Cover

Einleitung

 

Weihnachten mit Hindernissen und freudigen Überraschungen ♥

 

Hier nun ein kleines Weihnachtsschmankerl extra für euch.

Einen One-Shot zu

Aus der Spur“, „Dämonen der Vergangenheit“ und "Wandel im Herzen".

 

 

Ich wünsche euch viel Spaß mit Marc, Tom und Bibiana, Chris, Aiden und Julian, Sam Toni und Tarec sowie  allen anderen bekannten Protas.♥

 

 

 

 

 

 

Tom

 

Tom

 

Ach du Scheiße….„Marc, wach auf… wir haben verschlafen.“ Scheiße, scheiße, scheiße… ausgerechnet heute.„Noch fünf Minuten“, murmelt mein Mann ins Kissen und dreht sich direkt auf den Bauch, um das selbige über seinen Kopf zu ziehen.Er rührt sich keinen Meter und begreift nicht, was ´verschlafen´ heute, ausgerechnet heute, bedeutet. Rütteln nutzt da auch nichts. Marc ist dagegen seit ca. vier Jahren resistent. Er kann einfach weiterschlafen, auch wenn man ihn körperlich malträtiert. Warum das so ist? Ganz einfach. Der Grund heißt Bibiana!Marc ist ein Schlafbär, der es gerne und lange im Bett aushält, aber Bibi hatte von Anfang an was dagegen.Ausschlafen ist mit unserer Zaubermaus nicht möglich. Schnell hat sie sich fiese Methoden ausgedacht, wie sie uns zeitig aus dem Bett bekommt. An der Schulter rütteln, am Arm ziehen, Füße kitzeln, Nase zuhalten, ins Ohr pusten. Ja, sie ist schon ein kleines Luder, aber einfach zauberhaft. Man kann ihr auch nicht böse sein, wenn sie uns mit ihren großen, runden, blau-grünen Augen anschaut. Regelmäßig schmelzen wir wie Eis in der Sonne, wenn sie uns so unschuldig ansieht. Ausgerechnet heute, wo wir sie wirklich mal zum Wecken gebraucht hätten, spielt die Kleine in ihrem Zimmer mit ihren Puppen.„Engel, wenn wir uns jetzt nicht beeilen, hebt der Flieger ohne uns ab!“, mahne ich ihn erneut.„Verschlafen? Au man, Schei….benkleister.“ Marc springt aus dem Bett und sprintet ins Bad.„Verdammt, wie spät ist es denn?“, ruft er mir zu.„Halb acht. Mach hin, ich gehe Bibi anziehen.“ Ich bin schon fast zur Tür hinaus, als ich ihm antworte.Als ich bei Bibi anklopfe, bekomme ich ein glockenhelles „Herein“. Ich trete ein und erblicke meine Tochter auf ihrem Bett sitzend, wo sie dabei ist ‚ Polli anzuziehen.„Zaubermaus, los komm. Wir müssen uns heute mal gaaaanz schnell anziehen. Meinst du, wir bekommen das hin?“, hektisch zerre ich ein paar Klamotten aus ihrem Schrank.„Ja, aber erst muss ich Polli anziehen, sonst friert sie“, erwidert sie todernst nickend.„Bibi, wir müssen uns wirklich beeilen. Wir müssen in ein paar Minuten losfahren, damit wir unseren Flieger nicht verpassen. Wir wollen doch zu Onkel Chris und Onkel Aiden, nur das Flugzeug wartet nicht auf uns, wenn wir zu spät sind. Also zieh deine Puppe bitte im Auto an. Okay?“Oh Gott, jetzt lass sie bitte einsichtig sein.„Naaaa guuuut.“ Sie erhebt sich und kommt auf mich zu, streckt mir ihre Arme entgegen, ich packe sie und wirbele sie einmal im Kreis, so dass sie aufquietscht und schon sind wir auf dem Weg ins Bad.Marc trocknet sich gerade ab und beginnt sich die Zähne zu putzen. Er reicht Bibi ihre Zahnbürste hin und nimmt mir den kleinen Floh ab. Er stellt sie neben sich, damit sie sich zusammen fertig machen können. Auch für mich wird es Zeit, unter die Dusche zu kommen.Haare binden, Schal, Mütze und Handschuhe liegen schon in der Diele und schon geht’s los.Es dauert in der Tat nur zwanzig Minuten, bis wir abfahrbereit sind. Unsere Tochter sitzt samt ihrem Rucksack inklusive Spielsachen und Schnuffeltuch im Auto. Koffer, Reisetaschen und Rucksack mit Reiseproviant werden schnell ins Auto geladen und schon kann es losgehen.Oder auch nicht!„Was‘n?“, frage ich.„Er springt nicht an.“, antwortet Marc maulig.„Nicht doch!“„Doch, sieht so aus, als wäre die Batterie platt. Er sagt keinen Mucks.“„Scheiße…“, fluche ich.„Das sagt man nicht!“, kommt es tadelnd von der Rückbank.„Tom…!“, rügt mich nun auch Marc.„Ja, ist ja gut, tut mir leid.“ Ich gebe mich zerknirscht.„Das macht einen Euro in das Fluch-Schweinchen.“ Wieder die Stimme aus dem Off.„Wenn du so weiterfluchst, dann könnt ihr mir das neue Fahrrad schon bald kaufen.“, freut sie sich.Ich drehe mich um und blicke in das grinsende Gesicht unserer Tochter. Öffne den Mund, um etwas zu erwidern, lasse es aber, weil ich jetzt nicht den Nerv für eine Diskussion wegen eines neuen Fahrrades habe.„Komm, Koffer umladen. Wir nehmen dein Auto. Wir müssen in einer halben Stunde auf dem Flughafen sein. Das schaffen wir nur, wenn wir jetzt Gas geben.“Gesagt. Getan. Kind umgesetzt, Koffer umgeladen und los geht´s, ab auf die Autobahn Richtung Flughafen.„Wann sind wir denn da?“„Häh?“„Wann wir da sind?“ Ich drehe mich um und schaue Bibi an. Sie sitzt da in ihrem Kindersitz, fest verzurrt und zieht ihre Puppe wintertauglich an.„Wenn alles gut geht, in einer halben Stunde, Zaubermaus.“„Oh, klasse.“, freut sie sich.„Oh oh.“, entfährt es Marc. Dieser Ausruf lässt mich nichts Gutes ahnen, ich drehe mich wieder zurück und blicke auf die Straße.„Oh nein!“, kommentiere auch ich den vor uns liegenden Stau.„Das ist nicht unser Tag, glaube ich. Aller guten Dinge sind drei. Erst verschlafen wir, dann springt das Auto nicht an und nun der Stau. Wir haben unser Tagessoll erfüllt.“, beschwert sich mein Engel.„Ich werde mal checken, ob unser Flieger planmäßig starten soll. Vielleicht hat er ja Verspätung.“Bang ziehe ich mein Smartphone aus meiner Hosentasche und suche nach der Website des Flughafens Fuhlsbüttel.„Verspätung, der Flieger hat tatsächlich Verspätung. Vielleicht schaffen wir es noch. Wären wir schneller, wenn wir durch die Stadt fahren würden?“„Wir werden es sehen. Das Navi sagt eine Vollsperrung an.“ Auch das noch.„Dreihundert Meter bis zur Abfahrt. Dann sollten wir eigentlich gut durchkommen. Sagt das Navi.“ Marc ist die Ruhe selbst.Nervosität macht sich breit. Wenn wir den Flieger verpassen, das wäre eine Katastrophe.„Ich muss Pipi.“ Marc und ich schauen uns entsetzt an.„Ähm, wie dringend ist es denn, Schätzchen? Meinst du, du kannst noch ein paar Minuten aushalten?“„Ein bisschen geht’s noch.“, kommt es von hinten.Marc steuert eine Raststätte an und schon bin ich dabei, Bibi aus ihrem Sitz zu schälen.„Ich will aber nicht auf das Männerklo.“, weigert sich meine Tochter.„Bibi, wir haben jetzt keine Zeit, darüber zu streiten, ob du nun mit mir auf das Männerklo gehst oder allein auf das Damenklo. Ich möchte nicht, dass du dort allein reingehst, deswegen kommst du mit mir mit.“„Daddy…“, sagt sie in einem Oberlehrertonfall. „Ich bin ein Mädchen. Mädchen gehen nicht auf Männerklos!