ihn mit ‚du‘ anspricht und er auch das Gefühl hat, sie möchte es.

"Sophia, die Nachkommen von Patrice hätten bis zur dritten Generation das Recht Anspruch auf den Thron zu erheben."

"Ich,...Wir sollten langsam an die Arbeit gehen." Sophias Stimme ist wieder gefasst und klingt kalt, gefühllos.

Mit diesen Worten räumt Sophia den Stammbaum der Familie Princeps weg, schaltet die Leselampe aus und erklimmt wieder die Stufen um aus dem Archiv zu kommen.

Der restliche Vormittag verläuft still. Sophia scheint beschlossen zu haben, dass Alben das System der Bücherei auch durch das Zusehen begreifen kann.

Kapitel 2

 Seit Sophia Alben kennengelernt hat, sind knapp drei Wochen vergangen. Heute ist Mittwoch und Sophia ist auf dem Weg zur Bücherei. Die letzten Wochen hatte sie es vermieden, darüber nachzudenken, was Alben angedeutet hatte. Es konnte schließlich immer noch ein Zufall sein, dass sie wie Patrice Princeps aussieht und heißt wie er seine Tochter nennen wollte, oder? Heute Morgen, sah sie in ihrem Schrank das Buch ihres Vaters. Das Buch mit dem Wappen der königlichen Familie. Das Buch, dass ihr Erbe besiegelt.

Seufzend hatte Sophia das Buch in ihre Tasche gesteckt. Sie hat vor ihre Pause zwischen Schule und der Arbeit statt im Park lieber in der Bücherei zu verbringen. Dort würde sie ungestört lesen können. Sophia hat das Gefühl, dass es jetzt Zeit wird, das Buch zu lesen. All die Jahre davor, hatte sie Angst vor dem, was drinnen stehen würde.

Heute ist die Bücherei natürlich bereits offen. Sophia streicht nur im Vorbeigehen über das Wappen. Statt zur Verwaltungsinsel gerade auszugehen, wählt sie die Treppen zu ihrer Linken. Diese Treppe, genauso die auf der rechten Seite des Einganges, führen in den oberen Bereich. Hier gibt es gemütliche Sitzecken und Schreibtische an denen es sich gut studieren lässt. Sophia wählt eine Sitzecke im hinteren Bereich und schlägt das Tagebuch auf.

„Ich habe das Gefühl, dass ich mein Wissen und mein Erbe nicht auf die Art und Weise, wie es sich gehören würde von Vater zu Tochter, Dir , meiner geliebten Sophia Justice, weitergeben kann. Um dich, meine geliebte Tochter, trotzdem auf den rechten Weg lenken zu können und bestmöglich für dein Schicksal vorbereiten zu können, schriebe ich dir diesen Brief.

Meine Mutter, Terris, die siebte Königin von Omnispare, hatte schon seit ich deine Mutter kennenlernte etwas gegen sie. Sie hätte es lieber gesehen, wenn ich eine der hohen Töchter der Aristokraten zu meiner Braut gewählt hätte. Ich jedoch, habe mich für euch entschieden. Ich liebe dich und deine Mutter von ganzem Herzen und wünsche mir, dass du diese Zeilen nie lesen musst. Alles, die Krone und ihre Verpflichtungen, meine Verwandten und Freunde, würde ich dafür geben, nun bei dir sein zu können.

Sophia Justice, du bist die rechtmäßige Erbin des Thrones von Omnispare. Du bist die neunte Königin von Omnispare. Daran kann niemand etwas ändern, es sei denn du lässt dies zu. Und ich bitte dich von ganzem Herzen, mit all meiner Liebe für dich, deine Mutter und unser Volk: Nimm dein Erbe an!“

Sophia ist überrascht und erschrocken. Sie ist die Erbin des Thrones. Wollte sie dieses Erbe überhaupt? Was wenn sie einfach still und leise weiter leben würde, als wisse sie nichts davon? Das wäre doch für alle Beteiligten die eindeutig bessere Lösung, oder? Eines jedoch ist ihr bewusst: Die Hoffnung, dass Alben sich getäuscht hatte, ist gestorbenl

Seufzend und verwirrt über ihre eigenen Gedanken und Gefühle, sieht Sophia auf die Uhr, nur um hochzuschrecken und schnell nach unten zu hasten um sich bei Mr. Nescio anzumelden. Fünf Minuten zu spät! So etwas war ihr noch nie passiert!

„Guten Tag, Mr. Nescio. Bitte entschuldigen Sie mein Zuspätkommen.“

„Natürlich Sophia. Ich weiß schließlich, dass es bei dir nicht immer so ist. Du hast sicher einen guten Grund für dein Zuspätkommen.“ Sophia wird rot.

„Naja, ich habe die Zeit übersehen während ich gelesen habe.“

„So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht, ehrlich gesagt.“, der ältere Mann lächelt Sophia freundlich an.

„Soll ich wie immer die zurück gekommenen Bücher einsortieren?“

„Nein, heute nicht. Alben hat mich gebeten, dass du ihm bei seinem Studium zur Hand gehst. Er wartet im Archiv auf dich.“

„In Ordnung. Oh, Mr. Nescio?“

„Ja?“

„Hat Alben noch etwas gesagt?“

„Nein, bloß, dass es für ihn wirklich wichtig wäre.“

„Vielen Dank.“

Mit einem unguten Gefühl geht Sophia den Weg zum Archiv. Was Alben wohl von ihr will? Sie weiß, sie hat die letzten Wochen nicht wirklich viel mit ihm geredet, gerade das Nötigste, aber warum lässt er den Kronprinzen heraushängen? Sie hatte das Gefühl bekommen, dass er eigentlich gar nicht den Thron übernehmen möchte. Ist doch auch gut so. Ist schließlich ihr Erbe. Sophia wundert sich, wo dieser Gedanke hergekommen ist. Doch bevor sie dem auf den Grund gehen kann, steht sie schon mitten im Archiv, vor Alben.

„Ah, hallo Sophia! Es tut mir Leid, dich so, nun ja, nennen wir es überfallen, zu müssen, aber ich muss mit dir reden. Es ist wirklich wichtig.“

Sophia erwidert nichts. Sie sieht Alben an, keine Regung geht durch ihren Körper. Innerlich ist sie nicht so ruhig. Sophia hat Angst vor dem was kommen würde. Sie ist verwirrt, weil sie sich einerseits nichts sehnlicher wünscht, als den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen, andererseits will sie überhaupt nichts damit zu tun haben. So schwankt sie hin und her. Dazu kommen noch die anderen Sorgen. Die Schule, der verletzte Rabe, den Aladin gestern im Garten gefunden hat, die Erinnerungen an ihre Mutter und ihren schrecklichen Unfall.

„Darf ich dir eine Geschichte erzählen?

Auch auf diese Frage antwortet Sophia nicht.

„Es gibt eine Legende. Sie ist so alt, wie Omnispare. Es geht um ein Königreich in dem der Neid und die Eifersucht herrschen. Gemeinsam stürzen sie das Königreich in das Verderben. Das Volk leidet Hunger, die Weisen und Armen werden unterdrückt. Auch die Aristokraten haben nicht viel zu melden. Es herrschen schlechte Zustände. Mord und Diebstahl sind an der Tagesordnung.“

Ohne dass Sophia etwas davon merkt, laufen ihr die Tränen herunter.

„Zwei Junge Leute erkennen, dass Eifersucht und Neid nicht die rechtmäßigen Herrscher sind. Sie finden heraus, dass die Weisheit welche von Liebe durchzogen und von der Gerechtigkeit unterstützt wird, die rechtmäßige Erbin ist. Diese übernimmt den Thron und bereits nach kurzer Zeit bessern sich die Zustände. Durch diese Legende hat sich auch unser Familien Motto gebildet.“

„In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas. Im Nötigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem Liebe.“

Alben sieht Sophia an. Sie sieht auf den Boden. Er scheint nicht erwartet zu haben, dass sie den Spruch kennt.

„Warum versuchst du mich in diese Richtung zu bringen?“

„Sieh dich um. Im ganzen Land stöhnt das Volk wenn es den Namen eines der letzten Herrscher hört. Sie alle haben mit Neid und Eifersucht regiert. Ich werde nicht viel ändern können. Ich weiß nicht, wo ich welchen Schritt machen soll. Du aber, du bist im Volk aufgewachsen, du hast Freunde hier, du weißt wie die Leute hier denken und fühlen.“ Alben sieht Sophia eindringlich an, doch ihr Blick bleibt am Boden. „Sophia, weißt du, was dein Name bedeutet?“

„Weisheit und Gerechtigkeit.“

„Dein Vater wusste, warum er dir diesen Namen gegeben hat. Er hat seine ganze Hoffnung auf dich gesetzt.“

„Warum tust du das?“

„Ich, … ich schulde“, Alben wird von der sich öffnenden Tür unterbrochen.

Herein kommen zwei Männer. Der eine ist fast 45 Jahre alt, schwarz gekleidet und hat braune Haare. Der zweite wirkt wie 19 Jahre, ebenfalls schwarz gekleidet und hat schwarze Haare. Sophias Blick bleibt bei seinen Augen hängen: dunkelgrün. Zumindest, soweit sie es in diesem Licht erkennen kann.

„Prinz Alben“, der ältere begrüßt ihn mit einer Verbeugung, während der Jüngere scheinbar seinen Blick nicht von Sophia abwenden kann. Erst als der älter ihm seinen Ellbogen in die Seite treibt, verbeugt auch er sich.

„Vielen Dank, Clarus und Paciano, dass ihr hergekommen seid. Sophia, ich würde dir gerne die ehemalige Leibwache und seinen besten Freund deines Vaters vorstellen. Zurzeit ist er mit der Ausbildung für Paciano betraut.“

„Ihr seht Eurem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Es ist mir eine Ehre Euch kennenzulernen, Sophia Justice.“ Sophia bekommt von ihm ebenfalls eine Verbeugung.

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Jetzt mustert Sophia auch Clarus genauer. Er hat mindestens so beeindruckende Muskeln wie Paciano, wenn nicht sogar mehr. Sie erinnert sich wage daran, ihn bereits einmal gesehen zu haben. Damals. Als ihre Mutter noch lebte.

„Clarus, Sophia hat in den letzten Wochen einiges über sich erfahren beziehungsweise ist es ihr bewusst gemacht worden. Allerdings scheint sie Probleme damit haben dies auch anzunehmen. Mir kommt es vor als überfordere sie das alles etwas. Du kanntest ihren Vater ganz gut, ich hatte gehofft, du könntest ihr etwas helfen.“

„Mit Verlaub, Alben, dies ist nicht Euer einziger Grund, nicht wahr?“

„Ich gebe zu, ich bin etwas beunruhigt angesichts der letzten, ähm, Nachrichten.“

„Was für Nachrichten?“

„Macht Euch keine Sorgen, Mylady. Wir werden auf Euch aufpassen. Es wird Euch nichts geschehen.“

Sophia wendet ihren Blick wieder auf Paciano. Es ist das erste Mal, dass sie ihn sprechen hört. Und sie weiß bereits jetzt: Dieser Stimme würde sie überall hin folgen. Trotz der Sorge, der Verwirrung und der Unruhe, die immer noch in ihrem Inneren herrscht, schlüpft ein Lächeln auf ihr Gesicht. Auch Paciano lächelt. Ihm kommt die Erkenntnis, dass er alles tun würde, um dieses Lächeln noch wenigstens einmal zu sehen.

Clarus scheint zu bemerken, dass sich Sophia und Paciano so gut verstehen. Im Gegensatz zu Alben ist er allerdings gar nicht begeistert. Vor ihnen steht schließlich nicht irgendein Mädchen. Es ist die Zukunft von Omnispare. Es ist die künftige Königin. Es ist die Tochter seines toten, besten Freundes, der ihn gebeten hatte, sie zu beschützen. Und Clarus hatte es geschworen. „Mit Verlaub, wo wohnt Ihr zurzeit Sophia Justice?“

Außer ihrer Mutter gibt oder gab es niemanden, der sie mit beide Namen anspricht. Jedes Mal, wenn dies jemand tut, fühlt sie sich in der Zeit zurückversetzt und neuerdings kommt auch noch Patrice dazu. Schnell schüttelt Sophia den Kopf, um die unangenehmen Gedanken zu verdrängen. „Ich, ähm, ich bin in einem der Waisenhäuser untergebracht.“

„Wenn Ihr nichts dagegen habt Sophia Justice, und auch Ihr keine Einwände habt, Alben, würde ich Sophia Justice fürs erste in eine Wohnung bringen, wo Paciano und ich auf Euch aufpassen können. Paciano würde ich außerdem auf Eurer Schule anmelden, so seid Ihr rund um die Uhr in Sicherheit. Natürlich ist das nur eine Übergangslösung, bis die Thronübernahme offiziell von statten gehen kann.“

„Ich halte das für eine gute Idee. Was meinst du, Sophia?“

Sophia holt ganz im Gedanken, das Tagebuch ihres Vaters aus ihrer Tasche, streicht über den Einband, murmelt so leise, dass es niemand versteht „In nescesariis unitas, in dubiis liberitas, in omnibus veritas“ und sieht Alben an. „Nur mal angenommen, ich würde mein Erbe tatsächlich annehmen. Was für Konsequenzen hätte das?“

„Das ist schwer vorherzusehen. Ich nehme an, mein Vater wäre nicht sehr begeistert, dass braucht uns allerdings nicht weiter stören. Mehr Sorgen mache ich mir wegen der Aristokraten und dem Generalstab.“

„Sophia Justice ist die rechtmäßige Erbin. Dies haben sie anzuerkennen und nichts dagegen zu sprechen. Ansonsten würden sie sich strafbar machen auf Grund Beleidigung der Krone, vielleicht sogar Ketzerei gegen die Krone.“

„Des Weiteren würdest du natürlich ins Schloss ziehen, die Regierungsgeschäfte übernehmen, das Familienvermögen, und damit meine ich den gesamten Besitz – von dem silbernen Löffel über Schmuck und Gemälde bis hin zu Ländereien, erben, und deinen rechtmäßigen Nachnamen annehmen.“

„Was wäre mit der Schule, meinen Freunden?“

„Das Thema Schule ist das geringste Problem. Du könntest, natürlich mit Wachschutz, auf deiner Schule bleiben oder nimmst Privatunterricht.“ Alben scheint sich ziemlich sicher zu sein, dass Sophia sich für die Krone entscheidet.

„Die Freunde sind bereits ein schwierigeres Thema. Aber auch hier wird sich eine Lösung finden lassen. Sie können Euch besuchen kommen.“

„Oder Ihr geht sie besuchen.“, wirft nun auch Paciano ein. Dafür erntet er einen strengen Blick von seinem Mentor.

„Natürlich, wäre dies auch eine Möglichkeit.“

Sophia schweigt ein wenig. In ihrem Kopf geht sie alles noch einmal durch. Aber egal wie sie es wendet: Es bleibt dabei, diese Entscheidung wirft ihr ganzes, sorgsam geordnetes Leben um. „Das sind schwerwiegende Änderungen. Es würde alles ändern.“

„Nicht alles, Sophia. Du bleibst du.“, wirft Alben sanft ein.

„Ich, … könnte ich eine Nacht oder zwei darüber schlafen?“

Alle Blicke legen sich auf Alben. „Grundsätzlich natürlich. Aber diese Nachrichten.“ Er sieht Clarus an. „Was, wenn sie bereits von Sophia wissen? Wenn sie…“ Alben will sich diesen Gedanken scheinbar nicht einmal ausmalen. Er schüttelt seinen Kopf.

„Paciano und ich können nicht im Waisenhaus auf Euch aufpassen, Sophia Justice. Und es ist wirklich wichtig Ihre Sicherheit zu gewährleisten.“

„Das verstehe ich natürlich. Aber bitte versuchen Sie auch mich zu versehen. Ich weiß noch nicht, ob ich das wirklich will. Ob ich das wirklich bin.“

„Wie wäre es damit Sophia: Du bist noch bis acht Uhr hier. Du überlegst bis halb acht. Wenn du bis dahin noch keine Entscheidung hast, gehen Clarus und Paciano mit dir in ein Hotel über die Nacht. Können alle damit leben?“ Clarus nickt, Paciano hat sowieso nichts mitzureden in dieser Entscheidung. Nur Sophia regt sich nicht. Sie denkt darüber nach.

„Nein. Ich werde mich bis halb acht entscheiden. Denkst du, ich kann in der zwischen Zeit hierbleiben Alben?“

„Sicher. Ich bleibe auch hier unten und ich habe Mr. Nescio ja gesagt, du hilfst mir beim Studieren.“

„Danke.“ Sophia geht etwas weiter nach hinten, setzt sich in einen der Sessel die dort noch stehen, legt ihre Tasche daneben ab und öffnet das Buch ihres Vaters, dass immer noch in ihrer Hand liegt.

Clarus gibt Paciano mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass er sich zu Sophia setzen soll, auch wenn es ihm nicht gefällt ihn in ihrer Nähe zu wissen. Schließlich wendet er selbst sich Alben zu. „Was, wenn sie es nicht will?“

„Die Rebellen werden keinen Unterschied machen. Sie wollen die Krone vernichten, egal ob sie ihr Erbe annimmt oder nicht. Sie wissen schließlich nicht, dass sie anders herrschen wird wie alle vor ihr.“

„Aber wir wissen auch nicht ob es Omnispare zum Guten sein wird.“

„Hab etwas vertrauen Clarus. Sie wird es schaffen. Sie wird Omnispare wieder in goldene Zeiten führen.“

„Sie ist doch gerade einmal 17 Jahre. Denkst du wirklich, dass sie bereits reif genug dafür ist?“

„Ich hoffe es.“ Damit verstummt die geflüsterte Unterhaltung der beiden. Clarus nimmt seinen Platz an der Tür ein, von wo er den gesamten Raum gut ihm Blick hat und Alben bemüht sich sein Studium der Geschichte von Omnispare fortzuführen.

„Viel gibt es zu sagen und doch ist die Zeit begrenzt, geliebte Tochter. Dass Wichtigste, das du wissen musst um Omnispare gut und weise zu regieren, ist dass du du selbst bleiben musst. Bleib dir selbst treu!

Viele werden versuchen dich zu beeinflussen und in eine Richtung zu drängen, die du vielleicht nicht willst. Vergiss nicht, was du in deinen ersten Lebensjahren gelernt hast. Vergiss nicht, wer deine Freunde sind. Vergiss nicht wer du bist. Wenn du all das behältst, wird es dir gelingen.

Ich kann dir auf diese Weise nur einen Bruchteil dessen beibringen, was du wissen musst. Ich bitte dich inständig, meine Sophia Justice, wende dich an einen vertrauenswürdigen Verwandten, der dir helfen kann.

Bevor ich mich entschlossen habe, mit deiner Mutter gemeinsam für eine Weile unterzutauchen, hatte ich einen Großcousin, der ein paar Jahre älter als du sein müsste. Sein Name ist Alben Celsus. Ich weiß nicht, ob er jetzt, wie viele Jahre auch vergangen sein mögen, immer noch der Selbe ist. Zurzeit jedoch, ist er der einzige unter allen, der noch vernünftig denkt. Sei vorsichtig, versuche zu erfahren ob du ihm vertrauen kannst und bitte ihn um Hilfe!“

Während des Lesens ist Sophia eingeschlafen. Paciano hat ihr das Buch sanft aus den Händen genommen, sie mit seiner Jacke zugedeckt und ihren Kopf auf der ihren gebettet. Er ist besorgt um sie. Bereits bei dem Gespräch zwischen Prinz Alben, Clarus und ihr war ihm einiges aufgefallen. Jedes Mal, wenn Clarus sie mit ihrem vollen Namen angesprochen hatte, schien sie zusammenzuzucken, als hätte sie schlechte Erinnerungen daran. Und dann auch noch das Buch mit dem Wappen der königlichen Familie am Einband. Natürlich ist ihm bewusst, dass sie die nächste Königin sein würde und somit auch Teil der königlichen Familie ist. Aber sie scheint dies nicht sonderlich zu wollen. Wollten nicht alle Mädchen Prinzessin sein? Und jetzt ist sie auch noch eingeschlafen. Sie scheint das wirklich zu beschäftigen. Nein, sie ist bestimmt nicht wie alle anderen Mädchen. Alleine ihre Haut. So eine helle hat er noch nie gesehen. Und ihre Augen erst. Dieses Grau. So faszinierend durchzogen mit helleren und dunkleren Strichen. Und diese wunderschönen Haare. So seidig und glänzend. Er muss das Verlangen ihr über ihre perfekten Wangen zu streichen unterdrücken. Schließlich ist ihm sehr wohl bewusst, dass Clarus ihn genauestens beobachtet. Sein Mentor hatte bereits auf dem Weg hierher klar gemacht, dass er ihrem Vater versprochen hatte, auf sie aufzupassen und dass für ihn dazu auch gehörte sie vor jungen Männern zu beschütze, die es nicht ernst mit ihr meinten. Er hat also die Finger von ihr zu lassen. Warum schickt er dann ausgerechnet ihn um direkt neben ihr auf sie aufzupassen, wo im ihr wunderbarer Duft die Sinne vernebelt? Eine Mischung aus Wald und Vanille. Und noch irgendetwas. Wenn er ihren Duft beschreiben müsste, würde er sagen, irgendwie ein verzauberter Wald. Plötzlich schlägt Sophia die Augen auf.

