Der kurze Brief des Herrenbruders Jakobus hat es in sich. Einerseits habe wir es mit einem Familienangehörigen Jesu zu tun, und seine Gedanken offenbaren wohl sehr nahe Stoff, der im „Hause Jesu“ wohl gleichsam intensive Erörterung fand.
Andererseits fällt die Andersartigkeit des Stoffes und der Argumentationen im Vergleich zum gewohnt - hervorstechenden apostolischen Odeur eines Paulus auf, wenn es um das Neue Testament geht. Wir Leser sind wohl alle vornehmlich paulinisch geprägt.
Es ist interessant, wie Jakobus auf Paulus´ „Gerechtigkeit aus Glauben“ reagiert. Obwohl der Apostel im Galaterbrief ein Treffen mit Jakobus beschreibt, in dem dieser gleichsam den Mann aus Tarsus approbiert als Apostel für Nichtjudäer und ihm die Hand reicht, scheint es, als müsse der Jesusbruder aus Jerusalem doch noch letztlich einige klärende Worte sagen zur paulinischen Lehre. Er lehnt sie nicht ab, er rückt sie aus seiner Sicht nur zurecht.
Und anders als Paulus beleuchtet Jakobus eine andere Seite der, wie Paulus es nennen würde, „abgrundtiefen Verdorbenheit und Verlorenheit aller Menschen durch Sünde“: der Herrenbruder beleuchtet Dimensionen der Sünde, die so einmalig sind im Neuen Testament. Er bespricht die Effekte der losen Zunge, des Habenwollens, des Eigennutzes, der Eifersucht und des faulen Redens über andere. Er unterscheidet zwischen Weisheit von Gott und falscher, dämonischer Weisheit, die letztlich Quelle von Kriegen und Streitigkeiten ist. Manche haben gemeint, hierin auffällige Parallelen zum Buddhismus entdeckt zu haben und war Wasser auf die Mühlen derer, die mit einiger Phantasie schon länger behaupten, Jesus wäre in der Zeit zwischen seinem Tempelauftritt mit 12 Jahren und dem Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit mit 30 Jahren in Indien gewesen, speziell im Kaschmir und wäre dort in buddhistisches Leben und Denken eingeführt worden. Der interessierte Leser mache sich selbst auf die Suche, mittlerweile gibt es viel Material darüber.
Auf alle Fälle stellt der Text des Jakobus mit seiner Predigt demütiger Zurückhaltung in Stolz, Reden und Denken und wirklich liebevollen Umgangs mit- und untereinander, was sich auch in gesegneter Gebetsgemeinschaft auswirken würde, ein Kleinod neutestamentlicher Schriften dar. Das leuchtet besonders in unserer Zeit ein, die wirklich nicht arm zu sein scheint an überkandidelten, narzistischen und leicht aus der Fassung zu bringenden Subjekten, deren Lebenselixier neben Hedonismus und Dekadenz nicht selten unaufhörliche Bewegung in jeder Hinsicht umfasst. Zurück bleiben dann nicht selten überspannte, dünnhäutige Borderliner und hohle Dummköpfe, welche jenseits jeder realen Selbsteinschätzung agieren (vielleicht auch reagieren) und in Wahrheit die Sinnlosigkeit am tiefsten spüren. Man lese nur die Rede über die Reichen und wird erschüttert über die Aktualität!
Auch Jakobus´ Botschaft hat mit dem Evangelium zu tun, und zwar fernab jeder vorgeblich „himmlisch-entrückten“ Spekulation: Jakobus ist Medizin für Zornige und Egomanen, für Lüstlinge und Großfressen, für Ungeduldige und Ängstliche, die in unserer Zeit glauben, niemals genug tun zu können. Doch, sagt Jakobus, das kannst du: halt dein Maul und schau dich um, halt die Klappe und hör auf, über andere zu reden, guck genau hin, wie durch deine Lust und dein Habenwollen ein Scheiß entsteht, der zum Himmel stinkt! Hör damit auf, Mensch...und dann kannst du beten und Gott um Weisheit bitten, der keinem Vorwürfe macht und gerne gibt...
Meine Übersetzung aus dem griechischen Urtext folgt wieder der Onlineausgabe der 28. Auflage des Nestle/Aland:
http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-28/lesen-im-bibeltext/.
Der Leser wird hier, meine ich, etliche Stoff finden, den er von herkömmlichen Übersetzungen nicht kennt. Zwar ist die Übersetzung sprachlich nicht „glatt“ und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 26.02.2015
ISBN: 978-3-7368-8101-3
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