“„Bibi, ich bin ein Mann und ich darf nicht auf die Damentoilette. Das gibt Ärger und wenn wir uns jetzt nicht ein bisschen beeilen, fährt Papa allein zum Flughafen. Also komm jetzt mit mir mit, damit du Pipi machen kannst. Ich hebe dich hoch und du kuschelst dich in meinen Mantel und schaust nicht rechts und nicht links, bis wir in der Kabine sind. Okay?“ Sie bringt mich gerade an meine Geduldsgrenze. Ich hebe sie hoch und schon legt sie ihre Hände vor ihre Augen. Wir betreten die Toilette, die relativ gut frequentiert ist. Ich steuere direkt auf eine Kabine zu, um hineinzugelangen.„Daddy, das ist sooo peinlich.“„Ich weiß Engelchen, aber wir haben keine andere Möglichkeit. Komm her, ich halte dich und du pieselst.“Händewaschen stellt sich auch als eine Herausforderung dar, denn wie soll meine Tochter sich die Hände waschen, wenn sie sich die Augen zuhalten will. Ein anderer Familienvater scheint unser Dilemma zu erkennen. Er grinst und reicht uns ein feuchtes Papiertuch mit ein wenig Seife und ein weiteres trockenes. Dankend stürmen wir aus der Toilette und verlassen die Raststätte.Marc bemerkt meinen genervten Gesichtsausdruck.„Das nächste Mal bist du dran.“, brumme ich.„Lass mich raten, ihr hattet die Männerklo-Diskussion?“ Sein wissendes, fieses Grinsen lässt mein Blut hochkochen.„Ach, ihr hattet diese Diskussion auch schon?“ Ohne zu antworten, aber immer noch grinsend, startet Marc den Wagen und bringt uns ohne Verzögerungen zum Flughafen. Mich schmeißt er mit dem Gepäck am Abflugterminal raus und nimmt Bibi mit. Er parkt den Wagen im Parkhaus und stößt eine Viertelstunde später wieder zu mir.„Der Flieger hat Verspätung. Eine Stunde in etwa. Aber der Check-in ist schon im Gange, also lass uns anstellen.“ Bibi sitzt wie eine kleine Königin auf den Koffern und schaut dem hektischen Treiben um uns herum zu. Sie ist schon öfter mit uns mitgeflogen. Auch der englischen Sprache ist sie mächtig, denn wir lassen sie zweisprachig aufwachsen. Meine Mutter hat auch sehr früh damit begonnen, mit mir in ihrer Muttersprache zu reden. Geschadet hat es mir nicht. Wir geben die Koffer auf und schon wird unser Flug aufgerufen. Viel später hätten wir nicht kommen dürfen. Glück gehabt!Boarding. Wenn ich jetzt sitze, mache ich drei Kreuze. Wir werden freundlich von einer Flugbegleiterin begrüßt und zu unseren Plätzen geleitet. Wegen Marcs Knie legen wir viel Wert auf Beinfreiheit.Das Wetter ist in Hamburg noch ganz gut gewesen, aber über dem Atlantik braut sich eine Schlechtwetterfront zusammen. Die Zeichen zum Anschnallen blinken auf und Bibi wird von uns in die Mitte genommen. Die Flugbegleiterin bringt Papier und Stifte zum Malen. Damit ist sie erst mal beschäftigt. Ich drehe mich ein wenig auf die Seite und beobachte meine Familie. Auch Marc scheint in diesem Augenblick nachdenklich zu sein. Er blickt mir in die Augen und ich sehe seine bedingungslose Liebe. Ein warmes Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. Sein Lächeln ist umwerfend. Die ersten Fältchen um seine Augen zeugen davon, dass er viel lacht. Lange schauen wir uns in die Augen, bis Bibi sich zu uns dreht und uns beobachtet.„Ob ich wohl wieder auf Julians Pony reiten darf?“, fragt sie nachdenklich.„Bestimmt, wenn es nicht zu kalt ist. Du musst bedenken, dass es bei Onkel Chris und Onkel Aiden viel kälter ist als bei uns.“„Aber der Weihnachtsmann kommt auch dahin, oder?“„Na klar. Er kommt zu allen artigen Kindern.“, antwortet Marc und küsst unsere Prinzessin aufs Haar.Die Maschine wird kräftig durchgeschüttelt. Wir stecken mitten in dieser Schlechtwetterfront fest und der Pilot entscheidet sich, über Island auszuweichen.Die Stimmung in der Maschine wird immer nervöser. Selbst unsere Kleine, die sonst keine Angst vorm Fliegen hat, ist mittlerweile nervös.„Daddy, ich hab Angst. Ich will auf deinen Schoß. Bitte!“, quengelt sie.„Schätzchen, das geht jetzt nicht. Wir müssen angeschnallt bleiben.“ Marcs sorgenvolle Miene, sagt mir, dass es ihn diesmal auch nicht kalt lässt. Scheiß Wetter.Irgendwas muss im hinteren Bereich der Maschine passiert sein, denn plötzlich werden wir informiert, dass wir in Reykjavík zwischenlanden werden. Hurra!Mit angehaltenem Atem landen wir auf Island und verlassen die Maschine kurz danach, um uns im Sicherheitsbereich einen gemütlichen Platz zu suchen.Super… gestrandet in Island. Es gibt Tage, da bleibt man besser im Bett.„Ich versuche mal, Chris zu erreichen. Die warten ja auf uns, damit wir weiterfliegen können“, sage ich zu Marc.„Mach das, ich besorge was zu trinken. Kaffee oder lieber Tee?“„Tee bitte. Und einen Whiskey.“ Ich drehe mich um und suche mir eine ruhige Ecke, um nach New York zu telefonieren. Klappt natürlich nicht. Scheiß Wetter.„Au man, es gibt Tage, da bleibt man besser im Bett.“, murmele ich mir in den Bart.Als ich zurückkomme, sitzt Bibi mit anderen Kindern vor dem Fernseher, der hier in der First-Class-Sicherheitszone zur Verfügung steht. Was für ein Service. Ich hole tief Luft, um mich zu beruhigen.„Keine Verbindung. Ich denke, wir sind gestrandet. Haben die schon was gesagt, wann wir wieder weiterfliegen können?“„Nein, aber wir wären nicht gelandet, wenn sich nicht jemand verletzt hätte, als wir in ein Luftloch gefallen sind. Die Flugbegleiterin hat es eben einer von Bodenpersonal erzählt. Ich glaube nicht, dass wir lange festsitzen werden.“„Hoffentlich! Du siehst müde aus. Geht es dir gut?“ Ich lege meine Hand an seine Wange und schaue meinem Mann tief in die Augen.„Mach dir keine Sorgen, alles ist gut. Ich sage, wenn es mir nicht gut geht. Versprochen!“„Ich liebe dich, Engel!“„Und ich liebe dich, mo chroi.“„Ich will dich küssen.“„Und ich will noch ganz andere Sachen mit dir machen.“ Ich grinse ein bisschen schmutzig und bekomme einen lüsternen Blick als Antwort.„Später. Versprochen.“ Sein Blick verspricht alles und noch viel mehr. Er beugt sich zu mir rüber und küsst mich sanft. Lässt seine Zunge über meine Unterlippe streichen und bringt mein Blut in Wallung.Gott, es kribbelt in meiner Leibesmitte und das bedeutet, dass ich bis zur nächsten Gelegenheit, meinen Mann zu vernaschen, eine stramme Rute in der Hose vorzuweisen habe. Das ist nicht fair… ich war doch artig… sogar das ganze Jahr über… Mehr oder weniger…„Daddy, ich muss Pipi.“„Okay, Engel, du bist dran!“ Grinsend bekommt Marc von mir einen letzten Kuss. Augenverdrehend steht er auf und hebt unsere Zaubermaus hoch und trägt sie in Richtung Toilette. Ich höre noch, wie sie sagt, dass sie nicht aufs Männerklo will.Ich nippe an meinem Whiskey und stelle fest, dass es hier in der First-Class schon sehr ruhig ist.Eine Flugbegleiterin kommt herein und teilt uns mit, dass es in etwa einer Stunde weitergeht. Das lässt mich hoffen und ich versuche es noch mal auf Chris´ Handy. Nichts zu machen. Kein Netz.