Zuerst zuckt Sophia zurück. Grüne Augen. Wie ein Wald. Wunderschön. Moment, was? Sie schiebt diese Gedanken darauf, dass sie gerade erst aufgewacht ist und noch nicht wieder klar denken kann. Denken. „Wie spät ist es?“, fragt sie ganz erschrocken.

„18 Uhr, Mylady.“

„Wie lange habe ich geschlafen?“

„Ungefähr eineinhalb Stunden.“

„In Ordnung. Ist das Ihre Jacke Paciano?“ Auf ihr Gesicht schleicht sich ein leichter roter Schimmer zu ihrem Lächeln.

„Ja.“ Es gefällt Paciano wie sie seinen Namen ausspricht. Wie das wohl bei seinem Spitznamen klingen würde? Und die roten Backen stehen ihr echt gut. Vor allem gemeinsam mit dem Lächeln für das er morden würde.

„Vielen Dank.“ Sophia atmet noch einmal bewusst seinen Duft ein, eine verwegene Mischung. Das ist das erste was ihr dazu einfällt. Dann gibt sie sie ihm zurück.

Paciano nimmt seine Jacke entgegen ohne ihre Augen aus dem Blick zu lassen.

Sophia lächelt kurz breiter, dann bricht sie den Augenkontakt ab, zieht ihre Jacke an, steht auf, nimmt ihr Buch und geht zu Alben hinüber.

„Ich habe mich entschieden.“

Kapitel 3

 Alben sieht hoch. Er wirkt überrascht. Ob er noch nicht so früh mit einer Entscheidung von Sophia gerechnet hatte?

„Mein Vater, er hat mir ein Buch geschrieben.“ Sophia zeigt das Buch und spricht weiter. „Er wollte unbedingt, dass ich etwas ändere. Es war sein letzter Wunsch. Ich wünschte mir in der Vergangenheit so oft und tue es auch jetzt noch, dass mein Vater hier bei mir wäre. Aber er wird es nie. Ich kann ihm allerdings näher kommen, wenn ich seinem Wunsch entspreche. Ich werde die nächste Königin von Omnispare werden.“

Alben, Clarus und Paciano sehen Sophia an. Allen steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Schließlich öffnet Clarus seinen Mund um zu sprechen: „Dieses Buch, er hat mich gebeten ihm ein solches zu besorgen. Es gilt als Erbschaftsnachweis. Sein Name und Eurer, Hoheit, ist darin eingraviert. Dadurch sind sie zumindest verpflichtet Eure DNA zu überprüfen. Er hat dadurch dafür gesorgt, dass niemand Euch anzweifeln kann.“

Alben geht auf Sophia zu und schließt sie in seine Arme. Sie überfordert diese Geste kurz, erwidert sie allerdings nach kurzer Zeit. Als Alben sie wieder los lässt, steht ihm die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Das war nicht die letzte Entscheidung die du heute treffen solltest, Sophia.“

„Was meinst du damit?“

„Es gibt zwei Möglichkeiten: Du schiebst es noch etwas auf oder du konfrontierst unsere Familie sofort mit deiner Entscheidung.“

Sophia scheint erst einen Moment zu brauchen um darüber nachzudenken. „Was denkst du, ist die bessere Entscheidung?“

„Ich weiß es nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass du gerne noch ein/zwei Tage hättest um dich darauf vorzubereiten, allerdings ist es auch nicht gut zu lange damit zu warten.“

„Was meinen Sie Clarus?“

„Bei allem Respekt Hoheit! Ich bin für Ihre Sicherheit verantwortlich, nicht dafür, dass Ihr die richtigen Entscheidungen trefft!“

Sophia lächelt und überlegt dann noch einmal kurz. „Und Sie Paciano? Was meinen Sie?“

„Angesichts dessen, dass Ihr bereits vorher geschlafen habt und dass Ihr heute bereits einiges hinter Euch habt, glaube ich, dass es Euch ganz gut tun würde vorher noch einmal zu schlafen.“ Paciano ignoriert den scharfen Blick, den ihm Clarus zuwirft.

„Endlich einmal jemand, der klar seine Meinung sagt.“ Sophia lächelt Paciano zu. Dieser wird rot, kann aber nicht anders als zurückzulächeln. „Ich denke auch, dass mir Schlaf ganz gut tun würde. Ich habe morgen um vier Uhr aus. Geht es sich dann noch aus?“

„Auf jeden Fall. Ich werde ankündigen, eine Freundin zum Tee eingeladen zu haben und darum bitten, dass sich alle versammeln mögen.“

„Danke, Alben. Wie geht es dann heute noch weiter?“

„Wie Alben vorgeschlagen hat, werden wir die Nacht in einem Hotel verbringen. Ich war so frei, bereits eine Suite zu reservieren. Das einzige Problem wäre demnach für heute noch, wie Ihr Eure Sachen aus dem Heim holen wollt, ohne dass Euch unangenehme Fragen gestellt werden. Und, Mylady, ich denke nicht, dass ihr morgen in die Schule gehen solltet.“

„Das ist eine gute Frage“, seufzt Sophia. „Ich könnte sagen, eine Freundin habe mich gebeten, heute Nacht bei ihr zu schlafen, weil sie Liebeskummer hat.“

Die Männer fangen fast gleichzeitig zu lachen an. Sophia sieht sie verstört an. „Was denn ?“

„So etwas kann nur einer Frau einfallen“, bringt Alben zwischen einigen Lachern hervor.

„Wenigstens fällt mir etwas ein.“ Auch Sophia muss anfangen zu lachen. Wenn alle Lachen, ist es einfach zu ansteckend.

Nachdem sich alle etwas beruhigt haben, sieht Alben auf die Uhr. Gerade einmal halb sieben. „Noch eineinhalb Stunden bevor wir dich hier heraus bekommen. Was willst du in der Zwischenzeit machen?“

„Wie wäre es, wenn du mir erzählst, wie mein Vater war, Alben?“

„I – Ich?“

„Ja, du. Mein Vater scheint eine sehr hohe Meinung von dir gehabt zu haben.“

„Ach ja?“ Erst jetzt fällt Sophia auf, dass er ganz blass geworden ist.

„Alles in Ordnung? Es tut mir Leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin.“

„Ich, naja, also, das ist bereits lange her und ich war auch noch sehr jung. Ich denke nicht, dass ich dir viel über deinen Vater sagen könnte. Clarus ist dazu bestimmt eher in der Lage.“

„In Ordnung. Wie wäre es, wenn du mir stattdessen endlich sagst, warum du unbedingt willst, dass ich die Herrschaft übernehme. Und das noch dazu so schnell wie möglich.“

„Ich denke nicht, dass die Antwort darauf für alle Ohren gedacht ist, Sophia.“

„Lässt du jetzt den älteren Großcousin oder den Prinzen heraushängen, Alben? Ich habe es so satt, dass mich alle ständig zu Entscheidungen drängen wollen, ohne, dass ich die Hintergründe kenne. Ich habe es so satt, dass ständig alle anderen meine Entscheidungen treffen wollen. Ich habe es so satt, dass ich ständig in Richtungen gedrängt werde die mir Angst machen und dass alle einen Dreck auf meine Gefühle geben. Wenn du mir deine Gründe nicht jetzt sagen willst, dann sag es mir auch so, schieb nicht die Schuld auf andere.“

Alle sind wie erstarrt. Sophia ist wütend. Und dass zeigt sie ohne ihre Stimme zu erheben. Im Gegenteil. Sie wurde immer leiser, immer kälter, immer schneidender.

Lange hält Sophia nicht den Blickkontakt mit Alben. Sie wendet sich ab, geht wieder zu ihrem Stuhl, nimmt sich ihre Jacke und verkündet sie gehe sich mal eben die Nase pudern.

„Einen Moment, Hoheit, ich werde Euch auf Eurem Weg begleiten.“

„Wollen Sie vielleicht noch zusehen, Clarus? Ich denke, ich bin schon groß genug um den Weg zur Toilette selbst zu finden und mich am Rückweg nicht zu verirren.“

„Bei allem Respekt, Hoheit, es gibt Umstände, …“

„Von denen mir ebenfalls niemand etwas sagt. Ich bin noch keine gekrönte Prinzessin, ich behalte mir meine Freiheit so lange wie möglich und gehe alleine.“ Sophias Ton macht klar, dass sie keinen Widerspruch duldet.

Kaum das Sophia den Raum verlassen hat, beginnt Alben zu sprechen.

„Die dramatischen Abgänge hat sie bereits drauf.“

„Sie hat durchaus Recht. Sie hat ein Anrecht darauf, deine Gründe zu wissen.“

„Ich weiß. Ich würde trotzdem lieber darauf verzichten es ihr zu sagen.“

„Es gibt immer Dinge die wir lieber tun würden, auch wenn wir wissen dass das Gegenteil davon klüger ist. Von Vorteil ist es, immer genau abzuwägen ob der eigene Vorteil überwiegt oder nicht eher doch der Vorteil für beziehungsweise mit anderen. Ist es besser sie vor den Kopf zu stoßen oder über den eigenen Schatten zu springen?“

„Das schlimme ist, ich weiß ich sollte mit ihr reden. Und trotzdem, ich habe Angst, sie dadurch noch mehr vor den Kopf zu stoßen, als ich es dadurch mache, dass ich nicht mit ihr rede.“

„Es steht mir nicht zu darüber zu urteilen, aber ich glaube nicht, dass deine Gründe, was auch immer deine Gründe sind, mehr Schaden anrichten können.“

„Wenn du nur wüsstest.“

Paciano bemüht sich, der Unterhaltung der Männer nicht zu folgen. Trotzdem schnappt er mehr auf, als gut ist für ihn. Seine Gedanken bleiben jedoch nicht lange bei der Unterhaltung. Bald werden sie durch Gedanken an Sophia abgelenkt. Wer sie wohl so verletzt hat, dass sie jetzt so reagiert wie sie es tut? Er spürt die Wut in sich aufkommen und den Wunsch, einem jeden der sie je verletzt oder hintergangen oder angefeindet hat, es heimzuzahlen. Sie sollen es bereuen, dass sie seiner Sophia etwas angetan haben. Moment, seine Sophia? Wie kommt er bloß auf solche Gedanken. Sie ist eine Prinzessin und die wird sich niemals in einen einfachen Wächter verlieben um den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen. In einer kleinen Hütte auf einem Berg leben und ein paar Kinder haben. Was? Zurückspulen! Was ist nur los mit ihm? Hat es ihm die kleine, zarte, süße, zerbrechliche Prinzessin Sophia so angetan? Sie ist doch nicht einmal so zerbrechlich. Und bestimmt hätte sie etwas gegen seine Schwärmerei für sie.

„PACIANO!“

Der angesprochene reist aus seinen Gedanken hoch. „Ja?“

„Na endlich. Wo warst du nur mit deinen Gedanken? Wir sollten Prinzessin Sophia suchen gehen. Sie ist jetzt schon über eine halbe Stunde weg.“

Gesagt, getan. Die drei Männer gehen den Weg nach oben und bevor sie sich auf zu den Toiletten machen, kurz bei Mr. Nescio vorbei, um sich zu erkunden ob er Sophia gesehen habe. Mr. Nescio hatte sie vorher auf den Weg zu den Toiletten gesehen, seither allerdings nicht. Also weiter zu den Toiletten. Dort angekommen, stehen sie vor einem Problem: Sie können schlecht in die Frauen Toiletten Räume gehen.

Nachdem Alben, Clarus und Paciano einige Zeit gewartet haben, kommt eine ältere Dame. Paciano schaltet schnell. Kurz bevor sie durch die Tür tritt spricht er sie an. „Entschuldigen Sie, Madame. Unsere Schwester und wir haben gerade erfahren, dass unsere Mutter gestorben ist. Sie ist weinend in die Toilette geflüchtet. Wir machen uns langsam wirklich Sorgen. Könnten Sie vielleicht kurz nachsehen, ob sie in Ordnung ist?“

„Aber natürlich, mein Junge. Es tut mir sehr leid, wegen eurer Mutter.“

„Danke.“

Nach anfänglichen Schock, bemühen sich auch Alben und Clarus ihre Mimik und Gesten Pacianos Geschichte anzupassen.

„Eines noch, mein Junge. Wie sieht deine Schwester denn aus?“

„Sie hat lange, schwarze Haare, eher blasse Haut, graue Augen und trägt heute eine schwarze Jeans, ein weißes Top mit einer grauen Schleife darauf und vielleicht hat sie auch ihre schwarze Lederjacke an. Ihr Name ist Sophia.“

Die Dame nickt, dabei verrückt ihr etwas eigenwilliger Hut, und tritt durch die Tür.

„Das war eine sehr gute Idee Paciano.“

„Vielen Dank, Hoheit.“

Nach einigen Minuten des stillen Wartens, kommt die Dame wieder heraus.

„Sophia ist noch etwas aufgelöst. Ich denke es wäre gut, auch wenn es nicht den Sitten entspricht, wenn du nach ihr sehen würdest, mein Junge. Keine Sorge, sie ist die Einzige die drinnen ist und ich werde hier darauf achten, dass dich niemand herausstaubt.“

Mit gemischten Gefühlen nickt Paciano, wirft Clarus noch einen verunsicherten Blick zu und tritt durch die Tür, durch die noch nie ein entdecktes männliches Wesen wieder heil heraus gekommen ist.

Pacianos Blick schweift durch den Raum. Auf seiner rechten Seite stehen fünf Waschbecken an einer Spiegelwand. Links sind fünf Türen zu den Toiletten. An der Wand ihm gegenüber hockt Sophia am Boden. Sofort lenkt er seine Schritte in ihre Richtung. Sophia sieht nicht einmal auf. Leise spricht er beruhigende Worte vor sich hin, um sich bemerkbar zu machen. Vor ihr angekommen, geht er in die Hocke.

Sophia hat ihren Kopf in ihren Händen vergraben und schluchzt leise. Paciano, leicht verzweifelt, legt ihr eine Hand auf den Kopf und streicht beruhigend darüber. Er setzt sich auf den Boden, zu ihrer Rechten, legt seine Hand um sie, streicht weiter über ihren Kopf. Sophia lehnt sich an ihn. Langsam werden ihre Schluchzer weniger und hören schließlich ganz auf.

„Danke, dass Sie hier sind, Paciano.“

„Nichts zu danken, Mylady.“

„Wissen Sie, es tut wirklich weh. Ich habe langsam das Gefühl, dass Alben mich nur dazu drängen will den Thron zu übernehmen, egal wie es mir dabei geht und mir gleichzeitig aber nicht vertrauen will. Es ist auch irgendwie eigenartig, wie hat er mich gefunden? Warum hat er mir so schnell davon erzählt? Und die Frage die ich mir jetzt schon eine Weile stelle: Warum bin ich überhaupt darauf eingegangen?“

„Mylady, ich kann Euch keine Antwort auf Eure Fragen geben. Und es steht mir auch nicht zu darüber zu urteilen. Aber ich denke, Prinz Alben hat seine Gründe und es ist ihm sicher ebenfalls sehr unangenehm mit Euch darüber zu sprechen. Ich kann Euch nur den Vorschlag machen, Prinz Alben und auch uns einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Ich verspreche Euch Mylady, solange ich lebe, werde ich auf Euch Acht geben, komme was wolle. Ich werde Euch beschützen, sollte es mir auch das Leben kosten!“

„Ich bitte Sie Paciano! Sprechen Sie nicht von Tod. Nicht jetzt.“ Sophia blickt Paciano direkt in die Augen. Das erste Mal, seit sie hier miteinander sitzen.

Beide verlieren sich in den Augen des anderen. Paciano hebt seine Hand etwas, streicht Sophia über die Wange, streicht die letzten übrig gebliebenen Tränen von ihrem schönen Gesicht. Sophia neigt den Kopf um sich in seine Hand zu schmiegen. Weder Paciano, noch Sophia bricht den Blickkontakt ab. Und dann – ein Räuspern.

„Verzeiht mir, Sophia Justice, aber Prinz Alben und ich würden es sehr begrüßen, wenn wir uns kurz mit Euch unterhalten könnten. Bestenfalls nicht in den Toilettenräumen.“

„Natürlich“, seufzt Sophia und setzt ihren Satz in ihren Gedanken weiter: ‚Natürlich stören alle in den schönsten Momenten.‘ Laut spricht sie weiter: „Wir kommen in einer Minute nach.“

Clarus nickt, wirft Paciano noch einen bösen Blick zu und geht wieder hinaus. Dort bekommt er einen etwas verwunderten Blick von Alben zu geworfen worauf er nur erwidert: „Keine Sorge, ich kümmere mich darum.“ Danach herrscht Stille.

Währenddessen wendet sich Sophia wieder Paciano zu. Sie legt ihm eine Hand auf die Brust und gibt ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. „Danke, dass Sie mir zugehört haben, Paciano.“

„Jederzeit, Mylady, jederzeit.“

Noch ein kurzes, gegenseitiges Lächeln, und schon erhebt sich Paciano, reicht Sophia eine helfende Hand und geht voran um ihr die Tür zu öffnen. Paciano greift nach der Türklinke, sich dessen bewusst, dass Sophia direkt neben ihm steht und nur darauf wartet, dass er die Tür öffnet. Plötzlich kommt ihm ein guter Gedanke. Ohne groß zu überlegen und die möglichen Folgen abzuklären, dreht er sich zu Sophia um, nimmt ihr Gesicht in seine Hände und legt sanft seine Lippen auf die ihren.

Sophia weiß nicht wie ihr geschieht. Sie legt ihre Hände auf seine Brust und erwidert den Kuss. Ihren ersten Kuss.

Sanft beendet Paciano den Kuss. Entzückt sieht er auf ihre noch geschlossenen Augen, deren Lieder leicht zuckten, auf ihren wunderbaren Mund, wo zu erkennen ist, dass ihre Atmung schneller geht. Als Paciano wieder zu ihren Augen aufsieht, sind sie wieder geöffnet. Statt Ablehnung, Angst oder gar Ekel sieht er Freude. Das überrascht ihn ein wenig.

Sophia ist verwirrt. Warum hat er das gemacht? Gleichzeitig springt ihr Herz mit Freudensprüngen und sie hat Angst vor dem was nun folgt. Als sich ihr Puls wieder etwas beruhigt hat, flüstert sie. „Wir sollten raus gehen, bevor Alben oder Clarus beschließen nachschauen zu kommen.“

Paciano grinst Sophia schief an und beugt sich zu ihrem Ohr um ebenfalls zu flüstern: „Bin ich dir denn peinlich, Mylady?“ Zufrieden sieht er auf Sophia hinunter, die wieder die Augen geschlossen hat und auch wieder schneller atmet.

„Sei mir bitte nicht böse, Paciano, aber im Moment ist so viel passiert, ich brauche erst mal etwas Zeit, um“

Paciano unterbricht sie: „Hey, ganz ruhig, kein Druck. Du sagst was, wann passiert. Lass dir Zeit. Aber du hast recht, wir sollten gehen.“

Sophia nickt, sieht ihm noch einmal tief in die Augen und macht den ersten Schritt aus der Seifenblase hinaus. Paciano haltet ihr die Tür auf. Ein kalter Zug fährt durch und heißt die beiden in der realen Welt willkommen.

Clarus sieht nicht einmal auf, während Alben verwirrt aussieht. Jedoch fängt er sich schnell wieder. „Sophia, wir sollten gehen. Clarus hat ja bereits ein Zimmer reserviert, ich werde auch bei euch bleiben. Mit Mr. Nescio habe ich bereits geredet, wir können sofort los.“

Sophia nickt, sie traut ihrer Stimme noch nicht wirklich und hat Angst, dass Alben wirklich etwas merken könnte.

Kapitel 4

 Sophia steht der Mund offen. In solchen Gebäuden war sie noch nie erwünscht gewesen. Diese alten Gebäude waren in ihrem Prunk von den Königen und Adeligen vor ungefähr hundert bis zweihundert Jahren, zur Hochzeit des Königreichs Omnispare gebaut worden. Reich verziert, mit vielen Säulen, hellen Farben, einiges an Gold und auch hin und wieder dunkel Rote Facetten. Noch heute werden diese Gebäude hoch geachtet und Personen der unteren Schicht, wie zum Beispiel Waise wie Sophia, waren nicht gern erwünscht. Im Gegenteil: Sie wurden immer hinausgeworfen. Dementsprechend begeistert ist Sophia auch, als sie in der großen Vorhalle steht.

Die Wände sind in einem hellen Creme-Ton gehalten, die Vorhänge in einem dunklen Rot. Selbst die Rosen, die in der Mitte der Halle auf einer halben Säule stehen haben die perfekte Farbe: Sie sind genau auf die Wand abgestimmt.

Sophia steht in der Mitte und sieht sich genau um. Während sie sich genau umsieht, bemerkt sie nicht, dass Alben, Clarus und Paciano bereits vorgegangen sind. Begeistert dreht sich Sophia immer wieder herum. Und bemerkt nicht, dass ein Security-Mann auf sie zukommt.

Währenddessen sind die drei Herrn bereits bei der Rezeption angekommen. Alben redet mit der Rezeptionistin und Clarus und Paciano sehen sich wachsam um. Paciano bemerkt, dass einer der Security-Männer auf Sophia zu geht und macht Clarus darauf aufmerksam. Dieser gibt ihm noch die Anweisung bei Alben zu bleiben und macht sich eilig auf den Weg zu Sophia, beständig darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Sophia betrachtet gerade eine Rosenblüte. Sie liebt Rosen und diese gefällt ihr besonders. Sie ist eigentlich Cremefarben, hat aber einen roten Rand. Vermutlich ist sie durchgerutscht. Keine der anderen hat einen roten Rand. Plötzlich spürt Sophia eine Hand auf ihrer Schulter und fährt herum. Sie hat gar nicht die Möglichkeit, einen Laut von sich zu geben, denn Clarus ruft „Los lassen!“

Clarus läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Pfeif auf Aufmerksamkeit, es geht darum, Sophia zu beschützen! Kaum ist er nah genug, dass der Mann ihn versteht, ohne dass die ganze Halle, deren Augen alle auf ihnen liegt, es mitbekommt, nützt er diese Möglichkeit. „Los lassen! Diese junge Dame steht unter dem Schutz von Prinz Alben. Sollten Sie dieser Anordnung nicht folgen, so verschulden Sie sich des Verrats an der Krone. Und was die junge Dame betrifft, ich bin sicher es versteht sich von selbst, dass Sie nichts von dem, was Sie über sie wissen an die Öffentlichkeit preisgeben werden, nicht wahr?“

Jetzt läuft Sophia ein Schauer über den Rücken. Ihr war stets bewusst, dass Clarus gefährlich ist. Ihn jetzt aber hautnah so zu erleben, bereitet ihr Angst.

Alben kommt nun auch dazu, nach erfolgreichem Check in. Ihm folgt, so wie es ihm Clarus aufgetragen hatte, Paciano.

Der Security-Mann nimmt seine Hand von Sophia als hätte er sich verbrannt, deutet eine Verbeugung an und geht hastig in die Richtung zurück aus der er gekommen ist.

Clarus sieht Alben kurz an, dieser nickt und hält den Schlüssel hoch. Daraufhin nimmt Clarus Sophia an die Hand und zieht sie elegant zum Aufzug. Sein einziger Gedanke: ‚Raus aus der Öffentlichkeit‘.

Im Zimmer angekommen, steht Sophia wieder der Mund offen. Sie hätte niemals erwartet, dass das „Zimmer“ so riesig ist! Es ist eine richtige Suite! Alben reißt sie aus der Starre.

„Was ist eigentlich passiert?“

„Ich sehe eben nach untere Schicht aus, die ist hier nicht erwünscht ist.“

„Ach was! Dieser Mann hatte einen Schaden. Paciano, wir müssen reden.“ Clarus Ton lässt keine Wiederrede zu und geht vor durch eine Tür.

Paciano geht an Sophia vorbei, verbeugt sich kurz mit einem schiefen Lächeln vor ihr und überreicht ihr die Rose, die sich Sophia vorhin angesehen hat. Das bringt auch sie zum Lächeln. Außerdem steigt auf ihre Wangen eine leichte Röte. Daraufhin verschwindet auch Paciano durch die Tür.

"Sophia, ... Ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Paciano, naja, er ist... "

"Ganz ruhig, Alben. Zwischen ihm und mir ist nichts."

Alben deutet auf die Rose in ihrer Hand. "Nichts also? Ich mache mir einfach Sorgen. Er ist ein ziemlicher Frauenheld und"

Sophia unterbricht ihn. "Weißt du, Alben, es ist schön, dass sich jemand um mich sorgt. Aber ich bin schon lange allein. Und auch schon auf viele Frauenhelden hineingefallen. Ich pass schon auf mich auf."

Ein lauter Schlag lässt Sophia zusammen zucken. "War das, was ich glaube, dass es war?"

"Ich hoffe nicht."

"Ähm, könntest du mir zeigen wo ich mich duschen und anschließend schlafen kann? War doch ziemlich anstrengend heute."

"Willst du nichts mehr essen? Wie wäre es damit: Ich bestelle etwas zu Essen und du legst dich in der Zwischenzeit in die Badewanne. "

"Wir haben eine Badewanne?" Sophia ist ganz erstaunt. Badewannen kennt sie nur von früher. Von der Zeit mit ihrer Mutter.

Alben lacht und geht voran durch eine Tür. Dahinter erstreckt sich ein Raum, der Sophia vorkommt wie ein Saal. Die Wände in einem hellen Creme, das große Bett mit einer reinweißen Bettwäsche bezogen. Die in dunklem Holz gehaltenen Möbel bilden einen schönen Kontrast und werden von dem Licht der untergehenden Sonne eingerahmt.

Alben zeigt auf die Tür zu Sophia's Rechten. "Dort ist dein Badezimmer. Im Schrank müssten ein paar Kleider hängen, hoffentlich passen und gefallen sie dir auch." Damit wendet sich Alben zum gehen. Kurz bevor er durch die Tür ist, dreht er sich um. "Bitte vergiss nicht, im Heim anzurufen. Ich werde dich dann rufen, wenn das Essen da ist."

"Danke Alben."

Alben nickt und verlässt den Raum. Kurz darauf hört er Wasser rauschen. In der Annahme, Sophia könne ihn nicht mehr hören, geht er durch die Tür zu Clarus und Paciano. Wachsam sieht er sich um. Direkt neben Paciano ist eine faustgroße Delle. Alben zieht eine Braue hoch und sieht Clarus an, der mit dem Rücken zu ihm steht und aus dem Fenster blickt. Paciano sieht zwar nicht glücklich aus, aber auch nicht verletzt.

"Alles in Ordnung hier?"

"Nein!" Clarus klingt immer noch wütend. Alben weiß, er muss vorsichtig sein. Ein falsches Wort und Clarus geht an die Decke.

"Okay. Sophia ist sich frisch machen und etwas ausruhen. Ich werde in der Zwischenzeit etwas zu Essen bestellen. Können wir im Wohnbereich reden, Clarus?"

Der Angesprochene nickt nur, wirft Paciano einen wütenden Blick zu und geht aus dem Raum.

Bevor sich auch Alben aus dem Raum begibt, spricht er Paciano an: "Paciano, ich möchte, dass du dich von ihr fernhältst. Wenn du ihr wehtust, sorge ich dafür, dass du es bis an dein Lebensende bereust!"

Kaum ist die Tür geschlossen, beginnt Clarus sofort seiner Wut freien Lauf zulassen.

"Er sieht es einfach nicht ein! Dieser Mistkerl sieht es nicht ein, dass er sich von Sophia fernhalten soll!"

"Dann haben sie ja wenigstens etwas gemeinsam."

"Wie meinst du das?"

"Sophia meint, dass zwischen ihnen nichts ist, sie auf sich aufpassen kann und so weiter."

"Das kann ja noch heiter werden. Er meint nämlich, sie wäre das erste Mädchen in das er sich auch wirklich verlieben könnte. Meinst du wir sollten in Betracht ziehen, dass aus den Beiden wirklich etwas wird?"

Währenddessen liegt Sophia bereits in der Badewanne. Sie denkt über das vergangene Gespräch mit der Heimleitung nach. Frau Ankelei war erstaunlich freundlich gewesen. Sie hat die Geschichte erstaunlich schnell geschluckt. Die Geschichte mit der liebeskranken Freundin. Ob sie wohl krank war? Klar, die Erzieherinnen und auch die Leiterin waren alle total in Ordnung, aber so freundlich war schon lange keine mehr von ihnen. Vermutlich haben sie schon zu viel miterleben müssen.

Immer noch in Gedanken, beginnt Sophia das Wasser auszulassen und sich abtrocknen. Nachdem sie sich die Haare geföhnt hat, zieht sie sich eines der Kleider aus dem Schrank an. Sie wählt ein dunkelrotes, welches ein eher hochgeschlossenes Oberteil, dafür aber ab der Taille einen weiten Rock hat. Ihre leicht welligen Haare lässt sie einfach offen über ihren Rücken fallen. Sophia erwischt sich bei dem Gedanken ob sie so wohl Paciano gefällt. Dieser Gedanke lässt sie ihren Kopf schütteln. Seit wann interessiert es sie ob ein Junge sie hübsch findet? Vor allem bei einem Frauenheld wie Paciano es einer ist. Zumindest laut Alben. Und eigentlich vertraut Sophia Alben. Sehr sogar. Aber doch, irgendwie hat sie das Gefühl, dass sie auch Paciano trauen kann. Nicht nur als Freund, auch als, als was eigentlich? Sie hat gerade erfahren, dass sie die nächste Königin von Omnispare wird. Sie kann jetzt niemanden gebrauchen, der sich vielleicht als Belastung herausstellt. Aber, muss es denn so enden?

"Sophia?" Alben ruft sie, es bleibt jetzt keine Zeit weiter zu überlegen. Oder sich umzuziehen. Leider. Denn jetzt fühlt sie sich nicht mehr sonderlich wohl in diesem Kleid. Am liebsten würde sich Sophia jetzt unter der Decke verkriechen. Dem Drang widerstehend, geht sie durch die Tür zu den anderen.

Ein Kellner oder ähnliches hat anscheinend den Tisch gedeckt. Dort stehen drei Teller mit silbernen Glocken um die Speisen darunter warm zu halten. Clarus und Alben stehen neben dem Tisch und starren sie mit offenem Mund an.

Clarus findet als erster seine Stimme wieder. "Wow! Sophia Justine, Ihr seht wunderschön aus."

"Danke." Sophia ist geschmeichelt. Suchend sieht sie sich im Raum um. "Ich dachte wir essen alle gemeinsam?"

"Paciano bleibt heute auf seinem Zimmer. Wir müssen noch reden." Clarus sagt das ohne eine Regung in seinem Gesicht. Es bleibt sein freundliches Lächeln.

Langsam kommt es Sophia eigenartig vor. Zuerst Alben, der sie versucht von Paciano weg zu bringen, jetzt wird er ausgeschlossen. Was soll das? "Seit wann darf er nichts davon mitbekommen, was wir reden?"

Clarus und Alben sehen sich an. Beide scheinen nicht damit gerechnet zu haben, dass Sophia die Tatsache nicht einfach hin nimmt. Schließlich ist es Alben, der antwortet: "Warum ist es dir denn so wichtig, dass er mit uns isst?"

"Er ist der einzige hier, der sich traut, zumindest mehr oder weniger, zu sagen was er denkt. Ihr beide redet viel und heraus kommt so gut wie nichts."

Alben will etwas einwerfen, doch Sophia hebt die Hand um ihn daran zu hindern.

"Ich will keinen Streit anfangen. Ich bin sicher, ihr habt eure Gründe. Ich hoffe nur, dass es nichts mit dem zu tun hat, was Alben vorher angesprochen hat. Das geht euch nämlich nichts an. Also, worüber wolltet ihr denn reden?"

"Setzt Euch, Sophia Justine, klären wir das beim Essen.", Clarus wirkt sehr erleichtert, dass Sophia das Thema so schnell fallen hat lassen.

Nach dem Dessert, kommt Sophia wieder auf das Thema zurück. "Jetzt haben wir fertig gegessen und ihr habt kein Wort verloren was los ist."

„Ich habe bereits mit meiner Mutter telefoniert und ihr Bescheid gegeben, dass ich morgen jemanden mitnehme und etwas wichtiges zu verkünden habe." Alben wird von Sophia's Lachen unterbrochen. "Was denn?"

„Das hört sich so an, als erwarte sie deine Verlobte."

Alben muss auch grinsen. "Kann sein. Wie auch immer. Wir werden zum Tee erwartet."

„Um die Sache auf den Punkt zu bringen, wir müssen uns heute und morgen mit Eurer Garderobe, Eurem Verhalten sowie Eurem Wissen über die Familie Princeps widmen."

„Und besprechen wie wir argumentieren, dass du die Tochter deines Vaters bist." Alben ist mit einem Schlag wieder ernst.

„In Ordnung. Zum Tee... Das heißt, ein leichtes Sommerkleid wäre vermutlich angebracht. Am besten mit einer hellen, warmen Farbe. Was haltet ihr von orange?"

„Hört sich passend an. Hast du so eines im Schrank?"

„Ja."

„Wie sieht es mit Mänteln aus? Habt Ihr einen leichten Mantel, vorzugsweise mit Kaputze?"

„Zumindest hab ich keinen gesehen."

„Dann müssen wir den noch irgendwo herbekommen. Ich gehe nachher runter und frage im Hotelgeschäft nach. Das würde einiges an Zeit sparen. Welche Größe brauchst du?"

„Kann ich nicht mitkommen, Alben? Wozu brauche ich so etwas überhaupt?"

„Ihr braucht eine Kapuze damit nicht jeder auf den ersten Blick weiß wer Ihr seid. Wir haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite. Denn sollten wir auch nützen."

„Das hört sich an, als würden wir eine Verschwörung planen." Dieser Gedanke bringt Sophia zum kichern.

„Ich finde das gar nicht witzig. Vermutlich werden es einige, mein Vater allen voran, für das halten. Und wie reagierst du dann? Fängst du dann auch zu lachen an?"

Schlagartig ist Sophia wieder ernst. Erst jetzt wird ihr bewusst, worauf sie sich eigentlich eingelassen hat. Tief durch atmen und ein mal schlucken. "Also bin ich sowieso schon zum Tode verurteilt?"

„Sophia Justine, Ihr müsst positiv denken. Es wird schon alles gut gehen."

„Es wird schon? Es wird schon?" Langsam aber sicher nähert sich Sophia einem Nervenzusammenbruch.

„Beruhige dich, Sophia. Was Clarus meint, ist, das du dir keine Sorgen machen solltest. Sie dürfen dich nicht anzweifeln. Und wenn doch, dann müssen sie erst mal beweisen, das du nicht die Tochter von Patrice bist. Das können sie nur durch einen DNA-Test. Und diesen werden sie durchführen, dessen kannst du dir sicher sein." Auch wenn Alben die Absicht vertritt, Sophia zu beruhigen, schafft er es nicht ganz. Einige Zweifel bleiben.

„Und wenn meine DNA nicht mit seiner übereinstimmt?"

„Dieser Fall wird nicht eintreten, Sophia Justine. Das sieht man schon an Eurem Gesicht."

Es tritt eine Pause ein. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Sophia erinnert sich an den Wunsch ihres Vaters. Sie selbst bleiben und ihren rechtmäßigen Platz einnehmen. Alben denkt daran, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Er hofft, dass Sophia es sich nicht anders überlegt. Clarus macht sich Sorgen. Niemand weiß genau, was sie morgen erwarten wird.

In dem Moment, kommt Paciano in den Raum. Augenblicklich liegen alle Augen auf ihm. Sophia und sein Blick treffen sich. Kurz löst Paciano den Blick von ihren Augen um ihn über sie schweifen zu lassen. Mit einem anerkennenden Lächeln hebt er seinen Blick wieder. 'Wunderschön', ist alles was ihm durch den Kopf geht.

Sophia bemerkt seinen Blick und lächelt. Es gefällt ihm. Innerlich beglückwünscht sie sich für ihre Kleiderwahl.

Aber auch Alben und Celsus haben diesen Blick bemerkt. Ihre Gesichter verfinstern sich. Schließlich spricht Clarus: „Paciano, was willst du?"

„Meinen Teller herausbringen. Oder ist das jetzt auch nicht mehr erlaubt?"

„Du stellst das so dar, als wäre dir überhaupt nichts mehr erlaubt." Clarus wird wieder wütend.

„So kommt es mir auch vor."

„Du hattest deine Wahl."

„Hatte ich die denn wirklich?"

„Müsst ihr das denn wirklich hier bereden?" Alben wirkt ziemlich genervt.

„Worum geht es überhaupt?"

„Das ist nicht weiter wichtig, Sophia Justine. Nichts, worüber Ihr Euch Euren Kopf zerbrechen müsstet."

„Paciano, wärst du so freundlich mir zu sagen worum es geht? Und ihr zwei", sie deutet auf Alben und Clarus, "ihr zwei, seid jetzt mal ruhig."

„Clarus und Prinz Alben meinen, sie müssten uns voneinander fernhalten. Damit ich dir ja nicht weh tue."

Sophia seufzt und setzt an etwas zu sagen. Doch Paciano spricht weiter bevor sie die Gelegenheit dazu bekommt.

„Dabei ist doch auch mein Herz in Gefahr."

Damit bringt er Sophia aus dem Konzept. Einerseits schlägt ihr Herz höher bei seinen Worten, andererseits hat sie Angst. Angst vor ihren Gefühlen, Angst vor der Zukunft. Sie braucht jetzt erst mal Zeit für sich. "Ähm, ich, Ich werde schlafen gehen. Morgen wird ein langer Tag."

Paciano geht auf Sophia zu, gibt ihr einen Handkuss und wünscht ihr eine Gute Nacht. Alben und Clarus werden von ihm ignoriert und dann ist er auch schon wieder aus dem Zimmer.

Sophia sitzt noch immer wie versteinert da. "Meint er des ernst?"

„Zumindest habe ich es noch nie erlebt, dass er so etwas zu einem Mädchen gesagt hat." Auch Clarus wirkt sehr verwirrt.

„Bitte pass auf dich auf, Sophia."

„Natürlich. Ich werde jetzt wirklich schlafen gehen. Danke für das Essen. Gute Nacht."

Alben und Clarus erwidern diesen Gruß und begeben sich zu Bett, auch für sie war dieser Tag sehr anstrengend auch wenn sie sich nichts anmerken lassen. Morgen wird ein wichtiger Tag. Dessen sind sich alle bewusst.

Kapitel 5

 Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, Sophia ist in einem wunderschönen Hotel und doch kann sie sich nicht wirklich über diesen wunderschönen Tag freuen. Schon beim Frühstück konnte sie nichts essen, am Vormittag war sie unkonzentriert und auch jetzt, beim Mittagessen isst sie nichts.

„Sophia, ist alles in Ordnung?" Paciano steht seine Sorge ins Gesicht geschrieben.

„Natürlich. Ist schließlich nicht so, als würden wir heute ins Schloss fahren und in Gefahr laufen alle mit einander gehängt zu werden. Naja, Alben würden sie wahrscheinlich nicht hängen lassen. Dafür würde auch er sicher schwer bestraft werden. Wisst ihr was? Ich glaube, ich werde jetzt einfach nach Hause gehen, keiner wird hiervon etwas erfahren und dann ist alles in bester Ordnung. Oder wir fahren nachher einfach nicht ins Schloss und gehen stattdessen von einer Brücke springen, dass wollte ich schon immer mal machen. Ihr wisst schon, an so einem Gummiseil."