Wir landen mit insgesamt dreieinhalb Stunden Verspätung in New York. Ich hole unsere Koffer und Taschen vom Gepäckband und lege sie auf den Wagen, den Marc uns erkämpft hat. Jason, Chris´ Chauffeur, steht da und erwartet uns bereits.„Herzlich willkommen in New York, Familie Steinmann. Sie werden bereits sehnsüchtig erwartet.“ Er lächelt wissend um unsere Odyssee und geleitet uns zu einem anderen Terminal, wo wir gleich in die Privatmaschine zu Aiden und Chris steigen werden. Unsere Koffer verschwinden wieder im Check-in und wir dürfen direkt in die Maschine einsteigen.Die Wiedersehensfreude ist groß. Chris ist direkt auf Bibi zu und hat die Kleine sofort in Beschlag genommen. Er liebt sie abgöttisch. Auch Julian kam sofort auf uns zu. Er ist seit dem Sommer enorm gewachsen. Er ist vor ein paar Tagen neun Jahre alt geworden und ein Abbild seines Onkels. Wir haben unsere Ferien in Montana verbracht, das tun wir bevorzugt seit zwei Jahren. Chris und Aiden sind zu Familie geworden.„Kommt und setzt euch. Dann erzählt, was alles passiert ist.“ Marc und ich schauen uns an und müssen wie auf Kommando losprusten, denn den Tag werden wir so schnell nicht mehr vergessen.Ein wenig verwirrt schauen uns die beiden schon an, aber als wir anfangen zu erzählen, was uns heute schon alles passiert ist, kommen auch sie aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Vier Stunden später landen wir in Great Falls und Gott ist mein Zeuge, es ist arschkalt hier. Minus 20 Grad Celsius. Man gut, dass ich meine Thermounterwäsche eingepackt habe. Auch auf meine Norwegersocken freue ich mich wie Bolle.

Chris und Aiden quartieren uns im Haupthaus ein, damit wir nachts nicht mehr durch den tiefen Schnee stapfen müssen, wenn wir uns zurückziehen wollen. Wir sind ja hier, um unsere Zeit mit ihnen zu verbringen, also ist es uns nur recht, dass wir in dem weitläufigen Haupthaus untergebracht sind. Im Sommer gehen wir immer ins Gästehaus, das etwas abseits des Haupthauses steht. Juli und Bibi sind recht schnell im Bett, da es schon sehr spät ist.Marc packt gerade Bibis Sachen in den Schrank, als ich unsere Koffer schnappe und sie in unser Schlafzimmer bringe.Ich bin gerade damit fertig, Marcs Sachen in den Schrank zu räumen, als Marc meinen Koffer öffnet.„Was willst du denn mit Sonnenmilch?“ Skeptisch hält er eine große Flasche Sonnencreme hoch und stellt sie auf das Tischchen hinter sich.„Sonnenmilch? Ich hab keine Sonnenmilch eingepackt“, sage ich verwirrt.„Und was willst du mit Flipflops? Schnee schaufeln?“, kichert er.Ich liebe sein Kichern, denke ich verliebt. Wieder hält er das Korpus Delicti hoch und legt es neben dem Bett ab.Dann zeigt er mir einen rosa Jockstrap. „Das ist nicht deine Farbe und in dem Teil bekommst du definitiv einen kalten Hintern.“, kichert er schon wieder.„Bitte was?“ Ich gehe rüber zum Bett und schaue in den Koffer. Ich nehme ihm den arschfreien Schlüppi ab und halte ihn mir vor meine Körpermitte.„Da passe ich nie rein. Das ist auch nicht meiner. Meine sind von Andrew Christian und schon mal gar nicht rosa“, mokiere ich mich pikiert. Marc bekommt so langsam einen Lachanfall.Ich krame weiter im Koffer und finde Badeshorts, Tanktops, Unterwäsche in Form von einem Nichts am Arsch, Gleitgel, Kondome mit Erdbeergeschmack, eine aktuelle Ausgabe der Playgirl, einen Vibrator in XXL und …eben einfach nur Sommerklamotten…!„Das ist nicht mein Koffer!“ Marc, der mittlerweile vor Lachen auf dem Bett liegt, bekommt sich gar nicht wieder ein. Verwirrt und mit wahrscheinlich dem dümmsten Gesichtsausdruck der Welt, stehe ich mit dem Vibrator in der Hand da und versuche die Lage zu peilen.In meinem Kopf rauscht es, wann könnte ich denn den falschen Koffer erwischt haben? Und vor allem: Wo ist jetzt mein Koffer? Als ich merke, dass ich den Vibrator immer noch in der Hand halte, schmeiße ich das Teil in den Koffer zurück. Jetzt hab ich erst mal das Bedürfnis, mir die Hände zu waschen.Als ich zurückkomme, wischt sich Marc gerade die Tränen mit einem Taschentuch aus dem Gesicht. Aber als er mich sieht, beginnt sein Lachflash von Neuem.Ich schnappe mir mein Handy und beginne nach der Telefonnummer vom Flughafen zu suchen.„Ich besorg dir mal ‘ne Zahnbürste“, meint Marc und verlässt lachend das Zimmer.Nach zwanzig Minuten in der Warteschleife werde ich zu dem zuständigen Menschen für verloren gegangenes Gepäck durchgestellt. Dieser hat sich unsere Flugdaten herausgesucht und bereits eine Meldung von den Bahamas von einem Thomas Steinmann vorliegen, der dort wohl mit Thermounterwäsche nichts anfangen kann. Ich werde gebeten, den Koffer schnellstmöglich wieder zum Flughafen zu bringen, um ihn seinem Besitzer zukommen zu lassen. Mein Koffer wäre angeblich noch auf den Bahamas, weil noch keine Meldung vorlag. Na dann können die den ja jetzt postwendend hierher schicken. Ich bitte darum, denn mir frieren hier die Eier ab ohne meine warme Kuschelunterwäsche.Ich packe alles wieder zurück in den Koffer und schreibe ein paar Zeilen und meine Firmenadresse in Hamburg auf einen Zettel und lege sie mit in den Koffer. Dann schnappe ich mir den Koffer, der genauso aussieht wie meiner und schaue auf das Namensschild. Mario und Thomas Steinmann. Was für ein blöder Zufall.Als ich unten im Wohnzimmer ankomme, sitzen Chris, Aiden und Marc auf dem Sofa und plauschen ein wenig. Alle drei brechen in schallendes Gelächter aus, als sie mich mit dem Koffer in der Hand an der Tür stehen sehen.„Honey, wo willst du denn hin?“, prustet Chris los.„Zum Flughafen, den Koffer auf die Bahamas schicken, denn dort ist nämlich mein Koffer gelandet. Ihr werdet es nicht glauben, nicht nur, dass der Koffer genauso so aussieht wie meiner, nein, die beiden heißen auch ähnlich wie wir. Mario und Thomas Steinmann.“„Komm, ich fahre dich.“, bietet Chris sich an.„Na, dann los.“