Bevor Sophia auch nur ein weiteres Wort sagen kann, werden ihre Lippen von denen Paciano's versiegelt. Doch so schnell wie diese gekommen waren, waren sie auch wieder fort.

„Du schaffst das, Sophia! Ich glaube an dich! Und Alben und Clarus ebenfalls, sonst wären sie nicht hier. Und jetzt, hör auf verrückt zu spielen und beruhige dich.", sagt Paciano sanft.

Alben sieht Paciano mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Also ich finde die Idee von Sophia nicht schlecht. Willst du als erster springen Paciano?"

"Und damit in Gefahr laufen, dass Ihr mein Seil durchschneidet, Hoheit?"

„Können wir reden, Paciano?", Sophia wirkt sehr unsicher.

„Natürlich.“ Paciano ist nicht der einzige, der verwirrt ist. Auch Alben und Clarus sind es.

Im Schlafzimmer von Sophia dreht sich diese um. „Weißt du noch, was du gestern gesagt hast, Paciano?“

„Entschuldige, ich habe gestern einiges gesagt. Was genau meinst du?“

„Du hast mir versprochen, dass ich Bescheid geben kann, wenn ich soweit bin.“

„Ich hätte dich gerade eben nicht küssen dürfen, richtig?“

„Ich, weißt du Paciano, ich habe nicht nur vor dem Angst, was mit uns wird. Ich habe in solchen Situationen vor allem Angst, dass du den Bogen überspannst und Clarus oder Alben die Geduld mit dir verlieren.“

Pacianos Gesicht erhellt sich. „Das ist süß von dir. Aber keine Sorge.“ Er tritt näher an Sophia heran, nimmt ihr Gesicht in seine Hände und zwingt sie so, ihn anzusehen. „Ich pass schon auf mich auf. Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“

Damit bringt er Sophia zum Lachen.

„Was denn?“

„Du lenkst vom Thema ab.“ Sophia beugt sich vor und drückt Paciano einen Kuss auf seine Wange. „Könntest du wenigstens in der Gegenwart von anderen dich so verhalten, als würdest du mich nicht ausstehen können?“

„Wie du wünscht, Mylady.“ Pacianos Gesicht ziert ein schiefes Grinsen.

„Ich meine es ernst!“

„Ich auch! Darf ich dich jetzt endlich richtig küssen?“

Sophia stößt ihn halbherzig weg, Paciano lässt es zu. „Wir sollten wieder raus gehen, sonst glauben unsere beiden Aufpasser noch wir würden uns knutschend im Bett drehen.“

„Verlockende Idee. Aber du hast recht.“ Paciano hält Sophia die Tür auf.

„Na endlich. Was habt ihr da drinnen gemacht, dass so lange gedauert hat?“ Alben ist sichtlich genervt. Ob von Sophia oder Paciano, lässt sich nicht genau sagen.

„Wir haben geredet, auch wenn es weder dich Alben, noch dich Clarus, etwas angeht. Wann müssen wir eigentlich los?“

Ein Blick auf die Uhr und Alben lacht auf. „Tja Cousinchen, jetzt hast du nur noch eine gute halbe Stunde um dich fertig zu machen.“

Schlagartig vergeht Sophia das Lächeln. „Eine halbe Stunde? Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Sie rennt zurück in ihr Zimmer. Zum Duschen ist keine Zeit mehr, also schnell in ihr Kleid. Ein süßes, helles orange bedeckt ihre Schultern, der leichte Rundausschnitt lässt mehr erahnen was er verbirgt als erkennen, der leicht schwingende Rock legt sich sanft um die Taille von Sophia. Die Haare leicht verspielt hochgesteckt und ein zartes Make-up und fertig. Schnell steigt Sophia noch in ihre schwarzen Riemchensandalen und geht vor ihre Tür.

Dort sitzen die drei Herrschaften angespannt auf dem Sofa und starren in die Luft. Ein Blick nach dem anderen bleibt bei Sophia hängen. Eine Stille legt sich über den Raum.

Während Alben und Clarus beginnen Sophia Komplimente zu machen, bleibt Paciano still. Mehr mechanisch als bewusst erhebt sich auch er mit den anderen.

Keine fünf Minuten später sitzen die vier in einem schwarzen Auto und sind auf dem Weg zum Schloss. Jeder hängt seinen Gedanken nach.

Sophia spielt mit dem Gedanken jetzt aus dem Wagen zu springen und wegzulaufen. Doch dann erinnert sie sich an den Wunsch ihres Vaters: Ihren Platz einnehmen. Das bedeutet die nächste Königin von Omnispare zu werden. Doch wie wird ihre Familie reagieren. Ihre Familie. „Alben, werde ich eigentlich meinen Nachnamen behalten?“

„Du wirst den Familiennamen tragen, der dir zusteht.“

Warum ist es Alben bloß so wichtig, dass Sophia Königin wird? Noch immer hat er noch nicht mit ihr darüber gesprochen. Aber eigentlich hat sie jetzt andere Sorgen. Wie soll sie bloß der Familie Princeps gegenüberstehen? Bevor ihre Gedanken zu pessimistisch werden, beschließt Sophia sich etwas auszuruhen. Sie lehnt ihren Kopf zurück und schließt ihre Augen.

„Sophia, Sophia, wach auf. Wir sind da."

Sofort schlägt Sophia die Augen auf. "Jetzt schon?"

Alben lacht. "Du hast den Großteil der Fahrt verschlafen." Auf einen Schlag ist er wieder ernst. "Wenn du jetzt so freundlich wärst, deine Kapuze aufzusetzen, wir müssen nämlich aussteigen."

"Klar, wenn du mir meinen Mantel gibst."

"Warum ich? Ich dachte den nimmst du mit?"

Ähm, nein? Ich habe gefragt ob ihn jemand mitnimmt und Paciano hat ja gesagt."

"Hast du seinen Blick nicht bemerkt? Der hat nichts mit gekriegt. Geblendet von deiner Schönheit."

"Ha ha. Und was jetzt?"

"Jetzt wirst du ohne Mantel gehen müssen. Los jetzt. Clarus und Paciano sind schon draußen. Nach dir."

Mit klopfenden Herzen steigt Sophia aus dem Wagen. Dort wartet bereits ein älterer Herr mit weißen Haaren und schwarzem Anzug. Die rote Masche lässt ihn zwar nicht lächerlich wirken, der Versuch sich jünger zu machen geht jedoch auch nach hinten los.

"Prinz Alben, schön Euch wieder hier zu haben. Und die junge Dame ist dann wohl Euer geheimnisvoller Gast? Wenn die Herrschaften mir bitte folgen mögen, die Majestäten warten bereits."

Und schon geht es los. Durch das große, eiserne Tor und durch die große Eingangstür aus massiven Holz. Diese erinnert Sophia an die Tür zur Bibliothek. Bloß ist die Tür zum Schloss um einiges größer. Groß ist das richtige Wort für das, was hinter der Tür auf Sophia wartet. Groß und prächtig. Sie war schon von dem Hotel begeistert, doch das hier, raubt ihr den Atem. Hohe Wände und Fenster, alles hell und sauber.

Der Weg zum Tee-Salon ist verzweigt und lang. Nach etlichen Ecken und Gängen gibt es Sophia auf, sich den Weg merken zu wollen. Alben und der Herr, der voran geht, schweigen. Schließlich bleiben sie vor einer hellen Tür stehen, die sich zumindest äußerlich nicht von den anderen unterscheidet.

Der Herr verbeugt sich und verschwindet um die nächste Ecke. Alben wirft Sophia noch einen schnellen Blick zu und klopft schließlich. Jemand auf der anderen Seite dieser Tür öffnet diese. Damit bekommt Sophia Einblicke in den Raum, in dem gleich über ihre Zukunft entschieden werden wird. Die Seite zum Garten hin ist fast komplett verglast, jedoch noch so, dass die Fenster deutlich erkennbar sind. Der gesamte Raum ist in einem hellen Lila gestrichen, in der Mitte steht ein runder, weißer Tisch mit verschnörkelten Tischbeinen und einer Tischdecke in lila. Die Blumen auf dem Tisch sind in verschiedenen Farben. Die ebenfalls verschnörkelten, weißen Sesseln sind bereits fast alle besetzt. Nur zwei sind noch frei.

Alben geht sicheren Schrittes voran, Sophia folgt ihm, darum bemüht keine Schwäche zu zeigen und trotzdem freundlich zu wirken.

Ein Mann, wie Sophia weiß der König, also Albens Vater, und eine Frau, die Königin, Albens Mutter, kommen auf die beiden zu. Noch haben sie Sophia erst aus der Ferne kurz gesehen. Als sich schließlich Alben und seine Eltern treffen, gibt es ein Händeschütteln mit seinem Vater und eine Umarmung für seine Mutter. Währenddessen sieht Albens Vater Sophia ins Gesicht und erstarrt.

Sich aus der Umarmung befreiend, beginnt Alben zu sprechen: "Vater, Mutter, ich möchte euch gerne jemanden vorstellen. Das ist"

Alben wird von seinem Vater unterbrochen. "Du siehst meinem Cousin wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie kann das sein?"

"Weil Euer verstorbener Cousin, Prinz Patrice Princeps von Omnispare, der Ehemann meiner verstorbenen Mutter, mein Vater war, Eure Majestät." Soviel Mut, Selbstbewusstsein und Stolz liegen in ihren Worten, dass es Sophia sogar selbst überrascht. Doch in diesem Moment fühlt sie nichts als eine kalte Ruhe, die sie durch und durch durchdringt.

Schlagartig war es still im ganzen Raum. Alben dreht sich zu Sophia um und sein Blick zeigt einerseits Bewunderung andererseits das er sich gerade am liebsten mit der Hand gegen den Kopf geschlagen hätte.

"Wie bitte?" Die Mutter von Alben spricht zuerst. Ihre Stimme klingt auf einmal sehr schrill.

"Ich bin mir sicher, Ihr habt mich verstanden, Majestät."

"Und du verlangst wirklich, dass wir dir glauben? Was hindert uns daran, dich rausschmeissen oder sogar verhaften zu lassen?"

"Ich verlange, dass Ihr einem DNA-Test glaubt, nicht mehr aber auch nicht weniger. Ihr würdet mich nicht rausschmeißen lassen, die Gefahr, dass ich mich an die Öffentlichkeit wende, ist Euch garantiert zu groß. Gegen die Verhaftung kann ich nicht viel sagen, allerdings bezweifle ich, dass Ihr diese Möglichkeit wählt. Wer weiß schließlich wie die Wachen reagieren werden, geschweige denn das Volk, sollten sie erfahren, dass die rechtmäßige Königin von Omnispare vom König verhaftet wurde."

"Und ich unterstütze sie.", lässt Alben verlauten.

Das ist der Moment in dem Albens Mutter umdreht und sich mit bleichen Gesicht setzt. Sein Vater, ebenfalls sehr bleich im Gesicht, wählt die andere Richtung.

"Wachen! Bringt meinen Sohn und seine vorlaute Freundin hier weg. Geleitet sie sicher zu ihrem Nächtigungsort. Und nehmt ihr eine DNA-Probe ab. Ihr beide seid hiermit bis zum Ergebnis des Testes unter Hausarrest gestellt."

Alben und Sophia verbeugen sich und gehen voran in Richtung des Autos. Die vier Wachen, die vom König abgestellt wurden, folgen ihnen.

Die Fahrt zurück zum Hotel verläuft still, wie bereits die Hinfahrt. Diesmal ist es jedoch eine fast erdrückende Stille.

Sophia ist sehr froh, als sie das Auto verlassen kann. Doch richtig erleichtert, ist sie erst, als sie das Zimmer betritt. Die Wachen positionieren sich vor der Tür.

Nachdem Alben die Tür schließt, wendet er sich Sophia zu. "Ich muss schon sagen, ich bin mir nicht sicher ob ich dich am liebsten umarmen oder schlagen würde. Keine Sorge, ich würde es nicht tun, schließlich bist du eine hohe Lady." Während seiner letzten Worte deutet er scherzhaft eine Verbeugung an und bringt Sophia somit zum lachen.

"Alles in allem ist es doch gut gegangen oder? Ich weiß nur noch nicht wie ich das dem Heim und der Schule erklären soll."

"Das lass meine Sorge sein. Du hast mir heute auch eine große Last abgenommen. Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass sie es so gut aufnehmen."

"Ja, das hätte schlimmer ausgehen können. Fast glaube ich, deine Mutter mag mich nicht."

"Mutter mag niemanden, der ihre Position gefährden kann. Du hast das wirklich gut gemacht. So souverän und selbstbewusst."

"Danke. Ich weiß nicht was los war. Fast als hätte ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Ich hab einfach instinktiv gehandelt."

"Es liegt dir eben im Blut."

"Sieht so aus. Sag mal Alben, wo sind eigentlich Paciano und Clarus?"

"Die müssen noch etwas für Paciano's Ausbildung erledigen. Eigentlich war geplant, dass wir alle gemeinsam zurück fahren, aber wir waren dank dir ja früher fertig. Weil du schon damit anfängst, können wir vielleicht über heute Mittag reden?"

Sophia unterbricht Alben. "Stopp! Ich glaube ich habe bereits mehrmals gesagt, dass dich das erstens nichts angeht und zweitens nichts zwischen mir und Paciano ist. Und selbst wenn, dann ist das unsere Sache."

"Sophia, er hat dich geküsst! Und du sagst immer noch, dass nichts zwischen euch ist? Es tut mir ja leid, wenn es für dich so wirkt, als würde ich mich in dein Leben einmischen, aber ich sorge mich einfach um dich!"

„Und ich habe dir bereits gesagt, dass du das nicht musst, weil ich auf mich selbst aufpassen kann! Aber wenn wir schon hier stehen und reden, kannst du mir ja erklären, warum du so erpicht darauf bist, dass ich Königin werde.“

„Bitte Sophia, mach es mir nicht so schwer.“

„Du verlangst also blinden Gehorsam von mir, Alben?“

„So war das doch nicht gemeint.“

„Wie denn dann? Erkläre es mir Alben, wenn du schon nicht deine Gründe sagen willst.“ Im Gedanken fügt Sophia noch hinzu: ‚Solange es noch nicht zu spät ist für mich um in mein altes Leben zurückzukehren.‘

„Du verlangst von mir, dass ich meine Beweggründe offen lege aber gleichzeitig lässt du mich nicht wirklich an dich ran. Ich spreche mit dir und du antwortest oder umgekehrt aber trotzdem bedeuten unsere Worte nichts. Weißt du Sophia, ich habe Angst. Ich habe Angst davor, dir vor den Kopf zu stoßen. Angst davor, was die Zukunft bringt. Und vor allem habe ich Angst vor mir. Ich möchte, dass unser Volk die Königin hat, die es verdient, die Königin, die auch wirklich rechtmäßig ist. Ich weiß, dass du mich nicht verstehst, nicht gerade jetzt, aber ich hoffe, dass du es eines Tages wirst. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich muss noch ein paar Sachen erledigen.“

„Natürlich.“ Bevor Alben durch die Tür seines Zimmers durchgeht, hält ihn Sophia zurück: „Alben?“

„Ja?“

„Es tut mir leid, dass ich gerade so laut geworden bin. Ich bin es nicht gewöhnt, dass sich jemand so sehr um mich sorgt.“

„Ist schon in Ordnung, es sind für uns alle schwierige Zeiten.“ Damit verlässt Alben endgültig den Raum.

Sophia fühlt sich gerade sehr unwohl. Sie wünscht sich irgendjemand wäre jetzt hier und würde sie in die Arme nehmen. Am liebsten wären ihr ihre Eltern. Aber das ist ausgeschlossen. Um ihrem Vater trotzdem etwas nahe sein zu können, beschließt sie, den Brief weiter zu lesen.

Dazu legt sie sich auf ihr Bett und kuschelt sich in die Kissen. Bevor Sophie zu lesen beginnt, streicht sie mit einem Finger über den Einband, über das Wappen. Es ist so wunderschön. Kurz schweifen ihre Gedanken ab, zur Bibliothek. Was Mr. Nescio wohl sagen wird, weil sie länger nicht zur Arbeit erscheinen wird? Oder die Direktorin ihres Heims. Ganz zu schweigen von der Schule. Ob sie es wohl schaffen wird, denn Stoff nachzuholen? Bevor Sophia sich in diesen Gedanken verliert, schlägt sie das Buch auf und beginnt zu lesen, wo sie das letzte Mal aufgehört hatte.

„Alben Celsus ist zwar noch sehr jung, aber bereits jetzt zeigt er, dass er nicht bereit ist, sich in Schubladen stecken zu lassen.

Ich bin mir sicher, es kommt Dir gerade so vor, als wäre aller Druck der Welt auf deinen Schultern. Als wäre Dir gerade alles zu viel und du weißt nicht, was Du tun sollst oder wie Du etwas tun sollst. Aber dem ist nicht so, meine geliebte Tochter. Ich weiß nicht, wie viel Du bereits vom Aufbau unserer Monarchie weißt, aber ich werde ihn Dir etwas erklären.

Kapitel 6

 "Wie Du bestimmt weißt, ist Omnispare eine Art absolutistische Monarchie. Das bedeutet, dass Du, Sophia Justice, die Entscheidungen triffst und Dir niemand reinreden oder Deine Entscheidungen anzweifeln darf.

Unterstützt wirst Du von dem Generalstab. Dieser besteht aus 5 Generäle, welche sich je um die militärischen Angelegenheiten eines Herzogtums kümmern und einem General, welcher für die Sicherheit in den Städten sowie der Königsfamilie sorgt. Dieser Stab unterstützt Dich, meine geliebte Tochter, in allen Fragen und Entscheidungen rund um alles, was mit dem Militär zu tun hat.

Gesamt Omnispare ist in insgesamt 5 Herzogtümer unterteilt. Jedes Herzogtum wird von einem Herzog oder einer Herzogin verwaltet. Diese Ämter werden immer an den Erstgeborenen beziehungsweise die Erstgeborene weitergereicht. Die meisten dieser Familien sind zumindest entfernt mit uns verwandt. Du hast das Recht die Person, die dieses Amt innehat auszutauschen. Außerdem wirst Du von ihnen über die Geschehnisse in den einzelnen Herzogtümern informiert.

Die Herzogtümer lassen sich wieder in mehrere Grafschaften unterteilen. Diese werden ebenso an den Erstgeborenen weitergegeben. Sie sind dazu verpflichtet, dem Herzog dem sie unterstehen Bericht zu erstatten. Unter den Grafen stehen nur noch die Bauern und die Bürger.

Die Städte werden von Statthaltern verwaltet.

Vielleicht fragst Du Dich nun, welche Aufgaben Du eigentlich hast. Du bist dafür verantwortlich, dass Gesetze erneuert, verbessert abgeschafft oder geschrieben werden. Außerdem bist Du für die Repräsentierung des Landes nach außen verantwortlich. Auch das Militär befehligst Du, zumindest als oberste Instanz. Natürlich bist Du ebenfalls die letzte Instanz der Justiz.

All diese Aufgaben, die Du, meine geliebte Tochter, in Zukunft auf Dich nehmen wirst, sind mit großer Verantwortung gekoppelt. Ich kann verstehen, wenn Dich diese im Moment abschrecken.

Sophia Justice, ich bin voller Zuversicht, dass Du diese Aufgaben, die damit verbundene Verantwortung und alles was damit einhergeht wunderbar auf deine Art und Weise lösen wirst. Meine geliebte Tochter, bitte vergiss zwei Sachen niemals: Ich liebe dich! Und zwar so, wie Du bist!

Ich werde Dich an dieser Stelle nicht bitten, Dich nicht zu verändern. Aber ich möchte Dich bitten, Dir selbst treu zu bleiben."

Mit Tränen in den Augen schläft Sophia über dem Brief ihres Vaters ein. Ihr Schlaf ist so tief, dass sie es nicht bemerkt wie Clarus nach ihr sieht.

Am nächsten Tag wird Sophia von Alben geweckt. Dieser bittet sie, sich fertig zu machen und zum Frühstück zu kommen um die nächsten Tage zu planen.

Im Wohnraum angekommen, blickt Sophia überrascht auf einen gedeckten Tisch, an dem sich bereits die drei Männer versammelt haben. Diese schweigen sich scheinbar einvernehmlich an. Als die drei Sophia erblicken bleibt ihnen der Mund offen stehen.