Auf dem Weg zurück zum Flughafen haben wir die Gelegenheit, mal ungestört allein zu quatschen.„Wie geht es dir? Seid ihr glücklich?“, frage ich Chris, der mich immer noch grinsend anschaut.„Ja, sehr. Aiden ist das Beste, was mir passieren konnte. Und es gibt tatsächlich etwas Neues, aber das werden wir euch morgen erzählen.“ Geheimnisvoll und liebevoll lächelnd schaut er zu mir rüber. Hmmm, sehr seltsam, der Blick.„Na, da bin ich aber gespannt.“, schmunzele ich.„Und wie läuft es mit deiner Firma?“„Sehr gut, danke. Wir haben im Übrigen vor, in Hamburg eine Luxussauna für den Herrn mit allem Drum und Dran zu bauen. Ich habe in der Hafencity ein Gebäude gekauft. Es ist eine alte Lagerhalle, die wir umplanen müssen. Marc wird wieder sehr beschäftigt sein.“„Werdet ihr dann wieder eine Zeit lang bei uns in Hamburg sein?“„Mal schauen. Lass uns drüber reden, wenn es soweit ist. Jetzt geben wir erst mal den Koffer auf, wir sind nämlich da!“

Schluss, aus, Feierabend. Ich will nur noch ins Bett und schlafen.Als ich in unser Zimmer komme, liegt Marc bereits in den schönsten Träumen. Ich ziehe mich aus und kuschele mich an Marcs Rücken, lege meinen Arm um meinen Mann und sauge tief seinen Duft ein. Genieße seine warme, weiche Haut über seinen kräftigen Muskeln. Er lässt mich immer ruhig werden. Runterkommen. Mit ihm könnte die Welt untergehen, ich hätte keine Angst, solange er nur bei mir ist. Mein Leben ist perfekt an seiner Seite.

Marc

 

Marc

 

Pui, ist mir warm. Ein Arm, der um mich geschlungen ist und mich fest hält. Ein klitzekleiner Hintern, der sich an meinen Bauch schmiegt. Wir liegen hier wie Löffel in der Besteckschublade.

Wann Bibi zu uns ins Bett gekommen ist, weiß ich nicht. Auch wann Tom wieder da war, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber eines weiß ich. Ich muss pinkeln! Vorsichtig hebe ich Toms Arm an und schiebe ihn hinter mich. Dann hebe ich Bibi ein wenig an, um mich aus der eingezwängten Situation heraus zu mogeln. Ein Brummen hinter mir und ein zufriedenes Schmatzen von vorn signalisieren mir, dass beide noch tief und fest schlafen.

Ich schnappe mir meine Klamotten und gehe schnell ins Bad.

Als ich eine viertel Stunde später runter komme, sitzt Aiden bereits in der Küche und genießt seinen ersten Kaffee.

„Na, schon wach? Du könntest doch ausschlafen! Was treibt dich schon aus den Federn?“

„Keine Ahnung. Ich hatte den exklusiven Platz zwischen Bibi und Tom im Bett, aber dann treibt einen ein menschliches Bedürfnis aus den Federn. Ich kenne mich, wenn ich wieder ins Bett gehen würde, dann komme ich nicht vor elf aus der Kiste.“

Aiden steht auf, klopft mir auf die Schulter und lächelt versonnen. Reicht mir einen Pott Kaffee und setzt sich wieder zu mir an den großen Holztisch.

„Hey mein Freund, was ist los? Gibt es etwas, was du mir sagen willst?“, frage ich ihn und beobachte ihn bei seinem Tun.

„Später mein Freund. Später!“ Er lächelt immer noch und schaut mir dabei so tief in die Augen, dass es mir die Gedanken verschlägt. Was haben die beiden denn geplant?!

„Guten Morgen, Onkel Marc.“ Juli kommt in die Küche, nimmt sich sofort eine Müslischüssel und füllt sie mit Flakes und Milch.

„Morgen, mein Kleiner. Warum bist du denn schon auf?“

„Na, ich muss doch in den Stall. Ich muss meine Pferde füttern. Außerdem will ich nachher noch eine Runde auf Black Beauty reiten. Wenn Bibi darf, kann sie ja mitkommen und das Pony nehmen.“

„Du, ich glaube, sie würde gern, aber wir müssen in die Stadt. Tom braucht dringend Wintersachen. Sein Koffer ist nicht mit hier her gekommen und nun steht der Arme ohne dicke Sachen da.“

„Wie, nicht mitgekommen? Wo ist denn sein Koffer?“ Ich muss schon wieder anfangen zu lachen.

„Auf den Bahamas.“ Juli lacht auf. „Ja, da braucht man bestimmt dicke Wintersachen.“ Er hat seinen Sinn für Humor eindeutig von seinem Onkel. „Und wann kommt sein Koffer nun hier an?“

„Das ist eine gute Frage, die wir auch gern beantwortet hätten.“

„Papa, Onkel Aiden, Juliiiiiii:“ Bibiana kommt, wie immer putzmunter zu dieser Tageszeit, in die Küche gestürmt. Erst mal meinen Kaffee austrinken. Tom, der kurz nach unserem Wirbelwind in die Küche kommt, küsst mich zärtlich und streichelt mir meinen Haaransatz im Nacken. Aiden besorgt den nächsten Pott Kaffee, stellt neuen auf und Bibi setzt sich neben Julian und beginnt, ohne Punkt und Komma auf den armen Kerl einzuquatschen.

„Fehlt nur noch Chris zu dieser unchristlichen Zeit. Es ist kurz nach sieben“, meint Tom und schmunzelt. Ich stehe auf und biete ihm meinen Platz an, denn ich werde unserer Zaubermaus mal das Frühstück in Form von Flakes und einer Banane vorbereiten.

Meist frühstücken wir alle zusammen, wenn die Arbeit im Stall verrichtet ist. Dann mit Rühreier, Schinken und Pfannkuchen.

„Dad, ich gehe schon mal in den Stall. Ich lasse mir heute von Paul helfen, okay?“

„Mach das, mein Engel.“, antwortet Aiden und küsst seinen Sohn auf die Stirn.

Tom beobachtet die beiden und bekommt diesen Blick, den er immer bekommt, wenn er Eltern mit ihren Kindern beobachtet. Ganz besonders Aiden und Chris. Sie lieben dieses Kind abgöttisch. Sie sind eine wundervolle Familie.

„Er ist ein ganz toller Junge. Einer, auf den man echt stolz sein kann. Wie macht er sich in der Schule?“

„Super. Als er damals die erste Klasse übersprungen hat und direkt in die zweite kam, dachte ich, er wäre auf einem Level mit den anderen Kindern. Aber er ist ihnen immer noch haushoch überlegen. Wir überlegen, ihn auf einer Eliteschule anzumelden. Aber nur, wenn er es will. Juli ist jetzt vierte Klasse Grundschule. Mal schauen, was nächstes Jahr ist.“

„Langweilt er sich in der Schule?“, frage ich interessiert nach.

„Ja, sehr. Die Lehrer sind mit ihm zum Teil schon überfordert und haben uns diese Möglichkeit mit der anderen Schule ans Herz gelegt. Wir haben Tests mit ihm machen lassen. Er ist hochbegabt. Die Ergebnisse haben wir vor ein paar Tagen bekommen. Er muss nicht gefördert werden, sondern will gefordert werden. Und er fordert sein Umfeld sehr. Mona schimpft immer schon, wenn sie mit ihm nicht mithalten kann. Aber sie liebt ihn wie einen eigenen Enkel.“, schwärmt Aiden und blickt dabei in seine Tasse.

„Noch Kaffee, ihr beiden, oder was zu essen?“

„Mach dir keine Umstände, wir nehmen uns, was wir brauchen, wie immer. Wir fühlen uns sehr wohl hier.“ Tom legt Aiden eine Hand auf seinen Arm. Der blickt hoch und sieht mit seinen 38 Jahren verdammt gut aus.

„Ich bin froh, hier zu sein. Hier bei euch. Ich vermisse euch oft. Dann denke ich an den letzten Urlaub hier oder wenn ihr bei uns wart und zehre davon, bis wir uns endlich wieder sehen. Ich liebe dich…, wie einen Bruder!“ Aiden schaut hoch und blickt ihn intensiv an.

„Ich euch auch. Und ich bin froh, dass ihr endlich hier seid und ich hoffe, dass ihr nicht gleich nach Neujahr wieder verschwindet.“

„Nein, wir haben drei Wochen Urlaub.“

„Das ist gut, denn wir haben eine Überraschung für euch. Wenn Chris runter kommt, dann wollen wir euch was erzählen. Ach, by the way… hat er dir erzählt, dass seine Stute Aisha ein Fohlen bekommen hat?“

„Woah, nein, wann das denn?“

„Es ist jetzt drei Wochen alt. Ein ganz zauberhaftes Geschöpf. Chris liebt sie abgöttisch.“

„Liebling, du sollst nicht immer alles verraten. Nachher wollen sie sie mitnehmen.“ Chris kommt mit wild abstehenden Haaren und einem debilen Grinsen in die Küche geschlichen und begibt sich direkt auf seinen Mann zu. Küsst ihn zärtlich auf den Mund und schaut ihm dabei bis auf den Grund seiner Seele. Was für ein Paar! Dabei schaue ich meinen Mann an und sofort beginnt es in meinem Bauch ganz heiß zu werden. Den beiden geht es genauso wie uns.

Dann geht Chris zu Bibi und küsst unsere Zaubermaus aufs Haar. „Guten Morgen, Sweety.“ Sweety war sie von Anfang an. Und sie liebt diesen Spitznamen von ihm, sie liebt ihre Onkels überhaupt abgöttisch.

„Ich gehe kurz duschen und dann erzählen wir den beiden unsere Überraschung?“

„Okay, beeil dich.“

„Na, ihr macht uns aber neugierig.“ Ein verschmitztes Grinsen als Antwort muss uns reichen.

Bibi ist in der Zwischenzeit auch fertig geworden und verschwindet in ihr Zimmer.

Wir räumen gemeinsam die Küche auf. Aiden gießt Chris einen Pott Kaffee voll.

„In einer viertel Stunde im Wohnzimmer?“, fragt er.

„Von uns aus!“

„Bis gleich!“,

Auch wir verschwinden noch mal in unserem Schlafzimmer, wo wir nach passenden Klamotten für Tom suchen, denn jetzt müssen wir ja beide mit meinem Klamottenfundus auskommen. Zumindest so lange, bis wir wissen, ob und wann Toms Koffer wieder auftaucht.

Da Tom nur ein kleines bisschen größer ist als ich, sollte das kein Problem sein. Nur Toms Schuhgröße stimmt nicht mit meiner überein. Er trägt 46 und ich nur 45. Und da seine dicken Boots auch im Koffer waren, steht er jetzt mit nur ziemlich „leichten“ Stiefeln da. Man gut, dass die Tasche mit den Geschenken nicht abhandengekommen ist, denn sonst könnten wir jetzt noch zwei Tage vor Weihnachten neue Geschenke besorgen.

 

Als wir ins Wohnzimmer kommen, stehen Chris und Aiden eng umschlungen und küssend vor dem Kamin. Wie passend: unter einem Mistelzweig!

„Na ihr…alles klar, oder sollen wir euch allein lassen?“, stänkert Tom.

„Kommt, setzt euch, wir wollen euch was erzählen.“

Wir folgen der Aufforderung und machen es uns auf dem großen Kuschelsofa gemütlich, das einen atemberaubenden Blick auf den in der Nähe vorbeilaufenden Fluss bietet. „Wir haben uns zwar im Sommer schon gesehen und da war das, was wir euch jetzt erzählen werden, bereits in trockenen Tüchern, wie man so schön sagt, aber leider noch lange nicht sicher. Tom, Marc…“ Chris steht wieder auf und schaut seinen Mann liebevoll an, „wir werden noch mal Eltern, und es kann jeden Tag soweit sein. Aiden ist der biologische Vater eines kleinen Mädchens. Wir hatten euch ja gebeten, hier im Haus bei uns zu wohnen. Das hat einen Grund, denn Anna, unsere Leihmutter, wohnt zurzeit drüben im Gästehaus. Es war also ein kleiner Vorwand nötig, um euch hier bei uns einzuquartieren. Ich hoffe, ihr nehmt uns unsere kleine Flunkerei nicht übel.“

„Ein Baby?!“, krächzt Tom.

„Was bedeutet jederzeit? Das wir hier eine Geburt erleben werden?“, frage ich überwältigt.

„Japp!“, gibt Chris kurz und knapp zur Antwort.

„Wann ist denn der Entbindungstermin?“, fragt Tom.

„Heute!“, antwortet Aiden und grinst.

„Uff…“ Mehr bringe ich nicht mehr über meine Lippen.

Ich stehe auf und ziehe die beiden in eine feste Umarmung.

„Ich fasse es nicht. Ihr Schlawiner habt schon wieder nichts gesagt.“, schimpfe ich.

„Das hat einen Grund. Bitte seid nicht sauer, aber Anna ging es nicht gut. Ab und an sah es so aus, als würde sie das Baby verlieren, aber es ist alles gut gegangen. Und wir wollten sicher sein, dass alles gut ist. Und nun warten wir täglich auf unsere Tochter. Wenn das Baby geboren ist, wird Anna sofort nach Kalifornien zurückgehen, sie bleibt nicht hier.

Unsere Tochter soll hier geboren werden, das war eine Bedingung von uns. Anna ist jetzt seit sechs Wochen hier bei uns und wartet auf das Baby. So, das war Überraschung Nummer eins. Und nun zu Überraschung Nummer zwei. Wir bekommen heute noch mehr Besuch. Casey und Laron kommen auch noch. Sie landen in drei Stunden in Helena und wir müssen sie von dort abholen.

Die beiden kommen nämlich gerade aus Santa Monica. Dreimal dürft ihr raten, was die beiden da unten in die Wege geleitet haben.“ Er grinst uns schon wieder so komisch an.

„Das ist nicht euer Ernst. Wollt ihr eine eigene Kindergartengruppe eröffnen?“ Mittlerweile stehen wir zu viert und halten uns im Kreis stehend im Arm.

„Ich will auch kuscheln.“, kommt es von hinter uns irgendwo.

„Komm her, Zaubermaus.“ Tom nimmt unsere Tochter hoch und reiht sich wieder in unseren Kreis ein.

„Manometer, das sind ja Neuigkeiten! Sollten wir die werdende Mutter nicht mal rüber bitten?“

„Sie kommt gleich.“

„Wollt ihr das Kinderzimmer ansehen“, schlägt Aiden vor.

Tom und ich schauen uns kopfschüttelnd an und dann wieder unsere Tochter. Denn auch wir haben unseren kleinen Stern in Santa Monica in einer Klinik zeugen lassen. Es wurde damals ein Profil von uns ausgefüllt und so wurde das passende Ei zu unseren Spermien gefunden. Megan hat dann unser Kind ausgetragen. Das haben jetzt Casey und Laron auf dem Tagesplan gehabt. Man, wer hätte das gedacht.

„Wisst ihr eigentlich, wer ausschlaggebend für den Kinderwunsch bei uns und Casey und Laron war?“, fragt Chris. „Nein, wer?“

„Ihr zwei und Bibi. Damals auf unserer Hochzeit war Bibi der Star des Tages. An dem Tag wurde sowohl bei uns als auch bei Casey und Laron der Wunsch nach einem eigenen Kind geweckt und nun haben wir es in die Tat umgesetzt.

Würde es euch was ausmachen, die beiden aus Helena abzuholen? Ihr könntet es gleich mit eurem Shoppingtrip verbinden. Ich mag eigentlich nicht mehr aus dem Haus gehen.“, sagt Aiden ein wenig unsicher. Er wirkt nervös.