Alben weil er nicht glauben kann, dass sich jemand innerhalb weniger Tage so verändern kann. Vor zwei Tagen trug Sophia noch lieber Hosen und die Farbe Schwarz. Jetzt hat sie ein nettes Kleid an, in einem zarten Rosa. Es lässt die Schultern frei und die Ärmel sind eher klein und nur zur Zierde. Der gerade Ausschnitt ist rundum mit kleine Rosen verziert. Bis zur Taille ist es anliegend, anschließend fließt es um die Beine und umschmeichelt schließlich ihre Knie.

Clarus weil ihm klar wird, dass vor ihm nicht mehr ein kleines Kind vor ihm steht. Etwas Trauer mischt sich langsam in ihm hoch wenn er daran denkt, dass Patrice es nie erleben wir wie groß und stark seine Tochter geworden ist. Und schön. Es wird nicht leicht sein dafür zu sorgen, dass junge Männer sich in ihrer Gegenwart benehmen. Vor allem wenn er sich das Gesicht von Paciano so ansieht.

Paciano kann nicht mehr denken. Dieses Kleid umschmeichelt ihre Figur. Hebt ihre Haare und ihre wunderschönen Augen hervor. Alles was sein Hirn noch zustande bringt ist ein gehauchtes: "Wow"

Sophias Gesicht ziert eine leichte Röte und ein schüchternes Grinsen. Ist wirklich sie dafür verantwortlich wie die Herren sich jetzt verhalten? Dabei hat sie sich nicht mal groß Mühe gegeben. Nur die Haare durchgebürstet und sich mit dem Reißverschluss geärgert.

"Ähm. Hier." Paciano springt schließlich auf um Sophia den Stuhl zurecht zu rücken. Dabei kann er nicht widerstehen und fährt ihr kurz mit seinen Fingerspitzen über ihren Nacken unter dem Vorwand ihre Haare zu richten. Mit einem Lächeln registriert er, dass Sophia darauf mit einer Gänsehaut reagiert.

Sophia wird noch roter und lächelt Paciano an. Schließlich wendet sie sich an Alben und Clarus, die sie beide nachdenklich mustern. "Also, wie geht es dir nächsten Tage weiter?"

"Wie versprochen habe ich mich bereits mit deiner Schule in Kontakt gesetzt. Sie wissen Bescheid, dass du in den nächsten Tagen verhindert sein wirst und deswegen nicht zur Schule kommst. Sie wissen zwar nichts genaueres, aber sie werden ganz bestimmt eine ordentliche Erklärung von dir fordern."

"Es wird Euch, Sophia Justice, in den nächsten Tagen nicht erlaubt sein, das Zimmer zu verlassen. Das bedeutet wir werden uns damit abfinden müssen, uns vom Zimmerservice das Essen bringen zu lassen und den Tag mit lernen zu verbringen.“

„Entschuldigung, lernen? Verstehen Sie mich nicht falsch, Clarus. Ich lerne gerne neue Sachen. Aber was genau wollen Sie denn das wir lernen? Mathe?"

"Mitnichten, Hoheit. Es ist äußerst wichtig, dass Ihr Euch mit den höfischen Sitten und Gepflogenheiten auskennt. Außerdem können wir die folgenden Tage dazu nützen, Euch auf Eure Aufgabe vorzubereiten."

"Clarus, soweit ich mich erinnere, sagte mein Vater 'Hausarrest', und nicht Zimmerarrest. Und so sehr ich dir auch zustimme, Uns nur hier im Zimmer aufzuhalten widerstrebt mir."

"Mir auch. Wir können ja im Hotel spazieren gehen, natürlich erst nach dem Unterricht." Sophias Augen leuchten bei dem Gedanken das Zimmer nur zum Vergnügen zu verlassen.

Bevor Clarus etwas einwenden kann, spricht Alben: "Dieses Hotel soll auch einen schönen Wellnessbereich haben."

"Ja, schwimmen hört sich auch gut an." Sophia bemüht sich, sich gewählt auszudrücken. Ihre Augen lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie sich wie ein kleines Kind darauf freute, endlich wieder schwimmen gehen zu können.

Auch Paciano gefällt diese Idee. Während er sich vorstellt, wie Sophia im Bikini wohl aussieht, nimmt sein Gesicht einen Ausdruck an, der keinen Zweifel daran lässt, woran er gerade denkt.

Clarus, der gerade zufällig in Pacianos Richtung sieht , gibt ihm kurzerhand einen Schlag auf den Hinterkopf.

"Aua! Wofür war das denn?"

Alben und Sophia sehen die beiden geschockt an, sie waren in ihr Gespräch vertieft und hatten nicht mit bekommen was passiert war.

"Wenn du schon solche Gedanken hast, verbirg sie besser!"

"Welche Gedanken?", fragt Alben neugierig.

"Wirst du etwa rot, Paciano?", neckt Sophia den Angesprochenen.

Paciano sieht Sophia in die Augen. Sein Lächeln lässt ihr Herz schneller schlagen. Die Röte, das Grinsen, der Blick in ihre Augen. Kurz schießt Sophia der Gedanke in den Kopf, dass sie der Mittelpunkt seiner Gedanken war. Dieser Gedanke lässt auch sie erröten. Schnell senkt Sophia ihren Kopf.

"Egal. Wir sollten auf jeden Fall darauf achten, dass wir Euch, Sophia Justice, so gut wie möglich auf das Kommende vorbereiten."

"In dieser Hinsicht stimme ich dir voll und ganz zu. Aber Sophia einzusperren und rund um die Uhr zu unterrichten, hat meiner Meinung nach wenig Sinn."

"Wie wäre es damit: Vormittags bringt ihr mir bei, was ich alles brauchen werde. Am Nachmittag gehen wir schwimmen, im Hotel spazieren oder sonst irgendetwas. Abends essen wir im Restaurant und am Abend machen wir noch mal eine Lektion durch."

"In Ordnung, probieren wir es heute." Alben scheint Sophias Idee zu mögen, während Clarus eher skeptisch wirkt.

"Kurz darauf starten die Vier auch. Der Vormittag vergeht schnell, der Lehrstoff reicht von der richtigen Körperhaltung über passende Gesellschaftsformen bis hin zu klassischem Tanz.

Als Sophia sich dann schließlich zum Mittagessen setzen kann, ist sie sehr erschöpft. Vieles, was sie heute gelernt hat, weiß sie bereits, doch das meiste war neu. Sophia weil gerade zu essen beginnen, als Alben sie zurückhält.

"Einen Augenblick, Sophia. Wenn du wirklich heute Abend im Restaurant essen willst, müssen wir uns auch noch über die Tisch-Etikette unterhalten.Zum Beispiel das richtige Besteck. Im Regelfall hast du zu Beginn auf deiner Linken Seite ein Teller mit einem kleinen Messer darauf. Das ist für das Kuvert. Das besteht aus Brot und einem Aufstrich. Neben dem Geld liegt eine Gabel, dann ein Platzteller, dieser wird später entfernt. Über dem Teller liegt ein kleiner Löffel und eine kleine Gabel. Diese sind für das Dessert und werden später vom Kellner heruntergezogen. rechts vom Teller liegt ein Messer, darüber stehen die Gläser. Das restliche Besteck, dass du brauchen wirst, wird dir eingedeckt. Grundsätzlich heißt es immer von außen nach innen."

"In Ordnung. Noch irgendwer, der eine Predigt halten will oder können wir dann endlich essen?", gibt Sophia ihren Wunsch bekannt, der die anderen zum Schmunzeln bringt.

Schließlich wird jedoch gegessen. Dabei legt sich eine Stille über den Tisch, die fast schon unheimlich ist.

Nachdem alle fertig sind, fällt Sophia etwas wichtiges ein: "Ich habe gar keinen Bikini da!"

"Das ist nicht schlimm, Sophia. Wozu gibt es ein Geschäft in diesem Hotel?"

"Aber", Sophia wird sofort wieder unterbrochen.

"Kein Aber. Machen wir eine kurze Pause von einer halben Stunde und dann gehen wir dir einen Bikini kaufen."

"Paciano und ich werden nicht mit in den Wellnessbereich kommen. Es wird Zeit, dass wir uns wieder deiner Ausbildung widmen. "

Paciano seufzt. Er wirkt so gequält, dass Sophia kichern muss.

"Du hast diese Ausbildung doch selbst gewählt, oder etwa nicht?", fragt Sophia ihn.

"Ja schon, aber"

Alben unterbricht ihn. "Und d willst Sophia doch ordentlich beschützen können, oder?"

"Wann können wir los, Clarus?" Mit einem Mal, wirkt es, als wäre Paciano wie ausgewechselt. Das bringt alle im Raum zum Lachen.

"Das war wohl das richtige Argument. Na dann los. Umziehen, in fünf Minuten vor dem Hotel."

Clarus und Paciano verabschieden sich mit einer Verbeugung. Alben und Sophia grinsen sich gegenseitig an und gehen auf ihre Zimmer, um sich vor dem Schwimmen noch etwas auszuruhen.

Nach kurzer Zeit finden sich also Clarus und Paciano vor dem Hotel ein. Beide tragen sie Sportkleidung und dehnen sich.

"Eines muss ich dich jetzt noch fragen, Paciano."

"Das hört sich ja nicht gerade gut an."

"Ich muss gestehen, ich freue mich auch nicht gerade, dieses Thema schon wieder anschneiden zu müssen."

"Also geht es um Sophia. Schieß' los."

"Wenn du sie unter anderen Umständen kennengelernt hättest, was wäre dann? Das Frage ich mich schon die ganze Zeit."

"Unter anderen Umständen. Ich glaube ich würde alles daran setzen sie zu bekommen und nie mehr los zu lassen."

"Du magst sie also wirklich? Es ist nicht nur etwas vorübergehendes für dich?"

"Ich träume jede Nacht von ihr. Wenn ich ihr Lachen höre, möchte ich der Grund sein. Wenn Sie so traurig drein sieht, würde ich am Liebsten jeden, der nur entfernt damit zu tun hat, den Kopf abreißen und sie gleichzeitig in meine Arme schließen. Ich würde sie bis ans Ende der Welt begleiten, nur um sicher zu gehen, dass es ihr gut geht."

"Immer, wenn Sophia in den Raum kommt, sehe ich zu dir rüber. Dein Blick wird dann immer so liebevoll und verträumt. Versteh mich nicht falsch, Paciano, ich bin immer noch nicht begeistert von der Vorstellung, dich in ihrer Nähe zu wissen. Aber wenn du ihr nicht weh tust und sie dich wirklich genau so mag, wie du sie, dann werde ich mich hüten zwischen euch zu stehen.“

„Ich danke dir, Clarus.“

„Ja, ja. Und jetzt genug geredet. Los geht’s.“

Ein Klopfen schreckt Sophia hoch. War sie jetzt wirklich eingeschlafen? „Ja?“

„Sophia? Hast du etwa geschlafen?“ Alben grinst sie an.

„Ähm“, Sophia wird rot. „Was gibt’s denn?“

„Ich dachte, wir wollten runter gehen.“

„Achja, ich bin sofort da. Ich will mich nur noch schnell umziehen.“

Kurz darauf steht Sophia in Jeans und T-Shirt vor Alben. „Von mir aus kann es losgehen.“

„Na dann. Die Wachen vor der Tür werden uns wahrscheinlich begleiten.“

„Solange sie mir nicht beim Umziehen zusehen.“

„Das will ich ihnen nicht raten.“

Wie auf ein unsichtbares Kommando hin fangen Alben und Sophia an zu lachen. Immer wieder losprustend gehen sie hinunter in das Geschäft des Hotels. Alben wird standesgemäß begrüßt. Sophia hingegen werden Blicke zugeworfen, durch die sie sich sichtlich nicht gerade wohl in ihrer Haut fühlt.

Zielstrebig geht Alben mit Sophia in die Ecke wo eine kleine Auswahl an Bademode zu finden ist. Die Versuche der Verkäuferinnen ihn in ein Gespräch zu verwickeln oder ihm weiter zu helfen, schlägt Alben geschickt und diplomatisch aus.

Kaum sind Alben und Sophia außer Hörweite, spricht Sophia ihn an: „Meinst du sie denken, ich wäre deine Geliebte?“

„Ihren Blicken nach zu urteilen? Ich fürchte schon.“

„Du fürchtest? Mir behagt das ja auch nicht, aber warum ziehst du deswegen so ein ernstes Gesicht?“

„Stell dir vor, irgendjemand von ihnen fängt an der Presse gegenüber zu erwähnen, dass ich eine Geliebte habe, mit ihr im besten Hotel von ganz Omnispare bin und die drucken das auch noch.“

„Keine sonderlich schöne Vorstellung.“

„Eben.“ Alben wendet sich den Wachen zu. „Könnte jemand von Ihnen bitte dafür sorgen, dass dieser Fall nicht eintritt? Verbindlichsten Dank.“

Die beiden Wachen sehen sich an, als würden sie stumm darüber diskutieren wer diese leidige Aufgabe übernehmen sollte. Schließlich senkt einer der beiden den Blick und geht hinüber zu den Damen.

Alben sieht sich in der Zwischenzeit bereits bei der Bademode um. „Was stellst du dir denn so vor, Sophia?“

„Naja, es sollte nichts zu knappes sein und möglichst nicht in irgendwelchen schrillen Farben. Was meinst du dazu?“ Zielsicher greift Sophia zu einem Bikini. Ein eher schlichtes Modell in schwarz mit kleinen Strass Steinchen umrandet.

„Ich würde sagen, wir haben das perfekte Modell gefunden. Weißt du, ich bin echt begeistert welche Fortschritte du in den letzten Tagen gemacht hast. Dein Modegeschmack ist perfekt geworden. Klassisch und zurückhaltend. Genau das, was du am Hofe tragen werden musst. Trotzdem bleibt jedoch dein individueller Stil. Auch deine Sprache hat sich verbessert. Du drückst dich nun um einiges gewählter aus und scheinst wirklich zu überlegen wann du was sagen sollst. Ich bin wirklich stolz auf dich. Du wirst eine großartige Königin abgeben.“

Sophia ist gerührt. Ihr treten Tränen in die Augen. „Ich danke dir, Alben. Aber so fühle ich mich überhaupt nicht.“ Sophia legt kurz eine Pause ein, während Alben ihren neuen Bikini bezahlt.

Alben ist es anzusehen, dass er am liebsten nachgefragt hätte. Doch er weiß, will er, dass sie sich ihm gegenüber öffnet, muss sie von alleine beginnen zu sprechen.

Das Schweigen, das sich über Sophia und Alben gelegt hat, hält an, bis sie im Wellnessbereich ankommen und im Wasser des großen Schwimmbeckens sind.

„Ich habe unsere Herren Sicherheitskräfte davon überzeugen können, dass sie uns viel leichter bewachen können, wenn wir den Wellnessbereich für uns alleine haben.“, antwortet Alben auf den verwunderten Blick von Sophia.

„Ach so. Sag mal Alben, wie lange dauert es eigentlich, bis die DNA-Probe ausgewertet ist?“

„Naja. Grundsätzlich zwischen einer und vier Wochen. Aber keine Sorge, dein Fall ist dringend, also glaube ich kaum, dass sie länger wie eine Woche Zeit bekommen.“

„Das würde bedeuten, wir müssen noch eine ganze Woche hier bleiben.“

„Wahrscheinlich. Aber glaube mir, diese Woche wird ganz schnell vergehen.“

Alben sollte Recht behalten.

Kapitel 7

 Eine Woche ist nun vergangen. Genauso wie Alben es gesagt hatte, vergingen die letzten sieben Tage wie im Flug. Sophia hatte sich einen freien Tag erbeten und schläft deswegen noch friedlich, während außerhalb ihrer Zimmertür die drei Männer aufgescheucht herumrennen. Paciano hat zufällig durch das Fenster gesehen, wie ein Auto der Regierung vor gefahren ist. Jetzt geben sie sich Mühe, noch etwas zusammen zu räumen, bevor der Abgesandte heraufkommt.

„Sollten wir nicht Sophia wecken?“

„Ich wusste wir haben etwas vergessen!“, Alben klingt leicht verzweifelt.

„Los, Paciano, hol sie.“ Clarus klingt nicht besser.

„Alles klar.“ Schon steht Paciano vor Sophias Tür. „Sophia?“, fragt er vorsichtig, während er klopft.

Von drinnen ist bloß das Rascheln der Decke und ein leises Murmeln das mit viel Mühe als "Nur noch fünf Minuten" zu entziffern ist.

„Was gibt’s denn da zu lachen, Paciano?“

„Ähm… Ich hab nur gerade an etwas Lustiges denken müssen.“, antwortet er Clarus. „Sophia?“

Noch immer keine Antwort. Mit einem kurzen Blick auf Alben und Clarus, welche jedoch nicht auf ihn achten, öffnet Paciano die Tür zu Sophias Zimmer.

„Sophia?"

Pacianos Augen suchen das abgedunkelte Zimmer ab. Schließlich sieht er Sophia in ihre Decke eingewickelt. Der Kopf ist ebenfalls unter der Decke versteckt. Die Situation bringt ihn zum Lachen.

Von Pacianos Lachen aufgeweckt, hebt Sophia verschlafen den Kopf. „Was denn?“, als Sophia erkennt, das Paciano im Zimmer steht, läuft sie rot an und hebt ihre Decke etwas höher.

Auch Pacianos Gesicht nimmt eine zarte Röte an. „Ähm, der Abgesandte des Hofes ist gleich hier. Du sollst dich möglichst schnell anziehen und fertig machen.“

„In Ordnung.“, weder Sophia noch Paciano rührt sich. Beide sehen sich einfach nur an.

Der Moment wird davon zerstört, dass Clarus an die Tür klopft. „Was dauert denn so lange? Sie sind gleich hier!“

Dieser Satz von Clarus scheint Paciano wieder ins Hier und Jetzt zu befördern, denn er dreht sich ohne ein Wort zu sagen um und tritt aus dem Zimmer. Zurück bleibt eine verwirrte Sophia, die noch eine kurze Weile in ihrem Bett verweilt, bis sie aufspringt und prompt über ihre Decke fliegt, die sich um ihre Füße geschlungen hatte.

Von dem Geräusch der stürzenden Sophia aufgeschreckt, stehen plötzlich Alben, Clarus und Paciano im Raum. Letzterer ist der erste, der seine Sprache findet.

„Sophia? Alles in Ordnung?“

„Ja, ich, ähm, bin nur gestolpert. Alles gut. Ich muss mich nur beeilen, also wenn ihr dann draußen warten könntet.“, kommt etwas verlegen und deutlich nervös von der noch immer am Boden liegenden Sophia. Sie steht erst auf, als sie die Tür ins Schloss fallen hört.

So schnell war Sophia noch nie fertig. Binnen fünf Minuten ist sie angezogen, die Haare sind grob hochgesteckt, ihre Augen sind von etwas Wimperntusche umrundet und die Lippen mithilfe etwas Lippgloss betont.

Jetzt steht Sophia vor der Tür, die ins Wohnzimmer führt. Sie traut sie sich nicht öffnen. Was wenn der DNA-Test herausgebracht hat, dass sie gar nicht die Tochter von Patrice ist? Was wenn der Test zwar das wünschenswerte Ergebnis herausgebracht hat, Albens Eltern aber trotzdem nicht willig waren ihr die Krone zu übergeben? Wollte sie das überhaupt? Sie, ein einfaches Mädchen, plötzlich Herrscherin über ein ganzes Land, ein ganzes Volk? War sie wirklich bereit dafür?

Einmal tief durchatmen, die Haltung korrigieren, Rücken gerade machen, die Schultern zurück, das Kinn etwas anheben, die Hände vor der unteren Rippenpartie aufeinanderlegen, Handflächen nach oben. Noch einmal in den Spiegel sehen, dann die Tür öffnen.

Als Sophia in den Raum tritt, verstummen gerade noch gesprochene Worte. Der Abgesandte sitzt auf dem Sofa, zwei Wachen stehen hinter ihm. Alben sitzt auf dem Sessel rechts daneben, Clarus und Paciano stehen ebenfalls hinter ihm. Alle Augen sind auf Sophia gerichtet. Diese atmet noch einmal durch, tritt in den Raum, schließt ihre Zimmertür, geht einen Schritt und senkt kurz den Kopf zur Begrüßung. Währenddessen stellen sich Paciano und einer der Wachen sich zu ihr.