„Na klar, machen wir gern. Wer, wenn nicht wir, könnte euch verstehen. Weißt du noch Engel, damals, als Bibi geboren wurde?“

„Au man, allerdings. Das war Aufregung pur, wir haben es gerade noch in den Kreißsaal geschafft. Und dann wurdest du auch schon geboren, nicht wahr, meine Zaubermaus?“ Ich schnippe nach Bibis Nase und schaue in ihre dunklen Augen, die gerade funkeln wie Diamanten. Sie lächelt und streicht sich dabei unwirsch eine ihrer schweren schwarzen Locken nach hinten.

„Wir sollten deine Haare binden und uns anziehen. Wir wollen Onkel Casey und Onkel Laron abholen.“

„Au fein.“, freut sie sich.

„Lasst sie doch hier, dann kann sie mit Aiden eine Runde reiten. Juli will heute auch auf Blacky eine Runde drehen, so wie ich ihn gestern verstanden habe.“

„Reiten oder Autofahren?“, fragt Tom kurz und knapp.

„Dann lieber reiten.“ Sie grinst uns an und möchte dann herunter gelassen werden.

„Okay, sei brav Zaubermaus.“ Tom zupft ihr Kleidchen wieder zurecht und gibt ihr einen liebevollen Klaps auf den Popo. „Und du denke daran, dass du nicht fluchen darfst. Pro Fluch ein Euro ins Fluch-Schweinchen. Papa passt auf und sagt es mir. Jaaaha!“, tadelt sie Tom. Sie legt den Kopf etwas schief und stemmt ihre kleine Hand in die Hüfte. Tze… unglaublich, von wem sie sich das nur abgeschaut hat? Von mir hat sie das aber nicht. Bibi steht da wie eine kleine Diva. Mit ihrem Kleidchen und der rosa Hello-Kitty-Strumpfhose. Mit ihren dunkelbraunen Augen und ihren langen schwarzen Haaren ist sie eine kleine Schönheit.

„Mann, wenn die mal groß ist, müsst ihr euch bewaffnen. Sie ist jetzt schon umwerfend.“, grinst Aiden.

Aiden

 

Aiden

 

Ich reiche Tom meinen Autoschlüssel und schaue den beiden zu, wie sie in Richtung Helena vom Hof rauschen. Schnappe mir die Kleine und gehe Richtung Stall, wo ich Paul und Juli treffe, wie sie gerade Äpfel an Aisha verfüttern. Die Stute ist Chris‘ ganzer Stolz und eine Seele von einem Tier. Sie hat uns vor drei Wochen ein ganz bezauberndes Fohlen geschenkt. Juli war wieder unser Namenspate. Er hat die Kleine Rona genannt. Sie ist nervöser als Blacky damals. Aber nur, weil Paul dabei ist. Wenn Juli allein zu den beiden in die Box geht, ist die Kleine recht zutraulich. Wie Mirabelle damals mit Blacky, wie wir den Racker mittlerweile nennen. Black Beauty ist zu einem stattlichen Hengst herangewachsen. Aber er läuft Juli nach wie vor wie ein Hund hinterher. Monty, unser Flohteppich, liegt faul im Heu und verpennt den lieben langen Tag.

„Hey Dad, alles klar. Wie geht es Anna?“

„Ich gehe gleich mal rüber und schaue nach ihr, willst du mitkommen?“

„Klar, gerne. Habt ihr es Onkel Tom und Onkel Marc erzählt?“

„Ja, haben wir. Wie erwartet freuen sie sich für uns!“

„Ich gehe jetzt kurz zu Anna, kommst du nun? Komm, Bibi, wir wollen jemanden besuchen.“

 

Als ich an die Tür klopfen will, öffnet sie sich bereits. „Guten Morgen, Anna.“

„Guten Morgen, Aiden. Ist Ihr Besuch gut angekommen? Und wer ist die kleine Dame? Hallo Julian, wie geht es dir?“ Sie öffnet die Tür, um uns eintreten zu lassen.

„Das sind viele Fragen. Du bist aber neugierig.“, platzt Bibi heraus. Wir müssen alle ein wenig schmunzeln, denn so ganz Unrecht hat sie ja nicht.

„Anna, das hier ist Bibiana, die Tochter von Marc und Tom Steinmann, unseren Freunden aus Deutschland.“

„Hallo Bibiana. Ich bin Anna.“

„Bekommst du ein Baby? Die Mama von Malte aus meinem Kindergarten hat auch so einen dicken Bauch und da ist ein Baby drin. Malte sagt, dass er das doof findet, denn er muss sich dann sein Zimmer mit dem Brüderchen teilen. Er sagt, seine Mama soll das Baby zurückschicken, wenn es da ist, aber sie sagt, das ginge nicht.“

„Na, so ganz einfach geht das auch nicht.“, schmunzelt Anna.

„Willst du mal fühlen? Es bewegt sich gerade.“ Vorsichtig legt sie ihre kleine Hand auf den Bauch und schon zaubert es ein breites Grinsen in ihr kleines Gesicht. Würde ich am liebsten auch machen, aber ich habe von Anfang an eine gewisse Distanz zu Anna behalten, denn nachher tut es mir leid, dass sie wieder geht, wenn das Baby erst mal da ist. Sie trägt das Kleine ja immerhin unter ihrem Herzen und damit auch die Verantwortung.

„Aiden, wir sollten die Hebamme anrufen. Ich habe seit letzter Nacht immer wieder Rückenschmerzen. Sie soll besser mal schauen.“

„Okay, dann ziehen Sie sich was an und kommen mit rüber. Sie bleiben dann bei uns, damit wir Sie immer im Auge behalten können. Wenn Sie sich zurückziehen wollen, gehen Sie nach oben in das Zimmer, damit sie uns jederzeit erreichen können. Okay?“

„Gerne. Ich glaube, dass ich heute noch eine Menge Arbeit vor mir haben werde. Ich hab´s im Gefühl.“ Sie lächelt mich an und mein Puls fängt an zu rasen.

„Dad, ich sage Daddy Bescheid, okay?“

„Ja bitte, Engel.“ Und schon ist er zur Tür wieder raus.

Ich reiche ihr ihren Mantel und hole ihre Stiefel, in die ich ihr hinein helfe. Dann nehme ich sie am Arm und begleite sie zu unserem Haupthaus.

Als ich eintrete, telefoniert Chris bereits.

„Guten Morgen, Anna, ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.“

„Guten Morgen, Mr.Taylor, nicht viel, aber etwas ausgeruht habe ich schon. Ich würde mich gern etwas hinlegen, wenn es recht ist.“

„Alles, was Sie wollen, Anna. Sagen Sie uns nur, was sie brauchen. Wollen Sie sich vor den Kamin legen?“

„Gern und wenn die Hebamme kommt, gehe ich hoch in das Entbindungszimmer. Wenn alles klappt, dann bin ich Weihnachten doch schon wieder bei meinen Eltern.“ Sie lächelt und ich habe echt nicht das Gefühl, dass sie gerne hier ist.

Chris nimmt ihr den Mantel ab und streift ihr die Stiefel von den Füßen.

Nervös schaue ich mich immer wieder zum Fenster um und warte darauf, dass die Hebamme endlich kommt.

„Nervös?“ Er schaut mich an und ich nicke lediglich als Antwort. „Ich auch.“ Er küsst mich und nimmt mich in den Arm.

„Willst du dich ablenken? Dann gehe ‘ne Runde reiten. Das hattest du den Kindern eh versprochen. So schnell wird das hier nicht gehen.“

„Ich warte jetzt die Diagnose von der Hebamme ab und dann mache ich das davon abhängig.“

„Fühl mal mein Herz.“ Ich lege seine Hand auf meine Brust und lasse ihn meinen Herzschlag spüren, der wie wild an meinen Brustkorb klopft. Chris drückt mich an sich heran und hält mich im Arm.

„Wir sollten zu Anna gehen und es ihr bequem machen.“

Zwanzig Minuten später kommt die Hebamme. Sie bittet Anna nach oben in das Gästezimmer, das als Entbindungszimmer herhalten soll.

Wir bleiben zurück und nach einer halben Stunde kommt sie runter.

„Die Geburt ist eingeleitet. Der Muttermund ist aber erst bei zwei Zentimeter. Das dauert noch. Wir sollten sie sich bewegen lassen. Laufen, Treppen steigen, später vielleicht ein Wannenbad. Alles, was sie gut erträgt, ist erlaubt. Anna hätte gern ein bisschen Unterstützung von Ihnen beiden. Auch bei der Entbindung später hat sie nichts dagegen, wenn sie dabei sind. Aber wann das sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen.“

„Okay. Vorschlag. Du gehst mit den Kindern ‘ne Runde reiten, damit du abgelenkt bist, ich laufe mit Anna und mache mit ihr, was sie gern machen möchte und dann wechseln wir uns ab. Einverstanden?“

„Okay, dann geh du mit hoch und ich rufe Tom an.“

„Okay.“

Chris küsst mich und geht dann mit der Hebamme wieder nach oben. Ich gebe bei unserer Haushälterin, Mrs.Buchanan, Bescheid, dass heute kein Tag wie jeder andere ist und versuche es dann bei Tom auf dem Handy. Inzwischen sollten sie ja in Helena angekommen sein.

„Hey Tom, hier ist Aiden.“

„Hey Bruder, alles klar?“

„Ich denke schon, ähm, pass auf. Anna hat Wehen. Ich wollte euch nur Bescheid geben.“

„Geht es allen gut?“

„Ja, alles bestens. Fahrt vorsichtig und kommt nur heile hier wieder an, okay?“

„Mach dir keinen Kopf, ich setze Marc am Flughafen ab und besorge mir nur ein paar Klamotten. Ich hab in der Zwischenzeit den Anruf bekommen, dass mein Koffer in drei Tagen da sein sollte. Der Flieger hat allerdings ‘ne Stunde Verspätung. Wenn die beiden gelandet sind, machen wir uns auf den Rückweg. Ich melde mich bei dir, okay? Und dann nehmen wir euch alles andere ab, damit ihr euch auf das schönste Ereignis eures Lebens konzentrieren könnt. Alles wird gut. Hab Vertrauen.“

„Danke, Tom.“

Wir legen auf und ich schnappe mir die Kinder und gehe in den Stall, um die Pferde zu satteln. Aber nicht bevor ich noch mal kurz nach oben zu Anna gehe und ihr signalisiere, dass ich für sie da bin.

 

Es ist kalt und meine Nervosität lässt sich nicht ganz verbergen. Immer wieder schaue ich zu unserem Haus, wo Anna nun im Entbindungszimmer liegt oder am Treppensteigen ist oder vielleicht schon in der Badewanne liegt. Mann, wie lange dauert so eine Geburt wohl?

Ich habe Bibi vor mir sitzen und Juli versucht, den tänzelnden Blacky in den Griff zu bekommen.

„Juli, lass uns bitte zurückreiten, ich habe heute nicht den Kopf frei. Das Baby kommt und ich würde gern im Haus sein.“

„Okay Dad, er ist auch nicht wirklich gut zur Hand heute. Ist ziemlich nervös. Vielleicht übertragen wir unsere Stimmung auf die Pferde?“

„Also Poppy ist die Ruhe selbst. Wollen wir tauschen?“

„Nein, ich schaff das schon.“

„Onkel Aiden, mir ist kalt.“

„Ja Sweety, wir reiten zurück und dann gibt es von Mrs.Buchanan einen leckeren heißen Kakao.“

„Au ja.“

 

Wir bringen die Pferde zurück in den Stall und streuen noch mal etwas Heu nach. Verteilen Äpfel und gehen dann ins Haus zurück.

Eine SMS von Tom erreicht mich, dass sie auf dem Rückweg sind und Casey und Laron eingesammelt haben.

Na, auf dass die Bude hier voll wird. So viele waren wir, glaube ich, noch nie hier in unserem Zuhause.

Hier ist unser Rückzug. Hier haben wir unsere Ruhe und leben ein Leben, das wir in New York nicht leben können. Ich trete ans Fenster und blicke auf den Fluss, der im Sonnenschein glitzert und stetig vorbeifließt.

„Dad?“ Juli tritt neben mich und schaut mich an.

„Wenn das Baby kommt, dann ändert sich doch aber nichts, oder?“

„Engel, was soll sich denn ändern?“ Ich ziehe ihn zum Sofa und betrachte den Schokoschnurrbart auf seiner Oberlippe.

„Nun, das Baby ist dein Baby. Also du bist der Vater. Ich…“ Er blickt auf seine Finger, die er im Schoß nervös knetet.

„Julian, schau mich an und hör mir zu. Du wirst immer, hörst du, immer mein Sohn sein, auch wenn du nicht meine Gene hast. Ich liebe dich über alles und da wird dieses Baby auch nichts dran ändern. Ich werde dieses Baby auch lieben, aber nichts, wirklich nichts wird sich zwischen uns ändern. Ich liebe dich, mein Sohn.“ Ich ziehe ihn in meine Arme und halte ihn fest.

„Als du damals zu uns gekommen bist, warst du für uns der Grund, um alles in unserem Leben zu ändern. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem und auch in Daddys Leben und Herzen haben. Verstehen wirst du das vielleicht erst, wenn du erwachsen bist, aber bis dahin genießen wir einander, okay?“

„Ich hab dich sehr lieb, Dad. Und das Baby ist bestimmt toll.“

„Du wirst sehen, dass alles gut wird.“

Wir sitzen noch eine Zeit lang auf dem Sofa, bis Bibi ins Wohnzimmer kommt und nach ihren Vätern fragt, die dann zwanzig Minuten später mit Casey und Laron auch eintrudeln.

 

Die Begrüßung ist überschwänglich und alle freuen sich auf die Geburt unserer Tochter. Ich beschließe, schnell duschen zu gehen und mich dann bei Anna und Chris zu melden.

 

Ich klopfe an der Tür zum Entbindungszimmer und sogleich macht Chris die Tür auf.

Scheinbar ist Anna im Bad in der Wanne und versucht, die Zeit bis zur Entbindung zu überstehen.

„Wie geht es ihr?“

„Sie hält sich tapfer. Der Muttermund ist bereits 6 Zentimeter offen. Es dauert nicht mehr lange. Das Wasser entspannt sie, aber die Wehen sind im Wasser heftiger. Sie ist bereits 20 Minuten im Bad. Ich gehe mal runter, hab die anderen schon gehört.“

„Mach das und wenn es richtig losgeht, hole ich dich.“

„Ich liebe dich.“, raunt Chris mir ins Ohr.

„Ich dich auch, Sweetheart.“

Es vergehen ein paar Minuten und ich stelle mich ans Fenster, um nach draußen zu blicken. Der Anblick der verschneiten Felder und Wiesen ist immer wieder schön. Der Schnee glänzt und glitzert. Milliarden von kleinen Kristallen lassen mich meine Augen zusammenkneifen und diesen Anblick genießen.

 

Zwei weitere Stunden verbringe ich mit Anna in dem heimeligen Zimmer, das sie mit Mrs.Buchanan zusammen hergerichtet hat, um hier meine Tochter zur Welt zu bringen. Anna ist fast dreißig und bringt ihr drittes Kind zu Welt. Sie steht zum dritten Mal vor einer Entbindung und kann auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückgreifen.

Es ist erstaunlich, aber seitdem ich hier neben ihrem Bett sitze, bin ich ruhiger.

Die Wehen werden immer heftiger und es scheint jetzt wirklich bald soweit zu sein.