Der Abgesandte, ein Mann um die Vierzig, mit einer Glatze, welcher in einem perfekt sitzendem grauen Anzug steckt, erhebt sich und verbeugt sich vor Sophia. „Mylady. Es ist mir eine unbeschreibliche Ehre Euch kennenzulernen.“

„Es freut uns Sie hier begrüßen zu dürfen.“, antwortet Sophia mit einem unsicheren Seitenblick auf Alben. Dieser nickt ihr zu. Sie hat die erste Hürde erfolgreich überwunden.

„Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Graf Constinus von Benenotus. Meine Familie steht bereits seit Jahrzehnten der Familie Princeps beratend und treu zur Seite. Ich wurde heute hier zu Euch geschickt, Mylady, um Euch das Ergebnis des DNA-Tests, welcher über das Verwandschaftsverhältnisses zwischen Euch, Mylady, und dem verstorbenen Patrice Princeps, Kronprinz von Omnispare, aufklären sollte. Ohne weitere Umschweifen, werde ich nun das“

Noch während Constinus redet, führt ein Knall dazu, dass sich alle Gesichter in Richtung des Fensters drehen. Doch zu spät. Glasscherben sind davor verteilt, ein Stein liegt auf dem Tisch. Binnen Sekunden kommt Leben in das Zimmer. Clarus bringt Alben zum Boden, deutet ihm liegen zu bleiben. Genauso geschieht es auch mit Sophia, die nicht weiß wie ihr geschieht und Constinus. Nachdem nach einigen Minuten nichts passiert ist, stehen die Wachen auf.

Schließlich sieht Alben Sophia an. Er ist ganz blass im Gesicht. Sein Blick jedoch, spricht Bände. Er macht sich Sorgen. Er weiß, was los ist. Auch Constinus scheint diese Situation nicht neu zu sein. Doch auch in seinem Blick ist Sorge auszumachen.

Einen Kopf über ihnen, gehen die Wachen mit gezückten Waffen auf das Fenster zu. Oder zumindest das, was übriggeblieben ist. Clarus führt die kleine Mannschaft an. Vorsichtig sieht er auf die Straße hinaus. Doch nichts, was er sieht gibt einen Hinweis auf das, was passiert ist. Menschen gehen vorüber, eine Kreuzungen weiter ist ein Markt. Der erste Stand verkauft etwas, dass wie Gurken aussieht. Die Geschäfte gegenüber sehen ebenfalls unauffällig aus.

„Validus, geh und checke die Überwachungskameras vom gesamten Gebäude, ob irgendetwas auffälliges vor sich geht. Fidus, ruf bei der Stadtverwaltung an, ich will die Aufnahmen von den Straßenkameras. Paciano, ruf im Schloss an, ich will mindestens zehn weitere Leute hier haben und sie sollen ein Auto schicken, wir bringen Sophia, Alben und Constinus in Schloss. Sie sollen alles vorbereiten. In einer halben Stunde sind wir hier weg. Sophia Justice, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Alben mit Ihnen ebenfalls?“

Während von Sophia bloß ein kleines Nicken kommt, gibt Alben ein leises „Ja“ von sich.

Fidus und Paciano verschwinden in einem anderen Zimmer, Validus geht vorsichtig, immer auf seine Deckung achtend aus dem Raum.

„In Ordnung, Sophia Justice, Alben, Constinus, folgt mir, wir gehen fürs erste in Euer Zimmer, Sophia.“

„Clarus, war ist los? Was soll das?“

„Später, Mylady, erst einmal ist es wichtig, dass wir Euch und Prinz Alben in Sicherheit bringen, hab ich nicht recht, Clarus?“

„In der Tat, Graf Benenotus. Also, darf ich bitten?“

Clarus geht voran, die Übrigen folgen im Gänsemarsch. Schließlich verteilen sich alle im Raum, Clarus in der Nähe der Tür, Alben und Sophia am Bett, Constinus im Sessel neben dem Bett. Die nächsten Minuten vergehen im Schweigen.

„Was ist denn nun das Ergebnis des DNA-Tests, Constinus?“, ergreift Alben das Wort.

„Nun, es ist zu 99,99% sicher, dass Ihr, Mylady eine Princeps seit. Patrice Princeps war ohne jeglichen Zweifel Euer Vater.“

Wieder Stille. Auf einmal ein Klopfen. Pause. Zweimal Klopfen. Pause. Einmal Klopfen. Pause. Eine Faust schlägt gegen die Tür. Clarus öffnet die Tür. Herein kommt Paciano.

„Verstärkung ist unterwegs. Sie schicken mehr Leute als du wolltest. Ich hab mir den Stein angesehen. Die übliche Nachricht.“

„Übliche Nachricht? Das passiert öfter?“, Sophia klingt wirklich verzweifelt.

„Wie bereits gesagt, Mylady, das klären wir wenn wir Euch in Sicherheit gebracht haben.“

„Alben?“

„Entschuldige Sophia, aber ich werde auch nicht jetzt darüber reden. Wir müssen hier zuerst weg. Paciano, wissen Sie ob meine Eltern informiert wurden?“

„Ich bedaure, Mylord, das weiß ich nicht.“, auch wenn Paciano mit Alben redet, so sind seine Augen doch auf Sophia gerichtet.

Weitere Minuten des Schweigens vergehen, wieder ertönt das Klopfzeichen, es tritt Fidus ein.

„Die Aufnahmen werden direkt an die Informatik-Abteilung im Schloss gesendet, die werden es sofort auswerten und dir die Ergebnisse mitteilen, Clarus.“

Der Angesprochene nickt bloß.

Die Minuten vergehen ohne das irgendjemand ein Wort spricht. Immer wieder huschen die aufmerksamen Augen der Wachen zu Sophia. Nachdem es jetzt definitiv feststeht, dass Sophia die Tochter von Patrice ist, gilt es nun vor allem sie zu schützen. Komme was wolle. Dessen sind sich alle bewusst. Alle, bis auf Sophia.

Langsam aber sicher kommt Sophia wieder ins Grübeln ob sie die richtige Entscheidung getroffen hat. Ihr war nicht bewusst gewesen, in welche Gefahr sie sich bringt. Nichts desto trotz ist es ihr immer noch wichtiger das Allgemeinwohl über ihr eigenes zu stellen. Aber würde auch sie damit glücklich werden?

Sophia wird in ihren Gedankengängen unterbrochen, als wieder ein Klopfzeichen ertönt. Als Clarus die Tür dieses mal öffnet, stehen fast zwanzig Leute, alle bewaffnet, mit Schutzwesten ausgestattet und die typische Uniform der Schlosswachen tragend, davor.

Clarus wird mit einem Nicken begrüßt, vor Alben und Sophia verbeugen sie sich. Auch Validus ist unter ihnen. Dieser meldet sich nun zu Wort: „Nichts auffälliges, laut den Sicherheitsbeamten alles wie immer. Die Eingangshalle und das Treppenhaus wurden geräumt. Die Wagen stehen am Hinterausgang bereit.“

Wieder nickt Clarus. Dann beginnt er die Wachen einzuteilen. Fünf gehen voraus, zwei nehmen jeweils Alben und Constinus in die Mitte, um Sophia stellen sich drei, das Schlusslicht übernehmen wieder Fünf.

In dieser Einteilung geht es nach unten. Bei jedem Geräusch zuckt Sophia zusammen. Sie würde sich um einiges wohler fühlen, würde sie Bescheid wissen um was es hier eigentlich geht. Aber gut, was noch nicht ist, kann ja noch werden. Sie nimmt sich vor, sofort nach ihrer Ankunft im Schloss nachzufragen, was denn nun eigentlich los ist.

Stockwerk für Stockwerk geht es hinunter. Immer wieder wird angehalten und ein Teil der Vorhut sieht nach, ob die Luft rein ist. Stufe für Stufe geht es dem neuen Leben von Sophia immer näher. Schließlich ist die Gruppe im Erdgeschoss angelangt. Ein Stück müssen sie durch die Eingangshalle gehen.

Clarus, der die Truppe anführt bleibt kurz stehen. Atmet einmal durch. Sieht sich nach seinen Männern um, blickt dabei direkt Alben ins Gesicht, der ihm zunickt. Clarus wendet sich wieder der Tür zu, gibt seinen Männern ein Zeichen und tritt durch die Tür.

Sofort liegt die Aufmerksamkeit der wenigen Anwesenden in der Eingangshalle auf der Gruppe. Die Sicherheitsbeamten wirken etwas nervös. Ist wahrscheinlich nicht alltäglich das derart viele Männer in der Uniform der Schlosswachen hindurch marschieren. Noch dazu in Begleitung von Alben, dem noch Kronprinzen. Wie Validus gesagt hatte, wurde die Halle geräumt. Bis auf die Sicherheitsbeamten und die drei Angestellten an der Rezeption ist niemand zu sehen.

Die Blicke nicht beachten, setzt die Gruppe ihren Weg fort. Durch die Halle, durch die Tür, die eigentlich nur für Angestellte vorgesehen ist. Vorbei an mehreren Türen. Den Weg durch flackernde gelbliche Lampen geleuchtet.

Unwillkürlich wird Clarus schneller. Desto eher sie diesen grauen und tristen Gang hinter sich haben würden, desto eher würde er aufatmen können. Nichtsdestotrotz ist ihm bewusst, dass die gefährlichste Stelle, wenn sie aus dem Gebäude treten würden, noch vor ihnen liegt.

Endlich ist die Türe in Sicht, die ihnen den Weg nach draußen weisen sollte. Kurz davor bleibt Clarus wieder stehen. Ein geflüstertes „Achtung jetzt“, lässt alle noch aufmerksamer, sofern dies überhaupt möglich ist, werden.

Die Gruppe formiert sich um. Alben, Constinus und Sophia werden in die Mitte genommen, um sie herum zehn Wachen, die übrigen sieben öffnen vorsichtig die Tür und treten durch. Zwei Schüsse sind zu hören. Dann Stille.

Ein paar Minuten rührt sich niemand. Alle sind angespannt. Sophias Finger zucken. Was ist bloß passiert? Wurde jemand verletzt?

Dann, ein Geräusch. Jemand legt die Hand auf die Türklinke. Die Wachen reagieren schnell. Einer sichert den Rücken, die anderen stellen sich vor Sophia, Alben und Mr. _____ und verdecken Sophia damit die Sicht.

Alles was sie hört ist, dass jemand die Türe öffnet. Sophia bemerkt, wie sich die Wachen vor ihr langsam entspannen.

„Alles klar, ab zum Wagen.“, kommt von Clarus.

Die Gruppe formatiert sich wieder in die ursprüngliche Formatierung zurück. Geschlossen, ohne dass irgendwer ein Wort spricht, wird der kurze Weg zur Autokolonne zurückgelegt.

Kapitel 8

 

Im Auto angekommen wird das Schweigen weitergeführt. Erst nach ein paar Minuten, wendet sich Clarus an Sophia: „Alles in Ordnung Sophia Justine?“

„Ja, danke.“

Wieder schweigen. Nach schier endloser Zeit kommen die Wagen im Schloss an.

Sophia schließt kurz die Augen und lässt die letzten Wochen Revue passieren.

Wie sie plötzlich erfährt, wer ihr Vater war. Wie sie erfährt, was wirklich mit ihrer Mutter geschehen ist. Die schwerwiegende Entscheidung die sie treffen musste. Die Woche voll mit Training. Die Nachricht, dass Alben Recht hatte. Die überstürzte Abfahrt.

Vieles war passiert, vieles wird noch passieren. Ab jetzt fängt ihr neues Leben an. Mit der Gewissheit, dass sie alles richtig gemacht hat und weiterhin ihr Bestes geben wird, öffnet Sophia die Augen.

Sophia sieht Alben und Clarus an, nickt ihnen zu und lässt sich von Paciano aus dem Wagen helfen.

Vor dem Wagen warten Albens Vater und Mutter. Als schließlich alle ausgestiegen sind, beginnt der König zu sprechen.

„Ist alles in Ordnung mit euch? Ist euch etwas passiert?“

„Von uns wurde niemand verletzt“, antwortet Alben.

„Gut. Sophia, es ist uns eine Freude dich in der Familie begrüßen zu dürfen. Ich bin sicher, dass du dich gut einleben wirst. Darf ich dir vorstellen: Das sind deine Zofen Maria und Anna. Sie werden dir dein Zimmer zeigen. Es gibt um Punkt 12 Uhr Mittagessen. Bitte sei pünktlich.“ Ist am Anfang noch Erleichterung in der Stimme des Königs zu hören, so wird seine Stimme immer kälter, je länger er mit Sophia spricht.

Alben würde ihn am liebsten schütteln, ihn anschreien, dass er so doch nicht mit seiner Großnichte reden kann. Die Hand Sophias, die sie ihm auf den Arm legt, hindert ihn daran.

„Ich danke Euch, Majestät“, antwortet diese.

Ohne ein weiteres Wort drehen sich die Eltern von Alben um und gehen. Auch die Wachen haben sich schon ziemlich verteilt, so dass schließlich nur noch Sophia, Alben, Clarus, Paciano, Anna und Maria sowie zwei Wachen da stehen.

Nach dem die kleine Gruppe noch etwas dagestanden ist, räuspert sich Clarus. „Ich denke es wird Zeit für mich und Paciano uns zu verabschieden. Wir haben einiges aufzuholen und es gibt schließlich immer etwas zu tun. Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag, Mylady.“

Auch Paciano verabschiedet sich und schon sind auch die beiden weg.

„Weißt du Sophia, auch für sie ist die Situation neu. Sie kennen weder deine Absichten noch dich. Von heute auf morgen ändert sich alles und alles was sie geplant hatten, sei es für mich oder für ihre eigene Zukunft fließt nun den Bach runter. Gib ihnen etwas Zeit. Sie werden sich schon beruhigen.“

Sophia atmet einmal durch. „Ich fürchte, dass es nicht so leicht ist wie du sagst.“

Sophia strafft noch einmal ihre Schultern, setzt sich wieder das Lächeln auf, das bei den kalten Worten ihres Königs verloren gegangen ist und dreht sich zu ihren Zofen um. „Wenn ihr nun so freundlich wärt, mir mein Zimmer zu zeigen. Es ist zwar noch nicht recht spät, und eigentlich haben wir auch nicht mehr soviel Zeit, aber ich glaube es würde mir guttun, mich etwas hinzulegen.“

„Natürlich“, kommt es gleichzeitig von den knicksenden Zofen.

„Bis später Alben“, verabschiedet sich Sophia und geht mit den Zofen. Die beiden Wachen folgen ihnen.

Zurück bleibt ein etwas verzweifelter Alben. Er atmet einmal tief durch und will sich auch gerade seinem Zimmer zuwenden, als ihn ein schwerer Hustenanfall durchschüttelt. Die Wachen, die sofort angerannt kommen, helfen ihm halbwegs aufrecht stehen zu bleiben und bringen ihn schließlich auf sein Zimmer, wo er sich sichtlich erschöpft auf sein Bett fallen lässt.

Währenddessen kommt Sophia in ihrem Zimmer an. Voller Erstaunen sieht sie sich. Es ist in einem hellen Creme gehalten, ab und zu goldenen Ornamente. Der Kronleuchter, der genau in der Mitte des Zimmers aufgehängt wurde, ist ebenfalls golden. Gegenüber von der Tür, vor der Sophia immer noch steht, ist eine verglaste Doppeltür angebracht worden, durch die sie augenscheinlich auf einen Balkon kommt. Neben der Tür sind bodenlange Fenster, die ebenfalls einen Blick auf den Balkon freigeben. Neben Fenster und Türflügeln sind schwerer Vorhänge in einem Goldton angebracht. Sophia lässt ihren Blick weiter schweifen. An der Wand zu ihrer Rechten geht eine Tür weg. Etwas weiter an dieser Wand steht ein wunderschönes, großes Himmelbett. Die Bettwäsche ist im Grundton des Zimmers gehalten, die Tücher, die von den dunkel-hölzernen Stangen hängen, sehen aus als fließe das Gold herunter. Unter dem Kronleuchter, in der Mitte des Zimmers steht ein runder Tisch, rundherum sind ein paar Sessel, darauf stehen bunte Blumen. Auch hier ist das Holz sehr dunkel. An der linken Wand steht eine, aus dunklem Holz gemachte, Frisierkommode. In der Mitte dieser Wand ist ein Kamin eingelassen. Davor steht ein Sofa, daneben noch ein Bücherregal. Links neben Sophia befindet sich ein großer Kleiderschrank.

Während Sophia das Zimmer mustert, dass ab sofort das ihrige sein soll, bekommt sie nicht mit, wie ihre Zofen sie beobachten. Schließlich traut sich eine von ihnen, Sophia anzusprechen: „Gefällt es Ihnen?“

„Es ist wunderschön“, Sophias Stimme zittert etwas, so überwältigt ist sie von der Schönheit des Zimmers.

„Diese Tür hier geht in das Badezimmer“, setzt die andere Zofe an und macht sich auf den Weg um die Tür zu öffnen.

Sophia folgt ihr neugierig. Im Gegensatz zu diesem Badezimmer ist das vom Hotel gar nichts. Rechts von der Tür steht die Toilette, auf der linken Seite ein Waschbecken, daneben ein großer Schrank. Auch hier sind bodenlange Fenster eingebaut worden, jedoch sind die schweren Vorhänge nicht golden sondern in einem hellen Grün. Auf der der Tür gegenüberliegenden Wand ist eine große Dusche angebracht, deren Wände aus Glas sind. Mitten im Raum steht eine große Badewanne. Im ganzen Raum sind die verschiedensten Pflanzen verteilt worden. Efeu, dass die Wände hoch-wächst, Pflanzen, die von der Decke hängen, Rosenstöcke, die mit Kerzenhaltern abwechselnd rund um die Badewanne gestellt wurden. Dieser Raum vermittelt das Gefühl, in der freien Natur zu stehen. Nur eben in einem Zimmer. In einem Badezimmer.

Die Zofen von Sophia scheinen ihr Schweigen falsch zu deuten. „Wenn es Ihnen nicht gefällt, können wir die Pflanzen wegbringen lassen.“

„Bitte nicht“, unterbricht Sophia auch schon. Es ist perfekt so wie es ist. Eine kleine Oase der Entspannung.“

Plötzlich klopft es an der Tür. Bevor Sophia reagieren kann, eilt bereits eine ihrer Zofen zur Tür.

„Ah, der Tee. Herzlichen Dank, meine Liebe!“

Neugierig geht Sophia in das Schlafzimmer zurück. Ihre zweite Zofe folgt ihr.

„Wir haben uns erlaubt, Tee zu bestellen. Ihr mögt doch Tee?“

„Ja, vielen Dank“, gibt Sophia leicht überrumpelt zurück.

„Dieser Grüntee sollte Ihnen etwas Kraft und Energie für den restlichen Tag geben. So wie wir das gehört haben, hatten Sie ja einen etwas turbulenten Start in den Tag. Bitte, setzen Sie sich.“

„Naja, etwas hektisch, aber das bin ich gewöhnt. An was ich mich wahrscheinlich nie gewöhnen werde, sind die Männer mit Waffen, die um mich herumtänzeln. Schlimmer noch, auch nicht davor zurückschrecken, diese zu gebrauchen.“

„Sie dürfen aber auch nicht vergessen, dass diese dies nur für den Schutz der Königsfamilie machen“, merkte die jüngere der beiden Zofen an.

Nach den ersten Schlucken Tee fühlte sich Sophia tatsächlich etwas gestärkt. „Entschuldigt bitte, ich habe ganz vergessen zu fragen. Wie heißen Sie beide? Wenn ich mich richtig erinnere heißt eine von Ihnen Maria und die andere Anna?“

„Ja, ich bin Maria und das ist Anna.“

Erst jetzt schaut sich Sophia die beiden etwas genauer an. Maria, die Ältere, hat braune Haare, die sie zu einem französischen Zopf geflochten trägt. Sie ist in etwa so groß wie Sophia und hat grüne Augen. Anna dagegen hat blonde Haare, die sie in einem Dutt etwas versteckt, und blaue Augen.

„Freut mich Sie beide kennenzulernen“, fügt Sophia, sich ihrer guten Erziehung erinnernd an.

Stillschweigend genießt Sophia ihren Tee und hört Maria nur mit einem Ohr zu, die erklärt, dass bereits eine kleine Auswahl an Kleidern für sie besorgt wurde. Außerdem erklärte sie, dass Anna und sie Sophia bei der Kleiderwahl, dem Ankleiden sowie bei Make-up und Haaren helfen würden. Und auch sonst würden sie ihr rund um die Uhr, wie Maria betonte, um ihr zu helfen.