Als ich mich zurückziehen will, um Chris zu holen, sehe ich ihn im Wohnzimmer am Fenster stehen. Ich gehe hin und lege meine Arme um ihn und drücke ihn an mich.

„Wo sind die anderen?“, will ich wissen.

„Die sind mit den Kindern in den Wald, einen Weihnachtsbaum schlagen. Wie geht es Anna?“

„Deswegen bin ich hier. Endspurt. Du solltest langsam hoch kommen. Meine Güte, was bin ich froh, dass die Frauen die Kinder bekommen. Ich hätte schon längst schlapp gemacht.“

„Allerdings. Ich auch. Dann lass uns hoch gehen und unsere Tochter begrüßen. Gott, bin ich nervös.“

 

„Noch ein bisschen“, feuert die Hebamme Anna an und wieder legt sie ihr Kinn auf ihren Brustkorb und presst, was ihre Kraft hergibt. Chris hält ihre linke und ich ihre rechte Hand, um ihr beizustehen. Sie schwitzt und leidet. Brüllt aus Leibeskräften und versucht, zwischen den Wehen zu entspannen. Aber dann nach gefühlten Tagen der Anstrengung für Anna, kommt unsere Tochter zur Welt und überwältigt mich mit einer Wucht, dass es mir den Boden unter den Füßen wegzieht.

Ich bekomme ein Bündel Mensch in den Arm gelegt und schaue in ein kleines, verschwollenes, aber absolut anbetungswürdiges Gesichtchen. Sie hat schwarze Haare und ganz zauberhafte klitzekleine Ohren. Chris kuschelt sich zu mir und wir bestaunen unsere Tochter, die sich pünktlich zu Weihnachten auf den Weg in unser Leben gemacht hat.

Was für ein Tag. Geboren an einem sonnigen Nachmittag am 23.12. Wow…

Nachdem die Kleine gebadet und angezogen ist, packt die Hebamme die Kleine in eine Decke und legt sie mir in den Arm. Gemeinsam trete ich mit Chris aus dem Entbindungszimmer, nachdem wir uns bei Anna bedankt haben und sie uns förmlich rausgeschmissen hat, damit sie zur Ruhe kommen kann.

Wir treten ins Wohnzimmer, wo mittlerweile ein geschmückter Weihnachtsbaum steht. Die Stimmen verstummen und neugierige Blicke aus liebevollen Gesichtern sind auf das Bündel Mensch in meinem Arm gerichtet. Alle Anwesenden stehen auf und kommen auf uns zu.

Tränen schimmern in den Augen und dies lässt auch meine Tränen wieder steigen.

„Dürfen wir euch Maxine vorstellen. Maxine, das sind deine Patenonkel.“

Ich reiche die Kleine an Chris weiter. Er setzt sich in die Relax-Liege vorm Kamin und legt sich die Kleine auf die Brust. Ich sauge den Anblick auf und als ich mich umschaue, sehe ich, wie Tom von dieser intimen Situation ein Foto macht. Ich muss unbedingt daran denken, dass er mir das Bild auf mein Smartphone schickt. Julian steht am Sofa und schaut verunsichert auf die Szene. Ich gehe zu ihm hin und nehme ihn in den Arm.

„Alles ist gut und bleibt es auch. Ich liebe dich.“

„Ich dich auch, Dad.“ Dann tritt er neben Chris, der sich mit der Kleinen aufrafft und Juli seinen Platz einnehmen lässt und ihm seine Schwester in den Arm legt, um sich kennen zu lernen. Julis Lächeln beim Anblick der Kleinen lässt mir mein Herz von andante auf presto hinauf schnellen. Meine Kinder. Eine unbeschreibliche wohltuende Wärme breitet sich in meinem Körper aus. Dann blicke ich in Chris Augen und sehe, dass es ihm genauso geht. Wir treten aufeinander zu und nehmen uns in den Arm. Küssen uns und am liebsten würde ich die Zeit anhalten, um diesen Augenblick für immer festzuhalten. Tränen steigen uns wieder in die Augen, denn der Weg zu einem Kind ist für einen Schwulen lang und beschwerlich. Aber umso schöner ist es dann, wenn das Baby erst mal da ist.

Was für ein Gefühl…. Einfach nur überwältigend.

Als wir uns voneinander lösen, sehen wir, wie Marc und Tom mit Bibi vereint vor dem Kamin stehen und Tränen aus ihren Gesichtern wischen, Casey sein Gesicht an Larons Hals schmiegt und von ihm bebend festumschlungen gehalten wird. Es herrscht so viel Liebe und Zuneigung in diesem Raum. Und dann ist auch noch Weihnachten. Was für ein Tag…

 

„Kommen wir zu spät? Ist es schon da? Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht, als du mich angerufen hast.“ Sam, Tony und Tarec stürmen ins Wohnzimmer und bleiben abrupt stehen und schauen sich um, um die Situation zu erfassen, die ihnen gerade geboten wird. Sie schauen sich, bleiben mit ihren Augen an Juli hängen und bewegen sich langsam auf ihn zu, um dann leise und ganz langsam vor ihm auf die Knie zu sinken und ihre Nichte zu erblicken. Ihre warmen und sanften Augen bekommen einen besonderen Glanz und sie schauen mit viel Liebe in das Gesicht des neusten Familienmitgliedes.

„Sie heißt Maxine. Sie kam vor zwei Stunden.“

„Gott Aiden, sie ist so schön.“ Sam steht auf und küsst Juli aufs Haar und dreht sich dann zu uns um. Mit Tränen in den Augen schließt er mich in seine Arme und drückt mich fest an sich.

„Mum und Dad wären stolz auf dich. Ich bin es jedenfalls.“ Er zieht Chris dazu und wir drei stehen, wie eine Familie es eben sollte, zusammen. Tony und Tarec kommen dazu und wir halten uns und geben uns gegenseitig Kraft.

Chris

 

Chris

 

Dieses Weihnachtsfest werde ich bestimmt nie wieder vergessen. Nicht nur, weil Maxine geboren wurde, sondern weil, bis auf ein paar Ausnahmen, alle da waren, weil eben alles passte und wir eine Familie sind und zusammenhalten. Es ist egal, wo sie alle sind. Ob nun in Hamburg, New York, Seattle/Washington oder eben in Great Falls. Wir kommen immer wieder zusammen und es zeigt uns, dass der Zusammenhalt besser nicht sein könnte.

Aus Partnern werden Familien. Marc und Tom mit Bibiana. Wir mit Julian und jetzt auch mit Maxine. Bald Casey und Laron mit ihrem Baby, das nächstes Jahr geboren werden soll. Aber auch Sam hat Tony und Tarec. Wenn auch ohne Kinder, dafür mit Pferden, Hunden und Katzen, die sich bei ihm sehr wohl fühlen. So wie wir damals, als wir noch nicht gebaut hatten und deswegen immer bei ihm gewohnt hatten. Die drei wohnen zwei Meilen weiter und das Wissen, dass sie immer da sind, beschert uns ein gutes Gefühl.

Dieses Jahr hat das Christkind ganze Arbeit geleistet, denn alle unsere Lieben feiern mit uns Weihnachten.

Das Fest der Liebe.

Bei jedem ist die Liebe zu spüren und wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann den, dass sich nichts ändert und alle gesund und munter bleiben und nächstes Jahr wieder da sind. Ob nun im Sommer oder zu Weihnachten.

Ich sehe meinen Mann an und empfinde große Liebe, tiefe Zuneigung und grenzenloses Vertrauen und wer weiß, was uns noch so alles von unserer Schöpferin auferlegt wird. Auf jeden Fall werden wir uns wiedersehen… Versprochen !!!

 

ENDE

Impressum

Texte: Bettina Hartmann-Bartsch
Bildmaterialien: Shutterstock / Lizenzfreie Bilder
Lektorat: Susanne Scholz / Bernd Frielingsdorf
Tag der Veröffentlichung: 23.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

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