„Oh nein, wir haben die Zeit ganz vergessen. Sophia, wir müssen Sie für das Mittagessen fertig machen“, fällt Anna Maria ins Wort.

„Ist dieses Kleid denn nicht in Ordnung?“

„Doch natürlich, aber wollen Sie nicht lieber ein frisches anziehen? Vielleicht ein etwas helleres, ich denke wir haben da eines, dass Ihre Augen sehr gut zur Geltung bringen wird. Und ihre Haare könnten wir dazu hochstecken. Was meinen Sie?“, Maria scheint wirklich begeistert zu sein.

„Ähm, ok.“

„Anna, fängst du schon einmal mit den Haaren an? Ich hole das Kleid und setzte mich dann ans Make-up.“

Eine geraume Zeit später führen Maria und Anna Sophia schließlich zum Esssaal. Das graue Kleid, dass sie trägt, ähnelt dem Kleid, welches sie das letzte Mal anhatte als sie hier war. Ihre Haare sind zu einem Dutt hochgesteckt. Maria hat ihre Augen dunkelgrau umrandet und sorgsam getuscht. Fast hat Sophia den Eindruck dieses Essen wäre ihre Henkersmahlzeit. Oder sie ginge auf eine Beerdigung.

Viel zu schnell kommen sie vor der Tür des Saales an.

„Wir dürfen nicht mit hinein, aber wir werden hier auf Sie warten“, erklärt Maria.

Sophia ist nur in der Lage zu nicken. Tief durchatmend streckt sie ihren Rücken durch, hebt ihren Kopf ein wenig und setzt sich ein Lächeln auf. Schließlich überwindet sie sich und klopft an.

Wie schon das letzte Mal öffnet sich die Tür von innen und gibt den Blick auf ein großes Zimmer frei. In der Mitte des Raumes steht ein länglicher Tisch, darüber ein Kronleuchter. Auch hier sind die Farben hell gehalten, goldene Ornamente heben sich deutlich hervor.

An der Stirnseite des Tisches sitzen der König und seine Frau. Neben den beiden ist je ein Platz frei. Alle anderen sind belegt. Sämtliche Augen liegen auf Sophia

Während Sophia direkt vor der Tür steht, kann sie den nervösen Drang, sich imaginäre Falten von ihrem Kleid zu streichen, nicht verhindern.

Sophia aus dieser unangenehmen Situation befreiend, ob bewusst oder unbewusst, erhebt sich der König und spricht: „Meine Herrschaften, darf ich vorstellen? Das ist Sophia Justine, eine Freundin von Alben. Sie wird einige Zeit bei uns verweilen. Bitte, Sophia, setz dich doch zu uns.“

Völlig verdattert tut Sophia wie ihr geheißen und setzt sich neben den König. Dieser gibt ein Zeichen und schon wird der 1. Gang aufgetragen.

Jetzt ist Sophia sichtbar froh darüber, dass Alben Clarus stets darauf bestanden haben, die höfischen Sitten bei Tisch anzuwenden. Nun wusste sie zu warten, bis dass der König anfing zu essen. Sophia wusste ebenfalls die nun herrschende Stille richtig einzuordnen. Sie wusste, dass es ebenfalls an dem Königspaar lag, die Gespräche zu beginnen. Diese blieben jedoch still. So ging das Essen ruhig von statten.

Erst beim Dessert beginnt die Königin zu sprechen: „Sophia, erzähl uns doch etwas von dir!“

Was soll Sophia erzählen? Dass sie eine Weise ist? Dass sie seit ein paar Wochen weiß, dass sie doch noch eine Familie hat? Dass diese noch dazu die Königsfamilie ist? Und sie die Erbin?

Bevor Sophia dazu gezwungen ist zu antworten, geht die Tür auf. Herein kommt ein Soldat. Dieser sieht sich kurz um und verbeugt sich dann in Richtung des Königspaars. „Majestät, bitte verzeiht die Störung. Es ist soeben etwas eingetroffen, dass Ihre Aufmerksamkeit bedarf.“

„Natürlich, ich bin sofort bei Ihnen. Sophia, begleitest du uns bitte? Meine Herrschaften, machen Sie sich keine Sorgen, es ist bestimmt nur eine Kleinigkeit.“

Etwas verdattert erhebt sich auch Sophia, entschuldigt sich und folgt den beiden Herren.

Der Soldat sieht Sophia etwas skeptisch an, fängt sich jedoch schnell wieder, als er den scharfen Blick des Königs bemerkt. Er wendet sich ab und geht voran.

Nach einiger Zeit lässt sich der König mit Sophia etwas zurückfallen.

Sophia ergreift die Chance und fragt: „Verzeiht mir, Majestät, aber weshalb wolltet Ihr, dass ich mitkomme?“

„Weißt du, Sophia, ich bin natürlich nicht ganz glücklich über dein plötzliches Auftauchen. Aber es ist wie es ist. Du bist die rechtmäßige Erbin. Ich bitte dich nur, dass du dein Amt nicht sofort übernimmst. Lass dir etwas Zeit, lerne, was du lernen musst. Ich möchte nur, und da stimmst du sicher mit mir überein, dass es unserem Volk gut geht. Ich möchte, dass du unser Volk gut regieren kannst. Ich werde dir so gut es mir möglich ist, unter die Arme greifen und dir alles beibringen, was du brauchst“, mit diesen Worten nickt er Sophia noch einmal zu und schließt dann zum Soldaten auf.

Sophia bleibt noch etwas zurück. Ihr Gesicht wirkt verschlossen, in sich gekehrt. Schließlich schüttelt sie den Kopf, als wolle sie die Gedanken verscheuchen und beschleunigt ebenfalls ihre Schritte.

Kaum, dass Sophia wieder aufgeschlossen hat, spricht der König den Soldat an: „Worum geht es denn nun?“

Wieder ein kurzer Blick auf Sophia, dann fängt der Soldat zu sprechen an: „Unsere Männer sind zurück gekommen. Es sind einige neue Informationen eingetroffen. Es sind zwar noch nicht alle ausgewertet, die die bereits ausgewertet wurden, sind jedoch Besorgnis erregend!“

„Verzeihung, von wo kommen die Männer zurück?“

„Dazu müssen wir etwas weiter weg anfangen. Hast du schon einmal von der Gruppe Exspectatio gehört? Das ist eine Zusammenschließung von Menschen, die die Königsfamilie stürzen beziehungsweise absetzen wollen. Sie müssen gut sein, denn sie haben sich vor unserer Nase zusammengeschlossen, ohne dass wir es gemerkt haben.“

„Dies bezüglich gibt es neue Informationen, Majestät“, meldet sich der Soldat wieder, „also, über ihre Ziele.“

„In Ordnung, dass sehen wir uns später noch an. Jedenfalls greift Exspectatio immer verstärkter Städte an und auch viele Mitglieder unserer Familie. Wir müssen dringend durchgreifen! Deswegen sind unsere Männer los, um Informationen einzuholen und so eine Möglichkeit zu suchen, sie auszuschalten.“

„Habt Ihr denn schon versucht mit ihnen zu reden?“, Sophia bleibt stehen.

„Sophia, unschuldige Menschen werden verletzt! Was sollen wir da mit reden bewirken können? Sie auszuschalten ist die beste Lösung für alle!“

„Für alle oder für Euch?“

„Was glaubst du eigentlich mit wem du redest? Du hast den König vor dir stehen! Was fällt dir ein!“, schaltet sich der Soldat ein.

„Es war nicht meine Absicht Euch zu beleidigen. Ich frage mich nur, ob auch wirklich alle Möglichkeiten zur friedfertigen Lösung dieses Problems genutzt wurden. So wie es sich für mich anhört, habt Ihr Euch einfach für den einfacheren Weg entschieden.“

„Hast du sie eigentlich noch alle? Du redest mit dem König! Hast du überhaupt keine Manieren?“, das Gesicht des Soldaten wird rot.

„Sie sollten sich lieber nicht in Sachen einmischen von denen Sie keine Ahnung haben! Bei allem vorhandenen Respekt, Majestät, wenn Eure Politik derart engstirnig ist, dann möchte ich nicht von Euch darin unterrichtet werden.“

Kapitel 9

 

Der König und der Soldat sehen Sophia verdattert an. Woher nimmt sie nur den Mut so mit ihnen zu sprechen?

„Sollten wir nicht weiter gehen?“, fragt Sophia, immer noch aufgebracht.

Ohne ein weiteres Wort gehen die drei weiter. Stiegen rauf und runter, nach rechts, dann wieder nach links. Immer länger und verwirrender wird der Weg.

Schließlich bleibt der Soldat vor einer unscheinbar wirkenden Tür stehen. Er öffnet die Tür, lässt den König und Sophia den Vortritt und nachdem er den Raum ebenfalls betreten hat, schließt er die Tür wieder.

Sophia hatte viel erwartet, doch das nicht. Sie steht mitten in einem Raum in dem quasi überall Computer stehen. Es herrscht ein emsiges Treiben. Immer wieder laufen verschiedene Menschen im Raum herum. Der Raum hat keine Fenster und die Wände sind kahl und grau. Die Deckenlampe wirft kaum Licht ab, im Gegensatz zu den Computern. Die Luft ist stickig und dick.

Kaum bemerken die Leute, wer sich im Raum befindet, wird es ruhig. Niemand bewegt sich mehr durch den Raum. Als hätten sie sich abgesprochen, stehen die noch sitzenden auf und neigen alle auf einmal ihre Köpfe.

„Siehst du das, Sophia?“, fragt der König. „Sie alle vertrauen mir, sie respektieren meine Entscheidungen und unterstützen mich bedingungslos. Ich treffe die Entscheidungen so, dass sie das Gemeinwohl fördern. Du hörst mir nicht einmal fünf Minuten zu und stellst alles in Frage. Wieso?“

„Weil es mir so beigebracht wurde. Meine Mutter hat immer gesagt, dass sei das Wichtigste! Alles hinterfragen. Selbst Antworten auf diese Fragen zu finden. Nicht nur meiner Mutter war das wichtig. Mein Vater hat mir einen Brief geschrieben. Darin hat er dies auch betont. Er meinte, dass viele versuchen würden mich zu beeinflussen. Ich möchte mir meine Gedanken selbst erarbeiten. Möchte selbst entscheiden, mir ein Bild von einer Situation machen, so wie ich sie sehe, nicht wie andere. Ich halte den Weg, den Ihr eingeschlagen habt vielleicht nicht für richtig, dass bedeutet aber nicht, dass er nicht zu einer Lösung dieses Problems führen kann. Ich sage nur, dass ich es zuerst anders versucht hätte.“

„In meiner Jugend war ich genau so utopisch wie du, Sophia. Ich musste feststellen, dass die Welt anders funktioniert, als ich es mir erträumte. Ich will dir nur helfen, damit du es leichter hast.“

„Habt Ihr dies feststellen müssen oder ist es Euch eingebläut worden? Majestät, ich habe Geschichten von meiner Großmutter gehört, die mich zu der Überzeugung führen, dass an diesem Hof bereits seit Generationen etwas schief geht. Was ist mit dem Familienmotto?“

„Was soll damit sein? Und du kanntest deine Großmutter nie! Du hast keine Ahnung wie sie war. Sie war die stärkste, klügste und liebevollste Frau, die ich kenne“, mit jedem Wort wird die Stimme des Königs schärfer.

„Bei allem Respekt, Majestät, ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass sie sowohl für den Tod meines Vaters, als auch für den meiner Mutter verantwortlich war.“

„Dein Vater war ein verantwortungsloser, ignoranter Bursche, dem die nötige Reife fehlte um seine Entscheidungen mit Weitblick zu treffen!“

„In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas. Mein Vater hat aus Liebe gehandelt! Er wollte nur die Freiheit mit meiner Mutter leben zu dürfen! Und das haben sie auch getan. Zumindest bis sich Großmutter eingemischt hat und meine Familie zerstört hat!“

Sophia will noch mehr sagen, doch in diesem Moment geht die Tür auf und ein ziemlich abgehetzter Alben kommt herein. Er blickt sich im Raum um. Die eigentlich hier beschäftigten Leute haben sich in die vermeintlich hinterste Ecke zurückgezogen. Sophia und sein Vater stehen sich gegenüber. Er mit der Falte auf der Stirn, die er immer hat, wenn er sauer ist. Sie die Hände in die Hüften gestemmt, augenscheinlich auch aufgebracht. „Was ist denn hier los?“

„Alben! Du solltest deiner kleinen Freundin hier vielleicht mal Manieren beibringen!“

„Ich habe mich stets höflich, wenn auch direkt und ehrlich ausgedrückt. Ihr wart es, der auf meinen Vater geschimpft hat!“

„Ich habe bloß die Wahrheit gesagt! Wenn du damit nicht zurecht kommst, ist das nicht mein Problem! Es mangelt dir an der nötigen Reife um derartiges zu verstehen!“

„Ihr seht die Welt bloß so, wie ihr sie sehen wollt, ob es stimmt oder nicht ist Euch egal. Gleichzeitig wählt Ihr den bequemsten Weg, ob dabei andere zu Schaden kommen, interessiert Euch nicht!“

„Was erlaubst du dir? Du glaubst also, mich zu kennen?“

„Mitnichten, Eure Majestät. Das ist meine Einschätzung von Euch, die ich alleine in den letzten paar Minuten aufgestellt habe.“

„Es reicht! Vater, du magst ein ganz anderes Bild von Patrice haben, wie Sophia. Aber das bedeutet nicht, dass einer von euch alleine recht hat. Ich habe ihn auch ganz anders kennengelernt als ihr beide. Außerdem, darfst du nicht vergessen, wen du vor dir hast, Vater. Sophia wird in kürze den Thron übernehmen! Und Sophia, meine kleine, naive Sophia. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Mein Vater mag so einiges anders sehen wie du, aber vergiss nicht, dass er schon einiges an Erfahrungen hat. An anderen Erfahrungen. Du hast deine auf deine Weise verarbeitet. Er auf eine andere. Vergiss nicht, in welcher Zeit er groß wurde. Nein, sag jetzt nichts. Darüber sollten wir später noch einmal sprechen. Warum sind wir eigentlich hier, Vater?“

„Es gibt neue Informationen zur Exspectatio.“

„Habt ihr sie euch schon angehört?“

„Nein, noch nicht.“

„Dann sollten wir dies nun, oder? Und anschließend, entführe ich dir Sophia wieder, Vater. Die letzten Tage waren doch sehr anstrengend für sie. Wir sollten ihr etwas Ruhe gönnen. Und ich möchte ihr das Schloss etwas zeigen, damit sie sich zurecht finden kann. Und nicht immer jemanden dafür braucht.“

„Klärt uns dann jemand über die Ergebnisse auf, bitte?“, es ist dem König anzusehen, wie sehr er sich bemühen muss um ruhig zu bleiben. So ganz gelingt es ihm auch nicht. Seine Stimme klingt immer noch ziemlich harsch und die Falte auf seiner Stirn ist noch nicht verschwunden.

Sophia wirkt ziemlich überrascht, als sie Clarus erkennt, der hervor getreten ist. Dieser nickt ihr kurz zu, kann sich jedoch kein Lächeln abringen. Auch wenn er es augenscheinlich versucht. Sein Gesicht und seine ganze Körperhaltung wirken angespannt.

„Wir haben ein Nest im Norden von Sperobyte ausgehoben. Dabei haben wir, nun ja, sagen wir es sind zumindest ein paar übrig geblieben die wir befragen konnten. Dabei ist jedoch noch nichts wirklich brauchbares herausgekommen. Sie wiederholen entweder immer wieder das Motto der Princeps oder sie schweigen ganz. Um einiges aufschlussreicher war die Elektronik die wir sicher stellen konnten. Das meiste ist noch nicht dechiffriert, das bisschen ist jedoch wirklich interessant. So wie es aussieht kennen sie die Prophezeiung, Geschichte, wie man es auch nennen mag.“

„Du meinst die mit dem Mädchen, dass die Herrschaft übernimmt und so wieder für Gerechtigkeit und Frieden im Reich sorgt?“, fragt Sophia nach.

„Genau die, Eure Hoheit. So wie es aussieht wenden sie diese auf ein Mädchen aus ihren Reihen an. Wir wissen noch nichts genaueres. Was wir jedoch heraus finden konnten, und das bereitet uns Sorgen, ist, dass sie einen Anschlag planen. Sie wollen den Weg für eben jenes Mädchen ebnen. So weit wir das herausfiltern konnten, ist es ihnen egal wie und wer dadurch Schaden nimmt.“

Auf diese Aussage folgt eine Minute des Schweigens. Jeder ist entsetzt, hängt seinen Gedanken nach und versucht an einer Lösung zu arbeiten. Aus einer Minute werden zwei, aus zwei werden fünf.

Schließlich erhebt Sophia die Stimme: „Darf ich mit denen reden, die ihr hergeholt habt?“

Alben und Clarus sehen sich an. Beide wirken nicht sehr begeistert.

„Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee. Dann siehst du, dass in einer Regenbogen-spuckende-Einhorn-Welt leben“, mischt sich der König ein.

„Zum Ersten, Eure Majestät, spucken Einhörner keine Regenbögen. Sie tanzen auf ihnen. Und sie sind flauschig und pink. Zum Zweiten habe ich dies nie angenommen. Ich bezweifle nur, dass Ihr auch die schönen Seiten des Lebens noch seht. Und, bevor Ihr mir auch in dieser Hinsicht widersprechen wollt, ich weiß dass ich Euch nicht kenne. Aber ich bilde mir nun einmal meine Meinung und zwar nicht nur anhand dessen, dass uns die Medien verkaufen oder anhand von Gerüchten und immer weiter verbreiteten Aussagen. Und Alben, ich will mit ihnen reden. Wir müssen diesen Anschlag verhindern. Ansonsten sterben Menschen. Und das nicht wenige.“

„Bist du dir darüber im Klaren, wie gefährlich es für dich sein kann, wenn Exspactio über dich erfährt? Das könnte dein Todesurteil sein!“

„Alben, ich bin kein kleines Mädchen. Das war ich schon nicht, als du mich gefunden hast. Ich muss schon lange alleine klar kommen. Natürlich gibt es noch viel zu lernen. Und ich fühle mich immer noch nicht wirklich wohl in meiner derzeitigen Lage. Vor allem deswegen, weil ich immer mehr die Kontrolle über mein Leben verliere. Ich bin in ein kaltes Gewässer geworfen worden und schwupps, alles ist neu. Die Strömung reißt mich mit und ich kann nichts dagegen tun. Aber ich weiß, mit meinem ganzen Herzen, meinem ganzen Sinn, meinem ganzen Sein, mit jeder Faser meines Körpers, dass ich diesen Weg gehen muss. Aber auf meine Weise. Ich will mit ihnen sprechen!“

„Diese Entscheidung werden wir Euch nicht ausreden können, nicht wahr Eure Majestät?“, fragt nun auch Clarus.

„Nein, Clarus. Das wird nichts. Wenn ihr mir nicht diesbezüglich helft, werde ich alleine das Gespräch mit ihnen suchen!“

Noch einmal sehen sich Alben und Clarus an. Während es jedoch so aussieht, als würden sie eine stille Diskussion führen, mischt sich der König ein weiteres Mal ein: „Ich halte es immer noch für eine gute Idee. Früher oder später muss sie sich sowieso mit solchen Kakerlaken auseinander setzen.“

„Kakerlaken?“

„Nicht alle Menschen haben es verdient als solche Bezeichnet zu werden, Sophia“, erklärt der König arrogant.

„Jeder Mensch ist und bleibt ein Mensch. Unabhängig seiner Taten. Wir alle machen Fehler. Sowohl Ihr in Eurer ach so hohen Stellung oder ein kleines Kind, dass in eine arme Familie geboren wurde und auch alle Menschen dazwischen. Manche Fehler können vielleicht verhindert werden. Oft liegt es aber nicht in der Macht dieser Person. Manchmal braucht man einfach einen Schubs in die richtige Richtung oder jemanden der für sie sorgt und ihnen beisteht und zuhört.“

Der König stöhnt auf und während er sich umdreht und weggeht flüstert er: „Jetzt verkündet sie gleich, sie will eine Demokratie und das Staatsvermögen verteilen.“

„Eine Demokratie,“ merkt Sophia an, „garantiert nicht dafür, dass es den Menschen in einem Land besser geht. Das sieht man in den umliegenden Ländern. Das Staatsvermögen auf die privaten Haushalte aufzuteilen halte ich für unklug jedoch sollte es den Menschen zu gute kommen!“

„Danke für diese Belehrung. Fräulein Naseweis. Sonst noch irgendwelche Hinweise wie ich mein Land zu führen habe?“

Sofort liegt wieder diese fast gespenstische Stille im Raum. Die Stimmlage des Königs ist aber auch wirklich schwer einzuschätzen. Irgendetwas zwischen Belustigung, Erschöpfung und kurz davor in die Luft zugehen.

„Es ist nicht Euer Land. Es ist das Land von vielen verschiedenen Menschen!“

„Also doch für eine Demokratie? Weißt du, ich denke ich habe mir für heute wirklich genug von deinen Ratschlägen und Beleidigungen angehört.“

„Es stand nie in meiner Absicht Euch zu beleidigen, Eure Majestät. Alles was ich getan habe, war Euch meine Einschätzung darzulegen.“

„Habe ich dich darum gebeten?“, fragt der König nun fast zickig.

„Nicht das ich wüsste. Sollte es aber einmal so sein, fühlt Euch frei.“

„Sophia, lass meinen Vater für den Moment in Ruhe. Er hat jetzt eine ganze Menge zum Nachdenken. Ihr könnt euch beim Abendessen wieder unterhalten.“

„Apropos, ich erwarte das du beim Abendessen erscheinst Alben. Es sind einige Verwandten für heute eingeladen, die dich auch sehen möchten.“

„Wissen sie wer Sophia ist?“

„Nein, wir haben sie als Freundin von dir vorgestellt.“

Bestürzt sieht Alben seinen Vater an. „Als Freundin Freundin?“

Sophia muss kichern. „Nein, bloß als eine Freundin.“

Der König entschuldigt sich, eindeutig nicht zum Lachen aufgelegt, und geht aus dem Raum.

Nachdenklich sehen Sophia, Alben und Clarus dem König hinterher. Schließlich ergreift Alben das Wort: „Nimm es ihm nicht übel. Er muss sich erst an die neue Situation gewöhnen. So wie wir alle. Er hat nun einmal ganz andere Werte mitbekommen wie du und ist es nicht gewöhnt, dass ihm jemand derart widerspricht und unverblümt die Wahrheit sagt.“

„Ich weiß. Er regt mich nur so auf mit seinem Scheuklappen-Denken. Aber wie dem auch sei. In allem Liebe. Er steht außerdem sicher unter großem Druck. Es ändert sich auch für ihn seine ganze Welt, sein ganzes Leben.“

Alben nickt. Eine Weile bleibt es ruhig. Dann ergreift er das Wort: „Also gut. Dann wollen wir dich mal nach unten bringen.“

„Nein Alben. Das muss ich alleine machen. Geh dich ausruhen. Du siehst gar nicht gut aus. Außerdem hast du das Mittagessen verpasst. Das heißt dir geht es wirklich nicht gut. Also ab ins Bett mit dir! Clarus und Paciano werden mich begleiten. Sie passen gut auf mich auf. Dessen kannst du dir sicher sein! Clarus, ich würde mich gerne vorher noch etwas auf dieses Gespräch vorbereiten. Kannst du mich zur Bibliothek bringen? Dort müsste doch etwas über die Ex, Exs, Exp“

„Exspectatio. Natürlich. Hier entlang bitte, Eure Majestät“, hilft Clarus Sophia aus. „Ich werde Paciano holen gehen, sobald Ihr etwas gefunden habt um Euch einzulesen.“

„Vielen Dank Clarus. Bis später Alben, wir sehen uns beim Abendessen.“

Mit diesen Worten gehen Sophia und Clarus hinaus. Alben bleibt noch kurz zurück.

So trennt sich also die kleine Gruppe nach einiger, gut gewürzter Zeit wieder. Es dauert noch etwas, bis die Leute in dem Zimmer wieder ihrer Arbeit nachgehen konnten. Zu viel hatten sie nun auf einmal erfahren. Patrice hat eine Tochter hinterlassen. Diese wird in kurze ihr Recht auf dem Thron geltend machen. Der König ist ganz und gar nicht davon begeistert. Ganz im Gegenteil zu dieser Einstellung steht sein Sohn Alben, der es fast zu begrüßen scheint, dass Sophia nun hier ist. Veränderungen, Gefahr und Spannung liegen in der Luft. Vielleicht sollte jemand die Lüftung einschalten.

Kapitel 10

 

Langsam gehen Clarus und Sophia nebeneinander her. Beide hängen sie ihren Gedanken nach. Schließlich ergreift Clarus das Wort: „Ich weiß ja, dass es mich nichts angeht, aber seit Ihr Euch wirklich sicher, dass Ihr das wollt?“

„Was meinen Sie, Clarus? Das Gespräch mit Exspect-Dingsbums oder der Besuch in der Bibliothek?“

„Exspectatio. Ich meine Euren Besuch. Wisst Ihr, und verzeiht bitte meine Direktheit, Ihr könntet auch alles noch schlimmer machen.“

Sophia schweigt kurz. „Ich weiß. Aber ich könnte auch ein kleines bisschen Licht in meine Gedanken bringen. Und alleine dafür ist es die Gefahr wert, es zu vermasseln." Wieder herrscht schweigen. "Ich bin vorsichtig. Ich weiß, dass ich nicht einfach sagen kann was mir im Kopf herum geht. Aber es ist einen Versuch wert. Manchmal lassen sich für Probleme ganz einfach Lösungen finden, indem man darüber redet.“

„Natürlich, Eure Hoheit. Aber manchmal, und da hat der König durchaus recht, ist es für Worte schon zu spät.“

Schweigend gehen Sophia und Clarus ihren Weg weiter. Nach ein paar Minuten beginnt Sophia wieder zu sprechen: „Bin ich naiv, es zu versuchen?“

„Bestimmt nicht, eure Hoheit. Ich finde es wichtig, selbst Erfahrungen zu sammeln und seinen Weg zu finden. Wisst Ihr, Euer Vater war sehr friedliebend. Er wollte jedem Konflikt aus dem Weg gehen. Und dann traf er Eure Mutter. Ich half den beiden, dass sie sich öfters mal sehen konnten. Ich hielt es zuerst nur für eine Affäre. Und dann hat er sich irgendwann irgendwie verändert. Er wurde mental stärker, lies sich nicht mehr so stark von Eurer Großmutter beeinflussen. Er trat für seine Werte, Gedanken und Gefühle ein. Und in dem Maße, in dem er immer stärker wurde, da wurde er auch immer beliebter. Die Menschen liebten ihn, er war für sie da um ihnen zu helfen und für sie einzustehen. Er verstand sie. Den Menschen wurde bewusst, dass sich etwas ändern musste. Denn die Regierung war anders als Euer Vater. Sie hatte nur ihre eigenen Interessen im Sinn. Sie dachten, dass Euer Vater die Menschen gegen sie aufbringen würde. Und als Patrice dann Eure Mutter vorstellte, da eskalierte die Situation. Kurz darauf sind die beiden verschwunden. Und mir wurde bewusst, dass das Motto Eurer Familie einen viel tieferen Sinn hat.“

„In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas. Im Nötigen Einheit, im Zweifel Freiheit und in allem Liebe.“ Kurz schweigt Sophia wieder. Sie scheint darüber nachzudenken. „Liebe sorgt dafür, dass Einheit herrscht, dass man, wenn man sich nicht sicher ist dem Guten in den Menschen vertraut. Wenn die Liebe nicht da ist, oder man sie nicht zeigt, spaltet das ganze Familien, man legt Menschen in Ketten, in der Angst sie könnten etwas verändern."

„Und deswegen setzt das Volk sein Vertrauen in die Prophezeiung. Den meisten ist es egal ob Demokratie oder Monarchie, solange die Regierung aus den richtigen Gründen regiert.“

„Aus Liebe. Aus Liebe zu unserem Land, zu den Menschen. Zu jedem Einzelnen.“

„Genau. Wir sind übrigens hier, Eure Hoheit.“ Clarus bleibt vor einer großen Holztür, ähnlich dem Eingang der Bibliothek in Omnispare. „Erlaubt Ihr?“ Claurs verbeugt sich formvollendet, tritt einen Schritt vor und öffnet die beiden Türflügel.

Sophia sieht gespannt zu, wie sich die Tür öffnet. Kaum dass die Türen ganz offen sind, klappt ihr die Kinnlade herunter. Sie stehen vor einem großen Saal, dessen zweistöckigen Wände mit hellem Holz verkleidet sind. Auf der Seite gegenüber der Tür, sind hohe Fenster, auf deren Seite rote, schwere Vorhänge hängen. In der Mitte des Raums ist ein Gang, in dem in regelmäßigem Abstand Schreibtische stehen. Auf beiden Seiten gehen von dem Gang Regale, gefüllt mit Büchern, Pergamentrollen und Ordnern weg. Auf der rechten Seite steht ganz am Anfang des Raumes ein großer Schreibtisch mit Computer, hinter dem eine ältere Frau sitzt und neugierig zu den beiden Ankömmlingen herüber sieht. Hinter ihr geht eine Stiege hinauf auf einen Balkon, der nur ein Eck des Raumes überschattet.

Clarus sieht sich noch einmal zu Sophia, bedeutet ihr, ihm zu folgen und geht dann zu der Dame hinter dem Schreibtisch. „Mrs. Lignum, welch eine Freude, Sie wiederzusehen!“

„Die Freude ist ganz meinerseits, wen bringen Sie denn da mit?“, fragt Mrs. Lignum Clarus neugierig.

„Das ist eine Freundin von Prinz Alben, sie hat den Auftrag etwas über die Organisation Expectatio herauszufinden. Können Sie bitte dafür sorgen, dass sie alles bekommt, was sie benötigt?“

„Natürlich, es ist mir eine Freude!“ Mit dieser Aussage wendet sie sich an Sophia.

Clarus sucht Sophias Blick und dreht sich, nachdem sie ihm zugenickt hat, um und verlässt den Raum.

„Mrs. Lignum, richtig?“, fragt Sophia mit fester Stimme.

„Korrekt, meine Liebe. Und wie lautet Ihr werter Name?“

„Bitte nennen Sie mich Sophia.“

„In Ordnung, Sophia. Dann geben Sie mir bitte einen kurzen Moment, ich werde mir nur eben raus suchen, wo wir Informationen über diese Organisation haben. Wie hieß die noch gleich?“

„Wenn ich es mir richtig gemerkt habe, dann war es Exspec, Exspik, nein, Exspec, ähm, Exspectatio!“

Mrs. Lignum lächelt, nickt und sieht auf den Computer. Sie tippt ein paar Buchstaben, fährt etwas mit der Maus herum und wartet.

Sophia nutzt diese Gelegenheit um sich noch etwas mehr umzusehen. Mit einem Lächeln lässt sie ihren Blick durch den Raum schweifen.

Die Stimme von Mrs. Lignum lässt Sophia schließlich aufschrecken. „Ah, ok. Alles was wir zu dieser Gruppe haben ist ein Ordner mit ein paar Notizen und Briefen. Kommen Sie mit, ich gebe Sie Ihnen sofort.“

„Herzlichen Dank, Mrs. Lignum,“ sagt Sophia und folgt der älteren Dame im blauen Kostüm.

Diese geht durch den mittleren Gang und biegt in den vorletzten Gang zu ihrer linken Seite ein. Dort sieht sie sich kurz um, scheint sich etwas zu orientieren und nimmt schließlich einen roten Ordner zwischen vielen anderen, blauen, gelben, grünen und roten Ordnern, heruas. Den sieht sie sich kurz an, stellt ihn jedoch wieder zurück. Zwei Schritte weiter, greift sie nach einem anderen roten Ordner. Mrs. Lignum nickt zufrieden, nachdem sie einen Blick darauf geworfen hat und übergibt ihn Sophia. „Hier, bitte, meine Liebe. Wo möchten Sie sich denn hinsetzen? Ich mache Ihnen noch etwas Licht dort.“

„Ich denke, ich setze mich einfach auf den Tisch, an dem wir zum Schluss vorbeigekommen sind. Eine Bitte habe ich allerdings noch: Hätten Sie vielleicht ein Blatt Papier und einen Stift, damit ich mir ein paar Notizen machen kann? Es tut mir Leid, Sie damit behelligen zu müssen, aber ich habe leider nicht daran gedacht mir etwas mitzunehmen. Es ist alles so schnell gegangen.“

„Natürlich, einen Moment, meine Liebe, ich bringe sie Ihnen sofort!“

Während Mrs. Lignum geht um das Schreibzeug zu holen, öffnet Sophia schon den Ordner. Unter einem Deckblatt entdeckt sie mehrere Briefe, auf denen jeweils ein Post-It oder ein anderer kleiner Zettel angeheftet ist. Sophia seufzt kurz, richtet sich gerade auf und beginnt zu lesen.

„An den ach so hoheitsvollen und majestätischen König!

Wie lange willst du noch so blind vor dich her leben? Wie lange willst du noch so tun als wäre das, was du tust rechtmäßig?

Du hast auf unsere Briefe bis jetzt nicht reagiert, also müssen wir wohl zu drastischeren Maßnahmen greifen. Dies ist deine letzte Chance. Wenn du auf diesen Brief nicht reagierst und dem Volk bekannt gibst, dass deine Herrschaft unrechtmäßig ist. Wenn du nicht endlich abdankst und zu lässt, dass der rechtmäßige Erbe seinen Platz antritt, wird gschrien. Es wird geschrien, so laut das dir nichts anderes übrigbleibt als zu hören. Zu hören und zu handeln.

Wir melden uns wieder. So oder so.

Exspectatio“

„Keine Informationen über eine Gruppe namens Exspectatio vorhanden. Bisherige Briefe wurden nur ignoriert. Erstes Mal Drohungen enthalten.“

Dieser Brief enthält eine zweite Notiz:

„Mehrere Anschläge wurden im Norden gemeldet. Raketengeschosse wurden auf LKW's geschmissen, die Nahrungsmittel enthielten. Keine Verletzten. Ersatz LKW's wurden sofort geschickt um Knappheit auszugleichen.“

Sophia hat gar nicht bemerkt, dass Mrs. Lignum in der Zwischenzeit einen Block und einen Kugelschreiber zu ihrer Seite gelegt hat. Sie macht sich ein paar Notizen und blättert im Ordner um. Leicht den Kopf schüttelnd macht sie sich an die nächsten Briefe.

„An den ach so hoheitsvollen und majestätischen König!

Noch nicht laut genug? Denkst du das ist Zufall? Du wirst dir noch wünschen, dass du Weisheit an den Tag gelegt hättest. Du wirst dir noch wünschen, dass du gehandelt hättest.

Der nächste Streich folgt sogleich – egal wie groß deine Anstrengungen sind dies zu vermeiden.

Du denkst du seist besser als wir, du denkst du wärst unantastbar. Mal sehen wie lange noch.

Wir wünschen eine angenehme Nachtruhe.

Exspectatio“

„Aus dem Palast Ehering der Königin unbemerkt verschwunden. Stattdessen lag Messer auf dem Nachttisch. Zusammenhang unklar.“

„An den ach so hoheitsvollen und majestätischen König!

Vermisst deine Gattin etwas? Jetzt hörst du? Jetzt bist du alarmiert?

Dabei hast du noch immer nicht unsere volle Stärke zu spüren bekommen!

Lass dich doch beraten du sturer alter Bock! Du weißt was wir wollen – werde endlich vernünftig!

Exspectatio“

„Generalsitzung einberufen nachdem letzter Brief auf Kopfkissen des Königs gefunden. Trotz zusätzlicher Wachen.“

„Ergebnis Generalversammlung: Verstärkte Kontrollen an der Grenze, Stadt Ein/Ausfahrten. Palast nur noch mit Begleitung von Wachen betretbar. Späher ausgeschickt.“

Als Sophia den nächsten Brief betrachtet, läuft ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Er ist erst vor einer Woche geschrieben worden.

„An den ach so hoheitsvollen und majestätischen König!

Was ist stur und zottelig? Was ist alt und trottelig? Was glaubt es sei durchtrieben, dabei ist es einfach nur zurückgeblieben? Was sitzt bloß herum jeden Tag, was uns so gar nicht behagt? Was hört nicht hin, was hört nicht her, wer gibt so wenig her? Was handelt nicht gerecht, auch wenn sich das langsam rächt?

Langsam verlieren wir das Interesse an diesem Spielchen. Handle oder du wirst es bereuen!

Exspectatio“

„In zwei Städten im Norden Anschläge. Stromversorgung, Telefonverbindungen gekappt. Städte von innen blockiert. Zwei Aristokraten der königlichen Familie verschwunden.“

„Späher zurückgekehrt. Mehrere Gefangene. Werden Befragt, Informationen ausgewertet.“

„Prinz Alben und Begleitung angegriffen. 2 Verletzte Wachen. Keine Gefangenen.“

Die Eskalation ist klar ersichtlich. Sophia läuft ein kalter Schauer über den Rücken. So wie es aussieht, wurde noch niemand getötet. Aber wie lange würde es noch dauern, bis es soweit ist? Sophia wendet sich noch einmal ihren Notizen zu. In den meisten war der Bezug zu der Legende ersichtlich. Es ist klar, was sie wollen. Sophia seufzt kurz auf, dann erhebt sie sich und streckt sich erst mal etwas.

„Habt Ihr etwas Interessantes gefunden, Sophia Justine?“, erklingt die Stimme von Clarus.

Sophia dreht sich um und sieht Paciano neben Clarus stehen, beide mit ernsten Gesichtern. Ein kleines Lächeln huscht über ihre Mimik, dann fragt sie: „Seit wann seit ihr denn schon hier?“

„Schon eine Weile“; antwortet Clarus. „Wir haben Euer Gespräch ebenfalls schon in die Wege geleitet. Möchtet Ihr es noch vor dem Abendessen führen oder erst im Anschluss daran?“

„Wie spät ist es denn?“ Sophia kaut nachdenklich auf ihrer Lippe.

„Es ist halb 3, Mylady“, sagt Paciano nach einem kurzen Blick auf seine Uhr.

„Abendessen gibt es um 18 Uhr, es sollte also noch genügend Zeit dafür sein. Können wir?“

„Natürlich, Eure Hoheit.“ Clarus verbeugt sich kurz vor Sophia und wendet sich dann Paciano zu, um ihm einen kurzen Blick zuzuwerfen. Anschließend erklärt er, er werde Sophia bei Mrs. Lignum abmelden, und geht den breiten Mittelgang wieder hinauf.

Paciano grinst Sophia kurz an, dann wendet er sich dem Ordner zu. Er klappt ihn Seite für Seite zu und setzt dann an ihn zurückzubringen.

Dabei wird Paciano aber von Sophia unterbrochen. „Weißt du denn wo der hingehört?“

„So ungefähr“, lächelt er sie an. „Ich hab diesen Ordner schon öfters geholt und wieder gebracht. Eine der vielen unnötigen Aufgaben wenn man in der Ausbildung ist.“

„Gefällt dir deine Arbeit denn?“

„Ich darf schöne Prinzessinnen retten, der beste Job der Welt!“

„Du rettest auch andere?“, Sophies Ton klingt verletzt, ihr Geschichtsausdruck lässt aber keinen Zweifel daran, dass sie es nicht ernst meint.

Paciano hört auf zu grinsen und tritt auf Sophia zu. Langsam beugt er sich zu ihr hinunter und flüstert ihr zu: „Ein Wort von Euch, Mylady, und ich gehöre ganz Euch. Mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele.“ Vorsichtig geht er wieder einen Schritt zurück, dreht sich um und bringt den Ordner mit einem breiten Lächeln zurück. Dabei lässt er eine verdutzt schauende, langsam rot werdende Sophia stehen.

Impressum

Texte: Der Copyright liegt ausschließlich bei mir! Auch Diebstahl geistigen Eigentums ist Diebstahl!
Bildmaterialien: Das Bild wurde von mir zusammengestellt, es ist nicht zur Veränderung und Widerveröffentlich freigegeben!
Tag der Veröffentlichung: 09.03.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich verspreche hoch und heilig, dass es weiter geht! Bitte hinterlasst mir doch einen Kommentar, wie es euch gefallen hat.

Nächste Seite
Seite 1 /